Komm, wir tanzen durch den Regen. - Luisa Prusseit - E-Book

Komm, wir tanzen durch den Regen. E-Book

Luisa Prusseit

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Beschreibung

BWL-Student Emilian hat einen Traum: er möchte Schriftsteller werden. Am besten gelingt ihm das Schreiben, wenn er Alkohol getrunken hat. Im Rausch kann er zu seiner Hauptfigur eine nahezu persönliche Beziehung aufbauen und verliebt sich in sie. Doch auch im echten Leben hat er sich verliebt: Die junge Krankenschwester Lea hat ihm mit ihrer erfrischenden Art den Kopf verdreht. Schafft sie es, Emilian zurück in die Realität zu holen?

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Für die Liebe,

denn sie ist grenzenlos.

Inhaltsverzeichnis

Teil I: Emilian

Kapitel eins

Kapitel zwei

Kapitel drei

Kapitel vier

Fenja

Kapitel fünf

Kapitel sechs

Kapitel sieben

Kapitel acht

Fenja

Kapitel neun

Kapitel zehn

Kapitel elf

Kapitel zwölf

Teil II: Lea

Riesig und laut

Blinzeln

Klopfendes Herz

Vergessen

Allein

Teil III: Emilian

Kapitel dreizehn

Fenja

Kapitel vierzehn

Kapitel fünfzehn

Kapitel sechszehn

Fenja

Kapitel siebzehn

Kapitel achtzehn

Kapitel neunzehn

Kapitel zwanzig

Kapitel einundzwanzig

Fenja

Kapitel zweiundzwanzig

Epilog

Teil IEmilian

Kapitel eins

Emilians Herz klopfte laut, als er den Absender erkannte. Dumont-Verlag. Er klemmte sich den heiß ersehnten Brief zwischen die Zähne und kramte in seiner Tasche nach dem Wohnungsschlüssel. Aufgeregt stürmte er hinauf ins sechste Stockwerk. Der Fahrstuhl funktionierte schon lange nicht mehr und Emilian blieb nichts anderes übrig, als die Treppe zu nehmen. Immerhin wohnte er nicht im Elften.

Seine Finger zitterten beim Versuch, die Tür zu öffnen. Das Schloss klemmte immer mal wieder. Oft bekam er es nur durch gutes Zureden auf, aber erst, nachdem er es mindestens dreimal verflucht hatte.

Endlich sprang die Tür auf. Hastig streifte er seinen Mantel vom Körper und warf ihn achtlos in eine Ecke. Dann ging er in sein Zimmer und schloss hinter sich ab.

Mithilfe einer Schere und schlitzte er den Umschlag auf. Während er das Schreiben entfaltete, kniff er die Augen zu. Bald hielt er es nicht mehr aus und blinzelte.

Eine Absage. Sein Herz raste immer noch wie wild, doch das positive Gefühl der Hoffnung, das er bis gerade eben noch in seinem Herzen gehegt hatte, löste sich unversehens in Luft auf. Es war niederschmetternd.

Du Narr, schalt er sich.

Er hätte von vornherein niemals davon ausgehen dürfen, bei einem der großen Verlage eine Zusage zu bekommen. Schließlich war er ein Nichts, ein Niemand. Das bestätigten die zahlreichen Absagen, die quer über seinen Schreibtisch verstreut lagen. Dreiundzwanzig, um genau zu sein. Siebenundzwanzig Manuskripte hatte er insgesamt verschickt; von mehr als zwei Dritteln davon waren schon Absagen eingegangen. Wütend zerknüllte er das Papier und warf es zu den anderen.

Anschließend legte er sich auf sein Bett und starrte an die Decke. Er hatte angenommen, dass er Talent zum Schreiben besäße. Hatte es zumindest gehofft. Nächtelang hatte er über seinem Manuskript gehockt, Sätze herausgestrichen, Szenen umgeschrieben und Wörter verändert, bis ihm das Ergebnis nahezu perfekt erschienen war. Doch die Verlage sahen das offenbar anders. Es schmerzte ihn wie eine Wunde, dass sie sein Buch nicht veröffentlichen wollten. Zudem war er verwirrt, weil jeder Verlag eine andere Begründung für die Ablehnung anführte. Wie sollte man da herausfinden, was verkehrt lief, was man verbessern könnte?

Emilian sah sich in seinem Zimmer um. Er war nachlässig geworden in letzter Zeit. Hatte die Abende lieber damit verbracht, die halbe Bibliothek leer zu lesen, als vernünftig aufzuräumen. Sein Studium hatte ebenfalls sehr unter der Ablenkung gelitten. Durch die letzten Prüfungen war er nur knapp gekommen und dies hauptsächlich, weil der Professor ihn gut leiden mochte.

Auch so eine Sache, die er nicht verstehen konnte. Professor Landmann war ein älterer Herr, der kurz vor der Rente stand. Er unterrichtete von jeher an der Freien Universität in Berlin Volkswirtschaftslehre. Emilian hasste dieses Fach, genauso wie er den gesamten Studiengang hasste. Er hatte sich damals dem Willen seiner Eltern gebeugt und sich für BWL eingeschrieben. Zum einen, weil sein Abitur nicht überragend ausgefallen war. Zwar hatte er in Deutsch und den Fremdsprachen ganz gute Ergebnisse erzielt, aber die Naturwissenschaften hatten seinen Notendurchschnitt extrem heruntergezogen. Zum anderen hatte er sich so entschieden, weil seine Eltern der felsenfesten Ansicht waren, dass er etwas Vernünftiges, Solides studieren sollte.

Nachdem er zum ersten Mal den sehnlichen Wunsch geäußert hatte, sich bei den Literaturwissenschaften zu einzuschreiben, hatte sein Vater nur milde gelächelt und ihn gefragt, was er denn bitte damit später anfangen wolle. Leider hatte sich Emilian damals schlecht zu dieser Frage vorinformiert. Er konnte seinem Vater keine schlagenden Argumente liefern, ihm nicht beibringen, dass es lukrative Jobs und tolle Karriereaussichten am Ende dieses Weges gab. Für seinen Vater war die Diskussion damit beendet gewesen und Emilian hatte halbherzig angefangen, BWL zu studieren. Das war im Oktober vor zwei Jahren gewesen.

Bis jetzt hatte er sich nicht übel geschlagen, obwohl er dem Studiengang selbst kaum etwas abgewinnen konnte. Das einzige, was ihn wirklich interessierte, war der Teil über Marketing. Trotzdem blieb in seinem Kopf hartnäckig der Wunsch haften, eines Tages Schriftsteller zu werden. Doch das musste vorläufig ein Traum bleiben, ein vager, noch unendlich weit entfernter Traum.

Bis er einer Mitstudentin davon erzählte und sie ihn fragte, warum er denn nicht einfach drauf los schreibe. Nur um zu sehen, was dabei herauskommt. So etwas Kühnes war ihm bis dahin nicht einmal in den Sinn gekommen. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es wirklich so einfach sein könnte. Und dennoch schrieb er an diesem Abend das erste Kapitel seines Romans, den er später schlicht „Mia & Drake“ nennen sollte.

