Krone der Blutkönigin (Royal Legacy 2) - Alexandra Lehnert - E-Book

Krone der Blutkönigin (Royal Legacy 2) E-Book

Alexandra Lehnert

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Beschreibung

**Royal Vampires – wenn Verrat deine Welt zerbricht**  Nach Nikolajs schockierendem Geständnis über seine Identität bleibt Melody keine Zeit sich zu erholen, denn sie wird unerwartet gefangen genommen. Gleichzeitig wird in Nikolajs Auftrag ein Fernsehstudio angegriffen und damit vor laufender Kamera die Existenz der Vampyre aufgedeckt, was schlagartig alles verändert. Melody ist entsetzt von Niks Gewaltbereitschaft. Trotzdem kann sie nicht vergessen, welche tiefe Verbindung sie zueinander aufgebaut haben. Als Mel erfährt, dass Niks Gefühle ihr gegenüber nicht nur gespielt waren, geraten ihre Emotionen vollends durcheinander. Aber eines weiß sie mit Sicherheit: Sie wird nicht tatenlos zusehen, wie Nikolaj die Welt, die sie liebt, zerstört.   Knisternde royale Vampir-Romantasy mit einem unerwarteten Twist.  //Dies ist der zweite und finale Band der mitreißenden »Royal Legacy«-Dilogie. Die Reihe spielt in der Welt des E-Book-Bestsellers »Die letzte Kiya«, kann aber vollkommen unabhängig davon gelesen werden. Alle Romane der Vampir-Romance bei Impress:    »Die letzte Kiya«: -- Die letzte Kiya 1: Schattenerbe  -- Die letzte Kiya 2: Nachtkrone  -- Die letzte Kiya 3: Blutthron » Royal Legacy«: -- Prinzessin der Schatten   -- Krone der Blutkönigin Diese Reihe ist abgeschlossen.// 

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Impress

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Alexandra Lehnert

Krone der Blutkönigin (Royal Legacy 2)

Royal Vampires – wenn Verrat deine Welt zerbricht

Nach Nikolajs schockierendem Geständnis über seine Identität bleibt Melody keine Zeit sich zu erholen, denn sie wird unerwartet gefangen genommen. Gleichzeitig wird in Nikolajs Auftrag ein Fernsehstudio angegriffen und damit vor laufender Kamera die Existenz der Vampyre aufgedeckt, was schlagartig alles verändert. Melody ist entsetzt von Niks Gewaltbereitschaft. Trotzdem kann sie nicht vergessen, welche tiefe Verbindung sie zueinander aufgebaut haben. Als Mel erfährt, dass Niks Gefühle ihr gegenüber nicht nur gespielt waren, geraten ihre Emotionen vollends durcheinander. Aber eines weiß sie mit Sicherheit: Sie wird nicht tatenlos zusehen, wie Nikolaj die Welt, die sie liebt, zerstört.

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Vita

Danksagung

© privat

Alexandra Lehnert, geboren im April 1995 im wunderschönen Franken, entdeckte ihre Leidenschaft fürs Lesen und Schreiben bereits in ihrer Kindheit. Nach dem Abitur hat sie eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten abgeschlossen, merkte jedoch schnell, dass sie in dem Bürojob nicht glücklich werden würde. Heute lebt sie mit ihrem Mann in einem kleinen Dorf in Franken, arbeitet als Erzieherin und taucht in ihrer Freizeit am liebsten in fremde Welten ein.

Mit der Fantasy Trilogie »Die letzte Kiya« legte sie den Grundstein für ihr Autorendasein.

Für alle, die Angst haben, ihre Träume zu verwirklichen.

Prolog

Emma

»Warum bekomme ich immer diese beschissenen Fälle?«

Fluchend stampfte ich durch den aufgeweichten Boden, in dem meine hellen Sneaker sofort einsanken. Dafür wurde ich wirklich zu schlecht bezahlt.

»So ist die Branche eben. Du musst dir erst mal einen Namen machen, bevor man dich ernst nimmt.«

Ich verdrehte die Augen und warf meinem Begleiter einen genervten Blick zu. »Und wie soll das gehen, wenn man mir nur solche Berichte, wie das Einbrechen in leerstehende Gebäude, aufträgt?«

Marc zuckte mit den Schultern und schenkte mir ein scheues Lächeln. »Wenn mal einer von den Jugendlichen, die an diesen Lost Places herumlungern, dabei auf einen Schatz stößt und wir darüber berichten, kommen wir bestimmt in die Hauptnachrichten.«

Seine Antwort brachte mich zum Schmunzeln. Ich bewunderte seine positive Art, davon sollte ich mir öfters eine Scheibe abschneiden. Früher war mir das leichter gefallen, doch seit dem Tod meines Bruders begleitete mich eine Schwere, die mich auch mit Anfang dreißig nicht richtig im Leben ankommen ließ.

»Was ist, Em, kommst du?« Marc stand bereits vor dem Eingang des Waisenhauses. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich zurückgefallen war.

»Jaja, bringen wir es hinter uns.«

***

Das alte Gebäude war halb verfallen und verströmte einen unangenehmen Geruch. Außerdem wirkte es auf mich, als wäre es einem Horrorfilm entsprungen, was nicht dazu beitrug, dass ich mich hier wohl fühlte.

Die Wände und Decken, von denen der Putz rieselte und die teilweise eingestürzt waren, machten keinen vertrauenswürdigen Eindruck. Wenige Möbel befanden sich noch im Gebäude, die von Staub und Spinnenweben übersät und seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden waren.

Ich erwartete bereits, in einem der alten Betten eine gruselige Puppe zu entdecken. Dann würde Marc mich nur noch von hinten sehen, weil ich um mein Leben rennen würde.

Ich war bereits auf so viele Monster gestoßen, dass es ein Wunder war, dass ich überhaupt noch lebte. Doch bei Puppen und verlassenen Orten war für mich auch Schluss. Eigentlich bei allem, das ich nicht kannte und nicht einschätzen konnte.

Ich schaltete meine Taschenlampe ein, weil es schneller dämmerte, als ich gehofft hatte. Den Weg zurück durch den Wald wollte ich nicht nehmen, wenn es stockdunkel war.

»Marc, was hast du dir nur dabei gedacht, dass wir so spät noch aufbrechen?«, schimpfte ich und drehte mich um, als ich keine Antwort bekam.

Ich war allein in dem Zimmer. Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Nacken aus und ich atmete tief ein, um die aufkeimende Panik zu unterdrücken.

»Marc?«, schrie ich und verließ zügig den Raum. Er konnte mich doch nicht allein hier herumirren lassen.

Ich suchte und fand ihn direkt im Türrahmen eines Zimmers am Ende des Ganges stehen.

»Wie kannst du mich einfach stehenlassen?«, beschwerte ich mich und erstarrte dann, als ich an ihm vorbei in den Raum blickte.

Schockiert starrte ich auf das Bild, das sich mir bot und wich dann mit einem lauten Schrei zurück.

Der Kegel von Marcs Taschenlampe erhellte das, was sich vor uns auf dem Boden türmte. Leichen! Ein ganzer Haufen Leichen!

»Ruf die Polizei, Em!«, drang Marcs Stimme in mein Bewusstsein.

Stumm schüttelte ich den Kopf. Ich war nicht in der Lage zu sprechen, geschweige denn eine Meldung bei der Polizei zu machen.

