Klimakrise: Die Erde rechnet ab - Claus-Peter Hutter - E-Book
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Klimakrise: Die Erde rechnet ab E-Book

Claus-Peter Hutter

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Beschreibung

Mit Plan durch die Klimakrise

Jahrhundertsturm, Jahrtausendflut, verdorrte Böden, Insektenplagen – extreme Wetter- und Naturereignisse treten inzwischen im Jahresrhythmus auf und finden längst nicht mehr nur in fernen Ländern statt. Und dennoch sind dies erst Vorboten! Umweltexperte Claus-Peter Hutter führt uns eindringlich vor Augen, wie weit der Klimawandel schon vorangeschritten ist, womit wir in den nächsten Jahren noch rechnen müssen und welche Strategien für ein Leben unter verschärften Bedingungen wir alle angehen müssen. Wir alle können und müssen etwas tun. Jeder Tag zählt!

»Klimaschutz muss zu Hause, in jedem Dorf, in jeder Stadt anfangen. Claus-Peter Hutter zeigt konkret, was Sie als Einzelne tun können!« Arved Fuchs, Polarforscher

»Dieses Buch verdient es, von vielen Menschen gelesen zu werden; es ist verständlich geschrieben, reduziert die Komplexität, ohne dadurch banal oder unseriös zu werden« Prof. Dr. Klaus Töpfer

»Viel zu lange hat man auf uns Wissenschaftler nicht gehört – Dieses Buch zeigt mit vielen Beispielen, wie wir die Herausforderung Klimawandel meistern können« Prof. Dr. Mojib Latif, Klimaforscher

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Mit Plan durch die Klimakrise

Jahrhundertsturm, Jahrtausendflut, verdorrte Böden, Insektenplagen – extreme Wetter- und Naturereignisse treten inzwischen im Jahresrhythmus auf und finden längst nicht mehr nur in fernen Ländern statt. Und dennoch sind dies erst Vorboten! Umweltexperte Claus-Peter Hutter führt uns eindringlich vor Augen, wie weit der Klimawandel schon vorangeschritten ist, womit wir in den nächsten Jahren noch rechnen müssen und welche Strategien für ein Leben unter verschärften Bedingungen wir alle angehen müssen. Wir alle können und müssen etwas tun. Jeder Tag zählt!

»Klimaschutz muss zu Hause, in jedem Dorf, in jeder Stadt anfangen. Claus-Peter Hutter zeigt konkret, was Sie als Einzelne tun können!« Arved Fuchs, Polarforscher

»Dieses Buch verdient es, von vielen Menschen gelesen zu werden; es ist verständlich geschrieben, reduziert die Komplexität, ohne dadurch banal oder unseriös zu werden« Prof. Dr. Klaus Töpfer

»Viel zu lange hat man auf uns Wissenschaftler nicht gehört – Dieses Buch zeigt mit vielen Beispielen, wie wir die Herausforderung Klimawandel meistern können« Prof. Dr. Mojib Latif, Klimaforscher

Claus-Peter Hutter

Klima-krise:

Die Erde rechnet ab

Wo wir handeln müssen und was wir tun können, um unsere Zukunft zu retten

WILHELMHEYNEVERLAGMünchen

Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel

Die Erde rechnet ab im Ludwig Verlag.

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Copyright © 2020 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Der Wilhelm Heyne Verlag, München, ist ein Verlag der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Ulrike Strerath-Bolz

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

unter Verwendung eines Fotos von © Kativ / Getty Images

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

ISBN: 978-3-641-27335-4V001

www.heyne.de

All jenen Menschen gewidmet, die in den armen Regionen der Erde schon jetzt unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden. Menschen, die allzu oft Opfer der von ihnen nicht verursachten Erderwärmung sind und beim Kampf um das nackte Überleben in letzte Naturparadiese vordringen und selbst zu Tätern werden …

Inhalt

Der Klimawandel ist da – und was jetzt?

Gedanken über Nachgedachtes

Wenn das Klima krank macht

Angriff der Insekten und anderer Plagegeister

Urlaub, Unwetter, Unbehagen

Wo und wie machen wir künftig Urlaub?

Kluge Vorsorge statt blindes Vertrauen

Wie wir uns auf kleine und große Katastrophen besser vorbereiten können

Essen 4.0 – wie essen wir in der Zukunft?

Landwirtschaft, die das Land krank macht

Zwischen sengender Sonne und Sturmzeiten

Von der Notwendigkeit einer neuen Stadtstrategie

Wasser ist Leben

Selbstverständliches neu denken, schützen und schätzen

Energie – aber wie?

Nichts wird bleiben, wie es war und ist

Grüne Lungen in Gefahr

Was wird aus unseren Wäldern?

Was wird aus unserem Naturerbe?

Klima-Killer Mensch

Eine zweite Erde gibt es nicht

Was ist was? Das kleine Klima-ABC

Wer macht was? Nützliche Adressen

Anmerkungen

Literatur

Der Autor

Dank

NatureLife-International Stiftung für Umwelt, Bildung und Nachhaltigkeit

Der Klimawandel ist da – was jetzt?

Gedanken über Nachgedachtes

»How dare you...?«

Greta Thunberg

Tränen in den Augen, mit zitternder Stimme steht am 23. September 2019 ein 16-jähriges Mädchen vor Staats- und Regierungschefs aus aller Welt, die sich versammelt haben, um das Klima dieser Welt zu retten. Sie schleudert ihnen vom Podium aus den Satz zu, der in die Geschichte eingehen wird: »How dare you…?« Wie könnt ihr es wagen? »Menschen leiden, Menschen sterben, ganze Ökosysteme kollabieren...«

Greta Thunberg ist die Gallionsfigur der Bewegung „Fridays for future“. Mögen die Ideen der bunten Akteure für Manche auch unausgegoren und teilweise etwas verrückt klingen – sie beweisen jedenfalls eines: vor allem junge Menschen sind in Sorge um den Planeten. Doch viel zu viele sind immer noch erschreckend sorglos. Sorglos und unvorbereitet. Mit jedem Tag den wir nicht nützen um uns auf den Klimawandel einzustellen, verschwenden wir Zeit.

Stellen Sie sich vor, Sie kommen an eine vielbefahrene Kreuzung. Irgendwo in Hamburg, Berlin, Köln, Frankfurt, München, Stuttgart, Zürich oder Wien oder wo auch immer. Wie aus dem Nichts werden Sie Zeuge eines Auffahrunfalls. Sie realisieren, dass es wohl Verletzte gibt, diese aber nicht in der Lage sind, ihren Wagen zu verlassen. Ganz klar rufen Sie, wie hoffentlich auch andere Menschen, die Augenzeuge geworden sind, über Ihr Mobiltelefon Erste Hilfe. Doch bis Hilfe kommt, kann es dauern. Ganz klar: Jetzt sind Sie gefordert. Beherzt wollen Sie Ihre Signalweste anziehen. Doch wo ist sie nur? In Sekundenbruchteilen schießt Ihnen die alles entscheidende Frage durch den Kopf: Wie gehen die Erste-Hilfe-Griffe noch gleich…? Dann sind Sie schon an einem der drei beteiligten Autos und versuchen hilflos, ein bewusstloses Unfallopfer aus dem Wagen zu ziehen. Es gelingt Ihnen gemeinsam mit anderen Passanten, zwei Menschen zu bergen. Da sind auch schon die Signale der Einsatzfahrzeuge von Notarzt und Polizei zu hören. Endlich! Gott sei Dank.

Wie hilflos und wenig vorbereitet wir in solchen Situationen doch sind. Situationen, bei denen es um Leben und Tod geht.

Und nun stellen Sie sich vor, dass plötzlich sintflutartiger Regen über Ihrer Wohngegend niederprasselt. Schon nach kurzer Zeit stehen Kellerräume, Tiefgaragen, Unterführungen unter Wasser, Gulls quellen über und verwandeln Straßen und Wege in reißende Bäche. Sind Sie darauf vorbereitet? Haben sich solche Sturzfluten lokal oder regional begrenzt nicht immer in anderen Gegenden abgespielt – fern Ihrer Alltagsrealität? Was kann, ja was muss als Erstes zur Rettung von Leib und Leben getan werden? Wie kann anderen geholfen werden und wie ist das eigene Hab und Gut zu schützen?

