Krähe und Bär - Martin Baltscheit - E-Book

Krähe und Bär E-Book

Martin Baltscheit

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Beschreibung

Tiefgründig, überraschend und urkomisch! Der Bär wird um sein faules Leben im Zoo beneidet. Jeden Tag drei Mahlzeiten und satt einschlafen. Dabei wäre er viel lieber frei wie die Krähe. Die bietet ihm die Chance seines Lebens: Sie können ihre Körper tauschen! Schnell muss der Krähenbär feststellen, dass gute Manieren in freier Wildbahn reine Zeitverschwendung sind, und die Bärenkrähe frisst sich nicht nur rund, sondern auch unglücklich. Und so teilen sich die beiden am Ende die Vollpension im Zoo in einer freien Entscheidung. Philosophische Themen kindgerecht und lustig verpackt und mit leuchtend-fantasievollen Illustrationen ausgestattet!

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Über dieses Buch

Ein einsamer Bär im Zoo und eine hungrige Krähe auf Futtersuche. Der Vogel fällt ins Wasser und der Bär rettet das aufdringliche Tier nur widerwillig. Doch die Krähe lässt sich nicht abhalten und kehrt auch am nächsten Tag ins Gehege des Bären zurück. Aus den täglichen Begegnungen entspinnt sich eine besondere Freundschaft, eine Liebe ungeahnter Größe und eines Tages kann die kluge Krähe dem traurigen Bären mit einem magischen Trick seinen größten Wunsch erfüllen: Die Freiheit.

 

Eine Geschichte über zwei ungleiche Freunde mit fabelhaften Illustrationen von Wiebke Rauers

Neulich im Zoo:

»Sach mal, wo ist denn der Bär?«

»Steht an der Wand und schläft.«

»An der Wand? Tatsächlich! Steht er da den ganzen Tag?«

»Nur, wenn er nicht liegt und frisst.«

»Fressen und schlafen. Sonst macht er nichts?«

»Was soll er machen? Macht sich ein schönes Leben.«

»Und wir machen den Dreck weg.«

»Gibt Schlimmeres. Hier, nimm den Besen.«

»Schau mal, die Krähe. Die hat’s gut. Frisst, was übrig bleibt, und geht, wohin sie will.

Die hat mehr Freiraum als wir.«

»Das wär kein Leben für mich.«

»Frei sein?«

»Immer betteln.«

Slawotsch! Die Krähe hat sich übernommen und ist abgestürzt. Sie kam wie eine Feder und fiel wie ein Stein. Gleich ins Wasser. Am Ziel vorbei. Der Hunger hat sie schwer gemacht. Man fliegt nicht gut mit schwerem Hunger. Übernimmt der Hunger die Herrschaft, gibt er nur einen Befehl: Fressen! Egal was! Egal wie! Egal wo! Da stört auch kein Bär. Nur manchmal ist was im Weg. Aber die Krähe konnte nichts dafür. Der große Knochen lag in der Sonne, voller Fleischfetzen und halb verdorbener Reste. Der Krähe war, als redete der Knochen zu ihr: »Hey, Krähe, der blöde Bär hat was übrig gelassen, komm und hol mich!« Und die Krähe kam, aber der Rückenwind war zu heftig. Um sich die Flügel nicht zu brechen, gab es nur noch den Pool. Ab ins Wasser. Das Blöde ist nur: Eine Krähe kann nicht schwimmen.

»Hey, du Blödbär! Ich sauf ab!

Hilf mir! Hilf mir doch! Bär!

Na los, du fetter Sack …

Reich mir die Tatze! Ich werde dir den Teich versauen.

Mit Leichengift.

Verdammt!

Verdammt, ich schaff ’s nicht …!

Ey, Bratarsch!

Hast du kein Herz?

Hast du kein …

Ich schaffe …

es nicht …«

Was eine Krähe fühlt, unter Wasser, in nur einem Atemzug, lässt sich in Worten so beschreiben: Zuerst fühlt es sich warm an, obwohl es eiskalt sein müsste. Dann wird das Tier von hellem Licht geblendet, obwohl es doch die Augen geschlossen hat. Schließlich hört die Krähe einen Chor herrlicher Stimmen, obwohl niemand im Bärenteich singt. Das Licht, die Wärme und Stimmen, die wie Engel singen, alles zusammen gibt der Krähe ein gutes Gefühl. Es ist zu Ende, geschafft, nie wieder Hunger, nie wieder betteln und sich schon am Morgen um das Abendessen sorgen. Das Licht am Ende des Käfigs leuchtet heller, umso weniger Luft die Krähe in ihren Lungen hat. Wird die Luft dann auch im Hirn knapp, reicht es für einen allerletzten Gedanken:

 

»Na gut.«

Die Geschichte wäre zu Ende, wenn es in Geschichten keine Wunder gäbe. Geschichtenwunder. Auch hier wollen wir ein Wunder erzählen. Die Krähe stirbt nicht. Sie erwacht auch nicht im Himmel, sondern im Bärengehege auf dem harten Boden voller Sand und Steine und noch mal Sand, und sie spuckt das Wasser aus und hustet und zwinkert und sieht hinter feuchten Lidern einen verschwommenen Bären, der in aller Ruhe seine Kreise zieht.

