Historisches Strandgut - Walter M. Dobrow - E-Book

Historisches Strandgut E-Book

Walter M. Dobrow

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Beschreibung

Die Bucht ... Meine Bucht, die Lübecker Bucht. Unsere Bucht. Immer derselbe Standort, aber im Zeitbogen zwischen 3000 vor Christus bis 3000 nach Christus ... 13 kurze, spannende Geschichten, die sich so ... oder so ähnlich hier abgespielt haben können ... Menschenraub, Wikinger, Hexenverbrennung, Piraten ... Die perfekte Urlaubslektüre für alle, die hierher kommen oder noch kommen wollen, denn dann können sie sagen: "Hier war das ..."

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Seitenzahl: 166

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhaltsverzeichnis

Jungsteinzeit

Tark

Bronzezeit

Hano

Vorchristliche Zeit

Lys

Nachchristliche Zeit

Kasimir

Mittelalter

Enno

Hansezeit

Lothar

Ausgehendes Mittelalter/Neuzeit

Therese

Neuzeit

Franz

Neuzeit

Gesine

Neuzeit

Hartmut

Neuzeit

Heino

Neuzeit

Paul

Ferne Zukunft

Xi

JUNGSTEINZEIT
Morgenröte der Menschheit…

Wir schreiben etwa das Jahr 4000 vor Christus. Etwa, denn so genau kommt es darauf nicht an.

Die Fortschritte der Menschen auf dem nach der Eiszeit dünn besiedelten Kontinent Europa gehen langsam vor sich.

Wir begleiten Tark, einen Jäger, der aus seinem angestammten Siedlungsgebiet fliehen muss und schließlich etwas Besonderes findet.

Eine Bucht von großer Schönheit. Ein Platz zum Leben…

Von damals, bis heute und darüber hinaus.

Tark

Plötzlich wich der Boden vor ihm zurück. Zu spät zum Abbremsen. Tark schrie auf und stützte Hals über Kopf den Abhang hinab. Das Unterholz knackte unter dem Gewicht seines sich überschlagenden Körpers. Ein herausragender Ast rammte sich in seinen Bauch und fetzte ihm sein Wolfsfell, mit dem er bekleidet gewesen war, vom Leib. Nackt, aus der Wunde am Bauch blutend und am ganzen Körper verschrammt, blieb er am Fuß des Abhangs liegen. Schwer atmend versuchte er sich aufzurichten. Dieser Schmerz… Er sackte erneut zusammen. Wenn er doch schlafen dürfte, nur ein paar Minuten. Aber ihm blieben keine paar Minuten. Da waren sie. Er hörte ihre geknurrten, bösen Laute von oben. Sie berieten, dann knackten Äste. Sie waren ihm auf den Fersen. Schon wieder und immer noch. Hätte er doch nur…

Tark bereute sehr, was geschehen war, aber nun war keine Zeit zu verlieren. Er stemmte sich mit aller Kraft, die ihm geblieben war von Boden hoch und versuchte sich zu orientieren. Erschrocken stellte er fest, dass er nur einige Meter vom Ufer eines großen Flusses entfernt war, dessen nicht unerhebliche Strömung an den Uferpflanzen gurgelte. Gehetzt sah Tark sich nach einem Ausweg um. Immer näher kamen die Laute seiner Verfolger. Die Stelle, an der er den Abhang hinab gefallen war, hätte nicht ungünstiger für ihn sein können. Nach links und rechts schob sich der steile Erdwall bis an das Wasser heran. Unmöglich, dass er ihn erklettern konnte… in seinem Zustand. Tark zitterte. Die Kälte fuhr ihm bereits in den Körper, jetzt, wo er auch noch sein letztes Kleidungsstück eingebüßt hatte. Tark war abgemagert und nicht viel mehr als ein wandelndes Skelett. Der lange harte Winter hatte viele aus seiner Sippe sterben lassen. Verhungert oder von Krankheiten dahingerafft. Nun, wo die Tage langsam länger wurden und die Hoffnung zurück kehrte, hatten sie ihn erwischt… Doch noch erwischt nach der langen Flucht. Nur noch Minuten, dann hatten sie ihn…

Tark hatte mit seinen Geschwistern, zwölf oder dreizehn - aber das waren Begriffe, die er nicht kannte und seiner Mutter, sowie drei weiteren Großfamilien in einer Erdhöhle an den nördlichen Ausläufern des Harzes gehaust. Die Männer - welcher davon nun genau sein Vater war wusste Tark nicht - waren auf der Jagd gewesen, als sie kamen. Tark war als Wache zurückgelassen worden. Sie waren am Abend gekommen. Wohl zwanzig oder mehr und Tark hatte gleich zu Anfang einen Keulenhieb auf den Schädel bekommen, der ihn in tiefe Bewusstlosigkeit stieß.

