Kollisionskurs - Peter Krüger - E-Book

Kollisionskurs E-Book

Peter Krüger

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Beschreibung

3169. Die Besatzung der Jagellowsk befindet sich auf Sigma-3, nachdem sie von ihrer abenteuerlichen Reise in der Zeit zurückgekehrt ist. Das Schiff wurde zerstört, zwei Besatzungsmitglieder gelten als vermisst. Walt Kargon muss nun Rede und Antwort stehen, was seinerzeit passierte, als sein Schiff losgeschickte wurde.

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Peter R. Krüger

Sternenlicht 21

Kollisionskurs

Saphir im Stahl

Sternenlicht 21

Peter R. Krüger - Kollisionskurs

e-book Nr: 231

Erste Auflage 01.04.2024

© Saphir im Stahl

Verlag Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

[email protected]

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Thomas Budach

Lektorat: Joachim Stahl

Vertrieb: neobooks

Peter R. Krüger

Sternenlicht 21

Kollisionskurs

Saphir im Stahl

Kapitel

01 Zum Rapport

02 Der Asteroid

03 Von Familien und schweren Geschützen

04 Eine unerwartete Entdeckung

05 Eine Frage der Plausibilität

06 Das Landemanöve

07 Chicago, Chicago … you’re my kind of town

08 Achtung: OVERKILL!

09 Ober sticht unter

10 Geheimorder von Oberst Marquard

11 Ein explosiver Plan

12 Ein Geheimnis bleibt bestehen

13 Was ist dran, an der Sache?

14 Das schwächste Glied in der Kette

15 Sprengung und ein Notruf

16 Abschluss des Rapports

01. Zum Rapport

3169: Nach der Rückkehr aus dem Zeitriss (SL 14: Sturz in die Vergangenheit)

„Das Treffen mit Major Zaya Karan war offenbar erfreulich“, bemerkte Oberst Krabb, als Walt Kargon das Büro des Offiziers des SSD betrat. Der Oberst spielte damit auf die kürzliche Begegnung der beiden Raumschiffkommandanten auf der Station an. SIGMA-3 war nun schon seit einiger Zeit zwangsweise zur Heimat der Besatzung des zerstörten Kreuzers der ORION Klasse JAGELLOVSK geworden und nichts wäre Walt lieber gewesen, als entweder Zaya auf ihrer Mission zu begleiten oder aber endlich ein neues, eigenes Schiff befehligen zu können. Stattdessen musste die gesamte Crew der JAGELLOVSK warten. Warten, bis das neue Schiff im Dock für die ersten Testflüge freigegeben wurde. Warten, dass irgendetwas zu tun war.

„In Anbetracht der Umstände eine sehr willkommene Abwechslung. Schade nur, dass wir den Major nicht begleiten durften“, antwortete Walt verhalten, während er etwas steif darauf wartete, dass ihm der Oberst einen Platz anbot. Wieder musste er warten. Der Tag war eigentlich schon vorbei und Walt hatte sich wie so oft auf einen ruhigen Abend eingestellt, als er die Nachricht erhielt, sich beim Oberst zu melden. Nach all der Untätigkeit keimte die Hoffnung auf, endlich wieder eine Aufgabe zu erhalten. Da war es ihm auch egal, dass es bereits früher Abend war. Was bedeutete schon die Uhrzeit, wenn es draußen ohnehin immer dunkel war?

„Sie wissen genau, dass das nicht funktioniert hätte. Der letzte Einsatz der JAGELLOVSK war eine totale Katastrophe.“

„So nennen Sie das also?“ In Walt keimte plötzlich Wut empor.

Offenbar bemerkte Krabb seinen verbalen Fauxpas und entschuldigte sich sogleich. „Nur im Hinblick auf den Verlust des Schiffes und mehrerer Besatzungsmitglieder. Sie wissen ganz genau, dass wir mit Ihrer Leistung mehr als zufrieden sind. Sie und Ihre Crew haben hervorragende Arbeit geleistet.“

„Und zum Dank dürfen wir nun die Staubflocken auf SIGMA-3 zählen.“ Der Sarkasmus in Walts Stimme war nicht zu überhören.