»Sag mal, wolltest du mich fressen? Oder hast du Gewichte an den Tatzen? Was ist so schwer daran, eine Krähe aus dem Wasser zu ziehen? Hey, Fressmaschine! Hörst du mich oder bist du taub vor lauter Wohlstand? Also, fürs nächste Mal, wenn eine Krähe zu ertrinken droht … Runterdrücken: schlecht. Rausziehen: gut!«

Der Bär hat das Geschrei der Krähe nicht ausgehalten und sie herausgezogen. Mehr nicht. Nun ärgert er sich, weil die Krähe nicht leiser geworden ist.

»Jetzt bleib doch mal stehen, du brauner Haufen Bärenkacke!«

Der Bär bleibt stehen.

»… Sehr gut. Danke.«

Die Krähe schüttelt und streckt sich und bringt ihr Federkleid in Form. Sie ist kein schönes Tier und vollkommen nass sieht sie noch erbärmlicher aus.

»Da steht der Bär, der mein Leben gerettet hat. Wie heißt du eigentlich?«

»Du bist nicht höflich.«

»Das ist ein seltener Name.«

»Du bist nicht höflich!«

»Höflichkeit ist was für satte Tiere, Pelzpopel.«

»Ich kann unhöfliche Krähen nicht leiden.«

»Und deshalb wolltest du mich umbringen?!«

»Ich wollte meine Ruhe.«

»Und dafür killt man kleine Vögel?«

»Wer ist ins Wasser gesprungen?«

»Ich bin nicht gesprungen, ich bin gestolpert.«

»Und zufällig war mein Teich im Weg, und ich hab’s vergessen, auf die Einladung zu schreiben?«

»Welche Einladung?«

Der Bär dreht um. Er geht jetzt auf die Krähe zu, kneift die kleinen Augen zusammen, krallt die Tatzen in den staubigen Sand und schnauft:

»Liebe Krähe, komm zur Knochenparty und bedien dich. Aber Vorsicht, der Teich ist heiß und beißt!«

»Sag mal, bist du jetzt schlecht gelaunt?«

»Sag mal, bist du jetzt bescheuert?«

»So eine Einladung habe ich nie bekommen.«

»So eine Einladung hat es nie gegeben!«

So eine Einladung hat es wirklich nicht gegeben. Der Bär hat einen Witz gemacht und wundert sich über sich selbst. Er macht nie Witze. Und gemeine schon gar nicht. Die Krähe hüpft ein paar Schritte abseits und tropft weiter aus allen Federn.

»Schon gut. Schon gut. Ich hab verstanden … Brüll nur weiter so, dann werden meine Flügel trocken … Musst hier keinen auf dicken Maxe machen. Bin schon weg, du Furzkissen.«

»Wie?!«

»Ich kämpf hier um mein Leben und war fast tot … Ich habe das Licht am Ende des Käfigs gesehen … kein Hunger, keine Feinde, nur Liebe.«

Die Krähe legt den Kopf zur Seite. Das macht sie öfter, es ist eine alte Krähenangewohnheit. In diesem Fall hilft es doppelt, weil das Wasser aus den Ohren laufen kann.

Der Bär schaut auf den Vogel.

»Und warum bist du nicht geblieben?«

»Ich wollte leben!«, krächzt die Krähe, und der Bär brüllt:

»Dann leb doch endlich los – und flieg davon!«

Stille.

Der Bär setzt seinen Weg fort. In der üblichen Richtung. Er hat alles gesagt. Was mit der Krähe passiert, interessiert ihn nicht.

»Hast du ein Handtuch? Ich bin nass wie ein Frosch. So kann ich nicht fliegen! Und wenn ich nicht fliegen kann, fressen mich die Hunde … Du blöder Donnerbrummel …«

Sie streckt noch einmal die Flügel.

»Ah! … Aua … Ich glaube, du hast mir den Flügel gebrochen. Typisch Bär, erst schlagen, dann fragen. Nur nichts teilen und am Ende vor Einsamkeit sterben. Ich weiß, warum sie euch einsperren: Ihr geht in den Supermarkt für ein Glas Honig und schmeißt mit eurem fetten Arsch die ganzen Regale um, wahrscheinlich seid ihr auch farbenblind und lauft bei Rot über die Ampel. Die schießen euch ab, weil ihr ein schlechtes Vorbild seid. Und dann eure Zähne! Waffen sind das! Ihr bestellt drei Kugeln Stracciatella und fresst den Eismann gleich mit …«

Da packt der Bär die Krähe und drückt ihr die Gurgel zu.