Komplexe Traumafolgestörungen, 2. Auflage -  - E-Book

Komplexe Traumafolgestörungen, 2. Auflage E-Book

0,0
87,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Standardwerk zum Thema Traumafolgestörungen Umfassend: Diagnostik und Therapie des breiten Spektrums an Traumafolgestörungen Neu in der 2. Auflage: Durchgängige Aktualisierung auf ICD-11, neue Beiträge zu sexuellem Missbrauch im kirchlichen Kontext, zu Sozialrechtlichen Bedingungen der Opferhilfe und aus Perspektive von Betroffenen Erfahrungen von schwerer Gewalt und Vernachlässigung vor allem in Kindheit und Jugend können zu einer Vielzahl psychischer und psychosomatischer Symptome führen. Typische Folgen sind Probleme mit der Affektregulation, der Selbstakzeptanz, Scham- und Schuldgefühle sowie Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich. Nicht selten leiden Betroffene auch unter körperlichen Beschwerden ohne hinreichende organische Ursache. Auch Angststörungen, dissoziativen Störungen oder Suchterkrankungen gehören zu diesem breiten Spektrum der Beschwerden, die sich unter dem Begriff der komplexen Traumafolgestörungen zusammenfassen lassen. Die Vielzahl an gleichzeitig vorliegenden Symptomen und die hohe Beeinträchtigung der Patienten stellen eine Herausforderung für Diagnostik und Therapie dar. Dieses Standardwerk bietet eine umfassende und praxisorientierte Übersicht über die gesamte Bandbreite der Folgen schwerer und langdauernder Traumatisierungen und deren Behandlung. PsychotherapeutInnen, PsychiaterInnen und TraumatherapeutInnen erhalten somit ein wertvolles Instrument an die Hand, um komplexe Traumafolgestörungen sicher zu diagnostizieren und erfolgreich zu behandeln. In der zweiten aktualisierten Auflage wurden die Beiträge überarbeitet und auf den aktuellen Stand der Forschung aktualisiert sowie an die neue Diagnoseklassifikation WHO (ICD-11), angepasst, die jetzt auch die Diagnose Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung als eigenständige Diagnose einschließt. Das umfangreiche Standardwerk wurde um Beiträge zu Bedingungen und Folgen von sexuellem Missbrauch im kirchlichen Kontext sowie zu sozialrechtlichen Bedingungen der Opferhilfe und einem Beitrag aus Perspektive von Betroffenen ergänzt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 1487

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Martin Sack | Ulrich Sachsse | Julia Schellong

Komplexe Traumafolgestörungen

Diagnostik und Behandlung von Folgen schwerer Gewalt und Vernachlässigung

2., aktualisierte und ergänzte Neuauflage

Unter Mitarbeit von

Barbara Abdallah-Steinkopff

Maria Belz

Melanie Büttner

Anne Dyer

Ruth Ebbinghaus

Lisa Fahrig

Claudia Fliß

Maria Monica Fuhrmann

Silke Birgitta Gahleitner

Stella Guldner

Thomas Hensel

Saskia Heyden

Eva Irle

Archontula Karameros

David Kindermann

Matthias Knefel

Leonhard Kratzer

Ilka Kraugmann

Claudia Lange

Christel Lüdecke

Helga Mattheß

Britta Menne

Gregor Mennicken

Jenny Mika

Christoph Nikendei

Bettina Overkamp

Ibrahim Özkan

Katharina Parisius

Günter Reich

Anja-Maria Reichel

Helmut Rießbeck

Kerstin Rießbeck

Ingo Schäfer

Rahel Schüepp

Alex Stern

Sybille Teunißen

Wibke Voigt

Godehard Weniger

Hjoerdis E. Wirth

Gustav Wirtz

Karen Wise

Florian Ziegler

Impressum

Besonderer Hinweis:

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten bitte im allgemeinen Interesse dem Verlag mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe

Schattauer

www.schattauer.de

© 2022 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Jutta Herden, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung von Adobe Stock/Анатолий Еремин

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio GmbH, Krugzell

Gedruckt und gebunden von Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

ISBN 978-3-608-40141-7

E-Book ISBN 978-3-608-11885-8

PDF-E-Book ISBN 978-3-608-20571-8

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Anschriften

Herausgeberin und Herausgeber

Autorinnen und Autoren

Einleitung zur 2. Auflage 2022

Literatur

Einleitung zur 1. Auflage 2013

Literatur

I

 Diagnostik

1  Neurobiologie komplexer Traumafolgestörungen

1.1 Einleitung

1.2 Posttraumatische Belastungsstörung

Hippocampus

Amygdala und andere Hirnregionen

Veränderungen neuronaler Aktivitätsmuster

Traumabezogene Symptom-Module und deren Einfluss auf das Gehirn

1.3 Dissoziative Störungen

Amygdala und Hippocampus

Neuronale Korrelate dissoziativer Reaktionen

1.4 Borderline-Persönlichkeitsstörung

Hippocampus

Amygdala

Veränderungen neuronaler Aktivitätsmuster

Parietale Kortizes

1.5 Depression

1.6 Bindungs- und Beziehungstraumatisierung

Literatur

2  Grundlagen der Diagnostik

2.1 Einleitung

2.2 Wichtige diagnostische Bereiche

2.3 Erheben der Traumaanamnese

2.4 Rahmenbedingungen der Diagnostik

2.5 Anforderungen an den Diagnostiker

2.6 Durchführung der Diagnostik

Literatur

3  Diagnostische Klassifikation von Traumafolgestörungen

3.1 Problemfeld der Klassifizierung der komplexen Traumafolgestörungen

Stressbezogene Erkrankungen in der Klassifikationseinordnung

3.2 Komplexe Traumafolgestörung nach ICD-11

3.3 Vorhergehende Einordnungsversuche des Phänomens komplexe Traumafolgestörungen

Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung ICD-10 F62

Typ I und Typ II Traumatisierung

Anführen mehrerer Diagnosen aus ICD-10

Borderline-Persönlichkeitsstörung »plus« PTBS

Entwicklungsstörung im Erwachsenenalter

Subtypisierung der PTBS nach Persönlichkeitsstörung mit Internalisierungs-/Externalisierungsmodell

Disorders of Extreme Stress Not Otherwise Specified

DESNOS nach DSM-IV

Komplexe dissoziative Störung (dissoziative Störung mit Fragmentierungssymptomen)

3.4 Unser Vorschlag zu einer erweiterten Klassifikation von Traumafolgestörungen und klinische Implikationen

Grad I – Klassische Traumafolgestörung ohne Komorbidität mit einer anderen psychischen Erkrankung

Grad II – Traumafolgestörung (incl. partielle) »plus« traumakompensatorischer Symptomatik

Grad III – Traumafolgestörung »plus« persönlichkeitsprägende Symptomatik

Grad IV – Traumafolgestörung »plus« komplexer dissoziativer Symptomatik

3.5 Zusammenfassung

Literatur

4  Befund und Diagnosestellung

4.1 Einleitung

4.2 Anamnese und Verhaltensbeobachtung

Körperlicher Befund

Psychischer Befund

Verhaltensanalyse (maladaptive Schemata)

Beziehungsebene (Übertragung und Gegenübertragung)

4.3 Abfassung von Befunden bzw. Attesten

Schweigepflicht und Weitergabe der Befunde an Dritte

Diagnostische Einordnung der Befunde

Benennung der Ursachen für die stationäre Aufnahme und ambulante Behandlung

Literatur

5  Instrumente zur strukturierten Diagnostik

5.1 Traumafolgestörung Grad I (»klassische« Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS))

Screening-Instrumente

5.1.2 Strukturierte und standardisierte Interviews

5.2 Traumafolgestörung Grad II (PTBS oder partielle PTBS »plus« traumakompensatorische Symptomatik)

Screening-Instrumente

Strukturierte und standardisierte Interviews

5.3 Traumafolgestörung Grad III (PTBS oder partielle PTBS »plus« persönlichkeitsprägende Symptomatik)

Screening-Instrumente/Selbstbeurteilungs-Instrumente

Strukturierte und standardisierte Interviews

5.4 Traumafolgestörung Grad IV (PTBS oder partielle PTBS »plus« komplexe dissoziative Symptomatik – meist KPTBS)

Screening-Instrumente

Strukturierte und standardisierte Interviews

5.5 Instrumente zur Erfassung von Traumatisierungen in Kindheit und Jugend

Childhood Trauma Questionnaire (CTQ)

Traumatic Experiences Questionnaire (TEC)

Adverse Childhood Experiences (ACE)

5.6 Instrumente zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung

5.7 Instrumente zu Symptom aufrechterhaltenden Bedingungen und sekundären Folgen im Sinne von Funktionsbeeinträchtigungen oder Beeinträchtigungen der Lebensqualität

Inventar zur Erfassung Interpersonaler Probleme – deutsche Version (IIP-D)

World Health Organization Quality of Life (WHOQOL)

Global Assessment of Functioning (GAF)

Fragebogen zum Gesundheitszustand (SF-36)

5.8 Instrumente zur Ressourcendiagnostik

Bochumer Ressourcenfragebogen (RESO-B)

Berner Ressourceninventar zur Erfassung von Patientenressourcen aus der Fremdbeurteilungsperspektive (REF)

5.9 Instrumente zur Überprüfung des therapeutischen Prozesses

Berner Stundenbogen

Veränderungsfragebogen des Erlebens und Verhaltens (VEV)

Literatur

6  Differenzialdiagnostik und Komorbidität komplexer Traumafolgestörungen

6.1 Einleitung

6.2 Was sind Traumafolgestörungen?

6.3 Diagnostik der spezifischen Traumafolgestörungen

Posttraumatische Belastungsstörung (ICD-11: 6B40)

Komplexe posttraumatische Belastungsstörung (ICD-11: 6B41)

Komorbidität aus Perspektive psychopathologischer Symptomnetzwerke

Literatur

7  Gutachterliche Diagnostik

7.1 Probleme in der aktuellen Begutachtungspraxis komplex Traumatisierter

7.2 Diagnostische Probleme in der Begutachtung komplexer Traumafolgestörungen

Beurteilung des Eingangskriteriums nach den Klassifikationssystemen (ICD, DSM)

Beurteilung des Verlaufes der Traumafolgestörungen, Latenzzeiten

Probleme mit der Abgrenzung von Vorschäden

Probleme mit der Einordnung komplexer Traumafolgestörungen in ICD und DSM

Zusammenfassung der diagnostischen Probleme in der aktuellen Begutachtungspraxis komplex Traumatisierter

7.3 Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben und Prüfung der Glaubwürdigkeit der Person

7.4 Voraussetzungen für die Begutachtung komplex Traumatisierter

Äußere Rahmenbedingungen, spezielle Kenntnisse und fachliche Qualifikation des Gutachters

Durchführung der Begutachtung

Angemessene Honorierung der Gutachter

Literatur

Weiterführende Literatur

8  Kultursensibles Vorgehen in der Diagnostik

8.1 Einleitung

8.2 Besondere Anforderungen bei Menschen mit Migrationsgeschichte

8.3 Psychometrische Verfahren

8.4 Fazit

Literatur

II

 Therapie

9  Rahmenbedingungen, Therapiesetting und Vernetzung

9.1 Einleitung

9.2 Rahmenbedingungen und Qualitätsstandards für die Behandlung

Empfehlungen

9.3 Therapiesetting

Behandlungsangebote und Behandlungsbedürfnisse

Traumafokussierte Psychotherapie als Krankenkassenleistung

Psychotherapeutenverfahren der Unfallversicherungsträger/Berufsgenossenschaften

Psychosomatische und Psychiatrische Institutsambulanzen (PsIA und PIA)

