Küssen Frösche besser als Prinzen? - Maren C. Jones - E-Book

Küssen Frösche besser als Prinzen? E-Book

Maren C. Jones

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Beschreibung

Wenn der Traumprinz den Frosch mimt ... Emma arbeitet als Aushilfe in einer Samenbank. Als ihr äußerst attraktiver und millionenschwerer Jugendschwarm als Spender zur Tür hereingeschneit kommt, ist eine peinliche Situation vorprogrammiert. Während sie sich noch ganz genau an Phils Selbstverliebtheit erinnert, hat ihr Traumprinz von damals keine Ahnung, wer vor ihm steht. Emma, die seit der Schulzeit mindestens so viele Kilos wie Pickel verloren hat, versucht nun in Sherlock-Holmes-Manier mehr über Phil zu erfahren. Gemeinsam mit ihrem langjährigen Freund Levi stalkt sie ihre Jugendliebe. Bald schon steht Emma zwischen zwei Männern, die sich obendrein nicht leiden können. Welcher der beiden Frösche wird sich in ihren Prinzen verwandeln? Über die Autorin: Maren C. Jones schreibt moderne Lovestorys mit spannenden Charakteren - mal humorvoll, mal dramatisch, aber immer mit Herz!

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Maren C. Jones

Küssen Frösche besser als Prinzen?

Liebesroman

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

1

Emma trug den Becher mit Samenflüssigkeit vorsichtig ins Labor. Eigentlich war keine Vorsicht vonnöten, das Ding war gut verschlossen.

Ihre Freundin Isabell saß am Mikroskop.

»Hier, die Spende von …. 0587.« Jedermanns Sperma erhielt eine Nummer.

Mit Isabell hatte sich Emma während des Studiums ein Zimmer geteilt. Nur deswegen war sie hier als Aushilfe tätig. Sie wusste Bescheid über das Wachsen und Gedeihen von Pflanzen, von der Fortpflanzung des Homo Sapiens auf künstlichem Wege hatte sie hingegen kaum Ahnung.

»Willst du’s dir mal ansehen?«, fragte Isabell. Sie deutete auf das Mikroskop und die winzigen Spermatozoen, die sich auf dem Objektträger befanden.

Emma hob abwehrend die Hände. Sie war keine Ärztin, und doch arbeitete sie in einer Samenbank. Für zwei Wochen, heute war ihr vorletzter Tag. Normalerweise gestaltete sie Parkanlagen und fuhr mit ‘nem kleinen Bagger rum.

»Ich bin dir wirklich dankbar, dass du eingesprungen bist. Ich stehe in deiner Schuld«, jammerte ihre Freundin. Sie war die leitende Ärztin. Emmas Job war es, Spenderdaten aufzunehmen und Abläufe zu erklären. Das war leicht.

»Nein, ich danke dir.« Sie war vorher arbeitslos gewesen, also war ihr der Job sehr gelegen gekommen. Der Chef des Unternehmens, für welches sie gearbeitet hatte, war eines Tages vor die Belegschaft getreten und hatte verkündet: Jetzt war Schluss. Einfach so.

Sie verließ das Labor. Ein neuer Spender trat ein. Rasch huschte sie zur Glasscheibe.

»Ich habe einen Termin«, sagte er sachlich. Emma hatte nicht Zeit, sich den Neuankömmling richtig anzusehen. Mit nervösen Fingern suchte sie nach dem Formular, welches er ausfüllen sollte.

»Wir brauchen diese Informationen von Ihnen.« Sie schob das Blatt Papier über den Tisch. Derweil starrte sie auf seine Hand. Er trommelte mit dem Zeigefinger auf den Vordruck. Jetzt sah sie auf.

Vor ihr stand ein groß gewachsener Mann mit dunkelblondem, dichtem Haar, breiten Schultern und blauen Augen, in denen Emma in der Vergangenheit ständig versunken war - wenn sie es ausnahmsweise gewagt hatte, den Kopf zu heben und ihm ins Gesicht zu schauen.

Er trug einen schicken Anzug, navyblau. Die Uhr am Handgelenk sah teuer aus.

»Haben Sie einen Kugelschreiber?« Seine Stimme war wie warmer Regen. Sie streichelte Emmas Seele.

»Ähm, ja, natürlich.« Sie legte einen Stift auf das Papier und begann endlich zu erklären:

»Hier müssen Sie Ihre persönlichen Daten angeben, auch einige Charaktereigenschaften. Für Paare spielt nicht nur das Aussehen eine Rolle …«

»Okay …« Er erkannte sie nicht. Emmas Hände schwitzten. Normalerweise stellten Spender viele Fragen. Deswegen hatte sie schon vorgefertigte Antworten parat. Paaren gefiel es, wenn der Vater ambitioniert oder pflichtbewusst war. Schließlich wollten sie erfolgreiche Kinder.

»Da drüben können Sie sich hinsetzen.« Sie deutete auf ein winziges Tischchen und zwei gelbe Plastikstühle. Die Einrichtung war gemütlich. Hier sollte sich jeder wohlfühlen.

»Vielen Dank!« Er zwinkerte ihr zu. Flirtete er mit ihr? Verlegen strich sie sich eine Locke hinters Ohr. Er setzte sich hin und begann mit dem Ausfüllen. Das Ganze schien ihm gar nichts auszumachen, dabei hatte sie schon Spender erlebt, denen die Röte ins Gesicht gestiegen war. Aber Phil blieb selbst in einer derartigen Situation absolut cool. Nichts anderes war von ihm zu erwarten. Er war damals der tollste Junge der Schule gewesen: selbstbewusst, charmant, draufgängerisch und vielleicht sogar ein wenig gefährlich.

