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Ein Dorf wird niedergebrannt und eine junge Frau entkommt in den nahen Wald. Die Verfolger verlieren in der Nacht ihre Spur. Nur ein Kobold kann ihr noch helfen. Er findet sie am Rande einer Lichtung und er weiß, dass die Zeit drängt. Die Frau erwartet ein Kind und die vom Krieg geschundenen Menschen sehnen sich nach einem Anführer. Der Kobold will das Schicksal des Kindes mit dem der Drachen vereinen, die hoch oben im Norden im ewigen Eis verborgen sind. So wird in einer stürmischen Nacht ein Knabe geboren, der die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit erfüllen soll. Die Ereignisse überschlagen sich und es entbrennt ein Kampf um die Macht. Im ersten Teil seiner Buchserie erzählt Jork Steffen Negelen, wie Salia, die Mutter des Drachenjungen, zu den Kobolden kommt. Es ist der Beginn eines spannenden Abenteuers. Nimm an diesem Abenteuer teil und lass dich in die Welt der Kobolde, Elfen, Trolle und der Drachen entführen.
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Seitenzahl: 406
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Jork Steffen Negelen
Erster Teil:
Artur und der Drachenjunge
Engelsdorfer Verlag Leipzig 2015
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Zweite überarbeitete Auflage
Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
www.engelsdorfer-verlag.de
Vor Jahrtausenden einst gab es nur die Welt des Lichtes und des Friedens, und es gab nur die strahlend leuchtende weiße Seite der Magie. Doch dann kam ein Schatten in die Welt und er führte in seinem Herzen die dunkele und grausame Seite der Magie mit sich. Ein fürstlicher Prinz aus der Welt der Dämonen war er, und er war gekommen, um mit aller Macht zu herrschen.
Doch die weiße Magie verwehrte ihm die Herrschaft über diese Welt. Ihre Zauberer wehrten ihn ab und schmetterten ihn zu Boden. So musste er also im Verborgenen leben und er wurde der Diener mächtiger und grausamer Herren aus uralter Zeit. Doch auch die Zeit seiner Herren neigte sich ihrem Ende entgegen und ihre Macht erlosch. Also trat der fürstliche Prinz der Dämonen ihr Erbe an und seine Macht wuchs erneut und sie schien unüberwindbar.
Seine Feinde rüsteten zum Kampf und ihre Zahl wuchs mit jeder Stunde. Der dämonische Prinz, der sich selbst Dämonicon, der Zauberer der alten Götter nannte, spürte genau, dass nur seine einstigen Herren ihm seine Gier nach der Herrschaft über die Welt stillen konnten. Darum erschuf er sieben magische Schlüssel, um seine Herren aus dem Jenseits zurückzuholen. Es würde lange dauern, bis diese Schlüssel bereit waren, um ihre Aufgabe zu erfüllen, sehr lange. Der Zauberer wollte warten, und wäre es auch Jahrhunderte lang.
In dieser Zeit musste er seine Heere in viele Schlachten führen, denn Menschen, Elfen und vor allem die Drachen bedrängten ihn stark. Immer wieder gelang es ihnen, sich gegen seinen Herrschaftsanspruch zu erheben und seine grausamen Krieger abzuwehren.
Eines Tages verlor Dämonicon eine wichtige Schlacht und seine magischen Schlüssel kamen ihm abhanden. Jahrhunderte ließ er nach ihnen suchen, doch es war vergebens. Es blieb ihm nur die Hoffnung, sie irgendwann doch noch zu finden. Er rüstete erneut zum Kampf, und er bezwang zu erst die feindlichen Zauberer des Zirkels der Nekromanten. Dann gelang es ihm, die Drachen ins Eis des Nordens zu bannen und mit seinem Heer gegen die Menschen und Elfen zu ziehen. In dieser Schlacht besiegte ihn ein junger Elfenkönig mit einem geweihten Speer. Er beendete so Dämonicons Herrschaft.
Jahrhunderte des Friedens kamen und der Name Dämonicon geriet in Vergessenheit. Bald schon verblasste die Erinnerung an den Zauberer und seine schwarze Magie, und das, was geschehen war, das wurde nun zur Legende.
Doch ein Raunen blieb, es wurde mit der Zeit stärker und es flüsterte den Königen fremdartiger Völker böse Worte ins Ohr. Diese Worte vergifteten die Seelen der fremden Könige und ließ sie zum Kampf rüsten.
So schien es das Schicksal vor allem der Menschen zu sein, immer wieder ihre Grenzen verteidigen zu müssen, denn ihre Feinde waren auf der Jagd nach Sklaven für ihre Felder, Bergwerke und Kriegswerkstätten. Eines Nachts überfiel eine Horde Dragolianer ein kleines Dorf und fing jeden Menschen ein, der ihnen wehrlos in die Hände fiel. Einige Männer des Dorfes wehrten sich erbittert, aber sie waren der Überzahl ihrer Gegner nicht gewachsen. Nur ein junges Mädchen entkam der dragolianischen Horde und lief in einen nahen Wald. Je weiter sie sich von ihrem brennenden Heimatdorf entfernte, umso näher kam das Mädchen seinem Schicksal …
Salia schaute sich um. Immer weiter führte ihr Weg sie in den Wald hinein. Dort im Wald hoffte sie sicher zu sein. Die junge Frau wusste schon nicht mehr, wie lange sie unterwegs war. Sie hoffte nur, den Reitern des Gruhl zu entkommen. Salia war die Frau des Dorfschmieds, noch sehr jung und hübsch. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem Knoten gebunden und das Einzige, was sie anhatte, war ein Nachthemd. Schmutzig und zerrissen hing es ihr am Körper herunter. Gerade so umspannte es ihren dicken Bauch. Sie erwartete ein Kind. In ihrem Dorf konnte sie nicht bleiben, dort waren alle tot oder gefangen. Die Reiter des Gruhl hatten es in der Nacht zuvor überfallen. Die Grenzstreitigkeiten mussten, wie immer, die Bauern der Grenzdörfer ertragen. Der Gruhl, das ist der Reiterorden der grünhäutigen Dragolianer, einer alten Rasse. Diese sind, vom Äußeren betrachtet, wie eine Mischung von Menschen und Echsen. In grauer Vorzeit, als die alten Götter und ihr Zauberer Dämonicon noch herrschten, da sollten die Vorfahren der Dragolianer die Diener eines der sieben alten Götter gewesen sein. Niemand wusste mehr, ob das stimmte. Sie waren groß von Wuchs, hatten eine olivgrüne schuppige Haut und einen meist runden Kopf mit einem Knochenkamm von der Stirn bis zum Nacken. Ihr bevorzugtes Reittier war der Gruhlstier, eine große starke Rinderrasse. Diese Tiere waren schnell und ausdauernd, ihr Fell war meist schwarz oder dunkelbraun. Ihr Herrscher war der Priesterkönig Tholoam, ein grausamer Despot, der seine wilden Horden ausschickte, um die Grenzdörfer der Menschen zu überfallen. Und das hatten sie in der letzten Nacht wieder getan.