Zurück zur Unfallkreuzung. Mittlerweile sind zwei Fahrzeuge mit Notarzt und Sanitätern eingetroffen. Gezielt kümmern diese sich, unterstützt von den ebenfalls eingetroffenen Feuerwehrleuten, um die Befreiung der anderen, noch in ihren Wagen eingeschlossenen und ebenfalls bewusstlosen Verletzten. Die Retter sind gut geschult, jeder weiß, was er zu tun hat. Und das ist gut so, denn nur durch schnelles Handeln kann Leben gerettet werden. Was wäre, wenn Sanitäter und Ärzte erst noch lange diskutieren und überlegen oder im Handbuch nachschauenmüssten, ob ein Opfer wiederbelebt werden muss, ob die Blutung am abgedrückten, weil eingequetschten Unterschenkel gestillt werden muss oder, oder, oder … In Notsituationen sind Diskussionen völlig fehl am Platz. Hilflose Helfer verringern die Überlebenschancen der Unfallpatienten.

Und jetzt stellen Sie sich den Patienten Erde vor. Spätestens seit der Club of Rome 1972 mit der Studie Die Grenzen des Wachstums vor den Folgen von Naturvernichtung, Umweltverschmutzung und den damals noch nicht unter dem Begriff »Klimawandel« bekannten Problem gewarnt hat, hätten die »Helfer« von Mutter Erde reagieren müssen. Allerspätestens seit der ersten Weltumweltkonferenz – 1992 in Rio de Janeiro –und den Mahnungen des Weltklimarates (Intergovernal Panel on Climate Change, IPCC, 2007) weiß unsere Gesellschaft um die Gefahr, die dem Patienten Erde droht. Wir – und damit meine ich jeden Einzelnen – müssen aktiv in die »Rettungsaktion Erde« einsteigen, bevor der Patient stirbt. Wer in verantwortlicher Position zur Info-Elite gehört, in Regional-, Landes- und Länderregierungen politische Verantwortung trägt, in der Wirtschaft eine Führungsposition besetzt, sich in internationale Gremien einbringt oder einfach nur in seinem Verein »mitspielt«, muss im Namen der Erde handeln. Als Privatperson mit Vorbildcharakter verhalten wir uns falsch, wenn wir so tun, als sei alles in bester Ordnung!

Am Ende holt der »Unfall« uns alle ein. Und zwar dann, wenn wir während einer Hitzeperiode nicht genügend Wasser im Haus haben, wenn Sturzfluten unser Hab und Gut wegspülen oder unsere Lieben nicht mehr wissen, wo sie nach der Katastrophe die Nacht verbringen sollen. Wir können uns nicht auf Politiker und all die hilflosen »Amtsträger« verlassen, die schon viel zu lange darüber diskutieren, welche Hilfsmaßnahmen für den Patienten Erde nun die richtigen sind.

Unter anderem finden solche Diskussionen auf Klima-Konferenzen statt. Auf die erste Welt-Umwelt- und Klimakonferenz in Rio de Janeiro 1992 – dort sollte eine »Strategie« zur nachhaltigen Entwicklung beschlossen werden – folgten über zwanzig weitere Klima-Konferenzen. Mal mit exotischen Zielen wie Kyoto, Marrakesch, Bali, Lima, mal ganz schlicht wie in Paris oder Bonn. Es wird viel geredet, diskutiert und zu Papier gebracht. Hundertneunzig Staaten haben mittlerweile Klimaschutzpläne vorgelegt. Der Berg kreißt – und gebiert nach einem Vierteljahrhundert nicht einmal eine Maus. Ja, ein Vierteljahrhundert: Sage und schreibe fünfundzwanzig Jahre diskutieren und lamentieren die »Retter«! Nicht auszudenken, was das für unsere Unfallopfer aus der Beispielgeschichte heißen würde.

Es ist später als wir denken

Dabei meinen es die meisten Teilnehmer der Klima-Konferenzen ja wirklich gut. Tausende von ihnen kommen da zusammen, allein an der Konferenz in Madrid Ende 2019 waren sechsundzwanzigtausend Menschen beteiligt! Doch am Ende hat die Erde weiter Fieber – und die Temperatur steigt immer mehr an. Es ist notwendig, dass sich die Weltgemeinschaft austauscht und um Lösungen ringt, doch irgendwann muss man auch zu Resultaten und zum Handeln kommen. Natürlich ist es richtig, dass Verantwortliche aus Politik und Wirtschaft sich treffen, doch es bleibt nicht mehr viel Zeit für Small Talk und Eiertanz, Befindlichkeiten und Taktiererei. Wertvolle Zeit für aktives Handeln ist längst verloren gegangen. In der Zwischenzeit leiden Millionen von Menschen unter den Folgen, Flora und Fauna liegen im Sterben: Der Patient Erde muss dringend auf die Intensivstation – und keiner bildet eine Rettungsgasse…! Im übertragenen Sinne stehen alle an der Unfallkreuzung und diskutieren. Jeder tut so, als ginge uns der Patient nichts an. Dabei ist es unsere Mutter, die da liegt: Mutter Natur leidet.

Tatsächlich liegt die Unfallkreuzung im Global Village immer direkt vor unserer Haustür – auch wenn die verheerenden Hurrikans »nur« Mittelamerika und Florida betreffen, wenn die Taifune – wie man die Wirbelstürme im pazifischen Raum nennt – über zehntausend Kilometer von Deutschland entfernt über die Philippinischen Inseln hinwegfegen. Sie haben Namen wie die Spielkameraden unserer Kinder. Sie heißen Harvey, Jose, Ophelia, Irma und Maria – und bringen den Tod mit sich. Die Folgen der Tropenstürme etwa in Florida und Mittelamerika waren verheerend. So viele Hurrikans, wie 2017 in nur wenigen Wochen die betroffenen Regionen verwüstet haben, gab es seit Menschengedenken noch nie. Wenn das die letzten Zweifler am Klimawandel nicht sehen und die Konsequenzen daraus nicht wahrhaben wollen, ist ihnen – und uns allen – nicht mehr zu helfen. Was den Klimawandel anbelangt, ist es später, als die meisten denken. Oder haben wir uns an die Schreckensnachrichten bereits gewöhnt? Und wenn uns schon die Tropenstürme nicht warnen, warum schrecken wir nicht auf angesichts von Sturm »Friederike« im Januar 2018, exakt elf Jahre nach dem ebenso verheerenden Jahrhundertsturm »Kyrill«?

Handeln ist angesagt: auf allen Ebenen der Politik, der Weltwirtschaft und natürlich bei jedem Einzelnen. Da stimmen kleine Zeichen der Hoffnung fast schon wieder froh: Verantwortungsbewusste Menschen in den Vereinigten Staaten ignorieren in Sachen Klimaschutz das absurde Verhalten ihres Präsidenten; verschiedene Bundesstaaten halten konsequent am Kurs des Klimaschutzes fest. Ein »Jetzt erst recht«, das Mut macht! Es geht schlicht und einfach darum, ganz undogmatisch konsequent zu sein und die Chancen zu nutzen. Denn das Zeitfenster, das uns noch bleibt, ist relativ klein.

Was bedeutet das alles für uns »ganz normale Menschen«? Für Menschen, die nicht auf Klima-Konferenzen herumsitzen? Für Menschen, die langsam spüren, dass sich das Klima verändert? Für Menschen in der Land- und Forstwirtschaft, die nach Trockenperioden und Ernteausfällen nur einen Bruchteil ihres Einkommens »ernten«? Für Menschen, deren Hab und Gut bei den immer häufigeren »Unwetterkatastrophen« vernichtet wurde und wird? Wie sieht unser Alltag angesichts des Klimawandels heute aus? Und morgen? Ist der Klimawandel nicht längst im Alltag angekommen? Im eigenen Garten, in der Stadt und dem vertrauten Urlaubsland? Die Zeichen sind da, wo wir früher Ski gefahren sind und heute die Gletscher schmelzen, wo die Bäume immer früher blühen und die Blüten dann wegen des Spätfrostes erfrieren. Oder dort, wo idyllische Dorfbäche zu reißenden Flüssen werden, wo über Jahrhunderte geschaffene Werte vernichtet werden. Und ja: wo Menschen sterben! Das ständig wiederholte Mantra mancher Meteorologen »alles nur Wetter« wollen besorgte Menschen schon lange nicht mehr glauben.

Selber handeln ist angesagt. Aber wie können wir unseren Alltag gestalten, um nicht zu Klimaopfern zu werden? Wie können wir uns vorbereiten?