Er erwachte im Lager der Angreifer. Lederne Zelte beherbergten einen ziemlich großen Stamm. Große bärtige und zottelhaarige Männer, wie Tark selbst auch einer war. Nackte oder nur mit dürftigen Lendenschürzen bekleidete Frauen, deren große Hängebrüste mit rotem Lehm verziert waren, eine Vielzahl nackter Kinder mit vor Hunger aufgebähten Bäuchen, viele von Geschwüren bedeckt…

Ein Lager, wie es überall am Ende des Winters zu finden war. Tark sah einige seiner Geschwister und sonstige Angehörige seiner Sippe. Sie gehörten nun zu diesem Stamm. So war das eben. Die Neuzugänge glichen die Verluste des Winters aus…

Tark war mit Streifen von Fellen an einen Pflock gefesselt worden. Er wusste was ihn, als erwachsenen Mann, erwartete. Er selbst hatte dergleichen auch schon mit Gefangenen gemacht. Man würde ihn töten und die Männer würden, um ihre Manneskraft zu stärken, aus seinen Hoden eine Art Suppe kochen. Den Rest des Körpers würde der Stamm aufessen, aber diese Suppe, daran glaubte auch Tark fest, war hoch wirksam!

Die Fellstreifen waren alt und Tark hatte unablässig seine Handgelenke gedehnt… und dann rissen sie. Er war aufgesprungen und gelaufen. In den Wald, durch die Schlucht, über die Berge…, aber sie verfolgten ihn. Schlechter Zauber, wenn er ihnen entkam.

Nun hatten sie ihn. Kork… Tark wusste, dass der Anführer so hieß, hatte jetzt den Fuß des Abhangs erreicht und grinste Tark wölfisch an. In seiner Hand zuckte der Speer, den er gleich in Tarks Fleisch stoßen würde.

Etwas in seinem Augenwinkel erregte Tarks Aufmerksamkeit. Ein Baumstamm trieb auf dem Fluss vorbei. Tark dachte nicht nach, sprang ins Wasser und bekam einen Ast zu fassen, bevor der Stamm sich drehte und ihn unter Wasser zog. Tark war noch nie im Wasser gewesen und schrie, aber weil er unter Wasser war, kam nur ein kurzes Gurgeln… dann füllte die Flüssigkeit seinen Mund. Der Stamm drehte sich weiter und plötzlich war sein Kopf wieder über Wasser. Keuchend spuckte er das Wasser aus und sog tief die kalte Luft ein. Die Verfolger brüllten vor Wut. Sie konnten ihm nicht direkt folgen, weil der Abhang hier bis zum Ufer reichte. Wütend schleuderte Kork seinen Speer. Er war ein sehr guter Werfer und die Waffe hätte Tark getroffen, wenn nicht der Stamm sich wieder gedreht hätte und Tark abermals unter Wasser, aber in Sicherheit, riss. Zitternd blieb der Speer im Baumstamm stecken. Aber nun war der Stamm am der Biegung vorbei und außer Sicht der Verfolger. Tark kam wieder hoch und schaffte es, mit letzter Kraft auf den Stamm zu klettern. Er fror und war erschöpft und hungrig…

Eigentlich hätte er jetzt sterben müssen, aber als der Baumstamm am nächsten Tag ans jenseitige Ufer stieß und sich dort verhakte, lebte sein Passagier immer noch, wenn auch äußerst knapp.

