Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Schottland - Kühl, nass, wechselhaft und ungemütlich. Die einsamen Weiten des Hochlandes, die von saftig grünen Wiesen, steilen Berghängen, dunklen Seen und Moorlandschaften geprägt sind. Die Highlands sind das Herzstück von Schottland und die Heimat von Caillen Haye - ein renommierter Buchautor. Dort besitzt er ein Landhaus, wo kaum Zivilisation ist - perfekt, um an seinem neuen Roman zu arbeiten, denn dieser Ort steckt voller Inspirationen. Die ewigen Streitereien mit seiner Freundin machen ihm jedoch zu schaffen und seine kreative Ader scheint ihm verloren gegangen zu sein. In einer stürmischen Nacht und völlig kopflos steigt er ins Auto, was fatale Folgen nach sich zieht. Caillen überschlägt sich mit dem Auto mehrfach den Abhang hinunter. Kann sich in letzter Sekunde aus dem Wrack befreien und sucht Schutz vor dem starken Regen in einer alten Ruine. Diese wird jedoch zu seinem absoluten Alptraum.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 136
Veröffentlichungsjahr: 2024
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Daniel Volkmann
1. Auflage
Müde starre ich auf den hell erleuchteten Bildschirm des Laptops, der vor mir auf dem Schreibtisch steht. Dann hebe ich meinen Kopf und sehe nach draußen, was meine Schreibblockade, mit der ich gerade kämpfe, aber auch nicht bessert.
Die letzten Stunden war ich so sehr mit meiner Arbeit beschäftigt, dass ich gar nicht gemerkt habe, wie es immer später wurde und die Sonne schließlich untergegangen ist. Dies ist mir aber nicht zum ersten Mal passiert. Immer, wenn ich so sehr in meine Arbeit vertieft bin, bekomme ich kaum noch etwas von dem mit, was um mich herum geschieht.
Mein Name ist Caillen Haye und ich bin Schriftsteller.
Vor ungefähr einer Woche bin ich aus meiner Wohnung in Glasgow, Schottland, geflüchtet.
Die Streitereien mit meiner Freundin hatten sich in den letzten Monaten immer mehr gehäuft, sodass ich es irgendwann nicht mehr ausgehalten habe. Wobei man nicht einmal wirklich sagen kann, dass ich geflüchtet bin. Schließlich war Angelina diejenige, die als erstes ihre Koffer gepackt hatte. Ich war irgendwie nur ihrem Beispiel gefolgt.
Wieder holt mich die Erinnerung an diesen Streit ein. Und obwohl ich schon unzählige Male darüber nachgedacht habe und versucht habe herauszufinden, was ich hätte anders machen können, lässt er sich auch dieses Mal nicht einfach zur Seite schieben. Es ist eher das genaue Gegenteil der Fall.
Noch immer hat er mich so fest im Griff, dass ich mich kaum auf etwas anderes konzentrieren kann. Und auch jetzt kommt es mir wieder so vor, als wäre es erst gestern gewesen.
„Kommst du ins Bett?“, dringt die leise Stimme meiner Freundin an mein Ohr.
Schnell schreibe ich den Absatz zu Ende, an dem ich die letzte halbe Stunde gearbeitet habe, bevor ich mich zu ihr drehe.
Angelina steht in der Tür und hat sich dabei an dem Türrahmen angelehnt. Ihre Arme hat sie vor der Brust verschränkt und ihr Blick ist abwartend auf mich gerichtet. Dabei trägt sie nichts weiter, als ein Shirt von mir, welches ihr viel zu groß ist. Der Saum reicht ihr beinahe bis zu den Knien, dennoch kann man ihre dünnen Beinedarunter erkennen.
„Also?“, fragt sie ein weiteres Mal und sieht mich abwartend an.
Ihr Anblick sorgt dafür, dass mir die Antwort schwerfällt. Unter anderem auch deswegen, weil ich selber müde bin und gerne schlafen würde.