Sie hatten gemeinsam die Schulbank gedrückt: Emma, Phil und Levi. Wie lange war das nun her? Im Vergleich zu ihren Klassenkameraden hatte Emma sich äußerlich sehr verändert. In der Schule trug sie den Spitznamen Miss Piggy. Sie war recht füllig gewesen. Aber Phil, ihr Ritter in schimmernder Rüstung, hatte sie nie so genannt. Er hatte sich nie über andere lustig gemacht. Levi schon. Der lachte sich noch heute über den Spottnamen kaputt!

Mit ihrer Pilzkopf-Frisur hatte sie ausgesehen wie ein übergewichtiger Beatle. Kein Wunder, dass Phil sie nicht erkannte. Sie war heute nur mehr halb so breit, die haselnussbraunen Haare trug sie lang, fast bis zum Ellenbogen, und die Zahnspange war auch raus. Nicht zu vergessen die vielen Pickel, die ihr Gesicht verunstaltet hatten! Heute war keiner mehr zu sehen.

Ihr ehemaliger Schulkollege stand auf. Rasch holte sie einen Becher aus der Schublade. Der giftgrüne Deckel ließ sich aufdrehen. Er reichte ihr das ausgefüllte Formular. Sie trat zu ihm nach draußen und führte ihn in ein Zimmer mit Fernseher und einer Menge DVDs.

Jetzt wurde es wirklich peinlich.

»Lassen Sie sich Zeit«, sagte Emma. »Ein Samenerguss reicht.« Ihre Wangen glühten. Phil hingegen schaute gleichmütig auf ihre Lippen. Er saugte jedes ihrer Worte auf. »Wichtig ist noch, dass Sie in den letzten drei Tagen nicht ejakuliert haben.« Ihr Hals fühlte sich ganz kratzig an. Das wusste er vermutlich schon. Bei der Bewerbung als Spender wurde darauf hingewiesen.

»Ich habe mich zurückgehalten«, meinte er mit einem verschmitzten Lächeln. Dann ging er in den Raum und schloss die Tür. Emma stand wie belämmert da und rührte sich nicht vom Fleck. War das gerade eben wirklich passiert?

»Gibt’s ein Problem?«, fragte eine Mitarbeiterin. Sie trug ein hellblaues T-Shirt über dem weißen Pulli. Emma hatte auch so eins an. Das Namensschild prangte auf Brusthöhe. 

»Nein, kein Problem«, entgegnete sie und lächelte. Wie würde wohl Levi darauf reagieren, wenn sie ihm das erzählte?

Kopfschüttelnd setzte sie sich wieder an ihren Platz. Die Termine waren in einem großen Praxiskalender eingetragen. Phil Braun, stand da. Sie war die Namen nicht durchgegangen, warum auch? Dass jemand auf der Liste stand, den sie kannte, - damit hätte sie nie gerechnet!

Die Tür zu dem kleinen Raum öffnete sich und Phil kam mit dem Becher heraus. Emma war sich plötzlich sicher, dass dieser Tag einer der schrägsten war, die sie je erlebt hatte. Die Probe nahm sie mit hochrotem Kopf entgegen und brachte sie ins Labor. Sie hielt gerade Phils Sperma in der Hand, sie hielt Phils Sperma … Emma schluckte schwer.

Ihr Schulkollege, der heute noch viel besser aussah als damals, wartete derweil am Schalter. Als sie zurückkam, stellte sie ihm noch diverse Fragen. Es ging um eventuelle Erbkrankheiten und Ähnliches. Die Laboruntersuchung würde seine Aussagen später bestätigen, ihm musste noch Blut abgenommen werden. Sie zeigte ihm den Weg. Das Verfahren dauerte nur fünf Minuten.

»Wir melden uns in ein paar Tagen bei Ihnen«, erklärte sie ihm zum Schluss. Sie hatte es während dem Gespräch möglichst vermieden, ihm in die Augen zu sehen. Zum Abschied tat sie es dann doch.

Sie guckte hoch und erschrak. Phil musterte sie gespannt. Er hielt den Kopf schräg und runzelte die Stirn.

Nun war es so weit. Endlich erkannte er sie!

Mit klopfendem Herzen wartete Emma auf eine Reaktion von ihm.

»Gut«, sagte er schließlich. »Dann werden wir uns in Zukunft hoffentlich öfter sehen!« Er lächelte spitzbübisch, bevor er ging. Emma blickte ihm sprachlos hinterher, bevor sie mit den Unterlagen zurück zu ihrem Arbeitsplatz marschierte.

Sie war neugierig, also googelte sie Phils Namen. Warum war er hier? Lebte er nicht irgendwo in Amerika? Er war der CEO von Media Challenge International, verriet ihr eine schnelle Recherche. Emma hatte gewusst, dass seiner Familie ein riesiges Werbeunternehmen gehörte. Sofort holte sie ein Stück Papier hervor und notierte sich die Adresse einer nahe gelegenen Filiale.

Sie hatte eine Idee ...

Mit flinken Fingern ging sie ihrer Arbeit nach. Vorerst tippte sie Phils Daten in den Computer, eine Telefonnummer war auch dabei. Seine Schrift sah aus wie die eines zwölfjährigen Mädchens, mit großen, geschwungenen Buchstaben. Damit hatte er schon bei Schultests punkten können. Er schrieb immer vollständige Sätze, mit Punkt und Komma, in einer leicht leserlichen Schrift …

Emmas Gedanken drifteten ab. Es fühlte sich an, als würde sie in der Zeit zurückreisen – und doch war alles anders.

Damals hatte er noch keine Anzüge getragen. Sein Haar hatte er rebellisch nach oben gekämmt und nicht glatt auf die Seite. Alle Mädchen waren ihm verfallen. Natürlich auch Emma. Er war nämlich richtig, richtig cool gewesen. Er hatte sich nie um Regeln geschert und sich von niemandem etwas sagen lassen. Emma hatte das imponiert, da sie selbst doch immer versuchte, es anderen recht zu machen.

