Kurfürstenklinik 90 – Arztroman - Nina Kayser-Darius - E-Book

Kurfürstenklinik 90 – Arztroman E-Book

Nina Kayser-Darius

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Beschreibung

Mit den spannenden Arztromanen um die "Kurfürstenklinik" präsentiert sich eine neue Serie der Extraklasse! Diese Romane sind erfrischend modern geschrieben, abwechslungsreich gehalten und dabei warmherzig und ergreifend erzählt. Die "Kurfürstenklinik" ist eine Arztromanserie, die das gewisse Etwas hat und medizinisch in jeder Hinsicht seriös recherchiert ist. Nina Kayser-Darius ist eine besonders erfolgreiche Schriftstellerin für das Genre Arztroman, das in der Klinik angesiedelt ist. 100 populäre Titel über die Kurfürstenklinik sprechen für sich, in denen zugleich die Entstehung einer romantischen Liebesgeschichte mit filigranem Geschick und großer Empathie gestaltet wird. Als versierte Kennerin medizinischer Sachverhalte berichtet Nina Kayser-Darius auf unterhaltsame Weise quasi aus dem Nähkästchen. "Schade, daß ich nicht da bin, wenn deine kleine Schwester kommt", sagte Sascha Reiling zu seiner Freundin Leonie Scherz. "Wir hätten bestimmt viel Spaß miteinander gehabt." Leonie nickte und strich sich die langen rotbraunen Haare aus dem Gesicht. Sascha und sie hatten sich an der Universität kennengelernt, wo Leonie Medizin studierte und Sascha Sprachen. Er wollte Dolmetscher werden und träumte von einem aufregenden Leben mit vielen Reisen in die ganze Welt. "Ja", erwiderte sie, "Tina hätte dich auch gern wiedergesehen, das hat sie mir bei unserem letzten Telefonat noch gesagt. Aber wenn ihr mit eurem Professor zum Europarlament fahrt, kannst du ja schlecht fehlen." Er nickte lebhaft. "Das wird bestimmt total interessant, Leo! Wir sehen, wie die Dolmetscher dort arbeiten, wir können ihnen Fragen stellen, und zum Schluß dürfen wir selbst auch mal einen Versuch machen zu dolmetschen, unter realistischen Bedingungen. Wo kriegt man das sonst schon geboten?" Er schlang beide Arme um sie und küßte sie. "Der einzige Nachteil ist, daß wir uns ein ganzes langes Wochenende nicht sehen." Sie erwiderte seinen Kuß, dann schob sie ihn von sich. "Du mußt los!" drängte sie. "Wer war das denn, der mir vorhin noch erklärt hat, daß er auf keinen Fall zu spät kommen darf? War das nicht Sascha Reiling?

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Kurfürstenklinik – 90–

Gibt es denn kein Lächeln mehr?

Die kleine Christina wird von einer schweren Krankheit immer wieder heimgesucht

Nina Kayser-Darius

»Schade, daß ich nicht da bin, wenn deine kleine Schwester kommt«, sagte Sascha Reiling zu seiner Freundin Leonie Scherz. »Wir hätten bestimmt viel Spaß miteinander gehabt.«

Leonie nickte und strich sich die langen rotbraunen Haare aus dem Gesicht. Sascha und sie hatten sich an der Universität kennengelernt, wo Leonie Medizin studierte und Sascha Sprachen. Er wollte Dolmetscher werden und träumte von einem aufregenden Leben mit vielen Reisen in die ganze Welt.