»Em, mach schon. Was ist, wenn …«, er verstummte, doch ich wusste, was er hatte sagen wollen. Was, wenn der Mörder noch in der Nähe war?

Dies war ein Tatort. Die Leichen waren mit Blut übersät und ich brauchte mir gar nicht versuchen einzureden, dass es eine harmlose Erklärung für den Fund gab.

Shit.

Marc hatte nun auch bemerkt, dass ich nicht in der Lage war zu telefonieren und zog sein eigenes Handy aus der Hosentasche.

»Ich habe keinen Empfang, ich muss kurz raus zum Telefonieren«, teilte er mir mit und schien abzuwarten, ob ich mich in Bewegung setzen und ihn begleiten würde. Doch ich war noch immer wie erstarrt. »Ich bin sofort wieder da, okay?«

Ich sah, wie er die Notrufnummer eintippte und anschließend zur Haustür rannte. Für einen Moment blickte ich auf den Punkt, an dem er verschwunden war, ehe ich wieder zu den Leichen in dem dunklen Raum sah.

Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, hob ich mutig meine Taschenlampe und beäugte die toten Menschen. Es waren sowohl Männer als auch Frauen, die noch nicht allzu lange hier zu liegen schienen. Der Verwesungsprozess hatte noch nicht sichtbar eingesetzt. Ich leuchtete ihre Körper ab und als mir bewusst wurde, wie sie ums Leben gekommen waren, keuchte ich entsetzt auf. Das konnte nicht wahr sein!

Mit rasendem Puls näherte ich mich ihnen und ließ mich neben einer Leiche auf die Knie sinken, um ihre Wunden genauer unter die Lupe zu nehmen. Der Angreifer schien besonders brutal vorgegangen zu sein, doch ein bestimmtes Merkmal verriet mir alles über den oder die Täter, was ich wissen musste.

Ich starrte auf die Bisswunde, die beim Toten am Hals klaffte, und hatte das Gefühl, dass meine eigene Haut an der Stelle zu kribbeln begann.

Es bestand kein Zweifel. Der Angreifer war kein Mensch gewesen …

***

Unruhig trat ich von einem auf das andere Bein und hörte angespannt dem Moderator zu, der hinter dem großen Nachrichtenpult stand und vom Teleprompter die aktuelle Meldung vorlas.

»Alles okay?« Marc beugte sich zu mir herüber und ich nickte leicht. Dabei war gar nichts in Ordnung.

Marcs Meldung bei der Polizei hatte einen Großeinsatz ausgelöst und vor Ort für viel Trubel gesorgt.

Mittlerweile waren wir zurück im Studio und verfolgten die Live-Sondersendung zum großen Leichenfund.

Mr Wagner, mein Chef, wollte sogar, dass wir live zu unserer Entdeckung befragt wurden. Ich wollte jedoch nicht darüber reden. Mir wurde schlecht, wenn ich daran dachte, was dieser Fall auslösen könnte. Hätten wir in diesem Haus doch bloß nichts gefunden und würden stattdessen weiter Graffiti-Schmierereien dokumentieren.

Der Moderator sprach von einem schrecklichen Verbrechen und dass die Verletzungen der Opfer einem Tierangriff glichen, der oder die Mörder allerdings Menschen sein mussten, ein Tier hätte die Leichen immerhin nicht dort versteckt.

Ich biss mir auf die Lippe. Was wirklich vorgefallen war, konnte niemand hier auch nur erahnen.

Hätte ich doch Marc davon abgehalten, die Polizei zu rufen und mich erst mal selbst um die Sache gekümmert. Dieser Fall würde viele Fragen aufwerfen, die gefährlich werden konnten.

Seufzend verschränkte ich die Arme vor der Brust und wünschte, dass ich telefonieren könnte. Aktuell konnte ich mich aber nicht aus dem Gebäude stehlen, um ungestört sprechen zu können. Was ich zu sagen hatte, sollte definitiv niemand mitanhören. Nicht mal Marc.

Plötzlich krachte es laut und die Tür flog auf.

Eine Frau schrie auf und haltsuchend griff ich nach Marcs Arm.

»Lasst die Kameras laufen!«, brüllte eine tiefe Stimme und mehrere Männer verteilten sich im Studio, um alle Mitarbeiter in Schach zu halten. Sie alle trugen Schusswaffen am Anschlag, sodass keiner sich zu bewegen traute.

Es waren jedoch nicht die Waffen, die mich schockierten, sondern die Typen an sich. Groß, breitschultrig, dunkle Augen und eine Ausstrahlung, die bei mir alle Alarmglocken schrillen ließ.

Was zum Teufel ging hier vor sich?

Einer der Männer marschierte geradewegs auf den Moderator zu, der die Hände erhoben hielt und panisch in den Lauf der Waffe blickte. Auch ohne zu wissen, was er war, musste der glatzköpfige, riesige Mann mit den vielen Piercings und Tattoos angsteinflößend wirken.

»Wir hätten etwas zu dem Fall beizutragen«, erklärte der Fremde gelassen. »Ihr habt doch sicher nichts dagegen, wenn wir die Nachrichten um ein paar wichtige Details ergänzen.«

Nein!, dachte ich entsetzt. Das konnten sie nicht ernst meinen.

Der Kerl ließ sich vom Moderator das Mikrofon reichen, das für den Fall gedacht war, dass sein Ansteckmikrofon während einer Livesendung ausfiel.

»Meine Damen und Herren«, sprach der breitschultrige Glatzkopf direkt in die Kamera. »Es tut mir leid, dass wir gewaltsam in dieses Studio eingedrungen sind und diese Sondersendung unterbrechen. Sie müssen wissen, dass wir den Fall problemlos aufklären können.« Ein eiskaltes Grinsen erschien auf seinem Gesicht, das mir einen Schauer über den Körper jagte. Ich hielt noch immer Marcs Arm umklammert. Er war neben mir wie erstarrt.

»Die Menschen, die Sie gefunden haben, wurden, wie Sie bereits richtig erkannt haben, nicht von einem Tier getötet. Sondern von uns.« Das eiskalte Grinsen verzog sich zu einer Grimasse des Triumphes. »Und nun, verehrte Zuschauer, möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir keine Menschen sind.« Er warf seine Waffe auf das Pult und zog den Moderator grob zu sich. Der Nachrichtensprecher schrie auf und wehrte sich erfolglos gegen den starken Griff.

In dem Moment veränderte sich das Gesicht des Angreifers. Blutrote Augen blitzten auf und als er kalt lachte, offenbarte er seine spitzen Fangzähne.

»Wir sind Vampyre und nicht länger bereit, uns vor der Welt zu verstecken«, offenbarte der Djiyo und stieß seine Fänge in den Hals des Moderators. Panik brach aus. Die Menschen ließen alles stehen und liegen und obwohl Waffen auf sie gerichtet waren, rannten sie blindlings los, in der Hoffnung, irgendwie dem Tod entkommen zu können. Als Marc sich neben mir in Bewegung setzte, ließ ich ihn perplex los. Er steuerte den Ausgang an, der sich neben dem Nachrichtenpult befand.

Ich wollte ihn warnen, dass er sich nicht bewegen sollte, da ließ der Vampyr von dem Moderator ab und stürzte sich auf Marc.

»Nein!«, schrie ich und rannte auf die beiden zu. »Lass ihn los!«

Ehe der Vampyr Marc ernsthaft verletzten konnte, sah er auf und packte mich mit der freien Hand an der Kehle.

