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Körperorientierte Ansätze für Musiker E-Book

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Beschreibung

Musizieren bedeutet zuallererst, den eigenen Körper als Instrument wahrzunehmen, Spielbewegungen mit dem Instrument möglichst effektiv zu gestalten und dabei gesund zu bleiben und insgesamt die eigene Gesundheit zu fördern. Zur Unterstützung in diesem lebenslangen Lernprozess steht eine Reihe von körperorientierten Ansätzen zur Verfügung, die sich in ihrer Anwendung besonders für Musiker bewährt haben.Dieses Buch informiert über Hintergrund und Konzept der wichtigen Ansätze wie Feldenkrais- Methode, Ideokinese, Alexander-Technik, Schlaffhorst-Andersen, Autogenes Training, Qigong, Yoga u. a. und bietet praktische Übungen der jeweiligen Methode an. Musiker finden hier eine Orientierung im Bereich körperorientierter Ansätze, die sie im Alltag beim Üben, vor Auftritten und zur Regeneration im Berufsalltag nutzen können.Darüber hinaus bietet das Buch viele Anregungen für alle, die sich für einen ganzheitlichen Umgang zum Wohle ihrer Gesundheit interessieren.

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Seitenzahl: 468

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Körperorientierte Ansätze für Musiker

Körperorientierte Ansätze für Musiker

Claudia Spahn (Hrsg.)

Claudia Spahn (Hrsg.)

Körperorientierte Ansätze für Musiker

Methoden zur Leistungs- und Gesundheitsförderung

unter Mitarbeit von

Cornelia Berberich

Dorothea Gädeke

Ulf Henrik Göhle

Evemarie Haupt

Dirk Hausen

Emma-Louise Jordan

Stefanie Liedtke

Nicole Lux

Regine Neubert

Barbara Noé

Sabine Seidel

Irene Spirgi-Gantert

Franziska Stadler

Wolfgang Steinmüller

Prof. Dr. med. Claudia Spahn (Hrsg.)

Freiburger Institut für Musikermedizin

Hochschule für Musik Freiburg und Universitätsklinikum Freiburg

Breisacher Straße 60

79106 Freiburg

[email protected]

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. der Herausgeberin große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeberin und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Gesundheit

Länggass-Strasse 76

3000 Bern 9

Schweiz

Tel: +41 31 300 45 00

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.hogrefe.ch

Lektorat: Susanne Ristea

Red. Bearbeitung: Claus-Jürgen Kocka, Nürnberg

Herstellung: Daniel Berger

Umschlagabbildung: Jürgen Gocke, Violoncello von Ersen Aycan

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Druck und buchbinderische Verarbeitung: Finidr s.r.o., Český Těšín

Printed in Czech Republic

1. Auflage 2017

© 2017 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-95502-5)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-75502-1)

ISBN 978-3-456-85502-8

http://doi.org/10.1024/85502-000

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Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Audiodateien.

Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I Grundlagen

Claudia Spahn

1 Trainingsorientierte Leistungs- und Gesundheitsförderung bei Musikern

1.1 Begriffe der Leistungs- und Gesundheitsförderung

1.2 Modell der trainingsorientierten Leistungs- und Gesundheitsförderung

1.3 Koordinative, konditionelle und persönlichkeitsbezogene Fähigkeiten

2 Schwerpunkte der Leistungs- und Gesundheitsförderung in den einzelnen körperorientierten Methoden für Musiker

2.1 Methoden-übergreifende Gemeinsamkeiten

2.2 Gruppierung der Methoden nach Schwerpunkten der Leistungs- und Gesundheitsförderung

Literatur

II Körperorientierte Ansätze

3 Einführung und Überblick

Claudia Spahn

3.1 Entstehungszeit der Ansätze

3.2 Die Gründerinnen und Gründer der Methoden

3.3 Geographische Herkunft der Methoden

3.4 Wahl der Methode

3.5 Kombination und Planung körperorientierter Ansätze und Aktivitäten

4 Feldenkrais-Methode

Barbara Noé

4.1 Entstehung und Konzept

4.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

4.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

4.4 Übungen

4.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

5 Ideokinese

Wolfgang Steinmüller

5.1 Entstehung und Konzept

5.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

5.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

5.4 Übungen

5.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

6 Alexander-Technik

Dirk Hausen

6.1 Entstehung und Konzept

6.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

6.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

6.4 Übungen

6.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

7 Das Konzept Schlaffhorst-Andersen

Dorothea Gädeke

7.1 Entstehung und Konzept

7.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

7.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

7.4 Übungen

7.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

8 Ilse Middendorf – Der Erfahrbare Atem

Sabine Seidel

8.1 Entstehung und Konzept

8.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

8.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

8.4 Übungen

8.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

9 Qigong

Evemarie Haupt

9.1 Entstehung und Konzept

9.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

9.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

9.4 Übungen

9.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

10 Autogenes Training

Claudia Spahn

10.1 Entstehung und Konzept

10.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

10.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

10.4 Übungen

10.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

11 Progressive Muskelrelaxation

Claudia Spahn

11.1 Entstehung und Konzept

11.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

11.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

11.4 Übungen

11.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

12 Dispokinesis

Regine Neubert

12.1 Entstehung und Konzept

12.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

12.3 Wirkungsnachweis und Erfahrungen mit der Dispokinesis bei Musikern

12.4 Übungen

12.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

13 Functional Kinetics FBL Klein-Vogelbach

Irene Spirgi-Gantert

13.1 Entstehung und Konzept

13.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

13.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

13.4 Übungen

13.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

14 Aikido

Stefanie Liedtke

14.1 Entstehung und Konzept

14.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

14.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

14.4 Übungen

14.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

15 Yoga

Franziska Stadler

15.1 Entstehung und Konzept

15.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

15.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

15.4 Übungen

15.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

16 Tanz

Claudia Spahn

16.1 Musik und Tanz

16.2 Klassisches Ballett und Modern Dance

16.3 Stepptanz

16.4 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

16.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

17 Pilates

Cornelia Berberich

17.1 Entstehung und Konzept

17.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

17.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

17.4 Übungen

17.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

18 Gyrokinesis®

Emma-Louise Jordan

18.1 Entstehung und Konzept

18.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

18.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

18.4 Übungen

18.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

19 Sport

Ulf Henrik Göhle

19.1 Sport, Training und Gesundheit

19.2 Sport für Musiker – Nutzen und Risiken

19.3 Musikerfreundliche und weniger geeignete Sportarten

19.4 Training im Fitnessstudio

19.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

20 Nordic Walking

Nicole Lux

20.1 Entstehung und Konzept

20.2 Anwendungspraxis und Verbreitung

20.3 Spezifische Aspekte in der Anwendung bei Musikern

20.4 Übungen

20.5 Fazit für Musiker

Praktische Hinweise

Literatur

Die Herausgeberin

Kurzvitae der Mitautorinnen und Mitautoren

Sachwortverzeichnis

Vorwort

Dieses Buch wendet sich in erster Linie an Musikerinnen und Musiker, jedoch auch an die Vertreterinnen und Vertreter von Körpermethoden sowie gleichermaßen an alle, die sich dafür interessieren, wie sie Körper und Geist lebendig und gesund erhalten können.

Trotz der bereits bestehenden umfangreichen Literatur zu Körpermethoden fehlte bislang ein Buch, in dem die relevanten körperorientierten Ansätze gemeinsam und spezifisch für die Anwendung bei Musikern dargestellt sind. Diese Lücke soll das vorliegende Buch schließen. Erstmals werden hierbei die spezifischen Aspekte, die für Musikerinnen und Musiker relevant sind, in ihrer Beschreibung so nebeneinandergestellt, dass Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ansätze deutlich werden können.

Der Impuls hierfür entstand aus der jahrelangen Fortbildungstätigkeit für Musikpädagoginnen und Musikpädagogen und aus vielerlei Berührungen mit Musizierenden und Vertretern der Freizeit- und Berufsmusik. Ein Überblick über die Methodenvielfalt mit sachlichen Informationen erschien wünschenswert, um Missverständnissen und Fehlentscheidungen beim Einsatz körperorientierter Ansätze in der Musizierpraxis vorzubeugen. So stellt dieses Buch insbesondere für Musikstudierende und Musikpädagogen Grundlagenwissen zur Verfügung, um für sich selbst und im Unterricht mit den Schülern eine sinnvolle Auswahl und geeignete Kombination körperorientierter Ansätze vornehmen zu können. Inhaltliche Aufklärung soll hierbei Orientierung bieten. Darüberhinaus können selbstständig Musizierende ein individuelles Programm zusammenstellen.

Das vorliegende Buch beschreibt die Potentiale körperorientierter Methoden für Lernprozesse allgemein und in ihrer Spezifität für musizierbezogene Lernprozesse. Es handelt sich ausdrücklich nicht um ein Therapie-Buch, auch wenn einige der dargestellten Methoden – z.B. bei der Behandlung von Überlastungssyndromen – in der Musikermedizin erfolgreich eingesetzt werden. Dies erklärt auch, warum im Buch keine physiotherapeutischen oder logopädischen Methoden vertreten sind.

Vielmehr ist der Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung angesprochen. Eine wichtige künftige Aufgabe des Faches Musikphysiologie und Musikermedizin liegt – in meinem Verständnis als Herausgeberin – darin, die aus der Praxis bekannte Wirksamkeit körperorientierter Methoden auch wissenschaftlich nachzuweisen. Es ist als erster Schritt in diese Richtung zu verstehen, dass der Stand wissenschaftlicher Untersuchungen zu den einzelnen Methoden im jeweiligen Kapitel wiedergegeben ist.