Immer weiter lief Salia. Die Furcht trieb sie voran und gab ihr die Kraft, die sie brauchte, um im Wald nicht einfach liegen zu bleiben. Denn das währe ihr Tod gewesen. Bei einer kleinen Lichtung machte Salia halt. Jetzt erst bemerkte sie, dass der Morgen graute. Ein dichter Nebel zog auf. Er machte den Wald noch unheimlicher als er ohne hin schon war. Sie beschloss, die Lichtung zu umgehen. Als sie einen Schritt nach rechts machte, wurde sie von irgendwem an der Hand gegriffen. Nur mit äußerster Mühe unterdrückte Salia den in ihr aufkommenden Schrei. Erschrocken drehte sie sich zu dem fremden Wesen herum und schaute es an. Was sie sah, konnte sie im ersten Augenblick nicht glauben. Es sah aus wie ein Kobold, klein von Wuchs, mit einem großen dunkelblauen Hut und einen ebenso dunkelblauen Mantel. Der Kobold hatte zudem noch einen langen weißen Bart. In seinem breiten Gesicht konnte Salia gerade noch so die knollige Nase und die hellen wachen Augen erkennen. Er hatte in der rechten Hand einen Holzstab mit einem roten, leuchtenden Kristall an der Spitze.
Der Kobold ließ Salia los und legte einen Finger auf den Mund. Das Zeichen verstand Salia sofort. Er beschrieb nun mit seinem Stab einen Kreis und der Nebel wurde noch dichter. Dann nahm er Salia wieder an die Hand und führte sie fort. Immer weiter führte er sie weg von der Lichtung und Salia erkannte, das der Kobold sie stets nach Norden brachte. Nach einer Weile konnte sie nicht mehr.
Sie war am Ende ihrer Kräfte angelangt und bat den Kobold um eine Rast. »Warte kleiner Mann, ich kann nicht mehr weiter. Meine Füße brennen wie Feuer und das Kind in meinen Bauch ist eine zu große Last. Lass uns ausruhen.«
Der Kobold blieb stehen und setzte sich auf den Stamm eines umgefallenen Baumes. »Setz dich zu mir.« Er deutete auf die Seite rechts neben sich. »Ich heiße übrigens Artur und nicht kleiner Mann. Und wer bist du?«
Salia setzte sich neben dem Kobold. Sie nahm einen Schluck aus der Kürbisflasche, die ihr Artur reichte. »Ah, das tut gut. Ich danke dir. Mein Name ist Salia. Ich komme aus dem Dorf Lyda. Die Reiter des Gruhlordens haben es gestern Abend überfallen. Sie kamen so schnell, das wir kaum Zeit hatten uns zu verteidigen. Ich habe mich tot gestellt und bin dann in den Wald gelaufen. Einige von denen haben mich im Wald verfolgt, aber ihre Reitstiere sind im dichten Unterholz nicht sehr schnell.«
Der Kobold grinste. »Mädchen, das hast du gut gemacht. Wen die Reiter des Gruhl nicht töten, den nehmen sie als Sklaven mit. Sei froh, dass du ihnen entkommen bist. Konnte außer dir noch jemand fliehen?«
Salia zog die Schultern hoch und antwortete Artur. »Das glaube ich nicht, denn die Dragolianer haben uns zuerst eingekreist und dann angegriffen. Die Männer im Dorf haben sich verzweifelt gewehrt, doch die Dragolianer waren zu viele.«
Artur machte ein nachdenkliches Gesicht. Er schaute nach Norden, in den Wald und dann wieder zu Salia. Sein Blick ruhte schließlich auf ihren dicken Bauch. Nachdenklich kratzte er sich an der Nase, dann fragte er sie. »Wo um alles in der Welt willst du eigentlich den Knaben zur Welt bringen? Hier im Wald geht das wohl nicht.«
Salia schaute ihn erstaunt an. »Woher willst du wissen, dass es ein Knabe wird? Es kann doch auch ein Mädchen sein, oder?«
Wieder grinste Artur. »Vertrau mir, ein Kobold wie ich kann das spüren. Das Beste wird sein, ich nehme dich mit zu mir. So eine Geburt sollte ein Mensch nicht im Wald vollbringen. Wer weiß schon, was da alles geschehen kann.«
Nachdem der Kobold und das Mädchen sich noch ein Weilchen ausgeruht hatten, setzten sie ihren Weg fort. Sie unterhielten sich leise und Artur führte Salia behutsam durch den Wald. Dann kamen sie zu einem Fluss, den sie an einer flachen Stelle überqueren konnten. Gegen Mittag kamen sie zu den ersten Bergen des Drachengebirges. Jetzt führte ein schmaler Weg das ungleiche Paar weiter. Artur merkte, dass sie es bis zum Abend nicht schaffen würden, in seiner Behausung anzukommen. Immer wieder musste sich Salia ausruhen. Er geriet mehr und mehr in Sorge. Zudem ging sein Vorrat an Wasser und Essen zur Neige und er konnte genau spüren, dass der Knabe in Salias Bauch nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Und da war noch etwas. Es lag förmlich in der Luft. Schon im Wald war es Artur aufgefallen. Es war eine unheimliche Stille. Kein Vogel sang sein Lied, selbst der Wind schien eingeschlafen zu sein. Das bedeutete nichts Gutes. Um allen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, hatte Artur beschlossen, Salia an einen sichern Ort zu bringen.
Nachdem sich der Weg mehrfach geteilt hatte, fragte Salia beunruhigt: »Ist es noch weit bis zu deinem Heim? Ich habe das Gefühl, das wir hier nicht sicher sind, selbst die Luft ist so drückend.«
Artur zeigte mit seinem Stab zu einem großen felsigen Berg. »Schau, dort müssen wir hin. Mein Heim können wir nicht mehr erreichen. Aber dort bei dem Felsen gibt es eine Höhle. In der sind wir gut aufgehoben. Keine Sorge, wenn wir da drin sind, lege ich am Eingang einen Schutzbann. Dann sind wir sicher und wir können die ganze Nacht bleiben. Glaub mir, das kann ich sehr gut.«
»Ja, das glaub ich dir, nur lass uns dort endlich ankommen. Das Kind in mir regt sich immer mehr. Ich befürchte, es will nicht mehr warten«.
Artur tätschelte ihr beruhigend die Hand. »Wenn du kein Kind erwarten würdest, währen wir schon längst in Sicherheit. Doch so ist es leider unmöglich, meine Kräfte zu benutzen. Die wirken erst, wenn das Kind da ist, und solange das nicht der Fall ist, müssen wir leider zu Fuß gehen. Zauberkräfte wirken eben nicht bei Frauen, die ein Kind erwarten.«
Salia war erstaunt, so etwas hatte sie noch nie gehört. Ungläubig fragte sie deshalb: »Und wieso wirken sie nicht?«
Diese Frage hatte Artur erwartet. »Na das liegt eben in der Natur der Sache selbst. Jedes lebende Wesen, das Nachkommenschaft erwartet, ist vor Zauberei jeder Art und Weise geschützt. Das ist eben so.«
Da hatte Salia wieder etwas gelernt. Nachdenklich ging sie neben dem Kobold her.
Am Nachmittag änderte sich das Wetter schnell. Wind kam auf und am Himmel waren immer mehr dunkle Wolken zu sehen. Artur hatte Salia einen Stock von einem Baum geschnitten. Bei jedem Schritt stützte sie sich auf ihn. Immer schwerer wurde ihr Atem, und ihre Kräfte drohten sie ganz zu verlassen. Schließlich fing es an zu regnen. Mit der Hilfe seiner Zauberkräfte hatte Artur schnell einen Schirm bei der Hand. Doch der Wind nahm zu und schob die beiden vor sich her. Es wurde immer dunkler und aus dem Wind wurde ein Sturm. Nur mit großer Mühe erreichten sie die rettende Höhle.