»Du bist ja ganz schön mutig, Kleine.« Er lachte. »Oder dämlich.«

Ich röchelte nach Luft und versuchte seine Finger von mir zu lösen, was natürlich aussichtslos war. Allerdings weiteten sich seine Augen, als sein Blick auf mein entblößtes Handgelenk fiel.

»Das gibt’s ja nicht«, murmelte er und starrte auf mein Tattoo. »Das Wappen der Kiye.« Er schaute auf, direkt in meine Augen. »Du bist eine Sklavin aus dem Schloss der Kiye. Was für ein Zufall.«

Ich schluckte schwer und fragte mich, ob die von einer Krone umschlungene Lilie auf meinem Handgelenk mein Leben verlängern oder schneller beenden würde. Würde ich nun meinem Bruder Liam in den Tod folgen? Getötet durch einen Djiyo, wie er?

»Ich bin keine Sklavin und du verstößt gegen das oberste Gesetz der Vampyre«, zischte ich, wohlwissend, dass ich ihn besser nicht provozieren sollte. »Das Geheimnis über eure Existenz darf niemals ans Tageslicht kommen.«

Er lachte erneut und seine anschließenden Worte gingen mir durch Mark und Bein. »Die Königsfamilie wird bald nichts mehr zu melden haben und dann gelten neue Gesetze.«

1. Kapitel

Melody

Meine Mutter hatte immer zu mir gesagt, dass ich in einer friedlichen Welt aufwachsen und niemals das durchmachen sollte, was ihr widerfahren war. Situationen zu durchleben, in denen man wusste, dass man mit einem Bein im Grabe stand. Die Angst des Ungewissen zu verspüren und sein Leben an sich vorbeiziehen zu sehen.

In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, während ich von Nikolaj in seinem Wagen festgehalten wurde.

Wir sind Cousin und Cousine. Ich wünschte, dass dies nur ein schlechter Traum war und ich bald aufwachen würde, doch ich war mir der Realität schmerzlich bewusst. Auch wenn ich sie niemals erahnt hätte.

Valentin, der meine Eltern so tyrannisiert und unbedingt die Krone an sich hatte reißen wollen, hatte tatsächlich einen Sohn!

Und ich war so dumm gewesen ihm mein Vertrauen zu schenken.

Panik breitete sich in mir aus und alles in mir drang zur Flucht, doch Nikolaj hielt mich weiterhin unerbittlich fest. Was nützte es mir erwacht zu sein, wenn ich keine Chance gegen ihn hatte?

»Du hast mir die ganze Zeit etwas vorgespielt? Was hattest du davon?«

»Dein Vertrauen«, antwortete er schlicht. »Du hast mir regelrecht aus der Hand gefressen und ich hätte dich für einige Dinge benutzen können. Unglücklicherweise kannst du nun Gedanken lesen. Dadurch war die ganze Arbeit völlig umsonst.«

»Zu was wolltest du mich benutzen? Um die Ziele deines Vaters durchzusetzen?« Tränen schossen mir in die Augen. Nicht nur, weil sein Verrat mich derart verletzte, sondern weil ich wütend auf mich selbst war. Wütend, weil ich dem Falschen vertraut hatte. Er hatte mir das Herz gebrochen. Es würde dauern, bis diese Erkenntnis richtig bei mir ankam. Irgendwann würde die Wunde aufreißen, doch ich wollte nicht vor ihm zusammenbrechen.

Sein warmer Atem, der die ganze Zeit meine Haut streifte, machte es mir unmöglich, klare Gedanken zu fassen.

»Das ist egal, Prinzessin. Du hast jetzt nur noch den Status eines Druckmittels.«

Ehe ich antworten konnte, ging die Fahrertür auf und ein Djiyo lehnte sich zu mir in den Wagen.

Nikolaj nahm seinen Arm weg und der Mann, dem ich bisher nur flüchtig in der Burg begegnet war, zog mich aus dem Auto.

Erneut versuchte ich mich loszureißen, doch auch dieses Mal blieb es bei dem Versuch.

Nikolaj stieg ebenfalls aus dem Wagen und nahm mich von dem Fremden in Empfang. Bevor ich reagieren konnte, hatte er mich hochgehoben und über seine Schulter geworfen. Mein Vampyrblut kochte erneut hoch und ich kratzte und biss ihn.

Unbeeindruckt von meiner Gegenwehr lief er mit mir auf die Burg zu und steuerte das Kellergewölbe an. Bisher hatte ich es nicht betreten und bereute dies nun. Hätte ich gesehen, dass der Kerker völlig intakt war und so wirkte, als würde er noch regelmäßig benutzt werden, hätte ich mir vielleicht meine Gedanken gemacht. Doch wenn ich ehrlich zu mir selbst war, hätte ich auch etliche Warnungen vor Nikolaj erhalten können und wäre trotzdem an seiner Seite geblieben.

Nikolaj warf mich in eine Zelle und schlug die schwere Eisentür zu.

Amüsiert beobachtete er mich wie ein Tier durch die Gitterstäbe. »Hätte ich geahnt, dass es so endet, hätte ich dich bereits vor einem Jahr eingesperrt und mir das ganze Theater erspart.«

»Das tut mir aber leid, dass du den netten Kerl spielen musstest«, fauchte ich. »Mir wäre es auch lieber gewesen gleich zu wissen, was für ein Monster in dir steckt.«

Er legte den Kopf schief und grinste. »Monster? Weil mein Vater in deinen Augen eins war? Du hast keine Ahnung, wer oder was ich wirklich bin, Prinzessin.«

»Ich glaube, ich bekomme gerade ein Gefühl dafür. Dass du mich hier einsperrst, spricht auf jeden Fall nicht für dich.«

»Das ist okay für mich«, meinte er schulterzuckend.

Seine gleichgültige Haltung machte mich rasend. »Alles, was du mir erzählt hast, war also gelogen?« In meinem Kopf spielten sich viele unserer vergangenen Gespräche ab. Entsprach irgendetwas davon der Wahrheit? »Ist deine Mutter noch am Leben?« Ich wusste, wer seine Mom sein musste. Natascha, die Geliebte und Verlobte von Valentin, die nach der Änderung der Thronfolge eigentlich meinem Vater versprochen worden war. Nach Valentins Tod war sie nie wieder aufgetaucht.

Für einen Moment verrutschte Nikolajs kalte Maske und sein Blick wurde finster. »Nein, das war wohl das Einzige, das wirklich der Wahrheit entspricht.«

Lachend schüttelte ich den Kopf. »Da suchen meine Eltern deine Mutter seit über zwei Jahrzehnten und dann stirbt Natascha bei einem Flugzeugabsturz. Welch Ironie.«

Der Spott in meiner Stimme schien ihm gar nicht zu passen. Wütend funkelte er mich an. »Nun, ihr Tod war überhaupt schuld daran, dass ich mich nun selbst an deine Fersen heftete. Sie wollte nämlich nie, dass ich nach Kanada reise. All die Jahre habe ich deshalb meine Männer zu dir geschickt, um dich auszuspionieren, und du hast dich von so vielen verführen lassen, doch du wurdest sie alle auch sofort wieder los.«

Mir klappte der Mund auf. Was sagte er da?