Die Auswahl der im Buch aufgenommenen Körpermethoden und Ansätze wurde in erster Linie nach inhaltlichen, jedoch auch nach pragmatischen Gesichtspunkten vorgenommen. Die Leserinnen und Leser finden hier eine Zusammenstellung der Methoden, die nach unserer langjährigen Erfahrung für Musikerinnen und Musiker bedeutsam sind und die über ein ausgereiftes Konzept verfügen. Die gesamte Vielfalt des existierenden Spektrums körperorientierter Ansätze ließ sich nicht vollständig abbilden. Dass dies nicht möglich war, ist zum einen dem begrenzten Buchumfang geschuldet und zum anderen dem Wunsch, die Anzahl der Mitautoren in einem Rahmen zu halten, in dem intensiver inhaltlicher Austausch noch möglich ist.

In der Zusammensetzung der Mitautorinnen und Mitautoren und in der Zusammenarbeit liegt – aus meiner Sicht als Herausgeberin – eine große Stärke dieses Buches. Die Autorinnen und Autoren sind fast durchweg selbst Musikerinnen und Musiker und verfügen über langjährige Erfahrung in der Vermittlung ihrer Methode – einige sind bereits Buchautoren. Die Mehrzahl arbeitet in Lehre und Fortbildung seit Jahren zusammen – dies trifft insbesondere auf die Methodenvertreterinnen und -vertreter zu, die an unserem Freiburger Institut für Musikermedizin (FIM) als feste Mitarbeiterinnen oder als Lehrbeauftragte im Lehrangebot des FIM an der Hochschule für Musik Freiburg seit Jahren unterrichten, und auf andere an dieser Hochschule Lehrenden oder in Freiburg freiberuflich Tätigen. Hinzu kommen Autorinnen, mit denen jahrzehntelange Kontakte durch gemeinsame Kongresse und gemeinsame musikalische Tätigkeiten bestehen.

Es ist für mich als Herausgeberin eine große Freude, dass in dieser Konstellation ein Austausch über wichtige Fragen der Lehre und Forschung im Bereich körperorientierter Ansätze entstanden ist, die einen zentralen Inhalt unseres Faches Musikphysiologie und Musikermedizin ausmachen.

An dieser Stelle möchte ich allen Mitautorinnen und Mitautoren für ihre Bereitschaft zur Mitarbeit und ihr Engagement danken. Ihrer Offenheit und Flexibilität verdanke ich es auch, dass sie meine manchmal starken und umfangreichen Textbearbeitungen mit mir diskutiert haben und wir zu einvernehmlichen Lösungen gelangt sind. Ein großes Anliegen bestand darin, die Kapitel der einzelnen Ansätze im Aufbau für Sie als Leserinnen und Leser vergleichbar zu halten, sodass Sie sich möglichst gut orientieren können. Meine Mitautorinnen und Mitautoren und ich hoffen, dass dies erreicht werden konnte. Bitte seien Sie großzügig mit uns, wenn im Text gendergerechte Formulierungen nicht durchgängig verwendet wurden. Natürlich sind immer beide Geschlechter gemeint.

Herzlich danken möchte ich auch unserem Fotografen, Herrn Jürgen Gocke, und Janika Hinrichs, die als „Modell“ geduldig und unermüdlich allen Autorinnen und Autoren und mir bei der Erstellung der Fotos zur Verfügung stand. Ohne beide wäre das Buch nur halb so schön geworden. Die Fotos im Kapitel Aikido wurden von Michel Marang in Amsterdam angefertigt, auch ihm gilt mein herzlicher Dank.

Für die hervorragende Betreuung danke ich der zuständigen Programmleiterin des Hogrefe-Verlags, Frau Susanne Ristea, und Marie-Theres Nagel, die den Buchprozess sehr unterstützend begleitet haben. Danken möchte ich auch dem vormaligen Redakteur Klaus Reinhardt, der an der ursprünglichen Idee und Konzeption dieses Buches wesentlich beteiligt war.

Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich gute Erkenntnisse bei der Lektüre und deren Umsetzung und besonders viel Spaß beim Ausprobieren der Übungen.

Die Herausgeberin, Claudia Spahn

Freiburg, im April 2017

I Grundlagen

Claudia Spahn

1 Trainingsorientierte Leistungs- und Gesundheitsförderung bei Musikern

Unter körperorientierten Ansätzen für Musiker – wie sie in diesem Buch vorgestellt werden – sind Methoden zu verstehen, bei welchen aus der Praxis die Erfahrung besteht, dass sie Musiker beim Erlernen und Praktizieren des Instrumentalspiels und Gesangs unterstützen und sich positiv auf die Erhaltung der Leistungsfähigkeit und Gesundheit auswirken. Es handelt sich bei diesen Ansätzen – mit Ausnahme der umfassenderen, übergeordneten Bewegungsbereiche Tanz und Sport – um in sich kohärente Konzepte, die entweder spezifisch für Musiker entwickelt wurden oder die sich – zum größeren Teil – durch ihre Anwendung als für Musiker besonders geeignet erwiesen haben. Gemeinsam ist allen, dass bei der praktischen Durchführung der Fokus in erster Linie auf dem Körper liegt. In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff somagogisch (von griech. Soma Körper und griech. agein führen) verwandt, sodass man auch von somagogischen Methoden sprechen kann (Steinmüller et al. 2001).

Da Musiker auf der Ebene der körperlichen Anforderungen – weniger in den künstlerischen Belangen – durchaus mit Sportlern vergleichbar sind, kann zur Frage, wie für Musiker ideale Förderbedingungen einer gesunden Leistungsfähigkeit mit Instrument und Stimme aussehen können, ein Blick in die Nachbardisziplin der Trainingslehre im Sport geworfen werden. Die Trainingswissenschaften liefern Kenntnisse über allgemeine Faktoren der körperlichen Leistungs- und Gesundheitsförderung, anhand derer sich die Charakteristika der körperorientierten Ansätze für Musiker hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede beschreiben lassen. Dies soll im Kapitel I Grundlagen vorgenommen werden.

1.1 Begriffe der Leistungs- und Gesundheitsförderung

Der Begriff Leistung wird im Folgenden – entsprechend der Begrifflichkeit in den Trainingswissenschaften – im neutralen Sinne für die Ausführung der musikalischen Tätigkeit verwendet. Dieses Verständnis des Begriffs ist klar abzugrenzen von negativem Leistungsdruck und einer Leistungsorientierung, die mit Selbst- und Fremdüberforderung sowie einem Mangel an Selbstbestimmung in Zusammenhang steht. Auch könnte der Eindruck entstehen, dass das Wort Leistung das ästhetische Moment des Musizierens nicht ausreichend abbildet, dieses sei hier jedoch ausdrücklich mit eingeschlossen.

Leistungsfähigkeit erfordert Gesundheit. Demnach müssen alle Aktivitäten, die ein Musiker unternimmt, um seine musikalische Leistung zu verbessern, auch seine Gesundheit fördern oder zumindest erhalten. Auch für die Anwendung körperorientierter Ansätze gilt deshalb, dass Leistungs- und Gesundheitsförderung eng miteinander verbunden sind.

1.2 Modell der trainingsorientierten Leistungs- und Gesundheitsförderung

Betrachtet man im Rahmen eines systematischen Modells (Abbildung 1-1) die Faktoren, welche auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit beim körperorientierten Training von Musikern einwirken, so sind grundsätzlich eine Basisebene – mit den Funktionssystemen des Körpers – und eine Handlungsebene – mit den individuellen Voraussetzungen des Musikers und den Aktivitäten musikbezogenen Trainings – zu unterscheiden. Das beste Ergebnis hinsichtlich musikalischer Leistung und Gesundheit wird im optimalen Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren der Basis- und Handlungsebene erzielt. Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit geht mit Gesundheitsförderung einher, solange morphologische, funktionelle und psychische Grenzen eingehalten werden.

Abbildung 1–1: Voraussetzungen für Leistungsfähigkeit und Faktoren der Leistungs- und Gesundheitsförderung für Musiker auf der Handlungsebene sowie beteiligte Körpersysteme auf der Basisebene (nach Schnabel et al., 2008; S. 42)

Basisebene

Auf Ebene der Körpersysteme sind am Training bei Musikern in erster Linie das Nervensystem und die Organe des Bewegungssystems wie Muskeln, Faszien, Sehnen u.a. beteiligt.

Für das Bewegungslernen beim Musizieren spielt die Einheit von Wahrnehmung (sensorischer Anteil) und motorischer Ausführung (motorischer Anteil) im Sinne der Sensomotorik eine wichtige Rolle. Motorisches Lernen erfolgt prinzipiell durch Vergleichsprozesse zwischen Bewegungsrepräsentationen im Gehirn und Korrekturinformationen durch sensorische Rückmeldungen. Wichtige Sensoren für die Bewegungsregulation sind dabei diejenigen des kinästhetischen Systems (v.a. Dehnungs- und Bewegungsrezeptoren in Muskeln, Gelenken und Sehnen, die unter dem Oberbegriff Mechanorezeptoren zusammengefasst werden), der Tastsinn, der Gleichgewichtssinn sowie Hören und Sehen. Die kombinierten Informationen aus den Mechanorezeptoren – der sogenannten Tiefensensibilität – und dem Gleichgewichtsorgan werden als Propriozeption (von lat. proprius eigen und recipere aufnehmen) bezeichnet. Insbesondere die Rückmeldungen des kinästhetischen Systems sind nur teilweise unserem Bewusstsein zugänglich. Bewusste Bewegungsvorstellungen allerdings haben einen großen Einfluss auf motorisches Lernen.

Auch das vegetative Nervensystem – mit seinen Anteilen Sympathikus und Parasympathikus – übt bei Stress oder Lampenfieber einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität der Musizierbewegungen und die Lernfähigkeit aus. So nimmt bei starker innerer Unruhe die Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit ab, gleichzeitig erhöht sich der Muskeltonus.

