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Langsam streckte ich meine Hand aus und fuhr mit meinem Zeigefinger ihren Oberarm entlang bis zu ihrem Handgelenk, wo ich ihren Puls ertasten konnte. Er raste. Sie würde sich in mich verlieben. Koste es, was es wolle… Gegensätzlich, Millionenschwer, Verführerisch
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Seitenzahl: 243
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Darum spende ich pro verkauftem Exemplar
die Hälfte meines Gewinns an den
Verein krebskranker Kinder Hannover e.V.
Catherina Sanz, Kinderanimateurin in einem Edelhotel, kann ihr Glück kaum fassen: Endlich scheint eine Karriere im Management in greifbare Nähe zu rücken. Doch statt einer neuen Stelle bekommt sie einen besonders schwierigen Auftrag: Sie soll den Juniorchef in der Kinderanimation anlernen und auf ihren eigenen Traumjob vorbereiten. Da ist der Plan vollkommen klar: den Kerl rausekeln, und zwar schnell.
Damian Dennert heißt der millionenschwere Auszubildende, der sich sein Leben nach Abschluss seiner feucht-fröhlichen Studentenzeit ganz anders vorgestellt hat. Arbeiten statt Party machen? Auf keinen Fall. Sein Plan steht schnell fest: Frau Sanz, es tut mir leid, aber Sie werden sich unsterblich in mich verlieben. Und meinen Alten davon überzeugen, mich schnell aus dieser Nummer zu entlassen.
Kapitel 1 Damian
Filmriss
Kapitel 2 Catherina
Neue Zukunft
Kapitel 3 Damian
Zukunftsfördernde Maßnahme
Kapitel 4 Catherina
Ma Chérie
Kapitel 5 Damian
Die drei F.
Kapitel 6 Catherina
Untersext
Kapitel 7 Damian
Scheiße!
Kapitel 8 Catherina
Völkerball
Kapitel 9 Damian und Catherina
Die Auktion
Kapitel 10 Catherina und Damian
Das erste Mal
Kapitel 11 Catherina und Damian
IQ
Kapitel 12 Damian und Catherina
Zirkus, nichts als Zirkus
Kapitel 13 Damian
Die nächste Tankstelle
Kapitel 14 Catherina
Pretty Woman
Kapitel 15 Damian und Catherina
Dem Kleber sei Dank
Kapitel 16 Damian und Catherina
Zwei wie Ketchup und Mayo
Kapitel 17 Damian
Hexen brauchen einen Besen
Kapitel 18 Catherina und Damian
Der Chaot und die Perfektionistin
Kapitel 19 Catherina und Damian
Außergewöhnliche Entscheidung
Kapitel 20 Catherina
Wir müssen reden!
Kapitel 21 Damian
Aus dem Leben – aus dem Sinn
Kapitel 22 Catherina
Luftikus
Kapitel 23 Damian
Der Kontrast verschmilzt
Epilog Catherina
Verkauft!
Filmriss
Wo kam dieses verdammte Licht her? Mein Kopf fühlte sich an, als hätte mich jemand mit einem Baseballschläger verdroschen. Ich versuchte meine Augen zu öffnen – keine Chance. Alles drehte sich, vor allem mein nicht vorhandener Mageninhalt. Und dann noch dieser Gestank nach billigem Parfüm … Komm schon, Damian. Wann hattest du zuletzt so einen Filmriss?
Auf meinem rechten Arm lasteten geschätzte siebzig Kilo, ich tastete mit meiner freien Hand hinunter zu meinem Schwanz. Nackt. Nicht erigiert. Moment, nicht erigiert? War das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Noch mal zum Anfang. Gestern war ich mit Kriss unterwegs, wir hatten unsere bestandene Masterprüfung gefeiert. Da war das Dinner mit unseren Familien und der ganze formelle Scheiß, Hunderte Leute beglückwünschten uns zur Beendigung unseres Studiums. Später die Clubtour. Überall waren Weiber, die ihre Hintern in Röcken – na ja, eigentlich waren es eher breite Gürtel – um die Wette präsentierten. Sie taten alles, um an unserer Seite abgelichtet zu werden. Wir waren ja auch lange genug im Ausland gewesen, es war dringend Zeit, wieder in der Heimat die Sau rauszulassen.
Natürlich waren auch die Paparazzi gleich zur Stelle, sie drängelten sich vor den Clubs. Das würde Schlagzeilen geben: Damian Dennert, erneuter Partyexzess – wird er jemals in die Fußstapfen seines Vaters treten?
Boah, der letzte Tequila musste schlecht gewesen sein. Na, irgendeine Susi, Sarah, Sophia – oder wie sie sonst heißen mochte – würde hier schon neben mir liegen. Lass es um Himmels willen nur kein Dunkin’-Donut-Weib sein! Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war eine runde Frau, die in der Birne hohl war.