Krabb bedachte ihn mit einem schiefen Blick, stieg jedoch nicht weiter auf die Bemerkung ein. Endlich bot er ihm einen Sitzplatz an, was Walt dankend annahm. So weiche Sessel gab es sonst kaum. Auf einem Kreuzer schon gar nicht. Für einen Moment genoss Walt den Luxus des Sitzmöbels, das sich dank der synthetischen Oberfläche genau an seine Körperform anpasste. Etwas Bequemeres gab es bestenfalls bei den oberen Zehntausend der Zentralwelt Tyros. Walt erlaubte sich, einen Moment durchzuatmen und seine Verärgerung beiseitezuschieben. Schließlich war er nicht zum Spaß bei dem Oberst.

„Es wird Zeit, dass wir uns über Ihren letzten Einsatz unterhalten“, eröffnete Krabb.

„Maschina? Darüber hatten wir uns doch schon vor Wochen Unterhalten.“

„Nein, Major, ich rede nicht von dem Ereignis rund um die STEPHEN HAWKING. Auch nicht von Ihrer Landung auf dem Planeten Soliamit und auch nicht von Ihrer Eskapade, der wir den eigentümlichen Gamma-9 Roboter namens NACHTEULE zu verdanken haben. Wir unterhalten uns heute endlich mal über Ihren eigentlichen Auftrag, weswegen wir die JAGELLOVSK entsandt hatten.“

„Oh.“ Walt verstand. Natürlich wusste er um den eigentlichen Auftrag. „Sie meinen GJ 3021 b?“

„Ganz genau!“, bestätigte der Oberst. „Der Kollisionskurs des Objekts GJ 3021 b.“

Walt richtete sich etwas auf. So angenehm der Sessel auch war, schien es ihm nicht passend, es sich zu bequem zu machen. „Es steht alles in meinem Bericht. Ich dachte, Sie haben ihn bereits gelesen.“

„Das habe ich“, entgegnete Krabb. „Aber ein paar Sachen sind mir noch nicht ganz klar. Und nicht nur mir. Auch Oberst Hauser ist sehr daran interessiert, Einzelheiten zu erfahren.“

„Sie wollen jetzt aber nicht etwa sagen, dass wir auf Oberst Hauser warten müssen? Meiner Kenntnis nach befindet er sich wieder auf Tyros.“

Krabb schüttelte seinen Kopf. „Keine Sorge, wir werden eine entsprechende Holo-Verbindung herstellen. Hauser ist derzeit noch … unterwegs.“

Die Art, wie Krabb das letzte Wort betonte, ließ Walt aufhorchen. Das konnte nur bedeuten, dass der Oberst auf einer Geheimmission unterwegs war. Was denn auch sonst? Schließlich war Geheimniskrämerei das Hauptgeschäft des SSD.

„Haben Sie einen Moment Geduld, bis die Verbindung hergestellt ist.“

Walt lächelte kurz und freudlos. Wer konnte schon ahnen, was Krabb und Hauser wissen wollten? Irgendwie fühlte er sich, als wäre er zu einem Verhör beordert worden.

*

„Langweilig, sage ich dir. Der Typ kann doch gar nichts außer prügeln und treten. Ich weiß einfach nicht, was du an Nuck Chorris so toll findest.“

Carl konnte es gar nicht leiden, wenn jemand kein gutes Haar an seinem Lieblingsdarsteller ließ. Meist konnte er es akzeptieren, dass andere Leute eben andere Vorlieben hatten. Aber das, was Poul da eben von sich gab, war fast zu viel.