Er schrieb über die Geschichte der jungen Journalistin Mia. Die verliebte sich in den dementen Drake, welcher fast zwanzig Jahre älter war als sie. Emilian hatte das Verfassen der Story geliebt, doch gleichzeitig war ihm seine Besessenheit wie ein Fluch vorgekommen. Ein halbes Jahr lang hatte er sich jeden Abend die Finger wund geschrieben, bis ihn plötzlich eine Schreibblockade wie aus dem Nichts angefallen hatte. Fast vier Monate brachte er keinen einzigen Satz mehr zustande – bis die Ideen endlich wiederkamen. Seine Kreativität war zurückgekehrt, sie erhob sich wie Phönix aus der Asche.

Am Ende war ein fast fünfhundertseitiges Manuskript fertiggestellt. Es hatte ihm zunächst Riesenspaß bereitet, im Internet nach Verlagen zu suchen und passende für sich heraus zu fieseln. An den Anschreiben und seinem Exposé hatte er nochmal mehrere Wochen getüftelt, bis er endlich alle Unterlagen beisammengehabt hatte.

Dieses unfassbar euphorische Gefühl, die siebenundzwanzig dicken Umschläge zur Post zu bringen, würde er nie vergessen. Er hatte gehofft, gebangt, Briefe geöffnet – und miterleben müssen, wie seine Hoffnung auf das erste eigene Buch jedes Mal ein weiteres Stück gesunken war. Schlimmer noch, sein Glaube an sich selbst hatte einen schmerzhaften Dämpfer erhalten. Genauso wie jetzt gerade.

Er gab sich seufzend einen Ruck und stand auf. Lustlos schob er alle Briefe zusammen, entfaltete die Papierkugel wieder, glättete die jüngste Absage mit der Handkante und legte sie zusammen mit den anderen ins Schubfach seines Schreibtisches.

Unwillkürlich musste er sein eigenes Gesicht in dem kleinen Spiegel betrachten, der auf dem Tisch stand. Es kam ihm vor, als hätte er sich selbst schon lange nicht mehr wahrgenommen. Seine dunkelblonden Haare standen zerzaust vom Kopf ab und waren mittlerweile viel zu lang geworden. Von seinem Bart ganz zu schweigen, den er seit vier Wochen nicht mehr rasiert hatte. Unter seinen grünen Augen zeichneten sich dunkle Schatten ab. Die letzten Nächte hatte er kaum geschlafen, dermaßen vertieft war er in sein Buchprojekt gewesen.

Emilian verachtete sein eigenes Spiegelbild. Wütend riss er sich von diesem Anblick los, schnappte sich seinen Rucksack und lief nach draußen. Der nächste Friseurladen lag zum Glück nicht weit von der Wohnung entfernt. In Berlin gab es kaum eine Straßenecke, an der kein Friseur sein Handwerk praktizierte. Ohne zu grüßen, fragte er drinnen schlecht gelaunt:

„Haben Sie noch ´nen Termin heute frei?“

Er schaute der Frisörin nicht in die Augen. Er wollte darin keinesfalls lesen müssen, was sie von ihm dachte. Sicher hielt sie ihn für einen Penner oder einen Kiffer.

Emilian war groß und so dünn, dass die Mitschüler ihn früher in der Schule immer gehänselt hatten. Spargeltarzan. Bohnenstange. Strich in der Landschaft. Heutzutage hielten ihn die Leute nicht selten für drogenabhängig, wegen seinen herausstehenden Rippen und den eingefallenen Wangen.

Dabei konnte er gar nichts dafür. Er aß regelmäßig und viel, meistens Döner. Dass er rauchte, kam dagegen selten vor und er hatte noch nie gekifft. Was die Leute immer haben mit ihren Vorurteilen, dachte er.

Die Friseurin ließ eine Kaugummiblase platzen.

„´N bisschen freundlicher tät´s auch.“

Da sie nichts weiter zu ihm sagte, war Emilian gezwungen, sie doch anzusehen. Er schätzte sie auf Ende dreißig, vielleicht war sie auch erheblich jünger. Aber sie hatte offenkundig zu viel Zeit im Solarium verbracht, weshalb ihr Gesicht, wahrscheinlich vorzeitig, von Falten durchzogen war. Ihre Haare trug sie in einem auffälligen Lilaton gefärbt. Darin leuchtete eine silbergraue Strähne, die sie verwegen nach hinten toupiert hatte.

„Bitte“, sagte er mit einiger Verzögerung.

„Geht doch“, brummte sie zufrieden. Wahrscheinlich war sie insgeheim sogar froh über einen neuen Kunden, denn der Laden war wie leergefegt. Aber das ließ sie sich in keiner Weise anmerken.

„Nur Haare oder auch Bart?“

„Beides. Haare an den Seiten kürzer als oben. Das wär´s.“

„Ach, das ist ja mal angenehm. Sonst kommen die jungen Leute nur noch mit irgendwelchen Sonderwünschen. Auch die Männer, man soll´s ja nicht glauben. Grau wollen sie die Haare gefärbt haben und dann komm´ se mit dem Lineal und messen, ob ich wirklich an der Seite die gewünschten drei Millimeter abgeschnitten habe. Unglaublich“, plauderte sie aus dem Nähkästchen.

Emilian merkte, dass die Friseurin sich die Zeit mit Reden vertreiben wollte, doch er verspürte absolut keine Lust auf Smalltalk. Also erwiderte er nichts darauf und hoffte, dass sie schnell mit der Arbeit an seinem Äußeren fertig werden würde. Doch seine Hoffnungen lösten sich ziemlich schnell auf, da die Friseurin gnadenlos weiterquatschte.

„Na der Bart, den ham Se aber lange nicht rasiert. Hatten wohl ´ne stressige Zeit grade, was?“

Emilian nickte, um nicht allzu unhöflich zu erscheinen. Doch die Friseurin schien die nette Geste nicht zur Kenntnis zu nehmen. Offenbar war es ihr egal, ob er überhaupt auf ihren Redefluss reagierte. Also schaltete er geistig ab und dachte lieber an seinen Roman.

„Ja, sind Se denn eingeschlafen?“, hörte er plötzlich die Stimme der Friseurin direkt neben seinem Ohr.

Er schreckte auf. „Nein, ich hab nicht geschlafen, echt nicht“, murmelte er überrumpelt. Er war derart tief in seinen Gedankengängen versunken gewesen, dass er die Umwelt komplett ausgeblendet hatte.

„Na, dann sagen Se doch wenigstens was dazu!“, forderte sie ihn mit einer einladenden Handbewegung in Richtung Spiegel auf.

Flüchtig warf Emilian einen Blick hinein. Für seine Verhältnisse hatte sie die Haare ein bisschen zu kurz geschnitten, aber das war ihm gerade schnuppe. Dann musste er wenigstens nicht so schnell wieder zum Friseur.

„Ist gut so“, brummte er achselzuckend.

Die Friseurin schien enttäuscht zu sein und wandte sich mit stoischer Miene der Kasse zu.

„Das macht dann vierundzwanzig fuffzig.“ Es klang schnippisch.

