Kriminelles Strandgut - Walter M. Dobrow - E-Book

Kriminelles Strandgut E-Book

Walter M. Dobrow

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Beschreibung

Das richtige Buch für entspannte Stunden im Strandkorb oder - in Vorfreude auf den Urlaub - "zu Hause auf dem Sofa". Dreizehn "kriminelle" Strandgeschichten, die Lust darauf machen, die Tatorte zu besuchen und zu sagen "Aha, hier war das also ..."

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Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Viel Spaß beim lesen…

Inhaltsverzeichnis

„Vierzehn“

Gebratene Heringe

Et cetera pe pe

Nasser Sand

Todeskuss

Final Countdown

Freier Fall

„Rauchen gefährdet ihre Gesundheit“

Agneta muss brennen

Der hohe Wächter

„Durchschnitts-Rasur“

Nachtdienst

Oh Happy Day

„Vierzehn“

Karl und Elisabeth Meyer heirateten an einem schönen Junitag. Nicht aufwendig, denn Karl hatte noch keine großen Schritte auf der wackeligen Karriereleiter zurückgelegt. Aber schön war’s.

1961 war ein klimatisch sehr gutes Jahr für Norddeutschland. Ein beständiges Hoch hatte Land und Wasser von Anfang Mai an mit Sonne satt getränkt und die Vegetation zur Höchstform auflaufen lassen.

Nun war Montag und Else, wie Karl seine Frau nannte, hatte ihr teures Brautkleid in eine Plastikhülle gepackt und im Kleiderschrank verstaut. Karl verstaute auch, nämlich das Gepäck der beiden in den kleinen Kofferraum ihres Opel Kadett, seinem ganzen Stolz und für die Hochzeitsreise frisch poliert. Sorgfältig drückte er den Deckel zu.

„Kommst du, Else?“, rief er und sah seine Frau mit Stolz an, als sie aus der Haustür trat und auf ihn zulief.

Toll sah sie aus mit ihren wehenden langen Haaren, die durch einen Reif gehalten wurden. Ihr buntes Sommerkleid, unten in weiten Falten, oben mit einem ziemlich tiefen Ausschnitt ...

„Seine Else ...“

Sie ließen ihren Wohnort Essen hinter sich und fuhren über Bundesstraßen und Landstraßen Richtung Hamburg. Karl mochte keine Autobahnen und hatte die Route so geplant – sie hatten ja Zeit.

Ihr Ziel war die Ostsee, genauer gesagt die Lübecker Bucht, wo Karl vor Jahren mal mit seinen Eltern gewesen war. Am frühen Nachmittag standen sie Arm in Arm am Strand von Scharbeutz und schwelgten in den Bildern, die sich ihnen boten. Blauer Himmel, glitzernde See, Sonnenschirme, fröhliche Menschen ...

Sie hatten sich keine Gedanken wegen einer Unterkunft gemacht; es würde sich schon was finden. Nun stellte sich die Suche als nicht so leicht heraus. Dreimal Kopfschütteln an den Rezeptionen kleinerer Hotels „ihrer“ Preisklasse und Else geriet in Panik.

„Versuchen Sie es bei ‚Heintze‘ in Haffkrug“, riet ihnen die Hausdame des letzten Hotels.

Karl parkte den Kadett an der Strandallee und ging mit Else zum Eingang des äußerlich nicht sehr ansprechenden Hauses, wo ein Zettel sie darauf hinwies, dass man bei Bedarf bei der gegenüberliegenden Strandkorbvermietung – ebenfalls von Heintze betrieben – vorsprechen solle.

Heiner Heintze hatte die kleine Pension – zehn Zimmer gab es in dem alten Haus – von seiner Mutter geerbt und nach und nach renoviert. Frau Sievers von nebenan half ihm während der Saison beim Herrichten der Zimmer. Eine Frau hatte er nicht. Heiner sah das Paar über die Straße kommen ... und verliebte sich auf der Stelle in Else. So war das immer bei ihm, aber ...

Heiner hatte tatsächlich ein Zimmer für die beiden, sogar mit Fernseher, etwas, was es sonst nur selten in Pensionen gab.

Erstes und zweites Programm. Schwarz-weiß in einem ansprechenden Nussbaumgehäuse.

Karl war begeistert und probierte den Fernseher gleich aus, während Else durch das geöffnete Fenster mit einigen Verrenkungen die Ostsee sehen konnte.

„Toll!“, jubelten beide, wenn auch aus verschiedenen Gründen.