„Hör mal zu, Junior. Wenn du keine Ahnung hast, dann halt lieber deine Fr… deinen Mund.“ Nur mit Mühe konnte sich Carl zurückhalten, mit Beleidigungen um sich zu werfen. „Missiles In Action ist die absolut beste Action-Holoserie der letzten zwanzig Jahre. Was weißt du Jungspund schon, was Nuck Chorris alles kann. Hast du dir das mal richtig angesehen? Wie er als Kriegsgefangener der Vlock eine Rebellion auf SULTAN-12 angezettelt hat, dann eine ganze Raumschiffflotte kaperte, um Tyros vor dem vernichtenden Angriff der Moraner zu bewahren. Als sein Superkreuzer ARMAGEDDON den Herrscher von RAGNIR während des Sturzes in dessen riesengroßen Glaspalast aufspießte, jubelte die Community. Später dann besiegte er ganz allein die Todesschwadron der Sumpfmeuchler, als sie versuchten …“

„Hör auf, Carl“, Poul winkte überfordert ab. „Kann ja sein, dass das Ganze ein großer Spaß ist, aber es ist so absolut an der Realität vorbei. Die Moraner finden das bestimmt nicht so lustig, ganz zu schweigen vom Umstand, dass RAGNIR vernichtet wurde.“

Carl lenkte ein. „Der Herrscher von RAGNIR war ja eine der ersten Schurken. Da gab es die Welt noch. Heute könnte man das natürlich nicht mehr bringen.“

Beide saßen an der Bar des Stationscasinos und vergaßen alles um sich herum. Inzwischen nicht mehr ganz nüchtern, diskutierten sie mit voller Inbrunst über die größten Actionstars der Holoserien.

„Du kannst mir erzählen, was du willst, aber an Christmas Stallion kommt keiner vorbei. Er ist der eigentliche König der Holoaction. Denk mal nur an Rumba: First Kill, oder The Expander.”

„Da hat Nuck Chorris auch mitgespielt.“

„Ja, aber nur in einer Nebenrolle, weil er es einfach nicht draufhat, die ganz großen Storys zu tragen.“

Wieder wurde Carl zornig. „Jetzt hör aber mal auf! Guck dir doch mal Gamma Force oder Runner: Tyros Ranger an. Da kann Stallion einpacken.“

„Wenn du mir jetzt noch mit der albernen Geschichte kommst, dass Der Schneeschieber mit Chanty Chuck ein Blockbuster war … also komm!“

Gerade, als Carl auf diese Provokation eingehen wollte, trat Fayola an den Tisch der beiden und unterbrach sie unsanft.

„Na, seid ihr schon wieder am Streiten?“

„Wir streiten uns nicht“, antwortete Poul mit einem dümmlichen Grinsen im Gesicht.

„Und ob wir das machen!“ widersprach Carl vehement. „Der Bursche hat nicht die geringste Ahnung davon, was Klassiker der Holoaction betrifft.“

Fay sah ihn mit einem abschätzigen Blick an. „Und du meinst, es ist eine gute Idee, das im angetrunkenen Zustand auszudiskutieren?“

„Wann denn sonst? Wir haben hier doch schon seit Wochen nichts zu tun.“

Sie verdrehte die Augen. „Die Barkeeperin freut sich jedenfalls jedes Mal über euch.“

„Wenn doch aber das Schiff noch nicht fertig ist. Was sollen wir denn machen?“

„Ja was?“, erwiderte sie mit vorgespielter Ratlosigkeit.

„Hör mal, Fay“, Poul legte zu Carls Überraschung seinen Arm auf dessen Schulter, als er Fay antwortete, „Das neue Schiff ist so super geheim, dass sie uns bisher nur von außen haben draufgucken lassen.“

„Genau!“ Carl fand, dass Pouls Bemerkung ein guter Einwand war. „Die haben das Teil so abgeschirmt, dass wir keine Chance haben, da reinzukommen. Wir haben eben noch darüber beratschlagt, was wir da machen könnten. Aber da gibt es keine Chance.“

„Keine!“, bestätigte Poul nickend.