Handlungsebene

Die Leistungsfähigkeiteines Musikers wird auf der Handlungsebene durch die personalen Voraussetzungen – Persönlichkeit und Handlungskompetenz, Konstitution – und die durch Training entfalteten Wirkungen – Koordination und Technik, Kondition – bestimmt (Abbildung 1–1). Unter Training fallen bei Musikern alle zielgerichteten Tätigkeiten, die auf einen Lernzuwachs im Instrumentalspiel oder Gesang ausgerichtet sind. Im Folgenden sind die vier Bereiche der Handlungsebene kurz beschrieben:

Persönlichkeit und Handlungskompetenz

UnterPersönlichkeit und Handlungskompetenz wird ein Leistungsfaktor zusammengefasst, der übergeordnete Wahrnehmungs-, Denk- und Entscheidungsprozesse beeinflusst und sich so auch auf das Trainingsverhalten auswirkt. Beim Musizieren spielen emotionale Einflüsse grundsätzlich eine große Rolle, verstärkt treten sie in Auftrittssituationen in Erscheinung.

Konstitution

Unter Konstitution fallen Voraussetzungen wie Körpergröße, Körperproportionen, Körperbau, aber auch altersgemäße Veränderungen. Im Zusammenhang mit den körperlichen Voraussetzungen spielen ergonomische Anpassungen des Instruments an den Spieler (z.B. Schulterstütze und Kinnhalter bei hohen Streichinstrumenten, Daumenhalter bei Blasinstrumenten, Tragegurte etc.) sowie ergonomische Einrichtung der Sitzgelegenheit eine wichtige Rolle.

Für Musiker sind insbesondere die Ausprägung der Hände, die Beweglichkeit in den Gelenken sowie die Belastungsfähigkeit des Stütz- und Bindegewebes von Bedeutung.

Koordination und Technik

Der Leistungsbereich Koordination und Technik stellt das Herzstück des instrumentalen Musizierens und Singens dar. Koordinative Fähigkeiten bilden die Grundlage für koordinative Fertigkeiten wie Spielbewegungen und Spieltechnik.

Kondition

Unter Kondition sind die energetisch-konditionellen Leistungsvoraussetzungen zu verstehen, d.h. insbesondere die Kraft-, Schnelligkeits- und Ausdauerfähigkeiten. Das Potenzial an Muskelkraft und Ausdauer muss in der Vielzahl unterschiedlicher Muskeln präzise gesteuert und geregelt werden. Nur unter der Voraussetzung hoher koordinatorischer Fähigkeiten können Potentiale von Kraft und Ausdauer leistungswirksam eingesetzt werden.

1.3 Koordinative, konditionelle und persönlichkeitsbezogene Fähigkeiten

Da die koordinativen, die energetisch-konditionellen Fähigkeiten und die Persönlichkeit und Handlungskompetenz des Musikers entscheidende Faktoren für Leistungs- und Gesundheitsförderung sind und wichtige Kriterien für die Charakterisierung der körperorientierten Ansätze liefern, wird auf ihre Bedeutung im Folgenden genauer eingegangen.

Koordinative Fähigkeiten

Koordinative Fähigkeiten sind motorische Fähigkeiten, die hauptsächlich von der Bewegungsregulation abhängen und deren Qualitäten Bewegungsmuster und allgemeine Bewegungsprozesse betreffen (Schnabel et al. 2008, S. 136). Koordinative Fähigkeiten stehen in engem Zusammenhang mit spieltechnischen Fertigkeiten. Sie bilden die Grundlage für die spezifischen koordinativen Fertigkeiten, die das jeweilige Instrument erfordert.

Die koordinativen Fähigkeiten entfalten sich in Wechselwirkung mit den konditionellen Fähigkeiten. So können sie beispielsweise durch fehlende Muskelkraft oder auch durch übermäßige und einseitige Kraftverteilung eingeschränkt werden. Darüber hinaus werden koordinative Fähigkeiten auch durch die Persönlichkeit und das psychische Befinden des Spielers beeinflusst.

Die Ergebnisse aus den Trainingswissenschaften lassen sich in Übereinstimmung mit empirischen Beobachtungen bei Musikern auch auf die Musizierpraxis anwenden. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die Entwicklung koordinativer Fähigkeiten für die Spielbewegungen beim Musizieren eine dominante Bedeutung hat. Koordinative Fähigkeiten scheinen einen wesentlichen Einfluss darauf zu haben,

wie verlässlich Spielbewegungen beim Musizieren in unterschiedlichen Situationen wie Üben, Proben und Konzert abgerufen werden können, wie schnell und auf welche Weise spieltechnische Anforderungen auf dem Instrument erlernt werden können wie hoch der Ausnutzungsgrad der konditionell-energetischen Potentiale istwie gut die ökonomische Gestaltung der Spielbewegungen ist wie ausgeprägt positive Gefühle wie Freude und Befriedigung beim Musizieren auftreten.

Beweglichkeit als maßgeblicher Faktor koordinatorischer Fähigkeiten schließt die Dehnfähigkeit v.a. des Muskelgewebes ein. Eine zentrale Rolle spielt auch die optimale Anpassung des Muskeltonus an die Bewegungsaufgabe und – in der Musikausübung meist – der Abbau eines zu hohen Muskeltonus. Die intermuskuläre Koordination im Rahmen von Bewegungsfolgen sowie die Vermeidung von Dysbalancen in der Kraftfähigkeit der an der Bewegung beteiligten Muskeln unterstützen die Beweglichkeit.

Energetisch-konditionelle Fähigkeiten

In der sportbezogenen Trainingslehre zählen zu den energetisch-konditionellen Fähigkeiten in erster Linie Kraftfähigkeit, Schnelligkeit und Ausdauer. Diese werden hinsichtlich der Anforderungen und des Trainings an die spezifischen Erfordernisse der jeweiligen Sportart angepasst.

Im Bereich der Musikausübung gilt weitgehend, dass Spielbewegungen keine Maximalkraft erfordern, d.h. dass beispielsweise ein Pianist im Unterschied zu einem Gewichtheber nicht die ihm höchstmögliche Kraft aufwenden muss, um die Klaviertaste gegen Widerstand niederzudrücken.

Eine große Rolle spielt beim Musizieren dagegen die Fähigkeit zur Schnellkraft, die dann erforderlich wird, wenn Spielbewegungen schnell und mit Kraft ausgeführt werden, z.B. Akkordrepetitionen auf dem Klavier in schnellem Tempo und im fortissimo. Die Bewegung muss hier von Anfang an mit hoher Beschleunigung ablaufen. Da dies Krafteinsatz erfordert, kann auch die zugrundeliegende Maximalkraftfähigkeit das Ausmaß der Schnellkraft beeinflussen. Allerdings muss je nach Instrument und Bewegungsanforderung das Verhältnis von Schnelligkeit und Kraftaufwand beachtet werden. Bei Überwiegen der Schnelligkeitskomponente gegenüber der Kraftkomponente spricht man von Kraftschnelligkeit, bei der die Maximalkraftfähigkeit eine geringere Rolle spielt. Hier ist besonders darauf zu achten, dass bei Ausbildung der Maximalkraftfähigkeit durch Krafttraining gegen hohe Widerstände (beispielsweise der Arm- und Rumpfmuskulatur) keine Störungen in den leistungsbestimmenden koordinativen Fähigkeiten auftreten (Schnabel et al. 2008, S. 162).

Muss die Schnellkraft über längere Zeit, z.B. bei mehrtaktigen lauten und schnellen Passagen bei Pianisten oder Schlagzeugern, aufrechterhalten werden, ist die Kraftausdauerfähigkeit entscheidend. Bei anhaltender Kraftleistung kommt es im Muskel zu Sauerstoff- und Energiemangel und durch Druck des Muskelgewebes zu einer Verschlechterung der Mikrozirkulation. Spezifisches, sehr genau abgestimmtes Training mit dem Instrument kann die Ausdauerleistung verbessern. Während Übephasen sollten solche Passagen zuerst nur in kurzen Zeiteinheiten von wenigen Minuten geübt werden und hinsichtlich Länge und Anforderung langsam und kontrolliert gesteigert werden. Bei zu langem Üben von Passagen, die eine hohe Kraftausdauerfähigkeit erfordern, besteht ein sehr hohes Risiko, ein Überlastungssyndrom zu entwickeln.

Neben dynamischer Kraftfähigkeit ist beim Instrumentalspiel und Singen auch statische Kraftfähigkeit gefordert. Diese Kraftfähigkeit der Rücken- und Bauchmuskulatur ist insbesondere dann notwendig, wenn Spielbewegungen entfernt vom Körpermittelpunkt stattfinden und die Hebelwirkung des Instruments durch die Muskulatur aufgefangen werden muss. Dies ist bei Bläsern z.B. bei Posaunisten und bei hohen Streichern, v.a. bei Bratschisten, der Fall (Spahn 2015, S.30/31). Auch angesichts der oft stundenlangen Sitzposition beim Musizieren, z.B. im Orchester, ist eine ausreichende Kraftfähigkeit der Rückenmuskulatur wichtig für eine optimal aufgerichtete Spielposition und dient der Vorbeugung von Rückenschmerzen. Die Kraftfähigkeit der tiefen Rückenmuskulatur stellt eine Basisfähigeit dar, die auch außerhalb der Musizierpraxis trainiert werden sollte.

Fähigkeiten der Schnelligkeit – neben der Grundschnelligkeit hauptsächlich der Schnellkraft (s.o.) – sind für Musiker sehr relevant. Sie unterscheiden sich je nach Instrument. Schnelligkeitsfähigkeiten sollten hauptsächlich durch das Üben am Instrument trainiert werden. Auch hier kann durch verbesserte koordinatorische Fähigkeiten ein Gewinn erzielt werden.