Wir haben nur noch ein kleines Zeitfenster zum Handeln

Bürgerinnen und Bürger müssen sich in Eigenverantwortung auf den Klimawandel einstellen. Wir dürfen uns nicht mehr hinter bürokratischen Strukturen zurückziehen, können uns nicht mehr allein auf das öffentliche Gemeinwesen verlassen! Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass die Lebensbedingungen in Deutschland künftig »unbequemer« werden. Was kann, ja, was muss unsere wohlstandsgesättigte Gesellschaft tun, um den Menschen in anderen Regionen der Erde zu helfen? Es ist eng geworden im »Global Village«, und die Auswirkungen des Klimawandels zwingen Menschen immer häufiger dazu, ihre Heimat zu verlassen. Auch in Afrika, Asien und Südamerika wollen Väter und Mütter ein erträgliches Auskommen haben und ihren Kindern eine Zukunft ermöglichen.

Dieses Buch hat nicht zum Ziel, längst wissenschaftlich untermauerte Tatsachen wieder und wieder zu wiederholen. Über die Fakten besteht bei 99 Prozent der Wissenschaftler und mittlerweile auch bei den allermeisten Politikern keine Zweifel mehr. Nein, dieses Buch ist geschrieben worden, um zum Handeln aufzurufen, egal, ob Sie ganz privat zu Hause etwas tun wollen, oder ob Sie als Funktionsträger in einer gesellschaftlich relevanten Position etwas tun müssen. Es reicht längst nicht mehr, die Menschen dazu aufzufordern, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, den Energieverbrauch zu senken und unseren Alltag klimaneutral zu gestalten. Wir brauchen einen alltagstauglichen Krisenplan, damit wir nicht blind in die Klimafalle laufen. Der Klimawandel ist da – wir müssen uns darauf einstellen.

Wir wissen wirklich genug

Wir wissen, dass der Planet Erde ein »Sensibelchen« ist. Im Laufe von Millionen Jahren ist es immer wieder vorgekommen, dass durch eine geringfügige Verlagerung der Erdachse Klimaschwankungen verursacht wurden. Doch die jetzige Katastrophe ist von Menschen gemacht. Sie entsteht aus der Kombination von natürlichen Schwankungen und menschengemachten Gefahren. Ignoranz, Nichtstun und bewusste Leugnung von Klimaschwankungen sind lebensgefährdend. Wenn wir nicht zu »Dinosauriern« werden wollen, muss bald etwas geschehen. Wenn zu den normalen Klimaschwankungen, die es immer wieder gegeben hat, noch eines »draufgesetzt« wird, wäre dies, als ob man Unfallopfern mit schweren Verletzungen oder einem Herzinfarktpatienten mitteilen würde, dass es bei seinem Zustand nun auf ein amputiertes Bein, eine HIV-Infektion oder eine Hepatitis-B-Erkrankung auch nicht mehr ankommt.

Denn das Zeitfenster schließt sich. Vielleicht bleiben uns noch zehn oder zwanzig Jahre. Zehn oder zwanzig Jahre, in denen wir – wir alle! – zweierlei tun müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass der Klimawandel sich nicht noch mehr verschlimmert. Und wir müssen lernen, uns auf die jetzt schon eintretenden Folgen einzustellen. Für uns und für nachfolgende Generationen.

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich inmitten von Apfel-, Birnen- und Zwetschgenbäumen, die mein Vater mit meinem Opa 1960 auf der familieneigenen Obstwiese gepflanzt hat. Aus einem Acker wurde so ein kleines grünes Paradies. Was das mit dem Klimawandel zu tun hat? Sehr viel! Obstwiesen wie diese sind nämlich kleine »Frischluftzellen« und CO2-Senken. Viele solche Flächen stabilisieren zusammen regional das Klima. Aber es geht mir auch noch um etwas anderes! Seit der Zeit um 1960, in der die Menschen im Nachkriegsdeutschland noch mehr als heute mit und nicht gegen die Natur gearbeitet haben, hat sich sehr viel verändert.

1960 gab es noch keine bemannte Raumfahrt; erst im April 1961 umkreiste der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin die Erde. Ab 1968 flogen dann im Rahmen des Apollo-Programms erste Menschen ins Weltall, und 1969 erfolgte die erste Mondlandung – staunend blickte man vom Mond auf die Erde. Heute haben wir ein dichtes Netz von Satelliten und können im Gegensatz zu früheren Generationen die Auswirkungen unserer Eingriffe in die Natur erkennen und bewerten. Wir kommunizieren in Echtzeit und können die Schäden menschlichen Handelns aus dem All dokumentieren. Wir sehen die brennenden Urwälder, erleben live und in Farbe, wie sich die Rodungsflächen der Holzplünderer in die grüne »Lunge« fressen. Der Blick aus dem All auf unsere Welt müsste uns schockieren! Fast auf den Quadratmeter genau sehen wir, was wir anrichten. Heute ist es sogar möglich, auf einer Entfernung zwischen 56 und 40 Millionen Kilometern mittels Raumsonden auf dem Mars Gesteine zu analysieren. Noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte seit der Erfindung der ersten einfachen Schrift vor rund sechstausend Jahren, ja seit dem »Auftreten« der Species Homo sapiens überhaupt, war die Menschheit so wie wir heute in der Lage, nicht nur Ereignisse festzuhalten und somit für spätere Generationen erschließbar zu machen, sondern wie wir heute in Echtzeit zu kommunizieren, die durch Menschen gemachten Eingriffe in die Natur und das Erdsystem zu dokumentieren, zu analysieren und vor allem zu reflektieren. Das unterscheidet uns ganz wesentlich von den Menschen vor uns.

Tatsächlich wissen wir aufgrund archäologischer Funde, dass immer dann, wenn eine Erdregion von Menschen besiedelt wurde, erhebliche Eingriffe in die Natur stattfanden. Mit gravierenden Folgen: Die einzigartige Megafauna Australiens mit bis zu sieben Meter langen Echsen, kleinwagengroßen Schildkröten, zwei Tonnen schweren Wombats und drei Meter hohen, bis zu 500 Kilogramm schweren Laufvögeln war schon bald nach der Besiedlung des Kontinents vor fünfzig- bis sechzigtausend Jahren restlos ausgerottet. Und in Neuseeland wurden binnen kürzester Zeit von den ersten Siedlern die bis zu 250 Kilogramm schweren Riesenstrauße (Moas) und andere Großtiere vernichtet. In Südamerika verschwanden innerhalb von sechshundert Jahren nach der ersten Besiedlung (die vor zehn- bis zwölftausend Jahren stattfand) Tiere wie das Wollhaarmammut, das Riesenfaultier und das Riesengürteltier. Und auch das Thema Raubbau an den Wäldern ist nicht neu: Weil die verheerenden Folgen des eigenen Tun und Handelns noch nicht erkannt werden konnten, holzten Phönizier, Ägypter, Griechen, Römer und andere Völker rund um das Mittelmeer die noch vor viertausend Jahren üppigen Wälder ab, um Holz für ihre Kriegs- und Handelsflotten zu gewinnen. Verkarstung und veränderte Einflüsse auf das regionale und lokale Klima sind noch heute die langfristigen Folgen.

Eins jedoch hat sich geändert, und das ist in unserem Bewusstsein noch viel zu wenig angekommen: Im Gegensatz zu unseren Vorfahren wissen wir heute, welche Folgen nicht nachhaltiges Handeln hat. Und wir haben die technologischen Möglichkeiten, dem entgegenzusteuern.

Die Zehntausend-Jahre-Chance

Wir müssen nur begreifen, dass uns erstmals seit dem Ende der letzten Eiszeit vor zehntausend Jahren die Handlungsoptionen gegeben sind, uns auf den Klimawandel einzustellen. Die Ausgangslage ist traurig genug: Unser Leben in der Zukunft ist ein Leben auf einem von der Menschheit schon nahezu zerstörten Planeten. Trotzdem: politische Ignoranz! Das zeigte sich erneut bei der Weltklimakonferenz im Dezember 2019 in Madrid. Wieder einmal wurden konkrete Maßnahmen blockiert. Die Ökobremser waren u.a. Australien, die USA und Brasilien. Wir rasen weiter Richtung Klimakatastrophe. Doch wir haben keinen »Planeten B«…! Deshalb müssen wir mit unserer im All rotierenden Heimstatt pfleglicher umgehen als in den letzten zehntausend Jahren.