„Wahrscheinlich ist das Schiff nicht für uns gedacht.“

Poul gab ihm weiter Recht. „Nee. Die geben uns einen Frachter.“

„Genau!“

„Weil wir nämlich unsere JAGELLOVSK kaputtgemacht haben.“

„Und das können die da oben“, Carl deutete mit dem Zeigefinger zur Decke, „nämlich gar nicht leiden.“

„Können sie nicht!“

„Genau!“

Fay sah einen nach dem anderen an. „Jungs, vielleicht solltet ihr jetzt mal langsam schlafen gehen. Über eure Holo-Helden könnt ihr euch streiten wie zwei alte Straßenköter um den Knochen, aber sonst fällt euch auch nichts Gutes ein. Was soll Walt eigentlich von euch denken, wenn er euch so sieht?“

Beide Männer kicherten und selbst Fayola stimmte mit ein. „Ihr seid mir schon zwei Kerle.“

Als Carl bemerkte, dass Fays Blick zu Poul blitzte, wollte er die Situation entschärfen. „Sei doch nicht so, Fay. Morgen reißen wir uns am Riemen. Versprochen!“ Er stieß Poul an und dieser stimmte unumwunden zu.

„Versprochen, Fay.“

„Euch kriegt man auch nicht mehr groß“, war das Letzte, was sie sagte, ehe sie den Tisch und damit auch die Bar verließ. Die beiden Männer sahen ihr noch eine Weile hinterher.

„Meinst du, sie ist sauer?“, wollte Poul nach einer Weile wissen.

„Auf dich?“

„Ja. So ganz Unrecht hat sie ja nicht.“

„Mensch, Junior, du bist aber auch ein Pimpf.“

„Ein WAS?“

„Ein Pimpf! Langsam solltest du dich mal entscheiden, ob du ihr nun den Hof machen willst oder dich weiter wie ein Idiot benimmst.“

„Idiot? Ich? Also, hör mal!“

Carl sah ihm tief in die Augen. „Jawohl, Poul, wie ein Idiot!“

„Wie kommst du dazu, so was zu behaupten? Nur, weil ich mich mit Hiro gestritten habe?“

„Ach, Hiro. Du benimmst dich wie ein Idiot, weil du Nuck Chorris nicht magst!“ In dem Moment fiel Carl in schallendes Gelächter, warf Poul seine Hand auf die Schulter und gab ihm damit zu verstehen, dass er ihn einfach auf den Arm genommen hatte.

Pouls Gesichtsausdruck blieb verhalten und als Carl einen Moment später aufgehört hatte zu lachen, fügte er hinzu: „Im Ernst, Junior. Wir haben alle mitbekommen, dass du ein Auge auf Fay geworfen, dich aber wie ein richtiger Grünschnabel angestellt hast.

Hinterherrennen solltest du ihr nicht gerade, aber vielleicht auch nicht so lange mit einem alten Kerl wie mir in der Bar abhängen. Komm, wir hauen uns auf Ohr.“

Beide Männer verließen die Bar, nachdem sie sich von der Barkeeperin verabschiedet hatten.

„So früh heute?“, fragte sie noch verwundert, doch Carl winkte ab.

„Wir haben morgen einen wichtigen Tag. Da kriegen wir endlich unseren Frachter.“

*

Die blau schimmernde Projektion von Oberst Hauser flackerte endlich auf. Walt ging durch den Kopf, dass vermutlich alle anderen Mitglieder seiner Crew schon längst in ihren Kojen lagen. Ein Gefühl in ihm sehnte sich genau danach, doch sein Pflichtbewusstsein und auch sein Ehrgeiz stemmten sich dagegen. Natürlich war ihm klar, dass er Rede und Antwort stehen musste. Ohne Bürokratie würde vermutlich die gesamte Sternenlichtvereinigung zugrunde gehen.