Die Daten trug sie lückenlos ein. Unter Eigenschaften stand zielstrebig, geduldig und besonnen. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Phil war draufgängerisch gewesen, die Schule hatte er häufig geschwänzt, wenn er auch meist bei Prüfungen erschienen war. Weil er im Klassenzimmer geraucht hatte, bekam er eine Verwarnung. Weil er Alkohol mit in die Schule genommen hatte, auch.

Sie wollte mehr über Phil herausfinden. Über den Phil, den sie nicht kannte.

Eine Samenspende machte nicht reich. Mehr als eine Aufwandsentschädigung war nicht drin. Die meisten Spender waren mittleren Alters. Isabell hatte ihr das erzählt. Viele wollten einfach nur etwas Gutes tun, aber bei Weitem nicht alle Spender waren auch geeignet. Nur jeder achte oder neunte erfüllte die Anforderungen.

Emma war mit ihrer Arbeit fertig. Sie blickte auf die Uhr. Ein Spender noch, dann war Feierabend.

Sie musste Levi nachher einen Besuch abstatten, unbedingt. Er arbeitete oft bis spät in den Abend.

Seit er ein eigenes Tattoostudio hatte, war er viel beschäftigt.

Der letzte Spender trat ein. Emma leierte die Erklärungen runter. Sie konnte gut mit Menschen. Weit lieber beschäftigte sie sich aber mit Pflanzen. Mit denen unterhielt sie sich sogar. Was Levi natürlich total bekloppt fand.

Sie führte den jungen Mann in den Raum, damit er dort ungestört masturbieren konnte. Phil war übrigens in Lichtgeschwindigkeit fertig gewesen. War das nun gut oder schlecht?

Energisch schüttelte sie den Kopf, in der Hoffnung, ihre schmutzigen Gedanken zu verscheuchen.

Den Becher mit Samenflüssigkeit, auf den sie eine halbe Stunde warten musste, trug sie wieder zu Isabell ins Labor.

»Das letzte Sperma«, verkündete sie fröhlich.

»Danke dir!« Ihre Freundin kritzelte etwas auf ein Formular. Auf sah sie nicht. Isabell, deren dicke Brille ihr halbes Gesicht verdeckte, gab sich immer wortkarg. Eigentlich hatten sie sich nie viel miteinander unterhalten.

Emma hatte nur einen einzigen echten Freund. Und das war Levi. Sie klebten ständig aneinander. Es war fast wie ein Naturgesetz, als müssten sie andauernd zusammen sein.

»Ich geh dann mal«, sagte Emma. Isabell winkte ihr kurz zu, dann notierte sie sich wieder etwas. Sie nahm ihre Arbeit äußerst ernst. Und das war gut so. Emma nahm ihre Arbeit ja nie besonders ernst, sie hatte den Kopf ständig in den Wolken. Das sagte jedenfalls Levi.

Rasch warf sie sich die modische Jeansjacke über – auf den Ärmeln prangte ein Blumenmuster -, dann griff sie nach der Handtasche. Wenn sie Levi noch erwischen wollte, musste sie jetzt los.

Draußen war es kühl, dabei war Hochsommer. Es hatte viel geregnet in den letzten Tagen. Die Straßen waren nass. Emma klackte mit ihren Pumps über die Pflastersteine. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie den Regenschirm in der Samenbank vergessen hatte!

Bis zu Levi war es nicht mehr weit. Die Handtasche rutschte ihr ständig von der Schulter. Die engen Jeans saßen aber perfekt und ihr Po sah großartig darin aus. Sie wollte zumindest angezogen gut aussehen. Ihre Oberschenkel hatten nämlich Ähnlichkeit mit Rosinen. Abnehmen hinterließ Spuren. Immer wenn ihr jemand das Herz brach, verlor sie mindestens fünf Kilo. Viermal hatte sie schon argen Liebeskummer gehabt.

Endlich war sie bei Levis Tattoostudio angekommen. Sie schlich eine enge Gasse entlang. Da lag ein Fenster, ganz versteckt. Von hier aus konnte sie ihm bei der Arbeit zusehen. Ein gut gebauter Kerl lag auf dem Bauch, die Hosen bis zu den Knien runtergezogen. Levi verewigte seine Kunst im nackten Hintern, der übrigens zum Anbeißen war. Wenn sie da an den Allerwertesten ihres besten Freundes dachte!

Levi war hager wie ein Spargel. Selbst enge Hosen sahen an ihm noch zu groß aus.

Sie grinste breit. Es wurde ihr erst bewusst, als sie im Fenster ihr Spiegelbild wahrnahm.

Genug gespannt!

Mit erhobenem Kopf schritt sie zur Eingangstür.

Sie konnte es kaum erwarten, ihm von Phil zu erzählen.

 

2

Ein leises Surren erfüllte den Raum. Levi liebte dieses Geräusch.

Er wischte die Farbe von der tätowierten Haut und tauchte die Nadel in eine orange Farbkappe. Der Kunde wollte das Bild eines Tigers mit weit aufgerissenem Maul auf seiner Arschbacke haben. Levi war der richtige Mann dafür. Realistische Tattoos waren sein Ding. Da machte ihm keiner so schnell was vor.

Die Tür zu seinem Studio öffnete sich. Die Räumlichkeiten hatte er nur gemietet. Seit drei Monaten war er sein eigener Boss. Für mehr als zwei Mitarbeiter hatte das Geld nicht gereicht.

Sylvie stand im Empfangsbereich hinter dem Rezeptionstisch. Sie legte Termine fest und beriet Kunden. Nicht jeder kam mit einer fertigen Idee hierher.

Er hörte Emmas Stimme, während er die Zähne des Tigers perfektionierte. Tief holte er Luft, jetzt musste er sich auf etwas gefasst machen. In den zwei Wochen, als sie arbeitslos gewesen war, hatte sie ständig hier rumgehangen und ihm beinahe die Kunden vergrault.