»Das war ganz schön mühsam, dass du keinerlei Interesse an etwas Festem hattest. Ständig musste ich neue Leute organisieren, damit du Flittchen direkt Nachschub hattest. Es war nicht einfach, an dich ranzukommen.«

Ich ballte die Hände zu Fäusten und musste mich beherrschen, nicht gegen die Gitter zu schlagen, was wohl verschwendete Energie wäre und ihn nur amüsieren würde.

Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte mich nieder. »Als ich mich nach dem Tod meiner Mutter selbst einschaltete, war es so leicht. Du hast auch für mich sofort die Beine breit gemacht und mir außerdem törichterweise dein Vertrauen geschenkt. Ich hatte vor, dich zu entführen, aber du hast es mir so viel aufregender gemacht, indem du dich mit mir auf eine Reise begabst.« Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem kalten Grinsen. »Du warst so leicht zu manipulieren und hast mir jedes Wort geglaubt. Du bist meinem Charme verfallen und hast damit dein Unheil besiegelt.«

***

Konnte man eine Seele wieder zusammensetzen, nachdem sie zerbrochen war?

Niemals hätte ich damit gerechnet, mich eines Tages in einer ähnlichen Situation wie meine Mutter damals wiederzufinden. Sie war Valentins Gefangene gewesen und ich nun in der Gewalt seines Sohnes. Welch Ironie des Schicksals.

Seufzend schlang ich die Arme um meine Beine und stützte mein Kinn auf meinen Knien ab.

Hier festzusitzen und nicht zu wissen, wie es weiterging, machte mich wahnsinnig.

Was waren Nikolajs Absichten? Ich vermutete stark, dass er versuchen würde, meine Eltern mit meinem Leben zu erpressen. Doch welche Forderung könnte er stellen? Wollte er wie sein Vater den Thron an sich reißen?

Verdammt, warum konnte ich meine Kräfte noch nicht steuern? Ich musste dringend herausfinden, was er vorhatte.

Das plötzliche Knarren einer Tür und sich nähernde Schritte ließen mich aufhorchen. Schnell richtete ich mich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Endlich passierte etwas. Ich musste seit Stunden hier festsitzen, ohne dass jemand nach mir gesehen hatte.

Ein Junge näherte sich meiner Zelle, gekleidet in ein dreckiges T-Shirt und verwaschene Jeans. Ein Aufzug, den ich hier noch nie gesehen hatte. Genauso wenig wie jemanden in seinem Alter. Auch wenn ich sein Gesicht nicht richtig sehen konnte, vermutete ich, dass er keine zehn war. Er stellte ein Tablett vor meiner Zelle ab, auf dem sich eine Wasserflasche, etwas Brot und eine Schüssel mit einer undefinierbaren Suppe befanden.

»Hey, Kleiner …«, sprach ich ihn an, in der Hoffnung an irgendwelche Informationen zu kommen.

Er würdigte mich aber keines Blickes, drehte sich schnell um und eilte wieder davon. Mein Blick fiel auf das Tablett mit dem Essen. Am liebsten hätte ich nichts davon angerührt, doch mein Magen rebellierte vor Hunger. Ich griff nach der Wasserflasche und nahm gierig ein paar Schlucke. Anschließend überlegte ich, wie ich die Suppe essen sollte. Die Schüssel passte nicht durch die Gitterstäbe.

Seufzend schnappte ich mir den Löffel und lehnte mich an das Gitter, sodass ich essen konnte.

Die Gemüsesuppe wärmte mich von innen, sodass die Kälte hier unten nicht mehr unerträglich war. Auch wenn mich nicht die Temperaturen frösteln ließen. Dieser Ort löste eine bedrückende Stimmung in mir aus. Vermutlich würde das ein Kerker bei jedem Lebewesen.

Ich legte den Löffel zur Seite und tunkte das Brot in die Suppe. Dabei schoss mir die Frage durch den Kopf, was ich machen sollte, wenn ich auf Toilette musste.

Hitze schoss mir in die Wangen, als ich mich in meiner Zelle umsah. Die maximal sechs Quadratmeter bestanden aus nichts außer Staub und Dreck. Weder unter dem kalten Steinboden noch hinter den Wänden würde sich ein Badezimmer verstecken.

Auf gar keinen Fall wollte ich mich so erniedrigen lassen, mir in die Hose machen zu müssen.

***

Ein Geräusch riss mich aus einem unruhigen Schlaf. Durch die winzigen Fenster drang schwaches Licht. Draußen schien es bereits zu dämmern.

Müde rieb ich mir die schmerzenden Glieder. Die Gitterstäbe hatten Abdrücke auf meiner Haut hinterlassen, als ich gegen sie gelehnt eingeschlafen war.

Ich schreckte auf, als in meinem Blickfeld plötzlich der Junge von vorhin erschien. Das Knarzen der Tür musste mich geweckt haben. In dem schummrigen Licht wirkte er in seinen viel zu weiten, weißen Klamotten wie ein Gespenst. Nun gut, sie waren nicht mehr ganz weiß.

Er ließ sich auf die Knie sinken und griff nach der Schale, die ich bewusst nicht auf das Tablett gestellt hatte. Als er sie aufhob, schoss ich mit meinem Arm durch das Gitter und packte sein Handgelenk.

Er ließ die Schüssel fallen, die klirrend am Boden aufkam, jedoch nicht zersprang. Mit weit aufgerissenen Augen sah er zum ersten Mal in mein Gesicht. Die Panik in seinem Blick sorgte beinahe dafür, dass ich ihn wieder losließ.

»Wie heißt du?«, fragte ich möglichst sanft und versuchte ihn nicht allzu grob festzuhalten.

Statt einer Antwort zerrte er jedoch nur an seinem Arm.

»Ich möchte dir nichts tun«, versprach ich. »Aber könntest du jemandem Bescheid geben, dass ich ganz dringend auf die Toilette muss?«

Sein Blick huschte unruhig durch den Raum, als würde er nach Hilfe suchen. Hatte er Angst, dass er Ärger bekommen würde, wenn er mit mir sprach?

»Verstehst du mich?« Erst jetzt kam mir der Gedanke, dass er gar kein Englisch verstand. Unglücklicherweise zählte Rumänisch zu den wenigen Sprachen, die ich nicht beherrschte.

Er zeigte keinerlei Reaktion auf meine Worte, weshalb ich vermutete, dass er mich wirklich nicht verstehen konnte. Verflucht.

Ich presste die Lippen aufeinander und überlegte, wie ich mit ihm kommunizieren sollte. Wie sollte ich pantomimisch darstellen, dass ich pinkeln musste?

Nach dem Schlaf merkte ich den Druck auf meiner Blase und hatte definitiv keine Lust auf ein Unglück. Der Gedanke, mir in die Hose zu pinkeln, sollte mir vermutlich nicht so viel Angst machen in meiner derzeitigen Situation. Mein Leben war in Gefahr, doch diese Tatsache verdrängte ich gekonnt. Solange ich Nikolaj als Druckmittel dienen sollte, würde mir nichts passieren. Ein Druckmittel brauchte man immerhin lebend.

»Er kann niemanden für dich rufen.«

Ich zuckte zusammen und ließ aus Reflex das Handgelenk des Jungen los. Sofort wich dieser vor dem Gitter zurück.

Nikolaj stand mit verschränkten Armen im dunklen Flur. Wie hatte er sich so unbemerkt anschleichen können? Ich war eine miserable Vampyrin und ließ mich viel zu schnell ablenken.

