König Drosselbart und Magie des Eisdrachens - J.M. Tora - E-Book

König Drosselbart und Magie des Eisdrachens E-Book

J.M. Tora

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Beschreibung

Der wahre Kuss trifft auf schwarze Magie ... Die schwarzen Magier gewinnen von Tag zu Tag mehr an Macht. Werden sie es schaffen, ihre größte Bedrohung für König Drosselbart freizusetzen? Wer wird in Zukunft über Sekai herrschen? Erzmagier Axxes schickt seine rechte Hand Kiron aus, um das Schwert des Eisdrachen zu bergen. Damit will er den Dämon befreien, und mit ihm gegen König Drosselbart in den Krieg ziehen. Doch in einem Schneesturm kommt Kiron vom Weg ab und landet halb erfroren vor Drosselbarts Toren. Herzog Raphael, der Cousin des Königs, nimmt sich des Verletzten an und fühlt sich sofort zu ihm hingezogen. Kiron gelingt es, dass Schwert des Eisdrachen in die Hände zu bekommen. Wie wird er sich entscheiden? Bleibt er gegenüber seinem Vater, dem Erzmagier loyal, oder siegt die Liebe?

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Seitenzahl: 796

Veröffentlichungsjahr: 2024

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König Drosselbart

Die Magie des Eisdrachens

Eine Fantasy Gaylove Story von J.M.Tora

Prolog

Was bisher in Mahoo geschah ...

Dreizehn Monate, bevor die Magier Schloss Takara in ihren Besitz genommen haben ...

Auf ganz Sekai herrschte seit zwei Monaten Hochsommer, nur hoch im Norden lagen die Gipfel der Mahooberge unter einer dicken Schneedecke. Trotz des starken Windes, der darüber blies, herrschte dort eine geheimnisvolle Ruhe. Vor den neugierigen Augen der Menschen lag unter dem Eis und Gestein, ganz versteckt, das unterirdische Schloss der Magier.

Der Herr und Meister des Schlosses, Erzmagier Axxes, vertiefte sich wie jeden Tag in der großen Bibliothek in eines der verstaubten Bücher. Er wanderte schon viele Jahre dort umher, auf der Suche nach dem starken magischen Bann, der den Schutzzauber eines der weißen Magier aufzuheben imstande war. Er schritt an diesem Tag erneut durch die vielen Gänge, bis er wieder vor dem Regal stand, an dem er vor zwei Tagen schon einmal war.

Hier im unterirdischen Schloss gab es die größte Bücher- und Manuskriptsammlung, die je geschrieben wurde. Jedes einzelne Schriftstück war voll mit jeder Art von Zaubersprüchen, Rezepten für Tinkturen, Tränken und Verbannungen. Die Bibliothek erstreckte sich über drei Etagen des gesamten Westflügels. Es gab keinen Bibliothekar, aber wozu auch? In einem Haus voller Hexer wäre er sowieso arbeitslos und könnte nur die Spinnweben zählen. Obwohl, wenn sie einen Bibliothekar hätten, wäre jemand da, der für Ordnung sorgen könnt. Denn die Magier oder ihre Lakaien gehörten nicht gerade zu den Putzteufeln, was die Reinigung anging.

Die Suche nach dem gewünschten Exemplar verläuft hier recht einfach. Der Magier spricht einen Zauberspruch und das gewünschte Buch schwebt in seine Hand. Wird das Buch oder Manuskript nicht mehr benötigt, verschwindet es wie von Geisterhand an seinen angestammten Platz. Der Nachteil an der Magie ist, dass das gewünschte Buch manchmal nicht erscheinen will. In diesem Fall bleibt dem Magier keine andere Wahl, als zu Fuß alle dreißig Säle danach abzusuchen, was Jahrzehnte dauern kann. So erging es dem Erzmagier schon seit einiger Zeit. Er war auf der Suche nach dem richtigen Zauberspruch gegen den Schutzbann des weißen Magiers Leviathan, wozu er sämtliche Regale abklapperte.

Wer in der Bibliothek der Magier nach architektonischen Sehenswürdigkeiten suchte, war hier fehl am Platz. Da war jede kleine Bücherei in den Dörfern um einiges interessanter. Hier wurden die Räume aus dem Bergmassiv geschlagene und lediglich mit Regalen an den Wänden sowie unzähligen Reihen an Schränken in den Raum gestellt. In den Ecken stapelten sich weitere mit Manuskripten gefüllte Kisten, die aus einem primitiven Holz bestanden.

Erzmagier Axxes stand vor einem Regal im dritten Stock und las langsam die aneinandergereihten Buchtitel. Er wollte soeben diese Reihe verlassen und in den nächsten Gang gehen, da fiel ihm eine Lücke im untersten Fach auf.

Axxes wusste ganz genau, dass er aus diesem Regal in den letzten Monaten keines der Bücher herausgenommen hatte. Es musste wohl einer seiner Untergebenen gewesen sein. Da sah er in der Lücke ein ganz kleines Buch, das in einem Mauerspalt hinter dem untersten Regalboden festklemmte. Vorsichtig zog er es heraus und betrachtete neugierig den Einband. Der Titel war kaum leserlich und in einer sehr alten Schrift geschrieben.

»Was steht da? Shiroi ryo Bushi? Das wird doch nicht etwa … Kann es sein, dass ich es endlich gefunden habe? Das Buch des weißen Drachenkriegers? Wenn das das Buch ist, kann ich damit endlich das Portal öffnen!« Hastig stürmte Axxes aus der Bibliothek in sein Arbeitszimmer. Dort lief er nicht Gefahr, von einem seiner Magier überrascht zu werden. Völlig aufgeregt über seinen Fund setzte er sich fast neben seinen Sessel, der nicht an der gewohnten Stelle, sondern etwas abseits stand.

»Welcher Idiot hat den denn hier hingestellt? Wer hat sich während meiner Abwesenheit hier aufgehalten? Wenn ich den in die Finger bekomme, der wird sein blaues Wunder erleben!«, schimpfte er zornig vor sich hin.

Damit rückte er seinen Sessel wieder zurecht und setzte sich mit einem Plumpsen hinein. Stirnrunzelnd betrachtete er eine Zeitlang den Umschlag des kleinen Büchleins, bis er es voller Aufregung mit zitternden Fingern öffnete. Endlich war es soweit, nun konnte er die alten Schriften studieren und herausfinden, welche Geheimnisse sich hinter dem Umschlag verbargen. Langsam blätterte Axxes eine Seite nach der anderen um und las jeden Zauberspruch.

»Mhm, die Zeichen sind teilweise sehr verblasst und kaum leserlich, schade, ich hatte mir mehr von diesem Buch erwartet. Aber für sein Alter ist es doch noch recht gut erhalten.«

Nach mehrmaligen Bemühungen, die schwer leserlichen Zeichen zu entziffern, konnte Axxes die erste Überschrift lesen.

»Shokubutsu seichoo. Was soll das? Ein Spruch, der das Pflanzenwachstum fördert? Auf der zweiten Seite ging es um aus Kräutern und Tinkturen gebraute magische Tränke.« Eine Seite weiter fiel ihm ein schwaches Zeichen ins Auge. »Was bedeutet dieses Zeichen? Es ist fast komplett verblasst und schwer zu entziffern, es sieht aus wie ein großes ›B‹. B? Was könnte das bedeuten?« Nach einigen Überlegungen fiel es ihm wieder ein. »Ah ja, genau, ›Berkana‹, hier steht alles über Fruchtbarkeit und Wachstum, jetzt gibt der Rest auch einen Sinn. Die beiden ersten Abschnitte sind nur eine Einleitung, wie man Pflanzen und Kräuter richtig anbaut. Sie beschreiben die Beschaffenheit der Erde und deren Düngung. Was soll der Müll? Ich bin doch kein Bauer, der seinen Acker bestellen will!« Verärgert blitzten seine Augen auf die unschuldigen Zeilen hinab. Wenn er mit seinem Blick Feuer versprühen könnte, wäre das Buch jetzt in Flammen aufgegangen.

»Verdammt, das Buch ist eine Fälschung«, fluchte er laut. »Es enthält nicht, was der Titel verspricht, ›weißer Drachenkämpfer‹. Ist wohl eine Finte und sollte mich in die Irre führen. Da muss sich jemand einen schlechten Scherz erlaubt und einfach den Umschlag ausgetauscht haben. Aber nicht mit mir, ich falle auf so einen billigen Trick nicht herein, da müssen meine Novizen früher aufstehen. Ob ich irgendwann einen Hinweis auf den richtigen Titel finde werde?«, knurrte er laut vor sich hin. Dennoch blätterte er weiter. Die nächste Seite war ebenfalls eine herbe Enttäuschung: ein Rezept für eine Fischsuppe. »Was soll ich mitten in den Bergen mit einer Fischsuppe? Die schwimmen ja nicht gerade unter dem nächsten Busch hervor«, brummte Axxes, langsam stinksauer werdend, vor sich hin. »Vielleicht geben die letzten Seiten mehr Aufschluss über das Buch.«

Aber auch diese Seiten entlockten dem Erzmagier nur ein zerknirschtes Aufstöhnen. »Das ist ein ordinäres Kochbuch, als würde es mich interessieren, wie man eine Jungfrau im Schlafrock oder wie man ein Regenfürzle zubereitet. Wie kann man so einem Buch nur so einen Titel verpassen?«

Seine anfängliche Hochstimmung fiel rasant in den Keller. Die nächsten Kapitel überflog er nur noch flüchtig, bis ihm fast am Ende des Buches eine unscheinbare Zeichnung ins Auge fiel. In der Eile hätte er sie fast überblättert. Neugierig schlug er die Seite auf und betrachtete das Symbol, das dort abgebildet war.