Artur sah die Höhle zuerst und rief Salia aufmunternd zu: »Sieh, da vorn ist sie ja. Halte durch, wir haben es gleich geschafft.«
Mit letzter Kraft erreichte Salia den Eingang und brach völlig erschöpft zusammen. Artur zog sie noch ein Stück hinein und machte dann ein Feuer. Altes Holz lag hier genügend herum.
Der Kobold wusste genau, was jetzt zu tun war. Bei all den Feinden, die den Menschen zusetzten, hatten sie bald keine Möglichkeit mehr sich zu verteidigen. Mehr und mehr wurden sie von den anderen Völkern versklavt. Am schlimmsten waren die Dragolianer mit ihrem Orden des Gruhl. Jemand musste etwas unternehmen, um diesem Treiben endlich einen Riegel vorzuschieben.
Jetzt, so meinte Artur, sei die Stunde gekommen, um den Menschen einen Führer zu geben, der sie in Zukunft in den Kampf führen konnte. Hier in dieser Höhle sollte er geboren werden. In der Mitte lag ein großer flacher Stein. Die obere Seite war zu einer langen Mulde geformt.
Nachdem Artur am Eingang der Höhle einen Schutzbann ausgesprochen hatte, nahm er aus einem Beutel, den er immer bei sich hatte, einen Strohhalm und legte ihn auf den Stein mitten in die Mulde. Mit seinem Stab machte er nun eine kreisende Bewegung. Sofort wurde aus dem einen Strohhalm ein ganzer Haufen. Dann nahm er aus dem Beutel ein kleines Stück Leintuch. Auch das legte er in die Mulde. Eine erneute Bewegung mit dem Stab und aus dem kleinen Stück wurde ein großes Tuch, welches nun den ganzen Stein bedeckte.
Am schwierigsten war es, das Mädchen auf den Stein zu bekommen. Hierbei konnte er seine Zauberkräfte nicht benutzen. Sie war nur schwer zum Aufstehen zu bewegen und er musste ihr gut zureden, damit sie wenigstens noch ein paar Schritte ging, um sich auf das für sie vorbereitete Lager zu legen.
Danach holte er einen kleinen Kupferkessel aus seinem Beutel. Das Ding war nicht viel größer als ein Fingerhut. Damit fing er einen Tropfen Wasser auf, der von der Höhlendecke herunterfiel. Er stellte ihn auf den Boden und vergrößerte auch ihn. Dann hängte er ihn über das Feuer. Er war voller Wasser.
Salia hatte immer größere Schmerzen. Sie schrie bei jeder neuen Wehe. Artur musste sich beeilen.
»Keine Angst, ich bin ja bei dir, wir werden das zusammen schaffen. Du wirst sehen, es wird alles gut.« Mit diesen Worten versuchte der Kobold, Salia zu beruhigen.
Das Wasser im Kessel fing an zu kochen. Artur legte einige Kräuter in eine Schale und schüttete das heiße Wasser darüber. Nach dem sich der Kräutersud beim Umrühren abgekühlt hatte konnte Artur ihn Salia einflößen. »Trink langsam, das ist sehr stark. Es wird dir helfen und dir die Geburt deines Sohnes erleichtern.« Salia nahm einen Schluck. Es schmeckte bitter und sie hatte Mühe das Gebräu hinunter zu bekommen.
»Was ist das?«, fragte sie keuchend. »Das schmeckt ja furchtbar.« Artur lächelte ein wenig.
»Nur keine Angst«, flüsterte er. »Das ist ein uraltes Rezept, ein Kräutersud, der dich beleben wird.«
Nach dem die Schale alle war, fing der Kobold an, ringsherum um den Stein einen Feuerkreis zu schaffen.
Salia fühlte sich schon etwas besser und schaute ihm im Liegen zu. Besorgt fragte sie. »Was machst du jetzt, ich versteh das nicht? Zu was brauchen wir hier einen Feuerkreis?«
Artur sah sie an und sprach: »Ihr Menschen versteht so vieles nicht. Ich versuche, dir und deinem Kind zu helfen. Wir sind hier in einer alten verlassenen Drachenhöhle. Der Stein, auf dem du liegst, ist einst die Wiege der Drachenmütter gewesen. Auf diesem Stein lagen Generationen von Dracheneiern. Ich höre die Geschichte von der Drachenwiege, als währe sie mir erst gestern erst gestern erzählt worden. Dabei ist es schon mehr als siebenhundert Jahre her, als hier der letzte Drache erwachte und aus seinem Ei schlüpfte. Hier kamen sie zur Welt und darum ist dieser Ort hier immer noch ein Heiligtum. Du wirst heute Nacht in der Drachenwiege deinen Sohn zur Welt bringen. Das hat vor dir noch kein Mensch getan und deshalb wird dein Sohn etwas Besonderes sein. Und jetzt konzentriere dich auf die Geburt. Ich werde alles Weitere tun. Wenn es vollbracht ist, dann hast du einem Drachenjungen das Leben geschenkt. Glaub mir, er wird einst der Führer eurer Rasse sein.«
Salia wurde schwindelig, sie konnte kaum glauben, was sie da eben gehört hatte. Aber es war zu spät. Während Artur anfing, um den Stein zu tanzen und dabei unablässig Beschwörungen murmelte, brachte sie unter Schmerzen das Kind zur Welt. Der Kobold hörte auf zu tanzen und leistete Geburtshilfe. Er trennte das Kind von der Nabelschnur und hüllte es in seinen Mantel.
Geschwächt und doch glücklich nahm Salia das Kind mitsamt dem Mantel in ihre Arme. Sie schaute nach, ob es wirklich ein Knabe war. Und siehe da, der Kobold hatte recht gehabt. Doch da war noch etwas. Auf dem Brustkorb des Knaben befand sich ein dunkelrotes Mal. Es war so groß wie eine Münze und hatte die Form eines fliegenden Drachens.
»Sieh Artur, das Mal auf seiner Brust, es ist ein Drache. Kommt das von deinen Beschwörungen?« Sie sah den Kobold ängstlich an.
Doch der hatte nur wieder sein Grinsen im Gesicht. »Gib dem Kleinen die Brust und dann versuch ein wenig zu schlafen. Morgen, wenn wir weiter ziehen, werde ich dir noch so einiges erzählen.«
Artur ging zum Ausgang der Höhle. Das Schmatzen des Knaben hörte er im Brausen des Sturmes nicht. Die Nacht war hereingebrochen. Es goss in Strömen und der Wind heulte furchterregend. Der Kobold schaute sich das Treiben des Sturms noch einen Augenblick an. Dann ging er zu dem Stein zurück. Salia lag immer noch auf ihm und der Kleine schien von der Mutterbrust nicht lassen zu wollen. So friedlich und liebevoll wie diese beiden, so sollte die ganze Welt sein. Mit diesem Gedanken bereitete Artur sein eigenes Nachtlager neben dem Stein vor. Dazu brauchte er nur einige kleine Stückchen Schafsfell. Die waren schnell vergrößert und gaben ein gutes Bett ab. Mit dem einen Stück deckte er die junge Mutter zu und auf dem anderen Fell kam er selbst zur Ruhe.