Wie erwartet stürmte sie sofort auf ihn zu. Dass er gerade einen nackten Männerarsch bearbeitete, machte ihr natürlich gar nichts aus. Der Junge, in dessen Hintern er seine Tinte stach, war nicht zum ersten Mal hier. Timo hatte in seinen knapp zwanzig Jahren fleißig daran gearbeitet, seinen gesamten Körper mit Tattoos zu verschönern. Nur noch am Hintern und im Gesicht war Platz für neue Kunstwerke.

Ohne zu fragen, nahm Emma einen Stuhl und setzte sich neben ihn.

»Oh, sieht gut aus«, sagte sie begeistert und deutete auf den nackten Männerpo. Timo hatte Kopfhörer auf und war eingedöst. An dem Tattoo bastelte Levi schon seit Stunden. Er war mit seiner Arbeit sehr zufrieden, so wie immer. Es ging ihm leicht von der Hand.

»Meinst du mein Kunstwerk oder seinen Arsch?«, fragte er keck.

»Beides.« Emma grinste von einem Ohr zum anderen. »Ist ein hübscher Hintern, findest du nicht?« Es war klar, welche Antwort sie von ihm erwartete. Auf der langen Liste seiner Verflossenen waren auch Männer zu finden. Deswegen war Emma überzeugt, er wäre stockschwul und hätte das große Coming out noch vor sich. Mann oder Frau, das kümmerte ihn wenig. Aber so etwas begriff Emma nicht, sie bekam nur weiche Knie, wenn ein echter Kerl vor ihr stand. Ihr gefiel die Vorstellung, dass ihr langjähriger Freund ausschließlich am anderen Ufer fischte. So kam er als potenzieller Partner gar nicht erst infrage. Eigentlich war es ihm völlig egal, welche Sexualität sie ihm andichtete.

Seine Freundin stemmte die Hände auf die zusammengepressten Knie.

»Du errätst nie, wen ich getroffen habe ...« Sie flüsterte.

Levi wollte keinesfalls, dass Timo aufwachte. Er hatte schon oft genug erklären müssen, warum Emma durch das Studio schwirrte und ihn ständig von der Arbeit ablenkte. Er war ein absoluter Profi, noch nie hatte er eine schiefe Linie tätowiert. Und daran sollte sich auch in Zukunft nichts ändern.

»Wen hast du getroffen?«, fragte er vorsichtshalber. Wenn sie mal anfing zu erzählen, war sie dermaßen in ihre Geschichte vertieft, dass sie nichts mehr um sich herum wahrnahm. Er nickte dann in regelmäßigen Abständen, sagte »ja« und »ach so«.

»Ich habe Phil getroffen«, verkündete sie stolz. Gespannt wartete sie auf seine Reaktion.

»Schön. Ein alter Freund?« Er kannte keinen Phil. War es ein Ex?

Erneut wischte er die Tinte von der Haut. Der Tiger sah gefährlich aus.

»Du erinnerst dich an Phil nicht mehr?«, flüsterte sie panisch. Er dachte angestrengt nach. Gesichter konnte er sich nur schwer merken, aber einen Namen vergaß er nie.

»Phil Braun?«, fragte er. Erstmals unterbrach er seine Arbeit. Emma nickte aufgeregt.

»Er war in der Samenbank. Er hat Sperma gespendet!« Sie verhaspelte sich beim Sprechen, so schnell wollte sie ihm von den Neuigkeiten erzählen.

»Veralberst du mich? Sperma gespendet?«

»Du weißt doch, dass ich für zwei Wochen in einer Samenbank arbeite!«, rief sie laut. Timo bewegte sich. War er aufgewacht? Nur die Hartgesottenen schliefen während dem Tätowieren ein.

»Hast du mir das erzählt?«, fragte Levi perplex. Wenn er sich auf das leise Surren der Nadel konzentrierte, dann gelang es ihm hervorragend alle anderen Geräusche auszublenden. Natürlich auch Emmas Stimme. Ganz besonders Emmas Stimme.

»Du bist doch Gärtnerin! Wie kommst du in eine Samenbank?« Plötzlich hatte er das Gefühl, so einiges verpasst zu haben.

»Ich gestalte Parkanlagen!«, klärte sie ihn auf. Sie hatte die Ausbildung zum Landschaftsarchitekten abgebrochen. Anstatt in einem Büro zu hocken, schleppte sie lieber Steine und buddelte Löcher. Gartenbau war ihr Spezialgebiet.

»Hörst du mir nie zu?«, fragte sie vorwurfsvoll.

»Doch, doch, natürlich. Aber ich muss hier arbeiten, schon vergessen? Was ist jetzt mit Phil?« Wenn er sie reden ließ, hob sich ihre Laune sicher.

»Weißt du noch, ich war damals doch so verknallt in ihn …« Es war, als hätten ihre Wangen Feuer gefangen. Sie glühten regelrecht.

Levi konnte sich noch gut erinnern, wie Emma immer ins Schwärmen geraten war, wenn es um Phil ging. Er hingegen hatte kaum Notiz von ihr genommen.

»Und? Hast du dich wieder verliebt?« Emma verliebte sich immer schnell und viel zu sehr. Wenn eine Beziehung in die Brüche ging, war sie dann am Boden zerstört.

»Natürlich nicht, wir haben kaum miteinander gesprochen«, nuschelte sie verlegen.

Levi warf einen Blick auf die Zeichnung, die er vorher angefertigt hatte. Er war bekannt dafür, dass er alles auf Papier bannen und dann in die Haut stechen konnte. Manche Kunden hatten völlig diffuse Vorstellungen von ihrem Tattoo. Ein Herz sollte vorkommen, eine Meerjungfrau, vielleicht noch ein Totenkopf – aber wenn er die Nadel beiseitelegte und die Arbeit beendete, war noch jeder zufrieden gewesen.