»Was haben wir denn da? Ein Triskill? Interessant, es ist ein Zeichen des weißen Magiers. Ich muss sagen, das war ›fast‹ eine gute Arbeit, um diesen magischen Zauber zu tarnen. Den Zauberspruch, wie man das Tor der Reise öffnet, hat jemand in einem Koch- und Gartenbuch versteckt, was durchaus ein gut gewähltes Versteck ist. Aber nicht gut genug für mich! Womöglich wollte der Hexer dieses Büchlein so tarnen, dass der Magier, der es in die Finger bekommt, gleich nach den ersten Seiten seine Suche aufgibt. Wie lange es wohl schon hier in der Bibliothek verborgen war? Egal, nun liegt es endlich vor mir und die vielen Jahrhunderte des Wartens auf meine Rache haben bald ein Ende. Jetzt fehlt mir nur noch das Schwert des Drachen. Das ich auch bald in den Händen halten werde. Dann kann mich nichts mehr aufhalten.«

Die verlorene Hochstimmung kam mit einem lauten Auflachen schlagartig zurück. Axxes lehnte sich in seinem Sessel zurück und lachte, bis ihm Tränen in die Augen stiegen. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich wieder beruhigt hatte und sich mit dem Ärmel seiner Robe die kleinen Tränchen aus den Augenwinkeln wischte.

Gerade wollte Axxes sich dem Zauberspruch widmen, als plötzlich die Tür aufschwang und ein rosa Törtchen hereinstürmte.

»Onkel, das darfst du nicht zulassen«, keifte Sandrine, als sie auf seinen Schreibtisch zusteuerte.

Oh nein meine nervige Nichte. Die hat mir gerade noch gefehlt. Wo kommt die so plötzlich her? Und was will sie hier? Sollte sie nicht auf Takara sein? Muss sie gerade jetzt hereinschneien? Ich Idiot habe schon wieder vergessen, die Tür abzuschließen. Ich habe Wichtigeres zu tun, als mir ihre Schimpftiraden anzuhören. Wenn der Zauberspruch in dem Buch das ist, was ich vermute, steht dem Sieg über die obere Welt Sekai nichts mehr im Weg. Nur meine Nichte hält mich noch auf, weiterzulesen. Innerlich stöhnte Axxes genervt auf. Damit er sich endlich dem ersehnten Buch widmen konnte, musste er seine Nichte am besten auf ihr Zimmer schicken. Leider war sie sturer als ein Esel und würde ihn erst wieder allein lassen, wenn sie ihren Willen bekommen hätte.

Also gut, bringen wir es hinter uns. Sie kann warten, das Buch hier nicht, dachte er voller Vorfreude über seine Entdeckung.

»Sandrine, ich bitte dich, beruhige dich, erzähle mir erst einmal, was dir so Schreckliches widerfahren ist.«, versuchte er ihre aufbrausendes Wesen zu dämpfen. Warum ist sie eigentlich hier? Sollte sie diesen Gideon mit ihrem Liebreiz nicht betören, ihn zum Mann nehmen und ihren Platz als Königin einnehmen?

Wie ein Irrwisch fegte sie vor seinem Arbeitstisch auf und ab und schilderte in allen Einzelheiten, wie ungehobelt Prinz Gideon war. Welche Beleidigungen er auf Lager hatte, und dass er eine größere Strafe verdient hätte, als die, die er bereits bekommen hatte.

»Die war für ihn eher eine Belohnung. Eine Ehe mit einem Gnom, der sich als König Drosselbart entpuppt. So eine Schmach kann ich nicht auf mir sitzenlassen.«

»Du hast recht, meine Liebe, so kann kein Prinz mit dir umspringen. Ich werde schauen, was wir dagegen unternehmen können. Nun geh bitte auf dein Zimmer, ich kümmere mich darum. Sobald ich die Lösung habe, gebe ich dir Bescheid.«

»Aber Onkelchen ...«

»Keine Sorge, du bekommst deine Rache. Das wäre es für heute, du kannst dich zurückziehen.«

Mit einer Handbewegung unterstrich er seine letzten Worte. Beleidigt zog sie von dannen. Dem Erzmagier war dies nur recht, so hatte er für eine Weile seine Ruhe und konnte sich wieder seinem Buch widmen. Dieser Wunsch wurde ihm jedoch nicht erfüllt.

»Erzmagier, Eure Lordschaft, ich habe wichtige Kunde für Euch«, drang eine heisere Stimme durch den Raum.

Axxes stöhnte innerlich auf. Wer stört mich denn jetzt schon wieder? »Was wollt Ihr?«, fauchte der Erzmagier dem Störenfried entgegen.

Über den großen Wandspiegel legte sich ein dichter Nebel, in dem sich langsam ein Gesicht erkennen ließ.

»Hauptmann Augus, was gibt es denn so Dringendes? Habe ich Euch nicht gesagt, Ihr sollt Euch nur melden, wenn es um etwas Wichtiges geht?«

»Ja, mein Meister, darum melde ich mich. Mein König Uriel macht sich morgen auf den Weg nach Kunitora, um der Hochzeit von König Drosselbart beizuwohnen.«

Sieh einer an. Es zahlt sich doch aus, wenn man seine Spione geschickt positioniert und rekrutiert. Der gierige Hauptmann von Takara war so leicht zu bestechen. Für eine Handvoll Edelsteine und Gold hat er sich einen Kristall statt seines Herzens einpflanzen lassen. Sein Pech, wenn er nicht das Kleingedruckte im Vertrag liest. Damit hat er sich verpflichtet, mich mit wichtigen Informationen über den König von Takara auf dem Laufenden zu halten. Zudem hat er sich mir zu ewiger Treue verpflichtet; sollte er dies nicht einhalten, wird er als Futter für meine Höllenhunde enden. Seine Freude unterdrückend, fragte ihn Axxes: »Wie lange wird der König abwesend sein?«

»Geplant sind zwei Wochen. Während seiner Abwesenheit vertrete ich den König hier auf Takara.«

Das war eine großartige Nachricht, der Tag wurde immer besser. »Hauptmann Augus, Ihr leitet alles für die Übernahme von Takara in die Wege. Wenn die Wachen nicht spuren, sperrt sie in die Kerker. Meine Höllenhunde werden sich schon um die Königstreuen kümmern. Die Wachen, die auf unserer Seite stehen, werden großzügig entlohnt werden.«

Die Augen des Hauptmanns fingen an zu leuchten. Noch mehr Gold. Es hat sich nun endlich gelohnt, mich in den Dienst des Erzmagiers zu stellen. »Sehr wohl, Meister, Euer Wunsch ist mein Befehl.«

Das Gesicht des Hauptmanns Augus aus Takara wurde erneut vom Nebel überlagert, bis er ganz verschwunden war.

»Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Was Besseres konnte mir jetzt nicht passieren.« Auf einmal ging ein starkes Zittern durch seinen Körper. »Oh nein, nicht schon wieder ...«, knurrte er.

Trotz eines leichten Schwächeanfalles hatte er ein gehässiges Grinsen auf den Lippen. Schnell zog er die unterste Schreibtischschublade auf und holte die Phiole mit einer blauen Flüssigkeit, die dort verborgen lag, hervor. Dieses blaue Elixier war sein Geheimnis, von dem nicht einmal seine rechte Hand Kiron etwas wusste. Davon war er überzeugt. Es bestand hauptsächlich aus einem Sud Greifenspeichel, dem Kraut der Unsterblichkeit sowie einer weiteren Zutat, einem Tropfen Blut eines weißen Magiers. Der Speichel heilte jede Art von körperlichem Gebrechen sowie die meisten Verletzungen und hielt den Körper stark, jung und gesund. Das Kraut der Unsterblichkeit garantierte, wie der Name schon sagte, der Person, die es zu sich nahm, ein sehr langes. Mit einem Stirnrunzeln betrachtete er die Flüssigkeit, die in der halbvollen Flasche hin- und herschwappte.

Ich sollte mir so bald wie möglich einen neuen Trank brauen, aber dafür brauche ich Kiron für die gewisse Zutat, damit er ... Gemein lächelte er in sich hinein. Wenn der Junge wüsste, wie alt ich tatsächlich bin, und was mich so lange am Leben hält, hätte er das bestimmt auch gern. Nur darf er nie erfahren, wer er wirklich ist. Er würde alles daran setzten, mich zu vernichten und an meiner Stelle die Regentschaft über die Magier zu übernehmen. Das darf ich nicht zulassen. Es ist immer am besten, seine größten Feinde nahe bei sich zu haben, um sie besser kontrollieren zu können. Dafür habe ich bei Kiron gesorgt. Ich habe viele Jahre mit Magie und seelischer Gewalt in ihn investiert, damit er zu dem wird, was er heute ist. Solange er die zwei magischen Kristalle bei sich trägt, kann ich ihn nach meinen Wünschen kontrollieren. Den ersten Kristall bekam er an dem Tag, an dem ich ihn fand. Ich platzierte ihn in seinem Körper. Den zweiten Kristall trägt er als Kette um den Hals. Aus diesem Grund kann ich ihm vertrauen, er ist in meinem Gefolge mein treuester Anhänger.

