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Der Häuptling der Tonkawa hatte seit einer guten Meile kein Wort gesprochen und ritt noch vor den Spähern, die Colonel Ranald S. McKenzie seinem Indianerscout an die Seite gestellt hatte. Die vierte US-Kavallerie näherte sich der Talkante des Palo Duro Canyon.
An einem Felsvorsprung gebot der Tonkawa Halt.
"Was ist los?", fragte McKenzie im schroffen Ton eines Mannes, der an diesem Morgen nichts außer Ungeduld empfunden hatte. "Die verdammten Indianerdörfer müssten längst in Sicht sein."
Der Häuptling hob den Arm und deutete auf eine dünne Rauchsäule, die von der Talsohle des Canyons aufstieg. Sie war von einem Ring aus winzigen Tipis umgeben, die McKenzie beim ersten Blick in die Schlucht entgangen waren.
"Na endlich", sagte der Colonel. "Jetzt geht's ihnen an den Kragen."
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Seitenzahl: 129
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Zwischen Leben und Tod
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-6306-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Zwischen Leben und Tod
Der Häuptling der Tonkawa hatte seit einer guten Meile kein Wort gesprochen und ritt noch vor den Spähern, die Colonel Ranald S. McKenzie seinem Indianerscout an die Seite gestellt hatte. Die vierte US-Kavallerie näherte sich der Talkante des Palo Duro Canyon.
An einem Felsvorsprung gebot der Tonkawa Halt.
»Was ist los?«, fragte McKenzie im schroffen Ton eines Mannes, der an diesem Morgen nichts außer Ungeduld empfunden hatte. »Die verdammten Indianerdörfer müssten längst in Sicht sein.«
Der Häuptling hob den Arm und deutete auf eine dünne Rauchsäule, die von der Talsohle des Canyons aufstieg. Sie war von einem Ring aus winzigen Tipis umgeben, die McKenzie beim ersten Blick in die Schlucht entgangen waren.
»Na endlich«, sagte der Colonel. »Jetzt geht’s ihnen an den Kragen.«
Palo Duro Canyon, Texas, September 1874
Das Püppchen war ein Geschenk ihres Bruders und bestand aus trockenem Präriegras, das an der Taille und unter dem Hals mit festerem Süßgras zusammengebunden war. Die Augen bestanden aus zwei angenähten Glasperlen, die sie in Fort Sill von einem Händler erhalten hatten, der Tauk und die anderen Kiowa-Kinder gemocht hatte.
Tauk vermisste das Püppchen.
Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit hatte es die Zehnjährige nicht unter den Ledergürtel gesteckt, als sie an der Seite ihrer Mutter das Teepee verlassen hatte. Sie hatte das Püppchen in dessen Bett an der Feuerstelle gelassen, wo es – so hatte Tauk gedacht – an diesem kühlen Morgen nicht frieren würde.
Jetzt hing Tauk an der Hand ihrer Mutter und wollte zurück.
Sie hatten die Warnrufe der Krieger gehört, die mit weit aufgerissenen Augen und Blut auf den Armen von den Pferden gesprungen und ihnen atemlos von den Weißen im Tal berichtet hatten. Die Fremden trügen Feuerrohre bei sich und hätten bereits den Häuptling der Komantschen erschossen.
Sehnsüchtig sah sich Tauk nach dem Teepeedorf um.
Sie waren erst hundert oder zweihundert Schritte gegangen, zu weit, um das Püppchen noch zu holen und zu nah, um es im Stich zu lassen. Tauk stellte sich ihren Bruder vor, seine hohen Wangenknochen, die ruhigen Augen, die vor Kummer trüb werden würden, sobald er erfuhr, dass sie sein Geschenk zurückgelassen hatte.
Vielleicht war er auch stolz auf Tauk.
Vor sieben Monden waren Tauankia und Tauk bei Nacht durch das Gras gestreift, waren einem schwarzfüßigen Iltis gefolgt, der sich aus seinem Erdloch gewagt hatte. Das Tier narrte sie einige Male und lotste sie durch das halbe Tal, ehe es Tauankia mit einem Pfeil erschoss.