„Ich möchte einen Strandkorb“, forderte Else und Karl schaltete den Fernseher aus und ging mit ihr zu Heintzes Bude.

„Vierzehn ist frei“, sagte Heiner. Er sah nur Else an, die ihn anlächelte.

Toller Typ, dachte sie. Braungebrannt ... sportlich ... Kunststück, wenn der hier den ganzen Tag in der Sonne sitzt.

Karl und Else verbrachten wundervolle Flitterwochen in Haffkrug und in Heintzes Pension und auch in der „Vierzehn“. Als Karl gegen Ende ihrer Ferien unbedingt einen neuen Western mit John Wayne sehen wollte, der im Abendprogramm lief, ließ sich Else von Heiner in Nummer vierzehn verführen.

„Kommst du, Else?“

Karl hatte den Kofferraumdeckel des Mercedes der S-Klasse mithilfe seiner Fernbedienung geschlossen. Die Sonne schien wie vor fünfzig Jahren. Gestern hatten Karl und Else ihre Goldene Hochzeit im Garten ihrer Villa am Stadtrand von Essen mit einer großen Party gefeiert.

Ihre drei Kinder mit Familien waren dabei gewesen, darunter sieben Enkel, Freunde und auch einige prominente Abgesandte der Landesregierung und der Stadt, denn Karl war angesehener Chef eines mittelständischen Betriebes. Zudem war er Kunstmäzen, wenn auch nur der steuerlichen Abschreibung wegen.

Else sah immer noch toll aus, wenn sie auch nun statt der früher langen Haare eine praktische Kurzhaarfrisur hatte und ein sportliches Top und Leinenhosen trug. Sie konnte sich die wöchentliche Behandlung im Kosmetiksalon leisten und man sah ihr den Wohlstand an: viel Gold an Fingern und Handgelenken, aber nicht übertakelt. Sie hätten eine Kreuzfahrt machen können oder auf die Malediven jetten. Nein, ihren Hochzeitstag verbrachten sie grundsätzlich in Haffkrug.

„Warum geht ihr nicht wenigstens nach Timmendorf ins ‚Maritim‘“, fragte Heidi, ihre Älteste, die als Kind oft mit ihren Eltern in Haffkrug gewesen war.

Sie erinnerte sich gern an den weißen Sand und das schöne warme Meer, aber die einfache Pension ... Da konnten sich ihre Eltern nun weiß Gott etwas Besseres leisten.

„Das verstehst du nicht“, hatte Else ihrer Tochter, die nun auch bald fünfzig werden würde, geantwortet.

Karl hatte seine Frau zur Silberhochzeit mit einer Ferienwohnung in Scharbeutz überrascht, aber Else hatte unerwartet ablehnend darauf reagiert. Sie wollte unbedingt in Heintzes Pension logieren und so hatten sie die Wohnung wieder verkauft.

„Ich brauch das als Tradition, verstehst du?“, hatte sie Karl erklärt.

Karl verstand zunächst zwar nicht, fand aber bald darauf den wahren Grund heraus. Er hatte sie, na ja ... fast nie betrogen. Das eine Mal auf einer Geschäftsreise in Malaysia, wo er eine phantastische Massage von einer jungen Chinesin bekommen hatte, die dann zu seiner Überraschung am Ende der Behandlung gefragt hatte: „With happy ending, Sir?“ Es war ein „happy ending“ gewesen, und was für eins! Aber sonst? Eine kompetente Sekretärin hatte er gefeuert, weil sie sich an ihn heranmachen wollte.

Else hatte auch keine Affären gehabt in all der Zeit. Keine außer Heiner. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, wenn sie daran dachte, dass sie ihn in fünf Stunden wiedersehen würde. Wie jedes Jahr, seit fünfzig Jahren, immer im Juni. Und wenn sie Heidi so ansah ...

Else stieg ein und Karl grinste. Er tippte auf dem neuen Navigationssystem herum.

„Weißt du noch, damals, als wir uns durch Hamburg fragen mussten?“

Sie lachte, schob eine Chopin-CD in das Audiosystem und der Achtzylinder schnurrte los.

Heiner Heintze summte vor sich. Ihm ging es gut. Okay, gesundheitlich plagte ihn beginnendes Rheuma, aber das brachte das Alter eben so mit sich. Das Haus hatte einen Anbau bekommen, die Zimmer waren alle frisch möbliert und mit den neuesten Flachbildfernsehern ausgestattet. Man konnte jetzt bei ihm Frühstück aufs Zimmer bekommen und alle siebzig Strandkörbe waren erst ein oder zwei Jahre alt und bequem.