»Ja«, erwiderte sie, »Tina hätte dich auch gern wiedergesehen, das hat sie mir bei unserem letzten Telefonat noch gesagt. Aber wenn ihr mit eurem Professor zum Europarlament fahrt, kannst du ja schlecht fehlen.«

Er nickte lebhaft. »Das wird bestimmt total interessant, Leo! Wir sehen, wie die Dolmetscher dort arbeiten, wir können ihnen Fragen stellen, und zum Schluß dürfen wir selbst auch mal einen Versuch machen zu dolmetschen, unter realistischen Bedingungen. Wo kriegt man das sonst schon geboten?« Er schlang beide Arme um sie und küßte sie. »Der einzige Nachteil ist, daß wir uns ein ganzes langes Wochenende nicht sehen.«

Sie erwiderte seinen Kuß, dann schob sie ihn von sich. »Du mußt los!« drängte sie. »Wer war das denn, der mir vorhin noch erklärt hat, daß er auf keinen Fall zu spät kommen darf? War das nicht Sascha Reiling? Ihr fahrt doch mit dem Bus, wenn ich nicht irre? Der wird nicht auf dich warten, Sascha.«

Er warf einen raschen Blick auf die Uhr und fluchte unterdrückt. »Mist, so spät schon!« Er rannte aus dem Zimmer, und sie hörte, wie er den Rucksack holte, den er bereits gepackt mit in ihre kleine Wohnung gebracht hatte. Gleich darauf kam er zurück, küßte sie noch einmal und raste aus der Wohnung.

»Typisch Sascha«, murmelte sie, dann fing sie an aufzuräumen. Sie hatte an diesem Freitag noch zwei Vorlesungen, dann würde sie sich auf den Weg in das brandenburgische Dorf machen, in dem ihre achtjährige Schwester Christina und ihre Eltern lebten. Christina war eine Nachzüglerin – vierzehn Jahre trennten die beiden Schwestern. Leonie erinnerte sich sehr gut daran, daß sie damals nicht gerade begeistert gewesen war, als ihre Mutter den verspäteten Nachwuchs angekündigt hatte. Sie war als Einzelkind groß geworden – und nun sollte sie sich noch an eine kleine Schwester gewöhnen?

Aber es war alles ganz anders gekommen. Vom ersten Augenblick an hatte es zwischen Christina und ihr eine ganz besondere Verbindung gegeben. Die kleine war der großen Schwester überallhin gefolgt, sobald sie hatte laufen können – und noch heute, da Leonie schon einige Jahre nicht mehr zu Hause wohnte, sondern nach Berlin gezogen war, telefonierten sie mindestens drei Mal pro Woche miteinander.

»Eine richtige Affenliebe ist das mit euch beiden«, hatte Anna Scherz, Leonies und Christinas Mutter, bereits mehr als einmal festgestellt, aber sie lächelte immer dabei. Es gefiel ihr, daß ihre beiden Töchter so sehr aneinander hingen. Und auch ihr Mann Rainer schmunzelte in sich hinein, wenn er sah, wie die Große und die Kleine die Köpfe zusammensteckten. Allerdings hatte Christina ihnen schon große Sorgen bereitet, weil sie nicht ganz gesund war. Doch daran wollte Leonie jetzt nicht denken, denn seit gut einem Jahr hatte es keinerlei Probleme mehr gegeben.

Für ihre Eltern war es schön, daß sie noch eine kleine Tochter bekommen hatten. Sie waren noch relativ jung und unternehmungslustig und wollten von ›vorgezogenem Ruhestand‹ noch längst nichts wissen. Ihr Vater Rainer war jetzt Mitte Fünfzig, ihre Mutter Anna erst Ende Vierzig.

Leonie war so in Gedanken versunken gewesen, daß sie ein wenig getrödelt hatte. Jetzt war sie selbst in Zeitdruck geraten, denn ihre erste Vorlesung fing in einer halben Stunde an. Sie nahm ihre Tasche, vergewisserte sich, daß alle Fenster geschlossen waren und sie den Herd ausgeschaltet hatte, dann verließ sie die Wohnung. Heute mittag würde sie Tina holen und sie erst am Sonntag zurückbringen. Sie hatte ein richtiges Programm für die Kleine zusammengestellt – dem ›Landei‹ mußte in der Großstadt schließlich etwas geboten werden. Sie würden jede Menge Spaß miteinander haben.

Sie war gerade dabei, abzuschließen, als sich die Tür der Nachbarwohnung öffnete. »Oh, hallo, Lukas«, sagte Leonie zu dem schlanken dunkelhaarigen Mann, der sie freundlich anlächelte.