Qualitätssicherung und Risikomanagement

Fonds sexueller Missbrauch

9.4 Komplexe Traumafolgestörungen im Versorgungsnetzwerk

Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Vernetzung

Fallführende Behandlung (Case-Management)

9.5 Fazit

Literatur

10  Zur Finanzierung Trauma zentrierter Psychotherapie für Patient:innen mit KPTBS

10.1 Einleitung

10.2 Ambulante Psychotherapie

(Intervall-)Therapie im Rahmen der Richtlinien-Psychotherapie

Kombination von Einzel- und Gruppentherapie

Einzelfallabsprachen mit den Krankenkassen

Soziales Entschädigungsrecht (SER) und Traumaambulanzen

Selbstzahlung

10.3 Stationäre Psychotherapie

Krisenintervention

Die Förderung selbststeuernder und selbstfürsorglicher Fähigkeiten von komplex traumatisierten Patient:innen auf Spezialstationen

Traumasynthese und Traumaintegration im stationären Rahmen

10.4 Teilstationäre Behandlung

10.5 Kostenübernahme für stationäre und teilstationäre Therapie

Literatur

11  Behandlungsvorbereitung

11.1 Aufklärung über Diagnose, Implikation und Prognose

Diagnosestellung nach innen

Diagnosestellung nach außen

Sozialmedizinische Implikationen

Prognose

11.2 Motivation und Behandlungsauftrag klären

Veränderungsmotivation

Rentenbegehren

Gerichtlich angeordnete Therapie (Therapieauflage)

Motivation wecken

Bereitschaft zur Selbstfürsorge

Fähigkeit zur Mentalisierung

11.3 Therapieplan erstellen

Vereinbarung von Therapiezielen

Differenzierte Zielformulierung

Transparenz von Therapiemethoden, Setting und Dauer

Aufklärung über potenziell unerwünschte Wirkungen in der Therapie

Konkretes Behandlungsangebot

Problem der Verschränkung von Diagnostik und Therapie

11.4 Differenzialindikationen

Komplexes Störungsbild, keine dissoziative Störung, Ressourcen ausreichend

Komplexes Störungsbild, keine dissoziative Störung, Ressourcen nicht ausreichend

Komplexes Störungsbild, dissoziative Störung, Ressourcen ausreichend

Komplexes Störungsbild, dissoziative Störung, Ressourcen nicht ausreichend

11.5 Arbeitsbündnis

Beziehungsproblematik Patient–Therapeut (Probleme im Außen)

Gefährdung der Arbeitsbeziehung Patient–Therapeut

11.6 Therapievertrag

Notfall

Regeln und Grenzen

Wartezeit

Literatur

12  Grundstrategien in der psychotherapeutischen Behandlung

12.1 Einleitung

Berücksichtigung der Grundbedürfnisse

Beachtung des Gegenwartbezugs

Mobilisierung von Ressourcen

12.2 Berücksichtigung spezifischer Aspekte in der therapeutischen Beziehungsgestaltung

Sicherheit und Kontrolle

Containment

Unterstützung und Strukturierung

Transparenz und Nachvollziehbarkeit

Vertrauen und Offenheit

Akzeptanz und Wertschätzung

Selbstfürsorge

Therapievereinbarungen

Störungswissen

Flexibilität und Timing

12.3 Ressourcenaktivierung und Aufbau von Kompetenzen

Entwicklung, Differenzierung und Förderung von Ressourcen

Psychoedukation

Sicherheitsnetz

Alltagsfunktionalität

Selbstfürsorge und ihre Bedeutung in der Therapie

Emotionale Regulation

Umgang mit Dissoziation – Distanzierungsmöglichkeiten

Reduktion selbstschädigender Verhaltensweisen

Förderung der Fähigkeit zur Mentalisierung

12.4 Bearbeiten der spezifischen Traumafolgesymptomatik

Förderung des Gegenwartsbezugs

Bearbeitung dysfunktionaler Kognitionen, Fehleinstellungen sowie emotionaler Verarbeitungsvorgänge

Narrativarbeit

12.5 Integration und Rehabilitation

Trauer- und Gefühlsarbeit

Anerkennung und Akzeptanz des Geschehenen

Äußere Faktoren und gesellschaftliche Anerkennung

Aktivierung psychosozialer Ressourcen

Entwickeln einer Zukunftsperspektive

Umgang mit Restproblematiken

Wertearbeit

Posttraumatic Growth

Reifungserfahrungen und Resilienz

Überschaubarkeit, Handhabbarkeit und Sinnorientierung

Gruppentherapie in der Abschlussphase der Behandlung

12.6 Differenzierung der Therapiebedürfnisse nach Art und Schwere der erfahrenen Traumatisierungen

Schwere Vernachlässigung in der Kindheit

Sexuelle Gewalterfahrungen

Körperliche Gewalt in der Kindheit

Kinder psychisch kranker Eltern

Bindungserfahrungen

12.7 Zusammenfassung

Literatur

13  Therapiemethoden und Behandlungstechniken

13.1 Einleitung

13.2 Vorrangig konfrontative Methoden zur Behandlung von Traumafolgesymptomen

13.3 Psychodynamische und imaginative Methoden

Psychodynamische Traumatherapie

Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT)

Katathym Imaginative Psychotraumatherapie (KIPT)

13.4 Narrative Methoden

Imagery Rescripting and Reprocessing Therapy (IRRT)

Imagery Rehearsal Therapy (IRT)

Narrative Expositionstherapie (NET)

Testimony Therapy (TT)

Life Review Therapy (LRT)

13.5 Hypnotherapeutische Methoden

Hypnotherapeutische Techniken zur Konfrontation in sensu

Ego-State-Therapie

Behandlung nach dem Modell der Strukturellen Dissoziation

Trauma Recapitulation with Imagination, Motion and Breath (TRIMB)

13.6 Techniken zur Ressourcenaktivierung und Stabilisierung

Training von Fertigkeiten

Imaginationsübungen

Achtsamkeitsbasierte Stabilisierungsübungen

Tiergestützte Psychotherapie

13.7 Kombinationen verschiedener Methoden

Brief Eclectic Psychotherapy (BEP)

Integration gestalttherapeutischer und traumatherapeutischer Therapieansätze

Emotionsfokussierte Traumatherapie (EFT)

Integrative Systemaufstellungen (ISA) in der Traumatherapie

Techniken Ressourcenfokussierter und Symbolhafter Traumabearbeitung (TRUST) mit Conflict Imagination and Bilateral Stimulation (CIPBS)

Körper-, Ressourcen- und Systemorientierte Traumatherapie (KReST)

Traumaspezifisch adaptierte körperpsychotherapeutische Methoden

Traumaadaptiertes Yoga

Somatic Experiencing

Hakomi

Konzentrative Bewegungstherapie (KBT)

Pesso-Therapie

Andere körpertherapeutische Methoden

Entspannungsverfahren

13.8 Traumaadaptierte Behandlungskonzepte in Kunsttherapie, Tanztherapie und Musiktherapie

13.9 Potenziell problematische Behandlungsmethoden

Energetisch mobilisierende Methoden

Erlebnisaktivierende Methoden, verbunden mit intensiver körperlicher Berührung

In besonderem Maße regressionsfördernde Techniken

13.10 Ausblick

Literatur

14  Was ist nachteilig für die Behandlung und sollte vermieden werden?

Weiterführende Literatur

15  Pharmakologische Behandlungsansätze bei komplexen Traumafolgestörungen

Literatur

16  Evidenzbasierte Standards der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit komplexen Traumafolgestörungen

16.1 Einleitung

16.2 Traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie

Empfehlungen der einzelnen Richtlinien und deren Begründung

Wirksamkeit bei komplex traumatisierten Kindern

16.3 Eye Movement Desensitization and Reprocessing

Empfehlungen der einzelnen Richtlinien und deren Begründung

Wirksamkeit bei komplex traumatisierten Kindern

16.4 Psychodynamische Verfahren

Wirksamkeit bei komplex traumatisierten Kindern

16.5 Schulbasierte Behandlungen für Kinder und Jugendliche

16.6 Sonstige Verfahren

16.7 Zusammenfassende Bemerkungen zu den vorgestellten Richtlinien

Literatur

17  Psychotherapie komplexer Traumafolgestörungen bei Kindern und Jugendlichen

17.1 Einleitung

17.2 Komplexe Traumafolgestörung im Kindes- und Jugendalter – Die Theorie

Die Erfahrungsgrundlage

Die Phänomenologie

Die Funktionalität der Symptomatik

Die Diagnostik

Die therapeutischen Ansätze

17.3 Die klinische Praxis

Die Psychotherapie mit dem Kind bzw. Jugendlichen

Bezugspersonenarbeit

17.4 Zusammenfassung

Literatur

18  Komplexe Traumafolgestörungen bei älteren Patientinnen und Patienten

18.1 Einleitung

18.2 Formen der Traumatisierung

Chronische Traumastörungen

Aktuelle bzw. chronische Traumafolgen

Verzögert auftretende Folgestörungen

18.3 Alt gewordene Überlebende des Holocaust

Transgenerationale Traumaweitergabe und transgenerationale Traumatisierung

18.4 Traumatisierende Folgen von Verfolgungsbedingungen in der ehemaligen DDR

18.5 Sexualisierte Gewalt in der Lebensgeschichte alter Frauen

18.6 Therapiebesonderheiten

18.7 Das »Problem der Übertragung« in der Behandlung alter Menschen

Literatur

19  Patientinnen und Patienten mit Behinderungen

19.1 Einleitung

19.2 Diagnostik bei Menschen mit Behinderungen und Komplextrauma

19.3 Körperbehinderungen

19.4 Sinnesbehinderungen

19.5 Intelligenzminderung

19.6 Mehrfachbehinderungen

19.7 Fazit

Literatur

20  Behandlung von Opfern organisierter Gewalt

Literatur

21  Psychotherapie bei noch bestehendem Täterkontakt

Literatur

22  Behandlung von Tätern mit komplexen Traumafolgestörungen

22.1 Täterverhalten als Folge komplexer Traumatisierungen

22.2 Komplex traumatisierte Straftäter

22.3 Behandlungsziele

22.4 Behandlungsmethoden

Traumatherapie

Kognitive Verhaltenstherapie

Psychodynamisch orientierte Therapien

Schematherapie

Gruppensetting

22.5 Besonderheiten bei der therapeutischen Arbeit mit komplex traumatisierten Tätern

Literatur

23  Komplexe Traumafolgestörungen und Borderline-Persönlichkeitsstörung

23.1 Einleitung

23.2 Borderline-Persönlichkeitsstörung und komplexe Traumafolgestörungen

23.3 Studienlage zur Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörung und Posttraumatischer Belastungsstörung

23.4 Therapieverfahren

Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)

Skills-Training zur affektiven und interpersonellen Regulation (STAIR) und Narrative Therapie (NT)

Cognitive Processing Therapy (CPT)

Psychodynamische Ansätze

Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)

Psychotherapie von Borderline-Persönlichkeitsstörung und Traumastörungen im Rahmen der Behandlung struktureller Dissoziation