Emilian zog sein Portemonnaie aus der Tasche. Er hatte nicht daran gedacht, Bargeld abzuheben, und so leuchteten ihm nur ein einsamer Zwanzig-Euro-Schein und ein bisschen Kleingeld entgegen. Ansonsten herrschte gähnende Leere.

Er wurde rot.

„Ähm…“, stotterte er verlegen und zählte die wenigen Münzen, die er finden konnte. Insgesamt kam er auf genau drei Euro achtundsiebzig.

„Entschuldigen Sie bitte. Ich hatte vorher glatt vergessen, Geld zu holen. Habe nur knapp dreiundzwanzig Euro dabei. Ginge das okay? Ich bring Ihnen morgen den Rest vorbei, versprochen.“

Die Friseurin seufzte genervt. „Eigentlich mag ich Se nich besonders, so schweigsam wie Se die janze Zeit dagesessen sind. Aber ich will mal nich so sein. Die Differenz geht erstmal auf mich. Wenn Se das nächste Mal wiederkommen, könn´ Se mir ja Trinkgeld dalassen.“

„Danke, werde ich machen.“ Er drückte ihr das Geld in die Hand und verließ schleunigst den Laden.

Als er daheim die Wohnungstür öffnete, schlug ihm der Geruch von verbranntem Essen entgegen.

„Verdammt“, fluchte er und stürzte in die Küche.

Offenbar war Luk, sein Mitbewohner, vor kurzem nach Hause gekommen und hatte den Ofen angeschmissen. Und ihn vergessen. Vorsichtig klappte Emilian die Ofentür auf und versuchte durch den dichten Qualm zu erkennen, wie schlimm das Essen bereits verkohlt war.

Es entpuppte sich als rabenschwarz, ergo ungenießbar.

Er hustete und riss das Fenster auf. Anschließend klopfte er bei Luk an die Zimmertür. Keine Reaktion. Emilian versuchte es am Bad und hörte, wie das Wasser abgestellt wurde.

„Verdammt, Luk, die ganze Wohnung ist schwarz“, brüllte er.

Die Badezimmertür öffnete sich und Luk stand vor ihm. Sein Kumpel war optisch das komplette Gegenteil von ihm. Er hatte dunkle, kurze Haare und einen Körper, der allen Frauen das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Zwar strampelte Luk sich dafür fast jeden Tag im Fitnessstudio ab, aber seine strammen Bauchmuskeln konnten sich wirklich sehen lassen. Ein definiertes Sixpack, wie es im Buche stand.

Er strich seine feuchten Haare aus dem Gesicht.

„Hey Emi! Was machst du denn für Stress?“, grinste er.

„Gute Frage, lass mich kurz nachdenken. Mensch, du hast fast die Bude abgefackelt!“, antwortete Emilian sarkastisch.

„Ach, na komm schon. So schlimm ist es sicher nicht. Hab ihn doch grad erst angemacht, den Ofen. Holen wir uns heute halt Pizza.“

Emilian seufzte. Meistens mochte er Luks lockere Art, doch manchmal ging sie ihm mächtig auf den Zeiger. Zumal er jetzt wahrscheinlich den Ofen saubermachen durfte, wenn er ihn in absehbarer Zeit nochmal verwenden wollte. Luk klopfte ihm beiläufig auf die Schulter und schob sich, an ihm vorbei, in sein Zimmer.

Lustlos machte Emilian sich daran, die verbrannten Essensreste aus dem Ofen zu kratzen. Hätte wohl eine Lasagne werden sollen, dachte er frustriert. Eigentlich konnte Luk kochen.

Nur – meistens dauerte es ihm zu lange und er begann, nebenbei irgendetwas anderes zu machen. Dann vergaß er das Essen und Emilian war hinterher der Leidtragende. Luk nannte das „Arbeitsteilung“, da Emilian am Herd absolut nichts Genießbares zustande brachte. Aber in letzter Zeit verbrachte er leider mehr Zeit damit, die jeweilige Mahlzeit gründlich anbrennen zu lassen, anstatt sie am Ende tatsächlich aufzutischen.

Es dauerte nicht lange, bis Luk aus seinem Zimmer getrottet kam, diesmal vollständig bekleidet. Gut gelaunt schlug er vor: „Emi, wie sieht´s aus, ich dachte mir, wir holen uns Pizza und gehen heute Abend zusammen feiern. Was hältst du davon?“

Emilian befand sich gerade überhaupt nicht in Feierstimmung. Außerdem hasste er die Art von Partys, zu denen Luk ihn für gewöhnlich mitschleppte. Dort gab es nur jede Menge schlechte Elektromusik und den Mädchen musste man einen Cocktail nach dem anderen ausgeben, um sie bei Laune zu halten.

Finanziell ging es ihm in letzter Zeit allerdings gar nicht schlecht. Er arbeitete in einer kleinen Bar als Kellner und trug sich meistens für jene Tage ein, an welchen niemand sonst arbeiten wollte. Samstagabends zum Beispiel. Der Vorteil daran war, dass er hübsche Schichtzulagen und oft ein ordentliches Trinkgeld bekam.

Zu Beginn des Studiums hatten seine Eltern ihn finanziell unterstützen wollen, doch das hatte er nicht zugelassen. Er war schon erleichtert genug gewesen, dass er von zu Hause ausziehen konnte. Weg von seiner egozentrischen Mutter, die nur ihre eigene Karriere im Kopf hatte. Weg von seinem ignoranten Vater, der bis spät in die Nacht im Büro saß und darauf hinarbeitete, dass Emilian seine kleine Elektrofirma eines Tages übernehmen könnte. Er hatte es noch nicht übers Herz gebracht, ihm klipp und klar zu sagen, dass das wohl nie geschehen würde. Wenn sein Vater ihm auch nur ein einziges Mal richtig zugehört, seine Gesinnung abgecheckt hätte, wäre eine Übergabe für ihn wohl eh nicht mehr infrage gekommen.

„Hol erstmal Pizza. Ich entscheide mich später“, antwortete er schließlich Luk. Dieser zuckte daraufhin nur mit den Achseln und schlenderte nach draußen.

Emilian hatte gerade die letzten Reste der eingebrannten Lasagne beseitigt, als er auch schon wiederkam. Zum Glück residierte ein Italiener im angrenzenden Block, sodass sie nie allzu lange auf ihr Essen warten mussten.

„Ist noch ein Brief für dich angekommen“, begrüßte ihn Luk. Sofort begann Emilians Herz wieder zu rasen. Vielleicht diesmal…

„Gib schon her!“, rief er ungeduldig.

Luk ließ ihn zappeln, warf erst einen neugierigen Blick auf den Absender. „Was hast du denn bitte mit Buchverlagen zu tun?“, fragte er skeptisch.

„Geht dich überhaupt nichts an. Und jetzt lass das Ding endlich rüberwachsen!“

Luk schien einen Moment zu zögern, doch dann überreichte er ihm den Brief in einer feierlichen Geste. Als Emilian sich nicht rührte, einfach wie angewurzelt stehen blieb, forderte er ungeduldig:

„Na los! Mach schon auf, ich will wissen, was da abgeht. Je mehr du mauerst, desto interessanter wird es für mich.“ Mit verschränkten Armen und schief gelegtem Kopf grinste er ihn frech an.

