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Fesselnde Landser-Geschichten in Romanheft-Länge
Der vorliegende Band „Wacht am Rhein” lässt Sie in die letzte deutsche Großoffensive gegen die Westalliierten eintauchen.
Deutsche Soldaten rund um den SS-Standartenführer Egon Tassler geraten im Verlauf der Schlacht von einer gefährlichen Situation in die nächste.
Wird es ihm dennoch gelingen, seinen kriegswichtigen Auftrag zu erfüllen?
Über die Reihe „Landser im Weltkrieg“
„Landser im Weltkrieg“ erzählt fiktionale Geschichten vor historischem Hintergrund realer Schlachten und Ereignisse im Zweiten Weltkrieg. Im Zentrum stehen die Erlebnisse deutscher Landser fernab der großen Strategien am grünen Tisch.Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2024
Jork Steffen Negelen
Landser im Weltkrieg
Wacht am Rhein – Deutsche Kampfgruppen in der letzten deutschen Großoffensive im Westen
EK-2 Militär
Jeder Band dieser Romanreihe erzählt eine fiktionale Geschichte, die vor dem Hintergrund realer Ereignisse und Schlachten im Zweiten Weltkrieg spielt. Im Zentrum der Geschichte steht das Schicksal deutscher Soldaten.
Wir lehnen Krieg und Gewalt ab. Kriege im Allgemeinen und der Zweite Weltkrieg im Besonderen haben unsägliches Leid über Millionen von Menschen gebracht.
Deutsche Soldaten beteiligten sich im Zweiten Weltkrieg an fürchterlichen Verbrechen. Deutsche Soldaten waren aber auch Opfer und Leittragende dieses Konfliktes. Längst nicht jeder ist als glühender Nationalsozialist und Anhänger des Hitler-Regimes in den Kampf gezogen – im Gegenteil hätten Millionen von Deutschen gerne auf die Entbehrungen, den Hunger, die Angst und die seelischen und körperlichen Wunden verzichtet. Sie wünschten sich ein »normales« Leben, einen zivilen Beruf, eine Familie, statt an den Kriegsfronten ums Überleben kämpfen zu müssen. Die Grenzerfahrung des Krieges war für die Erlebnisgeneration epochal und letztlich zog die Mehrheit ihre Motivation aus dem Glauben, durch ihren Einsatz Freunde, Familie und Heimat zu schützen.
Prof. Dr. Sönke Neitzel bescheinigt den deutschen Streitkräften in seinem Buch »Deutsche Krieger« einen bemerkenswerten Zusammenhalt, der bis zum Untergang 1945 weitgehend aufrechterhalten werden konnte. Anhänger des Regimes als auch politisch Indifferente und Gegner der NS-Politik wurden im Kampf zu Schicksalsgemeinschaften zusammengeschweißt. Genau diese Schicksalsgemeinschaften nimmt »Landser im Weltkrieg« in den Blick.
Bei den Romanen aus dieser Reihe handelt es sich um gut recherchierte Werke der Unterhaltungsliteratur, mit denen wir uns der Lebenswirklichkeit des Landsers an der Front annähern. Auf diese Weise gelingt es uns hoffentlich, die Weltkriegsgeneration besser zu verstehen und aus ihren Fehlern, aber auch aus ihrer Erfahrung zu lernen.
Nun wünschen wir Ihnen viel Lesevergnügen mit dem vorliegenden Werk.
Liebe Leser, liebe Leserinnen,
zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein kleines Familienunternehmen aus Duisburg und freuen uns riesig über jeden einzelnen Verkauf!
Unser wichtigstes Anliegen ist es, Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis zu bieten.
Damit uns dies gelingt, sind wir sehr an Ihrer Meinung interessiert. Haben Sie Anregungen für uns? Verbesserungsvorschläge? Kritik?
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Nun wünschen wir Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis!
Heiko und Jill von EK-2 Militär
In den letzten Tagen hatte der nahende Winter immer stärker seine eisigen Winde in die dichten Wälder der Ardennen entsandt. Ab und zu schneite es und oben in den Bergen hatte sich die weiße Pracht des Schnees wie eine dicke Decke über den Wald gelegt.