Grübelnd saß der Erzmagier vor seinem Arbeitstisch, verwirrt starrte er erneut seine halb volle Phiole an.

Warum ist die Phiole halbvoll? Ich habe in den letzten Jahren immer nur einen Schluck entnommen. Von meinem Elixier weiß niemand. Entweder war jemand heimlich in meinem Arbeitszimmer, oder ich habe beim letzten Mal nicht genau auf die Menge geachtet. Da fiel ihm der Stuhl wieder ein, der nicht auf seinem Platz gestanden hatte, als er vorhin hereinkam.

»Jetzt muss ich auch noch einen Fangzauber auf meine Schreibtische legen, falls jemand es wagen sollte, sich ungefragt in meinem Arbeitszimmer aufzuhalten. Der wird, sobald er in die Nähe meines Tisches kommt, sofort in der Hölle als Hundefutter landen.«

Kaum war das endlich erledigt, gönnte sich der Erzmagier schmunzelnd einen großen Schluck. Im ersten Moment brannte das Elixier und floss anschließend kühlend durch die Kehle hinab. Ein mächtiger Energieschub durchfuhr seinen ganzen Körper. Die Haut wurde wieder straffer, die Sehkraft verstärkte sich, und der Körper strotzte nur so vor Kraft. Selbst seine Magie verstärkte sich durch diesen Trank.

Frisch gestärkt räumte er die Phiole wieder in das kleine Fach unter seinem Schreibtisch. Gespannt zog er nun endlich das Büchlein zu sich heran und blätterte es weiter durch. Seine Augen wurden immer größer, als er auf der nächsten Seite »Mitsukemasu« las. »Das gibt es nicht. Hier steht endlich der Auffindezauber, nach dem ich so lange gesucht habe.«

Gierig saugte er jedes Wort dieses Zauberspruchs in sich auf. »Mitsukemasu to watashi wa watashi no mahô no chikara o motarashimasu. Anata ga sonshitsu nodeshou.« Auf der nächsten Seite stand das Rezept für den Zaubertrank.

Hastig überflog Axxes die Zutatenliste. Stirnrunzelnd überlegte er, ob alle Zutaten in seinem Arbeitszimmer vorrätig waren, oder ob er sich noch schnell in die Vorratskammer begeben musste. Zu seiner Freude konnte er sich den weiten Weg in die Gewölbe des Schlosses sparen, wo alle Kräuter, Wässerchen, Knochen, Hölzer und Kristalle lagerten. Ebenso in Alkohol eingelegte Augäpfel und Innereien der verschiedensten Lebewesen, die sich in den Bergen verirrt hatten, sowie sonstiges Arbeitszubehör. Vor einigen Tagen kam sogar eine magische Zutat hinzu. Ein Elf hatte es gewagt, sich der Mahoogrenze zu nähern. Zu seinem Pech lief er genau in die Arme von ein paar Magiern. Jetzt lag er im unterirdischen Schloss in Einzelteile zerlegt und haltbar gemacht in den Regalen.

Ganz unten links in dem Buch stand ein kleiner Vermerk, den der Erzmagier in seiner Euphorie, endlich den ersehnten Spruch gefunden zu haben, übersah. Er lautete: »Das Lebewesen, das den magischen Zaubertrank dem See übergibt, wird in den Fluten untergehen; außer es findet sich jemand mit einer reinen Seele, der der Person einen Kuss aus wahrer Liebe schenkt. Sollte das nie geschehen, ist das Geschöpf dazu verdammt, für immer in dem geheimnisvollen See zu leben.«

»Vielleicht kann ich zwei Motten mit einer Klatsche erwischen. Wenn ich Kiron mit der Mission zu dem geheimnisvollen See schicke, kann er mir auf dem Rückweg die letzte Zutat gleich mitbringen, die ich für den Trank benötige.«

Voller Begeisterung über diesen Geistesblitz klatschte er in den leeren Raum hinein.

Zufrieden schloss Axxes das Buch und schob es unter die Tischplatte in ein weiteres Geheimfach, um es vor neugierigen Augen zu schützen. Anschließend ließ er nach seiner rechten Hand, dem Obermagier Kiron, rufen. Geduld war keine Tugend, die der Erzmagier besaß, daher tigerte er während der Wartezeit unruhig vor seinem Arbeitstisch auf und ab. Es dauerte jedoch nicht lange, bis es an der Tür klopfte. Für ihn war es eine halbe Ewigkeit, als auf sein »Komm herein« endlich die gewünschte Person eintrat.

Dem Erzmagier blieb jedes Mal die Luft weg, wenn er ihn sah. Der Mann, der eben hereinkam, war hochgewachsen mit dem Körperbau eines Athleten. Seine hellblonden Haare, die fast schon in ein perlweiß übergingen, hingen ihm bis auf die Schultern. Diese Haarfarbe war unter den Magiern ein sehr untypischer Farbton und bis jetzt noch nie vorgekommen, genauso wie die eisblauen Augen.

Was keiner seiner Magier wusste war, dass der Erzmagier auf seinen Reisen das Dorf Ryokuni durchquerte. Von dem Tag an, als er Kiron das erste Mal in der Wiege sah, fühlte er sich wie magisch zu ihm hingezogen. Ab den ersten Blick wusste er, er musste das Kind um jeden Preis haben. Das Baby sah noch sehr klein aus. Es musste wohl erst vor neunzig Tagen das Licht der Welt erblickt haben. Aber seinem wachen und aufmerksamen Blick entging nichts. Seine Eltern nannten ihn liebevoll ihren kleinen Sonnenschein. Der Kleine hatte ein so fröhliches Lachen, dass seine eisblauen Augen vor Liebe und Glück nur so erstrahlten. Eben diese Familie bot Axxes für eine Nacht bei stürmischem Herbstwetter ein trockenes Plätzchen zum Schlafen an. Für ihre Gastfreundschaft bedankte sich Axxes, indem er mitten in der Nacht, als der Sturm am kräftigsten über die Dächer fegte und alle im Haus schliefen, zu dem Baby schlich. Vorsichtig, um es nicht zu wecken, wickelte er es in seinen Umhang, trotzdem wachte es auf. Sofort fing es laut an zu schreien, und weckte mit seinem Gebrüll seine Eltern, die nebenan schliefen. Dem Erzmagier blieb nichts anderes übrig, als durch das Fenster in den stürmischen Herbstregen zu flüchten.

Die Eltern bemerkten das Verschwinden ihres Kindes sogleich. Sofort jagten sie dem Dieb mit Mistgabeln, Sensen und was sie auf die Schnelle in ihre Hände bekamen, hinterher. Doch Axxes war sehr flink, er konnte seinen kleinen Vorsprung rasch ausbauen. Einige Tage später betrat er mit dem Jungen das unterirdische Schloss. Die anderen Hexer betrachteten ihn mit dem, was er auf dem Arm trug, recht skeptisch.

Jedes Mal, wenn die Magier zusammenstanden, sobald der Erzmagier nicht in der Nähe war, tuschelten sie hinter seinem Rücken. Und es gab es bei ihnen nur ein Thema: das Baby. »Was will der Erzmagier mit einem Baby? Hat er den Verstand verloren? Sollen die Menschen erfahren, dass es uns noch gibt? Es hat gute dreihundert Jahre gedauert, uns von dem letzten Kampf zu erholen. Wenn wir Menschen rauben, dann die, die sich in unseren Bergen verirren. Wir gehen aber niemals in ihre Dörfer und bedienen uns dort für unseren Nachwuchs. Sieht unser Erzmagier das denn nicht? Das Kind wird unser Untergang sein, wir müssen es töten. Ja, das Menschenkind muss sterben.«

Die Magier versuchten sogar mehrfach, das heranwachsende Kind zu töten. Mit jeder Art von Heimtücke versuchten die Hexer, ihn zu beseitigen. Von Vergiftungen bis hin zu Angriffen aus dem Hinterhalt. Sie sahen in dem Jungen eine Gefahr für ihre Sippe.

Aber der heranwachsende Junge wurde vom Erzmagier mit Argusaugen bewacht. Zwar nur so lange, bis Kiron alt genug war und die Magie wirkungsvoll zu seinem Schutz gegen seine Brüder einsetzen konnte. Der Junge, den er Kiron nannte, begriff schnell und setzte sich schon im Kindesalter gegenüber seinen Angreifern durch. Kiron war eine Abwandlung des walisisch-keltischen Namens Charan, der »schwarz« oder »Dunkelheit« bedeutet. In dieser Hinsicht fand Axxes den Namen passend.

Kiron wurde vom Erzmagier höchstpersönlich in Magie, Zaubertränken, Flüchen, Bannen, Selbstverteidigung sowie im Schwertkampf ausgebildet. Wenn er nicht so spurte, wie der Erzmagier es von ihm verlangte, wurde er schwer bestraft; mit seelischen Peitschenhieben, Essensentzug oder er wurde einige Tage zum feuerspeienden Greif in den Käfig gesperrt. Alle paar Jahre wurde er in einen Tiefschlaf versetzt, um die heimlichen finsteren Machenschaften des Erzmagiers zu erfüllen. So wurde aus dem kleinen Baby ein junger Mann ohne Herz und Gefühl.