»Du machst das echt toll …«, schwärmte Emma. Das sagte sie jedes Mal. Sie lobte ihn immerzu. Es war fast so, als könnte sie von seiner Kunst nicht genug kriegen.

Der Plastikstuhl, auf dem sie hockte, war recht groß. Ihr Hintern hätte zweimal darauf Platz gehabt, dabei war es noch gar nicht so lange her, da drohte er unter ihrem Gewicht zu zerbrechen. An ihr schmales Antlitz hatte er sich noch immer nicht gewöhnt. Ihre Augen wirkten nun viel größer.

»Was ist?«, fragte sie. Er mochte ihre Stupsnase. Starrte er zu lange? Als sie noch kugelrund gewesen war, hatte er nie gestarrt. In ihrem dicken Gesicht waren die Augen untergetaucht wie die Kirschen, die seine Mutter immer in den Kuchen drückte.

»Nichts ist. Weswegen bist du noch mal hier? Nur um mir von Phil zu erzählen?« Levi war mit seiner Arbeit fertig.

»Ähm, ich wollte dich um was bitten!«, rief sie. Timo wachte auf und setzte die Kopfhörer ab. Sofort holte Levi einen großen Handspiegel, sodass der Kunde das fertige Tattoo bewundern konnte. Der Junge verrenkte sich umständlich.

»Gefällt mir!«, sagte er mit kratziger Stimme. Dann reichte er Levi seine große Pratze und sagte:

»Danke, Mann!«

Emma hatte sich aus dem Staub gemacht und das war gut so. Als er letztens den Penis eines heterosexuellen Mannes tätowiert hatte – und das kam nun wirklich nicht alle Tage vor! -, war ihr rein zufällig rausgerutscht, dass er schwul war.

Er sah sich seufzend um. Sie unterhielt sich mit Sylvie.

Eine Tätowierung war eine oberflächliche Hautwunde, die verbunden werden musste. Timo hielt kurz still, während Levi die Fettgazen aus einer Schublade kramte. Der Hintern war versorgt und der Junge zog die Hose wieder hoch. Levi erhaschte einen Blick auf seinen linken Hoden. Wie gut, dass Emma nicht neben ihm stand! Solche Dinge entgingen ihr in der Regel nicht. Dann weiteten sich ihre Augen vor Schreck und am Ende war jeder der Anwesenden – er eingeschlossen – peinlich berührt.

Timo klopfte ihm mit einem zufriedenen Lächeln auf den Rücken. Beinahe wäre Levi einen Schritt nach vorne gestolpert, weil der Schlag so heftig gewesen war. Er war nicht gut in solchen Männerdingen.

Um den Rest kümmerte sich Sylvie. Er schloss die Farbkappen und säuberte die Instrumente. Der Ultraschallreiniger war eine teure Investition gewesen.

Seine Freundin stand plötzlich wieder hinter ihm.

»Du wolltest mich um was bitten?«, begann Levi das Gespräch. Da sie nicht antwortete, drehte er sich nach ihr um. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Im unerwarteten Verschwinden und Auftauchen war sie gut. Früher war ihm das nie aufgefallen. Durch ihre massige Körperfülle war Davonschleichen unmöglich gewesen!

Er trat seufzend in den Empfangsbereich. An jedem Zentimeter Wand prangte ein eingerahmtes Stück Kunst. Es waren Werke von ihm und seiner Kollegin Sascha. Sie hatte das Studio schon vor einer Weile verlassen. Levi schob Überstunden.

Emma schaute ergriffen zu der Bilderwand, ein Foto schien sie besonders zu fesseln. Es war ein Tattoo von einem Drachen, der sich um einen Dolch wand. Nicht sein originellstes Motiv, aber er hatte was Großartiges daraus machen können.

»Ist das neu?«, fragte sie und deutete mit ihrem schmalen Zeigefinger darauf. Hier hingen an die hundert Bilder, doch sie fand immer das eine, das er ausgetauscht hatte.

»Was ist nun mit Phil?«

Freudig zog sie ein Blatt Papier aus ihrer Handtasche und wedelte damit in der Luft herum. In ihrem Gesicht klebte ein Grinsen, das nichts Gutes verhieß.

»Ich will wissen, was er so macht. Ich hab ihn gegoogelt.«

»Du hast ihn gegoogelt …«

»Es ist Geschäftsführer von Media Challenge International!«

»Von was?«, fragte Levi desinteressiert.

»Seiner Familie gehört doch dieses riesige Werbeunternehmen! Du brauchst eine Homepage für dein Studio, nicht wahr?« Ihre kindlichen Augen leuchteten. Nach all den Jahren gab es immer noch Momente, in denen er sich über sie wunderte. Und dieser hier war ein solcher.

»Du willst, dass ich mich mit Phil treffe?«

»Wir treffen uns mit ihm!« Wenn sie einen Plan gefasst hatte, war sie schwer davon abzubringen.

»Er wird sich kaum um eine unbedeutende Homepage für ein klitzekleines Tattoostudio kümmern ... Der hat doch ganz andere Kunden …« Banken, internationale Unternehmen, so was.

»Ich weiß, ich weiß … Aber vielleicht begegnen wir ihm zufällig, wenn wir mal dort vorbeischauen.« Sie würde ein Nein nicht zulassen, also gab er lieber gleich auf.

»Von mir aus.« Levi gähnte, der Tag war lang gewesen. »Ich fahr dich nach Hause«, sagte er müde.

»Das ist lieb von dir.« Wie sie ihn anstrahlte!

Emma lief immer zu Fuß. Seit sie so dünn war, machte er sich Sorgen. Sie wirkte so zerbrechlich. Früher hatte sie mit ihrem massigen Körper problemlos jeden Angreifer in die Flucht schlagen können.

Draußen wurde es langsam dunkel.

»Dann komm endlich!« Er zog den Reißverschluss seines Parkas zu. Sylvie, die schon längst Feierabend hatte, verabschiedete sich von ihnen und verließ das Studio. Levi machte das Licht aus und schloss ab.