„Leg dich ruhig schon hin. Ich muss das hier dringend fertig machen, sonst kann ich den Termin nicht einhalten. Und meine Verlegerin wird nicht glücklich darüber sein, wenn sie das Manuskript nicht pünktlich hat.“
Ich habe noch nicht einmal ausgesprochen, da kann ich bereits erkennen, dass sie wiederum nicht glücklich über meine Antwort ist. Angelina verzieht ein wenig das Gesicht, als würde sie schmollen. Gleichzeitig setzt sie sich aber auch in Bewegung und kommt langsam auf mich zu.
Dabei lässt sie mich nicht aus den Augen. Wortlos macht sie mir klar, dass sie nicht zufrieden mit dem ist, was ich gerade gesagt habe. Dies ist aber etwas, was ich nachvollziehen kann. An ihrer Stelle würde es mir auch nicht anders gehen. Aber Angelina weiß, dass auch wieder andere Zeiten kommen.
„Bitte“, flüstert sie dennoch, als sie nur noch wenige Schritte von mir entfernt ist.
Sie weiß genau, wie gerne ich nachgeben würde. Doch die Arbeit hat gerade Vorrang und das ist ihr auch klar. Daher schüttle ich nur den Kopf und greife nach ihrer Hand, als sie sich endlich in meiner Reichweite befindet.
Bevor einer von uns noch etwas sagen kann, ziehe ich sie auf meinen Schoß und schlinge meine Arme um sie, um sie festan meinen Oberkörper zu ziehen.
„Ich beeile mich“, flüstere ich in ihr Ohr. „Aber wenn ich nicht endlich vorankomme, stecke ich in ganz großen Schwierigkeiten.“
Entschuldigend sehe ich sie an. Gleichzeitig merke ich aber auch, dass sie genervt ist. Dies geben mir ihre Augen, die sie theatralisch verdreht und ihr gereizter Ton, mit dem sie seufzt, eindeutig zu verstehen. Aber auch ihre angespannten Muskeln zeigen mir, dass sie sich das eindeutig anders vorgestellt hat.
„Du beachtest mich seit Tagen nicht mehr, oder kaum noch“, stellt sie fest und entzieht sich mir dabei.
Im ersten Moment weiß ich überhaupt nicht, wie ich darauf reagieren soll. Dabei kann ich mir aber bereits denken, auf was es hinauslaufen wird. Schließlichist es nicht der erste Streit, den wir in den letzten Monaten wegen meiner Arbeit führen. Allerdings habe ich mir schon beim letzten Mal vorgenommen, dass ich mich nicht wieder mit ihr darüber unterhalten werde. Vor allem deswegen, weil sich an meinem Standpunkt nichts geändert hat und das auch nicht passieren wird.
Ich bin hauptberuflicher Autor. Dass ich dann auch zu anderen Uhrzeiten einmal arbeiten muss, sollte eigentlich klar sein.
Daher sehe ich sie einfach nur an und warte darauf, dass sie sich wieder beruhigt. Ich weiß nämlich, dass sie das für gewöhnlich wieder schnell macht.
Doch ihre funkelnden Augen verraten mir, dass es dieses Mal wohl nicht so sein wird. Dennoch ziehe ich es vor, gerade nichts zu sagen und einfach zu warten. Die nächsten Sekunden betrachtet sie michallerdings so, als würde sie nur darauf warten, dass ich etwas von mir gebe.
„Man könnte meinen, dass du eine Affäre hast“, stellt sie nun fest und lässt damit eine Bombe platzen.
Es dauert einen Moment, bis diese Worte bei mir angekommen sind. Doch dann reiße ich geschockt die Augen auf und erhebe mich ebenfalls angespannt.
„Was?“, frage ich noch einmal.
„Du hast mich schon richtig verstanden. Immer wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, sitzt du dort bis spät in die Nacht. Das geht schon seit einigen Wochen so. Da ist es doch normal, dass man zu der Annahme kommt, dass der Mann eine Geliebte hat, mit der er seine Zeit verbringe, sobald man das Haus verlassen hat. Schließlich kannst du ja genug arbeiten, wenn ich unterwegs bin.“
Für einen kurzen Moment frage ich mich, ob sie das wirklich so gemeint hat, wie sie es ausgesprochen hat. Mehrmals geht mir diese Frage durch den Kopf. Doch an ihrem wütenden Blick und ihrer angespannten Körperhaltung erkenne ich, dass genau das der Fall ist.