Mühevoll öffnete ich die Augen. Zu hell. Ich blinzelte. Mein Nacken schmerzte, als ich meinen Kopf zur Seite drehte.
Verdammte Scheiße!
Blonde, strohige Haare verteilten sich um ein weißes Kissen. Diese SusiSarahSophia war geschätzte vierundzwanzig, womöglich auch älter. Ihre Gesichtsform ähnelte einem Apfel, ihre Haut war irgendwie rot. Ihr Mund – ein gerader Strich, farblos, konturlos. Ihre Figur – davon war nicht viel zu sehen, da sie eingewickelt wie eine Sushirolle in ihrem Bettlaken ruhte. Mit den geschätzten siebzig Kilo auf meinem Arm hatte ich nicht falsch gelegen … Eher noch zehn Kilo drauf. Nicht der Frauentyp, auf den ich normalerweise abfuhr. Und dann noch dieses süßliche Parfüm. Ich musste mich beinahe übergeben.
Heiliger Jesus, bitte lass sie mir nur einen geblasen haben. Bei meinem Glück aber hatte ich sie vielleicht sogar entjungfert.
Okay, Damian, Showtime!
Ruckartig zog ich meinen Arm unter dem Kopf der Blondine hervor, schwang die Füße aus dem Bett und schwankte.
»Scheiß Erdanziehungskraft.« Ich fiel fluchend zurück auf die Bettkante. Im Hintergrund ertönte ein krächzender Laut. Wie von einem Papagei. Schnellstmöglich versuchte ich meine Sachen ausfindig zu machen. Aha, auf einem Haufen neben meiner Bettseite. Mein Gastspiel in diesem Zimmer sollte so kurz wie möglich ausfallen. Ich schlüpfte in meine Boxershorts und die Hose, schloss den Gürtel und streifte mir das weiße Hemd über. Alle Knöpfe noch dran, Gott sei Dank. Anscheinend war es nicht stürmisch zur Sache gegangen.
Plötzlich hörte ich eine gedämpfte Stimme neben mir: »Du willst schon gehen, ohne einen Gutenmorgenkuss?«
Meine Nackenhaare stellten sich auf, der Würgereiz war wieder da. Himmel was dachte die denn, wer sie war? Claudia Schiffer? Es war dringend Zeit, Blondi in die Wirklichkeit zu holen.
»Kannst du mir verraten, warum ich ausgerechnet neben dir aufwache?«
Sie fuhr hoch und enthüllte ihre nackte Brust. Ich verspürte den heftigen Drang, meine Augen zu bedecken und mich umzudrehen, um das Desaster nicht länger betrachten zu müssen. Stattdessen gaffte ich sie an, fassungslos. Ihre Dinger hingen wie Schläuche herunter – und zwar wie nicht aufgeblasene Schläuche. Shit!
Dafür gab es nur eine einzige Erklärung: Drogen. Es mussten gestern Drogen im Spiel gewesen sein, von denen ich nichts wusste, ansonsten wäre mir so etwas nie passiert. Ich rümpfte die Nase und schüttelte den Kopf, während ich weiter mit meinen Hemdknöpfen kämpfte.
»Wie jetzt? Sag bloß, du erinnerst dich nicht an letzte Nacht?«
Ich schaffte es, den dritten Knopf meines Hemdes zu schließen, und schenkte ihr meinen herablassendsten Blick.
»Na, wenn es mir nicht im Gedächtnis geblieben ist, kann es nicht besonders gut gewesen sein.«
Völlig perplex starrte sie mir in die Augen. Ach ja, sie war blond, da dauerte das Denken länger. Vielleicht würde sie mich dennoch über den gestrigen Abend aufklären können.
»So, Babe« – mein Kosename für jede Frau, außer meiner Mutter und meiner Schwester. Ich kann mir einfach keine Namen merken. Wozu auch? –, »erklär mir doch mal, was gestern passiert ist.«
Verdutzt klimperte sie mit ihren verklebten Wimpern.
Ich seufzte und versuchte es noch einmal, jedes Wort betonend: »Okay, ganz langsam für dich: Wer bist du? Wo bin ich? Was haben wir gestern Nacht gemacht?«
Um sie zum Sprechen zu animieren, nickte ich zu jedem Satz bestätigend mit dem Kopf.
»Weißt du es denn wirklich nicht mehr?« In ihren Augen sammelten sich erste Tränen. Bitte, lass mich sie nicht entjungfert haben! Sie würde an mir kleben wie ein Kaugummi unter der Schuhsohle. Ich fing an, im Stillen zu beten.