Einen eigenen Arbeitsplatz zu haben und sein eigener Boss zu sein, das war cool.

Sofort hakte sich Emma bei ihm ein. Gemeinsam schlenderten sie zu seinem Wagen. Es war ein alter Fiat, sein allererstes Auto. Das Ding fuhr immer noch, auch wenn der Motor röchelte wie ein in die Jahre gekommener Kettenraucher.

Er startete den Wagen und Emma erzählte von ihrem Treffen mit Phil. Wieder hatte er ihr nicht zugehört! Mit viel Mühe versuchte er, seine Aufmerksamkeit auf ihre Worte zu lenken.

»Warum macht er das nur? Es muss doch einen Grund geben!« Sie warf die Hände theatralisch in die Luft.

»Einen Grund wofür?« Jetzt funkelte sie ihn böse an.

»Hörst du mir wieder nicht zu?«, murrte sie verärgert.

»Schuldig im Sinne der Anklage.« Levi wusste, sie war nie lange sauer.

»Einen Grund für die Spende! Würdest du wollen, dass irgendwo Kinder von dir rumlaufen, von denen du nichts weißt? Hast du Starbuck gesehen?

»Den Kaffee?«

»Nein, den Film!« Emma schüttelte energisch den Kopf, als würde sie glauben, Levi lebe hinterm Mond. »Da findet ein Samenspender heraus, dass er 533 Kinder hat. Fünfhundertdreiunddreißig!«

»Spannend«, kommentierte er gelangweilt. »Und?«

»Bist du gar nicht neugierig, warum Phil Sperma spendet?« Er schüttelte den Kopf. Was andere Männer mit ihrem Sperma so anstellten, war ihm in der Regel egal.

Er parkte neben der Wohnanlage. Sie hüpfte aus dem Wagen. Bevor sie die Tür zuknallte, steckte sie ihren Kopf noch mal ins Auto.

»Willst du nicht bei mir schlafen? Es ist schon spät … Ich mache Pizza!« Bis zu seiner Wohnung musste er noch eine Stunde fahren. Zu Hause wartete nur ein leerer Kühlschrank auf ihn.

»Gute Idee.« Bei Emma hatte er schon lang nicht mehr übernachtet. Seit er sein eigenes Studio hatte, war er zu beschäftigt gewesen, um sich mit ihr und einer Tüte Popcorn vor den Fernseher zu setzen. »Ich schulde dir was …«

»Ich komme darauf zurück.« Sie lächelte diebisch, dann hopste sie davon. An Energie fehlte es ihr wahrlich nicht! Früher war sie mit ihren dicken Beinen träge über den Boden geschlurft, heute hatte er Mühe, sie einzuholen.

Bei der Eingangstür wartete sie auf ihn. Ihre braunen Stiefel reichten bis zu den Knien. Der weiße Pulli war tief ausgeschnitten. Schick sah sie aus! Zu Schulzeiten trug sie hochgeschlossene Hemden. Ihre gewaltigen Brüste hatte sie unter noch gewaltigeren Kleidern versteckt.

Emma putzte sich gerne heraus. Seit sie abgenommen hatte, konnte sie alles tragen. Selbst in ihrer Arbeitskleidung sah sie gut aus. Beim Gartenbau waren enge Jeans und sexy Shirts fehl am Platz.

Seine Freundin rannte die Treppen hoch. Sie wühlte in ihrer Handtasche. Levi nahm zwei Stufen auf einmal. Als sie die Tür öffnete, strömte ihm ein feuchtwarmer Geruch entgegen. Gleich am Eingang stand eine Unmenge von Pflanzen.

»Stolper nicht über meine Musa velutina!« Er sah sich um.

»Deine was?«

»Die Rosa Zwergbanane!« Levi entdeckte eine hohe Topfpflanze. Die Blütenblätter waren pink und hatten die Form von winzigen Bananen.

Er zog die Schuhe aus, hängte den Parka an einen Haken in der Garderobe und machte es sich auf der Couch gemütlich.

»Wie willst du deine Pizza?«, rief Emma ihm aus der Küche zu. Sie kochte gerne für andere.

»Ist egal …«, rief er zurück. Er mochte alles, was sie für ihn zubereitete.

Gelangweilt schaltete er den Fernseher an. Er schaute Nachrichten. Bald schon dröhnte laute Musik an sein Ohr, untermalt von einer kreischenden Stimme, die keinen Ton traf. Im Radio spielten sie einen von Emmas Lieblingssongs. Sie hatte den Text auswendig gelernt und sang nun lautstark mit.

Er hielt sich die Ohren zu und schloss die Augen. Während er wartete, bis das Lied zu Ende war, flog seidenweiche Wäsche in sein Gesicht. Seine Freundin hatte ihm einen Schlafanzug an den Kopf geschmissen.

»Ist frisch gewaschen«, sagte sie.

»Bist du meine Frau?«, meinte er grinsend. Die nachtblaue Satinhose reichte ihm im besten Fall bis übers Knie. Emma war einen Kopf kleiner als er. »Das soll ich anziehen?« Sie machte sich über ihn lustig, ganz bestimmt.

»Du kannst auch nackt schlafen, wenn dir das lieber ist!« Ihr kindliches Lachen hallte durchs Wohnzimmer. Sie teilten sich immer das Bett. Der schwule Freund stellte schließlich keinerlei Gefahr dar.

Schwungvoll setzte sie sich neben ihn und griff nach seinem Arm, den sie sich selbst über die Schulter legte. Wie eine Katze kuschelte sie sich an ihn. Ihr Körper war warm … Sie war so winzig.

»Was guckst du dir an?«, fragte sie. Jetzt lief der Wetterbericht.

»Nichts …« Er schmatzte ihr einen liebevollen Kuss auf die Schläfe. »Ich fürchte, Phil wird sich nicht besonders freuen, wenn wir ihm einen Besuch abstatten …«

»Warum?« Mit ihren runden, unschuldigen Augen sah sie ihn an.