Zu den energetischen-konditionalen Fähigkeiten, die für die Leistungs- und Gesundheitsförderung von Musikern wichtig sind, sollen hier die Fähigkeiten zur Spannungsregulation sowie Ruhe- und Erholungsfähigkeit genannt werden. Wie bereits beschrieben, stellt die Anpassung des Muskeltonus eine wichtige Voraussetzung für gute koordinatorische Fähigkeiten dar. Darüberhinaus ist auch die Fähigkeit, vegetative Funktionen wie Durchblutung der Hände, Atemfunktion, Kreislauf u.a. regulieren und kontrollieren zu können, wichtig für erfolgreiches Musizieren unter Auftrittsbedingungen. Hinzu kommt die Fähigkeit zur körperlichen und mentalen Erholung nach Konzerten oder während Übe- und Probephasen.

Persönlichkeit und Handlungskompetenz

Psychische und soziale Komponenten bilden zusammen mit den bisher besprochenen Faktoren die Grundlagen der Leistungsfähigkeit. Dies gilt insbesondere für die Musikausübung, da hier eine enge Verflechtung und Gleichzeitigkeit von Körper- (Bewegungs-) Ebene, Emotionen, Denken und inneren Bildern und Vorstellungen besteht. So sind im Prozess der Bewegungsregulation beim Spielen eines Instruments gedankliche Vorgänge, Motivation, Wollen und Gefühle mit den sensomotorischen Regulationsprozessen unmittelbar verbunden.

Auch das Konzept Embodiment (deutsch „Verkörperung“) geht davon aus, dass in der menschlichen Entwicklung von Anfang an Verstand, Denken und Fühlen – mit seinem Zentralorgan, dem Gehirn – in Bezug zum Körper stehen. Überträgt man dies auf den Vorgang des Musizierens, so wird deutlich, dass eine direkte Wechselwirkung mit dem Körper und dem psychischen Erleben natürlich gegeben ist (Storch et al. 2010).

Im Hinblick auf das musikalische Lernen und auf den Umgang mit beruflichen Anforderungen spielen Persönlichkeit und Handlungskompetenz demnach eine entscheidende Rolle (Spahn 2015).

2 Schwerpunkte der Leistungs- und Gesundheitsförderung in den einzelnen körperorientierten Methoden für Musiker

Körperorientierte Ansätze stellen für Musiker eine wichtige Ergänzung zu anderen Formen des Übens im Sinne der Leistungs- und Gesundheitsförderung dar.

Ausgehend von den in Kapitel I.1 dargelegten Faktoren trainingsorientierter Leistungs- und Gesundheitsförderung wird in diesem Kapitel versucht, die körperorientierten Ansätze (vgl. Kapitel II, S. 39 ff.) in einen Zusammenhang mit trainingswissenschaftlichen Konzepten zu bringen und nach ihren Schwerpunkten zu gruppieren.

2.1 Methoden-übergreifende Gemeinsamkeiten

Allen Ansätzen, die im zweiten Teil des Buches vorgestellten werden, ist gemeinsam, dass eine intensive und differenzierte Körperwahrnehmung Mittel und Ziel der Methoden sind. Hierdurch soll Bewusstheit bei der Durchführung von Bewegungen hergestellt werden. Die Körperwahrnehmung dient somit zur Selbstkontrolle und – im Sinne der innerhalb der eigenen Person erfolgenden Rückmeldung – als Orientierung hinsichtlich der Qualität von Bewegungen. Die Schulung der Körperwahrnehmung ist für Musiker besonders wertvoll. Sie kann für das Lernen der Bewegungsabläufe beim Spielen und beim Singen im Rahmen der Sensomotorik (s.o.) bewusst eingesetzt werden.

Die starke Fokussierung auf die Selbstwahrnehmung geht damit einher, dass die Methoden nicht normativ sind, sondern Prinzipien als Leitbilder vermitteln, nach denen eine individuelle Ausformung erfolgen kann. Es geht sogar vielmehr darum, die in Kapitel 1 dargestellten Faktoren (Abbildung 1-1) in ihrer individuellen Wechselwirkung auf die jeweiligen Prinzipien der Methoden hin auszurichten. Nach diesem Modell können individuelle Techniken im Rahmen eines vorgegebenen Leitbildes entstehen, die erst bei Überschreiten der Leitbildgrenze als nachteilig bewertet werden (Thorhauer und Kempe, 1993).

Ein gemeinsames zentrales Kriterium für die Qualität von Bewegung stellt in den hier vorgestellten bewegungsorientierten Methoden dasPrinzip der Ökonomisierung dar. Dieses Prinzip wurde bereits (s.o.) als wichtiges Kennzeichen in der Entwicklung koordinatorischer Fähigkeiten beschrieben. Für Musikstudierende und für professionell tätige Musiker spielt es eine besonders große Rolle, da sich bei intensiver Spielpraxis ein ungünstiger Bewegungsablauf oder ein ungünstiger Ausnutzungsgrad konditioneller Potentiale in einer Belastung von Strukturen, insbesondere von Muskelansätzen und Sehnen, niederschlagen und zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Neben der Förderung der koordinatorischen Fähigkeiten und der Spieltechnik ist deshalb eine ökonomische Bewegungsgestaltung beim Spielen des Instruments auch ein entscheidender Faktor der Gesundheitsförderung und Prävention.

Durchweg ist die Anwendung der körperorientierten Ansätze auf mittel- und langfristige Lernprozesse angelegt. Kurzfristige Effekte sind zwar durchaus wahrzunehmen – beispielsweise wenn das Musizieren desselben musikalischen Stückes vor und nach der Lektion einer Körpermethode miteinander verglichen wird und danach sowohl die Spielbewegungen leichter und flüssiger gelingen als auch der Klang sich positiv verändert –, jedoch führt nur eine regelmäßige und kontinuierliche Beschäftigung zu einer nachhaltigen Verbesserung koordinatorischer und auch konditioneller Fähigkeiten. Dies ist für Musiker von besonderer Bedeutung, da hier das Ziel besteht, mit Hilfe der Körpermethode neu erlernte koordinatorische Fähigkeiten für die Spieltechnik am Instrument nutzbar zu machen. Jedoch sind die Muster von Spielbewegungen durch den jahrelangen, meist sogar jahrzehntelangen „Vorsprung“ an Übezeit in den motorischen Zentren des Gehirns als Bewegungsprogramme so stabil, dass sie nur durch Regelmäßigkeit und mit einem hohen Aufwand an Intensität und Zeit zu verändern sind. Kontrolliertes Umlernen dauert meist mehrere Monate. Als praktische Konsequenz aus diesen Überlegungen folgt, dass dem Bewegungslernen mit dem Instrument von Beginn an die Durchführung einer Körpermethode zur Seite gestellt werden sollte, um die koordinatorischen Fähigkeiten und deren direkte Umsetzung in instrumentale Spielbewegungen optimal zu gestalten.

Den körperorientierten Ansätzen ist außerdem gemeinsam, dass als kurzfristige Effekte während einer Übung und nach einer Unterrichtsstunde körperliches Wohlgefühl und ein Gefühl der Entspannung beschrieben werden. Hieraus kann das Missverständnis entstehen, dass ein positiver, aber unspezifischer Begleiteffekt für den Haupteffekt der Methode gehalten wird. Informiertheit über Konzepte und Ziele der Methoden, wie sie im zweiten Teil dieses Buches dargestellt sind, kann hier dazu beitragen, eine Methode nach ihren übergeordneten Zielen bewusst für sich auszuwählen und durchzuführen.

Eine weitere Gemeinsamkeit der hier vorgestellten körperorientierten Ansätze ist die Tatsache, dass von einer Einheit von Körper und Psyche ausgegangen wird. Die Körper-Seele-Einheit stellt insbesondere in den Philosophiesystemen Chinas (Qigong) und Indiens (Yoga) eine anthropologische Grundauffassung dar. In der meditativen Form der Ausübung von Qigong und Yoga wie auch in der japanischen Kunst des Aikido spielt zudem das Streben nach Erkenntnis als geistiger Dimension eine Rolle. Auch die Entspannungsverfahren Autogenes Training (S. 155ff.) und Progressive Muskelrelaxation (S. 171ff.) nutzen den positiven Effekt körperlicher Entspannung auf das psychische Wohlbefinden.

Hinsichtlich des oben genannten FaktorsPersönlichkeit und Handlungskompetenz ist zu konstatieren, dass die Anwendung der körperorientierten Ansätze nur unter bestimmten gemeinsamen Voraussetzungen Erfolg versprechend ist. Hierzu zählen Offenheit und Interesse für die Methode, Eigenmotivation für eine regelmäßige und kontinuierliche Durchführung – insbesondere auch außerhalb der Unterrichtsstunden –, die Bereitschaft zur Selbst- und Körperwahrnehmung sowie Geduld bei der Gestaltung langfristiger Lernprozesse.

2.2 Gruppierung der Methoden nach Schwerpunkten der Leistungs- und Gesundheitsförderung

Im Folgenden soll eine Gruppierung der körperorientierten Ansätze, die im zweiten Teil des Buches vorgestellt werden, nach Schwerpunkten der Leistungs- und Gesundheitsförderung erfolgen.

Da der Faktor Persönlichkeit und Handlungskompetenz (s.o.) einen generellen und unspezifischen Einfluss auf Anwendung und Wirkung der Methoden hat, wurde er für die differenzierte Einteilung hier nicht als Kriterium herangezogen.

Abbildung 2-1 zeigt die Verortung der körperorientierten Methoden im Feld zwischen Förderung koordinativer und energetisch-konditioneller Fähigkeiten. Da beide Bereiche maßgeblich für die musikalische Entwicklung sind, erschien uns diese Betrachtungsweise als Orientierung für Musiker hilfreich. Es muss jedoch von vornherein gesagt werden, dass eine wirkliche Trennung dieser beiden Faktoren nicht möglich ist und auch gar nicht als sinnvoll zu erachten wäre, da Bewegung grundsätzlich koordinatorische und konditionelle Fähigkeiten in enger Wechselwirkung erfordert und diese auch in den Methoden entsprechend natürlicherweise vertreten sind. Es geht also lediglich um Schwerpunktbildungen.