»Bevor wir beide einschlafen, könntest du mir noch sagen, welchen Namen der Knabe bekommen soll.«
Salia sah vom Rand des Steins auf den in einer Ecke liegenden Artur. »Ich wollte ihm eigentlich den Namen meines toten Mannes geben, aber jetzt weiß ich nicht mehr so recht, ob ich das machen soll.«
»Wie hieß er denn?« fragte der Kobold nach.
»Er hieß Tabor, er war bei uns im Dorf der Schmied.«
Artur fand den Namen gut und er kratzte sich am Bart. In Gedanken versunken schlief er langsam ein. Vom Rand des Steines konnte Salia die Schatten tanzen sehen, die durch das Feuer verursacht wurden. Bevor sie einschlief, gab sie ihrem Sohn noch einen Kuss auf die Stirn.
»Schlaf gut, mein kleiner Tabor«, flüsterte sie, bevor sie selbst einschlief.
Die ganze Nacht tobte der Sturm und erst am Morgen ließ sein schauriges Geheule nach. Artur wachte auf und sein erster Blick galt den beiden auf dem Stein. Leise bereitete er das Essen vor. Dann schaute er am Eingang nach dem rechten. Der Sturm hatte sich in der Tat verzogen und die Sonne schickte ihre schönsten Strahlen. Von den Tälern stieg ein leichter Nebel auf.
»Wenn die Sonne höher kommt, wird sich der Nebel nicht mehr halten können«, murmelte Artur vor sich hin. Hinter sich vernahm er ein Geräusch. Salia war erwacht. Sofort war der Kobold zur Stelle. »Wie geht es dir?« Wollte er sogleich wissen. Er nahm ihr Tabor aus den Armen und schaute ihn sich an.
»Ich habe gut geschlafen, jetzt fühle ich mich schon viel besser. Heute kommen wir bestimmt schneller voran.« Salia streckte ihre Arme aus.
»Komm erst mal von der Drachenwiege herunter und iss etwas, ich habe schon alles vorbereitet. Viel ist es ja nicht aber es reicht für uns beide. Ich lege deinen Sohn derweil trocken. Der hat in meinen Mantel hinein gemacht.« Und dann fügte Artur noch schnell hinzu: »Wir reisen heute nach Art der Kobolde, das geht viel schneller und ist auch weniger gefährlich. Bestimmt treiben sich noch hier in der Gegend ein paar dragolianische Reiter herum. Denen in die Hände zu fallen, ist heute nicht mein Wille, das kannst du mir glauben.«
Aus dem Tuch, welches auf dem Stein lag, schnitt Artur für den Knaben eine Windel zurecht. Nach dem der Kobold sie dem Knaben angelegt hatte, säuberte er – natürlich nach Koboldart – seinen Mantel. Mit seinem Zauberstab ging das im Nu. Und auch für Salia konnte er aus dem Tuch noch ein Gewand anfertigen. Das Nachthemd, welches sie die ganze Zeit auf der Flucht getragen hatte, hing ihr in Fetzen vom Leib.
Nach dem Salia gegessen hatte zog sie ihr neues Gewand an. Sie fühlte sich in der Tat schon viel besser. Während sie sich wieder um ihren Sohn kümmerte, konnte Artur alle Reisevorbereitungen treffen. Gleich würde es fiel schneller gehen.
Salia schaute dem Kobold interessiert zu. »Artur, was meintest du vorhin mit dem Reisen nach Art der Kobolde? Ist das gefährlich?«, fragte sie.
Artur hielt für einen Augenblick inne und erklärte kurz. »Sieh her, ich nehme diese Schale aus Holz. Die vergrößere ich so, dass wir beide mit dem Kind darauf Platz finden. Dann beschwöre ich die Schale mit der Hilfe meines Zauberstabes und sie erhebt sich. Wir fliegen also.«
Salia bekam vor lauter staunen den Mund beinah nicht mehr zu. Ungläubig fragte sie den Kobold. »Fliegen, so richtig fliegen? Oh Artur das mag etwas für euch Kobolde sein, aber nicht für mich und meinen Sohn.« Mit diesen Worten drückte sie Tabor noch fester an sich.
»Ach was, das ist sicherer als am Boden herumzuwandern und sich immer zu verstecken, wenn Gefahr in der Nähe ist«, erwiderte der Kobold.
Salia wollte gerade noch etwas zu bedenken geben, da hörten beide vor dem Eingang der Höhle ein tiefes Brummen. Vom Schutzbann aufgehalten, stand ein riesiger Bär vor dem Eingang. Er konnte offenbar nicht verstehen, warum er nicht hinein konnte. Salia fuhr der Schreck in alle Glieder und sie wich unwillkürlich an die Höhlenwand zurück.
»Da hast du es«, rief Artur. »Der kann uns in der Luft nicht begegnen. Glaub mir, fliegen ist sicherer. Und jetzt komm endlich, damit wir hier herauskommen, muss ich die Schale beschwören und den Schutzbann auflösen. Wir fliegen über seinen Kopf hinweg, sodass er uns nicht erwischen kann.« Mit einer kreisenden Bewegung seines Zauberstabs vergrößerte der Kobold die Schale so, dass sie beide mit dem Kind darauf Platz fanden und fliegen konnten.
Salia nahm schnell mit dem Knaben auf Arturs Flugschale ihren Platz ein. Der Kobold setzte sich neben sie und beschwor die Schale. Sie fing an zu schweben. Als sie fast an der Höhlendecke angelangt waren, hob Artur den Schutzbann mit einer Handbewegung auf. Sofort stürmte der Bär in die Höhle, und mit einem furchterregenden tiefen Brüllen wollte er sich auf alles stürzten, was seiner Meinung nach nicht hier hergehörte. Doch es war vergebens. Schnell und sicher lenkte Artur die Schale ins Freie. Sie gewannen an Höhe und Artur lenkte das eigenartige Fluggerät geradewegs nach Norden. Dort hatte er sein zu Hause und dort waren seine sechs Brüder, die Koboldbande.
Der Flug ging nun hoch über Täler und Berge, vorbei an rauschenden Wasserfällen und sich im Wind biegenden Bäumen. Sie folgten zunächst dem Lauf eines Flusses und dann ging es weiter zwischen zwei der vielen hohen Berge hindurch. Für Salia war diese Aussicht atemberaubend. Nie zuvor hatte sie so etwas erlebt. Für einen Augenblick vergaß sie sogar das Leid der letzten Tage und die Trauer um ihren Mann und all die anderen Bewohner ihres Dorfes. Herausgerissen aus ihrer kleinen Welt erlebte sie nun etwas Neues, dass sie sonst nur von den Erzählungen der alten Leute in ihrem Dorf, oder von den Berichten reisender Händler kannte. Und selbst die hatten noch nie von den Kobolden berichtet, die mit Holzschalen durch die Lüfte flogen.