Alle, bis auf einen. Der stand neben seiner Hütte und diente ihm als Sitzplatz. Es war seine alte „Vierzehn“. Nur wenn Else und Karl kamen, wurde er aktiviert und in die erste Reihe zum Strand hin bugsiert.

„Wo de geelen Blomen blöhn int gröne Land ...“, sang er und freute sich auf Else. Vorsichtig schob er die Gabel des Transportwagens unter den Strandkorb und hob an. Knirschend gab die Kante des Flechtwerks nach und Heiner sah betroffen, dass ein ganzes Stück aus der Rückwand herausgebrochen war.

„Mist!“, fluchte er und holte sein Werkzeug. Zum Glück beherrschte er die alte Kunst des Rohrflechtens und machte sich an die Reparatur, denn Else und Karl waren schon auf dem Weg. Eine Möwe setzte sich ein Stück neben ihn hin und sah ihm zu.

Heiner mochte Möwen und sang weiter: „Wo die Möwen schrieen, hell im Sturmgebruus, do is mine Heimat, do bün ick tu hus.“

Als ein paar Passanten klatschten, wurde Heiner bewusst, dass er laut gesungen hatte und er verbeugte sich.

Karl war nicht so dumm – oder sollte man sagen gutgläubig? – , wie Else dachte. Er hatte zwar erst nach ihrem zehnten Aufenthalt in Haffkrug herausgefunden, was da zwischen Heiner Heintze und seiner Frau lief, aber er war zu dem Schluss gekommen, besser nichts zu unternehmen.

Er hatte Else sogar eine Zeit lang von einem Detektiv beschatten lassen, denn wenn sie auch in Essen Affären gehabt hätte ... Er musste an seinen Ruf denken. Das hätte er ihr nicht durchgehen lassen können.

Sie kamen am frühen Abend an. Die Fahrt hatte gut zwei Stunden länger gedauert als die vor fünfzig Jahren im alten Kadett, denn das Navigationssystem hatte sie nicht vor den sechs Baustellen bewahrt, die kilometerlange Staus auf den Autobahnen erzeugt hatten. Sie waren müde und verschwitzt, trotz der Klimaanlage des Hunderttausend-Euro-Wagens.

Heiner nahm sie in den Arm, auch Karl, denn sie waren ja Freunde, trotz allem. „Euer Zimmer wartet auf euch und ich hab euch einen Tisch in der ‚Reuse‘ bestellt. Wie immer“, sagte Heiner.

„Ich muss erst mal an den Strand“, sagte Else fröhlich und wäre fast einem Lieferwagen vor die Räder gelaufen, der viel zu schnell die Strandallee entlangfuhr.

„Hilfst du mir mit dem Gepäck?“, fragte Karl und Heiner nahm zwei der Hartschalenkoffer, die so schwer waren, dass es ihm einen Stich in den Rücken versetzte. Karl nahm den Rest und sie keuchten hintereinander die Treppe hinauf.

Karl setzte sich schnaufend aufs Bett. „Man wird nicht jünger, oder?“, fragte er nach Atem ringend. Auch Heiner japste nach Luft.

„Ich geh dann mal wieder runter“, sagte Heiner, aber Karl nahm ihn am Arm und sah ihn an.

„Ich weiß das seit Langem ... das mit dir und Else, aber nun ist Schluss! Okay?“

Er sagte es in ruhigem Ton, wie er es von den Kommunikationstrainern gelernt hatte, die ihn für die Verhandlungen mit den Betriebsräten geschult hatten. Ruhig, aber bestimmt und keine Zweifel an der Botschaft zulassend. Heiner starrte ihn an. Sagte lange nichts. „Warum hast du nicht früher was gesagt, ich meine ...“

Karl schüttelte den Kopf. „Du hast mich verstanden“, sagte er und Heiner drehte sich um und schlich wie ein geprügelter Hund die Treppe hinunter.

Er ging Else aus dem Weg und sie merkte sehr schnell, dass da etwas in der Luft lag. Fünf volle Tage lang hatte er sich ihr entziehen können, aber dann wurde ein Länderspiel im Fernsehen übertragen, das Karl sehen wollte. Heiner verschloss gerade seine Hütte, als Else ihn ansprach.

„Ich warte auf dich im Strandkorb“, sagte sie und er folgte ihr.

Die „Vierzehn“ stand – wie jedes Jahr – so weit wie möglich dem Meer zugewandt. Heiner setzte sich neben Else, die nicht zur Seite rückte, sodass er sich eng an sie quetschen musste. Sie saßen nebeneinander und schwiegen – minutenlang.