»Was meinst du?« fragte ich verwirrt.

Nikolaj nickte in Richtung des Jungen, der am Boden kauerte.

»Er kann nicht sprechen, du brauchst dich also nicht zu bemühen, irgendetwas aus ihm herauszubekommen oder ihm etwas aufzutragen. Außerdem versteht er keine der Sprachen, die dir gelehrt wurden.«

»Oh.« Ich warf ihm einen abschätzigen Blick zu. »Was für ein Zufall, dass du stumme Kinder im Repertoire hast, die mir Essen liefern können.«

Nikolajs Miene blieb bei meinem Kommentar unergründlich. »Das ist kein Zufall. Ihm wurde die Stimme genommen.«

»Was?« Mir klappte der Mund auf und eine Woge des Mitleids und der Erschütterung erfasste mich. »Was habt ihr getan?« Hatte Nikolaj wirklich ein Kind derart verstümmelt?

»Das hat dich nicht zu interessieren.«

»Ach nein?« Wut erfasste mich und mit geballten Fäusten rappelte ich mich auf. »Soll ich deine Schattenseiten nicht ausführlich kennenlernen? Machst du deinem Vater Konkurrenz mit der Brutalität deiner Handlungen?«

Mein Vampyrblut kochte hoch und ich fletschte meine Zähne, sodass meine Fänge sichtbar wurden. Eine ungeheure Kraft pulsierte in meinem Körper, die ich nicht zu kontrollieren vermochte.

Nikolaj trat vor meine Zelle und aktivierte ebenfalls seine Vamyprkräfte, sodass seine mächtige Aura mir entgegenschlug.

»Denkst du, du könntest mir Angst einjagen, Prinzessin?«

Ich blickte in Nikolajs rote Augen und ehe ich antworten konnte, prasselten plötzlich seine Gedanken auf mich ein.

Völlig unvorbereitet traf mich die Flut. Ich konnte keinen klaren Gedanken herausfiltern, wie es mir bei Romina gelungen war. Bei ihr hatten mich ihre Gedanken wie direkte Aussagen förmlich angeschrien. Bei Nikolaj war es völlig anders. In erster Linie drangen seine Emotionen zu mir durch.

Der innere Konflikt, der in ihm zu toben schien, erfasste mich und brachte meine eigenen Gefühle durcheinander. Ich hätte vermutet, dass er nun glücklich war, weil er mich endlich unter Verschluss hatte, doch stattdessen spürte ich seine Zerrissenheit am eigenen Leib.

Wut, Angst, Hoffnung, Leid, Verzweiflung, Freude … All diese Emotionen schienen sich in diesem Moment abzuwechseln.

Doch ein Gefühl, das ich wahrnahm, brachte mich völlig aus dem Konzept. Es war Liebe.

2. Kapitel

Ryan

»Am Abend drangen noch unbekannte Täter in ein Nachrichtenstudio in London ein und griffen vor laufender Kamera die Mitarbeiter an. Einer der Täter verkündete, dass sie Vampyre seien …«

Mein Vater schaltete den Ton des Fernsehers aus, während meine Mutter ihr Gesicht in den Händen vergrub.

»Das ist eine Katastrophe«, murmelte sie.

Wir alle saßen noch immer wie versteinert vor dem großen Bildschirm und konnten nicht fassen, was wir bereits auf mehreren Kanälen gehört und gesehen hatten.

Das Geheimnis ist gelüftet.

Vermutlich hatte sich jeder Vampyr mal vorgestellt, wie es wäre, wenn unsere Identität aufgedeckt werden würde, doch niemand konnte damit rechnen, dass es jemals so passieren würde.

Mit diesem Auftritt würde unsere Rasse auf ewig von der Menschheit verurteilt werden. In ihren Augen hatten sich heute Monster der Welt offenbart. Das war ein Image, das eigentlich kein Vampyr haben wollte. Nun, die Täter schienen das anders zu sehen.

»Was sollen wir jetzt machen?«, fragte Ana in die Runde. Meine Schwiegermutter analysierte dieses Desaster vermutlich bereits wie einen harten Gegenschlag in einem Kampf. Nun, womöglich war heute der Grundstein für einen neuen Krieg gelegt worden.

Soley lief nervös im Raum auf und ab. Auf ihrem Gesicht zeigten sich tiefe Sorgenfalten. Der harmoniebedürftigen Siya machten die Bilder wohl am meisten zu schaffen. »Könnte man das noch irgendwie kippen?«

Mein Vater schnaubte. »Du meinst das Ganze als Fake darstellen?«

Soley beendete ihr Hin- und Herlaufen und nickte.

»Es wäre mit Sicherheit nicht leicht. Dennoch wäre es möglich, das Ganze als Inszenierung von Wahnsinnigen hinzustellen.« Nicht zum ersten Mal in der Geschichte griffen Vampyre Menschen in der Öffentlichkeit an. Doch bisher war es nie vor laufenden Kameras passiert.

»Laut den Nachrichten sind die Täter auf der Flucht. Nur anhand der Bilder lässt sich für die Menschen nicht beweisen, dass es sich wirklich um Vampyre handelt«, erklärte Sascha gelassen. Es faszinierte mich, wie er und seine Frau eine Ruhe ausstrahlen konnten, die keiner der anderen hier verspürte. Sie waren eben geborene Krieger.

»Das ist wohl wahr«, stimmte Soley ihm zu. »Die Menschen werden zunächst alle anderen Möglichkeiten in Betracht ziehen, anstatt zu verkünden, dass die Wesen aus Schauergeschichten plötzlich Realität sind.«

Malyk stand auf und legte seiner Frau eine Hand auf die Schulter. »Ich mache mir eher Sorgen, wie die Vampirjäger auf die Nachrichten reagieren werden. Sie werden mit Sicherheit hellhörig werden.«

»Das könnte unangenehm werden«, überlegte ich laut. Die Jäger bedeuteten zwar nicht zwangsläufig unser Todesurteil, doch sie waren sehr geübt im Töten von Vampiren und würden sicher auch schnell unsere Schwachstellen herausfinden.

Mein Vater warf mir einen amüsierten Blick zu. »Unangenehm wird’s, wenn die ganze Welt Jagd auf uns macht und nicht nur eine Gruppe von Vampirjägern. Ich habe keine Lust, dass die Menschen plötzlich mit Mistgabeln und Weihrauch durch die Straßen ziehen und planen, uns zu erdolchen.«

Ana trommelte mit den Fingern auf der Klinge ihres Schwertes, das vor ihr auf dem Tisch lag. »Soll mal einer versuchen, mir mit einem Holzpflock zu nahe zu kommen.«

»Schluss jetzt!« Meine Mutter sprang auf und sah mit finsterer Miene in die Runde. »Die Lage ist verdammt ernst. Die Frage ist nicht, welche Menschen uns gefährlicher werden können, sondern warum in unseren eigenen Reihen solch ein Verrat passiert ist.« Ihr Blick blieb an mir hängen. »Wie kann eine Gruppe Djiye sich eigenmächtig entscheiden, sich über unsere Gesetze hinwegzusetzen und unsere gesamte Spezies auffliegen zu lassen? Es sah nicht nach einer spontanen Aktion aus.«

Ich schluckte schwer. War das ein Vorwurf an mich als König der Djiye?