Klima ist natürlich kein Menschenwerk: Wir wissen, dass Vulkanausbrüche viele Tausend Kilometer vom Eruptionsort entfernt das Wetter verändern können. Beim Ausbruch des Vulkans Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa im Jahr 1815 legte sich eine Aschewolke über weite Teile der Welt; in großen Gebieten Deutschlands, der Schweiz und der Britischen Inseln kam es zu einem Sommer ohne Sonne – einhergehend mit einer Hungerskatastrohe, die viele Menschenleben forderte und die Überlebenden zum Auswandern gezwungen hat. Das ist gerade 200 Jahre her. Wir können noch so sehr mit seismologischer Technik Vulkane und Erdbeben-Hotspots überwachen, so wissen wir dennoch nicht, wann wieder ein derartiges Unglück passiert. Doch menschengemachte Klimaveränderungen müssen wir verhindern! Die schon erfolgten Eingriffe in den Klimahaushalt der Erde sind nicht mehr rückgängig zu machen; die Folgen treten jetzt ein. Doch weitere klimaschädliche Entwicklungen sind vermeidbar. Wir wissen genug!

Eine zweite Chance wird die Menschheit nicht mehr bekommen, weil es dann ganz einfach zu spät ist.

Wo wir stehen

Jahrhundertdürre, Jahrhundertsturm, Jahrtausendflut? Die Bilder vom anderen Ende der Welt haben apokalyptische Ausmaße: Im Januar 2020 steht der Südosten Australiens in Flammen. Bei den seit Herbst 2019 wütenden Buschbränden haben viele Menschen ihre Häuser verloren, mussten evakuiert werden. Mehr als eine Milliarde Tiere (Insekten, Amphibien, Fledermäuse nicht mitgerechnet) sind nach Angaben der Universität von Sidney verbrannt. Rauchschwaden umhüllten das Opernhaus in Sydney, die berühmte Harbour Bridge war kaum noch zu sehen; die Temperaturen stiegen mancherorts auf über 46 Grad. Auch im tropischen Queensland wüteten die Buschbrände. Ein Flammeninferno von bisher nie gekanntem Ausmaß. Insgesamt wurde Wald- und Buschland auf Flächen im Ausmaß der Gebiete von Baden-Württemberg und Hessen zusammen vernichtet. Im August 2019 verbrannten im Amazonasgebiet binnen fünf Tagen über 10.000 Quadratkilometer Wald. Im Oktober bedrohten verheerende Waldbrände in Kalifornien 50.000 Menschen und zerstörten ganze Siedlungen. An Weihnachten 2019 hat der Taifun Phanfone auf den Philippinen eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Über 130.000 Einwohner mussten ihre Wohnungen verlassen; In vielen Regionen hat es vier Jahre nicht geregnet. Nur einige Beispiele von mittlerweile unzähligen Naturkatastrophen. Extreme Wetterereignisse treten inzwischen im Halbjahresrhythmus auf. Verdorrte Böden, Hochwasser und Schlammfluten, Insektenplagen – das alles gehört mittlerweile zum Alltag, und die Nachrichten darüber lassen uns bereits abstumpfen. Dabei sind das erst die Vorboten für ein Ende der Welt, wie wir sie kennen. Schon jetzt ist nichts mehr, wie es einmal war.

Das ist ganz einfach wissenschaftlich untermauert. »Der Klimawandel ist längst nicht mehr eine Erfindung grüner Moralapostel oder selbst ernannter Untergangspropheten. Er findet bereits statt und lässt sich weltweit beobachten«, sagt etwa Dr. Lutz Spandau, langjähriger Vorstand der renommierten Allianz Umweltstiftung.

Unter dem Titel »Klima: Grundlagen, Geschichte und Projektionen« wurden von der Stiftung die Aspekte Klima und Mensch sowie die zu beobachtenden Klimatrends zusammengefasst. Fakten, die wir alle kennen sollten. Mit freundlicher Genehmigung der Allianz Umweltstiftung werden die Kernpunkte nachfolgend in gekürzter, leicht ergänzter Fassung aufgeführt.

Klimageschichte und Klimatrends im Zeitraffer

Auch die letzten Zweifler am Klimawandel müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Jahre 2010 bis 2019 das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Wetteraufzeichnung waren. Doch blicken wir noch weiter zurück:

Seit dem Ende des »holozänen Optimums« (Holozän – aus dem Altgriechischen »das völlig Neue« – auch als gegenwärtiges Eiszeitalter bezeichnet) vor ca. fünftausend Jahren lassen sich in Europa und im Raum des Nordatlantiks verschiedene Phasen erkennen, in denen es wärmer (Optima) beziehungsweise kälter (Pessima) war als heute:

– 3500 bis 2000 v. Chr.: »Pessimum der Bronzezeit«

– 400 v. Chr. bis 200 n. Chr.: »Römisches Optimum«

– 300 bis 600: »Pessimum der Völkerwanderungszeit«

– 800 bis 1400: »Mittelalterliches Optimum«

– 1500 bis 1850: »Kleine Eiszeit«

– Seit ca. 1850: »Modernes Optimum«

Diese Klimaphasen hatten Auswirkungen auf die Geschichte von Völkern und Kulturen:

– Ende des Jahres 218 v. Chr. zog Hannibal mit siebenunddreißig afrikanischen Kriegselefanten über die Alpen. Dies war nur möglich, weil die Alpenpässe während des Römischen Optimums auch im Winter passierbar blieben.

– Missernten und der Verlust von Weideflächen, verursacht durch lang anhaltende Dürre- oder Regenperioden, brachten wiederholt Wanderungsbewegungen ganzer Völker in Gang. Ein Beispiel ist die Austrocknung der mongolischen Steppe, die Anfang des 4. Jahrhunderts einsetzte und Auslöser für die Eroberungszüge nomadischer Völker war. Der Sturm der Schwarzen Hunnen durch Südrussland in die Donauebene und weiter über Ungarn bis nach Frankreich drängte die germanischen Völker (deren Wanderungen bereits im frühen 2. Jahrhundert eingesetzt hatten) nach Südwesten. Dies führte schließlich zum Untergang des weströmischen Reiches.

– Bereits um 875, in der Anfangsphase des Mittelalterlichen Optimums, erreichten die Wikinger Grönland, wo sie zwischen 982 und 1500 siedelten. Der Name Grönland bedeutet »Grünland«. Aus der Zeit des Mittelalterlichen Optimums stammen auch viele deutsche und englische Ortsnamen, die auf Weinbau hinweisen, der dort heute längst nicht mehr betrieben wird.

– In der »Kleinen Eiszeit« im 16. und 17. Jahrhundert kam es zu einer merklichen Abkühlung mit feuchten, kühlen Sommern und langen, schneereichen Wintern. Gemälde holländischer Maler aus dieser Zeit zeigen Eislandschaften mit Schlittschuhläufern, in den Alpen breiteten sich die Gletscher wieder aus. In Mitteleuropa und England gab es wiederholt Missernten und Hungersnöte, was zu Auswanderungswellen in die Neue Welt nach Nord- und Südamerika führte.

Schon kleine globale Temperaturschwankungen haben große Wirkungen

Während der letzten fünftausend Jahre schwankte die globale Mitteltemperatur nur gering; in einzelnen Regionen lagen die Werte nur bis zu 1,5 °C höher beziehungsweise niedriger als heute. Das zeigt einerseits, wie erstaunlich stabil das Klima dieser Zeitspanne war, und andererseits, wie schwerwiegend sich selbst geringe Klimaschwankungen auf die Lebensbedingungen der Menschen auswirken können. Auslöser dieser Klimaänderungen waren vor allem Schwankungen der Erdbahnparameter und Änderungen der Meeresströmungen. Die Temperaturänderungen der letzten tausend Jahre bis in das 19. Jahrhundert hinein lassen sich mit den Schwankungen der Solarstrahlung und vulkanischer Aktivität ziemlich gut erklären.

Prägt der Mensch das Klima?