Warum?

Weil Phil nichts für Emma und ihn übrig hatte. Sie waren damals typische Loser gewesen: Miss Piggy und Mister Langweilig. Phil hingegen war Mister Großartig gewesen, den alle toll fanden und um den sich alle scharten.

»Oh, die Pizzen sind fertig!« Emma löste sich blitzschnell aus seiner Umarmung und sprang auf. Sie raste in die Küche. Seit sie nicht mehr hundert Kilo mit sich herumtrug, war sie wirklich flink.

Im Schneidersitz hockend ließen sie es sich schmecken. Die Pizzen hatte Emma mit Thunfisch und Zwiebeln belegt. Er schielte zu ihr rüber. Das Essen verschwand in ihrem klitzekleinen Mund. War selbst dieser geschrumpft? Der letzte Liebeskummer hatte ihr wirklich zugesetzt. Er machte sich Sorgen. Alles an ihr erschien ihm so viel kleiner als früher …

Er lehnte sich satt nach hinten, die Augen fielen ihm zu. Sekunden später rüttelte Emma an seinem Arm.

»Aufstehen! Ich bring dich ins Bett …« Er nahm nur am Rande wahr, wie sie ihn hochzuziehen versuchte. Plötzlich war sein Arm wieder auf ihrer Schulter. Sie führte ihn ins Schlafzimmer wie einen Schwerkranken.

»Lass das … Ich kann alleine laufen«, sagte er. Gleich darauf fiel er in die weichen Kissen. Er war schrecklich müde. Wenn er bei Emma übernachtete, fiel ihm das Einschlafen immer leicht, wo er doch sonst oft bis spät in die Nacht grübelte. Berufliche Selbstständigkeit war kein Zuckerschlecken.

»Willst du in deinen Jeans schlafen?«, meinte sie vorwurfsvoll. Ihre Finger machten sich an seinem Hosenbund zu schaffen. Träumte er? Das war nämlich die einzige Erklärung, warum Emma gerade dabei war, ihn auszuziehen.

»Du gehst ja ran«, murmelte er müde. Dann umfasste er entschieden ihre Handgelenke. Plötzlich war er hellwach. Sie trug ihren rosaroten Snoopy-Pyjama. Wann hatte sie sich umgezogen? Wie‘s aussah war er kurz eingenickt ...

Er ließ sie los. Sie grinste breit und legte sich schnurstracks zu ihm ins Bett. Derweil zog er sich seufzend die Hose von den Hüften. Die weiten Boxershorts ließ er natürlich an.

Sie schliefen nebeneinander ein. Er rutschte dicht an den Bettrand, damit Emma ihn nicht tottreten konnte. Sie war eine sehr unruhige Schläferin. Ihre kräftigen Beine waren gefährlich!

Bevor er seine Augen schloss, dachte er an Phil.

Ob sie den viel beschäftigten CEO einer internationalen Firma wirklich zu Gesicht bekamen?

Er spürte einen dumpfen Schmerz an seinem Unterschenkel. Emma hatte nach ihm getreten. Genervt zerrte er an dem Laken und wickelte seine Freundin wie eine Mumie damit ein. Nun lag sie bewegungslos da, unfähig, sich zu rühren. Ihr lautes Schnarchen erfüllte das Schlafzimmer.

Er grinste siegessicher.

Emma merkte nichts von all dem. Sie schlief bereits tief und fest und träumte vermutlich von ihrem Prinzen.

 

 

3

Phil fuhr mit seiner Hand über die leere Bettseite. Rita war nicht da. Natürlich war sie nicht da. Er wohnte seit drei Tagen im Hotel.

Alleine aufzuwachen – daran musste er sich erst gewöhnen. Er schaute auf sein Smartphone. Es war schon spät. In einer Stunde sollte er in der Agentur sein.

Das Handy schaltete er aus, bevor er sich müde vom Kingsize-Bett rollte. So ein Ding war riesig, wenn man einsam darin schlief.

Die Minibar hatte er gestern geplündert. Sein Kopf schmerzte höllisch und er hatte kaum geschlafen. So verkatert in einer Filiale zu erscheinen, würde seinem Vater sicher nicht gefallen, sollte er je davon erfahren!

Eine warme Dusche konnte zum Glück Wunder wirken. Phil fuhr sich durchs strubbelige Haar, das in alle Richtungen abstand. Kritisch sah er an sich herunter. Seinem Waschbrettbauch würden ein paar Trainingsstunden guttun. Er war schon lange nicht mehr im Fitnessstudio gewesen. Trotzdem sah er immer noch besser aus als die meisten Männer.

Das Wasser wärmte seinen müden Körper. Dass er eine gewisse Wirkung auf das weibliche Geschlecht hatte, wusste er nur zu genau.

Plötzlich fiel ihm die Frau ein, der er gestern sein Sperma überreicht hatte. Sie war hübsch gewesen. Er hatte einen kurzen Moment lang das Gefühl gehabt, sie zu kennen. Aber selbst jetzt, wenn er versuchte, sich ihr Antlitz ins Gedächtnis zu rufen, gelang es ihm nicht. Er konnte sich nur schwer Gesichter merken.

Da hatten er und Levi was gemeinsam gehabt.

Levi …

Warum dachte er an seinen alten Schulfreund? Wie lange war es jetzt her, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten? Zehn Jahre? Die Zeit verging wie im Flug …

Phil hatte fertig geduscht. Nun betrachtete er sich im Spiegel. Leider sah er schlimmer aus als vermutet. Dunkle Ringe umrahmten seine Augen. Die Pupillen waren glasig.

Wenn er schon an Levi dachte, da musste er natürlich auch an Emma…

Erschrocken hielt er die Luft an.