»Wie auch immer.« Sie winkte ab, ehe ich etwas dazu sagen konnte. »Ich werde nach London fliegen und dann versuchen wir zu retten, was noch zu retten ist.«

***

Genervt zappte ich durch die Programme, auf denen fast nur noch über den Vorfall in London berichtet wurde. Meine Eltern waren mit Soley, Malyk, Ana und Sascha nach Großbritannien gereist, während ich hier die Stellung halten sollte.

Warum war ich zum König gekrönt worden, wenn ich bei vielen Punkten außen vor gelassen wurde?

»Meinst du, dass Mel mitbekommen hat, was passiert ist?«, fragte Fynn, ohne von dem Schachbrett vor sich aufzusehen.

Natürlich dachte er direkt wieder an sie. Ob sich das in diesem Leben noch mal ändern würde?

»Keine Ahnung, wo auf der Welt sie gerade unterwegs ist und ob sie dort Nachrichten schaut.« Den Tumult, den die Täter mit ihrem Handeln ausgelöst hatten, würde man aber bestimmt auch so in der Bevölkerung bemerken. »Unsere Eltern werden das Problem schon lösen.« So wie sie sich immer um alles kümmerten. Wir würden währenddessen hier Däumchen drehen und abwarten. Fynn hatte eigentlich längst zurück in Norwegen sein wollen, doch durch die neusten Ereignisse würde er bis auf unbestimmte Zeit in Kanada bleiben.

»Mh«, machte Fynn und bewegte einen seiner Bauern ein Feld nach vorne.

Schmunzelnd schlug ich seine Figur mit meinem Pferd und nahm den weißen Bauern an mich. »Schach!«, rief ich, da ich nun im nächsten Zug seinen König schlagen könnte. »Konzentrier dich mal, eigentlich müsstest du im Schach besser sein.«

Schnaubend zog er seinen König aus meinem Einflussbereich, ehe ich ihn schachmatt setzen konnte. »Meine Gedanken kreisen eben gerade um Wichtigeres.«

Ich rollte mit den Augen. »Jaja, meine Schwester. Ich verstehe schon.«

»Du hast dir doch auch Sorgen um sie gemacht. Außerdem ist die Lage nun für alle Vampyre sehr gefährlich«, gab er zu bedenken, was bei mir nur ein müdes Lächeln auslöste.

»Entspann dich, Fynn. Uns passiert nichts und Mel und ihrem ach so tollen Freund auch nicht.«

»Wir rasen mit hoher Geschwindigkeit auf eine Katastrophe zu, die einen Weltkrieg auslösen könnte, und du bleibst so ruhig.«

Er besiegte mit seiner Dame mein Pferd, dachte aber nicht daran, dass ich sie nun mit meinem Läufer schlagen konnte. Als ihm sein Fehler auffiel, fluchte er leise.

»Dann ist das eben so. Ein Grund mehr, unsere Zeit im Hier und Jetzt zu genießen«, erklärte ich schulterzuckend. Insgeheim war ich aber nicht so ruhig, wie ich mich vor meinem besten Freund und Cousin gab. Es machte mir Angst, nichts gegen diese Ungewissheit unternehmen zu können. Jetzt ging es nicht mehr um meine Schwester, die keine Lust auf ihr Erbe hatte, sondern um wirklich wichtige Probleme.

Ich schlug seine Dame und behielt die Figur in der Hand, um mich an etwas festklammern zu können. Wo war meine Königin? Ich hatte Darja von den Neuigkeiten berichten wollen, sie aber nicht im Schloss angetroffen.

Fynn lehnte sich nach vorne und starrte auf das Brett, um nicht erneut eine Figur zu verlieren.

Als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und Ylvie ohne zu klopfen ins Zimmer stürzte, zuckte ich vor Schreck zusammen.

»Habt ihr die Nachrichten gesehen?«, fragte sie atemlos und stützte ihre Arme auf ihren Oberschenkeln ab. Sie sah aus, als wäre sie hierher gesprintet.

»Ja, haben wir …«, erwiderte Fynn und lehnte sich zurück.

»Unsere Eltern sind bereits Hals über Kopf nach London aufgebrochen, um die ganze Sache zu vertuschen«, ergänzte ich.

»Und da könnt ihr hier sitzen und Schach spielen?« Fynns Halbschwester klang beinahe hysterisch. »Seid ihr noch zu retten?« Sie trat neben uns und fegte mit einer Bewegung das Brett vom Tisch.

»Hey!«, beschwerte ich mich und warf ihr einen genervten Blick zu. »Wir können momentan eh nichts machen. So schnell wird hier schon keine Menschenarmee einmarschieren und das Schloss besetzen wollen.«

»Hast du überhaupt eine Ahnung, was für ein Nachrichtenstudio das war?«, fauchte sie mich an, woraufhin ich fragend zu Fynn sah, der genauso ahnungslos wirkte, wie ich mich fühlte.

»Keine Ahnung …«

»Emma arbeitet dort!«, zischte sie.

»Scheiße.« Ich biss die Zähne fest aufeinander. Ein Gefühl der Hilflosigkeit stieg in mir hoch.

Fynn war ganz blass im Gesicht und sah aus, als würde er jeden Moment vom Sofa kippen. »Bist du sicher?«, hakte er nach. In seiner Stimme schwang solch eine Verzweiflung mit, dass ich mich hundeelend fühlte.

Ylvie nickte und nun bemerkte ich auch die Tränen, die ihr in den Augen standen.

Emma war die jüngste Schwester von Ylvies verstorbenem Vater Liam und somit Ylvies Tante. Die beiden standen sich sehr nahe.

»Vielleicht war sie nicht im Studio«, mutmaßte ich, um Ylvie ein wenig Hoffnung zu geben. Ich war definitiv der Falsche für diesen Job.

»Ich erreiche sie seitdem nicht mehr«, erklärte Ylvie schluchzend und in mir verkrampfte sich alles. Das klang wirklich nicht gut. Ich überlegte zu sagen, dass das bei dem Trubel auch kein Wunder war, verkniff mir die Worte aber lieber. Das würde Ylvie auch nicht beruhigen.

»Wir sollten unsere Eltern anrufen. Wenn sie eh vor Ort sind, können sie Emma suchen«, schlug Fynn vor.

»Mach ich sofort.« Ylvie wischte sich die Tränen von den Wangen und zog ihr Smartphone aus der Hosentasche.

Ich hoffte das Beste, auch wenn ich ein ungutes Gefühl bei der Sache hatte.

3. Kapitel

Melody

Stumm starrte ich in Niks rot leuchtende Augen und versuchte zu verstehen, was das warme Gefühl bedeutete. Gehörte es zu meiner Fähigkeit, nicht nur Gedanken zu lesen, sondern auch Gefühle erkennen zu können?

Ich wusste nicht, ob ich Niks Emotionen richtig deutete, die in Form von Farben meinen Geist fluteten, doch ich hatte den Eindruck, dass mein Körper diese spiegeln wollte.

Seine Gefühle verwirrten mich. Die Farbe Rot stach deutlicher als alle anderen ins Auge und das nicht nur, weil seine Iris noch immer in dem Ton leuchtete.

Konnte das Rot wirklich für Liebe stehen? Rot stand ebenso für Hass, was in dieser Situation passender wäre. Immerhin musste Nik mich und meine Familie hassen für das, was ihm genommen worden war. Und ich war mir sicher, dass er das auch tat.