Abbildung 2–1: Einordnung der körperorientierten Methoden im Feld zwischen Förderung koordinativer und energetisch-konditioneller Fähigkeiten

Die erste Gruppe bilden die Methoden – Feldenkrais-Methode, Ideokinese und Alexander-Technik –, deren Schwerpunkt auf der Förderung koordinativer Fähigkeiten und auf der Körperwahrnehmung liegt. In diesen Ansätzen steht die Wahrnehmung des eigenen Körpers bei der Ausführung von Bewegungen im Mittelpunkt. Ziele sind vornehmlich die Ökonomisierung von Bewegungen und die Verbesserung der Aufrichtung. In der Ideokinese wird dieser Prozess zusätzlich durch bewegte Vorstellungsbilder angeregt und unterstützt. Die Methoden schöpfen aus der Erfahrung, dass sich in der Beschäftigung mit ihrem Ansatz ein lebenslanger Lernprozess ergibt, der die gesamte Person erfasst.

In einer zweiten Gruppe lassen sich die Verfahren Autogenes Training und Progressive Muskelrelaxation zusammenfassen. Sie erhalten die Energiebalance, indem sie Muskelspannung ausgleichen und dazu beitragen, die körperliche Verfassung in Auftrittssituationen zu optimieren. Beide Verfahren wirken sich auch positiv auf das psychische Befinden aus und fördern die körperliche und seelische Erholung. Das Autogene Training kann auch zur Stärkung des Selbstwerts eingesetzt werden.

Eine dritte Gruppe bilden die Ansätze Das Konzept Schlaffhorst-Andersen, Ilse Middendorf – Der erfahrbare Atem und Qigong. Alle drei Methoden gehen ausdrücklich von der Einheit von Körper, Seele und Geist aus. Die beiden erstgenannten Methoden haben gemeinsam, dass die Beschäftigung mit dem Atem als zentraler Ansatzpunkt dient. Dabei wird mit der Natürlichkeit des Atems als Energiequelle gearbeitet. Auch im Qigong spielt der Atem eine zentrale Rolle, er ist hier eingebettet in das umfassende und ganzheitliche Konzept von Lebensenergie und Gesundheit in der traditionellen chinesischen Medizin. Die drei Methoden beschäftigen sich intensiv mit der Stimme; sie sind für Sänger und Bläser besonders interessant.

In einer vierten Gruppe können die Dispokinesis und die Functional Kinetics FBL Klein-Vogelbach zusammengefasst werden. Beide Ansätze stellen Systeme der Bewegungslehre dar und wurden speziell für Musiker entwickelt. Beide Methoden kommen aus dem Bereich der Physiotherapie.

Die fünfte Gruppe bilden die Methoden Pilates und Gyrokinesis. Beide wurden für Tänzer entwickelt und entsprechen in der Förderung koordinativer und konditioneller Fähigkeiten den Bedürfnissen von Tänzern. Mit diesen steht Yoga in Verbindung, da die Gyrokinesis Elemente des Yoga enthält.

Ähnlich wie Qigong besitzt Yoga eine Jahrtausendalte Tradition. Die Philosophie des Yoga beinhaltet es, offen zu sein für Weiterentwicklungen. So stellt Yoga heute ein weit verbreitetes System dar, das in viele neue Entwicklungen integriert wurde. Hier ist auch das Konzept der Achtsamkeit nach Jon Kabat-Zinn (geb. 1944) zu erwähnen, welcher in den 1970er Jahren Erfahrungen aus dem Yoga aufgegriffen und in seinen Ansatz integriert hatte. Das Achtsamkeitstraining (englisch „Mindfulness Based Stress Reduction“ MSBR) wird mittlerweile in der Psychosomatischen Medizin sowie in Schulen und allgemein im Bereich der Gesundheitsförderung angewendet.

Aikido als Kampfkunst steht für sich, da es – seiner Herkunft und Zielsetzung nach – hohe Fähigkeiten an Koordination und Kondition verlangt. Über die Bewegungsaspekte hinaus steht die mentale Dimension jedoch auch beim Aikido im Mittelpunkt.

Der Bereich Sport ist als Ganzes in Abbildung 2-1 nicht enthalten, da sich unter diesem Überbegriff eine Vielzahl von Sportarten verbirgt, die unterschiedliche Schwerpunkte aufweisen können. Als Beispiel für eine musikerfreundliche Sportart ist hier Nordic Walking genannt, das wegen seiner koordinativen und konditionellen Anteile ein sehr ausgewogenes Bewegungsangebot darstellt und deshalb insbesondere für Musiker geeignet ist.

Tanz enthält ebenfalls ein Spektrum unterschiedlicher Tanzformen, die hier nicht alle abgebildet werden können. Die in Kap. 16 näher beschriebenen Tanzformen Klassisches Ballet, Modern Dance und Stepptanz bilden nicht nur wegen der vielfältigen Förderung koordinatorischer und konditioneller Fähigkeiten eine gemeinsame Gruppe, sondern insbesondere auch als Kunstformen mit enger Verbindung zur Musik. In seiner künstlerischen Dimension unterscheidet sich der Tanz von allen anderen körperorientierten Ansätzen.

Literatur

Schnabel G., Harre D., Krug J. (Hrsg.) (2008). Trainingslehre. Trainingswissenschaft. Leistung, Training, Wettkampf. Aachen: Meyer & Meyer Verlag.

Spahn C. (2015). Musikergesundheit in der Praxis. Grundlagen, Prävention, Übungen. Leipzig: Henschel-Verlag.

Steinmüller W., Schaefer K., Fortwängler M. (Hrsg.) (2001). Gesundheit-Lernen-Kreativität Alexander-Technik, Eutonie Gerda Alexander und Feldenkrais als Methoden zur Gestaltung somatopsychischer Lernprozesse. Bern: Verlag Hans Huber.

Storch M., Cantieni B., Hüther G., Tschacher W. (2010). Embodiment. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. 2. Aufl. Bern: Verlag Hans Huber Bern

Thorhauer H.-A., Kempe M. (1993). Sporttechnische Leitbilder im Trainingsprozess. Sportwissenschaft (23) 2: 158-174

II Körperorientierte Ansätze

3 Einführung und Überblick

Claudia Spahn

Im zweiten Teil dieses Buches werden körperorientierte Ansätze mit dem Schwerpunkt auf ihre spezifischen Eigenschaften für Musiker dargestellt. Um Ihnen als Leserinnen und Leser die Orientierung zu erleichtern, sind die jeweiligen Kapitel in gleicher Weise gegliedert: Zu Beginn wird die Entstehung des Ansatzes beschrieben, welche bei vielen Methoden auch die Biografie der Gründerinnen oder Gründer einschließt. Sie führt zum eigentlichen Konzept der Methode. Hierauf folgen Informationen zur praktischen Anwendung und zur Verbreitung der Methode. Aufbauend auf diesen Informationen werden spezifische Aspekte in der Anwendung für Musiker dargestellt und durch Erfahrungsberichte von Musikern, welche die Methode bereits praktiziert haben, ergänzt. Sofern vorhanden, werden auch Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen zur Wirksamkeit der Methode – insbesondere auch bei Musikern – berichtet. Jedes Kapitel enthält zudem mehrere Übungsbeispiele, anhand derer Sie sich als Leserinnen und Leser einen ersten praktischen Eindruck in der Anwendung der Methode verschaffen können. Allerdings ersetzt dies nicht die intensive Beschäftigung und Anleitung, die notwendig ist, um eine Methode wirklich kennenzulernen und langfristig von ihr zu profitieren. In einer Kurzzusammenfassung sind pro Kapitel in einem Fazit die wichtigsten Aspekte der Methode für Musiker nochmals zusammengestellt. Abschließend werden praktische Hinweise gegeben, wie zusätzliche Informationen und qualifizierte Unterrichtsangebote zu finden sind, und – soweit vorhanden – die Schriften der Gründerinnen und Gründer und weiterführende Literatur zur jeweiligen Methode aufgelistet.

Über die Darstellung der einzelnen körperlichen Ansätze hinaus finden Sie in diesem Teil des Buches auch ein Kapitel zu Tanz und ein Kapitel zu Sport. Hier werden wichtige Aspekte für Musiker zu diesen Bereichen beschrieben.

Jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen, sodass die Methoden einzeln rezipiert werden können. Interessierte können sich so über einen bestimmten körperorientierten Ansatz informieren und Musiker können aus dem Angebot an Methoden eine individuelle Wahl treffen.

3.1 Entstehungszeit der Ansätze

Betrachtet man die Entstehungszeit der hier dargestellten Methoden, so fällt auf, dass die Mehrzahl Ende des 19. Jahrhunderts und während der zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts entstanden ist. Die jüngsten Ansätze datieren etwa Mitte des 20. Jahrhunderts und ihre Gründer sind teilweise noch aktiv. Sehr deutlich von allen anderen körperorientierten Ansätzen unterscheiden sich Yoga und Qigong. Obwohl sie heute im Westen oft in einem Atemzug mit den anderen Methoden genannt werden, sind sie hinsichtlich ihrer zeitlichen und philosophischen Dimension paradigmatisch verschieden, gründen sie doch auf Jahrtausende alte Traditionen (Tab. 3-1).

Tabelle 3–1: Entstehungszeit der Ansätze in chronologischer Reihenfolge; abzulesen an der Lebenszeit der Gründerinnen und Gründer oder anhand philosophischer Schriften

Die meisten der Gründerinnen und Gründer in Europa erlebten zwei Weltkriege und einige mussten um den Fortbestand ihrer Methode fürchten. Trotzdem konnten sich die Methoden weiterentwickeln und haben sich heute gerade bei Musikern, Schauspielern und Tänzern etabliert.