Das Glück war ihm irgendwie hold gewesen. Normalerweise wäre er wahrscheinlich erfroren, nackt und entkräftet, wie er war, aber die Witterung war umgeschlagen. Eine einigermaßen wärmende Sonne hatte geschienen und er hatte einen Fisch, der sich im Geäst seines Baumes verfangen hatte, tot mit dem Bauch nach oben, roh verschlungen. Nun plagte ihn Bauchweh, aber der gröbste Hunger war gestillt. Das Wasser des Flusses schmeckte ein bisschen merkwürdig für ihn.

(Für sie, liebe Leser, die Information, dass es sich um die Elbe handelte und da er sich mittlerweile in der Nähe von Hitzacker befand, gab es schon eine gewisse Konzentration von, mit dem Hochwasser eingebrachten Meersalz)

Tarks Baum steckte jetzt also im dichten Gebüsch etwas nördlich des heutigen Hitzacker fest und er stand zittrig auf, übergab sich ins Wasser und stellte voller Staunen fest, dass da ein Speer im Stamm steckte. Er hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass Kork den nach ihm geschleudert hatte. Tark riss ihn aus dem Holz und wog die wunderbar ausbalancierte Waffe in der Hand. So einen Speer hatte er noch nie besessen. Dies alles gab ihm Hoffnung, die schnell einer gewissen Verzweiflung wich. Wohin sollte er gehen. Zurück war unmöglich. Allein schon, dass er es über den Fluss geschafft hatte… Er wusste von niemandem, der das jemals versucht hatte.

Eine Richtung war also so gut wie die andere und er folgte dem Weg des geringsten Widerstandes, einer Art Pfad, den wohl Tiere auf dem Weg zur Tränke getrampelt hatten. Er durchquerte dichte Wälder, dann wieder ausgedehnte Wiesen, watete durch kleine Bäche, die ihm gutes Trinkwasser spendeten und er konnte, dem Speer sei gedankt, eine Hirschkuh erlegen. Nach langem Suchen fand er einen Stein mit einer scharfen Kante, den er als Messer benutzen konnte. Das Fleisch musste er roh essen, aber das war er gewohnt. Schon oft war seinem Stamm das gleichwohl gut behütete Feuer ausgegangen und sie hatten sich bei anderen Sippen im Umland Neues erkaufen müssen… Im Durschnitt hatte das eine junge Frau gekostet…

Jetzt, allein in fremdem Land, musste sich Tark eben mit dem rohen Fleisch begnügen. Er nahm nur die besten Lendenstücke und schnitt sie in lange Streifen, die er auf einen Felsblock in die Sonne legte. So wurden sie wenigstens etwas angebraten. Ungeschickt – er war ja ungeübt, weil das aus dem Fell schlagen des Tieres Frauenarbeit war - gelang es ihm, dass Fell abzuziehen und schabte das Innere mit seinem Messer einigermaßen sauber. Nun hatte er wenigstens eine Art Rock. Die Wunde, die er sich bei seinem Sturz den Abhang hinunter zugezogen hatte, war verschorft und würde heilen.

Sein Weg führte nun geradewegs nach Osten, der aufgehenden Sonne entgegen. Mit etwas Glück würde er auf eine Ansiedlung stoßen und mit noch mehr Glück könnte er sich vielleicht diesen Leuten anschließen.

Gegen Abend des dritten Tages sah er Rauch. Wo Rauch ist, gibt es Feuer und Menschen und etwas zu essen, schloss Tark und näherte sich vorsichtig.

Ank hatte den anschleichenden Tark schon lange gesehen. Er war der beste Jäger seiner Sippe mit Augen, wie ein Adler. Er saß auf einer Astgabel und hielt Wache. Das Lager war am Waldrand. Ein paar Hütten, nach Landesart aus Ästen geflochten und mit Grassoden und Fellen bedeckt. In der Mitte das große Herdfeuer, um das die Menschen saßen und sich wärmten. Die Jäger hatten Glück gehabt heute. Es war ihnen gelungen, ein Bison zu erlegen, wenn auch der arme alte Fer, schon fast dreißig und nahezu zahnlos, unter die Hufe der fliehenden Herde geraten war und nun stöhnend am Rande des Lagers lag. Ank hatte gleichmütig beobachtet, wie Huno, der Häuptling zu dem leidenden alten Mann ging und ihn mit einem Beilhieb erlöste. „Gut so!“ dachte Ank, wie alle.