Mit der Siedlungstätigkeit und Nutzung durch den Menschen hat sich nicht nur die Gestalt der Erde gewandelt. Wahrscheinlich beeinflusste der Mensch das Klima schon in frühen Zeiten. Ein Beispiel ist die Abholzung ganzer Landstriche des Mittelmeerraumes durch Griechen, Phönizier und später vor allem durch die Römer (Schiffbau). Der Einfluss auf das Klima blieb jedoch regional begrenzt, globale Auswirkungen lassen sich daraus noch nicht ableiten. Zu wesentlichen Veränderungen führten aber die Entwicklungen im Zuge der Industriellen Revolution zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Bis dahin stand dem Menschen über Jahrhunderte hinweg Energie nur äußerst spärlich zur Verfügung. Man nutzte die eigene Muskelkraft oder die von Zugtieren, als weitere Energiequellen kamen nur Wind- und Wasserkraft (Segelschiffe, Windräder, Mühlen) sowie Brennholz und daraus gewonnene Holzkohle infrage. Die Nutzung fossiler Energieträger (Steinkohle, Braunkohle, Erdöl und Erdgas) eröffnete dagegen völlig neue Möglichkeiten. Dampfmaschine, Verbrennungsmotor, Erzeugung und Nutzung elektrischen Stroms sowie zahlreiche andere technische Neuerungen verdrängten Handarbeit, Wind- und Wasserkraft und führten zu einem wachsenden Energiebedarf. Zunächst war Kohle der wichtigste Energieträger, später kamen Erdöl und Erdgas hinzu.Seit Beginn des 20. Jahrhunderts haben die technische und wirtschaftliche Entwicklung sowie die wachsende Bevölkerung den weltweiten Energieverbrauch immer stärker ansteigen lassen. Dieser Energieverbrauch wird bis heute zu einem Großteil aus fossilen Energieträgern gedeckt. Damit gelangt auch der Kohlenstoff, welcher der Atmosphäre einst entzogen und in unterirdischen Speichern gebunden wurde, in Form von CO2 wieder zurück in die Atmosphäre.

Folgen und Fakten

Die Folgen dieser Entwicklung sind gravierend. Bei der Konzentration klimawirksamer Treibhausgase in der Atmosphäre zeigen sich seit 1750, also ab dem industriellen Zeitalter, folgende Veränderungen:

– Die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre ist um 44 Prozent gestiegen; sie ist so hoch wie seit achthunderttausend Jahren nicht mehr, wahrscheinlich sogar seit zwanzig Millionen Jahren! Die Zuwachsrate zwischen 2004 und 2014 beschleunigte sich auf jährlich 2 ppm (parts per million), 2015 wurde erstmals der Wert von 400 ppm überschritten.

– Die Methan-Konzentration in der Atmosphäre ist um 156 Prozent gestiegen und damit ebenfalls so hoch wie seit mindestens achthunderttausend Jahren nicht mehr. Im Vergleich zu den frühen 1990er-Jahren hat sich der Anstieg jedoch verlangsamt.

– Die Lachgas-Konzentration (Distickstoffmonoxid N2O) in der Atmosphäre ist um 21 Prozent gestiegen und damit so hoch wie seit mindestens tausend Jahren nicht mehr. Die Zuwachsrate ist seit 1980 konstant.

– Darüber hinaus finden sich weiter Treibhausgase, etwa Halogenkohlenwasserstoffe, auch halogenierte Kohlenwasserstoffe genannt. Diese entstammen nicht natürlichen Quellen, sondern werden ausschließlich industriell erzeugt. Die bekanntesten sind die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die jahrzehntelang u.a. als Kälte-, Treib-, Löse- und Reinigungsmittel sowie zum Aufschäumen von Kunststoffen Verwendung fanden. Sie wirken als Treibhausgase und zerstören die Ozonschicht (Ozonloch). Heute ist ihr Einsatz verboten. Schwefelhexafluorid (SF) wirkt als Treibhausgas etwa fast 24.000 Mal stärker als Kohlendioxid (CO2). Seine Konzentration steigt derzeit. Der Abbau dieses Gases in der Atmosphäre dauert ca. dreitausendzweihundert Jahre.

Die Erde im Hitzestress

Parallel zu diesen Beobachtungen ist seit Beginn der systematischen, annähernd flächendeckenden Temperaturmessungen im Jahr 1861 ein Anstieg der globalen Jahresmitteltemperatur zu verzeichnen: Die globale Jahresmitteltemperatur (gemessen an der Erdoberfläche) ist zwischen 1880 und 2012 um 0,85 °C gestiegen. Jedes der letzten drei Jahrzehnte war wärmer als alle vorausgehenden Jahrzehnte seit 1850. In der Nordhemisphäre gab es zwischen 1983 und 2012 wahrscheinlich die wärmste Dreißig-Jahre-Periode der letzten tausendvierhundert Jahre! 2015, 2016 und erneut 2017 wurde weltweit das wärmste bisher gemessene Jahr verzeichnet. Diese lösten 2014 und 2010 als bisherige Rekordhalter ab.Beobachtungen in den Ozeanen zeigen eine Temperaturzunahme im globalen Mittel bis in Tiefen von 2.000 Meter, vor allem aber in Oberflächennähe bis 75 Meter. Es ist davon auszugehen, dass die Ozeane 90 Prozent der zusätzlichen Wärmemenge des Klimasystems absorbiert haben und durch die Aufnahme von CO2 saurer geworden sind. Dadurch können sich ganze marine Ökosysteme ändern.In beiden Hemisphären haben die Gebirgsgletscher sowie die schneebedeckte Fläche insgesamt abgenommen; gleiches gilt für die Permafrostböden. Das Meereis der Arktis verzeichnet seit 1979 einen Rückgang pro Jahrzehnt um circa vier Prozent, im Sommer gar um 13 Prozent. Der Eisschild von Grönland verliert inzwischen durch Schmelzvorgänge und Gletscherabbrüche beträchtlich an Masse. In der Antarktis sind die Verluste geringer und beschränken sich dort vorwiegend auf bestimmte Regionen; teilweise nimmt dort das Meereis sogar etwas zu.In vielen Gebieten lässt sich ein früherer Frühlingsbeginn gegenüber älteren Beobachtungen verzeichnen. Auch im Verhalten von Zugvögeln zeigen sich Veränderungen. Manche Arten ziehen zum Teil später in ihre Überwinterungsgebiete, kehren früher zurück oder ziehen gar nicht mehr weg.Der Meeresspiegel ist zwischen 1901 und 2010 um 19 Zentimeter gestiegen, mit wachsender Tendenz, allein seit 1993 um drei Millimeter jährlich. Etwa 40 Prozent dieses Anstiegs werden durch die thermische Ausdehnung der wärmer gewordenen Ozeane verursacht, circa 27 Prozent durch abschmelzende Gebirgsgletscher und circa 21 Prozent durch die abtauenden Eisschilde von Arktis und Antarktis.Wetterextreme wie tropische Wirbelstürme, Starkregenfälle mit Überflutungen oder ausgeprägte, lang andauernde Trockenzeiten haben sich in den letzten Jahren gehäuft. Auch bei der Häufung extremer Temperaturen zeigen sich Veränderungen. Während extrem kalte Tage und Nächte sowie Frostperioden seltener werden, verzeichnen heiße Tage, Tropennächte und Hitzewellen Zuwächse.

Es ist später, als wir denken – machen wir Ernst mit der Anpassung

Die Fakten sprechen für sich. So ist klar, dass der weitere Temperaturanstieg auf der Erde gebremst werden muss, und es ist auch klar, dass dies nur durch eine drastische Einschränkung der Nutzung fossiler Energieträger machbar ist. Während hier die Staaten, die Weltwirtschaft und jeder Einzelne in seinem persönlichen Bereich aufgefordert sind, schnell zu handeln, darf parallel keine Zeit verloren werden, Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu ergreifen. Denn der Klimawandel ist ganz einfach da, das ist Fakt! Während Einzelne in manchen Bereichen nur eingeschränkte Möglichkeiten haben, Einfluss auf träge Politiker oder verantwortungslose Ignoranten und Geschäftemacher zu nehmen, gibt es beim viel zu sehr vernachlässigten Bereich der Klimawandel-Anpassung viele Bereiche und Punkte, bei denen wir alle selbst handeln können und müssen. Oberstes Ziel muss es sein, mit den unweigerlichen und sich noch verschärfenden Folgen des Klimawandels besser zurechtzukommen. Und zwar jetzt. Denn morgen kann schon alles anders sein, und Nichthandeln kommt teuer zu stehen. Teuer in finanzieller Hinsicht ohnehin: den Staat, die Steuerzahler und damit auch wieder jeden Einzelnen. Und zum anderen – Beispiele gibt es in anderen Regionen der Erde schon viel zu viele – zahlen wir für die Folgen des Nichthandelns mit Verlust an Lebensqualität, Armut, Krankheiten oder dem Tod viel zu vieler Menschen.