Eigentlich hatte Emilian gar keine Lust, seinem Mitbewohner von den Bestrebungen der letzten Zeit zu erzählen. Doch wenn er jetzt ein Geheimnis draus machte, würde Luk die nächsten Wochen von nichts anderem sprechen und ihn so lange nerven, bis er ihm schließlich doch alles berichtete.

Langsam öffnete Emilian den Brief. Dieses Mal war es ein ungewöhnlich langer Text und er spürte, wie sich Hoffnung in ihm regte.

Sehr geehrter Herr Lehmann,

vielen Dank für Ihr Publikationsangebot und Ihr Interesse an unserem Verlag.

Leider sehen wir keine Möglichkeit, Ihr Projekt in unsere aktuelle Programmstruktur einzufügen.

Bitte betrachten Sie dies nicht als Werturteil und haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen, angesichts der Vielzahl unverlangter Manuskripte, die uns täglich vorgelegt werden, ohne ausführliche Begründung absagen müssen. Für die Zukunft möchten wir Ihnen jedoch noch einen Ratschlag geben: charakterisieren Sie besser. Machen Sie aus Ihren Figuren Persönlichkeiten, hauchen Sie ihnen Leben ein. Sie müssen erreichen, dass der Leser sich mit den Figuren identifizieren kann, er muss sie lieben, hassen, verachten. Er muss Gefühle für sie entwickeln, so wie wir Menschen Gefühle für unsere Mitmenschen entwickeln.

Wir wünschen Ihnen bei Ihrer Suche nach einem geeigneten Verlag viel Erfolg.

Wenigstens ein Verlag, der nicht so unpersönlich geschrieben hat, dachte Emilian enttäuscht. Trotzdem fühlte er sich schrecklich. Zwei Absagen an einem Tag, das war zu viel. Luk schien zu merken, dass irgendetwas nicht stimmte. Da Emilian den Brief offen auf den Tisch gelegt hatte, konnte er ihn kurz überfliegen.

„Hey, bist du unter die Schriftsteller gegangen oder was?“, fragte er belustigt.

„Nein, siehst du doch“, fauchte Emilian ihn an.

Erschrocken ruderte Luk zurück. „Sorry, ich wollte dich nicht ärgern. Ist wohl ein sensibles Thema, was?“

Emilian ließ diese Frage unbeantwortet. Stattdessen schnappte er sich den verdammten Brief, stürmte in sein Zimmer und knallte die Tür mit Schmackes hinter sich zu. Seine aromatisch duftende Pizza hatte er nicht einmal angerührt, obwohl er vor ein paar Minuten noch schrecklichen Hunger gehabt hatte.

Was bist du eigentlich für ein jämmerlicher Versager, sagte er zu sich. Wieder ein Verlag weniger, wieder ein Teil der restlichen Hoffnung verloren. Es klopfte energisch.

„Ich will nicht darüber reden, Luk“, rief Emilian bestimmt. Offenbar hatte sein Kumpel erkannt, dass es ihm momentan ziemlich beschissen ging. Zumindest versuchte er entgegen sonstiger Gewohnheiten gar nicht erst, die Tür trotzdem zu öffnen. Er schien doch ein bisschen Feingefühl und Anstand zu besitzen.

Emilian wusste nicht, wie lange er schon dalag und einfach nur teilnahmslos die Decke anstarrte. Draußen fing es an zu regnen. Dunkle Wolkenbänke zogen auf, passend zu seiner Stimmung. Dicke Regentropfen trommelten ans Fenster, der Raum versank in grauer Düsternis. Das zog ihn seelisch noch weiter herunter.

Nach einer Weile klopfte es noch einmal an der Tür. Doch dieses Mal trat Luk einfach ein, ohne eine Einladung abzuwarten.

„Hey, kommst du jetzt mit oder was? Die Party würde dir sicher guttun, so traurig wie du aussiehst. Dann kämst du wenigstens mal auf andere Gedanken.“

Im Grunde hatte Emilian ihm nicht einmal antworten wollen. Aus irgendeinem Grund fragte er trotzdem:

„Was ist das eigentlich heute für eine Party? Wieder im Soda?“ Emilian hasste das Soda. Das war, zumindest seiner Meinung nach, der allerschlimmste Club Berlins.

„Nee, heute ist WG-Party angesagt. Lorena, eine aus meinem Studiengang, gibt sie. Hat stinkreiche Eltern, ist aber selbst ganz cool drauf. Und es sind über fünfzig Leute eingeladen. Bin ja mal gespannt, in was für einer schicken Wohnung die leben.“ Luk grinste schelmisch. Er war ein Meister darin, Neugier zu erzeugen.

Zu seiner eigenen Überraschung nickte Emilian kurzentschlossen. „Na schön, dann komm ich eben mit.“

„Hey, cool! Aber zieh dir ein Hemd oder sowas an. Ich mach mich jedenfalls schick. Hab nämlich aufgeschnappt, dass die Mädels sich darüber unterhalten haben, welches Cocktailkleid sie anziehen werden. Da sollten wir besser nicht wie die Landstreicher aufkreuzen.“

Emilian war kein Freund von schicken Hemden und hatte auch nur zwei davon im Schrank hängen. Er zuckte desinteressiert mit den Achseln.

„Na dann, hopp raus. Bin in zehn Minuten fertig.“

Nachdem Luk die Zimmertür hinter sich zugezogen hatte, schlüpfte Emilian aus seiner Jogginghose und zog eine schwarze Jeans aus dem Schrank. Er entschied sich für das schlichte, dunkelblaue Hemd.

Hemden waren vorteilhaft für seine Figur. Aus T-Shirts ragten seine spindeldürren Arme raus wie zwei Spaghetti. Hemdärmel waren hingegen etwas weiter geschnitten und erzeugten so die Illusion, dass er zumindest einen Wasserkasten alleine tragen konnte. Wobei er damit sogar wirklich noch halbwegs fertig wurde. Bierkästen waren da schon schwerer. Tatsächlich hatte er schon mal überlegt, sich im Fitnessstudio anzumelden, damit er es endlich schaffen würde, einen Bierkasten ohne abzusetzen hoch in die Wohnung zu schleppen. Daraus war dann allerdings nie was geworden.

Er überlegte kurz, ob er sich noch einen Klacks Gel in die Haare schmieren sollte, verwarf diesen Gedanken jedoch schnell wieder. Er steckte vorsichtshalber etwas Geld ins Portemonnaie. Noch so eine peinliche Situation wie beim Friseur – nein danke.

Im Flur erwartete Luk ihn schon. Er sah umwerfend aus. Sein weißes Hemd lag eng an und er hatte die obersten Knöpfe geöffnet, damit sein durchtrainierter Brustkorb verführerisch zur Geltung kam. Wäre Emilian eine Frau gewesen, hätte er sich vermutlich an ihn herangemacht.

Emilian war dennoch nicht neidisch oder eifersüchtig auf Schönling Luk. Tatsächlich profitierte er sogar öfters davon, einen derart gutaussehenden Kumpel an seiner Seite zu haben. Frauen, die ihn sonst vermutlich niemals bewusst bemerkt hätten, quatschten aus purer Berechnung mit ihm; weil sie hofften, dass er ihnen Luks Nummer weitergeben könnte. Vielleicht waren einige von denen sogar wirklich an Emilian interessiert, doch ihn hatte noch keins der Mädchen umgehauen, die er auf diese Weise kennengelernt hatte.