3.2 Die Gründerinnen und Gründer der Methoden

Die Konzepte und Methoden verdanken wir der positiven Lebenseinstellung, der Kreativität, der Klugheit und dem Fleiß einzelner Menschen, die ihre eigene Erfahrung zu einer Idee für andere werden ließen. Einige der Gründerinnen und Gründer begannen die Entwicklung ihrer Methode wegen eines gesundheitlichen Problems: Moshé Feldenkrais litt an einer Knieverletzung, Mabel Todd hatte eine Rückenverletzung, Frederick M. Alexander war heiser, Clara Schlaffhorst war von einer Stimmstörung betroffen, Gerrit Onne van de Klashorst verlor bei einem Unfall zwei Fingerglieder der rechten Hand und Juliu Horvath erlitt eine schwere Wirbelsäulenverletzung. Neben ihrer Leistung in der Entwicklung neuer Konzepte sind diese Personen auch positive Beispiele dafür, scheinbar unüberwindbare Probleme aktiv anzugehen und eigenständig nach Lösungen zu suchen. So bieten sie auch – da die meisten selbst Musiker und Tänzer waren – insbesondere für Künstler herausragende Beispiele dafür, wie es gelingen kann, Krisenbewältigung mit persönlichem Erkenntnisgewinn zu verknüpfen. Angesichts des hohen Lebensalters, das alle Gründerinnen und Gründer erreichten (im Durchschnitt 86 Jahre, vgl. Tab. 3-1), können sie selbst als Beispiele für die gesundheitsfördernde Wirkung ihrer Methoden gelten.

In den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts bestanden vielfältige Verbindungen zwischen den Methodenvertreterinnen und -vertretern, insbesondere unter Musikern und Tänzern. Auch begegneten sich einige von ihnen persönlich. Allerdings gab es und gibt es noch heute auch die Tendenz zu gegenseitiger Abgrenzung und dazu, die eigene Methode „solistisch“ in den Mittelpunkt zu stellen. Die Zusammenarbeit von Vertretern unterschiedlicher Methoden in der Aus- und Weiterbildung für Musiker eröffnet die Möglichkeit zum Austausch und zu einer neuen Form der Zusammenarbeit.

3.3 Geographische Herkunft der Methoden

Die geographischen Herkunftsländer der Methoden sind über mehrere Kontinente verteilt. Abbildung 3-1 zeigt die Länder und Kontinente, aus denen die Methoden und ihre Gründerinnen und Gründer ursprünglich stammen. Alle außerhalb Europas entstandenen Methoden sind entweder über ihre Verbreitung in den USA oder auf direktem Weg nach Europa gelangt. Im Zuge der Globalisierung haben sich alle Ansätze heute weltweit verbreitet, wenn auch teilweise in unterschiedlichen Ausprägungen.

Abbildung 3–1: Die ursprüngliche geografische Herkunft der Methoden und ihrer Gründerinnen und Gründer1

3.4 Wahl der Methode

Angesichts der breiten Palette an Methoden stellt sich die Frage, wie der einzelne Musiker den richtigen Ansatz für sich finden kann. Letztendlich ist diese Frage nicht pauschal zu beantworten, die folgenden Überlegungen können jedoch bei der Auswahl helfen.

Zunächst ist es sinnvoll, sich zu fragen, welches Ziel mithilfe der Methode erreicht werden soll. Informationen hierzu liefern die unter I.2 im Überblick beschriebenen Schwerpunkte der Methoden. Wenn mehrere Methoden inhaltlich in Frage kommen, sind Aufwand und Nutzen abzuwägen. Pragmatische Aspekte, welches Angebot Sie in Ihrer Wohnort- oder Arbeitsortnähe vorfinden und wie gut sich Unterrichtszeiten in Ihren Terminplan einpassen lassen, können letztendlich ausschlaggebend sein.

Wenn Sie ein konkretes Unterrichtsangebot – insbesondere außerhalb einer Institution – suchen, empfiehlt es sich, die Qualifikation und Vertrauenswürdigkeit des Dozenten aufmerksam zu prüfen. Ist dieser Punkt positiv geklärt, sollten Sie der Frage, wie angenehm Ihnen die Person des Dozenten und seine Art zu unterrichten sind, großes Gewicht beimessen.

Lernen kann am besten in einer positiven Lehrer-Schüler-Beziehung stattfinden. Es ist deshalb nicht empfehlenswert, gegen inneren Widerstand einen Unterricht zu besuchen oder sich zu zwingen, eine Methode durchzuführen, nur weil sie Ihnen von anderer Seite empfohlen wurde. Ihre Entscheidung für eine Methode bei einem bestimmten Dozenten ist höchst individuell und sie kann sich von den Empfehlungen anderer Musiker unterscheiden. Es kann auch durchaus sein, dass sich Ihr Interesse an einem bestimmten Ansatz im Laufe der Zeit verändert. Entscheidend hierfür sind Ihre persönlichen Erfahrungen.

Da viele der Ansätze mittel- und langfristig wirken, sollten Sie sich einen Zeitraum von mindestens ca. 6–8 Wochen vornehmen, in dem Sie die Methode regelmäßig durchführen und neugierig deren Wirkungen an sich beobachten. Bei Irritationen und Unsicherheiten sollten Sie zunächst den Dozenten ansprechen, erst wenn Sie nach gründlicher Auseinandersetzung keinen Zugang finden, sollten Sie an einen Wechsel denken. Dieses Vorgehen hilft Frustrationen zu vermeiden, zumal bei schnellem Wechsel von einer Methode zur nächsten die notwendige Intensität nicht erreicht wird, um langfristige positive Effekte erzeugen zu können.

Alle hier beschriebenen Ansätze sind grundsätzlich geeignet, Musikern in ihrer Entwicklung als Musizierenden und generell als Menschen Impulse zu geben, einen erweiterten und damit besseren Zugang zu ihrem eigenen Köper und Geist zu erlangen. Unabhängig von der Wahl der einzelnen Methode ist es deswegen empfehlenswert, sich grundsätzlich auf einen Prozess der Selbsterkenntnis einzulassen. So können Sie Ihre Leistungsfähigkeit und Gesundheit beim Musizieren verbessern und die Chancen, welche die jeweilige Methode bereit stellt, für sich nutzen.

3.5 Kombination und Planung körperorientierter Ansätze und Aktivitäten

Die in diesem Buch vorgestellten körperorientierten Ansätze können von Musikern auf vielfältige Weise genutzt werden. Geht man davon aus, dass im Zentrum das zielgerichtete Spielen des Instruments und das Singen zur Verbesserung des musikalischen Ergebnisses (das „Üben“) steht, so sind Elemente der körperorientierten Methoden in unterschiedlicher Weise integrierbar und kombinierbar. So können sie grundsätzlich direkt während des Spielens und Singens, als Vor- und Nachbereitung, während der Pause zwischen zwei Übeeinheiten, in einer Probenpause, unabhängig vom Musizieren als Ausgleich und zur Entspannung sowie als Basistraining u.v.a. m. angewandt werden. Hier kann zur Frage, wie für Musiker ideale Förderbedingungen einer gesunden Leistungsfähigkeit mit Instrument und Stimme aussehen können, ein Blick in die Nachbardisziplin der Trainingslehre im Sport geworfen werden. Als zentrale Regel imponiert hier, dass Profisportler sehr bewusst mit der zeitlichen Planung und der Art sportlicher Aktivitäten umgehen. Überträgt man dieses Prinzip auf Musiker – gleichermaßen auf professionelle Musiker und Freizeitmusiker! –, so heißt dies, dass für Musiker ein bewusstes und überlegtes Vorgehen hinsichtlich körperlicher Aktivitäten und eine konkrete Umsetzung in der Tages- und Wochenplanung ebenso wichtig ist. Aktivitäten motorischen Lernens wie das Üben mit und ohne Instrument (mentales Üben), die Durchführung von Körpermethoden, Sport, Tanz und täglicher Bewegung im Alltag (Laufen, Fahrradfahren etc.) sollten hinsichtlich Dosierung, Zeitpunkt und körperlicher Beanspruchung in einem sinnvollen Trainingsplan platziert werden. Da ein solcher Plan auf die persönlichen und instrumentenspezifischen Erfordernisse des einzelnen Musikers abgestimmt sein muss, lassen sich an dieser Stelle keine detaillierten Empfehlungen geben. Die Erstellung komplexer Trainingspläne bei Musikern würde ohnehin den Rahmen dieses Buches sprengen. Einige zentrale Hinweise sollen trotzdem in aller Kürze formuliert werden (vgl. auch den Abschnitt Trainingslehre im Kapitel 19 Sport):