1 Ein geheimnisvoller Gast

Heute ...

Seit Mitte Oktober tobte, für die Jahreszeit viel zu früh, ein wilder Schneesturm über das Land. Dieser stob so heftig, dass man nicht einmal die eigene Hand vor Augen sah. In dieser trostlosen Nacht irrte ein in einen Umhang gehüllter Reiter auf seiner ebenholzschwarzen Stute durch den Wald von Takara. Mit einem Auftrag im Gepäck.

»Mystique, so wie es aussieht, haben wir uns verirrt. Wegen dieses Schneesturms kann ich überhaupt nicht sehen, wohin wir reiten. Du kennst nicht zufällig den Weg zu dem geheimnisvollen See? Nein? Warum rede ich eigentlich mit dir? Du bist ein Pferd und verstehst mich eh nicht. Brrr … Hier ist es kälter als im Arsch des Erzmagiers. Der Sturm fegt, seit wir die Grenze von Mahoo zu Takara überquerten haben. Wir haben nicht einmal Ende Oktober, es ist selbst hier zu früh für diesen Wintereinbruch. Wir zwei waren schon viel zu lange nicht mehr in diesem Land. Herrschte beim letzten Mal hier nicht auch tiefster Winter? Woran das wohl liegt?«

Ein leises Schnauben kam von vorne als Antwort.

»Da gebe ich dir recht. Wir sollten uns so bald wie möglich einen Unterschlupf suchen, sonst friere ich bei dieser eisigen Kälte noch auf dem Sattel fest, brrr …«

Der Reiter zog den für die Witterung viel zu leichten Umhang fester um seine Schultern. Langsam stemmten sich die beiden mühsam gegen den starken Schneefall. Abzusteigen traute sich der Reiter nicht. Er würde nur im hohen Schnee versinken und so könnte es noch länger dauern, bis sie einen geeigneten Unterschlupf fänden. Aus der Ferne drang ein wildes Jaulen an ihre Ohren. Es klang so schaurig, als hätte sich die Hölle plötzlich aufgetan, und ihre Bewohner stürmten in Scharen daraus hervor.

Mystique spitzte ihre Ohren und folgte dem Heulen. Ohne Vorwarnung stieg sie mit den Vorderhufen in die Höhe und galoppierte in die entgegengesetzte Richtung davon. Der Reiter hatte bei der ruckartigen Bewegung seines Pferdes große Mühe, seinen durch die Kälte steifen Körper im Sattel zu halten. Die Beine spürte er schon länger nicht mehr. Zudem fiel der Schnee in immer größeren Flocken vom Himmel, der den überraschenden Fluchtversuch seines Pferdes abbremste. Nun kamen sie nur noch sehr mühsam voran. Beide, Ross und Reiter, zogen ihre Köpfe ein, um sich vor dem Sturm zu schützen. Leider war das ein erfolgloses Unterfangen. Mehrmals strauchelte das Pferd und kam jedes Mal fast zu Fall. Seine Kräfte ließen von Minute zu Minute sichtlich nach. Der Reiter konnte seine Augen vor Müdigkeit nicht länger offen halten, zwang sich jedoch dazu. Würden sie jetzt stehenbleiben, bestand die Gefahr, auf der Stelle zu erfrieren. Oder von den Bestien, deren Geheul trotz des lauten Windes immer noch deutlich zu hören war, angefallen zu werden.

Es blieb den beiden nichts anderes übrig, als weiterzugehen, um so schnell wie möglich einen geschützten Ort zu finden. Erneut stolperte das Tier und knickte mit einem Vorderlauf ein. Sein Reiter war kurz eingenickt und bekam den Ruck nun mit voller Wucht zu spüren, als das Pferd nach vorne absackte. Er konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren, verlor sein Gleichgewicht und landete in einer hohen Schneewehe.

»Jetzt liegenbleiben und schlafen«, waren seine letzten Worte. Dann schloss er vor Erschöpfung die Augen.

Sein Pferd richtete sich wieder auf und stupste seinen Reiter behutsam mit dem Maul an. Da der sich nicht mehr rührte, stellte sie sich mit voller Breitseite gegen den Sturm. Eisern versuchte die Stute in dieser Stellung, ihrem Besitzer gegen den Schneesturm etwas Schutz zu bieten.

Die Tage und Nächte vergingen wie im Flug, so kam es ihm jedenfalls vor, wie in einem nie endenden Traum. Auf einmal wurde es dem Reiter warm, ja regelrecht heiß, fast schon fiebrig. Er spürte ein schweres Gewicht, das über seinen Beinen und dem Oberkörper lag, wodurch er sich kaum bewegen konnte. Es fühlte sich an, als würde ihn jemand besitzergreifend an sich drücken. In seiner Lendengegend regten sich ganz ungewohnte Gefühle, sanfte Stränge der Sehnsucht durchfuhren ihn. Nach so langer Zeit fühlte er sich endlich einmal wohlig warm und geborgen. Die übliche Kälte und der Hass, die er von klein auf kennengelernt hatte, rückten in seinem Gehirn ganz weit nach hinten. Genüsslich ließ er sich in dieses unbekannte Gefühl hineingleiten.

Raphael betrachtete erleichtert seinen schlafenden Patienten, der neben ihm im Bett tief und fest schlief. Endlich hat er wieder eine normale Körpertemperatur. Es wurde auch Zeit. Nur sollte er auch bald aufwachen. Zaghaft versuchte er, ihn aufzuwecken.

Raphaels sanfte Stimme drang durch den Nebel in sein Gehirn: »Wach auf, Dornröschen«, begleitet von einer Hand, die sacht über seine Brust strich, um dort kurz zu verharren. Gefühlvoll zupfte er an den kleinen Knospen, die sich unter der Berührung aufrichteten, als sehnten sie sich nach dieser Liebkosung. Gleichzeitig strichen seine Finger leicht über die mittlerweile harte Brustwarze. Diese Berührung überzog den Körper mit einer Gänsehaut, aber nicht vor Kälte, sondern von der zarten Liebkosung. Sacht streifend wanderten die Fingerspitzen über den schlanken und muskulösen Bauch hinab. Dieser erzitterte leicht unter der federleichten Berührung. Das Glied zuckte und stellte sich auf. Sehnsüchtig bettelte es geradewegs darum, die gleiche Behandlung zu erhalten. Nur, die freche Hand tat dem mittlerweile steifen Glied diesen Gefallen nicht. Sie fuhr stattdessen an ihm vorbei, über die Hüfte, in Richtung der Oberschenkel. Auf der Innenseite glitt sie wieder nach oben, und wieder mied sie die lockenden, zuckenden und vor Verlangen vibrierenden Lenden. Die unbekannte Hand legte sich sacht auf den Bauch und verharrte dort für eine quälende Ewigkeit. Endlich setzte sie sich wieder in Bewegung. Voller Vorfreude, dass ihm endlich auch Beachtung geschenkt wurde, zuckte und vibrierte sein bereits vor Lust schmerzendes Glied. Ein Liebestropfen bildete sich dabei auf der Spitze und lief über die dicke Eichel hinab. Plötzlich verschwand die Hand und zurück blieb die Sehnsucht nach mehr. Kurz darauf erklang ein Rumsen, gefolgte von einem lauten Schmerzensschrei, der ihn mit einem pochenden, steifen Glied aus dem Traum riss.

Was war das für ein Schrei?Zanken sich die Magier wieder über irgendein wertloses Kraut? Können die mich nicht einmal schlafen lassen? Plötzlich fiel ihm etwas Ungewöhnliches auf. Wieso ist es um mich herum so kuschelig weich, und warum habe ich das Gefühl, dass hier irgendetwas fehlt, nur was? Mhm … jetzt weiß ich es wieder. Ich war auf dem Weg nach Takara. Das Letzte, an das ich mich erinnere, sind die eisige Kälte und der heftige Schneesturm, durch den mein Pferd und ich uns hindurchquälten. Der Sturm war richtig unheimlich, besonders das laute Geheul, das von wilden Eiswölfen kam, die uns verfolgten. Auch wenn ich keinen von ihnen gesehen habe. Für diese Jahreszeit brach der Winter viel zu früh über das Land herein. Oder waren die Kälte und der Sturm nur ein böser Traum? Hier ist es so schön kuschelig weich und warm, ich würde am liebsten nie wieder aufwachen. Wenn nicht das eigenartige Kribbeln in meinen Lenden wäre, was hat das zu bedeuten? Mit einer Hand fuhr er an seinem Bauch hinunter und strich entlang der langen Narbe, die quer darüber verlief. Weiter fuhr er hinab und blieb an seinem immer noch leicht erigierten Penis hängen. Was ist das? Hat der eigenartige Traum etwas damit zu tun? Oder ist es Magie?

Langsam öffnete er blinzelnd seine Augen und brauchte einen Moment, um sich an die Helligkeit des Zimmers zu gewöhnen. Ungläubig betrachtete er noch etwas verschlafen seine neue Umgebung.

Wo bin ich hier gelandet? Dieses Zimmer kommt mir nicht bekannt vor. Das Bett ist ja drei Mal so groß wie die viel zu harte Pritsche, auf der ich normalerweise schlafe.