23.5 Ausblick

Literatur

24  Dissoziative Störungen

24.1 Was ist eigentlich Dissoziation?

24.2 Dissoziation in der Diagnoseklassifikation ICD-11

24.3 Dissoziation bei akuter Belastungsstörung und »einfacher Posttraumatischer Belastungsstörung«

24.4 Prävalenz dissoziativer Störungen

24.5 Diagnostische Instrumente für dissoziative Symptome und Störungen

24.6 Phänomenologie dissoziativer Symptome und Differentialdiagnostik

24.7 Ätiologie, Pathogenese und Dissoziationsmodelle

24.8 Konsensusdefinition der International Society for the Study of Trauma and Dissociation

24.9 Behandlung dissoziativer Störungen

Literatur

25  Psychotherapeutische Behandlung traumatisierter geflüchteter Menschen

25.1 Einleitung

Überlegungen zur Diagnostik

25.2 Therapeutisches Vorgehen

Flüchtlingsspezifische Themen in der Traumatherapie

Kontextsensibilität als wichtige Kompetenz

Therapie in der Triade – Zusammenarbeit mit Dolmetscher:innen

Literatur

26  Traumafolgestörungen und psychosoziale Versorgung bei Geflüchteten in der frühen postmigratorischen Phase

26.1 Einführung

26.2 Prävalenzen psychischer Erkrankungen bei Geflüchteten

26.3 Komplexe posttraumatische Belastungsstörung bei Geflüchteten

26.4 Psychosoziale Maßnahmen in der frühen postmigratorischen Phase

26.5 Zugang zu Gesundheitsleistungen für Geflüchtete in Deutschland

26.6 Fazit und Ausblick

Literatur

27  Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Suchtproblemen

27.1 Einleitung

27.2 Zusammenhänge zwischen Traumatisierung und Sucht

27.3 Diagnostik und Behandlungsplanung

Die therapeutische Beziehung zwischen Akzeptanz und Veränderung

Anamneseerhebung

Behandlungsplanung

27.4 Stabilisierende Interventionen bei komplex Traumatisierten mit Suchtproblemen

Dialektisch-Behaviorale Therapie für Patientinnen und Patienten mit Suchterkrankungen (DBT-Sucht)

»Sicherheit finden«

Imagination

Umgang mit dissoziativen Zuständen

27.5 Traumasynthese

27.6 Zusammenfassung

Literatur

28  Essstörungen und komplexe Traumafolgestörungen

28.1 Einleitung

»Food addiction« und Traumatisierung

28.2 Traumatisierungen bei Essstörungen

Vermittelnde Faktoren zwischen Traumatisierungen und Essstörungen

Traumatisierungen bei Anorexie

Traumatisierungen bei Bulimie

Traumatisierungen bei Adipositas

Traumatisierungen bei Binge-Eating-Störung

28.3 Fazit

Literatur

29  Körperbeschwerden als Folge psychischer Traumatisierungen

Literatur

30  Sexualität in der Traumatherapie

30.1 Welche sexuellen Störungen und Probleme sind bei traumatisierten Menschen besonders häufig?

Posttraumatische Belastungsstörung

Dissoziation

Schmerzen beim Sex

Fehlende sexuelle Selbstfürsorge

Sexuelle Funktionsstörungen

Störung mit zwanghaftem Sexualverhalten (früher Hypersexualität, »Sexsucht«)

Probleme bezüglich der sexuellen Orientierung und des Geschlechtserlebens

Sexualdelinquenz

Sexuelle Probleme bei psychischen Erkrankungen

30.2 Soziokulturelle Einflüsse, um die man wissen sollte

30.3 Traumasensibel über Sexualität sprechen

30.4 Wie kann eine Therapie für Betroffene aussehen?

Personen ohne PTBS und Dissoziation

Personen mit PTBS und Dissoziation

30.5 Fazit

Literatur

31  Behandlung von Patientinnen und Patienten mit komplexen Traumafolgestörungen und psychotischen Erkrankungen

31.1 Einleitung

31.2 Diagnostik und Indikationsstellung

31.3 Psychotherapie

31.4 Pharmakotherapie

Literatur

32  Traumasensible psychiatrische Pflege

32.1 Einleitung

32.2 Das Pflegekonzept

32.3 Orientierungsphase

Beziehung

Sicherheit

Eindeutigkeit

32.4 Säulen traumasensibler psychiatrischer Pflege

Ruhe und Gelassenheit entwickeln

Imaginative Methoden

32.5 Traumabearbeitung/-verarbeitung

Literatur

33  Methodenintegration: Versuch einer Systematisierung für die KPTBS

33.1 Ausgangssituation

33.2 Welche Faktoren bestimmen die Methodenvielfalt?

33.3 Einzelne Schritte auf dem Weg zu »konzeptbasierter Methodenintegration«

Prozessmodell Methodenintegration von Küchenhoff

33.4 Positive Wirkungen konzeptbasierter Methodenintegration

33.5 Therapeutische Identität: Schlussfolgerungen und Ausblick

Literatur

III

 Gesellschaft

34  Genderaspekte in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit komplexen Traumafolgestörungen

34.1 Einleitung

34.2 Gender Matters

34.3 Männliche und weibliche Wege der Traumaverarbeitung

Geschlechtsrollenextremisierung

Geschlechtsrollenüberschreitung

34.4 Gendersensible Diagnostik und Therapie

Diagnostik

Therapie

Literatur

35  Behandlung der Folgen von Gewalt und sexuellem Missbrauch in Institutionen

35.1 Einleitung

35.2 Besondere Bedingungen eines Heimaufenthaltes in der BRD von 1950–1970

35.3 Besondere Bedingungen eines Heimaufenthaltes in der DDR von 1950–1990

35.4 Potenziell schädigende Bedingungen im Rahmen institutioneller Erziehung

35.5 Sexueller Missbrauch in Institutionen und in Abhängigkeitsverhältnissen

35.6 Schädigungsfolgen

35.7 Bedarf an Hilfen und an psychotherapeutischer Behandlung

Staatliche und kirchliche Hilfsangebote

Literatur

36  Behandlung im System: Eine kritische Perspektive auf Normierungspraktiken der Versorgung Gewalterfahrener

36.1 Einleitung

36.2 Normierung und Fremdbestimmtheit bei Gewalterfahrung und Gewaltbetroffenheit

Normierung und Fremdbestimmtheit im Gesundheitssystem

36.3 Die Gemeinsamkeit der Erfahrungen

36.4 Handlungsspielräume

36.5 Fazit

Literatur

37  Das Schweigedilemma – Sexueller Missbrauch im Kontext der katholischen Kirche

37.1 Einleitung

37.2 Wozu schweigen?

37.3 Sexualisierte Gewalt durch Kleriker

37.4 Kirchenrecht

37.5 Strafrecht

37.6 Betroffenheit macht sprachlos

37.7 Therapie begleitet Aufarbeitung

37.8 Ausblick

Literatur

38  Das Soziale Entschädigungsrecht

38.1 Einführung

38.2 Berechtigte

38.3 Leistungsvoraussetzungen

38.4 Leistungen, insbesondere Schnelle Hilfen

38.5 Die Traumaambulanz

38.6 Ausblick

Literatur

Sachverzeichnis

Anschriften

Herausgeberin und Herausgeber

Prof. Dr. med. Martin Sack

Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Klinikum rechts der Isar der TU München

Langerstraße 3

81675 München

[email protected]

Prof. Dr. med. Ulrich Sachsse

Asklepios Fachklinikum Göttingen

Rosdorfer Weg 70

37081 Göttingen

[email protected]

Dr. med. Julia Schellong

Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden an der TU Dresden

Fetscherstraße 74

01307 Dresden

[email protected]

Autorinnen und Autoren

Dipl.-Psych. Barbara Abdallah-Steinkopff

REFUGIO München

Rosenheimer Straße 38

81669 München

[email protected]

Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Maria Belz

Kurze Straße 13A

37073 Göttingen

[email protected]

Dr. med. Melanie Büttner

Praxis für Sexual-, Psycho- und Traumatherapie

Clemensstraße 32

80803 München

www.melanie-buettner.de

[email protected]

Prof. Dr. rer. medic. Dipl.-Psych. Anne Dyer

Zentralinstitut für Seelische Gesundheit

J 5

68159 Mannheim

[email protected]

Ruth Ebbinghaus

Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie

Kaiserstraße 8

97070 Würzburg

[email protected]

Lisa Fahrig

c/o Geschäftsstelle des Betroffenenrats

Büro der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs

Glinkastraße 24

10117 Berlin

Dipl.-Psych. Claudia Fliß

Kirchhuchtinger Landstraße 172

28259 Bremen

[email protected]

Maria Monica Fuhrmann

[email protected]

Prof. Dr. phil. Silke Birgitta Gahleitner

Professur für Klinische Psychologie und Sozialarbeit

Arbeitsbereich Psychosoziale Diagnostik und Intervention

Alice Salomon Hochschule Berlin

Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Alice-Salomon-Platz 5

12627 Berlin

[email protected]

Dr. rer. soc. Stella Guldner

Zentralinstitut für Seelische Gesundheit

J 5

68159 Mannheim

[email protected]

Dipl.-Psych. Thomas Hensel

Kinder Trauma Institut

Augustastraße 1

77654 Offenburg

[email protected]

Dipl.-Psych. Saskia Heyden

Psychologische Psychotherapeutin

Grimmstraße 1

80336 München

www.saskiaheyden.de

[email protected]

Prof. Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Eva Irle

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Schwerpunkt Psychopathologie und Neuropsychologie

Universitätsmedizin Göttingen

Von-Siebold-Straße 5

37075 Göttingen

[email protected]

Dipl.-Psych. Archontula Karameros

Praxis für Psychotraumatologie und Supervision

Fasanenstraße 48

10719 Berlin

[email protected]

Dr. med. David Kindermann

Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik

Thibautstrasse 4

69115 Heidelberg

[email protected]

Mag. phil. Dr. phil. Matthias Knefel, MSc

c/o Arbeitsgruppe Psychotraumatologie, Fakultät für Psychologie, Universität Wien

Wächtergasse 1

1010 Wien

[email protected]

Mag. rer. nat. Dr. rer. biol. hum. Leonhard Kratzer

c/o Klinik für Psychotraumatologie

Klinik St. Irmingard

Osternacher Straße 103

83209 Prien am Chiemsee

[email protected]

Ilka Kraugmann

c/o Geschäftsstelle des Betroffenenrats

Büro der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs

Glinkastraße 24

10117 Berlin

Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Claudia Lange

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Schwerpunkt Psychopathologie und Neuropsychologie

Universitätsmedizin Göttingen

Von-Siebold-Straße 5

37075 Göttingen

[email protected]

Christel Lüdecke

Asklepios Fachklinikum Göttingen

Rosdorfer Weg 70N

37081 Göttingen

[email protected]

Dr. med. Dipl.-Phys. Helga Mattheß

Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Psychotraumatology Institute Europe (PIE)

Großenbaumer Allee 35a

47269 Duisburg

[email protected]

Dr. med. Britta Menne

Rehaklinik Glotterbad

Zentrum für ambulante psychosomatische Rehabilitation (ZAPR)

Gehrenstraße 10

79286 Glottertal

[email protected]

Dr. med. Gregor Mennicken

Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Silberweg 2

01324 Dresden

[email protected]

Jenny Mika

REFUGIO München

Rosenheimer Straße 38

81669 München

[email protected]