Doch mein Körper signalisierte mir, dass da ebenfalls eine Emotion schlummerte, die sich für mich nach Liebe anfühlte.

Hatte ein Teil von ihm mich in den letzten Monaten lieb gewonnen und haderte nun sein Verstand mit der Situation?

Hatte er es nicht geschafft, die Distanz zu wahren und seine Gefühle aus dem Spiel herauszuhalten?

Plötzlich erschien ein Bild vor meinem inneren Auge. Ich erkannte mein eigenes schlafendes Gesicht und Niks Hand, die mir sanft übers Haar strich.

Die Emotionen, die Nik bei dieser Erinnerung durchlebte, übertrugen sich auf mich, als wären es meine eigenen.

Überfordert wich ich einen Schritt zurück und löste den Augenkontakt zu Nik. Mein Herz raste, als ich auf den Boden starrte und zu verstehen versuchte, was echt war und was ich durch meine Kräfte zu sehen vermochte.

Als ich wieder aufschaute, wirkte Niks Miene versteinert. Ich hatte den Zugang zu ihm verloren und schaffte es nicht, die Verbindung erneut herzustellen.

»Bemüh dich nicht, meine Gedanken lesen zu wollen. Du wirst in ihnen nichts finden, was dir hier heraushilft.« Seine Stimme klang teilnahmslos, dabei wusste ich, dass in seinem Inneren ebenso ein Sturm herrschte.

Er drehte sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort. Ich starrte ihm nach und das Einzige, an das ich in diesem Moment denken konnte, war das warme Gefühl, das mein Herz hatte höherschlagen lassen.

***

Niks Besuch hatte mich so sehr aufgewühlt, dass ich tief in Gedanken versunken war, als sich erneut Schritte näherten.

Kam Nik zurück?

Zu meiner Enttäuschung oder Erleichterung, ich wusste tatsächlich nicht, welches Gefühl dominierte, näherte sich ein mir unbekannter Djiyo der Zelle.

»Du musst mal?«

»Ähm … was?« Perplex starrte ich ihn an.

»Musst du zur Toilette oder nicht, Prinzesschen?« Er winkte demonstrativ mit dem Schlüssel und mir schoss das Blut in die Wangen.

Die Erleichterung, mir nicht in die Hose machen zu müssen, besiegte meine Scham in diesem Moment. Ich sprang auf und wartete, dass der Djiyo die Zelle aufsperrte.

»Versuch gar nicht erst wegzulaufen, sonst gibt’s Ärger«, brummte er halbherzig, als würde er gar nicht auf die Idee kommen, dass ich so töricht wäre es zu riskieren. Sein Gesicht zeigte deutlich seine Genervtheit über seinen Aufpasserjob, da brauchte ich meine Kräfte nicht einmal einzusetzen.

»Welche Wette hast du denn verloren, dass du mich bei meinen Klogängen begleiten musst?« Ich konnte mir die Frage nicht verkneifen, auch wenn ich ihn wohl nicht reizen sollte.

Seine Miene verfinsterte sich, er ging jedoch nicht auf meinen bissigen Kommentar ein. Zu gerne würde ich seine Gedanken lesen, in der Hoffnung, irgendetwas Sinnvolles zu finden, doch ich musste meine Kräfte schonen. Ganz abgesehen davon, dass ich sie sowieso nicht zuverlässig einsetzen konnte.

Der Djiyo packte meinen Arm und schob mich vorwärts, bis wir die Kerker verließen und einen Flur betraten, der den restlichen Gängen des Schlosses ähnelte. Er steuerte die erste Tür an, hinter der sich ein kleines Badezimmer mit Toilette, Waschbecken und Dusche versteckte. In dem Raum gab es kein Fenster, weshalb sich keine Möglichkeit zur Flucht bot. Ich versuchte mir meine Frustration nicht anmerken zu lassen und zerrte an meinem Arm. »Willst du mich auch beim Pinkeln festhalten?«

Der Typ sah zu mir herunter und ich konnte schwören, dass er einen Moment mit dem Gedanken spielte, genau das in die Tat umzusetzen. Glücklicherweise ließ er mich doch los, warf mir noch einen warnenden Blick zu und verließ das Bad.

Erleichtert atmete ich auf. Endlich allein. Wenn auch nur für einen kurzen Moment.

Ich ging davon aus, dass dieser Raum wenigstens nicht mit Kameras ausgestattet war. Oder hoffte es.

Nik hatte sicher Besseres zu tun, als sich meine Toilettengänge anzuschauen.

Als ich fertig war, starrte ich mein Spiegelbild an und zögerte den Moment heraus, in dem ich das Bad wieder verlassen musste. Ich vergeudete jedoch keine Gedanken an mein Aussehen, das unter den Stunden im Kerker bereits gelitten hatte. Es gab bedeutend Wichtigeres. Wie sollte ich es schaffen zu fliehen?

Mir blieb keine Zeit, Fluchtpläne zu schmieden, denn der Djiyo klopfte bereits an die Tür.

»Ich komme ja schon«, rief ich und riss die Tür auf.

Der Djiyo stand mit verschränkten Armen im Flur und bevor er mich packen konnte, machte ich einen Satz zur Seite und rannte los.

Ich kam keine zwei Schritte weit, bevor der Typ meine langen Haare erwischte. Mein Kopf wurde nach hinten gerissen und ich schrie auf.

»Versuch das noch einmal und du kommst nie wieder aus dieser Zelle heraus«, zischte er und griff nach meinem Arm.

Seine Worte schafften es nicht, mich einzuschüchtern. Ich würde so lange kämpfen, bis ich wieder frei war. Mein ganzes Leben lang hatte ich mich nach Freiheit gesehnt. Nun wusste ich, dass ich nach etwas gesucht hatte, das ich bereits besessen hatte.

***

Ich verlor in der Zelle jegliches Zeitgefühl. Waren Tage, Wochen oder Monate vergangen? Wobei Letzteres mit Sicherheit übertrieben wäre, ansonsten hätte ich körperlich bereits extrem abgenommen. Ich wurde unregelmäßig von dem Djiyo aus der Zelle gelassen, um das Bad aufzusuchen, und der Menschenjunge versorgte mich mit Nahrung, doch auf Blut wartete ich bisher vergebens. Hatte Nik Angst, dass ich sonst zu stark werden könnte?

Es war ja nicht so, als würde mir meine Fähigkeit Gedanken zu lesen bei einem Ausbruch helfen. Ich konnte mich nicht aus dieser Zelle herauszaubern. Nun wären die Kräfte meiner Mutter Gold wert.

Ich fragte mich, wie lange mich Nikolaj hier unten schmoren lassen wollte, ehe er erneut mit mir redete. Mehr als das kurze Gespräch in Anwesenheit des Jungen hatte es nicht gegeben.

Da es kein Entkommen aus der Zelle gab, blieb mir nicht viel mehr übrig, als vor mich hinzuvegetieren.

Die meiste Zeit kreisten meine Gedanken um Nik und dieses warme Gefühl, das ich bei ihm gespürt hatte.

War es wirklich Liebe? Wenn ja, musste das keinen Vorteil bedeuten.

Ihm musste bewusst sein, dass die Illusion einer Beziehung, die in den vergangenen Monaten vorgeherrscht hatte, nun zerplatzt war und niemals wieder hergestellt werden könnte.