Nun kam dort ein fremder Mann angeschlichen und Ank überlegte, ob er ihn jetzt gleich mit dem Speer durchbohren sollte, oder warten, bis der Fremdling näher kam und ihn dann mit der Keule erschlagen…

Ank entschloss sich für die Keule und als Tark unter dem Baum vorbeischlich, auf dem Ank lauerte, ließ sich der auf den Fremden fallen, riss ihn um und schmetterte ihm seine, aus einem massiven Wurzelstück einer Eiche gefertigte Keule auf den Kopf, was Tark – sie erinnern sich – somit zum zweiten Mal innerhalb von ein paar Tagen widerfuhr. Das Ergebnis war jedenfalls das gleiche… tiefe Besinnungslosigkeit.

Ank holte sich Hilfe aus dem Lager und sie trugen den schlaffen Körper des Fremden ans Feuer. Huno besah sich den Gefangenen. Jung, kräftig und mit nicht zu vielen Narben. Nach kurzem Nachdenken beschied er seinen Leuten, dass der Fremde sozusagen der Ersatz für den toten Fer sein würde. Abermals Glück für Tark auch, weil hier ebenfalls die Sitte des Hodensuppenkochens gepflegt wurde und vorerst schnitt die alte Moa, Köchin der Sippe, dem toten Fer seine Testikeln ab, warf sie in eine Knochenschaufel, gab Wasser und verschiedene Kräuter hinzu, die ihr passend erschienen und summte eine monotone Melodie, während sie den Sud köcheln ließ. Die Männer würden das nachher trinken und wenn sie Glück hatte, ja…, dann hatte sie auch etwas davon, was nicht mehr oft vorkam.

Tark erwachte mit einem Riesenbrummschädel. Die Keulenhiebe der letzten Zeit taten seiner Gesundheit nicht gut, so viel war klar. Es dauerte eine Weile, bis er einigermaßen klar sehen konnte. Ein Lager… Wieder einmal an einen Pfahl gebunden. Um ihn herum das pralle Leben. Immerhin schien es den Leuten nicht schlecht zu gehen. Die Kinder lachten beim herumtollen und die Frauen waren recht gut genährt und viele waren schwanger. Gut. Männer waren nicht zu sehen, die waren wieder auf der Jagd.

Sie stieß ihn an. Er hatte sie nicht näher kommen sehen. Sie hielt ihm ein ausgehöhltes Aststück, eine Art Becher hin und er wollte ihn ergreifen, aber die Fesseln ließen das nicht zu. Sie lächelte ihn an und führte den Becher an seinen Mund. Gierig schluckte er das Wasser. Köstlich… seine Kehle war wie ausgedörrt gewesen. Er verschluckte sich und er fühlte die kühle Nässe über seine Brust rinnen. Sie lachte und sagte etwas, aber er verstand sie nicht. Die Worte klangen für ihn fremd, aber ihre Stimme war angenehm weich. Er sah in ihre Augen und… Es traf ihn wie ein Blitz. In seinem Stamm hatten alle braune Augen gehabt. Bei allen anderen Menschen, die er kannte war das auch so und sie… Tiefblaue strahlende Augen. Wie die Farbe des Himmels. Tark verliebte sich in ihre Augen, bevor er den Rest ihres Gesichts und Körpers musterte. Nicht groß, aber kräftig gebaut. Nicht zu große, noch straffe Brüste, ein leicht gewölbter Bauch, breite Hüften , die ein Lendenschurz umhüllte. Starke muskulöse Beine… Eine junge Frau, die ihrer Bestimmung als Gefährtin eines Jägers wie ihm perfekt entsprach. Ihrem etwas großen Mund entfuhren wieder Worte und er schüttelte den Kopf… Sie nickte. Er verstand sie nicht. Auch sie hatte Gefallen an dem Mann gefunden, der da angepflockt war. Sie nahm den Becher von seinen Lippen, drehte sich um und ging zum Feuer zurück. Moa, die die Szene beobachtet hatte kicherte. „Na Idra, ist das nicht ein schönes Exemplar? Pass auf, dass Ank dich nicht mit ihm erwischt, aber vielleicht lohnt es sich“. Tarks Hirschkuhfell hatte sich verschoben und Moa betrachtete wohlgefällig seine Männlichkeit.