Sein Blick fiel auf ein kleines Tischchen, das neben dem Bett stand und auf dem sich ein Tablett mit vielen Leckereien befand: Ein Laib Brot, Käse, Äpfel, Schinken, ein kalter Braten sowie ein Krug mit Wasser. Es wäre zu schön, wenn sich in dem Krug Wein befände. Den könnte ich jetzt gut gebrauchen.

Bei dem Anblick knurrte sein Magen leise. Da fiel ihm ein, dass es schon eine geraume Zeit her war, als er das letzte Mal etwas gegessen hatte. Rechts von ihm in der Wand befand sich ein großer Kamin, in dem ein Feuer dem Raum diese behagliche Wärme spendete.

Kiron fühlte in sich hinein und bemerkte das, was er bis jetzt noch nie gespürt hatte.

Mhm, ich fühle mich ausgesprochen gut, sogar sehr gut.

Mit dem Gefühl, endlich mehr als nur zwei Stunden in der Nacht geschlafen zu haben, lächelte er, was für ihn sehr ungewohnt war. Im unterirdischen Schloss konnte er nie lange schlafen, dort musste er immer auf der Hut vor Neidern und Angreifern sein. Er war mit ihnen aufgewachsen, sie waren für ihn wie Brüder, nur verstand er nicht, warum sie alle seinen Tod wollten. Kiron vermutete, dass sein etwas anderes Aussehen der Grund dafür sein mochte. Ein weiteres Magenknurren holte ihn wieder aus seinen Grübeleien heraus. Wenn ihn nur der Hunger nicht so plagen würde! Zudem verstand er nicht, woher das starke Pochen in seinen Lenden so plötzlich kam. Sein Glied zuckte immer noch leicht, sobald er mit seiner Hand ganz sachte die Spitze berührte.

Stimmt, da war noch etwas, was ihn aus seinem Schlaf geholt hatte ...

Langsam drehte er seinen Kopf nach links und sah neben dem Bett ein Knäuel aus Decken und Fellen. Über die Bettkante ragte ein schwarzer Haarschopf, dem die Sonne einen bläulichen Schimmer verlieh. Etwas verschreckt blickten ihn zwei smaragdgrüne Augen an.

Was für Augen! So eine Farbe habe ich noch nie gesehen. Ist das ein Engel? Bin ich gestorben?

Das Pochen zwischen seinen Beinen verstärkte sich aufs Neue, verwirrt fuhr er mit der Hand in diese Region und fühlte eine steinharte Latte auf seinem Bauch liegen. Wenn die Decken nicht so schwer wären, würde sein Glied steil in die Höhe ragen. Was bedeutet das nun wieder?

Eine kräftige Stimme unterbrach ihn in seinen Überlegungen. Diese ging ihm durch und durch, sogar sein Glied zuckte bei dem Geräusch dieser Stimme.

»Guten Morgen, Ihr seid endlich aufgewacht.«

»Ähm ... Bin ich tot? Seid Ihr ein Engel?«, sprach er verwirrt seine Gedanken leise aus. Was er jedoch nicht laut sagte, war: So schön, wie er aussieht, kann ich nicht in der Hölle gelandet sein, denn von dort komme ich ja her.

Das leise Lachen von der Erscheinung neben dem Bett schoss ihm durch sämtliche Glieder.

»Nein, ich bin kein Engel, und Ihr seid auch nicht tot. Wie fühlt Ihr Euch?« Raphaels Stimme klang irgendwie nervös, als er hastig weitersprach. »Habt Ihr Hunger?«

Bei dem Wort Hunger meldete sich sein Magen mit einem lauten Brummen erneut. »Ja«, krächzte er. Erschöpft schloss er für einige Augenblicke die Augen. Das Sprechen fiel ihm noch sehr schwer. Es klang, als habe er seine Stimme lange nicht mehr benutzt, und der Weg durch den Schneesturm tat sein Übriges.

Erneut erklang die wunderschöne kräftige und leicht raue Stimme: »Wie lautet Euer Name?«

Nach einem längeren Schweigen dachte Raphael schon, er sei bereits wieder eingeschlafen, doch er öffnete seine Augen wieder und antwortete leise: »Ich heiße Kiron. «

»Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Raphael, ich bin hier der Heiler. Warum seid Ihr bei so einem Sturm unterwegs gewesen?«

Er ist ein Heiler? Oh je ... wo bin ich hier gelandet? Kurz ging Kiron in Gedanken noch einmal sein Erlebnis der Reise durch, heiser brachte er die Worte heraus: »Ich wurde plötzlich davon überrascht, ich konnte ja nicht ahnen, dass der Winter hier so früh über das Land rollt.«

»Da gebe ich Euch recht. Für den Schnee ist es viel zu früh. Wie fühlt Ihr Euch?«

Bei Kirons Anblick musste Raphael sich wieder räuspern, um sich von ihm abzulenken. Er hatte schon Mühe, die Beule in seiner Hose zu verbergen. Es wäre zu peinlich, wenn Kiron dies in seinem angeschlagenen Zustand bemerken würde. Wer weiß, was er von ihm halten würde, wahrscheinlich nichts Gutes.

»Ich fühle mich so, als hätten mich gleichzeitig ein Wirbelsturm und die Wölfe der Schneehexe durch den Wald gejagt«, antwortete dieser mit einer fast zu erotischen rauen Stimme.

»Das kann ich mir gut vorstellen.«

Schon fielen Kiron die Augen wieder zu. Ein leises Rascheln ertönte von der linken Bettseite her und Kiron öffnete müde seine Lider. Blinzelnd schaute er in die Richtung, aus das Geräusch kam. Neben dem Bett stand auf einmal dieser Raphael. Erstaunt runzelte er die Stirn und fragte sich, was das eben war. Er konnte vorhin gerade über die Bettkannte schauen und auf einmal stand ein ein Meter achtzig großer und muskulöser Mann vor ihm.

Sein weißes Hemd war schief zugeknöpft und hing lässig über seiner dunkelbraunen Lederhose, als sei er hastig in seine Kleidung hineingeschlüpft. In seiner saloppen Erscheinung sah er wild und verwegen aus. Selbst seine Haare hingen in leichten Wellen bis auf die Schultern herab. Der Mund sowie seine smaragdgrünen Augen lächelten milde, aber besorgt auf ihn herab.

Dieser Adonis von einem Mann beugte sich tief herunter, und Kiron konnte seinen würzigen Duft einatmen. Der Mann mit dem Namen Raphael roch würzig frisch wie ein Wald nach einem Sommersturm.

Ein Blick in diese Augen und erst sein Geruch. Sofort fühle ich mich, als stünde ich mitten in einem Wald, auf einer Lichtung, die von der Sonne geküsst wird. Oh, nein … was ist das? Woher kommen jetzt solch eigenartigen Gedanken?

Verwirrt und gegen seinen Willen zwang Kiron sich, den Blick von Raphaels Augen loszueisen und stur auf die Bettdecken zu richten. Selbst sein Körper protestierte dagegen. Sanft griff Raphael unter Kirons Arme und half ihm, sich aufzusetzen. Anschließend steckte Raphael die Decken um Kirons nackten Körper fest.

Kiron hatte ein komisches Gefühl in der Magengegend, als sein empfindliches Glied an der Decke entlangstrich. Raphaels Berührung sendete viele kleine Stromstöße geradewegs durch seine Lenden. Dann steckte Raphael auch noch die Bettdecke an den Seiten fest, dabei saß Kiron stocksteif da und hielt die Luft an. Anscheinend bemerkte Raphael nichts von seinem Dilemma, zumindest ließ er sich nichts anmerken. Stattdessen stellte er genau auf diese delikate Stelle ein mit Essen und Getränken voll beladenes Tablett ab. Kiron biss nun auch die Zähne zusammen und blies den angehaltenen Atem, innerlich aufstöhnend, zwischen den Lippen hindurch. Vorsichtig schob Kiron das schwere Tablett von seinem empfindlichen Schoß auf die Oberschenkel. Sein immer noch erregtes Glied dankte es ihm, von dem Gewicht befreit worden zu sein. Erleichtert sog er den Sauerstoff wieder in seine Lunge und atmete einige Male tief ein und aus. Heimlich schaute er auf die fragliche Stelle und vergewisserte sich, dass nichts von seiner Erektion zu erkennen war. Erleichtert stieß er die Luft leise aus, zum Glück verbargen die Decken jedes Geheimnis. Schon streifte sein Blick das Tablett, und sofort lief ihm bei der Menge an Essen das Wasser im Mund zusammen. Sogar sein Glied beruhigte sich allmählich, es zuckte zwar noch ein paarmal, bis es friedlich auf seinem Schenkel zu liegen kam.

»Bitte, greift zu, aber esst langsam, Ihr habt anscheinend schon lange nichts mehr gegessen. Nicht, dass Ihr Euren Magen überanstrengt und Euch das Essen ein weiteres Mal durch den Kopf geht.«

Mit einem fragenden Blick sah er zu Raphael auf. »Noch einmal durch den Kopf geht?«

»Das bedeutet, wenn Ihr zu schnell esst, verträgt das Eurer Magen nicht, und er schickt das Essen wieder zurück.«

Ein verstehendes Nicken kam von Kiron als Antwort.

»Gut, dann lasst es Euch schmecken. Ich gehe zum König und werde ihm berichten, dass Ihr endlich aufgewacht seid«, sagte Raphael etwas heiser. Die Stimme des Heilers erklang irgendwie aufgeregt.