Er hatte die Wahl getroffen, dass er seine Ziele weiter verfolgen und mich verraten würde. Das konnte er nicht mehr rückgängig machen. Der Weg seiner Zukunft war geebnet und damit mein Schicksal besiegelt.

Was auch immer er fühlte, dieser Funke würde erlöschen und Platz machen für ein Inferno, das mich zerstören würde. Aus Liebe würde Hass entstehen.

Ich war das Druckmittel, das er versteckt halten würde, solange es ihm beliebte. Und das könnte für immer sein …

Ich würde in diesem Kerker verrotten, wenn meine Eltern keinen Weg finden würden, mich hier heraus zu holen. Irgendwann würden sie mich suchen und mit Sicherheit würde Nikolaj sich meinen Eltern gegenüber offenbaren. Ein Druckmittel nutzte nur etwas, wenn man es für etwas einsetzen wollte. Was wollte er erreichen?

Wollte er meine Eltern vom Thron stoßen? Ich hatte keine Ahnung, wie er das bewerkstelligen sollte. Meine Eltern trugen die Verantwortung für die ganze Vampyrwelt und ihre Familie. So hart es klang, doch am besten war es mich zu opfern, um andere zu schützen. Womöglich fiel es ihnen nicht mal schwer, mich aufzugeben …

Seufzend lehnte ich den Kopf zurück an die kühle Mauer und starrte an die Decke meines Gefängnisses.

Eine riesige Spinne hing in der Ecke und arbeitete an ihrem Netz – meine einzige Gesellschaft hier unten. Ich hatte ihr einen Namen geben wollen, konnte mich bisher aber nicht festlegen, weshalb ich beschloss sie so lange umzutaufen, bis sie auf einen reagierte.

»Du kannst jederzeit hier raus, nicht wahr, Speedy?«, murmelte ich betrübt. Es war hart, sich mit solch einem Schicksal abzufinden. Doch mich jeden Tag in den Schlaf zu weinen oder mich heiser zu schreien würde mich nur Kraft kosten und nichts an meiner Lage ändern. Ich musste abwarten, bis sich irgendwann eine Gelegenheit bot, doch zu fliehen, und solange versuchen nicht wahnsinnig zu werden und irgendwie bei Kräften zu bleiben.

Nachdenklich ließ ich zum hundertsten Mal meinen Blick über die Wände streifen, auf der Suche nach Kameras. Mit Sicherheit wurde ich beobachtet und Nik würde sich jetzt fragen, mit wem ich redete. Vielleicht rechnete er damit, dass ich den Verstand verlieren würde. Möglicherweise würde ich das auch.

Ein Jahr lang hatte ich nicht bemerkt, dass etwas mit ihm nicht stimmte und heute hasste ich mich für meine Blindheit. Welche Anzeichen hatte ich übersehen? Irgendwie hätte ich doch spüren müssen, dass er der Erzfeind meiner Familie war?

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als sich Schritte näherten, und erstarrte.

Nik …

Ihn zu sehen schmerzte so tief, nach allem, was wir durchgemacht hatten. Mein Körper wusste nie, wie er auf ihn reagieren sollte. Ich war so schrecklich wütend, gleichzeitig trauerte ich unserer gemeinsamen Zeit hinterher.

Er hatte die Hände in seiner dunklen Jeans versenktn, als er auf meine Zelle zu schlenderte. Seine langen Haare lagen wild durcheinander und das enganliegende schwarze T-Shirt offenbarte nicht nur seine Muskeln, sondern auch die Tattoos an seinem Arm.

Dieser Mann hatte mir mit seiner Ausstrahlung und seinem Charme den Kopf verdreht. Einem Charme, der gespielt war, erinnerte ich mich bitter. Ich hatte mich von ihm blenden lassen und war als Beute bereitwillig meinem Jäger ins Verderben gefolgt.

»Was willst du?«, fragte ich genervt und machte mir nicht die Mühe aufzustehen. Sollte er doch auf mich herabblicken.

Zu meiner Überraschung ging er vor der Zelle in die Hocke und begegnete mir auf Augenhöhe.

Zumindest wollte er womöglich diesen Eindruck erwecken. Ich war seine Gefangene und ihm hilflos ausgeliefert. Nichts mit Augenhöhe.

»Wie geht es dir?«, fragte er sanft und ich verdrehte die Augen.

»Ich bin einen besseren Service gewöhnt.« Ich klopfte auf den kalten Steinboden neben mir. »Das Bett ist für ein Fünf-Sterne-Hotel ein wenig hart und ich habe den Eindruck, dass es in meinen Räumlichkeiten ein wenig zieht. Die Sanitäranlagen lassen leider auch zu wünschen übrig.«

Er schüttelte den Kopf und ein leises Lachen entwich seinen Lippen. »Ich liebe deinen Sarkasmus.«

Zischend stieß ich bei seinen Worten die Luft aus. Es tat weh, ihn so reden zu hören. Ihm schien das aber gar nicht aufzufallen.

»Wie geht’s Peter? Oder wie heißt sie heute?«

Ich runzelte die Stirn, bemerkte dann aber, dass er zu der Spinne hochsah. Also wurde ich wirklich überwacht.

»Speedy«, murmelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Wirst du noch kreativer?«

»Vielleicht. An Zeit mangelt es mir hier drinnen nicht.«

»Wohl wahr.« Seine Miene veränderte sich und der Blick aus seinen dunklen Augen lag nachdenklich auf mir. »Es tut mir leid.«

Ich starrte ihn an. Was tat ihm leid?

Er legte den Kopf schief. »Ich hatte gehofft, dass das hier unkomplizierter wird. Vielleicht hätte ich abgewartet, ob du irgendwann doch eine Beziehung willst, mich heiratest und Königin wirst. Auf die Art und Weise wäre ich König geworden und hätte einige Möglichkeiten gewonnen. Doch diese Überlegungen waren hinfällig, als du deine Kräfte entdecktest.«

»Ich hätte deine Lügen hoffentlich durchschaut, ehe ich einer Hochzeit zugestimmt hätte …«, zischte ich. »Außerdem hatte ich nie Interesse an etwas Festem, das wusstest du. Du hättest mich irgendwann also doch entführen müssen, wenn ich zurück nach Hause gewollt hätte.«

Um seine Mundwinkel zuckte es. »Spielen wir einander nichts vor. Du hast mich angebetet, es zu leugnen macht es nicht ungeschehen.«

Am liebsten hätte ich einen Stein, oder noch besser einen Felsbrocken, nach ihm geworfen, doch da nichts herumlag, strafte ich ihn mit einem hasserfüllten Blick. Dieser Mann war pures Gift für mich.

»Was hast du davon, mich hier festzuhalten?«, fragte ich und überging seinen Kommentar. »Wird es nicht langsam Zeit, mir deinen teuflischen Plan zu erzählen?«

»Den erzählt der Bösewicht nur, wenn er sicher ist, dass er gewinnt, nur um kurz darauf doch besiegt zu werden.« Er stand auf und legte eine Hand an die Gitterstäbe. »Ich bin nicht so töricht, mich in Sicherheit zu wiegen.«

»Doch, du bist töricht. Du setzt dein Leben aufs Spiel für irgendeinen Plan deines Vaters. Das ist wahnsinnig.«

Er lachte trocken auf. »Das willst du beurteilen? Na schön, wenn du es unbedingt wissen willst, ich habe dafür gesorgt, dass die Identität der Vampyre auffliegt.«