Prof. Dr. med. Christoph Nikendei, MME

Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik

Thibautstrasse 4

69115 Heidelberg

[email protected]

Dr. phil. Dipl.-Psych. Bettina Overkamp

Abteilung Psychotraumatologie

Unfallkrankenhaus Berlin

Warener Straße 7

12683 Berlin

[email protected]

Dr. disc. pol. Dipl.-Psych. Ibrahim Özkan

Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen

Fachkrankenhäuser für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie

Ulrich Venzlaff Straße 2

37081 Göttingen

[email protected]

Dipl. Psych. Dipl. Theol. Katharina Parisius

Eichenhang 16

34277 Fuldabrück bei Kassel

[email protected]

Prof. Dr. phil. Günter Reich

Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Universitätsmedizin Göttingen

Humboldtallee 38

37073 Göttingen

[email protected]

Anja-Maria Reichel

Asklepios Fachklinikum Tiefenbrunn

Tiefenbrunn

37124 Rosdorf

[email protected]

Dr. med. Helmut Rießbeck

Psychotherapeutische Praxis

Häfnersgässchen 2

91126 Schwabach

[email protected]

Dipl.-Psych. Kerstin Rießbeck

Psychotherapeutische Praxis

Häfnersgässchen 2

91126 Schwabach

[email protected]

Prof. Dr. med. Ulrich Sachsse

Asklepios Fachklinikum Göttingen

Rosdorfer Weg 70

37081 Göttingen

[email protected]

Prof. Dr. med. Martin Sack

Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Klinikum rechts der Isar der TU München

Langerstraße 3

81675 München

[email protected]

Prof. Dr. med. Ingo Schäfer, MPH

Klinik für Psychiatrie and Psychotherapie

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martinistraße 52

20246 Hamburg

[email protected]

Dr. med. Julia Schellong

Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden an der TU Dresden

Fetscherstraße 74

01307 Dresden

[email protected]

Dipl.-Psych. Rahel Schüepp

Praxis für Psychotherapie

Lange Straße 94

27711 Osterholz-Scharmbeck

[email protected]

Alex Stern

c/o Geschäftsstelle des Betroffenenrats

Büro der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs

Glinkastraße 24

10117 Berlin

Sybille Teunißen

Praxis für Psychotherapie und Supervision

Albertstr. 49a

42289 Wuppertal

[email protected]

Dr. med. Wibke Voigt

Fachklinik St. Vitus

Ahlhorner Straße 32

49429 Visbek

[email protected]

PD Dr. med. Dipl.-Psych. Godehard Weniger

Psychiatrische Universitätsklinik Zürich

Lenggstrasse 31

Postfach 1931

8032 Zürich

Schweiz

[email protected]

Hjoerdis E. Wirth

c/o Geschäftsstelle des Betroffenenrats

Büro der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs

Glinkastraße 24

10117 Berlin

Dr. med. Gustav Wirtz

Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie

SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach GmbH

Guttmannstraße 1

76307 Karlsbad

[email protected]

Dipl.-Psych. Karen Wise

Osternachstraße 69

83209 Prien am Chiemsee

[email protected]

Dr. med. Florian Ziegler

Psychosomatische Klinik

Krankenhaus Ginsterhof

Metzendorfer Weg 21

21224 Rosengarten

[email protected]

Martin Sack, Julia Schellong, Ulrich Sachsse

Einleitung zur 2. Auflage 2022

Die Diagnose Traumatisierung bzw. Traumafolgestörung wurde noch vor 20 Jahren mit Skepsis aufgenommen. Damals wurde prophezeit, es handele sich um eine Mode-Diagnose, die nicht lange Bestand haben werde. Heute gibt es wenige Tage, an denen in den Medien nicht von »Traumata« die Rede ist. Forschungsergebnisse und Behandlungsmethoden der Traumatherapie haben die Psychotherapie und nicht zuletzt den gesellschaftlichen Diskurs über die Folgen von Gewalt und sexuellen Traumatisierungen nachhaltig belebt und geprägt. Die neurowissenschaftliche Forschung hat die Folgen von traumatischen Erfahrungen bis in die genetische und epigenetische Regulation untersucht. Inzwischen besteht Konsens darüber, dass kindliche Traumatisierungen, einschließlich schwerer Vernachlässigung der Hauptrisikofaktor für die Entstehung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen sind, und auch mit erheblichen körperlichen Gesundheitsstörungen einhergehen können. Die 1. Auflage dieses Buches 2013 liegt noch keine 10 Jahre zurück. Wir haben bewusst auch die Einleitung zur 1. Auflage belassen, um zu verdeutlichen, wie die geschichtliche Entwicklung des Konzeptes und der Diskussionsstand noch vor wenigen Jahren waren. Seitdem hat sich viel entwickelt. Fast alle Beiträge wurden deshalb grundlegend aktualisiert.

Aktueller Anlass für diese 2. Auflage ist das Erscheinen der neuen Version der Internationalen Diagnoseklassifikation der Weltgesundheitsorganisation, ICD-11. Bezüglich der Diagnostik von Traumafolgestörungen stellt diese einen echten Fortschritt dar. Den spezifischen stressbezogenen Störungen wurde ein eigenes Kapitel zugewiesen und die Diagnose komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS) neu in das Klassifikationssystem aufgenommen (Maercker et al. 2013). Traumafolgestörungen können hiermit angemessener diagnostiziert werden und demzufolge auch fundierter und entsprechend den Bedürfnissen des Störungsbilds behandelt werden. Zusätzlich befördert die Einführung der Diagnose KPTBS die Forschung zu komplexen Traumafolgestörungen ganz erheblich. Dies macht sich aktuell bereits deutlich bemerkbar. Die Anzahl der publizierten Studien zu KPTBS nimmt gegenwärtig erheblich zu. Die neue Diagnose Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung KPTBS erfasst gut Patienten und Patientinnen mit traumabedingten Bindungsstörungen/Persönlichkeitsstörungen/Selbst- und Beziehungsregulationsstörungen als auch jene mit einer chronifizierten Posttraumatischen Belastungsstörung. Die Überschneidung mit Persönlichkeitsstörungen ist erheblich und wirft die Frage auf, welche Diagnose künftig sinnvoller ist. KPTBS ist bei Erwachsenen, Adoleszenten und Kindern gleichermaßen ein stabiles Konstrukt. Zusammenhänge mit Dissoziativen Störungen und KPTBS sind nachgewiesen, genauso wie der erhöhte Behandlungsbedarf mit multimethodalem Ansatz. Das Konstrukt ist interkulturell bestätigt in verschiedensten Ländern und Kulturen, und zeigt sich auch bei Veteranen, und bei Geflüchteten als valide diagnostische Kategorie. Das alles ist im Sinne des Anliegens unseres Handbuchs eine sehr erfreuliche Entwicklung, die sicherlich in den nächsten Jahren auch ihren Niederschlag in der Weiterentwicklung und Validierung therapeutischer Behandlungskonzepte und nicht zuletzt familienbezogener und präventiver Konzepte finden wird. Wir wünschen uns, dass das nun in der 2. Auflage vorliegende, den komplexen Traumafolgestörungen gewidmete Buch therapeutisch tätigen Kollegen und Kolleginnen Überblick und Orientierung zum aktuellen Stand des Wissens bietet und darüber hinaus auch Anregung für weitere Entwicklungen im Verständnis und vor allem der Behandlung chronischer traumaassoziierter Erkrankungen geben kann.

Dass ein Beitrag Bestandteil dieses Buches ist, bedeutet nicht, dass alle Herausgebenden seinem Inhalt in allen Aspekten zustimmen. Das wäre bei unserer beruflichen Individualität und den jeweiligen unterschiedlichen Erfahrungsbereichen auch erstaunlich. Es bedeutet, dass wir übereinstimmend vertreten, dass dieses Kapitel ein Diskussionsbeitrag ist, der aus unserer Sicht für den Gesamtkontext relevant ist.

Das richtige Gendern der deutschen Sprache ist ein gesellschaftspolitischer Prozess, der unabgeschlossen ist. Sie werden im Buch mehrere Formen finden. In dieser Einleitung haben wir mit verschiedenen Möglichkeiten des Genderns gespielt. Hinzugefügt haben wir einige Kapitel aus dem Bereich Gesellschaft. Dennoch ist das Buch natürlich unvollständig. Es lassen sich leicht wichtige, eigentlich unverzichtbare Problembereiche finden, die fehlen. Wir erheben weder einen Anspruch auf Vollständigkeit noch auf überdauernde Richtigkeit. Dieses Buch ist eine Positionierung im aktuellen Diskurs, nicht mehr und nicht weniger.

Wie wird sich die Diskussion weiterentwickeln? Da schließen wir uns weiterhin Karl Valentin an: »Prognosen sind immer schwierig. Besonders dann, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen.«

Literatur

Maercker, A. et al. (2013). Proposals for mental disorders specifically associated with stress in the International Classification of Diseases-11. The Lancet 381(9878), 1683–1685.

Einleitung zur 1. Auflage 2013

»Komplexe Traumafolgestörungen(1)«. Noch ein Konzept! Brauchen wir das?

Das vorliegende Buch ist das Ergebnis intensiver Diskussionen einer Arbeitsgruppe der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie zu Konzeptualisierung, Diagnostik und Behandlung von komplexen Traumafolgestörungen. Von Beginn an war deutlich, dass es nicht leicht sein würde, in Fragen wie etwa der diagnostischen Klassifikation oder von Behandlungsstandards Konsens zu erzielen. Entsprechend lag uns daran, die mit besonders schweren Traumatisierungen oder schwerer Vernachlässigung in der Kindheit einhergehenden klinischen Phänomene zu beschreiben und den aktuellen Wissensstand zur Behandlung möglichst umfassend darzustellen. Die Ergebnisse des konstruktiven und fruchtbaren Austausches sind nun in dieses Buch eingeflossen. Allen beteiligten Diskutanten, Autoren und Reviewern der Artikelentwürfe gilt unser herzlicher Dank für ihre engagierte Mitarbeit!

Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie arbeiten nach wie vor mit Konzepten, nicht mit naturwissenschaftlich belegten Tatsachen. Die Diagnose Fußpilz gehört zu einer anderen wissenschaftstheoretischen Kategorie als die Diagnose Amotivationales Syndrom. Daran haben auch immer validere Diagnose-Kriterien in ICD (International Classification of Diseases) oder DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) nichts geändert. Ein konkreter Patient wird trotz SKID in dem einen amerikanischen Behandlungs- und Forschungszentrum als Patient mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung(1), im zweiten als Patient mit einer Bipolaren Störung(1) diagnostiziert. In Deutschland wäre eine Patientin vor 50 Jahren mit dem Konzept der Grundstörung nach Michael Balint behandelt worden, vor 40 Jahren mit dem der Narzisstischen Störung(1) nach Heinz Kohut. Vor 30 Jahren wäre das Konzept Borderline-Persönlichkeitsstörung nach Otto F. Kernberg und Christa Rohde-Dachser richtig gewesen, gefolgt vor 20 Jahren vom Konzept der Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung (KPTBS) nach Judith Herman und Bessel van der Kolk. Vor zehn Jahren wäre das Konzept ADHS im Erwachsenenalter unverzichtbar gewesen, heute ist mit dem Konzept Hochbegabung mit leichtem Asperger-Syndrom zu arbeiten. Psychotherapeuten behandeln mit Entstehungs- und Wirksamkeitsmythen (Frank 1987; Hermer & Röhrle 2008). Wenn ihr Wirksamkeitsmythos therapeutisch hilfreich war, schließen sie daraus, dass er auch im naturwissenschaftlichen Sinne richtig war. Wer heilt, hat recht.