Salia hielt den kleinen Tabor fest in den Armen. Sie ließen die ersten Berge hinter sich und überflogen ein großes lang gestrecktes Tal. In diesem Tal stand ein dichter Wald. Er endete erst an den steilen Hängen der nächsten Berge. Immer höher musste Artur die Schale lenken, denn die Berge schienen ihnen entgegen zu wachsen. Es wurde langsam ungemütlich kalt. Doch dann lenkte Artur die Schale in ein kleines abgelegenes Tal zwischen den höchsten mit Schnee bedeckten Bergen.
Er landete sanft auf einer kleinen Lichtung. Ringsherum standen hohe Bäume und die Sonne drang mit ihrem Licht nur schwach bis zum Boden durch. Hier war es selbst am hellen Tage recht dunkel. Die Reisenden stiegen von der Schale und sahen sich um. Mit einem leisen Zischen schrumpfte das Fluggerät wieder auf seine normale Größe zusammen.
»Sag mal Artur, ist das hier etwa dein zu Hause?«, wollte Salia wissen. »Nicht ganz«, antwortete der Kobold. »Wir müssen noch durch diesen Berg.« Er zeigte mit seinem Stab in die Richtung des größten Berges, der das Tal vom Norden her umgab. »Wir gehen ein kleines Stück durch den Wald und dann in den Tunnel, den mein alter Freund Bebo hier schon vor langer Zeit gegraben hat. Nur keine Angst wir sind bald da.«
Salia nickte nur und gab Artur die Schale, die sie aufgehoben hatte. Dann folgte sie ihm.
Durch den Wald führte ein enger Weg. So wie es Artur gesagt hatte, war am Waldrand der Tunnel zu sehen. Und es gab noch etwas zu betrachten. Auf einem Baumstumpf, direkt vor dem Eingang, stand ein Kobold mit einer Laterne. Er war noch ein wenig kleiner als Artur und recht schlank. Auf seinem Kopf trug er eine grüne Mütze, sie schien ihm etwas zu groß zu sein und rutschte ihm wohl nur wegen seiner großen, abstehenden Ohren nicht über den Kopf. Des Weiteren trug er eine grüne Jacke mit einem Gürtel und gelbe Hosen. An den Füßen hatte er, genau wie Artur, braune Stiefel.
Als er die Ankömmlinge sah, geriet er in helle Aufregung und schwenkte die Laterne hin und her.
»Juhu, juhu, Artur ist wieder da und er hat Besuch mitgebracht. Fein fein, da freut sich Ohle mit Laterne aber sehr«.
Salia musste beim Anblick des aufgeregten Kerlchens unwillkürlich lachen. Der sprang vom Baumstamm und lief ihnen entgegen. Auch Artur konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Als Ohle das Bündel mit dem Knaben in Salias, Armen entdeckte geriet er gerade zu in Verzückung. »Oh was haben wir denn da, ein Kindlein. Lass es Ohle sehen, oh bitte, lass es den Ohle mit Laterne sehen.«
»Na, na, Ohle, erst einmal begrüßt man doch die Ankommenden und dann fragt man, ob man das Kind sehen darf.« Artur schüttelte tadelnd den Kopf. »Oh ja, seid gegrüßt alle miteinander ihr hübschen ihr. Ohle mit Laterne hat schon seit dem frühen Morgen hier im dunklen Tal auf euch gewartet. Und nun, bitte bitte lass sehen das Kindchen, das Süße, das Kleine, das …«
Ohle hatte offenbar nicht den hellsten Kopf, aber als er mit seiner langen spitzen Nase an dem Bündel mit dem Knaben roch, konnte auch er erkennen, was er vor sich hatte.
»Das, das ist ja, dieser Geruch – ein Drachenjunge, oh Ohle hat das schon lange nicht mehr gerochen. Schon einige Hundert Jahre nicht. Das ist der Geruch der Drachenwiege.«
Salia sah Artur fragend an.
»Ohle riecht alles, er muss nur die Nase in den Wind halten. Dann weiß er genau, wer sich in der Nähe befindet. Doch jetzt lass uns gehen. Wir wollen die Brüder auf der anderen Seite des Berges nicht länger warten lassen.«
Sie gingen in den Tunnel und Ohle wollte mit seiner Laterne der Erste sein. Er musste den Weg ausleuchten, denn der Tunnel verlief kreuz und quer und mit den vielen Nebengängen war er wie ein Labyrinth angeordnet.
Das gab Salia die Möglichkeit Artur etwas zu fragen: »Sag mal Artur, wie viele Brüder gibt es denn? Und wie alt seit ihr eigentlich?«
Artur schaute zu ihr hoch. Er würde ihr wohl noch so einiges zu erklären haben und er musste sich auch überlegen, wo Salia mit dem Jungen in Zukunft bleiben konnte. »Also«, begann er mit seiner Erklärung, »wir sind sieben Brüder. Auf der anderen Seite des Berges wirst du die anderen kennenlernen. Wir sind schon über siebenhundert Jahre alt und können, mit etwas Glück, noch mal so alt werden.«
»Und woher kommt ihr, ich meine wer sind eure Eltern, na du weißt schon, Vater und Mutter und so weiter.«
Artur fiel es offenbar nicht leicht, über die Vergangenheit der Kobolde zu sprechen. »Wir sind nicht wie ihr Menschen entstanden, wir wurden erschaffen. Einst gab es einen sehr alten, fremden Mann. Seinen Namen kennen wir nicht. Wir wissen nur, dass wir aus sieben Toneiern erschaffen wurden. Der alte Mann verschwand irgendwie am ersten Tag unseres Lebens. Frag mich nicht, wieso und warum. Wir wissen es nicht. Doch seit diesem Tag leben wir hier. Das Haus, das wir bewohnen, ist eigentlich das Haus dieses alten Mannes. Wir haben oft versucht etwas über ihn in Erfahrung zu bringen, aber niemand wollte über den verschwundenen Mann sprechen. Und seine Bücher, die er hinterlassen hat, können nur wir lesen. Sie sind in einer fremden Sprache geschrieben, die hier in der ganzen Gegend keiner kennt.«
Salia merkte, dass da noch mehr war als Artur ihr erzählte. Aber sie wollte nicht weiter fragen, denn Artur machte ihr ein zu trauriges Gesicht.
Nachdem sie noch eine Weile schweigend durch den Tunnel gegangen waren, sahen sie das Licht an seinem Ende.
»Joho, wir sind da, schön, schön, und jetzt hat Ohle mit Laterne viel Hunger. Der kleine Ohle hat nämlich heute noch kein zweites Frühstück gehabt.« Mit diesen Worten schlug Ohle einen Purzelbaum. Das war offensichtlich seine Art, sich zu freuen.
Am Ende des Tunnels konnte man ein großes Tal sehen. Eingeschlossen von hohen, mit schneebedeckten Bergen, erstreckte es sich so weit das Auge sehen konnte. Weiter unten im Tal wuchs ein dichter Wald, während der obere Teil des Tales mit einer Wiese bedeckt war. Auf dieser Wiese stand ein einziger großer Baum. Er war fast so breit wie hoch und um seinen Stamm herum führte eine Treppe mit einem Geländer. Man konnte schon von Weitem den Eingang und die runden Fenster sehen. In seinen Ästen hing frisch gewaschene Wäsche und es duftete überall nach frischem Heu. Ein Stück hinter dem Wohnbaum stand ein kleines Häuschen, aus rohen Balken gezimmert. Das Dach war mit Holzschindeln bedeckt, auf denen wiederum eine dicke Schicht Moos wuchs. Die Eingangstür stand offen und eine Staubwolke quoll heraus. Da machte wohl gerade jemand sauber.