»Morgen, Leo. Na, geht’s jetzt auf nach Brandenburg?«

»Wo denkst du hin? Ich hab’ noch zwei Vorlesungen.«

»Ich dachte, die schwänzt du vielleicht für deine kleine Schwester.«

»Wieso denn? Sie muß ja auch zur Schule. Nein, nein, ich fahre mittags los, trinke dann bei meinen Eltern Kaffee und komme mit Tina zurück.«

»Dann lerne ich sie endlich mal kennen. Jedenfalls hoffe ich das.«

»Klar, du kannst ja irgendwann zum Essen rüberkommen. Was hältst du davon?«

»Gern, wenn ich nicht störe? Ich weiß ja, daß ihr euch immer viel zu erzählen habt.«

Leonie lachte vergnügt. »Klar haben wir das, aber wir haben doch jede Menge Zeit – bis Sonntag, stell dir das mal vor. Tina ist schon ganz aufgeregt. Sie kennt Berlin ja kaum. Weißt du was, Lukas? Komm doch morgen zum Essen. Heute ist es vielleicht ein bißchen viel, nach der Fahrt und so. Aber morgen wäre es ideal. Nicht so spät, komm doch ruhig schon gegen halb sechs, sechs.«

»Seid ihr denn nicht unterwegs?«

»Doch, aber wenn wir morgens losgehen, sind wir spätestens um fünf völlig fertig, das garantiere ich dir.«

»Ich kann ja klingeln«, sagte er, »und dann sehe ich, ob ich schon erwünscht bin oder nicht.«

»Alles klar, ciao! Ich muß jetzt wirklich los.«

Leonie rannte fröhlich die Treppe hinunter, während Lukas ihr sehr viel langsamer folgte. Er hatte es nicht eilig, in sein Büro zu kommen. Seine Arbeit beim Finanzamt gefiel ihm nicht sonderlich. Er mußte sich endlich eine neue Stelle suchen, aber wo? Am liebsten hätte er etwas ganz anderes gemacht, ihn ödete es an, den ganzen Tag lang nur mit Zahlen zu tun zu haben. Ich müßte Zahlen, Menschen und noch etwas anderes kombinieren, dachte er, wie so häufig. Und wie so häufig fiel ihm auch an diesem Morgen keine Lösung für sein Problem ein.

*

»Es ist sehr nett, zur Abwechslung mal wieder mit Ihnen zu frühstücken, Frau Senftleben«, sagte Dr. Adrian Winter zu seiner Nachbarin Carola Senftleben.

»Vor allem, weil Sie die guten knusprigen Brötchen geholt haben«, erwiderte sie.

Er lachte. »Ein Wunder, daß überhaupt noch welche da waren«, stellte er fest. »Wenn man so lange schläft, muß man meistens nehmen, was übriggeblieben ist.«

»Ich schlafe ja immer so lange«, sagte sie, »aber es gefällt mir, daß Sie an Ihrem freien Tag mal richtig ausgeschlafen haben. Sie sehen gleich viel besser aus, Adrian.«

Voller Genuß biß er in sein erstes Brötchen und trank danach einen Schluck Kaffee. »Ich fühle mich auch gut«, sagte er. »Vielleicht habe ich ja Glück, und der Wochenenddienst wird nicht so schlimm.«

»Darauf würde ich mir keine allzu großen Hoffnungen machen«, entgegnete sie trocken. »Erinnern Sie sich an das letzte Mal? Das war doch die reinste Katastrophe.«

Er nickte. »Stimmt. Aber es muß ja nicht jedes Mal so sein. Schlimm ist allerdings, daß ich auf Ihre Kochkünste verzichten muß. Das macht den Wochenenddienst richtig bitter.«

»Wollen Sie mir schmeicheln, Adrian?«

»Ich sage nur die Wahrheit, Frau Senftleben.«

Sie wechselten einen Blick voll gegenseitiger Sympathie. Carola Senftleben war mehr als dreißig Jahre älter als der junge Arzt, der bereits mit Mitte Dreißig Chefarzt an der renommierten Kurfürsten-Klinik in Berlin-Charlottenburg war. Er leitete dort die Notaufnahme, die unter seiner Führung einen ausgezeichneten Ruf erworben hatte. Sie war eine der größten des Landes und leistete in jeder Hinsicht herausragende Arbeit. Ihr hohes Ansehen verdankte die Kurfürsten-Klinik nicht zuletzt ihrer Notaufnahme.