Die kontinuierliche Neuschöpfung von Konzepten und Theorien ist geboten, solange sich ein Konstrukt nicht langfristig als besonders aussagefähig und ausreichend herausgestellt hat. Depression ist ein solches Konzept. Doch halt – heute heißt das Burnout(1). Burnout darf man haben, Depression nicht. Auch hier: neue Konzepte! Ein Entwicklungsanreiz für neue Konzepte besteht darin, dass das alte inzwischen zu kränkend, zu abwertend konnotiert ist. Hysterie etwa geht gar nicht mehr.

Neue Konzepte bilden sich insbesondere, wenn die alten therapeutisch nicht genug helfen, wenn also die Therapiefortschritte auf der Grundlage des alten Konzeptes unbefriedigend sind, »noch Luft nach oben« lassen, wie es aktuell gerne formuliert wird. Unsere aktuelle politische und gesellschaftliche Sprache beinhaltet eine kontinuierliche Kreation von Euphemismen.

Das Konzept Trauma ist so gesehen schon recht betagt. Die Auswirkungen von Kriegstraumata(1) wurden schon von Homer in der Ilias genau beschrieben, wenn es um die »Mänis« des schwer traumatisierten achäischen Eliteoffiziers Achill geht. Shakespeare hat mehrere Gestalten mit klarer Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS)(1) geschaffen: das Ehepaar Macbeth, Richard III. und Hamlet jr. etwa. Folgen traumatisierender Arbeitsunfälle(1) durch die Industrialisierung wurden schon im 19. Jahrhundert unter den Begriffen »Railway Spine« und »Railway Brain« konzeptualisiert. Den französischen und österreichischen Forschern Jean-Martin Charcot, Pierre Janet und Sigmund Freud war die Traumagenese vieler »hysterischer« – heute würden wir sagen: psychosomatischer und psychoneurotischer – Symptombildungen durch sexuellen Kindesmissbrauch(1)(1)bekannt. Die Auseinandersetzungen mit den Kriegsneurosen des Ersten Weltkrieges blieben für die allgemeine Psychotherapie und Psychiatrie relativ konsequenzenlos.

In den 1960er Jahren musste die damals gültige psychiatrische Lehrmeinung, ein gesunder Mensch sei jeder seelischen Traumatisierung gewachsen, ohne einen bleibenden Schaden davonzutragen, mühsam widerlegt werden, um den Holocaust-Überlebenden(1) gerecht zu werden (Venzlaff 1958). Im Rahmen dieser Diskussion wurde auch deutlich, dass es Menschen gibt, die als Kinder oder Erwachsene nie Opfer einer schweren Traumatisierung im engeren Sinne geworden waren, aber vergleichbare Symptombilder entwickelt hatten. Denen ging es sehr schlecht und sie berichteten von langjährig unguten Entwicklungsbedingungen in ihrer Kindheit. Die Londoner Schule der Psychoanalyse widmete sich der Behandlung solcher Bindungstraumata(1) und Masud Khan formulierte den Begriff der »kumulativen Traumatisierung(1)« durch schädigende Bindungserfahrungen. Dieses Konzept kann als ein Vorläufer des Konzeptes der Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung(1) (KPTBS) verstanden werden (Furst 1967).

In den 1980er und 1990er Jahren wurden Studien veröffentlicht, die einen empirischen Zusammenhang zwischen psychotherapeutisch oder psychiatrisch behandlungsbedürftigen Störungen im Erwachsenenalter und Kindheitstraumata belegten. Obwohl diese Ergebnisse uneinheitlich sind, zeigen sie doch einen Trend auf: einen Anstieg der Häufigkeit von psychiatrischen(1) Störungsbildern im Vergleich zu den nicht-klinischen Kollektiven, was in einigen Studien mit ambulanten und stationären Gruppen von Patientinnen bzw. Patienten bis zu einer Verdoppelung der Zahl der Missbrauchsopfer(1) führt (Sachsse et al. 1997). Von Anfang an galt neben der Gruppe der Suchtkrankheiten (Lüdecke et al. 2010) und der Psychosomatosen(1) ein besonderes Interesse den Persönlichkeitsstörungen(1) und hier vor allem der Borderline-Persönlichkeitsstörung(2) (Dulz et al. 2011). Die Prävalenz steigt, ausgehend von derjenigen in der Allgemeinbevölkerung, mit zunehmender Schwere der klinischen Störung graduell an. Außerdem wurde bald deutlich, dass es ein Unterschied ist, ob jemand einmal im Alter von 22 Jahren vergewaltigt wurde oder ob es im Alter zwischen acht und 14 Jahren zweimal pro Woche zu Vergewaltigungen durch einen nahen Familienangehörigen gekommen war. So unterschied die amerikanische Trauma- und Gedächtnisforscherin Lenore Terr (1994) das Typ-I-Trauma(1) (Monotrauma) vom Typ-II-Trauma(1) (wiederholte Traumatisierung im Rahmen eines nahen Beziehungsgefüges).

Im Jahr 1976 veröffentlichte die amerikanische Traumaforscherin Judith Herman ein für die Behandlung schwerer traumainduzierter Störungsbilder(1) wegweisendes Buch mit dem deutschen Titel Die Narben der Gewalt (Herman 1994). Herman entwickelte in ihrem Buch eine Systematisierung der Folgen von Traumatisierungen durch sexuellen Missbrauch, Vernachlässigung und Misshandlung in der Kindheit. Sie schlug die Bezeichnung »Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung« (KPTBS; Herman 1992) für ein charakteristisches Syndrom nach chronischen Traumatisierungen vor:

Störungen der Affektregulation(1)

dissoziative Symptome(1)

Störungen der Selbstwahrnehmung(1)

Störungen der Sexualität(1) und Beziehungsgestaltung(1)

somatoforme Körperbeschwerden(1)

Veränderungen persönlicher Glaubens- und Wertvorstellungen(1)

Bemerkenswerterweise, aber klinisch richtig, gehört zu den Kriterien der Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung(2) nicht die für die Posttraumatische Belastungsstörung typische intrusive Symptomatik, da sie hier durchaus nicht immer festzustellen ist. Vielmehr sind viele Symptome der Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung geeignet, Intrusionen(1)(1)(1)(1)(1) und Übererregung suffizient zu verhindern. Sie bildet sich aus, um die belastende Symptomatik einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit Intrusionen, Flashbacks, Übererregung und Realitätsverlust möglichst weitgehend einzuschränken oder sogar zu verhindern. Dies kann sich bei der Behandlung einer Suchterkrankung bemerkbar machen, wenn im Entzug intrusive Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung manifest werden und einen Behandlungsabbruch bedingen können. Bei der Behandlung einer Agoraphobie(1) bessert sich diese vielleicht zunächst, es tauchen dann aber intrusive Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung(1) auf, die nunmehr suffizient behandelt werden müssen.

Die Vielfalt der Beschwerden, an denen Patienten mit Komplexer Posttraumatischer Belastungsstörung(1) leiden, erschließt sich dem Verständnis erst dann, wenn man die Symptomatik als Anpassungsstrategie und kompensatorische Bewältigung von zugrunde liegenden Regulationsdefiziten begreift, die Folge sowohl einzelner Traumatisierungen als auch traumatischer Beziehungserfahrungen sind (van der Kolk et al. 1996). Aus der Perspektive von Betroffenen erscheint die Umwelt aufgrund von traumatischen Erfahrungen oft als unsicher und durch nicht vorhersehbare Gefahren gekennzeichnet. Hinzu kommt ein fehlendes Gefühl von Kompetenz und Selbstsicherheit, vermittelt durch die Erfahrung, dass nicht nur die Umwelt unberechenbar ist, sondern auch die eigenen Impulse und Affekte schwer steuerbar und beherrschbar sind. Meist erleben sich Patienten den Intrusionen und Albträumen in einer sehr quälenden Weise ausgeliefert. In Anpassung an diese (1)selbstregulatorischen Defizite aufgrund wiederholter negativer Beziehungserfahrungen entwickeln sich in zunehmendem Maße Misstrauen, Ängste, Rückzugsverhalten sowie Kontakt- und Beziehungsschwierigkeiten. Diese Symptomatik erreicht schließlich ein so großes Ausmaß und betrifft so viele Lebensbereiche, dass sie als schwere psychische Erkrankung mit dem Rang einer Persönlichkeitsstörung in Erscheinung treten kann, z. B. einer Borderline-Persönlichkeitsstörung(3) (BPS).

Herman (1992) stellte zeitweise zur Diskussion, dass jede Borderline-Persönlichkeitsstörung im Grunde eine Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung sei. Das Konzept der Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung(1) wurde in Vorbereitung der DSM-IV-Klassifikation durch eine Expertengruppe um Herman und van der Kolk weiter ausgearbeitet. Die Arbeitsgruppe empfahl unter Berufung auf Ergebnisse einer Feldstudie mit über 500 Patienten mit traumabedingten Störungen (van der Kolk et al. 1996), die Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung unter dem Akronym DESNOS (Disorders of Extreme Stress Not Otherwise Specified) als diagnostische(1) Kategorie anstelle der Kategorie Borderline-Persönlichkeitsstörung ins DSM-IV aufzunehmen. Die Kategorie DESNOS erhielt schließlich für Forschungszwecke den Rang eines zusätzlichen klinischen Beschreibungsmerkmals der Posttraumatischen Belastungsstörung. Die Bezeichnung DESNOS wird im amerikanischen Sprachraum synonym mit dem Begriff Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung verwandt (Sack 2004).

Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung(1)(1) schildern häufig eine Vorgeschichte körperlicher, psychischer oder sexueller Traumatisierungen. Inzwischen häufen sich Befunde, die von Prävalenzraten von über 50 % bis hin zu 80 % für schwere kindliche Traumatisierungen(1) bei Borderline-Patienten berichten (Sachsse et al. 1997; Zanarini et al. 2002). Gleichzeitig wird von kompetenter Seite betont, dass die Rolle von Traumatisierungen in der Genese von Borderline-Persönlichkeitsstörungen wichtig ist, aber weder eine notwendige noch hinreichende ätiologische Bedingung darstellt (Dulz et al. 2011). Die Diskussion darüber, ob Borderline-Störungen komplexe Traumafolgestörungen sind, hängt ganz davon ab, wie der Begriff Trauma definiert und verstanden wird. Zweifelsfrei ist nicht jede Borderline-Persönlichkeitsstörung eine Traumafolgestörung, wenn die Traumadefinitionen des DSM und der ICD zugrunde gelegt werden. Ein Mensch kann eine klinisch gravierende Borderline-Persönlichkeitsstörung(1) entwickeln, ohne als Kind oder Jugendlicher ein einziges Mal vergewaltigt oder durch körperliche Gewalt traumatisiert worden zu sein. Wenn allerdings die schweren Bindungs- und Beziehungsschädigungen einbezogen werden, ist jede Borderline-Persönlichkeitsstörung eine Traumafolgestörung(1). Entwicklungstraumatisierungen (engl.: relational traumata) in (1)Form von schwerer Vernachlässigung (Schore 2001) oder wiederholter psychischer Gewalt – etwa durch massive Abwertungen und Morddrohungen –, die an Kindern begangen werden, sind in den Traumakriterien nach DSM-IV und ICD-10 nicht explizit enthalten, obwohl Patienten mit den entsprechenden Folgen einen großen Teil der hilfesuchenden Patienten in der psychotherapeutischen Praxis ausmachen. Dies legt nahe, die Definition von Traumatisierungen um kindliche Erfahrungen von psychischer Gewalt und Vernachlässigung zu erweitern, wie vor einigen Jahrzehnten schon in der Psychoanalyse beispielsweise der Londoner Schule (Furst 1967), die bei repetitiven Bindungsschädigungen von »kumulativem Trauma(2)« gesprochen hat. Das erhebliche Schädigungspotenzial von physischer Gewalt, Vernachlässigung(1) und konstanter emotionaler Invalidierung(1) wird durch eine Vielzahl neurobiologischer Befunde bestätigt, die belegen, welche umfangreichen Schäden Traumatisierungen durch Beziehungspersonen im Gehirn des Kindes hinterlassen; solche frühen Schädigungen sind auch auf der neurobiologischen Untersuchungsebene bis ins Erwachsenenalter nachweisbar (Schore 2001).