Als Kiron noch einmal hochsah, traf sein Blick Raphaels wundervolle smaragdgrüne Augen. Was ein Fehler war, denn bei diesem Anblick kribbelte es schon wieder in seinen unteren Körperregionen. Kiron musste sich zwingen, seinen Blick abzuwenden. Er kannte ihn gerade wenige Minuten, aber schon kam ihm Raphael wie eine Sucht vor. Am liebsten würde er nur dasitzen und ihn stundenlang anstarren.

Kaum hatte der Herzog den Raum verlassen, hob Kiron ungläubig die Decke einen Spalt hoch und lugte darunter. Neugierig betrachtete er sein erneut steil aufragendes Geschlecht. Sachte stupste er mit dem Finger auf die Spitze, schon reagierte sein Glied auf diese Berührung und zuckte leicht hin und her. Dieses leichte Anstupsen weckte in ihm ein schon fast schmerzliches Kribbeln, ein unbekanntes Gefühl, das sich langsam in seinem Körper ausbreitete.

Was ist das? Was für ein Gefühl ruft so eine Körperreaktion hervor? Welche Magie wird hier verwendet, und mit was wurde ich verhext? So ein eigenartiges Verhalten kenne ich von dir gar nicht. Und von mir auch nicht. Warum will ich den Mann, den ich eigentlich nicht kenne, am liebsten stundenlang anschauen? Und warum kommt es mir so vor, dass mir jetzt irgendetwas fehlt, seit er das Zimmer verlassen hat? Wenn Axxes heimlich in meiner Kammer war, hast du dich nie so aufrecht hingestellt. Ehrlich gesagt, ich habe auch nie richtig mitbekommen, was er mit mir gemacht hat, spürte danach in meinem Bauch nur Schmerzen. Weißt du, was da jedes Mal passiert ist? Oder was jetzt mit dir los ist?, fragte er lautlos seinen langsam in sich zusammenfallenden Glied.

Der gab ihm jedoch keine Antwort; nur ein winziger Tropfen rann aus dem kleinen Spalt heraus, bevor er wieder auf dem Schenkel zu liegen kam.

»In der Hölle habe ich noch nie etwas Derartiges erlebt. Ich hatte keine Ahnung, dass mein Penis auch zu etwas anderem fähig ist, als sich nur hinter einem Gebüsch zu erleichtern.«

Der Duft des Essens und sein knurrender Magen lenkten ihn von seinem Monolog ab. Da sich sein Körper wieder beruhigt hatte, nahm er sich für später vor, sich um die neuen Erfahrungen zu kümmern.

Hungrig machte Kiron sich erst einmal über die Speisen her. Er griff nach einem Stück Käse und rupfte gleichzeitig ein großes Stück vom Brotlaib ab. Abwechselnd biss er in den Käse und in das Brot, kaute beides gemächlich durch, bevor er es hinunterschluckte. Er musste sich bremsen, um nicht alles zu schnell hinunterzuschlingen, denn schon nach dem ersten Bissen merkte Kiron, wie hungrig er tatsächlich war.

So allein im Zimmer hatte er neben dem Essen jede Menge Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen.

Was sagte er? Er wollte jemandem Bescheid geben, dass ich endlich aufgewacht bin. Wem gibt er Bescheid? Ich weiß immer noch nicht, wo ich hier gelandet bin.Nach einem Zeltlager der Magier sieht es jedenfalls nicht gerade aus. Den Mauern nach zu schließen, bin ich hier in einem Schloss oder auf einer Burg. Mhm, dann kann ich mich also nur auf dem Schloss Takara befinden. Im Reich von König Uriel. Und welchen Tag haben wir heute? Ich muss zu Samhain an dem sagenumwobenen See sein, so lautete mein Befehl. Erzmagier Axxes ist unerbittlich, wenn seine Befehle nicht nach seinen Wünschen ausgeführt werden.Und ähm …, was sollte ich gleich noch an dem See tun? Oh, mein Kopf ist wieder wie leer gefegt. Warum schickte mich der Erzmagier bei so einem Wetter nach Takara an den blöden See zu Samhain? Jetzt noch länger hier herumzugrübeln bringt auch nichts. Sobald mein Gehirn wieder voll funktionsfähig ist, fällt es mir bestimmt wieder ein. Zumindest scheint es, dass ich mich hier in das richtige Land verirrt habe.

Mit dieser Erkenntnis verspeiste Kiron genussvoll den restlichen Käse und ein weiteres Stück des Brotes. »So was Leckeres habe ich noch nie gegessen. Vor einigen Monaten hatten wir zwar einen Koch, der aus den einfachsten Zutaten ausgezeichnete Menüs zaubern konnte, doch das hier ist so viel besser. Aber seit die Nichte des Erzmagiers ins Schloss eingezogen ist, hat sie ihn ganz für sich beschlagnahmt. Und wir anderen mussten uns mit seinem Lehrling, diesem Colic, begnügen. Colic schafft es sogar, dass das Wasser auf der kalten Feuerstelle anbrennt«, murmelt Kiron leise vor sich hin.

Erneut betrachtete er die Auswahl an Leckereien auf seinem Schoss. Ganz besonders die reifen Äpfel lockten ihn mit ihrem süßen Duft. So griff er nach einer dieser Früchte und biss herzhaft in den rotbackigen, saftigen Apfel hinein. Während er den süßen Geschmack der Frucht auf seiner Zunge zergehen ließ, goss er sich aus dem Krug ein wenig in seinen Becher. Der dunkelroten Flüssigkeit nach konnte es kein Wasser sein, worüber er sich sehr freute. Vorsichtig schnupperte er an dem Becher. Es roch würzig und fruchtig. Kiron nippte erst vorsichtig und genoss den ungewohnten Geschmack seines Getränks. Rasch trank er einen großen Schluck von dem Kräuterwein, der ihm wohltuend durch seine Kehle rann.

Es kam ihm ewig vor, bis Raphael zurückkam. Als er bemerkte, dass Kiron einiges gegessen hatte, lächelte er zufrieden. »Wie geht es Euch nun?«

»Ich bin irgendwie so müde.«

»Ihr braucht noch jede Menge Ruhe. Schlaft eine Weile, das wird Euch guttun.« Raphael nahm ihm das Tablett ab und ging damit hinaus. Kiron kroch wieder unter die Decken und schlief bald darauf ein.

Nachdem Raphael aus der Küche kam, wo er der Küchenmagd das Tablett in die Hand gedrückt hatte, ging er in die Bibliothek. Dort nahm er einen Stapel Bücher von seinem Schreibtisch, die er in Kirons Schlafzimmer lesen wollte. Ein paar Minuten später kam er wieder zurück und sah, dass sein Patient tief und fest schlief. So hielt er am Krankenbett Wache und nutzte die Wartezeit, um eine Lösung oder einen Hinweis für ihr bevorstehendes Problem zu finden. Ich muss eine Möglichkeit finden, gegen die Bedrohung der schwarzen Magier aus den Mahoobergen vorzugehen, ging ihm durch den Kopf, während er sich an das Fenster in den weichen Sessel setzte.

Raphael saß bereits einige Stunden in dem Sessel und las in seinen Büchern, bis ihm selber die Augen immer wieder zufielen. Da stand er auf und ging leise, um Kiron nicht zu wecken, in das angrenzende Zimmer. Müde kroch er unter die Decken und sank sogleich in einem traumlosen Schlaf.

Noch bevor die Sonne am nächsten Morgen aufging, war Raphael schon wieder auf den Beinen. Sein erster Gang führte ihn in die Bibliothek. Dort verbrachte er ein paar Stunden, um weitere Bücher zu wälzen, bis es an der Zeit war, nach seinem Patienten zu sehen.

Auf dem Weg zu ihm begegnete Raphael der Wäscherin Anna: »Guten Morgen, Herzog, die Kleidung des Gastes wäre fertig gewaschen und geflickt.«

»Sehr schön, ich kümmere mich gleich darum.« Ich Dummerchen, wie konnte ich das vergessen. Er braucht doch etwas zum Anziehen. Kiron kann ja nicht für immer nackt im Bett bleiben. Auch wenn ich nichts dagegen hätte. Aber solange er nicht aufsteht, hat es noch etwas Zeit. Bei der Vorstellung musste er lächeln. Mit einem freundlichen Nicken verabschiedeten sie sich, und Raphael machte sich auf den Weg.

Wenig später kitzelte die Sonne Kiron aus seinem Schlummer. Verschlafen blinzelte er in die hellen Strahlen, dabei entdeckte er ein volles Tablett mit Essen neben sich. Jemand hatte ihm heute Morgen das Frühstück ans Bett gestellt, ließ ihn jedoch schlafen. Aber die Wärme unter den Decken war verlockender, daher kuschelte er sich noch einmal gemütlich hinein.