„Was ist denn los?“, fragte sie dann und er legte seine Hand auf ihren Schenkel. Leute gingen vorbei und sahen verstohlen zu ihnen hin.

„Karl weiß Bescheid“, sagte er leise und sie sah ihn erschrocken an. Sie hatte ihr Geheimnis sicher gewähnt.

Else schob ihren Arm um ihn und küsste ihn sanft, was er erst nach einer Weile erwiderte. Ihr Gehirn arbeitete wie ein Computer und entwarf Lösungen und Abwägungen, aber ihr war sofort klar, dass dies das letzte Treffen mit Heiner war.

Nein, sie liebte Karl schon lange nicht mehr, sondern lebte neben ihm – aber Heiner liebte sie eben auch nicht oder jedenfalls nicht so, dass er eine Alternative gewesen wäre.

Am Strand lag etwas Weißes und nach einer Weile erkannte Heiner, dass es die Reste einer toten Möwe waren, die die Wellen hin und her warfen. Es schien ihm ein Sinnbild zu sein.

„Tja, Else“, sagte er nach einer Weile, „das war’s dann wohl.“

So saßen sie noch eine Zeit lang. „Ich werde Karl sagen, dass ich zurück nach Hause muss. Irgendwas mit einer Freundin im Krankenhaus oder so. Wir werden nicht wiederkommen. Oh, Heiner!“

Jetzt weinte sie und Heiner gab ihr sein Taschentuch. Sie stand auf.

„Es war eine schöne Zeit“, meinte sie und Heiner sah zu der toten Möwe hin. Dann war Else weg.

Er lehnte sich zurück und die „Vierzehn“ quietschte. Dann kam ihm plötzlich ein Gedanke. Wenn es schon mit Else zu Ende war, dann hatte auch die „Vierzehn“ ausgedient. Sonst würde er immer an sie erinnert werden.

Aber es musste ein spektakuläres Ende sein! Er stand auf und ging in seine kleine Wohnung. Auf dem Bord standen einige Bücher, nicht viele, aber sie waren oft gelesen. Er zog eines heraus, wollte sich nur vergewissern. Wie hatten die das gemacht? Ah, da stand es. Zur Sicherheit schrieb er es auf. Nachts, wenn der Strand leer sein würde …

Karl war nicht besonders überrascht. Eigentlich hatte er schon die ganze Zeit darauf gewartet, seitdem er mit Heiner Klartext geredet hatte. Elses Begründung für ihren Heimreisewunsch überging er einfach.

„Klar, Schatz, morgen fahren wir. Kein Problem.“

Else legte sich zu ihm aufs Bett und sah mit ihm den Rest des Fußballschlachtfestes, das Yogi Löws Leute mit den Kasachen anstellten.

Wie zum Hohn strahlte die Sonne am Morgen so wie die ganze bisherige Woche nicht. Else und Karl frühstückten vor ihrer Abreise auswärts im Café Dierksen.

Es gab einiges zu tun an diesem Vormittag und gegen Mittag kam Karl zu ihm in die Strandhütte.

„Hier.“ Karl wusste, dass er nichts erklären musste, und wollte das auch nicht. Heiner nahm die drei Hundert-Euro-Scheine, die Karl ihm hinhielt. Auch er wollte nichts mehr sagen.

„Tja, dann ...“, sagte Karl und ging.

Als der Mercedes anrollte, sah Heiner ihm nach. Das Letzte, was er von Else sah, war ihre Hand, die ihm aus dem geöffneten Fenster zuwinkte.

Heiner fuhr zum Landhandel um Gartendünger zu kaufen. Es gab nur Großgebinde und der Sack war scheußlich schwer, aber Heiner schaffte es, ihn in seinen Kombi zu hieven. Er hatte leine rechte Vorstellung von der Menge, die er brauchen würde, aber wenn schon, denn schon! Er hielt bei der Tischlerei und kaufte einen großen Plastikbeutel Sägemehl. „Dekomaterial…“, antwortete er Lorenz, als der fragte, wofür das denn sei… Der Tischler lachte. Bei der Tankstelle füllte er zwei Kanister mit Dieseltreibstoff…

Heiner schwitzte. Der Beschreibung nach konnte noch nichts passieren. Eigentlich ... In seiner Maurerbütt verrührte er mit dem Spaten Dünger, Sägemehl und Dieseltreibstoff zu einer grünlichen, übel riechenden Pampe.