Da Adrian allein lebte und sich für alles, was mit der Zubereitung von Speisen zusammenhing, nur mäßig interessierte, war seine Nachbarin im Laufe der Zeit dazu übergegangen, ihn immer häufiger zum Essen einzuladen. Wenn sie keine anderweitigen Verpflichtungen hatte, tischte sie Adrian erstklassig zubereitete Gerichte auf, die ihn mittlerweile zu einem richtigen Feinschmecker hatten werden lassen. Ihre gemeinsamen Mahlzeiten genossen sie beide gleichermaßen. Sie unterhielten sich gern miteinander, und beide schätzten sie gutes Essen. Sie waren also, in mehr als einer Hinsicht, ein ideales Team.

»Was haben Sie denn am Wochenende vor?« erkundigte sich Adrian.

»Oh, eine Theaterpremiere morgen abend, da hätten wir also sowieso nicht miteinander essen können. Und am Sonntag nachmittag wollte ich mich mit einer Freundin treffen, die ich in letzter Zeit ein bißchen vernachlässigt hatte.«

»Das passiert Ihnen auch?« fragte Adrian erstaunt. »Ich dachte immer, das sei eine Spezialität von mir.«

»Das passiert jedem«, stellte sie gelassen fest und griff nach dem zweiten Brötchen, während Adrian bereits beim dritten angelangt war. »Aber sie ist zum Glück nicht nachtragend. Ich hoffe, wir sehen uns dann am Sonntagabend?«

»Sehr gern – aber Sie wissen ja, genau vorhersagen kann ich es nie. Wenn wir sehr viel zu tun haben…«

Sie winkte ab. »Natürlich, das ist doch selbstverständlich. Wie geht es übrigens Ihrer Schwester, Adrian?«

»Esther? Soweit ich weiß, gut.« Er grinste verlegen. »Na ja, es ist schon wieder eine ganze Weile her, seit wir uns gesehen haben. Sie wissen ja, wie das ist.«

Sie drohte ihm scherzhaft mit dem Finger. »Ja, ja, ich weiß, wie das ist, deshalb frage ich ja danach, um es Ihnen wieder einmal bewußt zu machen. Sie sollten sich wirklich öfter mit ihr treffen.«

»Wenn das Wochenende vorüber ist«, sagte Adrian.

»Rufen Sie sie doch heute noch an und machen Sie etwas mit ihr aus. Dann können Sie es nicht mehr aufschieben.«

»Vielleicht«, murmelte Adrian ausweichend. »Aber ich weiß ja noch gar nicht, wie der Dienst wird. Wenn er sehr anstrengend ist, habe ich Anfang der Woche abends vielleicht gar keine Lust.«

Sie unterbrach ihn energisch. »Sehen Sie? Sie fangen schon wieder an mit Ihren Ausflüchten. Sie sollen sich doch nicht die Nacht mit ihr um die Ohren schlagen, sondern einfach nur ein Bier oder einen Wein mit ihr trinken. Sie sind zu jung, Adrian, um immer nur zu arbeiten. Ab und zu muß man auch mal etwas anderes tun.«

»Ich rufe sie an«, sagte Adrian. »Sie haben mit allem recht, was Sie sagen, Frau Senftleben – wie immer. Mir fehlt nur einfach manchmal die Energie, meine Kontakte zu pflegen.«

»Weil Sie zuviel arbeiten, das sage ich doch. Was machen Sie denn heute noch?«

»Nichts Besonderes«, antwortete er nachdenklich. »Alles Mögliche erledigen, was liegengeblieben ist. Wäsche waschen, Hemden bügeln.«

»Und nachmittags gehen Sie mit Ihrer Schwester einen Kaffee trinken«, unterbrach sie ihn.