Tauk hatte den Pfeil aus dem Fell ziehen dürfen.
»Versprich mir, kleine Schwester«, hatte Tauankia damals zu ihr gesagt, »dass du immer gehorsam sein wirst. Es sind schlimme Zeiten für unseren Stamm. Es werden Bleichgesichter kommen, die nach unserem Blut verlangen und uns aus dem Tal vertreiben.«
Die Worte aus Tauankias Mund hatten so ernst und traurig geklungen, dass sich Tauk in der folgenden Nacht an das Püppchen gekuschelt und ihm von den Befürchtungen erzählt hatte. Sie hatte ihm gesagt, dass Mutter ganz aufgelöst sei, dass sie vor dem Teepee auf und ab schreite.
Das Püppchen hatte Tauk betrübt aus seinen Glasperlenaugen angeschaut.
»Wohin willst du?«, erklang plötzlich die Stimme ihrer Mutter. Sie riss Tauk aus ihren Erinnerungen. »Es ist zu spät, Tauk. Es ist zu spät für alles.«
Das hüfthohe Büffelgras wogte um die nackten Beine ihrer Mutter und bog sich unter einer Windböe bis zum Boden durch. Tauk folgte dem Windstoß mit den Augen, der wie ein böser Geist durch die Talebene jagte.
»Wieso ist es zu spät?«, fragte Tauk und rannte ein Stück auf das Dorf zu. Sie konnte und wollte das Püppchen nicht zurücklassen. »Ich muss es holen. Ich muss es bei mir haben.«
»Nicht an diesem Morgen!«, erwiderte ihre Mutter streng und wollte sie wieder beim Arm fassen. Sie griff daneben und gab Tauk damit die Möglichkeit zur Flucht.
Wie sie rannte!
Jeden Erdhügel mit zwei Schritten nehmend, setzten ihre kleinen Füße selbst über die staubtrockenen Gräben hinweg, von denen Tauankia stets gesagt hatte, dass die Regengüsse im Frühjahr sie auswuschen. Die Teepees kamen wieder näher, auch wenn sie vor den mächtigen Felswänden in der Ferne bloß wie weiße Tupfen aussahen.
»Tauk!«, hörte sie ihre Mutter schreien. »Komm zurück! Bei allen guten Geistern, komm zurück!«
Wieder schlug ein Büffelgrasbüschel auseinander, wieder federten die Asternbüsche unter Tauks Sohlen, und die Teepees kamen allmählich näher. Sie standen im Rund um das Feuer, wie Tauk es gewohnt war, und leuchteten im matten Schein der Morgensonne.
Dann sah Tauk die Weißen.
Sie preschten auf breiter Front heran, trieben ihre Pferde mit zornigen Sporentritten an und glichen darin den Schatten der bösen Ahnen, von denen Tauankia eines nachts berichtet hatte. Als die Schüsse ihrer Donnerbüchsen den Himmel erbeben ließen, blieb Tauk stehen und heftete den Blick auf ihr Teepee am Lagerrand.
Das Püppchen würde sterben.
Es würde unter den Huftritten der Reiter zerquetscht werden, oder würde ein Raub jener Flammen werden, die bereits die anderen Lager im Tal verschlungen hatten. Die Weißen würden es mit ihren Bajonetten aufspießen, würden es durchlöchern oder zerschneiden, weil sie voll Hass und ohne Gnade waren.
»Tauk!«
Die Arme ihrer Mutter schlossen sich um das Indianermädchen und rissen es fast von den Füßen. Die gepressten Atemstöße der älteren Indianerin strichen über Tauks Gesicht; sie rochen nach zerstampften Nüssen und dem Kraut, das Tauk nicht mochte.
Komm in meine Träume …
Tauk fasste den Gedanken mit solcher Ernsthaftigkeit, dass er dem Püppchen im Teepee unmöglich entgehen konnte. Sie schmiegte sich in die wärmenden Arme ihrer Mutter.