Noch ein bisschen Sägemehl ... Okay, so sollte es stimmen, wenn der Schriftsteller nicht gelogen hatte. Heiner formte drei brikettförmige Barren und legte sie zum Trocknen auf den Rasen. Dann holte er die Böller, die er noch vom letzten Silvester übrig hatte, und schnitt sie auf.

Sein selbst gemischter Sprengstoff würde sich nicht einfach so entzünden lassen. Den Inhalt eines Böllers, nun ein Häufchen Schwarzpulver, zündete er auf einer Untertasse an. Es zischte und gab eine blendende Stichflamme – explodieren konnte es nicht wegen der fehlenden Umhüllung. Mit dem Inhalt des nächsten Böllers testete er die Zündung.

Ein Stück Kabel, die freien Enden zusammengedreht im Pulver. Eine Batterie. Heiner hielt beide Enden an Plus und Minus ... Stichflamme! Ja, es klappte.

Sie kamen bis zur Autobahnauffahrt. Es vibrierte am Lenkrad und im Display erschien die Meldung: „Reifendruck überprüfen!“

„So ein Mist!“, schimpfte Karl.

Auf den ersten Blick konnte man nichts sehen. Der Hightec-Reifen hatte ein Notsystem, mit dem man zur nächsten Werkstatt fahren konnte. Die kleine Werkstatt am Ortsrand hatte diese Reifen nicht vorrätig. „Kann aber ein paar Stunden dauern“, sagte der Besitzer.

Karl und Else gingen zu Fuß zurück zum Strand und vertrieben sich die Zeit in Scharbeutz. Sie aßen bei „Herzberg“, tranken Kaffee in der „Bastei“ und warteten auf den Anruf der Werkstatt. Als der kam, konnte Karl es nicht glauben.

„Wie bitte? Morgen erst?“

Kein Großhandel in der Nähe hatte diese Reifen auf Lager. Sie nahmen ein Zimmer im Hotel Göttsche, denn zurück zu Heiner wollten sie nicht. Den Abend verbrachten sie vor dem Fernseher.

„Ich mach noch einen Spaziergang“, sagte Else und Karl nickte.

Sie ging am Strand entlang und war plötzlich in Haffkrug. Es war fast dunkel, aber der Mond schien etwas und plötzlich stand dort die „Vierzehn“. Allein am Strand, ganz dicht am Wasser. Sie setzte sich hinein und zog die Jacke fest um sich, denn es wurde kühl. Heiner ..., dachte sie wehmütig.

Alles war bereit. Eben hatte er sich noch eine Flasche Wein geholt. Es sollte ja ein „Begräbnis erster Klasse“ werden. Der Strand war leer. Kein Grund, länger zu warten. Er hatte sich eine Geschichte für die Polizei zurechtgelegt, die sicher schnell vor Ort sein würde. Ein Dummejungenstreich, Rowdys – irgend so was wollte er ihnen sagen. Sie würden ihm schon glauben.

Er nahm die Kabelenden zur Hand, um sie an die Batterie zu führen.

„Hallo Heiner, hast du Else gesehen?“

Heiner zuckte zusammen. Ungläubig sah er Karl an, der doch am Mittag abgefahren war.

„Reifenpanne“, erklärte Karl. „Else macht noch einen Rundgang.“ Neugierig betrachtete er die auf dem Boden liegenden Utensilien. „Was machst du da?“

„Ich jage die ‚Vierzehn‘ in die Luft“, sagte Heiner.

Karl verstand. „Darf ich?“, fragte er.

Heiner sah ihn erstaunt an. Dann reichte er Karl die Weinflasche, aus der dieser einen tiefen Zug nahm. Heiner trank auch, dann hielt er Karl den Draht hin.

„Da und da“, erklärte er.

Karl zögerte nicht lange.

Seit Kriegsende hatte es in Haffkrug nicht so einen Knall gegeben. Später würde man lesen, dass in einhundert Metern Umkreis fast alle Scheiben zu Bruch gegangen waren, abgesehen von allem anderen, was kaputt gehen konnte.

Eine Zeit lang lagen Heiner und Karl taub und ohnmächtig im Sand.

Karl erwachte als Erster und sah den Unterarm neben sich liegen. An den Fingern die Ringe und am Handgelenk die Cartier-Uhr, die er seiner Frau erst vor zwei Wochen geschenkt hatte. Qualitätsarbeit, denn der Zeiger lief noch.

Nur der Unterarm lag da – ohne Else daran.

Und Karl schrie …

Gebratene Heringe