Sie schluchzte. »Du bist mit zu mir gekommen. Ich war so glücklich, dass ein Mann wie du … «, sie brach ab und wischte sich mit dem Handrücken über die Nase, dann sprach sie weiter: »Na ja, auf alle Fälle sind wir zu mir«, wieder ein Seufzen. »Als wir uns dann ausgezogen hatten … « Seufzen.
Langsam wurde ich ungeduldig.
»Du meintest, meine Lippen wären der Wahnsinn …« Seufzen.
Ich musste einen Lachanfall unterdrücken.
»Wie ging es weiter?«
Zu Blondis Unsicherheit gesellte sich Zorn.
»Du Arschloch! Es ging nicht weiter. Nachdem ich dir einen geblasen hatte, hast du ›Danke, Tina‹ gesagt und bist eingeschlafen.«
Jetzt musste ich wirklich lachen.
»Was gibt es da zu lachen?«, fauchte sie mich an.
»Wenigstens habe ich ›Danke, Tina‹ gesagt.«
»Ich heiße nicht Tina! Sondern Saskia«, blaffte sie zurück.
Ich war indessen schon dabei, das Zimmer zu verlassen.
»Muss ich dich für deine Dienste bezahlen?«, fragte ich frech und schloss schnell die Tür. Etwas polterte von innen dagegen. Ich deutete das als ein Nein.
Es dauerte ein wenig, bis ich meinen Standort auf meinem Handy lokalisiert hatte. Ich rief mir ein Taxi und trat auf die Straße. Viel zu hell. Kein Wunder, es war schon Mittag.
Kurz darauf hielt das Taxi vor mir. Es lebe die Großstadt. Ich stieg ein und rieb mir mit den Händen übers Gesicht.
»Aqua-Marin«, gab ich hustend von mir.
Ich wählte Kriss’ Nummer. Womöglich wusste er mehr vom gestrigen Abend. Es klingelte ewig. »Hallo?«, ertönte dann eine heisere Stimme.
»Wo steckst du?«
»Wer ist dran?«, wollte er mürrisch wissen.
Ich verstellte meine Stimme.
»Kristoffer, hier spricht deine Mama, antworte gefälligst auf meine Frage.« Stille.
»Hey, Mum, warum hörst du dich wie eine Transe an?«
Witze über Kriss’ Mum waren an der Tagesordnung. Sie hatte ihn und seinen Vater für einen Jüngeren verlassen. Gut möglich, dass er deshalb zum Arschloch mutiert war, was Frauen anging.
»Hallo?«, sagte ich wieder mit verstellter Stimme.
»Ugh! Sie ist rothaarig!«, schrie er in den Hörer.
»Du hattest wohl auch das Glück, neben einer Naturkatastrophe aufzuwachen«, schmunzelte ich.
Kriss hatte eine Abneigung gegen Rot, genau wie ich gegen Blond.
»Wundert mich, dass du überhaupt eine abbekommen hast. Bei deinem hässlichen Gesicht«, witzelte ich.
Krächzend antwortete er: »Dafür ist mein Gemächt einfach phänomenal.« Ein wehleidiger Ton entrang sich seiner Kehle. »Dieses grüne Gesöff hat uns das Genick gebrochen. Wir haben gefeiert, getrunken und …« Er brach ab und weckte seine Bettgeschichte.
»Hey, Rotschopf, bitte sag, dass ich dich nicht gefickt habe.«
Ich hörte im Hintergrund eine sirenenartige Stimme, die ihn wüst beschimpfte.
»Boah, sei ruhig, du Furie, und hol mir Frühstück!«
Sie fauchte weiter, dass sie nicht sein verdammtes Dienstmädchen sei.
»Okay, Damian, hier scheint sich eine besonders wichtig zu nehmen. Ich verstehe sie kaum, da sie so komisch nuschelt. Keine Ahnung, ob sie alle Tassen im Schrank hat. Ich muss Schluss machen«, sagte er und legte auf.
Kriss und ich tickten in dieser Hinsicht gleich. Wir entstammten beide den weltweit reichsten Hotel-Dynastien, und zusammen hatten wir unser Studium unnötig in die Länge gezogen, da keiner von uns Bock hatte, der Realität zu früh ins Auge zu blicken. Wir feierten, wir fickten und wir flohen. Jetzt, mit neunundzwanzig, fing das Leben erst so richtig an und wir würden es voll und ganz auskosten.
Mein Handy klingelte. Ich schaute aufs Display. Oh nein! Was wollte der so früh von mir?
»Morgen, Paps!«
»Damian, ich erwarte dich heute um Punkt 15 Uhr in meinem Büro.«
Wie ich seinen Befehlston hasste!
»Wieso?«, gab ich genervt zurück.