„Könnten wir allmählich los?“, drängte Luk. Emilian nickte und sie machten sich auf zur U-Bahnstation Hermannstraße. Der Weg zur Party-Location war nicht sehr weit. Lorena wohnte direkt am Kottbusser Tor.

Emilian zwang sich, sein Scheitern als Autor einstweilen in den Hintergrund zu drängen. Er würde jetzt eine Weile einfach nur Spaß haben, trinken, flirten. Sich ablenken, eine Auszeit gönnen.

Kapitel zwei

Sie gehörten mit zu den letzten Gästen, die auf der Party eintrudelten.

„Luk, da bist du ja endlich!“ Sie wurden von einer gutaussehenden Brünetten begrüßt, die ein hautenges silbernes Glitzerkleid trug.

„Hi, Lorena! Sorry, hab mich zu Hause noch ein bisschen verquatscht. Das ist übrigens Emilian, mein Mitbewohner“, stellte Luk seinen Begleiter höflich vor. Er wirkte tatsächlich ein bisschen verlegen. So hatte Emilian den unkonventionellen Kerl noch nie erlebt. Er schien Lorena also wirklich zu mögen.

„Hey“, grüßte Emilian. Ihm fiel nichts Geistreicheres ein, was er hätte noch sagen können. Doch zum Glück schien Lorena nicht auf den Mund gefallen zu sein.

„Schön, dass ihr da seid. Drüben an der Bar gibt’s Getränke und ein paar Häppchen, falls ihr noch nichts gegessen habt. Ansonsten… habt einfach Spaß und lasst diesen Abend unvergesslich werden.“

Irgendetwas brachte Emilian dazu, bei dem Wort „unvergesslich“ spontan zusammenzuzucken. Doch er fing sich schnell wieder und riss sich zusammen.

Lorenas Wohnung war der Wahnsinn. Der Eingangsbereich allein war schon größer als Emilians Zimmer und mit schwarz-weißen Fliesen ausgelegt. Rechts ging es in die Küche, in der Lorena eine Art Bar aufgebaut hatte. Es standen Unmengen an Getränken herum. Durch die Küche gelangte man in ein riesiges Wohnzimmer. Emilian schätzte es auf locker fünfzig Quadratmeter. In der Mitte stand eine rote Ledercouch und an einer der Wände hing ein überdimensionaler Fernseher, auf dem gerade ein Fußballspiel lief. An das Wohnzimmer grenzte ein gigantischer Balkon. Einige Leute saßen dort auf Barhockern und genossen die Aussicht über das nächtliche Berlin.

„Ziemlich überdimensioniert, diese Bude, nicht wahr?“, fragte ihn plötzlich eine Stimme von hinten. Emilian wurde aus seinen Betrachtungen gerissen, erschrak und drehte sich um. Von Luk war keine Spur zu sehen. Offenbar war er so fasziniert von dieser opulenten Pracht gewesen, dass er gar nicht mitbekommen hatte, wie Luk sich davongemacht hatte.

Das Mädchen, zu dem die angenehme Stimme gehörte, grinste verschmitzt.

„Ähm, ja. Ganz schön viel Platz.“ Emilian schluckte, wurde ein wenig verlegen.

„Ich bin Lea. Allerdings musst du mir mit deinem Namen auf die Sprünge helfen, ich habe dich noch nie gesehen.“

„Emilian. Ich bin mit Luk hier, meinem Mitbewohner. Er und Lorena sind im selben Studiengang.“

„Ah, ja. Luk kenne ich. Lorena hat ja anscheinend einen Narren an ihm gefressen.“ Wieder grinste sie hintergründig. Emilian blickte peinlich berührt zur Seite. Er hasste solche Situationen. Aus dem Augenwinkel musterte er Lea genauer. Ihr kastanienbraunes Haar war zu einem frechen Bob geschnitten und sie war größer als die meisten Mädchen, sodass er ihr ohne Probleme in die Augen schauen konnte. Ihr schwarzes Kleid schmeichelte ihrer Figur, lag jedoch nicht so aufreizend eng an wie das von Lorena.

Lea musste indessen mitbekommen haben, dass er sie von oben bis unten musterte. Sag etwas, dachte er. Doch das tat sie nicht. Vielmehr hing sie an seinen Lippen.

„Und… du kennst Lorena schon lange?“ Innerlich verfluchte er sich für diese banale Frage, doch ihm war nichts anderes eingefallen.

„Ja, das könnte man wohl so sagen“, lachte Lea. Es handelte sich offensichtlich um einen Menschen, der überaus gern lachte. Ihre blauen Augen fingen dabei an zu strahlen und in ihrem rechten Mundwinkel bildete sich ein Grübchen. Endlich schien sie zu bemerken, dass Emilian den Wink mit dem Zaunpfahl nicht begriff. „Ich bin ihre Schwester“, legte sie deshalb zur Erklärung nach.

„Oh.“ Emilian starrte zu Boden. Er spürte, wie die Röte der Peinlichkeit langsam seine Wangen hinaufkroch, schließlich das gesamte Gesicht eroberte. Ihm wurde heiß.

„Du kennst hier sicher kaum jemanden, oder?“ Lea versuchte, ihn aus seiner Lage zu erlösen. Dafür war er ihr unendlich dankbar.

„Nein, wahrscheinlich nicht. Ich schließe grundsätzlich nicht so schnell Freundschaften.“ Schon wieder so ein nichtssagender Satz, für den er sich hätte verfluchen können. Was war bloß heute mit ihm los? Er hatte sich auch früher schon mit Frauen unterhalten und meistens hatte es mit der Eloquenz ganz gut geklappt. Doch heute schien der Wurm drin zu sein. Sie musste ihn für einen hirnlosen Langweiler halten.

„Für einen Einzelgänger siehst du aber eigentlich ganz nett aus. Komm, wir holen uns endlich was zu trinken. Ich bin eine verdammt schlechte Gastgeberin.“

„Wohnst du etwa auch hier?“

„Ja. Bei uns ist alles ganz klischeehaft. Unsere Eltern sind reich und haben uns diese Wohnung überlassen, solange wir studieren. Früher haben sie selbst hier drin gewohnt, doch jetzt ist es ihnen in Berlin zu hektisch geworden und sie sind weiter an den Stadtrand gezogen.“

Emilian war sichtlich beeindruckt.

„Was studierst du eigentlich?“, fragte er.

„Ehrlich gesagt, studiere ich gar nicht. Ich hatte zwar mit einem Medizinstudium angefangen, war aber zu schlecht und bin gleich am Anfang durch alle Prüfungen gerasselt. Deshalb mache ich seit Januar eine Ausbildung im Krankenhaus.“ Sie sprach laut und klang selbstbewusst, doch Emilian glaubte zu erkennen, dass sich hinter ihrer antrainierten Fassade eine tiefe Unsicherheit verbarg.