Idra, war irgendwann im Winter dreizehn geworden und somit eine voll erblühte Frau. Huno hatte bestimmt, dass sie zu Ank gehören sollte, neben dessen anderen Frauen Gani und Fok. Vorigen Monat war ihre Initiation gewesen. Feierlich. Bei Vollmond und im Schein der Fackeln. Das ganze Dorf war dabei gewesen. Moa hatte ihr etwas zu trinken gegeben, was scharf schmeckte, aber ihren Sinn leicht machte. Ihr Körper war mit Fett eingerieben worden und glänzte. Auch die anderen tranken den scharfen Schnaps und dann mußte Idra ihren Schurz ablegen und tanzen. Sie drehte sich vor dem Feuer und der Schein der Flammen spiegelte sich auf ihrer fettigen Haut. Huno stand schwankend auf und kam zu ihr. Er griff nach ihren Brüsten und stieß sie zu Boden. Sie schrie erschrocken auf, als er in sie eindrang und wild zu stoßen begann. Die anderen klatschten Beifall. Es tat weh, aber sie hatte das erwartet. Sie hatte oft zugesehen, wenn andere initialisiert wurden. Deshalb blieb sie ergeben liegen, als Huno sich erhob. Fünf Männer, so wollte es der Brauch, nahmen sie ohne viel Federlesen. So etwas wie Zärtlichkeit gab es bei diesem Geschäft nicht. Die anderen wurden aber durch das Zusehen animiert und bald lagen überall um das Feuer herum Paare in wechselnden Zusammensetzungen. Moa hatte eine gute Mischung gebraut. Darin war man sich einig…

Idra war in Anks Zelt gezogen. Sie fand Ank ziemlich hässlich und grob, aber schließlich ging es ja nicht um Gefühle, sondern um den Fortbestand der Sippe.

Gani und Fok, beide schon über zwanzig, und ihre insgesamt zehn Kinder machten Platz und Idra fand einen schmalen Schlafplatz.

Tark verstand ihn zwar auch nicht, aber Huno machte ihm klar, was von ihm erwartet wurde. Tark war einverstanden. Na gut, dann war er jetzt eben Jäger in dieser Sippe. Die anderen nahmen ihn auf als sie sahen, dass er ebenso gut wie sie selbst Tiere aufspüren und töten konnte.

Er fand Platz im Zelt der Ledigen. Ledige Frauen gab es nicht, die teilte Huno sofort jemandem zu. Fers Frauen zum Beispiel waren, nach Verzehr seiner Genitalien, sofort anderen Männern zugeteilt worden. Außer Tark gab es nur zwei Mitbewohner. Einer hatte bei einer unliebsamen Begegnung mit einem Keiler den Großteil seines Penis eingebüßt , weshalb er nutzlos für die Frauen war, der andere war so ein übler Schläger, dass Huno ihm den Umgang mit Frauen verboten hatte, nachdem er zwei Frauen schlimm zugerichtet hatte.

Tark fand sich zurecht. Die Landschaft war leicht wellig. Nicht so, wie der Harz. Lieblich. Laubwälder herrschten vor. Es gab viel Wild und Tark erjagte seinen Teil. Langsam lernte er die Sprache der Leute. Eine rudimentäre Sprache nach unseren heutigen Begriffen, aber man verstand sich. Zeichen und Gesten ergänzten die Worte.

Der Sommer kam. Heiß war es in diesem Jahr. Die Frauen und Kinder sammelten alles, was es an Beeren und Kräutern, Pilzen und Früchten zu sammeln gab. Huno versprach Tark, ihm die nächste „freie“ Frau zu geben. Foni würde bald initialisiert werden…, Sie hatte auch blaue Augen, aber nicht so strahlende wie Idra. Tark wollte nur Idra. Die mit den „strahlenden“ blauen Augen. Er wusste, dass Ank ihn töten würde –und durfte- wenn er sich ihr näherte. Idra dachte ebenfalls an Tark. Besonders wenn sich Ank an ihr zu schaffen machte.