Andererseits wird der Begriff Trauma durch diese Ausweitung kaum noch operationalisierbar; er wird zu einem Synonym für »unverarbeitet, nicht zu bewältigen, nicht integrierbar, besonders schlimm, besonders leidvoll«. Der Mangel an Trennschärfe und die Probleme bei der Begriffsverwendung werden dadurch verstärkt, dass es inzwischen neben dem Begriff der »Entwicklungstraumatisierung« noch den des »Beziehungstraumas(1)« gibt, etwa für Mobbing oder sehr belastende Partnerschaften, sowie den Begriff der »Entwicklungstraumastörung(2)«, der für komplexe traumatisierende Einflüsse besonders in der Pubertät und Adoleszenz Anwendung findet.

Empirisch und von der Klinik der Symptombildungen her liegt es also nahe, bei einer Persönlichkeitsstörung, insbesondere einer Borderline-Persönlichkeitsstörung(1), aber auch bei einer Suchtkrankheit(1), einer schweren Depression(1), einer schweren Somatisierungsstörung(1) oder einem Schmerzsyndrom sowie bei allen dissoziativen Störungen(1) zu überprüfen, ob es sich um eine Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung handeln könnte.

Die Wiederentdeckung des Traumas als psychodynamisch wirksames Ereignis war ein wichtiger Impuls für Forschung und Therapie (Sachsse 2004; Sack 2010). Wenn der Überschneidungsbereich der Störungsbilder Borderline-Persönlichkeitsstörung und Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung – einschließlich komplexer dissoziativer Störungen – so groß ist, liegt es nahe, beide Diagnosen als Ausprägungen einer gemeinsamen, durch Entwicklungstraumatisierungen(3) ausgelösten Grundproblematik zu fassen. Diesen Vorschlag machen Miller und Resick (2007), die bei sexuell traumatisierten Frauen und bei Kriegsveteranen zwei Typen posttraumatischer Symptomatik in Form externalisierender und internalisierender Symptome(1)(1) fanden. Externalisierende Symptome sind durch Impulsivität, Substanzmissbrauch und Züge einer Cluster-B-Persönlichkeitsstörung(1) charakterisiert. Internalisierende Symptome entsprechen depressiven Reaktionen, Selbstverletzungen, dissoziativen Symptomen sowie ängstlichem Vermeidungsverhalten(1) und sozialem Rückzug. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung wäre demnach als externalisierender Typus einer komplexen Traumafolgestörung zu verstehen, während die von Herman (1994) vorgeschlagene Diagnose Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung der internalisierenden Ausprägung einer Traumafolgestörung entspricht. Das Konzept einer komplexen Traumafolgestörung mit externalisierenden und internalisierenden Ausprägungen deckt sich gut mit der klinischen Beobachtung, dass es Mischformen zwischen den beiden Extrempolen der Symptomausprägung gibt und dass sich internalisierende und externalisierende Symptomatik beim gleichen Patienten zeitlich abwechseln können. Dies ist typischerweise dann zu beobachten, wenn auch erhebliche dissoziative Symptome vorliegen. Konsequenterweise wird derzeit die Strategie verfolgt, die Diagnose einer Entwicklungstraumafolgestörung (Developmental Trauma Disorder), die (1)sowohl externalisierende als auch internalisierende und dissoziative Symptome umfasst, in das Kinder-Jugend-Kapitel des DSM-5 einzuführen.

Machen wir hier mal eine Zwischenbilanz:

Neben der klar definierten akuten Posttraumatischen Belastungsstörung nach Typ-I- und Typ-II-Trauma(2) haben (2)wir die chronifizierte Posttraumatische Belastungsstörung mit persistierender intrusiver Symptomatik(2), aber oft auch mit Depressionen als konstriktiver Leit-Symptomatik (Kessler et al. 1995). Darum empfiehlt sich das Konzept der Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung, das gerade auch jene Symptombildungen umfasst, die als Bewältigungs- und Anpassungsstrategien gegen die permanenten Intrusionen der Posttraumatischen Belastungsstörung zu verstehen sind. Das Konzept Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung steht in Konkurrenz zum Konzept Borderline-Persönlichkeitsstörung. Borderline-Persönlichkeitsstörung ist nur dann eine Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung, wenn Bindungs- und Entwicklungstraumata ebenfalls als Traumatisierungen verstanden werden. Das leitet über zur Entwicklungstraumafolgestörung (Developmental Trauma Disorder) als Nachfolgekonzept der DESNOS (Disorders of Extreme Stress Not Otherwise Specified), aber(2) auch zur Beziehungstraumatisierung etwa durch Mobbing oder Scheidungskrieg. Vor diesem Hintergrund wäre auch möglich zu formulieren, ein Patient hätte in Kindheit und Jugend eine erhebliche Verwöhnungs-Traumatisierung erlitten. Nun ja. Alles Trauma – oder was?

In diesem Buch stellen wir uns dieser verwirrenden Begriffs- und Konzept-Vielfalt. Wir haben nicht die Hoffnung, alle Widersprüche aufzulösen, aber wir wollen sie zur Diskussion stellen und den Leserinnen und Lesern ermöglichen, sich selbst fundiert zu positionieren. Insofern ist »Komplexe Traumafolgestörungen« kein neues Konzept, sondern eher ein vorläufiger Begriff, der die Offenheit der aktuellen Diskussion beinhaltet.

Wie wird sich diese Diskussion weiterentwickeln? Da schließen wir uns Karl Valentin an: »Prognosen sind immer schwierig. Besonders dann, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen.«

Literatur

Dulz, B. S. et al. (2011). Handbuch der Borderline-Störungen. 2. Aufl. Stuttgart: Schattauer.

Frank, J. D. (1987). Die Heiler. München: dtv.

Furst, S. S. (1967). Psychic Trauma. New York, London: Basic Books.

Herman, J. L. (1992). Complex PTSD: a syndrome in survivors of prolonged and repeated trauma. J Trauma Stress; 5: 377–91.

Herman, J. L. (1994). Die Narben der Gewalt. Traumatische Erfahrungen verstehen und überwinden. München: Kindler.

Hermer, M., Röhrle, B. (2008). Therapeutische Beziehungen: Geschichte, Entwicklungen und Befunde. Handbuch der therapeutischen Beziehung. Band 1: Allg. Teil. Tübingen: dgvt; 15–105.

Kessler, R. C et al. (1995). Posttraumatic stress disorder in the National Comorbidity Survey. Arch Gen Psychiatry; 52(12): 1048–60.

Lüdecke, C. et al. (2010). Sucht – Bindung – Trauma. Psychotherapie von Sucht und Traumafolgen im neurobiologischen Kontext. Stuttgart: Schattauer.

Miller, M. W, Resick, P. A. (2007). Internalizing and externalizing subtypes in female sexual assault survivors: implications for the understanding of complex PTSD. Behav Ther; 38(1): 58–71.

Sachsse, U. (2004). Traumazentierte Psychotherapie. Stuttgart: Schattauer.

Sachsse, U. et al. (1997). Vom Kindheitstrauma zur schweren Persönlichkeitsstörung. Fundamenta Psychiatrica; 11(1): 12–20.

Sack, M. (2004). Diagnostische und klinische Aspekte der komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung. Nervenarzt; 75: 451–9.

Sack, M. (2010). Schonende Traumatherapie – Ressourcenorientierte Behandlung von Traumafolgestörungen. Stuttgart: Schattauer.

Schore, A. N. (2001). The effects of early relational trauma on right brain development, affect regulation, and infant mental health. Inf Ment Health J; 22: 201–69.

Terr, L. (1994). Unchained Memories. New York: Basic Books/Harper Collins.

van der Kolk, B. A et al. (1996). Dissociation, somatization, and affect dysregulation: the complexity of adaptation to trauma. Am J Psychiatry; 153: 83–93.

Venzlaff, U. (1958). Die psychoreaktiven Störungen nach entschädigungspflichtigen Ereignissen. Berlin: Springer.

Zanarini, M. C et al. (2002). Severity of reported childhood sexual abuse and its relationship to severity of Borderline psychopathology and psychosocial impairment among Borderline inpatients. J Nerv Ment Dis; 190: 381–7.

I

Diagnostik

Eva Irle, Claudia Lange, Ulrich Sachsse, Godehard Weniger

1Neurobiologie komplexer Traumafolgestörungen

1.1 Einleitung

Seit mehr als einer Dekade ist der schädliche (1)(1)(1)Einfluss stressbezogener menschlicher Interaktionen sowie von Traumata auf Struktur und Funktion des menschlichen Gehirns bekannt – sowohl bei den Fachleuten für Psychotraumatologie als auch in Teilen der interessierten Allgemeinbevölkerung. Bei genauerer Betrachtung aus neurowissenschaftlicher und psychologischer Perspektive mutet dieser Zeitpunkt jedoch ziemlich verspätet an. Das mag daran liegen, dass der Gedanke »Gehirn einerseits und Verhalten bzw. Umwelt andererseits beeinflussen sich wechselseitig« mit einem Weltbild kollidiert, das sich aus Descartes’ Lehre der Dualität von Körper und Geist (und damit deren Unabhängigkeit voneinander) herleitet.

In der Tat wurden etwa die schädlichen Effekte einer frühkindlichen sozialen Deprivation(1), beispielsweise in Waisenhäusern, von Psychiatern und Entwicklungspsychologen schon Mitte des letzen Jahrhunderts sehr akribisch beschrieben (»Hospitalismus(1)«; z. B. Spitz 1945). Auch das »Battered Child Syndrome(1)« ist lange bekannt. Der amerikanische Psychologe Harry Harlow führte Verhaltensexperimente an Rhesusaffen durch (Harlow et al. 1965). Die Affen wurden nach ihrer Geburt für bis zu ein Jahr in völliger sozialer Isolation gehalten, ohne jeglichen Kontakt zu Menschen bzw. anderen Affen oder Tieren, was zu einem praktisch kompletten Verlust aller sozialen Verhaltensweisen bei erstaunlich normaler intellektueller Entwicklung führte. Nach der Geburt isolierte Affenweibchen, die im Erwachsenenalter inseminiert wurden (motherless mothers), ignorierten, (1)quälten oder töteten ihre Babys (Harlow & Suomi 1971).