In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken, während ich versuche zu verarbeiten, in welche Richtung die Unterhaltung gerade geht.
„Du meinst, ich hätte eine Affäre?“
„Ich kann mich irren, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das gerade gesagt habe.“
Herausfordernd sieht sie mich an. Ich nähere mich Angelina etwas und überlege dabei, wie ich sie von dieser schwachsinnigen Idee abbringen kann. Doch bevor ich sie erreicht habe, macht sie einen Schrittnach hinten und vergrößert so den Abstand zwischen uns wieder.
„Mich würde ja mal interessieren, welche von deinen Freundinnen dich auf diesen Gedanken gebracht hat“, überlege ich nun.
Doch noch in der gleichen Sekunde weiß ich, dass es wahrscheinlich besser gewesen wäre, wenn ich diese Worte für mich behalten hätte. Es bestand noch nie ein Zweifel darin, dass ich mich nicht sonderlich gut mit ihnen verstehe. Schon von Anfang an hatte ich die eine oder andere Auseinandersetzung mit ihnen.
„Auf diese Idee muss mich niemand bringen. Manche Dinge kann man sich einfach selber denken. Und noch offensichtlicher geht es ja schon gar nicht mehr.“
Mit diesen Worten dreht Angelina sich schwungvoll auf der Stelle um undstürmt aus dem kleinen Büro. Es passiert nicht sehr oft, dass ich zu perplex bin, um irgendetwas zu sagen oder zu reagieren. Doch in diesem Augenblick ist das eindeutig der Fall.
Ich brauche ein paar Sekunden, ehe ich wieder klar denken kann. Doch dann setze ich ihr mit großen Schritten nach.
Bevor sie völlig aus meinem Sichtfeld verschwinden kann, erkenne ich gerade noch, wie sie die Treppen mit großen Schritten nach oben stürmt. Immer zwei auf einmal nehmend folge ich ihr.
Mit einem lauten Knall fliegt mir jedoch die Tür zum Schlafzimmer vor der Nase zu, bevor ich ebenfalls hindurchtreten kann.
Kurz bleibe ich stehen, schließe die Augen und atme tief durch. Dabei versuche ich meine aufgebrachten Nerven wieder zuberuhigen. Doch solange meine Freundinanscheinend der Meinung ist, dass ich sie betrüge, funktioniert das einfach nicht.
Dennoch reiße ich mich zusammen, als ich nach dem Türgriff greife und sie vorsichtig ein Stück öffne. Ich öffne sie nur so weit, damit ich einen prüfenden Blick hineinwerfen kann. Schließlich habe ich keine Ahnung, was mich im Inneren erwartet.
Doch mit dem Anblick, der sich mir in der nächsten Sekunde bietet, habe ich eindeutig nicht gerechnet.
Angelina rennt immer wieder zwischen ihrer Seite des Bettes und dem Kleiderschrank hin und her. Unter anderem zieht sie sich dabei eine Leggings über den Hintern und greift nach den Klamotten, die sie zu fassen bekommt.
Leise, um sie nicht auf mich aufmerksam zu machen, trete ich ein und sehe mir das Schauspiel ein paar Sekunden an. Erstdann räuspere ich mich. Noch in der gleichen Sekunde dreht sie sich erschrocken zu mir herum.
Beinahe spöttisch betrachtet sie mich dann allerdings.
„Sieh mal einer an“, ruft sie aus. „Der Herr hat es ja doch ins Schlafzimmer geschafft. Ich hatte schon die Befürchtung, dass du vergessen hast, wo es sich befindet.“
Mir ist bewusst, dass sie mich damit nur aufziehen will. Daher gehe ich auch nicht näher darauf ein. Doch bereits in der nächsten Sekunde beweist sie mir, dass sie das anscheinend nicht vorhat.