Als ich zusammen mit der Hamburger Journalistin Eva Goris 2009 das Buch Die Erde schlägt zurück – wie der Klimawandel unser Leben verändert – Szenario 2035 schrieb, wurden wir von manchen ungläubig belächelt. Der Fiction-Teil des Buches war nur schwer zu ertragen. In die Zukunft projizierte Ereignisse wie die Welle der Klimaflüchtlinge, die Zunahme von sintflutartigen Regenfällen auch in Mitteleuropa sowie anhaltende Dürren mit Hungersnöten wurden oft ungläubig belächelt. »Das alles kommt viel schneller, als wir alle denken«, sagte dagegen der frühere Bundesumweltminister und spätere Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme, UNEP), Prof. Dr. Klaus Töpfer bei der Buchvorstellung in Berlin. Leider haben wir recht behalten.

Natur kennt keine Demokratie

Was wir vor zehn Jahren im Szenario auf das Jahr 2035 gelegt hatten, wurde schneller zur Realität, als wir uns das vorstellen konnten. Und so ist es später, als wir alle denken. Daran ändern auch Einschätzungen von Ökobremsern in Politik und Wirtschaft nichts, ebenso wenig wie Wahlergebnisse und Abstimmungen in lokalen, regionalen oder nationalen Parlamenten. All das hat keinen Einfluss auf die Quittung der Natur, mit der die Erde jetzt gnadenlos abrechnet.

Denn Natur kennt keine Demokratie. Sie hat ihre eigenen Gesetze. Gesetze, die wir zum Teil noch gar nicht alle kennen. Schließlich haben wir die Funktion von Ökosystemen noch gar nicht begriffen. Da kann ein Gemeinde- oder Stadtratgremium noch so einmütig beschließen, dass dieses Haus, jene Gewerbehalle oder eine Sportanlage am Rande des rechtlich ausgewiesenen Überschwemmungsgebietes in einer Flussaue eine zu vertretende Maßnahme ist, die in der Gesamtabwägung der Natur nicht schadet.

Das Gejammer ist dann groß, wenn die Natur nach ihren eigenen Gesetzen zurückschlägt und beim nächsten Hochwasserereignis sich die zuvor »einstimmig« vom Tisch gefegten Bedenken von Natur- und Klimaschützern im Nachhinein als berechtigt erweisen. Es sind eben nicht nur die »großen Sünden«, die die Folgen des Klimawandels verschlimmern; es sind auch die vielen kleinen Maßnahmen, die oft mit einem Federstrich genehmigt werden und große Folgen haben. Beides – die großen und die kleinen Sünden – können wir uns einfach nicht mehr leisten.

Beim Schutz vor den Folgen des Klimawandels muss im Kleinen begonnen werden. Nicht anders ist es bei gravierenden Eingriffen. Wenn ein nationales Parlament oder ein selbstherrlicher Diktator beschließen, Waldgebiete abzuholzen, Flüsse zur Energiegewinnung aufzustauen – am Ende kennt die Natur keine Gnade.

Doch was kann man im privaten Umfeld tun, um sich in Zeiten des Klimawandels zu behaupten? Was müssen Städte und Gemeinden tun, um für Bürgerinnen und Bürger das Leben zukunftstauglich zu halten und zu gestalten? Wo müssen Regierungen gegenlenken?

Dieses Buch will Handlungsempfehlungen geben und positive Beispiele und Strategien zur Anpassung an den Klimawandel aufzeigen. Es versteht sich als Appell an die Verantwortlichen in Verwaltungen, Politik und Wirtschaft. Die Kapitel orientieren sich an unseren Lebenswelten; ihr Inhalt ist als eine Sammlung konkreter Handlungsvorschläge und realisierbarer Anregungen zu verstehen.

Und ja, es werden darüber hinaus weitere Handlungsoptionen gebraucht. Überall und jetzt. Denn mit jedem Morgen, jedem Tag, an dem nicht gehandelt wird, verschlimmert sich die Situation. So wie wir uns um unsere Gesundheit kümmern müssen, müssen wir uns jetzt auch um unsere Klimazukunft kümmern! Die Zeit ist knapp!

Claus-Peter Hutter

Wenn das Klima krank macht

Angriff der Insekten und anderer Plagegeister

»Alles was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand.«

Charles Darwin (1809–1882)

Ein schöner Sommerabend in Reinbek bei Hamburg. Anna kann sich später an den Ausbruch der Krankheit nur bruchstückhaft erinnern: »Wir saßen mit Freunden auf der Terrasse beim Italiener. Ganz plötzlich hatte ich schlimme Kopfschmerzen. Der Schmerz war so penetrant, dass ich nicht weiteressen konnte. Der Lärm in dem Restaurant, die schlechte Luft, die Enge, die vielen Menschen …« Ihrem Mann Jens war aufgefallen, dass Anna einen heftigen Schweißausbruch hatte. Die lecker duftende Dorade auf Annas Teller blieb ebenso unangetastet wie die Rosmarinkartöffelchen und das bunt-knackige »mediterrane« Gemüse. Sie hörte noch, wie ihre Freundin von einer »Sommergrippe, die gerade grassiert« sprach und ihr Mann den Kellner rief, um zu bezahlen.

Als Anna endlich zu Hause im Bett lag, hatte sie obendrein Schmerzen in den Gelenken. »Mir taten die Knochen so weh, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen. Es war unbeschreiblich!«, sagt sie. »Es war so schlimm, dass Jens mir auf die Toilette helfen musste – ich konnte mich einfach nicht mehr allein von A nach B bewegen.« Ihre Temperatur war innerhalb kürzester Zeit auf knapp unter 40 Grad hochgeschnellt. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Anna so hohes Fieber. Der Arzt sprach von »typischen Grippesymptomen«, verordnete strenge Bettruhe und schrieb Anna arbeitsunfähig. Tatsächlich ging es ihr nach zwei Tagen etwas besser. Doch schon bald kehrten die Beschwerden mit aller Macht zurück. Die Lymphknoten waren geschwollen. Ein stark juckender rötlicher Ausschlag quälte die junge Frau. »Ich war so furchtbar erschöpft, dass ich ohne die Hilfe meines Mannes das Bett nicht mehr verlassen konnte.« Spätestens da waren Anna und Jens sich im Klaren darüber, dass das keine gewöhnliche Grippe sein konnte. Während der Hausarzt des Paares immer noch von einer schweren Erkältung ausging, war ein befreundeter Nachbar aufgrund von Annas Hautveränderungen gleich misstrauisch. »Wenn du mich fragst, spricht alles für Denguefieber oder was Ähnliches«, sagte der weitgereiste Fruchtimporteur bei einem Gespräch über den Gartenzaun. »Ich kenne solche Symptome nur von unseren Mitarbeitern in den Tropen.« Jens schloss das rigoros aus. »Wir waren noch nie in den Tropen – unsere weiteste Reise in den letzten Jahren ging nach Südtirol.«

Jens und Anna konnten nicht ahnen, dass entweder die Regentonne oder die großen Untersetzer der dekorativen Terrakotta-Blumentöpfe in ihrem eigenen Garten oder in der Nähe während des Sommers zur »Brutstätte« für die mittlerweile in Deutschland weitverbreitete Gelbfieber-Mücke (Stegomyia aegypti, auch als ägyptische Tigermücke bekannt) geworden ist. Die Mücke kann das Virus übertragen und kommt seit der Klimaerwärmung vor allem an Stadt- und Ortsrändern sowie auf Friedhofsarealen vor. Auch die asiatische (Stegomyia albopictus) und die polynesische Tigermücke (Stegomyia polynesiensis) sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Alle drei verbreiten das Dengue-Virus (A90, klassische Dengue oder A91 Hämorrhagisches Dengue-Fieber1 oder Gelbfieber2A95) und brauchen keine besonderen Bedingungen, um sich fortzupflanzen. Kleine Pfützen oder stehendes Wasser in Eimern und Regentonnen reichen völlig aus. Es sind ideale Brutplätze. Ist das weibliche Insekt bereits mit den Viren infiziert, können die Erreger des Dengue-Fiebers oder auch des Gelbfiebers direkt an die Nachkommen weitergegeben werden. Sticht die Mücke, kann das Virus übertragen werden. Auch durch das Blutsaugen an einem mit Dengue-Fieber erkrankten Menschen kann sich das Insekt »anstecken« und dann das Virus weitergeben.