»Gute Idee«, sagte er. »Darauf bin ich gar nicht gekommen, aber das könnte ich machen. Also wirklich, Frau Senftleben, ich rufe sie gleich nach dem Frühstück an.«

Sie lächelte zufrieden in sich hinein. Manchmal brauchte er einen kleinen Anstoß, um auch mal wieder daran zu denken, daß das Leben noch mehr bereithielt als die Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik.

*

»Tina«, rief Anna Scherz aus, »was um alles in der Welt machst du denn? Wir hatten deine Tasche für Berlin doch schon fix und fertig gepackt.«

»Aber ich muß Murkel mitnehmen, und meinen Walkman, und meinen Gameboy und dann noch die Kassetten, Mami!« rief die achtjährige Christina, die die sorgfältig eingepackten Sachen achtlos auf ihr Bett geworfen hatte und sich nun ungeduldig bemühte, etwa die doppelte Menge in der Tasche unterzubringen. Den meisten Platz nahm dabei Murkel ein, ein Plüschbär von beachtlichen Ausmaßen, ohne den Christina noch keine Reise angetreten hatte. Murkel war schon im letzten Urlaub Gegenstand längerer Diskussionen gewesen.

»Murkel paßt nicht in die Tasche!« stellte ihre Mutter fest. »Laß mich das machen – man stopft das doch nicht alles wahllos durcheinander. Oder willst du in Berlin völlig verknautschte Sachen tragen?«

»Ach, die werden wieder glatt, wenn man sie anhat.«

Anna schüttelte den Kopf und machte sich erneut ans Einpacken. Außer dem Bären brachte sie tatsächlich alles unter, was Christina veranlaßte, strahlend: »Super, Mami!« auszurufen.

»Wenn dir jetzt noch etwas einfällt, das du mitnehmen willst, dann sag es mir bitte, bevor du wieder alles auseinandernimmst«, sagte Anna.

Ihre Stimme klang streng, aber sie hatte Mühe, sich ein Lächeln zu verkneifen. Christina war eine kleine Chaotin, ganz anders als ihre ältere Schwester Leonie, die ihr oft viel zu vernünftig vorkam für ihre zweiundzwanzig Jahre. Leonie wollte Ärztin werden und studierte seit dem Abitur mit großem Eifer in Berlin. Wenn sie so weitermachte, würde sie ihr Studium in Rekordzeit beenden. Anna und ihr Mann Rainer waren sehr stolz auf ihre Älteste.

»Wann komm Leo denn endlich?« Christina rannte bestimmt schon zum zehnten Mal, seit sie aus der Schule nach Hause gekommen war, zum Fenster. »Sie hat doch gesagt, sie kommt mittags.«

»Sie hat aber auch gesagt, daß sie noch zwei Vorlesungen hat und daß sie erst danach losfährt. Bestimmt ist sie bald da, nun hör auf zu zappeln, Tina. Dadurch ist Leo auch nicht schneller hier. Du kannst deine Tasche und Murkel schon mal nach unten bringen.«

Christina nickte und griff nach der Tasche. »Die ist echt total schwer, Mami!«

»Wenn du soviel mitnehmen mußt!« Anna versuchte nicht, ihrer Tochter zu helfen, sondern sah ruhig zu, wie Christina die Tasche und den Plüschbären zur Treppe und dann langsam, Stufe für Stufe, nach unten schleppte. Es würde der Kleinen guttun, mal zwei Tage in Berlin zu sein – raus aus der dörflichen Enge, ohne die beschützenden Eltern in der Nähe. Sie war bei Leonie gut aufgehoben, sonst wäre Anna nicht so ruhig gewesen. Immerhin war Christina nicht ganz gesund, obwohl es ihr jetzt seit über einem Jahr gutging – es hatte keine Probleme mehr mit den Nieren gegeben, zum Glück. Aber natürlich rechneten sie und ihr Mann ständig damit, daß es wieder Komplikationen gab. In Christinas ersten Lebensjahren hatte es wahrhaftig genug davon gegeben.