Emma …

Die Frau in der Samenbank hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihr gehabt! Aber sie war viel dünner gewesen … Miss Piggy hatte doch nicht abgespeckt?

Energisch platschte er sich kaltes Wasser ins Gesicht. Was hatte sie in einer Samenbank zu suchen? Er musste sich irren … Gärtnerin hatte sie werden wollen, oder irgend so was. Ihre Mutter hatte darauf bestanden, dass sie die Matura machte. Eigentlich war sie eine recht gute Schülerin gewesen. Levi hingegen war beinahe durchgefallen. An Intelligenz hatte es ihm nicht gefehlt, an Motivation schon.

An Levi und Emma hatte er die letzten Jahre kaum einen Gedanken verschwendet. Das Leben ging weiter, neue Freunde wurden zu alten. Waren sie überhaupt Freunde gewesen? Sie hatten nur in der Schule miteinander rumgehangen. Mit Levi hatte er immer in der Pause geraucht. Und Emma war ständig dabei gewesen, weil sie und Levi nur im Doppelpack auftraten. Sie hatte an ihm geklebt wie Kaugummi an der Schuhsohle.

Sein Kinn war stoppelig. Sorgfältig trug er den Rasierschaum auf. Im Moment gab es wichtigere Dinge, über die er nachdenken musste. Sein Vater hatte ihn hierhergeschickt. Er sollte eine kleine Filiale auf Vordermann bringen, aber das war nur ein Vorwand.

Die Haut war glattrasiert, er tastete sein Kinn ab.

Frauen mochten keine Bärte. Rita jedenfalls nicht. Sonst sähe er schon längst aus wie der Weihnachtsmann. Zum Rasieren war er in der Regel viel zu faul. Er tat es aber nicht nur ihretwegen. Auf die bewundernden Blicke wollte er nicht verzichten. Es gefiel ihm, im Mittelpunkt zu stehen. Weihnachtsmänner legten nicht reihenweise Frauen flach.

Er vernahm ein Klopfen. Wahrscheinlich war es der Zimmerservice. Phil warf sich rasch einen Bademantel über. Er hatte ein Kaiserfrühstück aufs Zimmer bestellt. Der Name passte! Ein Page in schicker Uniform holperte mit einem Wägelchen über die Schwelle. Eine kleine Flasche Sekt war auch dabei. Phil gab nie Trinkgeld, niemandem. Er fasste Geld nicht an, das übernahm sein Assistent Curtis, der dem Hotelpersonal sicher schon etwas zugesteckt hatte.

Den Alkohol würde er auf später verschieben müssen. Er schlang die Croissants hinunter, die Brötchen bestrich er fahrig mit Butter. Beim Essen ließ er sich nie Zeit, Rita machte ihm deswegen ständig die Hölle heiß.

Der Anzug steckte noch im Kleidersack. Wenn er nicht zu spät kommen wollte, musste er sich jetzt beeilen. Er kramte frische Unterwäsche aus seinem Koffer. Sekunden später stand er vor dem Ganzkörperspiegel und schloss sein weißes Hemd. Die Manschettenknöpfe vergaß er natürlich nicht. Es waren drei ineinandergeschlungene Buchstaben aus Weißgold: MCI, Media Challenge International. Den Anzug hatte er in Italien anfertigen lassen. Die gestreifte Krawatte passte perfekt dazu. Kein Wunder, Rita hatte sie ihm ausgesucht.

Endlich schaltete er das Handy wieder ein. Curtis hatte ihn fünfmal angerufen.

Phil fuhr mit dem Aufzug in die Hotellobby, das Telefon am Ohr.

»I’m up. Is the car ready?«

»Of course.«

Er rannte nach draußen, ein Auto wartete auf ihn. Reich machte bequem. Er war unfähig, sich in einer Großstadt zurechtzufinden. Dafür hatte er Curtis, der ihn überall hinfuhr und die Flüge buchte.

Phils Assistent umkreiste den Wagen und hielt ihm die Tür auf. Curtis war einer, der nie zu viele Schritte machte – und auch nicht zu wenige. Es war fast so, als hätte er ein Metronom verschluckt, das ihm den Takt vorgab.

»I hope you had a good night's sleep, sir!«, sagte er höflich. Mit seiner Größe und seinem kräftigen Körperbau sah er aus wie ein Türsteher. Mit dem Bürstenhaarschnitt hätte er auch gut in die Army gepasst.

»I didn’t get much sleep.« Curtis‘ Mundwinkel wanderten kaum merklich nach oben. Vermutlich glaubte er, Phil hätte eine heiße Nacht hinter sich. Sein letzter One-Night-Stand war aber schon eine Weile her. Er spielte gerne den Frauenaufreißer und liebte es, aufregende Geschichten zu erfinden.

»How is my schedule for today?« Sie fuhren endlich los. Curtis war nicht nur sein Chauffeur, er war auch sein Datenspeicher. Er wusste all das, was Phil nicht wusste. Und eigentlich war das verdammt viel.

Er erinnerte ihn ständig an seine Termine. Phil schaute aus dem Fenster und betrachtete sich die engen Straßen und die niedrigen Häuser, während Curtis ihm seinen Tagesablauf erklärte. New York war die Stadt, die nie schlief. Wien schien die Stadt zu sein, die nie aufwachte. Alles ging hier viel langsamer voran. Die Menschen saßen in gemütlichen Kaffeehäusern und rannten nicht an dem mit Werbetafeln zugekleisterten Time Square entlang.

Curtis hielt ihm wieder die Tür auf, als sie die kleine Agentur erreichten. Mit dem Aufzug fuhr er hoch in den dritten Stock. Als er eintrat, hechtete die Sekretärin auf ihn zu, begrüßte ihn übertrieben förmlich und bot ihm einen Kaffee an. Der Geschäftsführer trat aus seinem Büro und schüttelte ihm sofort die Hand. Kleine Schweißperlen glitzerten auf der hohen Stirn.