Den Soldaten der Wehrmacht, die schon seit einiger Zeit mitten im Gebirge ihre Stellungen halten mussten, war nicht wohl bei dem Gedanken, dass es bald Weihnachten war und sie in dieser einsamen Gegend die Feiertage verbringen mussten. Sie hofften wohl, dass die Front weiterhin ruhig bleiben würde. Nichts deutete auf eine Veränderung der Lage hin.
Der Himmel war voller Wolken, sodass die Flugzeuge der Briten und Amerikaner nicht fliegen konnten. Hinter der Front gab es jedoch auf der deutschen Seite seit einigen Tagen ein hektisches Treiben. Außerdem kamen immer wieder Offiziere bei dem Generalstab der 05. Panzerarmee von General Hasso von Manteuffel an.
Einer dieser Offiziere war Sturmbannführer Giesbert Angerfeld. Er kam direkt aus Berlin zum Hauptquartier des Generals. Von Manteuffel war nicht gerade begeistert, als der Sturmbannführer bei ihm eintraf. Der SS-Offizier schlug die Hacken zusammen. Das hörte sich beinah wie ein Knall an. Gleichzeitig riss er den rechten Arm zum Gruß hoch und brüllte sein unvermeidliches „Heil Hitler!“
Der General hob ebenfalls den rechten Arm, ohne sich von seinem Schreibtisch zu erheben. Angerfeld übergab ihm einen versiegelten Umschlag. Von Manteuffel öffnete ihn und zog einige Blätter heraus. Er las sich durch, was auf ihnen stand und sah dann erstaunt zu dem Sturmbannführer.
„Wir sollen also diesen Standartenführer Tassler aus einem sehr gut gesicherten früheren Luftwaffenlager herausholen?“, fragte der General. Dabei sah er Angerfeld mit ernster Miene an.
„Der Herr Reichsführer Himmler hat das mit dem Führer und dem Oberkommando so besprochen“, antwortete der Sturmbannführer. „Er hat Ihnen die Aufgabe zukommen lassen, für die Befreiung des Standartenführers zu sorgen. Ihre Truppen sind dem ehemaligen Gefangenenlager der Luftwaffe bei Sankt Vith am nächsten. Wir wissen bereits, dass in diesem Lager zurzeit amerikanische Verwundete behandelt werden. Außerdem dient es der US-Army als Versorgungsbasis und es wird für das Verhören von wichtigen Gefangenen genutzt. Ich selbst bin nur der Bote, der Ihnen den Befehl des Führers überbringt.“
„Wissen Sie eigentlich, was das für eine Aufgabe ist?“, stellte der General seine nächste Frage. „Dieses Lager wird auf jeden Fall hervorragend bewacht.“
„Dass es kein Kinderspiel sein wird, ist mir bewusst“, antwortete Angerfeld kalt lächelnd. „Wenn Sie eine Gruppe mutiger Männer haben, die Sie zu dem Lager bei Sankt Vith schicken, kann die Aktion unter Umständen ein Himmelfahrtskommando werden. Dieser Tatsache sind wir uns in Berlin bewusst. Der Herr Reichsführer will, dass Standartenführer Tassler lebend bei General Dietrich ankommt, wenn das möglich sein sollte. Doch es reicht ihm auch, wenn er tot ist. Die Hauptsache ist, dass er nicht lebend bei den Amerikanern bleibt. Es besteht die Möglichkeit, dass er über gewisse Dinge redet. Das muss auf jeden Fall verhindert werden. Sie verstehen mich doch richtig, Herr General?“
„Ja, natürlich verstehe ich Ihre Bedenken“, antwortete von Manteuffel. „Tassler kennt unsere Pläne und wenn er verrät, dass wir eine Offensive in den Ardennen starten wollen, können wir alles vergessen. Dann ist die gesamte Vorbereitung gefährdet. In zwei Tagen soll es losgehen. Wenn wir angreifen und das Überraschungsmoment nicht auf unserer Seite haben, ist die gesamte Offensive gefährdet. Doch wen soll ich hinter die feindlichen Stellungen schicken?“