Anna war schockiert, als man ihr im Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg die Diagnose verkündete. »Wir müssen Ihre Erkrankung nach dem deutschen Infektionsschutzgesetz an das Gesundheitsamt melden«, sagte der Arzt, als die Diagnose feststand. In Annas Blut waren bereits Antikörper nachweisbar. Mit fiebersenkenden Medikamenten konnte ihr jedoch geholfen werden. »Sie haben Glück gehabt, dass die Gabe von Blutkonserven und eine intensivmedizinische Behandlung bei Ihnen nicht notwendig waren.«

Früher wurde Dengue-Fieber von Fernreisenden als hässliches »Andenken« aus den Tropen mitgebracht – heute werden immer mehr Fälle in Deutschland gemeldet. 2016 waren es bereits rund dreihundertFälle. Schwere Krankheitsverläufe können tödlich enden, aber das ist zum Glück noch selten. Bei dem sogenannten Dengue-Hämorrhagischen-Fieber (DHF) kann es zu Blutungskomplikationen kommen, wenn die Anzahl der Blutplättchen zu stark abnimmt. Beim Dengue-Schock-Syndrom (DSS) kann das Herz den Blutfluss nicht aufrechterhalten – lebenswichtige Organe sind dann unterversorgt und können versagen.

Noch immer kann Anna es nicht fassen, dass sie sich mitten in Deutschland fern der Tropen mit einer »tropischen Krankheit« infiziert hat. »Die starken Gliederschmerzen bleiben mir unvergessen«, sagt sie. Übrigens: Dengue-Fieber wird auch als »Knochenbrecher-Krankheit« bezeichnet. »Ich weiß jetzt, warum«, sagt sie. Sie habe sich gefühlt wie eine uralte Frau.

Erreger und ihre Wirte auf dem Weg Richtung Norden

Der weltweite Klimawandel macht es möglich: Erreger, die es früher nur in den Tropen oder Subtropen gab, sind mittlerweile immer häufiger auch im Norden anzutreffen. Die Zuwanderung sogenannter Vektoren,3 also Stechmücken, Zecken und Milben, welche die Infektionen übertragen, sind zu einer sehr realen Gefahr geworden. Dengue-Fieber und Gelbfieber sind die besten Beispiele für den Trend.

In den Tropen ist Dengue vor allem in Städten ein großes Gesundheitsproblem. Viele Millionen Menschen sind dort bereits erkrankt. Ein besonderes Risiko besteht in Monaten mit starken Regenfällen und hoher Feuchtigkeit, wie es während der indischen Monsunzeit der Fall ist. Erinnern wir uns an die letzten Supersommer in Deutschland: brütende Hitze einerseits und Regen mit hoher Luftfeuchtigkeit andererseits beherrschten die Wetterlage! Machten früher strenge Winter den wärmeliebenden Erregern beziehungsweise deren Überträgern das Überleben in Mitteleuropa schwer, sind heute tiefe Temperaturen über einen längeren Zeitraum kein Problem mehr. Erreger sind anpassungsfähig, die Evolution macht sie flexibel: Mittlerweile gibt es sogenannte kältetolerante Stämme vom Tigermoskito (Stegomyia albopictus). Und diese verbreiten sich problemlos auch in kühleren Klimazonen.

Aber was sind schon kühlere Klimazonen? In den letzten fünfundzwanzig Jahren sind Deutschland, Österreich und die Schweiz sowie andere Länder Mitteleuropas für Insekten, die Tropenkrankheiten übertragen können und eigentlich in den Tropen leben, immer gastfreundlicher geworden. Denn der »klassische« Winter ist vielerorts nur noch mithilfe von Schneekanonen zu garantieren.

Längst schlagen Epidemiologen und Virologen bei den Gesundheitsämtern in Deutschland Alarm. Sie befürchten, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis sich auch andere Tropenkrankheiten wieder in Mitteleuropa ausbreiten und fest etablieren. Ursprünglich gab es Tigermoskitos in Europa nicht. Doch seit einigen Jahren werden sie immer häufiger gesichtet. Diese Stechmücken gelten als effiziente Überträger verschiedener Infektionskrankheiten – Dengue-Fieber und Gelbfieber sind nur zwei dieser Erkrankungen. Für Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) besteht schon lange kein Zweifel mehr, dass der Klimawandel die Gesundheit der Menschen gefährdet. Brütende Hitze, schlechte Luft und die damit verbundene Verbreitung von Infektionskrankheiten sind als Folgen der Erwärmung ein gesellschaftlich noch völlig unterschätztes Problem. Mit einer immer stärker werdenden Einwanderung von Krankheitserregern muss daher gerechnet werden. Dazu gehört etwa auch das »Balkan-Grippe« genannte Q-Fieber. Diese auch als Keimfieber bezeichnete Infektion fängt mit erhöhter Temperatur, Mattigkeit, Schüttelfrost sowie Glieder- und Kopfschmerzen an. Doch es kann auch zu Entzündungen der Leber und der Lunge kommen. In schweren Fällen führt das Q-Fieber zur Zerstörung der Herzklappen. Auch Durchfall-Erkrankungen, an denen vor allem Kinder sterben, werden durch die Klimaerwärmung begünstigt.

Verbreitet wird das Q-Fieber (A78) ebenso wie die »Hundemalaria« Babesiose über die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus), eine Zeckenart, die sich erst seit etwa Ende der 1970er-Jahre stark nach Norden ausgebreitet hat und insbesondere warme Gebiete entlang des Oberrheins (Erstnachweis 1973) sowie in Brandenburg (Erstnachweis 2006) besiedelt. Ursprünglich war diese vollgesogen rund 15 Millimeter große Zeckenart, die auch die Hasenpest (Tularämie A21) übertragen kann, in Ungarn, Österreich, Norditalien und anderen Regionen Südosteuropas verbreitet. Eingeschleppt wurden die Blutsauger wohl über streunende Hunde, die wohlmeinende Tierfreunde in urlaubsseliger Stimmung und oft falsch verstandener Liebe zur Kreatur als lebendiges, aber für Natur und Mensch gefährliches Souvenir mitgebracht haben. Gut gemeint ist wie so oft im Leben auch hier das Gegenteil von gut. Inzwischen sind die Auwaldzecken, begünstigt durch die erhöhten Temperaturen der letzten Jahre, bei uns fest etabliert und breiten sich weiter aus – und damit auch die potenziellen, von ihnen übertragenen Krankheitsauslöser. Wie gefährlich solche »neuen Krankheiten« sein können, zeigt das Q-Fieber mit einer Inkubationszeit von neun bis vierzig Tagen: eine meldepflichtige Erkrankung. Für das USA-Waffenprogramm wurde Q-Fieber zwischen 1942 und 1969 sogar als Biowaffe geführt. Ein Kampfmittel, das leicht als Aerosol aufgebracht werden kann und Berechnungen zufolge in einer »infizierten Stadt« mit rund einer halben Million Einwohnern bei etwa rund 25 Prozent der Menschen Krankheiten auslösen und somit »kampfunfähig« machen kann. Neben Toten als den am schlimmsten betroffenen Opfern würden auch etliche Tausend Menschen chronische Folgen davontragen.

Klimawandel mit zunehmender Erderwärmung und Gesundheit hängen also enger zusammen, als die meisten Menschen ahnen oder wahrhaben wollen; die Problematik ist vielschichtig. Die Palette reicht von eher »harmlosen« Allergien bis hin zu allergisch getriggerten4 schweren Atemwegserkrankungen wie allergischer Rhinitis (Rhinitis Allergien – allergischer Schnupfen z. B. Heuschnupfen) und Asthma bronchiale (Chronische, entzündliche Erkrankung der Atemwege). Auch Durchfallerkrankungen wie Magen-Darm-Grippe und Magen-Darm-Entzündungen können auf thermischen Stress während anhaltender Hitzewellen zurückgeführt werden. Bestimmte pathogene Darmkeime können Komplikationen hervorrufen. Gerade bei Risikogruppen enden schwere Infektionen nicht selten tödlich. Doch die meisten Länder sind auf die Auswirkungen durch Hitze, extreme Wetterlagen und Infektionskrankheiten nicht vorbereitet. Entsprechende Gesundheitsaufklärung fehlt.

Auch Ärzte stehen oft vor einem Rätsel, wenn betroffene Patienten ihre Leidensgeschichte erzählen. Als Hartmut Weich (Name geändert) mit schlecht heilenden, juckenden Hautgeschwüren in der Praxis eines Dermatologen Hilfe suchte, dachte der Arzt an alles Mögliche: Sandmücken hatte er nicht im Verdacht! Sie gehören zur Familie der Schmetterlingsmücken: Das klingt zwar ziemlich niedlich, doch Sandmücken sind Parasiten und Überträger gefährlicher Krankheiten. Längst ist der Blutsauger, der die Haut seiner Opfer mit den Mundwerkzeugen wie mit einem Skalpell aufritzt, in Deutschland angekommen. Ihre Opfer quälen sich furchtbar. Sind erst die inneren Organe von den Erregern der Sandmücke befallen, endet die Krankheit oft tödlich.