»Weil ich es sage, Damian!«, knurrte er in den Hörer. Am Klang seiner Stimme hörte ich deutlich heraus, dass er ein Nein nicht gelten lassen würde. Ich hatte an sich ein gutes Verhältnis zu meinen alten Leuten, aber welche Laus ihm heute über die Leber gelaufen war – keine Ahnung.
»Heute ist es schlecht, wie wäre es mit morgen?« Ich musste dringend ins Bett. Mein Kater trieb mich in den Wahnsinn!
»Selbst wenn die Welt aufhören sollte, sich zu drehen, du bist pünktlich um drei bei mir!«
Tyrann.
»Du wohnst in meinem Hotel. Uns trennen zwei Stockwerke, wo liegt dein Problem, Damian?«
Mein Problem? Eine längere Diskussion würde mein Kopf nicht mitmachen.
»Okay«, schnaubte ich und legte verärgert auf.
Meine Fresse! Musste er seine herrische Art gerade an einem Sonntag ausleben? Sonntag war der Tag der Ruhe. Der Tag des Herren. Der Tag, an dem ich ausschlief, den Kater der letzten Party auskurierte und mir den Geruch nach »frisch gevögelt« vom Körper wusch.
Das Taxi hielt am Eingang des Hotelkomplexes. Ein Page öffnete mir die Taxitür.
»Guten Morgen, Herr Dennert«, gab er widerlich fröhlich von sich. Ich streckte dem Taxifahrer die genannte Summe entgegen – mit großzügigem Trinkgeld, falls er eine Geliebte hier und Frau und Kinder in Polen hatte.
»Guten Morgen.« Ich räusperte mich und stieg aus.
Es gelang mir, unbemerkt in meiner Suite zu verschwinden. Frisch geduscht warf ich mich kurz darauf auf das Bett und schlief sofort ein. Der Tag konnte ja nur besser werden …
Neue Zukunft
Eine mir unbekannte Nummer erschien auf dem Display meines Handys. Ich stand gerade auf dem Laufband – an meinem ersten freien Sonntag seit ewigen Zeiten. Bitte lass es nicht die Arbeit sein, hoffte ich inständig. Noch völlig außer Atem, aktivierte ich den Lautsprecher, da sich außer mir kaum Leute in dem Raum befanden. Eine tiefe Stimme meldete sich.
»Frau Sanz?«
»Ja?«, japste ich.
»Entschuldigen Sie, Frau Sanz«, hörte ich wieder die mir gänzlich unbekannte Stimme. »Henry Dennert hier.« Stille.
Beinahe wäre ich rückwärts vom Laufband gerollt, hätte ich mich nicht an einem der seitlichen Griffe festgehalten.
»Mir ist klar, dass ich Sie an Ihrem freien Tag störe, doch es gibt da etwas, was wir miteinander besprechen müssten.«
Besprechen? Mein Chef und ich? Der Chef, den ich nur von Bildern her kannte? Wieso? Dafür hatte er doch zweihundert Angestellte, die als Vermittler zwischen ihm und uns, den normalen Angestellten, fungierten. Und das, wohl gemerkt, nur für dieses eine Hotel …
Ich arbeitete gern für das Hotel Aqua-Marin. Mein Bereich war die neue Sparte Kinderanimation: Ich passte auf die Kinder auf, während ihre Eltern Urlaub machten. Im Moment war ich für drei feste Mitarbeiter verantwortlich, saisonbedingt konnten es sogar bis zu zwanzig Mitarbeiter werden. Mein Job war sehr gut bezahlt, dafür arbeitete ich auch fünf Tage die Woche jeweils von 9 Uhr morgens bis 20 Uhr abends.
Eigentlich war ich völlig überqualifiziert für diesen Job, selbst die vier Fremdsprachen, die ich perfekt beherrschte, hatten mich nicht davor gerettet, in einem Kinderparadies zu landen. Da ich allerdings stark an meine Umgebung gebunden war und vernünftiges Geld verdienen musste, hatte ich mich damals dennoch für diese Stelle entschieden.
Vor einer Woche hatte ich mich dann endlich getraut, eine schriftliche Bewerbung als F&B Assistent Manager/in in unserer Personalabteilung abzugeben. Ob Herr Dennert deswegen anrief?
Mein Chef unterbrach meinen Gedankengang.
»Meine Sekretärin sagte schon, dass sie nicht sicher sei, ob ich Sie jetzt erreichen würde. Glück gehabt«, hörte ich ihn mit inzwischen weicherer Stimme fortfahren.
»Ähm, ja«, stotterte ich.
Reiß dich zusammen, Cat!