„Haben Sie für solche Aktionen nicht einen ganz bestimmten Leutnant, der sehr verwegen sein soll?“, fragte der Sturmbannführer. „Ich glaube, er heißt Arthur Stahl. Schicken Sie ihn zu dem früheren Gefangenenlager. Meinetwegen kann er dort alles kurz und klein schlagen. Die Luftwaffe wird es bestimmt nicht mehr brauchen.“
„Den können wir vergessen“, antwortete der General. „Der wird in einer Stunde standrechtlich erschossen. Er hat leider einen Major verprügelt. Der liegt jetzt im Lazarett. Seine Nase und das linke Bein sind gebrochen. Und das alles nur wegen eines jungen Mädchens.“
„Das ist sehr bedauerlich“, meinte Angerfeld. „Gibt es keinen anderen Mann, dem Sie so eine schwierige Aufgabe zutrauen würden?“
„So schnell fällt mir kein Name ein“, erklärte von Manteuffel. „Es gibt jedoch eine Möglichkeit, den Befehl des Führers auszuführen. Dazu müsste ich mit dem zuständigen Militärrichter und Leutnant Stahl sprechen.“
Ein Anruf genügte und Oberst Bergman, der für den Fall von Leutnant Stahl zuständige Militärrichter, kam zu General von Manteuffel. Er war nicht sehr erfreut, als er erfuhr, dass er das Urteil gegen Arthur Stahl widerrufen sollte. Damit das überhaupt möglich war, sollte er sich irgendeinen Grund ausdenken. Die Hauptsache war, dass Stahl der Hinrichtung entkam und wieder als Leutnant und als Kommandeur einer Sondereinheit seinen Dienst antrat.
„Wenn es denn unbedingt sein soll, dann hebe ich das Urteil auf“, brummte Bergmann reichlich verärgert. „Ich begründe das einfach mit der mangelnden Glaubwürdigkeit der Zeugen. Das dürfte der Wahrheit auch am nächsten kommen. In diesen stürmischen Zeiten brauchen wir sowieso jeden fähigen Mann. Doch wenn dieser Stahl irgendwann wieder einen Streit mit dem Major anfängt, sollte er besser aufpassen, dass kein Kamerad von der Feldgendarmerie in der Nähe ist.“
„Ganz unschuldig ist Major Strecker aber auch nicht“, erwiderte von Manteuffel. „Immerhin wollte er sich an einem Mädchen vergreifen, das hier aus der Gegend stammt. Sie soll erst fünfzehn Jahre alt sein. Für mich ist das ein unehrenhaftes Verhalten und somit eines deutschen Offiziers absolut unwürdig. Und wenn es nur nach mir gehen würde, müsste dieser Major vor Gericht stehen.“
„Der Kerl sagte aus, dass dieses Mädchen ihn verführen wollte“, meinte der Richter mit einem Seufzer. „Zwei seiner Kameraden haben das bestätigt. Doch das ist jetzt nicht mehr so wichtig. Der Leutnant bekommt noch eine zweite Chance und ich habe meine Ruhe. Ich werde veranlassen, dass das Erschießungskommando in seiner Unterkunft bleibt.“
Grinsend sah der Sturmbannführer dem Militärrichter hinterher, als der das Büro des Generals verließ. Dann sah er zu, wie von Manteuffel telefonierte. Er sorgte dafür, dass Stahl aus dem Gewahrsam der Feldgendarmerie entlassen und zu ihm gebracht wurde.
Als der Leutnant fünf Minuten später bei dem General im Büro ankam, wurde er von zwei Männern der Feldgendarmerie hereingeführt. Seine Uniform war an einigen Stellen zerrissen, die Rangabzeichen fehlten, und das Blut lief ihm von seinen aufgeplatzten Lippen auf die Uniformjacke. Er war mit Handschellen gefesselt, von denen eine Kette zu den Fußfesseln führte. Sein Anblick entsetzte den General sofort.
„Wer hat diesen Mann so zugerichtet?!“, fragte von Manteuffel die beiden Feldgendarmen.