Beim Näher kommen konnten die Ankömmlinge einen dicken Kobold erkennen, mit einem goldenen Helm auf dem Kopf und einer schwarzen Schürze um den Bauch, der gerade mit einem Strohbesen rückwärts kehrend, aus dem Häuschen kam. Er pfiff ein fröhliches Liedchen und war so in seine Arbeit vertieft, dass er sich vor Schreck einmal um seine eigene Achse drehte als Artur ihn ansprach: »Na Bebo, gerade beim Hausputz? Das trifft sich gut wir haben nämlich zwei Gäste.«
Mit einer weiten Handbewegung zeigte er auf Salia und dem kleinen Tabor. »Oho, einen wunderschönen Tag wünsch ich auch. Hoffentlich war die Reise angenehm.« Mit diesen Worten nahm Bebo seinen Helm vom Kopf und gab Salia die Hand. Nun fanden sich auch die anderen Brüder schnell ein.
Artur stellte sie alle vor. »So Männer, darf ich mal um einen Augenblick Ruhe bitten!«, rief er ihnen zu. Das allgemeine Gemurmel hörte sofort auf und wich einer kurzen Stille. Er zeigte mit seinem Zauberstab auf Salia. »Dieses Mädchen ist Salia mit ihrem Sohn Tabor.« Dann zeigte er auf seine Brüder. »Diese ungewaschenen Kerle hier sind meine Brüder. Ohle und Bebo hast du ja schon begrüßt. Der mit dem rosa Anzug und dem hohen Hut ist Snobby und jener mit der roten Schürze und dem dreieckigen Hut ist Vinus. Der mit der blauen Jacke und dem kleinen Hut ist Soldatis und der Kerl mit der hellbraunen Jacke und der Zipfelmütze, das ist Knurr. Das Häuschen, das Bebo gerade geputzt … ha… ha… hatschi …, Entschuldigung, der Staub ist mir in die Nase gekrochen, … das ist unser Gästehaus. Von nun an ist es dein neues Heim. Wir werden dir helfen, wo wir können und ich hoffe doch, dass es dir bei uns gefallen wird.«
Als Artur das sagte, brach beinah eine Schlägerei aus. Jeder dieser bärtigen Gesellen, bis auf Knurr, wollte Salia das Häuschen von innen zeigen. Dabei gab es da drinnen gar nicht viel zu sehen. Um den Streit zu beenden, fasste Salia Knurr einfach an die Hand und fragte ihn mit einem treuherzigen Blick.
»Zeigst du mir, was es in eurem Gästehaus so alles gibt?«
Knurr bekam vor Überraschung fast den Mund nicht zu. »Wer äh, ich, wieso denn ich, die anderen würden doch bestimmt viel lieber … ich meine das könnte doch auch der …« Weiter kam er nicht.
»Doch, du bist der Richtige, komm lass uns in das Haus gehen. Ich muss mich unbedingt um Tabor kümmern. Und ich muss mich ausruhen, denn die Reise und die Geburt des Kleinen waren sehr anstrengend.«
Während sie das sagte, beugte sie sich zu Knurr nach vorn, sodass er den Knaben in Augenschein nehmen konnte. Der Junge hatte von alle dem noch nichts mitbekommen und schien immer noch zu schlafen. Selbst so ein Raubein wie Knurr war beim Anblick des Kindes in seinem Herzen so gerührt, dass er ohne weiteren Widerspruch Salia das Innere des Gästehauses zeigte. Es war eigentlich nicht viel mehr als eine große und eine kleine Kammer. In der großen Kammer befand sich ein Kamin zum Wärmen und zum Essen kochen, ein Tisch mit zwei Stühlen, ein kleiner und ein großer Schrank, sowie ein Bett. In der kleinen Kammer standen auch ein Bett und eine Truhe. Da Salia von ihrem zu Hause her nicht viel mehr gewöhnt war, befand sie das alles als völlig ausreichend. Knurr erklärte ihr, wo sich das Geschirr und die Wäsche befanden, und sah Salia beim Trockenlegen des Knaben zu. Auch Artur gesellte sich dazu. Die anderen schauten durch die offene Tür herein. Als sie Tabor gut eingepackt hatte, scheuchte sie jedoch alle hinaus. Beim Füttern des Kleinen wollte Salia ungestört sein.
Draußen hatte Artur Mühe, seine aufgeregten Brüder zu beruhigen. Als Anführer der Koboldbande hatte er zwar eine große Autorität, doch was nützte das, wenn ein hübsches Mädchen und ein süßer kleiner Knabe so unerwartet alle Koboldherzen eroberten.
Erst als Artur eine Versammlung im Baumhaus befahl, und versprach alles genau zu berichten, konnten sich die Gemüter der Brüder wieder einigermaßen beruhigen. Vinus brachte Salia etwas zu essen und frische Kleider. Er versprach ihr auch, auf den kleinen Tabor aufzupassen, während sie schlief.
Als er gegangen war, legte Salia ihren Sohn an die Brust und schaute ihm beim Trinken zu. Dabei kamen ihr die Bilder der letzten Tage wieder in den Kopf. Da war der Angriff der Dragolianer, der Kampf ihres Mannes mit einem der Feinde und ihre Flucht. Sie wusste nicht genau, ob ihr Mann tot oder gefangen war. Für sie war das fast dasselbe. Sie wusste nur, dass sie aus dem brennenden Dorf gerannt war. Artur kam ihr in den Kopf. Ohne ihn hätte sie die Flucht nicht überlebt. Nur mit seiner Hilfe konnte sie ihren Sohn überhaupt zur Welt bringen. Bei all diesen Gedanken fing sie an zu weinen. Die Tränen rollten ihr über das Gesicht. Jetzt kam in ihr die Trauer hoch und sie vermischte sich mit Wut. Immer mussten die Grenzdörfer die Angriffe der Dragolianer ertragen und mit ihrem Blut bezahlen. Doch diese waren es nicht allein. Ihre Heimat, das Königreich Ansuni wurde vom Osten her von dem mächtigen Priesterkönig Tholoam mit seinen Dragolianern bedroht. Im Süden waren es die Obinarer mit ihrem König Alsacan, eine mit den Dragolianern verwandte Rasse. Salia hatte schon einmal einige ihrer Händler gesehen. Ihre Haut war, im Unterschied zu den Dragolianern, oft hellbraun und im Gesicht waren sie gelb. Sonnst sahen sie, mit ihrem Knochenkamm auf dem Kopf, den Dragolianern sehr ähnlich. Im Westen war das Meer und in diesem Meer lag das große Inselreich Avanura. Dort lebten fast nur Menschen. Die waren durch die Insellage vor Angriffen wesentlich sicherer.