Harlows Experimente waren ein bedeutender Wegweiser für das in der Folge zur Blüte gelangende Forschungsgebiet der sogenannten environmental plasticity.(1) Neurowissenschaftler untersuchten tierexperimentell, welche Konsequenzen eine ärmliche oder aber eine reichhaltige Umwelt(1) (sog. enriched environment) auf Verhalten(1) und Gehirn von Tieren hat (Renner & Rosenzweig 1987). Generell ist unter neuronaler Plastizität(1) alles zu verstehen, was sich im Gehirn als Reaktion auf Umwelt- oder internale Reize (beispielsweise während der Reifung) ändern kann und muss. Umweltreize können für den Organismus gut oder schlecht sein, das gleiche trifft auch auf die Reaktionen des Gehirns zu. Für den Organismus gute Einflüsse können günstige (a), aber auch schädliche (b) Reaktionen des Gehirns hervorrufen. Für den Organismus schlechte Einflüsse können schädliche (c), aber auch günstige (d) Reaktionen des Gehirns auslösen.

Hier jeweils ein Beispiel für die vier Alternativen:

(a) und (b). Intensives und ausdauerndes Üben eines Musikinstrumentes führt zu einer enormen Ausdifferenzierung und Befähigung der beteiligten motorischen und somatosensorischen Kortexareale, weit über das normale Maß hinausgehend. Dies hatten Fachleute schon früher aufgrund tierexperimenteller Befunde zu motorischem Lernen(1) vermutet. Vielen imponierte auch die deutlich größere Greifhand des virtuosen Jahrhundert-Geigers Yehudi Menuhin: Das musste doch seine Entsprechung im Gehirn haben! Leider aber verursacht intensives und ausdauerndes Üben eines Musikinstrumentes vornehmlich bei Berufsmusikern gar nicht so selten auch schädliche Reaktionen dieser Kortexareale, nämlich sogenannte Dystonien (Bewegungsstörungen), die im Extremfall sogar bis zur Berufsunfähigkeit führen können (Spahn et al. 2010).

(c) und (d). Schwere Hirntraumata(1) beispielsweise zerstören natürlich unwiderruflich Nervengewebe. Das Gehirn versucht sich dann selbst zu helfen, manchmal mit Erfolg: Nicht von der Schädigung betroffene Hirnareale können bis zu einem gewissen Maß lernen, die Funktion von zerstörten Hirnarealen zu übernehmen, oder durch Aussprossen von Synapsen neue Kontakte zu schaffen. Leider ist die Aussprossung von Synapsen häufig aber auch kontraproduktiv und führt zu zusätzlichen Symptomen, die sich nicht allein aus der primären Schädigung ableiten lassen (z. B. zu einer Spastik, also einer erhöhten Eigenspannung der Skelettmuskulatur).

Das heißt, dass nichts selbstverständlich und fast alles möglich ist und präzise erforscht werden muss. Dies ist umso wichtiger in den Bereichen, in denen es um die Anwendung von Forschung geht, also auch für den Bereich der Therapie von Patientinnen und Patienten mit komplexen Traumafolgestörungen.

Im Folgenden soll erläutert werden, wie sich traumatische Ereignisse auf Gehirn und Verhalten von Menschen auswirken können.

1.2 Posttraumatische Belastungsstörung

Hippocampus

Vor etwa 20 Jahren veröffentlichten (1)(1)Bremner et al. Befunde zu Veränderungen im Gehirn von Vietnam-Veteranen mit chronifizierter Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS; Bremner et al. 1995). Der Hippocampus, eine für Gedächtnis und Emotion wichtige Hirnregion im Schläfenlappen (→ Abb. 1-1), war bei diesen Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden signifikant verkleinert. Ein ähnlicher Befund ergab sich bei Frauen, welche in der Kindheit sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren und ebenfalls eine langjährige Symptomatik einer Posttraumatischen Belastungsstörung(1)(1) aufwiesen (Bremner et al. 1997). In der Folge erschien eine Vielzahl von weiteren Studien, welche die Ergebnisse der Gruppe um Bremner weitgehend bestätigten (für eine Zusammenfassung s. Karl et al. 2006). Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass das Ausmaß der hippocampalen Volumenreduktion mit Stärke und zeitlicher Dauer der Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung korreliert (Bremner et al. 1995, 1997; Gilbertson et al. 2002; Gurvits et al. 1996; Irle et al. 2005; Weniger et al. 2008; für einen Überblick s. Karl et al. 2006). Personen mit chronifizierter Posttraumatischer Belastungsstörung(1)(1) leiden auch unter deutlichen Gedächtnisproblemen (Bremner et al. 1995, 1997; Gurvits et al. 1996; Irle et al. 2005; Weniger et al. 2008; Winter & Irle 2004). Auch hier ist das Ausmaß der Hippocampus-Volumenreduktion mit dem der Gedächtnisprobleme assoziiert (Irle et al. 2005; Weniger et al. 2008).

Zahlreiche Forschungsgruppen interpretieren diese Daten dahingehend, dass der chronische Stress der Symptomatik einer Posttraumatischen Belastungsstörung(2) den Hippocampus schädigt (Glukokortikoid-Kaskaden-Hypothese(1); Sapolsky et al. 1986; → Abb. 1-2). Möglich ist, dass der chronische Stress einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu einer dauerhaft erhöhten Glukokortikoid-Ausschüttung führt, welche insbesondere im Hippocampus mit seinen zahlreichen Rezeptoren neurotoxisch wirkt. Tierexperimentelle Studien konnten zeigen, dass extremer und lang anhaltender Stress durch ranghöhere Individuen, denen ein unterlegenes Tier nicht ausweichen kann, zu reduzierten Hippocampus-Volumina führt (Sapolsky et al. 1990). Dies legt nahe, dass die Möglichkeit, die Stressreaktion irgendwann wieder zu regulieren (also den Stress effektiv abwehren zu können), eine wichtige Rolle dafür spielt, ob Psyche und Gehirn schädlich beeinflusst werden oder eventuell sogar gestärkt und »verbessert« aus der Bedrohung hervorgehen. Eine tierexperimentelle Studie (Oomen et al. 2010) kommt zu dem Ergebnis, dass moderater früher Stress durch Isolation von der Mutter (maternal deprivation)(1)dazu führt, dass der Hippocampus im Erwachsenenalter unter Stress lernfähiger ist als ohne die Erfahrung dieser moderaten maternal deprivation.

Abb. 1-2: Vereinfachte Darstellung der Glukokortikoid-Kaskaden-Hypothese nach Sapolsky et al. (1986). Chronischer und unbewältigter Stress sowie schwere Depressionen führen zu einer Unfähigkeit, die stressbezogene Glukokortikoid-Sekretion wieder abzuschalten. Die daraus resultierende dauerhaft erhöhte Glukokortikoid-Sekretion schädigt den Hippocampus. Diese kausale Verkettung wirkt bei chronifizierten Störungen im Sinne eines Circulus vitiosus immer weiter (in der Abbildung im Uhrzeigersinn), wodurch auch eine weitere Verstärkung des posttraumatischen Stresses und der Symptomatik einer Posttraumatischen Belastungsstörung eintreten kann.

Jedoch gibt es auch andere Erklärungen: Verschiedene Studien haben gezeigt, dass wir Menschen unterschiedlich große Hippocampi haben, unabhängig vom Geschlecht und der Körpergröße. Dies mag unter anderem genetisch bedingt sein (Sullivan et al. 2001). Es könnte nun sein, dass Menschen mit großen Hippocampi resilienter bezüglich verschiedenster psychischer Störungen(1)(1), inklusive der Posttraumatischen Belastungsstörung, sind als solche mit kleineren Hippocampi. Somit wären kleine Hippocampi unter anderem als Risikofaktor für die Entwicklung und Chronifizierung einer Posttraumatischen Belastungsstörung einzuschätzen. Für diese Hypothese gibt es wesentliche Befunde aus Zwillingsstudien. Die Gruppe um Pitman (Gilbertson et al. 2002) konnte zeigen, dass die eineiigen Zwillingsbrüder von kriegstraumatisierten Vietnam-Veteranen genauso kleine Hippocampi hatten wie ihre traumatisierten Brüder, obwohl sie selbst gar nicht im Krieg gewesen waren. Neuere Studien mit Affen haben bestätigt, dass früher Stress(1)(1) durch Isolation durch die Mutter keine Volumenreduktionen des Hippocampus nach sich zog, dass aber die Hippocampusgröße eine deutliche Erblichkeit zeigte (Lyons et al. 2001; Spinelli et al. 2009). Somit ist es wahrscheinlich, dass mehrere Faktoren Hippocampusgröße und Stressresilienz(1) beeinflussen: Anlagefaktoren bestimmen, ob wir einen größeren Hippocampus haben und stressresilienter sind oder nicht. Umweltfaktoren können einen durchaus positiven Einfluss auf unser Gehirn und unsere zukünftige Stressresilienz haben, nämlich dann, wenn wir mit dem Stress konstruktiv umgehen. Aber schädigende Umwelteinflüsse können auch einen extrem negativen Einfluss ausüben im Falle der Ausbildung einer chronifizierten Posttraumatischen Belastungsstörung oder aufgrund mehrerer aufeinanderfolgender Traumata.

Weiterhin muss natürlich bedacht werden, dass das Trauma für sich schon in der Lage sein kann, eine Hirnschädigung hervorzurufen, entweder durch körperliche Einwirkung oder aber durch den unmittelbaren psychischen Stress in der traumatischen Situation. Gurvits et al. (1996) wiesen nach, dass die Schwere der im Gefecht erlittenen Traumatisierungen(1)(1) von Vietnam-Veteranen mit dem Ausmaß der später gefundenen Hippocampus-Reduktion korrelierte. Nun wäre es möglich, dass Soldaten aus sozial niedrigen Schichten mit kleinen oder vorgeschädigten Hippocampi bevorzugt in besonders schwere Kampfhandlungen (Bodentruppen!) geschickt wurden (Pitman 2001). Jedoch konnten Winter und Irle (2004) zeigen, dass bei Männern, die aufgrund von Unfällen mit schwerster Brandverletzung eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt hatten, das Ausmaß der Brandverletzung auch mit dem Ausmaß der Hippocampus-Volumenreduktion korrelierte. Da es sich weitgehend um Berufsunfälle handelte und männliche Kontrollprobanden mit ähnlichen Berufen ausgewählt wurden, können die nachgewiesenen Unterschiede im Hippocampus-Volumen sicher auf den Einfluss des Unfalls zurückgeführt werden.

Amygdala und andere Hirnregionen

Bald wurde der Fokus der Aufmerksamkeit auch auf die Amygdala(1)(1)(1) (direkt vor dem Hippocampus im Schläfenlappen gelegen; → Abb. 1-1) gerichtet, da die Amygdala ein wichtiges Zentrum für Angst(1)(1) und Aggressionen(1)(1)und damit auch für Kampf- und Fluchtverhalten ist. Die Amygdala interagiert sehr eng mit dem Hippocampus in Bezug auf Lernen(1) und Gedächtnisbildung emotional salienter Reize. Auch der cinguläre Kortex, welcher phylogenetisch alt ist und bekanntermaßen eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Schmerz und Emotionen spielt, rückte in den Mittelpunkt. Amygdala sowie cingulärer Kortex(1) sind bei Personen mit chronifizierter Posttraumatischer Belastungsstörung verkleinert (Rauch et al. 2003; Schmahl et al. 2003b; Weniger et al. 2008, 2009; Woodward et al. 2006), jedoch ist momentan noch nicht sicher zu sagen, ob eine verkleinerte bzw. geschädigte Amygdala bei allen Patienten mit einer chronifizierten Posttraumatischen Belastungsstörung oder nur bei solchen mit komorbider Borderline-Persönlichkeitsstörung(1)(1) zu finden ist (Schmahl & Bremner 2006).