„Der Kerl ist immer noch verdammt aufsässig“, antwortete einer der beiden Männer. „Er wollte vor wenigen Minuten einen Fluchtversuch wagen. Zwei unserer Kameraden sind jetzt beim Feldarzt. Da haben wir ihm Manieren beibringen müssen. Außerdem hat er unseren Major …“
„Ich weiß, was der Leutnant getan hat“, unterbrach von Manteuffel den Gendarmen. „Trotzdem haben Sie nicht das Recht, einen deutschen Offizier so zu behandeln. Außerdem mag ich es nicht besonders, wenn Feldgendarmen sich an einheimische Mädchen vergreifen. Ganz gleich, ob sie Offiziere sind oder nur einen Mannschaftsdienstgrad haben. Nehmen Sie jetzt Leutnant Stahl die Fesseln ab und dann verschwinden sie hier ganz schnell, bevor sich die SS um Sie kümmert.“
Die beiden Feldgendarmen sahen den General und den Sturmbannführer erschrocken an. Mit einem Mal war ihnen klar, dass ihr Gefangener wieder frei war. Warum das so war, wussten sie nicht. Sie wollten auch nicht fragen. Dafür hatten sie vor dem General zu viel Respekt. So schnell es ging, befreiten sie Stahl von den Fesseln.
Angerfeld sah zu, wie sich die Feldgendarmen vorschriftsmäßig eilig zurückzogen. Dann bekam der Leutnant einen Stuhl, damit er sich setzen konnte. Erst jetzt atmete er erleichtert auf.
„Diese Feldgendarmen haben Sie ja ganz schön zugerichtet“, sprach der Sturmbannführer zu dem Leutnant.
„Da sollten Sie sich mal die beiden Kerle ansehen, die mich aus der Zelle geholt haben“, erklärte Stahl. „Ursprünglich waren es vier Männer, die mich hierherbringen sollten. Ich dachte zuerst, dass es jetzt mit der Hinrichtung losgeht. Da wollte ich noch einen letzten Versuch starten. Kein deutscher Soldat sollte sich ohne Gegenwehr standrechtlich erschießen lassen.“
„Ich bin mir sicher, dass eine neue Uniform und ein guter Tropfen aus der Heimat Ihnen helfen werden“, meinte Manteuffel mit einem vielsagenden Lächeln.
Er holte aus seinem Schreibtisch eine Flasche Weinbrand und drei Gläser. Eigentlich trank der General nur sehr selten alkoholische Getränke. Doch heute meinte er, dass dafür die richtige Gelegenheit gekommen war.
Nachdem die Gläser gelehrt waren, erklärte der Sturmbannführer, was Himmler und der Führer von ihm wollten. Der Leutnant hörte sich in aller Ruhe an, was Angerfeld ihm zu sagen hatte. Dabei betrachtete er den Rest des Weinbrandes, der sich noch im Glas befand.
Als der Sturmbannführer mit seinen Erklärungen fertig war, sah er erwartungsvoll zu Stahl. Der saß ganz ruhig auf seinem Stuhl und lächelte vor sich hin.