Nachdenklich betrachtete Kiron die Zimmerdecke und überlegte, wie er hierher gelangt war. Heute ist der erste Tag, an dem ich mich endlich so richtig wach und fit fühle. Wie lange bin ich schon hier? Es fühlt sich alles so unwirklich an. Seit ich hier bin, habe ich nur geschlafen, oder eine Kleinigkeit gegessen und getrunken. Zu längeren Gesprächen war ich nicht in der Lage, entweder war ich zu müde dazu oder brachte kein Wort heraus. Allein bei dem Anblick meines Gesprächspartners verschlug es mir schon die Sprache. Oder lag es an dem Wein? Ich vertrage anscheinend keinen Alkohol, dabei schmeckt er richtig lecker. Zu Hause trinke ich nur Quellwasser vom Gebirgswasserfall, der hinter dem Nordflügel des Schlosses aus einer Berghöhle in einen kleinen Bach fließt. Dieser Kräuterwein besitzt einen besonderen Geschmack, er beflügelt meine Geschmacksknospen im Mund wie die Explosion einer magischen Feuerkugel.

Sein Magen knurrte, zwang ihn, sich nun doch aufzusetzen um zu sehen, was man ihm gebracht hatte. Erfreut nahm er den Krug und füllte den Becher bis zum Rand. Trotz seines Durstes zwang er sich, langsam zu trinken, was ihm nicht ganz gelang. Der mittlerweile kalte Kräuterwein schmeckte ungewohnt, aber köstlich, und daher leerte er den Becher in einem Zug. Trotzdem war er immer noch durstig, und so goss er sich sofort ein weiteres Mal nach und trank davon die Hälfte. Gleichzeitig griff er mit der anderen Hand nach dem kalten Braten und knabberte an ihm herum, dabei verzog er angewidert sein Gesicht.

»Das ist nichts für mich, ich halte mich besser an die Äpfel und den Wein.« Geräuschvoll verspeiste er zwei Äpfel, die er mit großen Schlucken des Kräuterweins hinunterspülte. Allmählich stillte sich sein Hunger, und der Wein machte Kiron wieder sehr schläfrig.

»Sobald dieser Raphael wiederkommt, brauche ich jede Menge Antworten auf meine Fragen«. Er konnte jedoch kaum noch die Augen offenhalten. Ungläubig sah er in den halb vollen Weinbecher. »Was ist in dem Wein drin? Ich werde schon wieder so müde …«. Ohne etwas von den Überresten hinunterzuwerfen, schob Kiron das Tablett auf die andere Bettseite hinüber. Schläfrig kuschelte er sich unter die Decken und war kurz darauf im Land der Träume.

Kiron bemerkte in seinem Tiefschlaf nicht, wie Raphael hereinkam, um nach ihm zu sehen und das Tablett wieder mitzunehmen.

Besorgt betrachtete Raphael den Mann. Auch wenn er für seine Genesung viel Schlaf brauchte, wäre es an der Zeit, dass er mehr wache Phasen hatte. Das würde ihm die Gewissheit geben, dass sein Patient das Schlimmste überstanden hätte. In Gedanken schickte er ein Lob an Küchenmagd Annie. Sie sorgte jeden Tag dafür, dass ein frisches Tablett mit Essen und Trinken vor der Tür bereitstand, um den Patienten nicht zu stören. So brauchte Raphael es nur hereinzuholen. So oft es ihm möglich war, saß er neben seinem Bett und wachte über Kirons Schlaf. Die meiste Zeit las er in einem der dicken Bücher, bis ihm vor Anstrengung die Augen zufielen.

Nur eins wusste Raphael nicht: Oft stellte sich Kiron schlafend, um ihn heimlich durch seinen dichten Wimpernvorhang zu beobachten, wenn er neben seinem Bett saß. Am faszinierendsten fand er Raphaels smaragdgrüne Augen sowie sein mitternachtsschwarzes Haar, wenn die Sonne darauf tanzte, und es dadurch einen blauen Schimmer erhielt. Kiron konnte stundenlang in sein markantes Gesicht sehen. Besonders Raphaels sinnliche Lippen luden zum Küssen und Verwöhnen ein. Was Kiron immer wieder ein Schmunzeln entlockte, war die gerade Nase, die ab und zu etwas zuckte, wenn er ganz vertieft in seine Gedanken dasaß. Erst recht sein muskulöser Körper versprach jedem, der ihn sah, feuchte Träume. Allein seine Ausstrahlung bot jedem Trost, der sich an ihn anlehnte, um dort Zuflucht und Sicherheit zu finden. Warum stört mich der Gedanke so, wenn Raphael jemand anderes in seinen Armen hält? Es verwirrte Kiron jedes Mal, denn sobald der Heiler den Raum betrat, reagierte sein Schritt schlagartig auf ihn. Er schaffte es einfach nicht, diese neuen Gefühlsregungen einzuordnen! Dieses Chaos muss aufhören, so kann es nicht weitergehen! Ich weiß, dass ich einen Auftrag habe. Wenn mir nur einfallen würde, was ich hier tun soll. Was war das noch gleich? Ich habe wohl einen zu harten Schlag auf den Kopf bekommen. Solange dieser Raphael hier im Raum ist, kann ich nicht richtig nachdenken, und ich brauche einen klaren Kopf.

Der Tag verging rasch und nach dem Abendessen schlief Kiron, vom vielen Wein benebelt, schnell ein. Raphael hatte bemerkt, dass der Weinkrug jedes Mal leer war. So gab er die Anweisung an die Küchenmagd Annie, sie solle doch bitte einen weiteren Krug bereitstellen. Die Kräuter in dem Wein halfen seinem Patienten bei der Genesung. Der Alkohol sorgte für die innere Wärme, was Raphael am liebsten selbst übernommen hätte: Seinen Patienten innerlich wie äußerlich mit Liebkosungen seiner Hände und Zunge zum Glühen zu bringen. So eine schweißtreibende Lust taut jeden Eisblock auf. Ja, wie gerne würde ich heute Nacht neben dir liegen und morgen Früh mit dir in den Armen aufwachen. Seufzend verließ er das Krankenzimmer und suchte wieder die Bibliothek auf, in der er die letzten Wochen auf der Suche nach einer Lösung für Kunitora war.

Er lief durch die verschlungenen Gänge im unterirdischen Schloss und stand plötzlich einer düsteren Gestalt gegenüber, die ihm mit einer tiefen, gebieterischen Stimme befahl: »Reite zu dem geheimnisvollen See und bringe mir, was er verbirgt.« Schlagartig wachte Kiron aus seinem Traum auf und richtete sich auf. »Oh nein, das unterirdische Schloss!«, rief er laut aus. So plötzlich, wie ein Blitz vom Himmel schießt, fiel ihm sein Auftrag wieder ein!

Genau in diesem Augenblick öffnete sich die Tür, vor Schreck erstarrt saß Kiron da. Lächelnd betrat der Heiler den Raum und kam ans Bett.

Oh je, Raphael, hat er etwas gemerkt? Oder hat er mich gerade gehört? Hoffentlich nicht ... Moment, was hat er dabei? Auf dem Arm trägt er einen großen Stapel Kleidung. Wo hat er die her? Darunter sind auch meine Sachen, aber auch mir unbekannte Hemden und Hosen. Vielleicht sind es seine eigenen, die er mitgebracht hat, nur würde ich in seine Kleider mindestens zweimal reinpassen.

»Wie schön, Ihr seid wach. Wie geht es Euch heute?«, fragte Raphael erfreut.

»Gut, danke.«

»Ihr seht heute auch schon richtig erholt aus.«

»Ja, ich fühle mich auch richtig gut.«

»Das höre ich gern.« Raphael lächelte immer noch freundlich auf Kiron herab.

Kiron wandte seinen Blick ab, er konnte einfach nicht lange in die smaragdgrünen Augen Raphaels schauen. Sonst würde er in ihnen ertrinken. Stattdessen sah er die Steinwände an und fragte sich: Wenn ich nur wüsste, wo ich hier bin. Blöde Frage, Kiron, wie wäre es, wenn du den wirklich sexy Kerl neben dir fragen würdest? Es wäre zumindest schon mal ein kleiner Anfang. Moment, wie komme ich jetzt auf sexy Kerl? Woher kommt das schon wieder? Verdattert schüttelte er kaum merklich den Kopf. Versuchen wir mal eine Frage nach der anderen, um endlich eine Antwort darauf zu bekommen.

Raphael bemerkte Kirons eigenartiges Verhalten und wollte ihn soeben danach fragen, kam jedoch nicht dazu. Schon fragte Kiron ihn: »Wo bin ich hier?« Seine Stimme klang noch recht rau.

»Ihr befindet Euch auf dem Schloss Kunitora!«, kam es freundlich vom Bettrand her.

Erschrocken sah Kiron an dem Mann vorbei und starrte zum Fenster hinaus. Ich bin auf Kunitora? Da bin ich ja komplett in die falsche Richtung geritten, wie konnte ich nur so vom Weg abweichen! Na klar, der Schneesturm. Das Mistding hatte meine Sicht sowie meinen Orientierungssinn vollkommen eingefroren, und da konnte die Eishexe mich in die falsche Richtung führen. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät, um an den See zu gelangen. Meine Gedanken überschlagen sich, ich brauche mehr Informationen.

»Welches Datum haben wir heute?«, stotterte Kiron unsicher.

»Wir haben heute den 13. November«, erwiderte Raphael mit seiner tiefen und kräftigen Stimme, die Kiron wieder durch und durch ging.