Doch das war leichter gesagt als getan, wenn man einen der reichsten Männer der Welt am Hörer hatte, der zwanzig der edelsten Hotels weltweit besaß. Ich stellte das Laufband ab und versuchte, mit wackeligen Beinen wieder einen festen Stand zu bekommen, um mich auf das Telefonat zu konzentrieren.
»Herr Dennert, wie kann ich Ihnen helfen?«, brachte ich einen halbwegs vernünftigen Satz zustande.
»Ich weiß, es ist kurzfristig, aber könnten Sie in einer Stunde in meinem Büro sein? Wie ich bereits erwähnte, gibt es da etwas, über das ich gerne mit Ihnen sprechen würde.«
Er hatte meine Bewerbung also bekommen! Ich vermied es, auf der Stelle zu tanzen und laut loszubrüllen.
Moment – in einer Stunde? Unmöglich, ich war am anderen Ende der Stadt, in Joggingsachen, total verschwitzt! Und ausgerechnet heute hatte ich keine Wechselsachen dabei. Die Fahrt zum Hotel dauerte gute vierzig Minuten, weshalb ich es auf keinen Fall vorher nach Hause schaffen würde, um mich zu duschen und umzuziehen. Mist, Mist, Mist!
Allerdings würde Herr Dennert mir wohl kaum einen anderen Termin bewilligen, da es anscheinend dringend war. Was würde er von mir denken, wenn ich so … Mein Blick glitt an meinem Körper hinunter. Ich beschloss, ehrlich zu sein.
»Herr Dennert, ich kann es schaffen, pünktlich zu sein, wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass ich in meinen Sportsachen zu Ihnen komme. Ich bin im Fitnessstudio und Sie erwischen mich gerade auf dem Laufband.«
Er räusperte sich kurz. »Leider gibt mir mein Terminkalender keine andere Möglichkeit, Frau Sanz.«
»Das verstehe ich«, antwortete ich und suchte bereits meine Sachen zusammen. Diese Chance durfte ich mir nicht entgehen lassen! »Ich beeile mich, damit ich Ihren Terminplan nicht durcheinanderbringe. In einer Stunde bin ich bei Ihnen, auf Wiederhören!«
»Danke, Frau Sanz, bis gleich.«
In der Straßenbahn schossen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Wie dringend ich diese neue Stelle wollte! Endlich würde sich die ganze Mühe lohnen und das zusätzliche Geld könnten wir gut gebrauchen. Dieses Mal musste es klappen! Eine halbe Stunde Fahrzeit lag noch vor mir. Hoffentlich hatte die Straßenbahn heute keine Verspätung. Eine neue Zukunft wartete auf mich.
Zukunftsfördernde Maßnahme
Ich erwachte aus unruhigem Schlaf. Mein Mund war so trocken, als hätte ich Sand gefressen. Schnaubend griff ich zur Wasserflasche, die auf meinem Nachttisch stand, und trank sie in einem Zug leer. Es war kurz vor drei Uhr nachmittags. Keine gute Zeit zum Aufstehen, entschied ich, und drehte mich auf die Seite.
Stopp – da war doch noch irgendwas. Ein ungutes Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Hunger. Ich ging mögliche Speisen durch und blieb bei einem Schinkenomelette hängen. Mühevoll tastete ich zum Telefon, um den Roomservice darüber zu informieren.
Moment mal …
»Fuck!«
Ich drehte mich zur Uhr. 14:58 Uhr. Das würde ich wohl nicht mehr pünktlich schaffen.
Ein tiefer Seufzer entfuhr mir. Um des lieben Friedens willen raffte ich mich auf und überlegte: Jogginganzug oder Businessanzug? Die Mischung macht’s. Ich entschied mich für eine schwarze Stoffhose, ein weißes Designerhemd und weiße Turnschuhe. Ein Abstecher ins Bad und zwanzig Minuten später befand ich mich auf dem Weg in die Chefetage.
Pfeifend betrat ich das Büro der Chefsekretärin. Wie die letzten neunundzwanzig Jahre saß Elisabeth an ihrem Bürotisch und tippte wie wild auf ihrer Computertastatur herum. Sie trug ihr dunkelblondes, grau gesträhntes Haar zu einem ordentlichen Dutt, ihre Lesebrille saß exakt mittig auf ihrem Nasenrücken und ihr dunkelblaues Kostüm war wie immer tadellos.
Ich räusperte mich.
»Hallo, Elisabeth, schön dich zu sehen. Du siehst wie immer großartig aus.«
Die kleine Frau stand auf und kam auf mich zu.
»Mein lieber Junge, du bist über eine halbe Stunde zu spät!« Sie versuchte eine strenge Miene aufzusetzen, doch ihre Augen verrieten sie. Sie schaffte es nicht, böse auf mich zu sein.