Die Körpermethoden stellen dem Musiker Möglichkeiten zur Verfügung, die Übephasen mit dem Instrument durch Aufwärmübungen vorzubereiten und mit Abwärmübungen zu beenden. Durch diese Übungen wird nicht nur die Durchblutung von Geweben verbessert, sondern es werden auch die koordinatorischen Fähigkeiten in Vorbereitung auf das Instrumentalspiel und das Singen angeregt. Großes Potential liegt in der direkten Anwendung von Lernerfahrungen aus den Körpermethoden beim Üben. So können beispielsweise koordinatorische Fähigkeiten, die in der Feldenkrais-Methode oder der Alexander-Technik erworben wurden, beim Spielen des Instruments oder beim Singen außerhalb des Körperunterrichts selbständig Anwendung finden. Auch Vorstellungsbilder aus der Ideokinese können beim Musizieren genutzt werden. Die Methoden Das Konzept Schlaffhorst-Andersen, Ilse Middendorf – Der Erfahrbare Atem und Qigong verbinden Arbeit mit dem Atem und der Stimme. Methoden wie die Dispokinesis oder die Functional Kinetics FBL Klein-Vogelbach sind direkt auf das Instrument bezogen und sind den Erfordernissen von Musikern angepasst. In allen hier erwähnten Methoden wird die Integration motorischer Lernschritte in das Instrumentalspiel und das Singen dadurch vorbereitet und verstärkt, dass im Körperunterricht selbst bereits mit dem Instrument gearbeitet werden kann. Für nachhaltige Lernfortschritte mit dem Instrument und beim Singen ist es allerdings unerlässlich, die im Unterricht gewonnenen Erfahrungen selbständig weiterzuführen.Alle Aktivitäten sollten so geplant werden, dass sie mit hoher Konzentration durchgeführt werden. Hinsichtlich der Körpermethoden gilt, dass sich deren Effekte am besten entfalten können, wenn eine ausreichende Intensität an Offenheit und an Konzentration auf die Körperwahrnehmung vorliegt.Der Effekt der körperbezogenen Aktivitäten (Üben mit Instrument, Durchführung von Übungen aus den Körpermethoden etc.) ist deutlich größer, wenn diese fraktioniert, d.h. zeitlich verteilt, jedoch nicht mit zu langen Pausen, z.B. von mehreren Tagen, erfolgen. Dies gilt insbesondere für Aktivitäten, welche die konditionellen Fähigkeiten fördern.Körpermethoden und belastungsintensive Aktivitäten (einschließlich Üben) sollte nicht in ermüdetem Zustand durchgeführt werden, da hierbei die Präzision der Bewegungen ab- und das Verletzungsrisiko zunimmt.Grobmotorische Trainingsformen (z.B. Gerätetraining im Fitnessstudio) sollten nie direkt vor dem (feinmotorischen) Spielen des Instruments durchgeführt werden.Bei allen Aktivitäten sind die morphologischen Grenzen der Belastbarkeit von Gewebe, insbesondere von Muskelansätzen und Sehnen, zu beachten. Jede Trainingseinheit muss zeitlich so geplant sein, dass sie vor dem Eintreten von Ermüdungserscheinungen endet. Erholungspausen können bewusst so gestaltet werden, dass sie einen optimalen Ausgangszustand für folgende Übeeinheiten wiederherstellen. Hierzu zählen z.B. die Regulation der Muskelspannung, die geistige Erholung durch Entspannung, sowie Dehnübungen als Beweglichkeitsausgleich u.a..Die in diesem Buch vorgestellten körperorientierten Ansätze sind zum großen Teil sinnvoll zu kombinieren – in welcher Weise, ist im individuellen Fall zu entscheiden. Methoden mit gleichen Schwerpunkten (vgl. Kap. I.2) werden selten parallel unterrichtet, allerdings können ihre Elemente im Selbstgebrauch durchaus gemeinsam eingesetzt werden. Dies gilt gerade bei Musikern u.a. für die Verfahren Autogenes Training und Progressive Muskelrelaxation, die heute bereits in anderen Bereichen gemeinsam verwendet werden. Auch fanden Inhalte aus dem Yoga beispielsweise Eingang in Pilates.Körperorientierte Ansätze – z.B. Aikido, Nordic Walking, Yoga – können ihre Wirkungen in einem Ergänzungsverhältnis zum Musizieren, d.h. im Sinne muskulären Ausgleichs oder konditioneller Förderung und geistiger Entspannung entfalten. Grundsätzlich sind die Wirkungen körperbezogener Aktivitäten nicht als rein additiv zu verstehen. Sie können sich in ihren Wechselwirkungen positiv verstärken, sofern sie in ein Trainingskonzept eingebunden sind.

1 Quelle: Monika Hunackova/shutterstock.com

4 Feldenkrais-Methode

Barbara Noé

Die Feldenkrais-Methode ist nach ihrem Begründer Moshé Feldenkrais (1904–1984) benannt. Sie versteht sich als Verfahren zur Gestaltung von Lernprozessen, die zu einer intensiveren Körperwahrnehmung und besseren Bewegungsqualität führen. Feldenkrais geht davon aus, dass Bewegung das zentrale Agens darstellt, um Lernprozesse in Gang zu bringen. In diesem Sinne werden in der Feldenkrais-Methode Bewegungslektionen mit dem Ziel ausgeführt, das Gehirn durch sensomotorische Erfahrungen zur Gestaltung neuer und optimierter Bewegungsmuster anzuregen.

4.1 Entstehung und Konzept

4.1.1 Entstehung

Die Feldenkrais-Methode geht auf eine persönliche Erfahrung von Moshé Feldenkrais im Umgang mit seinem eigenen Körper zurück. So gelang es ihm, eine Verletzung seines linken Knies und die dadurch entstandene Funktionseinschränkung durch optimalen Gebrauch seines Körpers auszugleichen. Als Wissenschaftler hatte er gelernt, Erfahrungen auf ihre Gesetzmäßigkeiten hin zu untersuchen und hieraus übergeordnete Prinzipien zu formulieren. Nach diesem Vorgehen entwickelte er die Feldenkrais-Methode. Die Wissens- und Erfahrungsquellen, aus denen er schöpfte, sind eng mit seiner Biografie verbunden. Zu Beginn dieses Kapitels über die Feldenkrais-Methode soll deshalb ein Blick in das Leben von Moshé Feldenkrais stehen.

4.1.2 Biographische Skizze zu Moshé Feldenkrais2

1904 wird Moshé Feldenkrais in der kleinen Stadt Slawuta in der Ukraine geboren – einem Gebiet, in dem Juden damals per Gesetz leben durften. Frühe positive Kindheitserlebnisse gelten dem stattlichen und gastfreundlichen Haus des Großvaters mütterlicherseits, der Holzhändler und Bankier war. Bereits im Alter von drei Jahren muss Moshé jedoch erstmals mit seinen Eltern vor Judenhassern flüchten und seitdem prägen antisemitische Bedrohung und Verfolgung sein Leben und das seiner Familie. Als seine Mutter Sheindel auch nach dem Umzug der Familie nach Baranowicze – heute Weißrussland – um die Zukunft ihres ältesten Sohnes fürchten muss, lässt sie ihn in das Land ziehen, das Juden eine Heimat verspricht: 1917 hatte sich die britische Regierung verpflichtet, die Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina zu fördern. Mit der Hoffnung auf ein Leben in Freiheit und mit dem Segen seiner Familie macht sich Moshé als knapp Fünfzehnjähriger allein auf den weiten Weg nach Palästina. Im damals erst zehntausend Einwohner zählenden Tel Aviv arbeitet er mit anderen jungen Männern am Aufbau des Staates Israel und baut Häuser. Er schließt sich der jüdischen Selbstverteidigungsorganisation Haganah an und lernt von einem jungen Deutschen aus Berlin die japanische Kampftechnik Jiu-Jitsu, um für den Straßenkampf gerüstet zu sein. Moshé nimmt die Kampftechnik nicht nur mit Begeisterung auf, sondern versucht, sie für seine Zwecke der Selbstverteidigung weiterzuentwickeln. Sein Wissensdurst und seine unbedingte Neugier, Dingen auf den Grund gehen zu wollen, zeichnen ihn schon in diesem jungen Alter aus. Im Zelt – für eine Wohnung war er zu arm – lernt er Mathematik und bereitet sich auf die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium vor. Das Schulgeld finanziert er durch Nachhilfeunterricht, bei dem er sich durch seine pädagogische Begabung bald einen Namen macht. 1926, ein halbes Jahr nach dem Abitur, erhält Moshé eine Festanstellung als Landvermesser bei der britischen Mandatsregierung. Erstmals verdient er genügend Geld, um in einem Haus wohnen und sich ordentlich kleiden zu können. In dem Schauspieler Aharon Meskin findet er einen inspirierenden Gesprächspartner und lebenslangen Freund. Moshé beschäftigt sich intensiv weiter mit Bewegung – 1931 wird sein erstes Buch „Jiu-Jitsu ve-Haganah Atzmit“ erscheinen – und er trainiert mehrere Sportarten. Beim Fußballspielen erleidet er eine schwere Verletzung am linken Knie, die ihn sechs Monate ans Bett fesselt. Eine operative Behandlung ist zu dieser Zeit noch nicht möglich. So versucht er aus eigener Kraft wieder „auf die Beine zu kommen“, indem er sich mit seinem Körper und dessen Bewegungspotential beschäftigt. Er kann schließlich wieder laufen, sein Leben lang wird ihm die Verletzlichkeit seines Kniegelenks jedoch Anstoß für die Erforschung von Bewegungen und deren Optimierung bleiben. Aus dieser Beschäftigung gewinnt er immer wieder entscheidende Anstöße für die Entwicklung seiner Methode.

1929 – mit 25 Jahren – entscheidet sich Moshé Feldenkrais für einen nochmaligen Neuanfang und beginnt in Paris an der Sorbonne, Ingenieurwissenschaften mit Schwerpunkt Mechanik zu studieren. 1933 gründet er dort den „Jiu-Jitsu Club de France“ und 1934 erscheint sein Buch über Jiu Jitsu erstmals in französischer Sprache. Bei einem Vortrag in Paris begegnet er dem japanischen Begründer des Judo, Jigoro Kano (1860–1938). Von Kanos Schülern erhält er Judounterricht und wird als erster europäischer Judoka mit dem Schwarzen Gurt zweiten Grades ausgezeichnet. Auf Wunsch Kanos wird Moshé Feldenkrais der Botschafter für Judo in Frankreich.

1936 heiratet Moshé Feldenkrais seine langjährige Freundin Yona Rubinstein, mit der er gemeinsam aus Tel Aviv nach Paris übergesiedelt war.