Oh nein, da bin ich bereits über zwei Wochen zu spät für das Treffen am See mit den anderen Magiern. Der Erzmagier hat seit meiner Abreise nichts mehr von mir gehört. Er wird sehr wütend auf mich sein, wenn nicht sogar vor Zorn toben. Auch die Strafe, die mich erwartet, sobald ich wieder zurück bin, wird mir bestimmt nicht gefallen. Sein Befehl, mich jeden Tag bei ihm zu melden, war unmissverständlich. Wie konnte mir nur so etwas passieren? Wie habe ich es nur geschafft, so lange zu schlafen? Haben die mich verzaubert, oder haben die mir etwas in den Wein getan?

Sein Gesicht musste sehr blass geworden sein, denn eine besorgte Stimme riss Kiron aus seinen verzweifelten Gedanken zurück in die Wirklichkeit.

»Ist mit Euch alles in Ordnung? Ihr seid auf einmal so blass um die Nase geworden. Geht es Euch nicht gut?«

Nein, es ist ganz und gar nichts in Ordnung. Laut sagte Kiron jedoch: »Ja, alles bestens, ich war nur über das Datum erstaunt. Denn so lange habe ich schon lange nicht mehr geschlafen.« Er versuchte ein zaghaftes Lächeln, das eher einer Grimasse ähnelte.

»Ihr lagt einige Tage in einer Art Koma, Euer Körper hatte es als eine Schutzfunktion eingeleitet, um Euch am Leben zu erhalten.«

Herzog Raphael betrachtete mit in Falten gelegter Stirn die steife Körperhaltung seines Patienten. Der Herzog machte sich über ihn auch so einige Gedanken: Irgendetwas hat er. Aber vielleicht ist Kiron tatsächlich nur schockiert, weil er so lange geschlafen hat? Aber auch Raphael hatte einige Fragen an seinen Schützling. Zuerst wollte er jedoch seine Last auf dem Arm loswerden und legte das Bündel Kleidung auf dem Fußende des Bettes ab.

»Ich habe zusätzlich ein paar weitere Kleidungsstücke zum Wechseln mitgebracht. Ich denke, die Sachen müssten passen. Probiert sie einfach an, und was Euch nicht gefällt oder passt, gebt Ihr mir wieder zurück. Da ich Euren Geschmack nicht kenne, habe ich anhand Eurer Kleidung etwas Ähnliches ausgesucht. Bitte verzeiht mir, ich musste Euch aus den nassen und steifgefrorenen Kleidern befreien, um Euch wieder aufzuwärmen. Aus dem Grund habt Ihr momentan kein Hemd und keine Hose an. Keine Angst, ich habe dabei die Augen ›fast‹ geschlossen.«

Das fast sagte Raphael nicht laut, er wollte seinen Patienten nicht noch mehr in Verlegenheit bringen. Der Arme, er sieht im Moment aus, als habe er eine schreckliche Todesnachricht bekommen, nämlich den Termin für seine eigene Hinrichtung. So schockiert habe ich nur Menschen gesehen, die plötzlich einen Todesfall zu beklagen hatten. Ich möchte zu gerne wissen, was in seinem hübschen Köpfchen so vor sich geht. Er tut mir richtig leid. Seine steife Körperhaltung, die vor Schreck geweiteten eisblauen Augen und sein verzweifelter Eindruck, all das rührte Raphaels Herz.

Die Schlange der Angst schlängelte sich durch seine Adern. In ihm wuchs das Gefühl, Kiron vor der unbekannten Bedrohung beschützen zu müssen, die ihn so ängstigte. Doch das musste leider noch etwas warten. Denn solange ich nicht weiß, warum er nun so verschreckt dasitzt, kann ich ihm auch nicht helfen. Im Moment steht aber eine andere Bedrohung vor den Toren von Kunitora und Takara. Das Problem muss erst gelöst werden. Raphael schob sein Gedankenchaos innerlich erst mal nach hinten.

Sobald sein Kopf klarer wurde, sah er wieder zu Kiron, der immer noch wie versteinert dasaß. Dieser Anblick schmerzte Raphael sehr. Am liebsten hätte er ihn in den Arm genommen und seine Angst weggestreichelt und ihm gesagt, dass wieder alles gut wird. Leider konnte Raphael seiner Eingebung nicht folgen, und das schmerzte ihn noch mehr. Krampfhaft überlegte er, was er tun könnte, um ein Lächeln in Kirons Gesicht zu zaubern, es fiel ihm jedoch nichts ein. So versuchte er, das Thema auf etwas Banales zu lenken und kam auf das ursprüngliche Thema zurück: »Unsere Wäscherin hat sich Eurer Kleidung angenommen, sie gereinigt und getrocknet. Es gibt allerdings einiges, was ich von Euch noch wissen möchte, bitte nehmt mir die Neugier nicht übel.«

Raphaels Worte drangen nur langsam zu ihm durch. Was hat er gesagt? Irgendetwas mit Kleidung … Sein Blick richtete sich auf das Kleiderbündel am Fuße seines Bettes. Er hat sich die Mühe gemacht, für mich Kleidung auszusuchen? Das hat bis jetzt noch nie jemand gemacht. Zu Hause kümmert sich jeder nur um sich selbst, dort hat noch nie jemand freiwillig für einen anderen etwas getan. Und er hat sogar Kleidung für mich besorgt. Warum brennen meine Augen jetzt? Blendet mich die Sonne zu sehr? Nein, das Bett liegt im Moment im Schatten, aber was ist dann mit meinen Augen los?

Verunsichert sagte Kiron: »Nein, ich nehme es Euch nicht übel. Ihr seid zu gütig zu mir«. Was er allerdings für sich behielt: So viele neue Gefühle und Eindrücke, ich fühle mich langsam, als habe mich eine Herde Höllenhunde überrannt. Ich darf mir aber nichts anmerken lassen. Ich wurde schon von klein auf dafür trainiert, alle Gefühle zu unterdrücken und mich meiner jeweiligen Umgebung anzupassen, um nicht aufzufallen. So eine Situation wie hier ist völlig neu für mich.

Raphael musterte die Gesichtszüge und das Stirnrunzeln von Kiron. Er würde ihn zu gerne in den Arm nehmen, seine innere Verzweiflung und Sorgen wegliebkosen und jede Kummerfalte in seinem herzförmigen Gesicht wegküssen. Er befürchtete allerdings, das würde jetzt nicht gut ankommen, und so stellte er die Fragen, die seiner Meinung nach am Wichtigsten waren.

»Wohin wart Ihr bei so einem Wetter unterwegs? Besuchtet Ihr den Ball hier auf dem Schloss und seid auf dem Heimweg in den Sturm geraten?«

Sich selbst fragend, überlegte Kiron: Was sage ich ihm jetzt? Dabei blickte er auf, und seine Augen trafen genau die von Raphael. Wie gebannt sahen sie sich eine Weile nur an. Eine knisternde Stille trat zwischen ihnen ein, die für die beiden nicht unangenehm war. Langsam und zäh sickerten Raphaels Fragen in Kirons Gehirn durch. Moment, eben hatte er mich doch etwas gefragt. Nach kurzer Überlegung fiel es Kiron wieder ein, und er antwortete mit der erstbesten Ausrede, die ihm einfiel. »Ich bin Händler und war auf dem Weg nach Usagikuni. Dort wollte ich die neue Ware von meinem Schiff, das Ende November von einer Reise aus dem Osten im Hafen einläuft, abholen.«

Das ist zwar eine glatte Lüge, aber ich kann hier ja sehr schlecht ausposaunen: Guten Tag, ihr Bewohner von Kunitora. Ich bin Obermagier Kiron mit einem Auftrag vom Erzmagier höchstpersönlich. Es geht um die Suche nach dem magischen Schwert, das ich meinem Herrn und Meister, dem Erzmagier Axxes, zurückbringen muss. Vor fast dreihundert Jahren ließ es ein feuerspeiender Greif zufällig in den See plumpsen. Dieser befindet sich nun mal auf eurem Land. Unser Erzmagier möchte die Klinge nicht zum Zerkleinern seiner Vorspeisen verwenden, sondern, um euch in die Knie zu zwingen. Das ist euch doch wohl klar. Nein, das kann ich auf keinen Fall sagen.Die Wahrheit würde mit Sicherheit bei ihm nicht gut ankommen. Aber was wäre besser: Die Strafe des Erzmagiers, sobald ich nach Hause komme, oder hier die Wahrheit zu erzählen. Ich glaube, das Ende wäre für mich auf jeden Fall gleich. Nur, wenn ich es doch noch schaffen sollte, an das Schwert zu kommen, könnte ich Meister Axxes damit besänftigen und am Leben bleiben. Tja, wer die Wahl hat …, das erwähnte er jedoch nicht und blieb stocksteif sitzen. Nach dieser Gedankenflut fiel ihm plötzlich sein Auftrag wieder klar und deutlich ein.

»So? Ein Händler seid Ihr?« Wie ein Händler sieht er aber nicht gerade aus, aber wer weiß, womöglich hatte der Sturm ihn nur so derangiert. »Wo kommt Ihr her?«, fragte Raphael weiter.

Mhm, was sag ich am besten, um mich nicht zu sehr in Lügen zu verstricken? Ich sollte so nah wie möglich an der Wahrheit bleiben. Es wäre sehr ungesund für mich, wenn ich hier auffallen würde und sie mich als einen Magier enttarnen, dachte Kiron, antwortete aber mit: »Ich komme aus Ryokuni, dort führe ich einen kleinen Laden mit Kräutern und Gewürzen aus Fernost.« Das stimmt so weit, für meine Magie benötige ich jede Menge an Kräutern.