»Ach, Elisabeth, du arbeitest zu viel! Komm her und lass dich drücken.« Ich umarmte sie und hob sie mit sanftem Schwung ein wenig in die Höhe. Kekse! Dieser Geruch nach Keksen, der an ihr haftete, erinnerte mich immer an zu Hause.
Mit einem Lächeln erwiderte sie meine Umarmung, gefolgt von einem Klopfen auf meine Schulter.
»Hättest du nicht pünktlich sein können? Dein Vater ist stinksauer, ich musste seine Termine umkoordinieren.«
»Beruhig dich, das Gespräch wird nicht lange dauern. Schließlich will ich dir keine Überstunden aufhalsen«, sagte ich und zwinkerte ihr zu.
»Wer es glaubt …« Sie setzte sich wieder an ihren Schreibtisch und tippte weiter.
Ich klopfte an die massive Eichentür und betrat das Büro meines Vaters.
Mit der Skyline im Rücken saß mein alter Herr an einem eigens für ihn angefertigten Schreibtisch. Es hatte sich nichts verändert. Selbst die hässliche Vase, die meine Mutter ihm zum Hochzeitstag geschenkt hatte, stand an ihrem üblichen Platz. Eine rote Rose ragte aus dem abscheulichen Ding. Immer wenn der Blick meines Vaters auf die Rose fiele, solle er an meine Mutter denken, hatte sie einmal erklärt. Wie romantisch. Beinahe musste ich kotzen.
»Guten Morgen«, sagte ich und machte es mir auf einem Sessel vor seinem Tisch bequem.
Streng musterte er mich und ließ den Kugelschreiber sinken, mit dem er zuvor etwas notiert hatte. »Für ein ›Guten Morgen‹ ist es zu spät! Genau wie du zu spät bist!«
»Ich bin gerade aufgestanden und habe nicht einmal gefrühstückt. Wie wäre es …«
Er unterbrach mich, bevor ich ihm von meiner wunderbaren Idee mit dem Schinkenomelette erzählen konnte. Stattdessen fing er an, mir eine Predigt über Pünktlichkeit und Verantwortungsbewusstsein zu halten.
Bla, bla, bla …
Ich richtete mich auf, um seinem Redeschwall zu entkommen. Diese Rosenvase zog mich magisch an. Sentimentaler Quatsch! Ich nahm sie in die Hand und musterte sie.
»Hinstellen, sofort!«, hörte ich meinen Alten wütend sagen.
Schulterzuckend stellte ich sie ab. »Dieses Ding ist hässlich, es passt hier nicht her.«
Er fixierte mich mit seinem Blick. »Apropos passen«, sagte er. »Mir passt es auch nicht, den Kopf meines Sohnes auf der Titelseite der Morgenpost zu sehen.« Schnaubend schleuderte er mir eine Zeitung entgegen.
Tatsächlich. Ein Bild von mir mit einer Tussi, die mir über die Backe leckte. Die Überschrift lautete: »Reicher Erbe eines Weltkonzerns … Wann wirst du endlich erwachsen?«
Ich überflog den Artikel, der mich nicht gerade in ein gutes Licht rückte, und zuckte mit den Schultern.
»Und …?«
»Bis jetzt haben deine Mutter und ich dir sämtliche Freiheiten gelassen, doch damit ist jetzt Schluss!«
Er redete unaufhörlich weiter.
»Dein Studium ist beendet. Es wird Zeit für den praktischen Teil.«
Ich gab mich verständnisvoll: »Da hast du recht.« Aber, nicht jetzt.
Etwas Schalkhaftes funkelte in den Augen meines Vaters auf und ein Lächeln breitete sich über seine Lippen.
»Schön, mein Sohn.«
Ein ungutes Gefühl erfasste mich. Das musste der Hunger sein.
»Ein Konzern ist nur so stark wie sein schwächstes Glied. In unserem Fall die Kinderanimation. Nicht weil sie nicht funktioniert – im Gegenteil! Wir betreiben diese Sparte erst seit zwei Jahren aktiv, in dieser Zeit haben wir eine hohe Gewinnspanne erzielen können und ich bin mir sicher, dass sie durch deine aktive Mithilfe ein noch größerer Erfolg werden wird.«
Was redete er da von Glied und Animation?
Eigentlich keine schlechte Idee, mein Glied wollte auf alle Fälle mal wieder richtig animiert werden.
»Du meldest dich morgen um 9 Uhr morgens« – er betonte ›morgens‹ extra – »bei Catherina Sanz. Sie wird das kommende halbe Jahr an deiner Seite sein, um dir alles zu zeigen.«
»Bitte was?« Meine Kinnlade musste bis zu meinen Knien gefallen sein. Hatte mein Alter in der Nacht etwa einen Hirnschlag erlitten?