Aufgrund seines hervorragenden Studienabschlusses erhält Moshé Feldenkrais im Sommer 1933 die Möglichkeit einer Promotion im Labor der renommierten Wissenschaftler Irène Joliot-Curie (1897–1956) und Frédéric Joliot-Curie (1900–1958). Dort lernt er 1934, wenige Monate vor ihrem Tod, die mehrfache Nobelpreisträgerin Marie Curie (1867–1934), Mutter von Irène Joliot-Curie, kennen. 1935 beteiligt sich Moshé Feldenkrais am Bau des ersten französischen Teilchenbeschleunigers, eines sogenannten Van-de-Graaff-Generators. Im selben Jahr erhält das Ehepaar Irène und Frédéric Joliot-Curie den Nobelpreis für Chemie für die Entdeckung der künstlichen Radioaktivität. Die Wissenschaftler fürchten um einen Missbrauch ihrer Forschungsergebnisse durch die deutschen Nationalsozialisten. Als im Mai 1940 der Einmarsch der deutschen Truppen in Paris bevorsteht, flüchten Moshé und seine Frau Yona mit schwerem Gepäck: in mehreren Koffern befinden sich die wissenschaftlichen Unterlagen aus dem Labor Joliot-Curie. Im letzten Augenblick gelingt es ihnen, sich von Bordeaux nach England einzuschiffen und sich selbst und die geheimen Dokumente in Sicherheit zu bringen.

Die nächsten zehn Jahre verbringt Moshé Feldenkrais in Schottland und England und arbeitet als Wissenschaftsoffizier Seiner Majestät in der U-Boot-Ortungs-Forschung der Alliierten. Bis 1945 lebt er im schottischen Fairlie und unterrichtet auch dort weiterhin Judo. Ein Kreuzbandriss an seinem vorgeschädigten linken Knie zwingt ihn zum erneuten Selbststudium seiner Bewegungskoordination. Seine Erkenntnisse beginnt er seit 1943 einem interdisziplinären Kreis von Wissenschaftlern, der „British Association of Scientific Workers“, vorzutragen. Hieraus erwachsen die Grundlagen zu seinem Buch Body and Mature Behaviour (deutsch: Der Weg zum reifen Selbst 1994), das 1949 erscheint. Im November 1945 wird Moshé Feldenkrais an der Sorbonne zum „Ingénieur-Docteur“ promoviert. In den Jahren von 1946 bis 1950 kommt es in London zu Begegnungen mit biographisch bedeutsamen Personen. Moshé Feldenkrais lernt den deutschsprachigen Dichter Franz Wurm kennen, der sich bald sehr intensiv für Moshés Gedanken und Arbeitsweise interessiert und ihn durch seine Sprachbegabung bei der Verbalisierung seiner Erfahrungen und Techniken unterstützt. Franz Wurm wird ein lebenslanger Freund und Verbreiter der Methode in Europa und übersetzt später die Bücher von Moshé Feldenkrais ins Deutsche. In London begegnet Moshé Feldenkrais auch F.M. Alexander (vgl. Kapitel 3 Alexander-Technik), bei dem er eine Unterrichtsstunde nimmt. Obwohl Alexander die wissenschaftliche Herangehensweise von Moshé Feldenkrais ablehnt und kein weiterer Kontakt zwischen beiden zustande kommt, hat Moshé Feldenkrais auch später noch seine Wertschätzung gegenüber der Alexander-Technik zum Ausdruck gebracht. Für sein Verhältnis zu Musik und Bildender Kunst war für Moshé Feldenkrais die Begegnung mit dem jüdischen Musiker und Pädagogen Heinrich Jacoby positiv prägend, den er 1950 in der Schweiz kennenlernt.

Ende der vierziger Jahre erhält Moshé Feldenkrais in London von begüterten Schülerinnen mehrere Angebote, ihn bei der Gründung eines privaten Instituts zu unterstützen. Moshé ist jedoch daran gelegen, unabhängig zu sein und weiter an der offiziellen und wissenschaftlichen Anerkennung seiner Methode zu arbeiten.

1950 zieht es ihn zurück in sein Heimatland Israel, das ihm das Angebot macht, als Wissenschaftler in der Forschungsabteilung der israelischen Streitkräfte zu arbeiten. Nach Jahren der Flucht und Vertreibung finden sich Moshé, seine Mutter Sheindel, sein Bruder Baruch und seine Schwester Malka nun in Israel wieder. Der Vater war einige Jahre zuvor dort verstorben, der Großteil der weiteren Familie war im Holocaust umgebracht worden. Die Tatsache, dass Moshé Feldenkrais trotz dieser Erfahrung seine Methode später auch vorbehaltlos in Deutschland unterrichtete, zeugt von seiner großen persönlichen Souveränität und Professionalität. Neben seiner Tätigkeit in der militärischen Forschung erteilt Moshé Feldenkrais Gruppenunterricht und begeistert Wissenschaftskollegen wie den Chemiker Avraham Baniel für seine Methode. Immer wieder behandelt er auch Patienten im Einzelsetting und wird durch seine erstaunlichen Heilungserfolge zunehmend bekannter. 1953, im Alter von 49 Jahren, fasst Moshé Feldenkrais den wagemutigen Entschluss, sich ausschließlich der Arbeit mit Menschen und der Weiterentwicklung seiner Methode zu widmen.

Die Startbedingungen sind alles andere als luxuriös: Einzelbehandlungen führt Moshé in seinem Zimmer in der Wohnung durch, die er sich mit seiner Mutter in Tel Aviv teilt – seine Frau Yona und er hatten sich schon Jahre zuvor getrennt –, der Gruppenunterricht findet in einem benachbarten Tanzstudio statt. Von häufigen Besuchen bei Freunden wird berichtet, dass Moshé sehr viel und gerne über seine Ideen diskutierte und dass man sich nicht selten nach dem Essen gemeinsam auf dem Boden liegend fand, um eine neue Bewegungslektion zu erproben. Ab 1954 wird der Raum in der Alexander-Yanai-Straße Nr. 3 in Tel Aviv für rund dreißig Jahre das „Versuchslabor“ von Moshé Feldenkrais. Etwa vierzig Personen können hier an seinen Lektionen teilnehmen, die er ständig variiert und verfeinert. Das Jahr 1957 bringt ihm durch die erfolgreiche Behandlung des israelischen Premierministers David Ben-Gurion plötzliche Popularität. Ein Foto von Ben-Gurion im Kopfstand geht um die Welt: Moshé Feldenkrais ist es gewesen, der Ben-Gurion von jahrelangen quälenden Rückenschmerzen befreit und ihm geholfen hat, noch als fast Achtzigjähriger seinen Lebenstraum, auf dem Kopf zu stehen, zu verwirklichen. Tief überzeugt von Moshés Arbeit startet Ben-Gurion mehrere Versuche, die Methode in Israel zu institutionalisieren und ihr staatliche Anerkennung zu verschaffen. Auch wenn dies letztlich nicht gelingt, so reift in Moshé Feldenkrais doch eine wichtige Entscheidung: Seine Methode soll unabhängig von seiner Person Gültigkeit besitzen. Als ersten Schritt auf dem Weg, sein Wissen an andere weiterzugeben, nimmt Moshé Feldenkrais Mia Segal als Assistentin zu sich. 1958 begibt er sich nach New York, um seinen Ansatz den Ärzten des New York University Bellevue Medical Center vorzustellen. Trotz anfänglicher Skepsis überzeugt Feldenkrais den leitenden Arzt der Physiotherapeutischen Abteilung und fährt mit dessen Empfehlungsschreiben, in einen wissenschaftlichen Austausch einzutreten, zurück nach Israel. Leider kommt es aus politischen Gründen nicht dazu.

1969 beginnt Moshé Feldenkrais mit der Ausbildung von dreizehn Männern und Frauen zu Lehrerinnen und Lehrern seiner Methode. Dieser erste Ausbildungskurs in Tel Aviv erstreckt sich über drei Jahre. 1971 begibt sich Moshé Feldenkrais erneut nach New York, um an der New York University Vorträge zu halten. Er wird in das kalifornische Esalen eingeladen, das in den siebziger Jahren ein Zentrum für Selbsterfahrung ist und in dem sich Therapeuten wie Fritz Pearls, Ida Rolf und Künstler wie Bob Dylan und George Harrison treffen. Unter ihnen befindet sich auch der Regisseur Peter Brook, der jahrelang mit Moshé Feldenkrais zusammenarbeitet und seine Methode außerordentlich schätzt. Die Bezeichnung Awareness Through Movement – wie Feldenkrais seine Gruppenarbeit inzwischen nennt – findet sich als Buchtitel erstmals 1972 im Amerikanischen und 1978 im Deutschen als Bewusstheit durch Bewegung. Der aufrechte Gang in der Übersetzung von Franz Wurm. Das Werk macht Moshé Feldenkrais im deutschsprachigen Raum schnell bekannt. Im Juli 1975 beginnt er in San Francisco einen von drei Sommerkursen, in denen er weitere Lehrer ausbildet. Zwischendurch bereist er Europa. Eine wichtige Station ist weiterhin Zürich, wo er bei der befreundeten Familie Wolgensinger wohnt und auch Franz Wurm trifft. Amos Hetz – Tänzer und Bewegungslehrer in Israel – beschreibt, wie Moshé unfreiwillig zum Guru stilisiert wird und sich trotzdem treu bleibt. Bis zuletzt geht es ihm darum, Lernprozesse zu erforschen und das Individuelle jedes Menschen zu erkennen und lebendig werden zu lassen. Im Juni 1980 beginnt Moshé Feldenkrais seine auf drei Sommerkurse angelegte Ausbildung mit 230 Teilnehmern in Amherst an der amerikanischen Ostküste. 1981 erscheint sein Buch Die Entdeckung des Selbstverständlichen. Im selben Jahr erleidet Moshé in Zürich seinen ersten Schlaganfall. Er kehrt nach Tel Aviv zurück und arbeitet weiter. Nach weiteren Schlaganfällen stirbt Moshé Feldenkrais am 1. Juli 1984 im Alter von 80 Jahren in seiner Wohnung in Tel Aviv.

4.1.3 Das Erbe von Moshé Feldenkrais