„Ich bin mir sicher, dass Sie genau verstanden haben, was der Herr Sturmbannführer Ihnen erklärt hat“, sprach jetzt der General. „Trauen Sie sich zu, Standartenführer Tassler aus dem Lager zu holen?“
„Bisher war die Feindaufklärung mein Einsatzgebiet“, antwortete Stahl. „Wenn ich das Kommando über meine Einheit zurückbekomme, sehe ich durchaus eine Chance, Tassler aus dem Lager zu holen. Sankt Vith ist nur ungefähr acht Kilometer hinter den feindlichen Stellungen. Einige abgekämpfte Kompanien der Amerikaner warten dort auf ihre Weihnachtspakete. Die glauben bestimmt, dass der Krieg bald vorbei ist. Da sehe ich gute Chancen für eine Rettungsmission.“
„Sie sollten ihren Auftrag nicht auf die leichte Schulter nehmen“, sprach von Manteuffel mit vorwurfsvoller Miene. „Sagen Sie uns, wie viele Männer Sie benötigen und welche Ausrüstung Sie haben wollen. Erst wenn Sie den Standartenführer bei uns abgeliefert haben, sind Sie vollkommen rehabilitiert. Ihr Urteil wurde aufgehoben, doch ich kann jeder Zeit dafür sorgen, dass es wieder in Kraft tritt. Sollten Sie mich dazu zwingen, kann Sie niemand mehr retten. Haben Sie mich verstanden, Herr Leutnant?“
„Ich habe Sie sehr gut verstanden, Herr General“, antwortete Stahl. „Ich werde so bald wie möglich aufbrechen. Feldwebel Siel wird mich begleiten. Er ist ein ausgezeichneter Soldat und ein sehr guter Schütze. Wir werden zwei Scharfschützengewehre mitnehmen und eine Maschinenpistole für den Standartenführer. Genügend Proviant, einige Handgranaten und dazu Verbandsmaterial könnten auch nicht schaden.“
„Und wen nehmen Sie außer dem Feldwebel noch mit?“, fragte der Sturmbannführer erstaunt. „Sie werden doch sicher noch mehr Männer benötigen?“
„Meine Einheit besteht aus zehn Soldaten und meiner Person“, antwortete Stahl. „Neun von ihnen werden dort warten, wo ich mit Siel zusammen die Front überquere. Wir müssen uns durch die amerikanischen Reihen schleichen. Da kann ich nicht so viele Männer mitnehmen. Der Feldwebel ist ein erfahrener Mann. Ihm vertraue ich mein Leben an. Heute Nacht starten wir die Aktion. Ich werde meine Männer darauf vorbereiten.“
Das Verhör
Zwei Kilometer südlich von Sankt Vith befand sich das frühere Gefangenenlager der deutschen Luftwaffe. Das Lager gab es schon länger. Es diente der deutschen Luftwaffe auch als Depot für Waffen, Proviant und Treibstoff. Dort wurden britische und amerikanische Piloten verhört und eingesperrt. Kurz bevor die Amerikaner es eroberten, wurde es geräumt.
Ein Offizier der Waffen-SS befand sich jetzt in dem Lager. Er sollte von den Spezialisten des amerikanischen Militärgeheimdienstes verhört werden. Es waren eigentlich drei SS-Männer, die bei einem Gefecht in Gefangenschaft gerieten. Nur durch einen Zufall wurden sie nicht gleich getötet. Der Geheimdienst der Amerikaner brauchte unbedingt Informationen. Zwei von ihnen waren bei den ersten Verhören bereits gestorben.
Standartenführer Tassler und zwei SS-Soldaten waren den Amerikanern in die Hände gefallen, weil sie am Tag zuvor versucht hatten, einen ganz besonderen Auftrag auszuführen. Der SS-Oberst-Gruppenführer und Generaloberst der Waffen-SS Josef Dietrich hatte sie hinter die feindlichen Stellungen geschickt. Sie hatten das schon einmal getan. Doch jetzt waren die beiden SS-Soldaten tot und der Standartenführer saß allein in seiner Zelle. Wie sie gestorben waren, wusste er nicht.
Tassler saß auf einem wackligen Stuhl und wartete auf seine zweite Vernehmung. Ein Captain der amerikanischen Militärpolizei hatte ihn zuvor zwei Stunden lang befragt. Doch der Standartenführer hatte nicht ein einziges Wort gesagt. Er wusste sehr gut, dass in zwei Tagen eine Offensive begann, die ihn vielleicht retten konnte.
Mit seinem Schweigen hatte er allerdings die Neugierde eines Mannes geweckt, der in der amerikanischen Armee als Experte für Verhörtechniken galt. Er hielt nichts davon, Gefangene zu misshandeln, bis sie starben. Doch dafür hatte er andere Methoden.
Die Männer vom Militärgeheimdienst konnten sich denken, dass Tassler kein einfacher SS-Offizier war. Jetzt wollten sie wissen, was er wusste. Bisher hatte Tassler jedoch beharrlich geschwiegen und dafür jede Menge Schläge und Beschimpfungen erdulden müssen.
Die Zellentür wurde aufgeschlossen und zwei kräftige Soldaten traten ein. An ihren Helmen konnte man sehen, dass sie bei der Militärpolizei dienten. Deutlich war die Aufschrift „MP“ zu sehen.