Veränderungen neuronaler Aktivitätsmuster

Die Möglichkeit, mit funktioneller Magnetresonanztomografie(1) (fMRT) einzelne Funktionsabläufe im Gehirn erforschen zu können, hat neue Denkmodelle hervorgebracht. Bei der fMRT wird auf indirekte Weise erfasst, welche Aktivitätsmuste(1)r das Gehirn in einer gegebenen Situation bzw. Stimulation zeigt. Im Blickpunkt der Forschung stehen gegenwärtig neuronale Schleifen, neurocircuits, (1)die sich gegenseitig ausbalancieren, verstärken oder abschwächen.

Korrespondierend zur oben genannten Glukokortikoid-Kaskaden-Hypothese(2) konzentrieren sich die konzeptuellen Überlegungen im Bereich der funktionellen Bildgebung unter Verwendung von sogenannten Provokationsstudien auf kortiko-limbische Dysfunktionen(1). Hierbei wird angenommen, dass bei Personen mit Posttraumatischer Belastungsstörung(2)(2) eine Übererregbarkeit der Amygdala (welche für die Furchtreaktion verantwortlich ist) besteht bei gleichzeitig verminderter Aktivität frontaler und cingulärer kortikaler Regulationszentren.

Bei Provokationsstudien müssen Probanden, im Magnetresonanztomograf liegend, beispielsweise skriptorientiert traumabezogene Inhalte(1) imaginieren, während ihre Gehirnaktivität gemessen wird. (1)In solchen Studien wurden bei Patienten mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung weitgehend übereinstimmend eine Überaktivierung der Amygdala sowie eine verminderte Aktivierung medial-präfrontaler und cingulärer Regionen sowie der Broca-Region beschrieben (Francati et al. 2007; Hull 2002; Lanius et al. 2006; Liberzon & Martis 2006; Rauch et al. 2006; Shin et al. 2006). Es könnte sein, dass eine verminderte Aktivierung der Broca-Region (ein wesentliches Element bei der Generierung von Sprache) die Unfähigkeit von Patienten mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung widerspiegelt, ihre traumatischen Erinnerungen in ein verbal vermitteltes Langzeitgedächtnis zu integrieren. Ähnlich dysfunktionale Aktivierungsmuster wie für diese Probanden lassen sich auch bei Patientinnen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung nachweisen (Schmahl & Bremner 2006).

Traumabezogene Symptom-Module und deren Einfluss auf das Gehirn

Die überwiegende Mehrzahl der (1)Studien zu Auswirkungen von Traumata auf das Gehirn wurde an Patienten durchgeführt, welche den Kriterien des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (noch nicht nach DSM-5, sondern noch nach DSM-IV; American Psychiatric Association 2003) für eine Posttraumatische Belastungsstörung(1) entsprechen. Dies ist sicherlich richtig so; schließlich ist wissenschaftlicher Fortschritt nur möglich, wenn man die Ergebnisse vergleichbarer Patientengruppen beurteilen und daraus Schlussfolgerungen ziehen kann. Auch muss eine Diagnose valide (also inhaltlich gültig) und auch reliabel (also replizierbar) sein. Die im DSM-IV formulierten Kriterien der Posttraumatischen Belastungsstörung(2) genügen diesen Anforderungen. Dies hat allerdings seinen Preis: Die Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung deckt nur einen (kleinen?) Teil der Traumafolgestörungen ab. Dies liegt hauptsächlich an den Anforderungen an die Objektivierbarkeit, die an die Definition eines Traumas geknüpft sind (Kriterien A1 und A2 der Posttraumatischen Belastungsstörung), sowie an der Erfordernis, dass die Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung(3) (Kriterien B – D: Intrusionen(2)(1)(2), Vermeidung, Hyperarousal) zwingend auf das Trauma zu beziehen sind. Eine(1)(1) Objektivierbarkeit des Traumas(1) ist in vielen Fällen nicht möglich (z. B. Fehlen von Zeugen, Amnesien traumatischer Erinnerungen, Trauma in einem frühkindlichen Lebensabschnitt, in dem noch keine verbal vermittelte Gedächtnisspeicherung erfolgt). Aus der fehlenden Objektivierbarkeit folgt dann fast regelmäßig, dass die psychopathologischen Symptome nicht zwingend auf das Trauma zu beziehen sind.

Ein zweites Problem besteht darin, dass die Menschen mit ihren unterschiedlichen Anlagen und Erfahrungen und in sehr verschiedenen Lebensumwelten auf extremen Stress oder auf ein Trauma sehr unterschiedlich reagieren können. Viele Szenarien sind denkbar: So können außer der Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung beispielsweise Depressionen, Sucht- und Risikoverhalten und vor allem bei früh im Leben stattfindenden kontinuierlichen interpersonellen Traumatisierungen dissoziative Störungen und Persönlichkeitsstörungen im Sinne einer Borderline-Persönlichkeitsstörung die Folge sein. Es gibt Patientinnen und Patienten, bei denen all diese Störungen gemeinsam auftreten. Und schließlich ist es auch möglich, dass gar keine spezifischen oder so moderate Symptome resultieren, dass die Diagnose einer jedweden psychischen Störung nicht gerechtfertigt erscheint.

Auch die – manchmal Diagnose-unabhängigen – Abwehrstile von traumatisierten Patienten werden zu wenig beachtet. Lanius et al. (2006, 2010) konzeptualisierten zwei verschiedene Abwehrstile bei traumatisierten Patienten, einen für die Posttraumatische Belastungsstörung typischen Stil, der vorwiegend durch Hyperarousal gekennzeichnet ist, und einen dissoziativen Stil, welcher durch Depersonalisation, Derealisation und ein »Ausklinken«, aber nicht durch Hyperarousal gekennzeichnet ist.

1.3 Dissoziative Störungen

Dissoziative(1)(1) Reaktionen (Gast 2011) beinhalten eine Unterbrechung der normalerweise integrativen Funktionen des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität oder der Wahrnehmung der Umwelt. Je nach Schweregrad der dissoziativen Reaktion kann es zu einem völligen Verlust der normalen Integration von Erinnerungen, Identitätsbewusstsein, unmittelbaren Empfindungen sowie der Kontrolle von Körperbewegungen kommen. Dissoziative Reaktionen ermöglichen es dem Individuum in einer traumatischen Situation, das Trauma nicht in voller Wucht wahrnehmen zu müssen, allerdings zu dem Preis, komplett hilflos und handlungsunfähig zu werden. Dissoziative Reaktionen erleichtern es, das Trauma akut zu ertragen, erschweren aber die Verarbeitung und bedingen damit eine Chronifizierung.

Dissoziative Reaktionen können nach einem Trauma weiterbestehen und sozusagen »zur Gewohnheit« werden. Nach DSM-IV können traumatisierte Menschen beispielsweise wesentliche Teile des Traumas nicht erinnern (Dissoziative Amnesie(1)(1)), aus dem traumatisierenden Umfeld weglaufen und dabei ihre eigene Identität vergessen (Dissoziative Fugue(1)(1)) oder sie können sogar ihre gesamte Persönlichkeit, so wie sie dem Trauma gegenübertrat, abspalten (Dissoziative Identitätsstörung(1)). Offensichtlich trägt das dissoziative Verhalten auch langfristig dazu bei, unerträgliche Erinnerungen an das Trauma aus dem Bewusstsein fernzuhalten. Epidemiologisch konnte gezeigt werden, dass dissoziative Störungen häufig in der Folge eines frühkindlichen zwischenmenschlichen Traumas auftreten, wobei sexueller und physischer Missbrauch in der Kindheit, Vernachlässigung, emotionaler Missbrauch und emotionale Vernachlässigung signifikante Prädiktoren für die Entwicklung einer dissoziativen Störung zu sein scheinen (Foote et al. 2006). Anders als noch im DSM-III-R sind dissoziative Symptome im DSM-IV als charakteristische Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung(1)(1) beschrieben (Kriterium 9). Im DSM-5 gibt es eine Unterkategorie PTBS-D.

Amygdala und Hippocampus

Über die neurobiologischen Effekte dissoziativer Störungen(1)(1)(1)(1) ist wenig bekannt. Aktuelle Studien (Irle et al. 2009, 2010; Weniger et al. 2008, 2009) fanden extrem reduzierte Amygdala(2)(1)- und (1)(2)Hippocampus-Volumina und defizitäre Gedächtnisfunktionen(1) bei Borderline-Patientinnen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung(3)(3)(2)(3), aber nicht bei gleicherart traumatisierten Borderline-Patientinnen mit Dissoziativer Amnesie(2) oder Dissoziativer Identitätsstörun(2)g (→ Abb. 1-3, → Abb. 1-4). Jedoch scheint die Doppel-Diagnose von Posttraumatischer Belastungsstörung und dissoziativer Störung(2)(2)(2)(2) fatal: Solche Patientinnen weisen extrem schwere mesial-temporale Volumenreduktionen und kognitive Defizite auf (Chalavi et al. 2015a; Irle et al. 2009; Vermetten et al. 2006). Diese Befunde scheinen aber für die Behandlung und den klinischen Verlauf von traumatisierten Patienten von enormer Wichtigkeit zu sein. Dissoziative Störungen stehen in den seltensten Fällen im Blickpunkt der Aufmerksamkeit und werden klinisch und diagnostisch regelmäßig übersehen (Foote et al. 2006).

Möglich ist, dass Patienten mit dissoziativen Störungen, im Gegensatz zu Patienten mit Posttraumatischer Belastungsstörung, keine stressbezogenen erhöhten Glukokortikoid-Ausschüttungen im Sinne der Glukokortikoid-Kaskaden-Hypothese haben (→ Abb. 1-1). Schwere dissoziative Störungen wie Dissoziative Amnesie oder Dissoziative Identitätsstörung haben vielleicht den Vorteil, es der betroffenen Person zu ermöglichen, traumabezogenen Stress wirklich effektiv abzuwehren. Als Konsequenz würde keine stressinduzierte neurale Toxizität entstehen, was sich dann in normalen Hippocampus- und Amygdala-Volumina ausdrücken würde. In dieser Hinsicht wäre eine dissoziative Störung für einige zentrale Hirnareale protektiv. Andererseits könnte es aber auch sein, dass, wie oben beschrieben, Menschen mit von Geburt an kleinen Hippocampi eine Vulnerabilität aufweisen, bei Traumatisierung eine Posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln. Dies würde bedeuten, dass traumatisierte Patienten mit dissoziativen Störungen einfach nur einen Teil der traumatisierten Menschen repräsentieren, welche einen großen Hippocampus und eben keine Posttraumatische Belastungsstörung aufweisen.

Neuronale Korrelate dissoziativer Reaktionen

Metaanalysen über funktionell bildgebende (2)(2)(Positronenemissionstomografie-)Studien (Gusnard & Raichle 2001