„Können wir beginnen?“, fragte Oberst Krabb und riss Walt damit aus seinen Gedanken. Sofort war er jedoch bereit und nickte ihm zu.

„Ich bin auf einige Details gespannt, Major“, eröffnete Oberst Hauser anschließend. „Ihren Bericht habe ich zwar gelesen, doch einiges über GJ 3021 b ist mir noch nicht ganz klar.“

„Fragen Sie gerne, Oberst“, ermutigte Walt ihn, was der nur holografisch anwesende Oberst mit einer kurzen Geste quittierte.

„Sie hatten vom SSD die Order erhalten, den Asteroiden GJ 3021 b abzufangen.“

„Da er sich auf Kollisionskurs zu Tyros befand“, ergänzte Walt.

Hauser bestätigte. „Da sind noch einige Punkte offen. Am besten fangen wir ganz von vorne an und arbeiten uns dann Stück für Stück vor.“

Walt schluckte. Alles durcharbeiten würde bedeuten, dass er sich mit den beiden Offizieren die Nacht um die Ohren schlagen würde. „Können Sie nicht einfach sagen, welche Einzelheiten Ihnen unklar sind?“, wagte er sich vor, bereute seinen Vorstoß aber umgehend.

„Major Kargon, muss ich Sie daran erinnern, dass Ihre Zukunft als Raumschiffkommandant mit diesem Bericht steht und fällt? Es gibt einige hohe Persönlichkeiten in der Regierung, die Einblick in unsere Akten haben und auf Informationen bestehen. Soll ich denen vielleicht sagen, dass der Kommandant des Schiffes eine Frageliste haben möchte, um sie bei Gelegenheit abzuarbeiten? Vergessen Sie nicht, dass GJ 3021 b der Beginn einer Kette von Ereignissen war, die letztlich zur Zerstörung des ORION-Klassen Kreuzers JAGELLOVSK geführt hat. Ein Vorfall, für den es ohnehin schon einige unschöne Worte gegeben hat, die wir vor Ihnen abfangen konnten.“

„Entschuldigung, Oberst. Natürlich stehe ich voll und ganz zur Verfügung.“

„Das will ich wohl meinen“, mischte sich nun auch Krabb ein, der sich bislang zurückgehalten hatte. „Also bitte, jetzt ganz von vorn. Beginnen Sie mit dem Asteroiden GJ 3021 b.“

02. Der Asteroid

3166: Während der Katastrophe des Raumglühens (SL 1: Inseln im Nichts)

Die Phönix war gerade im Sinkflug, als Walt den Vorraum des Hangars erreichte. Der SSD hatte die Ankunft eines Sicherheitsoffiziers angekündigt, der dem Schiff zugewiesen wurde. Eine seltsame Entscheidung, wie Walt fand. Immerhin war die JAGELLOVSK ein Kreuzer des Sternenlicht-Sicherheitsdienstes und damit ausschließlich mit SSD-Personal besetzt. Wozu nun also noch ein Sicherheitsoffizier? Seines Wissens hatten die Sicherheitsoffiziere üblicherweise die Aufgabe, die Forschungsschiffe zu begleiten, damit die weniger auf Sicherheit geschulten Mannschaften dieser Schiffe eine entsprechende Unterstützung erhielten. Oftmals als Raumschiffpolizei, Anstandsdamen oder Türsteher verschriene Sicherheitsoffiziere vollbrachten dabei eine wichtige Aufgabe, um die sich das eher zivile Personal selten kümmern wollte. Nämlich darauf zu achten, dass einerseits die Vorschriften eingehalten und andererseits Gefahren von Besatzung und Schiff bestmöglich abgehalten wurden. Zumindest, wenn es um kleinere Schwierigkeiten ging. Walt fragte sich, welchen Sinn diese Besetzung bei einem Schiff ergab, das ausschließlich aus SSD-Mitarbeitern bestand.