Der Standartenführer stand von dem Stuhl auf, der das einzige Möbelstück in der Zelle war. Einer der beiden Soldaten kam auf ihm zu. Er schlug ihm mit der Faust in Bauch, sodass dem Standartenführer die Luft wegblieb. Dann zerrten sie ihn aus der Zelle. Sie führten ihn zu einer anderen Zelle, die den Amerikanern als Vernehmungsraum diente. Auf dem Fußboden war noch das Blut seiner zwei Kameraden zu sehen.
Einige Minuten später wurde Tassler in ein Büro gebracht. Dort musste er sich vor einem Schreibtisch auf einen Stuhl setzen. Seine Hände wurden mit Handschellen an die Stuhllehnen gefesselt. Hinter dem Tisch saß ein Mann, der ihm scheinbar freundlich zulächelte. Die beiden Militärpolizisten standen hinter dem Standartenführer.
„Mein Name ist Aaron Rosenbach“, sprach der Mann ganz freundlich zu Tassler. „Ich bin Major in der US-Army und darüber hinaus arbeite ich für das Counter Intelligence Corps. Meine Aufgabe ist die Befragung von gefangenen deutschen Offizieren. Und wie Sie sich bestimmt denken können, bin ich ein deutscher Jude. Ich wurde in Trier geboren und ich bin in den USA in die Armee eingetreten, weil ich helfen will, Deutschland von den Nazis zu befreien. Für mich sind Sie so ein Nazi und Ihre beiden Kameraden waren es ebenfalls. Leider hat mein Kollege, der Captain, nicht so viel Geduld wie ich. Deshalb haben Ihre beiden Scharführer die Vernehmungen nicht überlebt. Die wussten bestimmt auch nicht so viel wie Sie. Aus diesem Grund habe ich ihre Kameraden meinem Stellvertreter überlassen. Er hat sich sehr gut um sie gekümmert.“
Mit einem Wink seiner rechten Hand forderte der Major die beiden Polizisten auf, das Büro zu verlassen. Dann sah er sich die Papiere an, die Tassler bei seiner Gefangennahme abgenommen wurden. Er las sich auch in aller Ruhe einen Brief durch, der ebenfalls bei ihm gefunden wurde. Scheinbar zufrieden legte er ihn auf seinen Schreibtisch.
„Wir wissen bereits, dass sie zur 6. Panzerarmee gehören“, erklärte der Major. „General Dietrich ist der Kommandeur dieser Einheit. Seine Truppen stehen nordöstlich der Ardennen. Sie hatten hohe Verluste, als sie sich zurückziehen mussten.“
Tassler sah den Mann an, der offenbar versuchte, ihn mit seiner Freundlichkeit zu einem Gespräch zu verleiten. Solche Gespräche hatte er früher selbst schon geführt. Nur saß er selbst damals hinter dem Schreibtisch. Der Name Aaron Rosenbach kam ihm aus irgendeinem Grund bekannt vor. War das der Mann, den er finden und töten sollte?
Der Major zog eine Schublade vom Schreibtisch auf und holte eine Pistole heraus. Er drehte und wendete sie in seinen Händen. Dabei betrachtete er sie. Dann legte er sie vor sich auf dem Schreibtisch ab. Der Standartenführer fragte sich, was er mit der Waffe vorhatte.
„Erkennen Sie diese Pistole wieder?“, wollte Rosenbach wissen. „Sie wurde Ihnen abgenommen, als Sie versuchten, vor unseren Soldaten wegzulaufen. Zu Ihrem Glück war ein Mann von meiner CIC-Truppe dabei, als Sie von einem unserer Spähtrupps erwischt wurden. Man hätte Sie sonst sofort erschossen. Für gewöhnlich nehmen unsere Soldaten keine Angehörigen der SS gefangen. Jetzt stellt sich mir die Frage, warum wir Sie erwischt haben.“
Rosenbach sah Tassler direkt in die Augen. Er wollte bei ihm eine Reaktion erkennen. Der Standartenführer zeigte jedoch nicht das kleinste Zucken. Deshalb nahm er die Pistole erneut in seine rechte Hand.