Normalerweise können Sandmücken nicht überleben, wenn die Jahresmitteltemperaturen unter 10 °C fallen. Laut Umweltbundesamt wurden die ersten Sandmücken in Deutschland im durchschnittlich besonders milden Baden-Württemberg nachgewiesen. Weitere Nachweise gibt es inzwischen aus Hessen. Mit zunehmender Klimaerwärmung eröffnen sich für die Sandmücken neue Areale gerade auch in Mitteleuropa. Über siebenhundert Arten soll es geben. Die etwa zwei Millimeter große Sandmückenart Phlebotomus perniciosus hat ihr Verbreitungsgebiet normalerweise im Mittelmeerraum und wurde erstmals 2008 ebenso wie die Art Phlebotomus mascittii 2008 in Deutschland sowie 2009 in Österreich nachgewiesen. Die Ausbreitung scheint schnell vonstattengegangen zu sein. Denn schon 2013 erfolgte der Nachweis von Art Phlebotomus mascittii in der Nähe von Gießen. Da Sandmücken auch so gefährliche Krankheiten wie Leishmaniose (T55) übertragen können, muss in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit einem Auftreten dieser Infektionen gerechnet werden.

In wieweit sich die durch die Anopheles-Stechmücken übertragene Malaria über die Alpen nach Norden ausbreitet, vermag heute noch niemand zu sagen. Hohe hygienische Standards in Europa im Vergleich zu Ländern der sogenannten Dritten Welt sind auf Dauer nur ein bedingter Schutz. Sicher ist, dass das Risiko von Malaria-Infektionen mit den Temperaturverhältnissen und der Klimaveränderung zusammenhängt. Wissenschaftler rechnen heute damit, dass weite Teile Europas und Gebiete in den USA mit einer Verdoppelung des Malaria-Risikos rechnen müssen.

Kein Stich für Mücken

»Wie romantisch euer Schlafzimmer ist – Tausendundeine Nacht …«, schwärmt Sarah. Sie bewundert das Moskitonetz, das wie ein luftiger Baldachin von der Decke hängt und das Bett ihrer Freundin Martina einhüllt. Doch die winkt ab. »Nix Romantik! Helge hat das Netz angebracht, weil wir sonst von Mücken aufgefressen werden.« Bei näherem Hinsehen entdeckt Sarah, dass auch die Fenster gesichert sind. »Wir haben extra ein Insekten-Schutzrollo aus Fiberglasgewebe im Schlafzimmer, und in den anderen Räumen sind Magnetrahmen mit Schutzgittern angebracht.« Ab Juli, wenn die Mücken verstärkt schlüpfen, bringt das junge Paar im Gartenteich und auf der angrenzenden Feuchtwiese das Mittel Bacillus thuringensis israelensis (B.ti) aus: einen mikrobiologischen Wirkstoff, der im Gartenfachhandel und in Baumärkten angeboten wird und weder für Menschen noch für andere Wildtiere schädlich sein soll. »Aber auf den Mückennachwuchs wirkt B.ti wie eine Keule«, erzählt Martina. »Früher haben wir die Larven mit dem Kescher entfernt. Helge hat sogar Fische im Gartenteich ausgesetzt, damit die Mückenlarven gefressen werden – aber das alles reichte irgendwann einfach nicht mehr als Gegenmaßnahme aus«, berichtet sie.

Wochenlange Regenfälle und die Flutkatastrophe im oberbayerischen Landkreis Fürstenfeldbruck im Frühjahr 2017 haben dem Mückennachwuchs die besten Grundlagen beschert: Durch die Niederschläge haben sich viele Tümpel und Pfützen gebildet; darin konnten sich die Larven sich gut entwickeln. So wie in Grafrath, Mammendorf, Schöngeising und vielen anderen Orten an der Amper hat sich die Stechmückenplage auch in anderen Gegenden durch die wärmeren Sommer und milden Winter verstärkt. Gesundheitsamtsleiter Dr. Rudolf Summer im Landratsamt Fürstenfeldbruck ist froh, dass keine Krankheiten gemeldet wurden.

Verrückte Welt: Stechmückenprobleme nehmen zu, während die Insekten insgesamt auf dem Rückzug und ganze Nahrungsketten bedroht sind. Aber potenziellen Insektenvertilgern wie Gartenrotschwanz, Mehl- und Rauchschwalbe oder Grauschnäpper kann man nicht sagen, sie sollen in die Flussauen ziehen und ihre über Jahrhunderte angestammten Lebensräume verlassen, um dort Stechmücken zu jagen. Auf diesen Lebensraum sind sie nicht »programmiert«. Seit Jahren kämpft eine kommunale Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e.V. (KABS) am Oberrhein gegen die Stechmücken. Die als Rheinschnaken bezeichnete Gruppe von Insekten (darunter Wiesen- und Auwaldmücken Aedimorphus vexans und Ochleratus stictius) werden dabei mit den Mitteln B.ti und B.Sphaericus aus dem Hubschrauber bekämpft.

Wie stark und wie lästig die Mückenplage werden kann, zeigen Untersuchungen im Hessischen Rhein-Naturschutzgebiet Kühkopf. Dabei wurden in einer einzigen Insektenfalle 2015 mehr als siebenundzwanzigtausend Stechmückenweibchen gefangen. Wie die schon erwähnte Organisation KABS, der achtundneunzig Kommunen entlang des Rheins in Hessen, Rheinland Pfalz und Baden-Württemberg angehören, berichtet, waren es unter gleichen Bedingungen in einem mit B.ti behandelten Gebiet in Baden-Württemberg »lediglich« gut tausend Stechmückenweibchen. Im wahrsten Sinne des Wortes ein bestechendes Argument für die Bekämpfung der Stechmücken. Wie sich diese Schnakenbekämpfung – die sich durch den Klimawandel und entsprechende Hochwasserereignisse wesentlich verschärfen wird – langfristig auf das Ökosystem auswirkt, ist offen. Fakt ist einfach, dass entlang des Rheins im letzten halben Jahrhundert viel zu viele Siedlungen entstanden sind. Siedlungen, die Tausenden von Menschen im Umfeld von ehemals kleinen Dörfern günstiges Bauen ermöglichte. Doch die günstigen Preise sind mit den Plagegeistern teuer erkauft.

Gefährliche Naturnähe

Wenn der Mensch der Natur zu nahe kommt, braucht er sich nicht zu wundern, dass ihm die Natur im Gegenzug »auf die Pelle rückt«. In Zeiten des Klimawandels wird die Situation in solchen Gebieten noch weiter verschärft. Die hohe Luftfeuchtigkeit, hervorgerufen durch immer wieder einsetzende »Hitzewellen«, wirkt nämlich wie ein Katalysator für die Vermehrung der Plagegeister: In kurzen Abständen legt ein Mückenweibchen zwischen achtzig und zweihundert Eier in stehende Gewässer wie große Pfützen oder überschwemmte Wiesen ab. Nach einem zweiwöchigen Larvenstadium schlüpft die nächste Generation. An lauen Sommerabenden folgen dann die Stechangriffe. Über Jahrtausende schützten sich so die Auwälder selbst vor den Menschen. Doch die rücken jetzt immer näher an die Natur heran. Den Mücken ist das recht; so brauchen sie nicht lange nach Opfern zu suchen.

Die Blutgruppe, das Alter und Geschlecht der Opfer scheint bei der Auswahl der »Blutspender« für Mücken bedeutungslos. Parfüm und andere Duftstoffe hingegen locken die Plagegeister geradezu an. Wer auf Düfte verzichtet, hat bessere Chancen, den Mückenweibchen zu entgehen – doch eine Garantie gibt es nicht. Denn auch der Atemgeruch des Menschen ist für Mückenweibchen – und nur diese stechen – ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl der Opfer. Kohlendioxidausdünstungen beim Ausatmen locken die Insekten an. Auch auf Schweißgeruch »fliegen« die fiesen Mücken. In Füße stechen sie besonders gern! Es sind Ammonium und Buttersäure, die Zerfallsprodukte von Schweiß, auf die Mücken besonders abfahren. Ausdünstungen wie Milchsäure, Harnstoff oder Ammoniak wirken geradezu magnetisch auf die Insekten. Es gibt Mückenarten, die Milchsäure bevorzugen, andere stehen eher auf Ammoniak oder Fettsäuren. Wissenschaftler der Universität Wageningen in den Niederlanden fanden heraus, dass Malaria-Mücken »Käsefüße« bevorzugen.