„Und du?“ Herausfordernd blickte sie ihn an. „Nein, warte. Sag es mir nicht. Ich will lieber raten.“ Lea taxierte ihn ungeniert. „BWL?“

Emilian errötete wieder und nickte.

„Sorry. Ist ja nichts Schlimmes. Du siehst nur aus wie ein typischer BWL-er. Oder Informatiker, das wäre mein nächster Tipp gewesen.“ Mittlerweile waren sie an der Bar angelangt.

„Bier? Oder lieber was Stärkeres?“

Unschlüssig starrte Emilian auf die riesige Auswahl vor seiner Nase. Er trank selten Alkohol, deshalb war es wohl besser, wenn er mit was Leichterem anfing.

„Ja, Bier wäre in Ordnung. Bitte“, fügte er hinzu. Lea schüttelte nur belustigt den Kopf und öffnete zwei Bierflaschen mit einem Feuerzeug, das anstelle eines Öffners auf dem Tisch lag. Dann hielt sie ihm eine der Flaschen hin und prostete ihm zu.

„Auf einen unvergesslichen Abend!“, deklamierte sie.

Da war es wieder, dieses Wort. Unvergesslich. Emilian konnte sich nicht zusammenreimen, was ihn daran überhaupt so sehr störte. Oder beunruhigte.

„Prost“, echote er und nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche. Er setzte gleichzeitig mit Lea ab und ihre Blicke trafen sich. Sie lächelte und schaute ihn herausfordernd an. Emilian hätte seinen Blick am liebsten abgewendet, doch er schaffte es nicht. Es war, als hätte sie ihn regelrecht fixiert.

Jemand rempelte ihn von hinten an und der magische Moment war vorbei. Er drehte sich um, doch von dem Störenfried war keine Spur mehr zu sehen.

„Lass uns auf den Balkon gehen“, sagte Lea bestimmt. Da Emilian eh niemanden kannte, überließ er ihr nur zu gern die Führung.

Die Aussicht war geradezu überwältigend.

Emilian war in Berlin aufgewachsen und hatte bislang geglaubt, dass ihn der Anblick seiner Heimatstadt, von einem Dach aus betrachtet, nicht mehr vom Sockel hauen könnte. Und doch war er wie verzaubert. Überall brannten Lichter in den Hochhäusern, die Straßenlaternen bildeten funkelnde Ketten und Autos flogen wie winzige Blitze tief unter ihm vorbei. Auf einer Straßenseite leuchteten sie weiß, auf der anderen rot. Er hätte stundenlang hier stehen und hinschauen können.

„Schön hier oben, stimmt´s?“, unterbrach Leas angenehme Stimme seine Gedanken.

„Atemberaubend. Schau nur, all die Lichter. Die ganzen Bewegungen, das pure Leben. So als stündest du mitten in der Zeit still, gefangen in einer Kapsel, während sich um dich herum quirlig alles dreht. Werden und Vergehen, all das spielt sich in einem Reigen vor unseren Augen ab.“

Überrascht sah Lea ihn an.

„Das war schön ausgedrückt, poetisch geradezu.“

Emilian war sich nicht einmal bewusst gewesen, dass er seine Empfindungen laut ausgesprochen hatte. Und irgendwie hatte er das Gefühl, dass er diesen spontanen Gefühlsausbruch keineswegs bereuen müsste. Er drehte sich zu ihr um, sah ihr in die blauen Augen.

„Erzähle mal was über dich“, forderte sie ihn auf.

„Da gibt´s nicht viel zu erzählen. Ich bin ein schrecklicher Langweiler.“

Sie schüttelte den Kopf. „Wie ein Langweiler hast du dich eben aber nicht angehört. Da steckt mehr drin.“

„Vergiss es“, winkte er bescheiden ab. „Ich weiß, die Männer heutzutage sollten cooler sein. Gefasster, unnahbarer. Ich bin nicht so gut darin, eine unsichtbare Maske zu tragen. Vielleicht sollten wir lieber wieder reingehen.“

Lea schüttelte noch energischer den Kopf.

„Komm schon, schau mich an“, befahl sie. Emilian hob gehorsam den Kopf.

„Ich mag dich. Ich weiß nicht, wieso. Vielleicht, weil du hier mit mir stehst, hoch über den Dächern Berlins, und über Zeit und Vergänglichkeit philosophierst. Vielleicht auch, weil du so unsagbar gut aussiehst. Ich möchte nicht, dass du dich jetzt vor mir verschließt, nur weil du denkst, dass ein Mann nicht so wie du sein sollte.“

Ihre Direktheit entwaffnete Emilian. Seine angespannten Schultern sackten ab. Er wusste nicht, was er darauf entgegnen sollte. Noch nie hatte ihn eine Frau ernst genommen, wenn er angefangen hatte, über das Leben zu philosophieren. Und noch nie hatte eine Frau ihn als gutaussehend bezeichnet. Unsagbar gutaussehend. War der Alkohol schuld? Hoffentlich nicht.

„Meinst du das ernst?“

„Was, das mit dem guten Aussehen oder mit dem Philosophieren?“, fragte sie scherzhaft. Bevor er darauf reagieren konnte, ergänzte sie: „Ja klar. Beides. Und nun fang mit meinen Worten an, was immer du willst.“

Emilian hatte keinen blassen Schimmer, was er wollte. Lea überwältigte ihn, so wie vorhin der Ausblick ihn überwältigt hatte. Er war verwirrt.

„Ich…“

„Hey, du brauchst dich nicht dafür zu bedanken, geschweige denn, mir ein Gegenkompliment machen. Obwohl, wenn du fändest, dass ich ebenfalls „unsagbar gut“ aussehe, hätte ich natürlich nichts dagegen, wenn du mir das offen sagen würdest.“ Sie kokettierte und versuchte, die Situation damit zu entschärfen. Doch Emilian war noch nicht bereit, sich auf dieses uralte Spiel einzulassen. Er senkte wieder den Kopf, seine Kiefernknochen arbeiteten. Dann blickte er wieder zu ihr hoch, bemerkte das schüchterne Lächeln in ihrem Gesicht, was so gar nicht zu ihren forschen Sprüchen passen wollte.

Und dann küsste er sie.

Nur vorsichtig, ganz sanft berührten seine Lippen die ihren. Lea gab ein leises Stöhnen von sich, doch sie drängte ihn zu nichts. Ein paar Sekunden verharrten sie in dieser Stellung, dann löste er sich. Verlegen blickte er zur Seite.

„Ich schätze mal, da habe ich meine Antwort“, flüsterte sie. Sie klang längst nicht mehr so selbstbewusst wie vorhin.

„Es tut mir leid“, gestand Emilian zerknirscht.

„Es tut dir leid? Aber wieso das denn?“ Konsterniert blickte Lea ihn an, forschte in seinem Gesicht nach Antworten.

„Naja… ich habe dich vorher nicht gefragt.“

Lea schüttelte ungläubig den Kopf. „Weil Du mich nicht gefragt hast? Seit wann fragt man denn vor so etwas erst lange? Also zumindest in so einer eindeutigen Situation?“

Emilian zuckte ratlos die Achseln.