„Wärst du einfach mit hochgekommen, als ich dich darum gebeten habe, wäre es nicht so ausgegangen.“
„Was hast du vor?“, frage ich sie, ohne näher auf ihre Worte einzugehen.
„Wirklich?“, fragt sie mich und sieht mich dabei mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Auf einmal interessiere ich dich?“
Auch jetzt erkenne ich wieder den Spot in ihrer Stimme. Dieser sorgt dafür, dass es mir schwerfällt, den Mund zu halten. Allerdings halte ich mir schnell vor Augen, dass es die Situation auch nicht besser machen würde. Es wäre sogar eher so, dass dieser Streit noch mehr außer Kontrolle geraten würde.
„Was hast du vor?“, wiederhole ich meine Worte.
Dabei versuche ich betont ruhig zu sprechen.
„Ich glaube, es ist das Beste, wenn ich für ein paar Tage zu meinen Eltern ziehe. Auf diese Weise bekommen wir ein wenig Abstand zueinander und können uns überlegen, ob diese Beziehung überhaupt noch das ist, was wir beide wollen.“
Wieder habe ich keine Ahnung, was sie mir damit sagen will. Allerdings macht sich eine Befürchtung in mir breit. Doch ich kann nicht sagen, ob diese gut oder schlecht ist.
„Es fühlt sich einfach nicht mehr so wie am Anfang an.“
„Was?“
Mittlerweile komme ich mir selber bescheuert vor, doch ich komme einfach nicht mehr hinterher.
„Du hast dich verändert. Früher hattest du nicht nur deine Arbeit im Kopf. Und jetzt sollten wir uns vielleicht beide einmal Gedanken darüber machen, ob das alles überhaupt noch Sinn macht.“
Während sie spricht, schließt sie den Koffer und hievt ihn vom Bett. Mein erster Reflex besteht darin, dass ich ihr helfen will. Doch der Blick, den sie mir zuwirft, als ich einen Schritt nach vorne mache, sorgt dafür, dass ich an Ort und Stelle stehen bleibe und stattdessen nur meine Hände ein Stück hebe.
Stattdessen halte ich ihr die Tür auf, als sie an mir vorbei geht.
„Du willst also wirklich ausziehen, weil ich arbeiten muss?“, frage ich dennoch, da es mir so vorkommt, als würde ich mich in einem schlechten Traum befinden.
„Dein Job ist dir anscheinend wichtiger, als ich. Daher kannst du die Zeit auch nutzen dir zu überlegen, wer dir wichtiger ist. Deine Freundin oder deine Geliebte.“
Mein Mund öffnet sich bereits, da ich ihr ein weiteres Mal versichern will, dass es keine andere Frau in meinem Leben gibt. Doch bevor ich die Worte von mir geben kann, hat sie die Haustür hinter sich bereits mit einem lauten Knall in das Schloss fallen lassen.
Perplex stehe ich im Flur und versuche zu verarbeiten, was gerade geschehen ist. Doch ich schaffe es einfach nicht.
Dies war das letzte Mal, dass ich mit ihr gesprochen habe. Ein paar Mal hatte ich noch versucht sie zu erreichen, doch sie hat nicht auf meine Nachrichten reagiert und auch nicht meine Anrufe entgegengenommen.
Ihr Verhalten hatte sogar irgendwann dazu geführt, dass ich mir nicht einmal mehr sicher war, ob sie mich überhaupt noch liebt. Denn ich bin mir sicher, wenn man jemanden liebt, will man die Probleme aus der Welt schaffen und ihnen nicht aus dem Weg gehen. Doch das ist das, was Angelina gerade eindeutig macht.萍
Kapitel 2
„Guten Morgen“, dringt die gut gelaunte Stimme der alten Mrs. Johnson an mein Ohr, als sie am nächsten Tag das Haus betritt.
Nachdem ich das Haus vor einigen Jahren gekauft hatte und für mich feststand, dass ich es nur am Wochenende oder in meinem Urlaub benutzen werde, hatte ich eine Nachbarin darum gebeten, zwischendurch nach den Rechten zu schauen. Dabei war ich über Mrs. Johnson gestolpert.