Auf dem kleinen Monitor an der Hangarschleuse konnte er den Landeanflug der Phönix verfolgen. Die Stützen des Beibootes fuhren aus, während der Leitstrahl dafür sorgte, dass kleine Ungenauigkeiten der Bewegungen zwischen dem Kreuzer und dem Beiboot ausgeglichen wurden. Es dauerte einen Moment, ehe der Hangar nach der sanften Landung verschlossen war. Nachdem er wieder Mit Luft geflutet war, öffnete sich die Schleuse. Walt wartete nicht, bis das Tor den Weg gänzlich freimachte, sondern er schlüpfte gebeugt unter dem Schott hindurch.

„Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen?“, fragte die junge Frau, die die Phönix verließ. Ihre kurzen blonden Haare waren akkurat nach hinten gekämmt. Der Blick war klar, die Haltung gerade und die gesamte Erscheinung eine nahezu perfekte Symbiose aus Stärke und Eleganz.

„Erlaubnis erteilt, Leutnant Hailey. Stehen Sie bequem.“

Ungerührt behielt die Frau ihre Haltung bei.

„Haben Sie ein Problem, Leutnant?“

„Vielleicht hat der Major ein Problem“, entgegnete sie. „Es wäre gut, wenn wir klar Schiff machen, um mögliche Schwierigkeiten auf der kommenden Mission zu vermeiden.“

„Klar Schiff?“, wiederholte Walt und sah der jungen Frau direkt in die Augen. „Sie meinen, was die Befehlshierarchie betrifft?“

Sie verzog keine Miene. „Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Raumschiffkommandant im entscheidenden Moment die Order des Sicherheitsoffiziers in Frage stellt.“

Das musste Walt erst mal sacken lassen. Der Leutnant redete immerhin nicht lange um den heißen Brei herum. „Wie alt sind Sie?“

„Ich vermute, dass Sie meine Akte gelesen haben.“

„Gut, dass Sie das von sich aus ansprechen, Leutnant. Bis auf Ihr Geburtsdatum kann ich da nämlich herzlich wenig über Sie herausfinden. Aber da erzähle ich Ihnen ja wahrscheinlich nichts Neues. Verschlusssache mit Alphaorder. Ziemlich ungewöhnlich. Aber wenn ich Ihren Auftritt hier richtig interpretiere, dann haben Sie schon anderswo Ihre Arbeit als Sicherheitsoffizierin verrichtet.“

Gella Hailey regte sich nicht.

„Na schön. Dreiunddreißig Jahre sind Sie und ich weiß, dass Sie zuletzt auf der SORGE Ihren Dienst verrichtet haben. Ein seltsamer Name für ein Raumschiff.“

„Denken Sie, dass der Name etwas mit mir zu tun hat?“

„Das könnte Ihnen so passen. Das Schiff wurde nicht aus Sorge um irgendetwas so benannt. Ich habe gehört, die SORGE ist eines der jüngsten Schiffe, die einen Bordcomputer erhalten haben, welcher über die Hyperspruch-Relaiskette aktualisiert wird. Eine Technik, die die JAGELLOVSK noch nicht vorzuweisen hat, aber schon bald erhalten wird. Und da unser Bordcomputer auf den Namen TAMARA hören wird und ich zufällig weiß, dass die SORGE ein solches Gerät mit dem Namen RICHARD an Bord hat, ist Ihre kleine Ansprache zwar nett, beeindruckt mich aber herzlich wenig.“

Er lockerte seine Haltung etwas, um weniger förmlich zu wirken. „Jetzt will ich Ihnen etwas sagen, was hier auf diesem Schiff gilt. Die Besatzung vertraut sich uneingeschränkt. Auf jeden hier ist absolut Verlass, denn wir legen tagtäglich unser Leben in die Hände der anderen. Lassen Sie mich meine Entscheidungen treffen und diskutieren Sie nicht unnötig mit mir. Ich habe kein Problem damit, eine so geheime Person, wie Sie es sind, an Bord zu haben, aber pfuschen Sie mir nicht ins Handwerk.