Lea starrte ihn noch einen kurzen Moment fassungslos an. Dann nahm sie kurzentschlossen sein Gesicht in beide Hände und gab ihm noch einen Kuss. Dieses Mal mit mehr Feuer, mehr Leidenschaft. Als sie sich von ihm löste, strahlte Emilian.

„Nicht fragen. Machen“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Und dann ließ er sich widerstandslos in ihre Welt entführen.

Emilian blinzelte. Ein Sonnenstrahl drang durch die Jalousien in sein Zimmer und schien ihm direkt ins Gesicht. Sein Zimmer. Er war also irgendwie nach Hause gekommen… irgendwann. Er rieb sich seine verklebten Augen und sah hastig auf die Uhr.

„Scheiße“, murmelte er. Es war schon kurz vor drei Uhr nachmittags. Er hatte also nicht nur den halben Tag geschlafen, seine Schicht fing auch in einer halben Stunde an. Mist, auch das noch.

Er hievte sich aus dem Bett. Sein Kopf dröhnte und schmerzte. Schlurfend bewegte er sich in die Küche, in welcher Luk gerade am Tisch saß. Er feixte, als er Emilian erblickte, sagte aber nichts. Stattdessen nahm er ein Glas aus dem Schrank, füllte es mit Leitungswasser und legte ihm zwei Aspirin daneben.

„Mir geht´s echt beschissen“, krächzte Emilian mit rauer Stimme.

„Tja, Kumpel. Hättest wohl nicht so tief ins Glas schauen sollen. Aber was erzähl ich dir eigentlich. Bin vor einer Stunde im selben Zustand aufgestanden.“ Luk grinste ihn unverhohlen an. Offenbar hatte er sich mittlerweile schon einigermaßen erholt.

„Muss gleich zur Schicht. Sag mal, wie sind wir eigentlich nach Hause gekommen?“

„Ehrlich gesagt: das weiß ich auch nicht. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass wir draußen vor Lorenas Wohnung mit ein paar Leuten gequatscht haben. Du wärst ja eh am liebsten gleich dortgeblieben.“

Verwirrt starrte Emilian auf die Tischplatte. Seine Erinnerungen reichten gerade noch so weit, dass er sich an den Kuss mit Lea auf dem Balkon erinnerte.

„Ihr habt euch ja richtig verliebt, was?“, hakte Luk noch einmal nach. Scheinbar konnte er Gedanken lesen.

„Nee, weiß nicht. Ich kann mich echt kaum erinnern.“

„Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Ihr habt die halbe Nacht auf der Couch rumgeknutscht.“

Emilian schüttelte nachdrücklich den Kopf. Wahrscheinlich wollte er vor allem sich selbst davon überzeugen, dass das Ganze so nicht passiert war, nicht passiert sein konnte.

„Wir reden später nochmal. Muss los.“ Er nahm die beiden Tabletten und kippte das Glas Wasser hinterher.

„Alter, du stinkst wie ´ne Wodkaflasche! Der Schütt lässt dich doch in diesem Zustand niemals arbeiten!“

Herr Schütt war der Besitzer des Dublin, eines kleinen irischen Pubs, in dem Emilian arbeitete.

„Schütt kann es sich eh nicht leisten, mich auf ´nen Sonntag wegzuschicken. Das geht schon klar.“

Emilian schleppte sich ins Bad. Er schrak zurück, als er in den Spiegel blickte. Er sah schrecklich aus, noch schlimmer als sonst. Seine Augäpfel waren rot geädert und unter ihnen lagen tiefe violette Schatten. Schnell spritzte er sich einen Schwall kaltes Wasser ins Gesicht. Das musste reichen, er würde auch so schon zu spät kommen.

Kapitel drei

Als Emilian gegen zehn Uhr nach Hause kam, fühlte er sich beinahe zu Tode erschöpft. Zwar schloss das Dublin erst um elf, aber Herr Schütt hatte sein Leiden nicht mehr mit ansehen können und ihn früher heimgeschickt. Seine Kopfschmerzen waren mittlerweile zwar so gut wie verschwunden, aber die bleierne Müdigkeit schien ihn, von innen heraus, aufzufressen. Sein Handy vibrierte.

Heute Abend noch Lust, etwas zu unternehmen? LG, Lea

Lea. Emilian konnte sich an so viele Sachen nicht erinnern. Auch hatte er nicht gewusst, dass er Lea seine Handynummer gegeben hatte. Er seufzte. Er musste sich erstmal selbst darüber klar werden, wie er zu ihr stand, bevor er sich in der Lage sah, ihr wieder persönlich gegenüberzutreten.

Mir geht´s heute nicht so gut. Hatte Stress auf der Arbeit. Morgen zum Mittagessen treffen?

Es dauerte keine zwei Minuten, bis sie antwortete:

Klar. 12 Uhr, Peter Pane. Habe reserviert. Erhol dich gut :*

Emilian lächelte. An ihre forsche Art konnte er sich auf jeden Fall noch erinnern. Er hatte montags nur eine Vorlesung von acht bis zehn. Da blieb genügend Zeit, sich auf das Treffen mit Lea vorzubereiten. Sowohl seelisch als auch körperlich.

Emilian konnte nicht einschlafen. Seine Augen brannten und er war hundemüde, doch seine Gedanken kamen nicht zur Ruhe. Langsam rappelte er sich auf. Vielleicht würde heiße Milch mit Honig helfen. Er trottete zum Kühlschrank, öffnete ihn. Doch bevor er die Milchpackung in die Hand nahm, stockte seine Bewegung. Neben ihr stand eine Flasche Rotwein. Er wusste um die einschläfernde Wirkung von Alkohol, zumindest wenn man ihn nach einem anstrengenden Tag trank.

Leise nahm er ein Glas aus dem Regal. Die Flasche gehörte eigentlich Luk, doch sie stand schon seit mindestens einem halben Jahr unangetastet herum. Überhaupt mochte Luk normalerweise keinen Wein. Das konnte man unschwer daran erkennen, dass er Rotwein an einem so unpassend temperierten Ort lagerte.

Emilian grinste und schenkte sich ein. Der Tropfen schmeckte überraschend gut. Seine Gedankenflüsse beruhigten sich ein wenig. Er würde Lea bitten, mit ihm morgen noch mal von vorn zu beginnen. Der Kuss gestern Abend war schön gewesen. Auch wenn er alles Weitere vergessen hatte, das Gefühl, wie ihre Lippen zärtlich die seinen berührten, ließ ihn nicht mehr los. Er erschauerte angesichts dieser Erinnerung.

Doch war er überhaupt bereit für eine Beziehung?

Emilian hatte noch nie eine richtige Beziehung geführt. Er hatte ein paar Mädels gedatet, mit vielen geflirtet. Als er sechzehn war, hatte er zudem seine Unschuld an eine Achtzehnjährige verloren. Damals war es das wichtigste Thema in seiner Clique gewesen. Er hatte unbedingt dazugehören wollen. Doch danach war sein Liebesleben eingeschlafen, bis ihn Leas Kuss aus dem Dornröschenschlaf geholt hatte.