Sie taten es trotzdem. Tark hatte sich bei der Verfolgung eines Rehs das Knie verstaucht und musste im Lager bleiben. Nach einigen Tagen konnte er wieder herum humpeln und dann fand er Idra, die sich gerade etwas abseits bei den Büschen am Bach wusch… Ihre langen blonden Haare, die fast bis an den Po reichten, hingen nass über ihren Rücken. Tarks Herz klopfte zum Zerspringen, als er leise von hinten heranschlich und seine Arme um sie legte. Seine Hände umfassten ihre Brüste und sie schmiegte sich an seinen Bauch. Sie hatte ihn längst im Spiegel des Baches erkannt und sie war bereit…

Es ging eine Zeit lang gut, dann wurden sie beobachtet und Huno tat es ein bisschen leid um Tark. Aber Ank forderte, zu recht, sein Recht.

Wieder fand sich Tark an einen Pfahl gefesselt mit der Aussicht, dass seine Hoden nun als Suppenzutat enden würden. Das ganze Dorf freute sich schon auf den Abend. Idra hatte nur einen strengen Verweis von Huno bekommen. Frauen waren unverzichtbar in diesen Zeiten…

Ank hatte sie schwer gezüchtigt, aber es würden fast keine Narben zurück bleiben hatte Moa gesagt, als sie die Wunden mit Kräutersalbe einrieb. Moa blickte mit gemischten Gefühlen dem Abend entgegen. Einerseits würde die Einnahme der Tarksuppe auch sie wieder einmal in den „Genuss“ kommen lassen, andererseits tat ihr Idra leid. Sie selbst hatte so etwas nie erlebt. Gefühle, die über das hinausgehen, was man so direkt beim Geschlechtsakt erfuhr. War das nötig? Wünschenswert? So etwas gab doch nur Trauer, wenn zum Beispiel ein Keiler oder Bison den Mann tötete. Sie selbst hatte drei Männer auf diese Art verloren, na ja, einer war dummerweise im Moor versunken. Mit ihren knapp dreißig Jahren auf dem Buckel war Moa die unangefochtene Expertin für Medizin und Kräuter und leckere Schnäpse. Noch ein , zwei Jahre vielleicht, wenn sie Glück hatte…

Idra brauchte Moas Hilfe. Sie selbst durfte sich Tark nicht nähern und Moa entschied, dass sie für diesmal auf die segensreiche Nachwirkung von Tarks Hodenextrakt verzichten würde. Es gab aber keine Zeit zu verlieren. Die Männer würden bald zurück sein. Sie wollten noch Moorhühner für die abendliche Feier fangen. Moa zerschnitt, als niemand hinsah, Tarks Fesseln und Idra erwartete ihn am Waldrand. Moa sah ihnen nach, während sie die Reste der Fesseln ins Feuer warf und monoton vor sich hin summte…

Sie rannten so schnell sie konnten. Um Haaresbreite wären sie den Jägern in die Arme gelaufen, aber Huno lachte so laut und dröhnend, dass sie sich rechtzeitig verstecken konnten. Sie liefen weiter und als sie nicht mehr laufen konnten, gingen sie und dann schleppten sie sich dahin und dann… Dann ging es plötzlich nicht mehr weiter. Sie standen am Strand. Vor ihnen die von der Sonne beglänzte Ostsee. Unendlich weit in der Mitte, zu beiden Seiten eingerahmt von Landvorsprüngen. Bäume bis fast an das Wasser mit unendlich vielen Vögeln darin und in der Luft. Diese großen weißen Vögel, von denen es nur gelegentlich ein paar bei ihrem Dorf gegeben hatte. Die mit starren Flügeln hin und her schwebten und dabei seltsam schrien…

Tark sank in den weichen Sand. So etwas hatte er nie zuvor gesehen und gefühlt. Idra ließ sich neben ihn nieder und ließ die feinen Sandkörner durch ihre Hand rieseln.

Sie liebten sich. Ausgiebig und mit nur wenigen Ruhepausen und mit der Gewissheit, hier nun am Ende ihrer Flucht angekommen zu sein. Beide fühlten sich zuhause. Der Zauber der Bucht, die später einmal Lübecker Bucht heißen würde, hatte sie erfasst.