»Du machst Witze!«
Er stand auf und nahm mir gegenüber auf der Kante seines Schreibtisches Platz, dann verschränkte er die Arme vor der Brust und sprach ganz langsam, als ob ich ihn dadurch besser verstehen würde: »Damian, deine Schicht beginnt Morgen um 9 Uhr in der Kinderanimation. Um 8:45 Uhr meldest du dich umgezogen bei mir im Büro. Deine Schicht geht bis 20 Uhr und das fünf Tage die Woche; für einen befristeteten Zeitraum von sechs Monaten.«
Er klopfte mir auf die Schulter.
»Viel Glück, mein Junge.«
Er musste verrückt geworden sein!
»Und warum soll ich das tun? Warum soll ich mit meinem Lebenslauf den Clown für Kinder spielen, um die sich in ihrem Urlaub nicht einmal deren Eltern scheren?«
Mein Alter schüttelte nur den Kopf.
»Und was ist, wenn ich mich nicht zum Hanswurst mache?« Lächelnd verschränkte ich die Arme wie ein trotziger Teenager vor meiner Brust.
»Gesetzt den Fall, du handelst nicht nach meiner Anweisung«, sein Tonfall wurde gefährlich leise, »sperre ich deinen Zugang zu unserem Familienkonto. Das hieße, dein hoher Lebensstandard würde rapide sinken. Zudem würde ich dafür sorgen, dass du in der kompletten Hotel- und Gaststättenbranche nicht einmal mehr als Tellerwäscher einen Fuß in die Tür bekommen würdest. Und somit wäre dein ganzes Studium umsonst.«
Ein höhnisches Lachen entfuhr mir. »Du erpresst mich?«
Sein Grinsen wurde teuflisch.
»Sieh es einfach als zukunftsfördernde Maßnahme an.«
Was sollte ich dazu noch sagen? Ich hatte es schon immer gehasst, nach seiner Pfeife tanzen zu müssen, deshalb hatte ich auch das Langzeitstudium dem Dasein als Mustersohn zuhause vorgezogen. Verdammt! Jetzt hatte ich keine andere Möglichkeit mehr, mir waren die Hände gebunden. Verärgert drehte ich mich um und ging zur Tür.
»Morgen, 8:45 Uhr!«, hörte ich meinen Alten noch hinter mir herrufen, als ich die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss warf. Der hatte sie doch nicht mehr alle! Ich ballte meine Hände zu Fäusten.
Elisabeth schaute mich verdutzt an.
»Das Gespräch verlief wohl nicht zu deiner Zufriedenheit.«
Ohne ein weiteres Wort verließ ich ihr Büro und stieg in den Aufzug. Ich musste hier raus. Raus, bevor ich irgendetwas oder irgendwen zusammenschlagen würde. Wütend stapfte ich durch die große Empfangshalle, sämtliche Blicke waren auf mich gerichtet.
Ich war es gewohnt, die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Vor allem die der Frauen. Alle Frauen wollten mich und alle Männer beneideten mich darum. Die Brünette am Empfang lächelte mich am penetrantesten an. Vielleicht sollte ich ihr das Lachen mal aus dem Gesicht vögeln? Irgendwann.
Die Sonne strahlte unerbittlich vom Himmel, die schwüle Luft legte sich wie Beton auf meine Lungen. Ich steckte mir eine Zigarette an und indem ich schwungvoll um die Ecke bog, hörte ich den Pagen hinter mir herrufen: »Auf Wiedersehen, Herr Dennert!« Ich drehte mich um, um dem Hotel meinen Mittelfinger zu zeigen.
»Umpfff!« Etwas prallte gegen meinen Brustkorb, ich verschluckte mich am Rauch und begann zu husten.
»Verdammt noch mal!«, fluchte ich und schaute in zwei braune, weit aufgerissene Augen, die entschuldigend zu mir emporblickten. Kulleraugen, von dichten, langen Wimpern umrahmt. Eine kleine Nase und schöne volle Lippen, die zu einem O geformt waren, rundeten dieses hübsche Gesicht ab. Die Haut der jungen Frau war sonnengebräunt, nur ihre Wangen schimmerten leicht rötlich, als ob sie bis eben noch gerannt wäre.
Ich bemerkte erst jetzt, dass ich wohl reflexartig ihre Oberarme festgehalten hatte, und spürte, wie schnell sich ihre Brust hob und senkte. Ihre langen braunen Haare waren zu einem ordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden, ihrer Kleidung nach zu urteilen, musste sie gerade vom Sport kommen. Eigentlich brauchte dieser perfekt geformte Körper keine weitere Trainingseinheit. Es sei denn, unter oder über mir, überlegte ich grinsend.