Das Glas war leer, er schenkte sich ein weiteres ein. Ist doch Wochenende, entschuldigte er das vor sich selbst. Außerdem musste er gegen seinen Frust antrinken, weil er so viele Absagen von den Verlagen bekommen hatte. Daran erinnerte er sich dummerweise genau. Vielleicht hätte er aufhören sollen, von einer Zukunft als Autor zu träumen. Vielleicht sollte er sich lieber darum kümmern, dass das Wunderbare mit Lea eine funktionierende Basis bekam. Vielleicht.

Oder vielleicht sollte er sich an seinen Laptop setzen und ein neues Manuskript beginnen, alles ganz von vorne. Dieser Gedanke überfiel ihn so plötzlich, dass er am liebsten laut aufgelacht hätte. Es war doch eigentlich so einfach. Neues Manuskript, neue Chance.

Emilian schnappte sich die halbleere Weinflasche und nahm sie mit aufs Zimmer. Sein Herz klopfte, als er seinen Laptop hochfuhr. Er öffnete ein neues Dokument in Word. Seine Hände zitterten vor Erregung beim Schreiben der ersten Zeilen.

Sie ist der Typ Mädchen, nach dem sich alle umdrehen. Der Typ Mädchen, der es schafft, jeden noch so verkorksten Busfahrer dazu zu überreden, es kostenlos mitzunehmen. Der Typ Mädchen, in den ich mich unsterblich verlieben musste.

Die Worte gingen ihm spielend leicht von der Hand. Er hatte bislang noch keinen Plan, worum die Geschichte sich drehen sollte, er wusste nur, dass dieses Mädchen den Ausgangspunkt bildete. Emilian nahm noch einen tiefen Schluck aus der Weinflasche. Er fühlte sich seltsam leicht, so als wäre eine große Last von ihm abgefallen.

Fenja.

Er hatte einen Namen für sie. Fenja war perfekt. Sie war die geborene Fenja.

Fenja ist groß, schlank und hat braune Locken, die ihr bis zu den Hüften reichen. Wenn sie sich bewegt, schwingen ihre Haare mit, wie ein Sommerkleid in einer frischen Brise. Ihre Gesichtszüge gleichen denen einer Elfe. Sie hat helle grüne Augen und eine Stupsnase. Neben ihrer Oberlippe kann ich einen kleinen Leberfleck in Herzform erkennen, winzig und kaum sichtbar. Ihr Hals ist zart und wird von den hohen Knochen ihrer Schlüsselbeine umrahmt. Sie sieht so zerbrechlich aus.

Emilian sah Fenja vor sich, zum Greifen nah. Es war allerdings nicht so, als ob sie nur in seinem Kopf existiert hätte. Nein, sie saß hier leibhaftig neben ihm. Er konnte sie nach Lust und Laune betrachten, jedes einzelne ihrer Merkmale beschreiben.

„Hallo Emilian.“

Der Angesprochene erschrak bis ins Mark.

„Hallo“, flüsterte er stockend.

„Ich freu mich, dass wir uns kennenlernen.“

Emilian wollte ihr antworten, etwas erwidern.

Doch sie war plötzlich verschwunden, von einer Sekunde zur anderen. Er sah sie nicht mehr.

„Fenja?“, fragte er in die Stille hinein. Er versuchte aufzustehen, doch es gelang ihm nicht. Er stolperte und fiel rücklings auf den Boden. Und dort blieb er liegen.

Als Emilian am nächsten Morgen vom Klingeln seines Handyweckers aufwachte, starrte er einige Minuten orientierungslos auf ein Stuhlbein, das direkt vor seinem Gesicht aufragte. Er lag eingeklemmt zwischen seinem Schreibtisch und dem Bett auf dem Boden. Neben ihm erkannte er die leere Rotweinflasche, aus der einige Tropfen im Teppich versickert waren und einen unansehnlichen, dunkelroten Fleck bildeten.

Er griff in seine Hosentasche und schaltete das Handy aus. Sein Laptop stand noch aufgeklappt auf dem Tisch. Er las die wenigen Zeilen, die er in der Nacht aufgeschrieben hatte, und speicherte das Dokument ab.

„Ohne Titel“, hieß es bis dato. Er machte sich keine Hoffnungen, dass daraus jemals eine richtige Geschichte werden würde. Für seinen Roman, den er erfolglos an die Verlage geschickt hatte, hatte er ewig gebraucht. Und offenbar war er eh nicht talentiert genug.

Die Zweifel, die der Rotwein gestern kurzfristig in ihm ausgelöscht hatte, waren mit voller Wucht wieder da. Wie unnachgiebige kleine Teufelchen saßen sie auf seiner Schulter und flüsterten ihm beleidigende Geschichten vom Scheitern ins Ohr.

Das Duschwasser rauschte infernalisch laut in seinen Ohren. Emilian hatte schon wieder rasende Kopfschmerzen und stellte den Hahn auf kalt. Mühsam unterdrückte er einen Schreckensschrei, als ihn plötzlich eisige Kälte umfing. Mit krebsroter Haut stieg er auf ein Handtuch, das er als behelfsmäßigen Ersatz für eine Duschmatte hingelegt hatte. Nachlässig trocknete er sich ab und zog seine Unterhose an. Jemand klopfte.

„Hey, wirst du auch mal irgendwann fertig?“

Emilian rollte genervt mit den Augen. Luk war nämlich sonst Derjenige, welcher ständig das Bad belegte. Da er mittlerweile so gut wie fertig war, schnappte er sich sein nasses Handtuch und räumte das Badezimmer für seinen Mitbewohner.

„Musst du auch zur Vorlesung?“, fragte er ihn im Vorbeigehen.

„Eigentlich schon – falls du mich endlich mal duschen lässt.“ Luk drängte sich durch die Tür und knallte sie hinter sich zu. Emilian hasste frühes Aufstehen, aber Luk war bei weitem noch ein schlimmerer Morgenmuffel.

Die Vorlesung geriet öde und einschläfernd. Emilian konnte ohnehin nur mit Mühe die Augen offenhalten und dann hatten sie heute auch noch bei Herrn Gundram. Herr Gundram war vergleichsweise jung, gerade erst dreißig, schätzte Emilian. Seine Stimme war so dünn wie er selbst und wenn er sprach, schwitzte er. Das grelle Licht der Neonleuchten offenbarte unbarmherzig rote Flecken an seinem Hals. Eigentlich tat er Emilian leid. Es musste grässlich sein, als neuer Dozent ohne jeglichen Charme hierher an die Uni zu kommen.

Sein Handy blinkte. Verstohlen warf er einen Blick drauf. Lea.

Ist dir auch so langweilig?

Emilian musste grinsen. Gedankenübertragung.

Mir schon. Aber müsstest du nicht eigentlich Spritzen verteilen? ;)

Prompt kam eine Antwort:

Ich hab doch Spätschicht. Fange erst um 14 Uhr an.

Unwillkürlich stellte Emilian sich vor, was sie wohl im Augenblick machte. Vermutlich lag sie auf der Couch und im Fernsehen lief nichts Besonderes. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie irgendwelche Hobbys erwähnt hätte.

Lies doch ein schönes Buch.

Quatsch, dann schlaf ich ja sofort ein. Naja, ich mach mich mal fertig. Bis gleich!