„Warum sind die meisten deutschen Offiziere ausgerechnet mit einer Luger P08 ausgerüstet worden?“, fragte der Major so, als würde er nur mit sich selbst sprechen. „Es gibt so viele andere Pistolen auf der Welt. Doch jedes Mal, wenn wir einen Offizier von der SS gefangen nehmen, hat der eine Luger bei sich. Das finde ich erstaunlich. Dabei ist diese Waffe nicht immer sehr zuverlässig und für meine Hände ist sie ein wenig zu groß. Stimmen Sie mir zu, Herr Standartenführer?“
Jetzt zeigte Tassler doch eine Regung in seinem Gesicht. Er lächelte für einen kurzen Moment. Ihm war klar, dass der Major ihn nicht mehr lange so freundlich behandeln würde. Nicht umsonst hatten ihn die Männer von der Militärpolizei die Hände an die Stuhllehnen gefesselt.
Der Stuhl bestand aus zusammengeschweißten Stahlrohren. Als Sitzfläche dienten Stahlbänder, die ineinander verflochten waren. Er war am Boden festgeschraubt, sodass er nicht bewegt werden konnte. Tassler hatte keine Chance, sich irgendwie zu wehren. Er war dem Mann, der hinter dem Schreibtisch saß und die Pistole betrachtete, hilflos ausgeliefert.
„Ich glaube, ich werde Ihre Pistole behalten“, sprach Rosenbach weiter zu dem Standartenführer. „Sie ist in einem gepflegten Zustand und sie sieht noch recht neu aus. In Amerika kann ich mit ihr bei meinen Freunden viel Eindruck schinden. Sie wissen doch, wie das mit den Freunden so ist. Wer angibt, der hat mehr vom Leben. Und wenn ich meinen Freunden in Boston erzähle, dass ich einen deutschen Standartenführer mit seiner eigenen Dienstwaffe erschossen habe, weil er mir nicht erzählt hat, was ich von ihm wissen wollte, wird das Staunen bestimmt noch viel größer sein.“
Tassler sah mit scheinbarer Gelassenheit zu dem Major. Er glaubte, dass ihn niemand erschießen würde, so lange er keine Fragen beantwortete. Vielleicht würde das Verhör noch lange andauern. Dieser Rosenbach konnte ihm Schmerzen zufügen, um ihn zum Reden zu bringen. Das hatte sein Stellvertreter schon vergeblich versucht. Der Standartenführer war fest entschlossen nicht ein einziges Wort zu sagen.
Rosenbach zog das Magazin aus dem Griff der Pistole. Dann sah er zu dem Gefangenen. Ein dämonisches Grinsen war in seinem Gesicht zu sehen. Irgendetwas hatte er mit der Waffe vor.
„Jetzt wollen wir doch mal sehen, ob sich noch eine Kugel in Ihrer Pistole befindet“, sprach der Major so, als wäre er selbst sehr gespannt.
Mit der Luger zielte er auf die Brust von Tassler. Der saß völlig ruhig auf seinem Stuhl. Rosenbach konnte nicht erkennen, ober er Angst hatte oder irgendwie aufgeregt war. Er drückte ab und ein leises Klicken war zu hören. In der Luger befand sich keine weitere Kugel.
„Sie haben Glück gehabt“, rief Rosenbach so, als würde er sich freuen. „Meine Eltern hatten da weniger Glück. Sie wurden kurz vor Beginn des Krieges in eines eurer Todeslager gebracht. Mich hatten sie vorher nach England geschickt. Dort habe ich mein Studium beenden können. Danach bin ich nach Amerika ausgewandert. Als der Krieg begann, trat ich in die US-Army ein. Viele Juden aus Deutschland taten das. Wir kennen das Land und die Sprache und wir wissen genau, wer unsere Feinde sind. Sie Herr Standartenführer Tassler – Sie gehören auf jeden Fall dazu. Deshalb kann ich Ihnen nicht garantieren, dass Sie den heutigen Tag überleben.“
Rosenbach zog erneut die Schublade des Schreibtisches auf. Jetzt holte er eine kleine Tasche aus schwarzem Leder heraus. Er öffnete sie und entnahm ihr ein Fläschchen und eine Spritze. Der Standartenführer sah zu, wie der Major die Spritze mit der Flüssigkeit des Fläschchens aufzog. Er wurde nun doch etwas unruhig.