»Entschuldigen Sie bitte. Das war keine Absicht!«, gab sie schwer atmend von sich und blickte mir intensiv in die Augen.
Bingo.
»Aber Sie wissen schon, dass es sich nicht gehört, in der Öffentlichkeit zu fluchen. Außerdem will ich nicht als passive Mitraucherin einen frühen Tod erleiden«, fügte sie hinzu und blies mit einem tiefen Atemzug den Rauch meiner Zigarette weg, der ihr ins Gesicht wehte. Mein Schwanz zuckte bei dieser kleinen Blaseinlage.
Okay Babe, lass uns spielen! Mit einem süffisanten Lächeln nahm ich einen weiteren Zug von meiner Zigarette, hauchte ihn ihr provokativ ins Gesicht und setzte für die nächsten Worte meine Verführerstimme ein, die schon unzählige Frauen zum Schnurren gebracht hatte: »Du kannst mir gerne noch was anderes wegblasen … Das ist mit Sicherheit nicht gesundheitsschädlich.« Um das Maß vollzumachen, zwinkerte ihr zu.
Ihr Gesichtsausdruck wechselte von erschrocken zu selbstsicher.
»Ich bin eindeutig die Falsche für diesen Spaß, den zweifelsohne nur Sie daran hätten«, erwiderte sie. »Außerdem wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich jetzt loslassen würden, denn ich habe es wirklich eilig!«
Ich schnippte meine Kippe auf den Boden und indem ich meine Hand wieder auf ihren Oberarm legte, blickte ich ihr noch einmal lange und tief in die Augen. Wahnsinn, ich hätte mich darin verlieren können. Eine wohlige Wärme breitete sich in meinen Händen aus, genau dort, wo ich ihre Haut berührte. Nach einigen Sekunden wich sie meinem Blick aus und sah zu dem brennenden Zigarettenstummel auf dem Asphalt. Sie kniff ihre Augen zusammen und bedachte mich mit einem zornigen Augenaufschlag. Bevor sie jetzt mit irgendeiner Umweltschutzscheiße anfangen würde, zog ich sie näher an mich heran. Mmmm.... Sie roch erstaunlich gut.
»Was, wenn ich dich nicht loslasse?«, wisperte ich, dabei streiften meine Lippen sanft ihre Ohrmuschel.
Shit! Darauf war ich nicht vorbereitet, denn sie biss sich auf die Unterlippe und für eine Millisekunde dachte ich, ich hätte sie so weit …
»Dann verpasse ich Ihnen eine Ohrfeige, erst recht, wenn Sie nicht aufhören, mich zu belästigen.«
Ich und jemanden belästigen? Normalerweise belästigten die Frauen mich. Lächelnd ließ ich sie los.
»Ganz wie du willst, ma chérie«, flüsterte ich. Ein Lächeln erschien auf ihren vollen Lippen, während sich ein großes Fragezeichen auf ihrem Gesicht ausbreitete.
»Du bist zwar süß wie eine Kirsche, aber ich fürchte, man beißt sich einen Zahn an dir aus, wenn man zum Kern gelangen möchte. Danach wird man eine Menge Alkohol brauchen, um den Schmerz zu betäuben, den du hinterlassen hast. Und Schokolade gegen den Frust.«
Kopfschüttelnd wand sie sich aus meinen Armen, drehte sich um und ließ mich in der menschenleeren Seitenstraße stehen. Ich sah ihr nach, wie sie ihren sexy Arsch aus meiner Sichtweite entfernte. Doch plötzlich drehte sie sich noch einmal um und lachte mich an. Es war ein echtes Lachen, kein aufgesetztes. Diese Frau strahlte mit der Sonne um die Wette. Sie war der Hammer …
Ma Chérie
Diese dumme Straßenbahn hatte doch Verspätung. Verflixt! Rennen war angesagt. Ich hechtete die Treppe nach oben, dabei versuchte ich, nicht hinzufallen. Draußen warteten dreißig Grad im Schatten auf mich. Natürlich! Jetzt noch Schweißabdrücke unter den Achseln und der erste Eindruck wäre perfekt. So schnell ich konnte, lief ich eine Abkürzung zum Hotel.
Wie spät war es? Ich schaute schnell auf die Uhr und – bumm! – prallte ich gegen etwas, das sich wie ein Felsen anfühlte. Mist! Durch die Wucht des Aufpralls kippte ich nach hinten und verlor das Gleichgewicht. Große Hände bewahrten mich davor, auf dem Hintern zu landen. Wahnsinnig große Hände!
»Verdammt noch mal!«
Ich sah nach oben und vergaß zu atmen. Wow! Nein, Cat, keine Zeit! Atmen, entschuldigen, laufen.
»Entschuldigen Sie bitte, das war keine Absicht!«