Wenn ich einen Fehler mache, habe ich kein Problem damit, mich den Vorschriften entsprechend zu korrigieren. Aber Vorschriften bilden nun mal nicht das echte Leben ab.

Es gibt ein altes Sprichwort, das da heißt: Papier ist geduldig. Am besten sind Sie es auch, dann verstehen wir uns bestens, Leutnant Hailey. Und wenn Sie nichts dagegen haben, sollten wir die unnötigen Förmlichkeiten beiseitelassen und uns mit den Vornamen anreden.“

Plötzlich lächelte sie, was Walt einigermaßen irritierte.

„Sehr gerne, Walt.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen und er nahm sie zögerlich an. „Gella. Und mir sind die Vorschriften eines Raumschiffpolizisten ehrlicherweise ziemlich egal. Der SSD muss seine eigenen Leute nicht obendrein noch kontrollieren. Ich bringe vielmehr einen Befehl für die JAGELLOVSK mit. Abfangen eines Asteroiden mit der Bezeichnung GJ 3021 b.“

Seine Hand sank wieder herab, nachdem sie sich begrüßt hatten.

„Und das konnte man uns nicht mit einer Nachricht übermitteln?“

„Laut Oberst Hauser nicht, nein.“

„Das muss ja ein ziemlich spezieller Asteroid sein“, entgegnete Walt und kam sich bei der Bemerkung etwas dumm vor.

„Der Kurs passt zu keiner für Asteroiden üblichen Flugbahn. Das können wir aber gerne auf der Brücke besprechen. Es gibt noch ein paar Informationen mehr. Oberst Hauser wollte nicht, dass sie über die normalen Kommunikationswege gehen.“

*

„Die Aussage ist richtig“, bestätigte Oberst Hauser, als er Walts Rapport an dieser Stelle unterbrach. „Ich hätte mir nur gewünscht, dass Gella Hailey das nicht so provokant mitgeteilt hätte.“

„Wir hatten zu Beginn nicht den besten Start“, stimmte der Major zu. „Gella Hailey verhielt sich sehr distanziert. Das legte sich erst mit der Zeit.“

„Das ist sicher ihrer Aufgabe als Sicherheitsoffizierin geschuldet“, mutmaßte Hauser. Walt konnte der Aussage nur bedingt Recht geben.

„Schwer zu sagen. Ich habe fast den Eindruck, sie trägt noch viel mehr Geheimnisse mit sich herum. Eine Personalakte unter Verschluss ist da auch nicht gerade hilfreich. Zumal ihre sogar per Alphaorder verschlossen wurde.“

Hauser winkte ab. „Machen Sie sich darüber doch keine Gedanken. Was erwarten Sie denn? Dass wir sämtliche Details über unser Sicherheitspersonal ausplaudern?“

„Ausplaudern ist hier vielleicht nicht der richtige Begriff. Aber etwas mehr Vertrauen in die eigenen Leute ist meines Erachtens ein Zeichen des Respekts.“

Das Schweigen, das daraufhin zwischen den beiden Männern herrschte, war fast schon eisig zu nennen. Da half es auch wenig, dass Hauser nur holografisch anwesend war.

Es war Krabb, der die Stille schließlich durchbrach. „Nun wollen wir aber gerne den Bericht weiter durchgehen. Eine Alphaorder wird nicht leichtfertig vergeben.“ Den letzten Satz richtete er explizit an Walt.

Das schmeckte dem Major gar nicht, aber er bestätigte schließlich. „Sie haben Recht, Oberst. Ich wünschte mir nur, wir hätten zu Beginn etwas mehr gewusst. Denn was wir später in Erfahrung brachten, machte es uns schwer, Vertrauen zu fassen.“