„Im letzten Jahrhundert haben einige indische Aufstände das britische Imperium erschüttert“, erzählte Rosenbach immer noch ganz freundlich, während er aufstand, um sich mit der Spritze hinter Tassler zu stellen. „Als die Briten die Aufstände niederschlugen, fiel ihnen ein ganz besonderes Serum in die Hände. Man kann es mit dem Essen zu sich nehmen. Dann ist man gezwungen, die Wahrheit zu sagen.“
Mit einem breiten Grinsen stand Rosenbach hinter dem Standartenführer. Er konnte jetzt beobachten, dass sein Gefangener immer unruhiger wurde. Sicherlich hatte er Angst, dass er etwas Wichtiges erzählen würde, ohne es zu wollen.
„In Amerika haben einige Forscher das Serum noch ein wenig verbessert“, erzählte der Major weiter. „Es wirkt jetzt noch besser und man kann es mit einer Spritze verabreichen. Es ist nur ein kleiner Stich für einen dreckigen Nazi, wie Sie es sind und eine große Hilfe für ganz Amerika und alle anderen Alliierten. Glauben Sie mir, Herr Tassler. In zwei Minuten werden Sie singen wie eine Nachtigall. Dabei hätten Sie schon längst Ihr Gewissen erleichtern können. Doch so etwas habt ihr Nazis ja nicht. Oder doch? Gleich werden wir es wissen.“
Obwohl sich der Standartenführer vor der Spritze fürchtete, kam für ihn der Stich doch überraschend schnell. Es tat nicht besonders weh. Der Major stand hinter Tassler und spritzte ihm das Serum in den Hals. Es breitete sich schnell in seinem Körper aus. Er spürte, wie sein Widerstand erlahmte. Sein Kopf fiel nach vorn und er verdrehte die Augen. Aus seinem Mund lief der Speichel.
Rosenbach betrachtete die Spritze in seiner rechten Hand. „Das war wohl etwas zu viel von dem guten Saft“, flüsterte er vor sich hin. „Wer hätte gedacht, dass ein Mann, der so groß und so stark ist, so wenig verträgt. Morgen bekommt er die Hälfte davon, wenn er die Nacht überlebt.“
Der Major griff zum Telefon. Die Militärpolizei sollte den Gefangenen in seine Zelle zurückbringen. Sie sollten ihm ein Feldbett, Essen und eine Kanne mit Wasser in der Zelle bereitstellen und ihn dann auf das Bett legen. Er wollte sich mit dem Gefangenen am nächsten Tag weiter unterhalten.
Nach dem Tassler abgeholt wurde, rief Rosenbach seinen Stellvertreter an. Er teilte ihm mit, dass das Serum etwas zu stark wirkte. Doch das wäre für ihn kein Problem. Bei der nächsten Vernehmung würde die halbe Dosis bestimmt genügen. Seiner Meinung nach war Tassler längst nicht so stark, wie er im ersten Augenblick aussah.
Das Sonderkommando
Seit einem Jahr war Heinz Siel bereits bei dem kleinen Sonderkommando von Leutnant Stahl. Als Feldwebel war er der zweithöchste Soldat in der kleinen Gruppe. Wenn es Streit gab, schlichtete er ihn, wenn das Essen nicht reichte, sorgte er für den Nachschub und wenn jemand bei einem Einsatz in Gefahr geriet, half er ihm sofort. Jetzt kümmerte er sich um seinen Vorgesetzten.
Stahl plante noch einen kleinen Racheakt, bevor er mit seinen Männern zur Frontlinie fuhr. Die beiden Feldgendarmen benötigten, seiner Meinung nach, noch dringend eine Abreibung. Der Feldwebel war entsetzt, als er hörte, was der Leutnant vorhatte.
„Das lassen Sie mal lieber bleiben“, erklärte er sofort. „Diese Kerle verstehen keinen Spaß. Außerdem sollten Sie froh sein, dass Sie dem Erschießungskommando entkommen sind.