Ihr König, Core von Avanura, war ein Verbündeter von König Harold von Ansuni. Beide waren Brüder. Im Norden lag das Drachengebirge. In seinen hohen Bergen, tiefen Tälern und Schluchten hausten allerlei Kreaturen, vor denen die Menschen und auch ihre Feinde sich fürchteten. Kaum einer von ihnen wagte sich weiter, als unbedingt nötig in dieses Gebirge hinein. Hier lebten nicht nur die sieben Kobolde, sondern auch Trolle, Nymphen, Elfen, Gnome und Zauberer. Außerdem waren die Berge einst die Heimat der Drachen. Einer Legende nach, so hatte Salia es von Artur gehört, sollten sie weit oben im ewigen Eis des Nordens schlafen und erst erwachen, wenn es jemandem gelingt, sie mit einem magischen Horn zu wecken. Doch niemand wusste, wo das Horn war. Es galt als verschollen. Salias Mutter hatte ihr, als sie noch ein kleines Mädchen war, ebenfalls diese Legende erzählt.
Salia ging all das durch den Kopf, und sie wachte erst aus ihren Gedanken auf als Tabor mit dem Trinken fertig war und ein mächtiges Rülpsen zum Besten gab. Sie wischte sich die Tränen ab und legte ihren Sohn in eine Holzkiste, die als Wiege hergerichtet war. Es schien fast so, als schaute der Kleine sie zufrieden und glücklich an. Er gähnte noch ein Mal und schlief gleich ein. Jetzt konnte Salia sich endlich um sich selbst kümmern.
Unterdessen ging es im Baumhaus hoch her. Mit absoluter Spannung verfolgten Arturs Brüder seinen Bericht. Als dieser fertig war, stellte Bebo die alles entscheidende Frage. »Sag es uns doch mal genau Artur. Was um alles in der Welt hat dich nur dazu getrieben, das Mädchen auf die Geburtswiege der Drachen zu legen, damit sie den kleinen Tabor genau dort zur Welt bringen kann? Gerade du müsstest doch am besten wissen, das so etwas sehr gefährlich ist.«
Artur machte eine ernste Mine. »Ich weiß, wie gefährlich das ist, aber bedenkt doch mal: Haben die Menschen auf Dauer eine Chance sich gegen die Übermacht der Dragolianer und der Obinarer zu wehren? Ich denke doch, dass es das Beste ist, wenn wir den Drachenjungen hier behalten und wenn die Zeit reif ist, werden wir ihn auf seine Aufgabe vorbereiten. Dabei wird jeder seinen Teil beitragen. Es muss uns einfach gelingen, dieses unselige Morden und Versklaven zu beenden.«
Doch damit war Bebo noch lange nicht zufrieden. »Wie sollen wir denn das anstellen?«, bohrte er weiter.
»Ja Artur, wie?«, fragte nun auch Soldatis. »Bis der Knirps das Alter zum Kämpfen hat, werden viele Jahre vergehen. Und wie soll er jemals die Drachen im Drachenhort hoch oben im Norden finden und erwecken, wenn er nicht das Drachenhorn benutzen kann. Niemand weiß, wo das Ding zu finden ist.«
Das war ein berechtigter Einwand. Artur überlegte einen Augenblick, ehe er darauf antwortete.
»In der Tat, wir wissen es nicht, aber bis Tabor zu einem Kämpfer herangewachsen ist, müssen wir das Horn gefunden haben. Oder wir müssen zumindest seinen Aufenthaltsort kennen. Ich schlage vor, dass wir so schnell wie möglich mit der Suche beginnen. Ich selbst werde noch heute in unserem Archiv alles zum Thema Drachenhorn lesen.«
»Na da wünschen wir dir viel Spaß Artur!«, rief Snobby dazwischen.
Allgemeines Gelächter kam auf und Artur machte wieder eine ernste Mine.
Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, teilte Artur seine Brüder für ein paar Aufgaben zur Unterstützung Salias ein und schloss dann die Versammlung. Bebo hielt er noch einen Augenblick zurück.
»Warte mal, dich wollte ich noch etwas fragen. Hast du eigentlich schon den Kristall gefunden, den du in deinem Bergwerk suchst?«
Bebo lächelte und legte seine rechte Hand auf Arturs linke Schulter. »Den habe ich noch am Tag deiner Abreise gefunden. Ein sehr schönes Stück, ganz hellblau und glasklar. Ich muss ihn nur noch ein wenig schleifen, dann ist er fertig.«
»Das ist ja wunderbar – wenn er fertig ist, gib ihn mir. Ich will seine Kräfte ausprobieren. Hoffentlich ist er nicht zu klein.«
Bebo schüttelte heftig den Kopf. »Da mach dir mal keine Sorgen, er ist so groß wie meine Faust.« Er hielt Artur seine rechte Faust unter die knollige Nase.
Der war sichtlich beeindruckt. »Na gut das wollte ich nur noch wissen.«
Bebo sah in Arturs nachdenkliches Gesicht und versuchte ihn aufzumuntern. »Weißt du Artur, ich habe das Gefühl, das wir es auch dieses Mal schaffen werden. Glaub an deine Kraft, alter Freund.« Mit diesen Worten ließ er seinen Bruder allein.
Während die anderen ihre Aufgaben erledigten, ging Artur in den Keller des Baumhauses. Dort befand sich das Archiv. Schon als er eintrat, sah er, warum die anderen bei Snobbys Bemerkung gelacht hatten. Hier hatte jemand für einige Unordnung gesorgt. Doch Artur nahm es gelassen, so etwas konnte ihn schon seit mindestens fünfhundert Jahren nicht mehr aus der Ruhe bringen. Er las bis spät in die Nacht hinein und schlief am Morgen über seine fielen Bücher und Notizen ein. Nur den Hinweis, den er suchte, den fand Artur nicht. Es würde wohl doch eine anstrengende Suche werden. Artur ahnte ja nicht im Entferntesten, was er da für sich und die anderen Kobolde, ja sogar für Salia und Tabor, für eine Aufgabe ausgewählt hatte. Doch nun war es zu spät. Das Schicksal des Zeitalters der Zauberer und der Kobolde nahm seinen Lauf.
Die nächsten neun Jahre vergingen, ohne dass jemand auch nur den Hauch einer Spur von diesem magischen Drachenhorn gefunden hatte. Im Tal der Kobolde wechselte sich der kurze milde Bergsommer mit dem langen strengen Winter gleichmäßig ab. Ein Jahr schien hier wie das andere zu sein. Und doch war dem nicht unbedingt so. Aus dem kleinen Tabor war schon ein recht großes Kerlchen geworden. Immer lustig und verspielt und mit einer gehörigen Portion Schabernack ausgerüstet, hielt er die armen Kobolde und seine Mutter jeden Tag auf Trab. Einmal war Tinte im Waschwasser von Knurr, sodass er einen blauen Bart nach dem Waschen hatte. Ein anderes Mal war der Helm von Bebo versteckt und dieser musste ihn einen halben Tag lang suchen. Oder er goss Ohle Wasser in die Laterne, sodass er sie erst putzen musste.
Artur gab ihm deshalb immer öfter kleinere Aufgaben auf, die er zu erledigen hatte. So brachte er Tabor lesen und schreiben bei und lehrte ihm das Rechnen. Mit seinen neun Jahren war er schon so groß, wie Artur selbst. Und er war ein kluger Schüler, der Artur und den anderen aufmerksam zuhörte. Salia sagte ihrem Sohn immer wieder, wie wichtig das Lernen ist. Damit Tabor auch das Leben der Menschen kennenlernte, nahm Artur ihn seit einiger Zeit auf seine Reisen mit. Sie führten ihn in die Städte und Dörfer der Ansunier und der Avanurer. Dort sah er sich die Leute und ihr geschäftiges Treiben an. Artur kaufte ihm dann immer etwas zum Anziehen, denn seine eigenen Schneiderkünste hielten sich in Grenzen. Tabor wuchs so schnell aus allen Sachen heraus, das der Kobold meinte, zugucken zu können. Ab und zu gab es dann noch etwas zum Spielen. Puppen mochte Tabor nicht, aber ein Holzschwert, das war schon eher etwas für ihn.