Ihr Mann war vor einigen Jahren gestorben und ihren Kindern haben Schottland verlassen, um die Welt zu bereisen. Daher hatte sie gesagt, dass sie das gerne machen würde. Allerdings hatte ich nicht dabei bedacht, wie neugierig alte Frauen manchmal sein können, oder besser gesagt meistens sind.
„Guten Morgen“, erwidere ich dennoch freundlich, da wir uns nie gestritten hatten und ich das auch nicht will.
Es dauert noch ein paar Sekunden, doch schließlich steckt sie ihren Kopf mit den bereits ergrauten Haaren in das Büro herein und lächelt mich an. Aufmerksam betrachtet sie mich, als würde sie sichergehen wollen, dass ihr nichts entgeht.
Doch bereits in der nächsten Sekunde wird sie ernst, wobei sich ihre Stirn ein wenig in Falten legt.
„Ist etwas passiert?“, frage ich sie.
Einige Augenblicke betrachtet sie mich einfach nur, ohne etwas zu sagen. Doch dann schüttelt sie leicht den Kopf, sodass ich mir bereits denken kann, was als nächstes kommen wird.
„Ein Mann in Ihrem Alter sollte nicht soviel arbeiten. Das Leben zieht an Ihnen vorbei, ohne, dass Sie es merken.“
Auch wenn ich mich innerlich bereits darauf vorbereitet hatte, dass dies kommen wird, brauche ich doch ein paar Sekunden, bis ich es verarbeitet habe. Ich kenne Mrs. Johnson nun schon seit einigen Jahren und wir haben schon die eine oder andere Unterhaltung über mein Privatleben geführt, in der sie ihre Meinung vertreten hat. Doch bis jetzt hatte sie noch kein Wort darüber verloren, dass sie der Meinung ist, ich würde zu viel arbeiten, daher weiß ich im ersten Moment nicht, wie ich damit umgehen soll.
Aber vor allem ist es auch nicht das erste Mal, dass ich diese Worte in den letzten Tagen zu hören bekomme. Schon alleine deswegen kommt mir erneut der Streit mit Angelina in den Sinn. Allerdings konzentriere ich mich schnell wieder auf meine Nachbarin, sodass ich nicht länger darüber nachdenken kann.
Ganz davon abgesehen, will ich das gerade aber auch überhaupt nicht.
„Sobald ich fertig bin, werde ich auch wieder ein wenig zurückfahren“, erkläre ich schnell und meine damit, dass ich mich dann wieder mehr auf das Leben konzentrieren werde.
Skeptisch, als würde sie mir kein Wort glauben, sieht sich mich an. Ich kenne meine Nachbarin mittlerweile gut genug um zu wissen, dass ihr meine Antwort nicht gefällt.
„Das hat mein Mann auch gesagt. Irgendwann hatte ich aufgehört zu zählen, wie oft ich diese Aussage von ihm gehört habe. Allerdings gibt es immer etwas, um das man sich kümmern muss. Gerade wenn man selbstständig ist, hört die Arbeit nie auf. Doch man kommt einfach nie zur Ruhe, wenn man sich diese Zeit nicht nimmt.“
Müsste ich raten, würde ich sagen, dass ihr Blick tadelnd ist. Und ja, es ist schon eine Weile her, dass man mich das letzte Mal so angesehen hatte.
Doch ich kenne sie zu wenig, um das wirklich sagen zu können. Dennoch nicke ich, da mir bewusst ist, dass es stimmt, was sie da von sich gibt.
„Aber wenn man kein Geld hat, kann man das Leben auch nicht genießen“, erwidere ich nur und sehe sie beinahe unschuldig an.
Die nächsten Sekunden sagt keiner von uns etwas. Ich kann erkennen, dass es ihr nicht gefällt, dass auch ich recht habe. Doch wenn man es genau nimmt, hat dieses Thema erst dafür gesorgt, dass ich hergekommen bin. Daher will ich mir deswegen nicht schon wieder Vorhaltungen machen lassen müssen.
Wenn man es genau nimmt, will ich mich nicht einmal mehr damit beschäftigen.