Kurz nach seinem neunten Geburtstag reisten die beiden wieder einmal nach Krell. Das war die Hauptstadt von Avanura, dem mächtigen Inselreich von König Kore. Wie üblich ging es zuerst durch den Tunnel. Durch die hohen Berge war es unmöglich, zu fliegen. Wenn man sie mit einer Flugschale überqueren wollte, würde man unweigerlich durch die viel zu dünne Luft ersticken. Also begann der Flug erst im dunklen Tal hinter den großen Bergen. Die Flüge zu anderen Orten machten Tabor immer viel Spaß, denn er konnte sich die Landschaft ansehen und die Tiere beobachten. Beim letzten Flug währen sie beinah an einem Baum hängen geblieben, da Tabor sich zu weit über den Rand der Schale gebeugt hatte und sie somit aus dem Gleichgewicht gerieten.
Nach dem die beiden gestartet waren, ging es immer nach Südwesten. Sie flogen vorbei an den Bergen, über Täler, Wälder und Flüsse. Dann kam das Meer und danach das Inselreich Avanura. In der Nähe der Stadt Krell suchte sich Artur einen günstigen Landeplatz. Zu nah bei der Stadt zu landen war nicht gut, denn dann hätte sie jemand sehen können.
Etwa drei Meilen vor der Stadt lag ein kleiner Bauernhof. Er lag abseits jeder Straße und wurde von einem alten Freund der Kobolde bewirtschaftet. Jockel, so hieß der Bauer, lebte dort mit seiner Frau und den drei Kindern. Heute wollten Artur und Tabor sie besuchen. Bei Jockel bekam Artur einige Dinge billiger als auf dem Markt der Stadt. Deshalb landeten sie auf der Kuhweide des Bauern. Als sie sich dem Hof näherten, fiel ihnen auf, dass niemand sie wie sonst üblich begrüßte.
»Komisch Artur, wo sind die denn alle hin? Nicht mal der Hund ist da«, wunderte sich Tabor.
»Ja das ist merkwürdig. Jockels Frau ist sonnst immer auf dem Hof«, meinte Artur ebenfalls verwundert. »Sehen wir im Haus nach, vielleicht ist ja jemand krank, oder es ist auf dem Feld ein Unglück geschehen …« Weiter kam Artur nicht. Er sackte plötzlich zu Boden und blieb dort regungslos liegen.
Tabor erschrak und beugte sich sofort über ihn. In Arturs Hals steckte ein kleiner Pfeil. Er wollte ihn herausziehen doch plötzlich hatte er einen stechenden Schmerz im linken Oberarm. Er fiel neben Artur hin und dann wurde es dunkel.
Jetzt kamen die Angreifer aus ihren Verstecken hervor. Mit Speeren, Pfeil und Bogen, und Messern bewaffnet näherten sie sich sehr vorsichtig ihren Opfern. Es waren Minitrolle, nicht viel größer als ein Hase und selbst einem Kind wie Tabor an Kraft weit unterlegen. Da sie aber stets in großen Rudeln zu erscheinen pflegten, war das für sie nicht weiter schlimm. Für ihre Beute dagegen sehr. Diese kleinen dunkelgrauen Gesellen waren einfach eine Plage. Normalerweise lebten sie im Gebiet der Obinarer. Was wollten sie hier?
Tabor wachte nach einer Stunde als Erster wieder auf. Er lag immer noch am Boden und konnte seinen Kopf nur mit Mühe drehen. Hände und Füße hatten ihm die Minitrolle mit dicken Stricken zusammengebunden. Sie mühten sich gerade eifrig damit ab, über Tabor eine Art Gerüst aufzustellen. Als er den Kopf erneut drehte, konnte Tabor den armen Artur sehen. Die Minitrolle hatten ihn ein Stück beiseite gerollt. Er schlief immer noch tief und fest.
Nun kam ein etwas größerer dicker Kerl auf ihn zu. Mit kratziger Fistelstimme sprach er den Jungen an: »Nah, schon wieder wach? Du erholst dich aber schnell. Kein Wunder, du bist ja auch der Drachenjunge.«
»Und wer bist du?« Tabor brachte die Frage nur mit Mühe hervor.
Der dicke Troll grinste ihn unverschämt an. »Ich? Ich bin Barbaron, der mächtige König aller Minitrolle.«
Bei diesen Worten piekste der freche Kerl Tabor mit seinem kleinen Speer in die Nase.
»Au! Lass das sein, du feiger Schuft!«
Tabors Reaktion rief allgemeine Heiterkeit bei den Minitrollen hervor, denn alle fingen an zu kichern und ihr König sprach den Jungen erneut an: »Na, na, wer wird denn da so empfindlich sein?«
Jetzt erst bemerkte Tabor, das dieses Trollrudel ohne Ausnahme nackt war. Nur ein Stück Leder vorn und hinten, mit einem Riemen zusammengehalten, das war alles, was sie anhatten. »Wieso habt ihr eigentlich so wenig an? Ihr seid ja fast nackt?«
»Stimmt«, entgegnete Barbaron. »Wir brauchen auch nicht mehr. Uns stört weder Hitze noch Kälte. Ja wir können sogar im Feuer baden. Und genau das haben wir auch mit dir vor, mein Drachenjunge. Du wirst uns köstlich schmecken.«
Er drehte sich zu seinen Leuten um und rief. »He Jungs, ich hoffe ihr habt das Salz nicht vergessen! Sonst schmeckt der Knabe so lasch! Ihr wisst doch genau, dass ich das hasse!«
Ein johlendes Gelächter war die Antwort.
»Wieso wollt ihr mich denn essen? Ich habe euch doch gar nichts getan!«, rief Tabor.
»Oh«, erwiderte Barbaron. »Das ist nichts Persönliches, wir haben nichts gegen dich, und auch nichts gegen den Kobold. Wir haben … nun ja, es ist eben ein Auftrag. Ein Geschäft – verstehst du? Den Namen des Auftraggebers sag ich dir lieber nicht.«
Tabor geriet immer mehr in Panik. Wenn nur Artur wach wäre, der wüsste bestimmt, was zu tun ist. Er drehte sich, so gut er konnte, Hilfe suchend zu ihm um.
»Du kannst keine Hilfe von ihm erwarten, denn er hat eine doppelte Portion Schlafgift bekommen. Der schnarcht bestimmt bis morgen früh durch«, rief triumphierend einer der anderen Trolle. Jetzt wurde dem Jungen klar, zu was das Gerüst dienen sollte. Es war fertig, und Barbaron gab den Befehl, Tabor damit in die Höhe zu ziehen und so zu positionieren, dass unter ihm ein Feuer entfacht werden konnte. Sie brachten Haken an die Fesseln der Arme und Beine von Tabor an und zogen ihn, wie mit einer Seilwinde, in die Höhe.