»Wir müssen fort!«, rief Tauks Mutter und riss ihre Tochter mit sich. »Fort von hier! Bloß fort!«
Als Tauk die Augen aufschlug, sah sie die Hunderten von Kiowa, die in alle Richtungen flohen, fort von den Teepees und fort von den Bleichgesichtern. Sie hatten das Nötigste mitgenommen und waren doch ohne Besitz.
Die nackten Füße von Tauks Mutter flogen über die Prärie.
☆
Rock City, Texas, vierzehn Jahre später
Von allen Freudenmädchen, die Rock City in seinen verrauchten Saloons und stinkenden Opiumhöllen zu bieten hatte, musste sich Lassiter ausgerechnet für Jasmine-Sassy entscheiden. Die junge Texanerin war für ihre lose Zunge mindestens ebenso berüchtigt wie für ihre Extravaganzen im Bett.
»Runter mit dir!«, zischte Sassy und drückte den Mann der Brigade Sieben mit Wucht in die Kissen. Sie saß auf ihrem breitschultrigen Geliebten und ritt ihn wie einen widerspenstigen Jährling. »Oder soll ich dir ein Indianermädchen rufen?«
Wäre Lassiter nicht erst in dieser Nacht von einem anstrengenden Auftrag in Fort Worth heimgekehrt, bei dem er einen Sträfling quer durch das County gejagt hatte, wäre er um eine Antwort weniger verlegen gewesen. Er hatte sich auf einige Stunden leidenschaftlicher Gesellschaft gefreut, sich jedoch stattdessen einen Wildfang eingehandelt.
»Redest du nicht mit mir?«, stachelte ihn Sassy zu einer Antwort an. Sie war bis auf einen schmalen Strumpfhalter nackt, dessen angenähte Glöckchen bei jeder Bewegung klimperten. »Du hast mich bezahlt und kriegst, was man von Jasmine-Sassy erwartet!«
Ohne auf die Erwiderung ihres Freiers zu warten, stieg Sassy von Lassiter herunter und bearbeitete seinen steifen Pint mit dem Mund weiter.
Unter seinem Rücken fühlte Lassiter das aufgebrochene Siegel des Telegramms, das ihm vorhin ein Kurier unmittelbar in den Canyon Saloon gebracht hatte. Er hatte es hastig gelesen, als Sassy schon im Zimmer gewesen und sich entkleidet hatte. Die Nachricht war aus dem Kriegsministerium gekommen.
»Was hast du?«, fragte Sassy und ließ einen Augenblick lang von ihm ab. Sie glitt mit ihren langen schlanken Armen an Lassiters Oberkörper hinauf. »Du scheinst dich kein bisschen um mich zu kümmern.«
Wortlos rollte sich Lassiter zur Seite, griff Sassy bei den Schultern und rang sie mit einem fordernden Kuss nieder. Das Freudenmädchen stöhnte auf und warf seinen schwarzen Haarschopf auf das Kopfkissen. Es taxierte Lassiter mit koketten Blicken und spreizte langsam die Schenkel für ihn.
»Du hast deinen Ruf, Sassy«, meinte Lassiter und betrachtete den nackten Körper vor sich. »Ich wollte dir nicht in die Quere kommen.«
»Mir in die Quere kommen?«, wiederholte Sassy und sah ihn fragend an. Sie war einen Augenblick lang sprachlos. »Du ahnst nicht, welche Männer sonst zu mir kommen.«
Ausgezehrte Rancher mussten dazugehören, dachte Lassiter, und der eine oder andere Kavalleriesoldat aus den benachbarten Forts. Diese Männer erhofften sich gewiss neben Leidenschaft auch ein Quäntchen Zärtlichkeit.
»Stimmt es nicht?«, fragte Lassiter und küsste ihre Schultern. »Stimmt es nicht, was man über dich sagt? Dass du das wildeste Mädchen in Rock City bist?«
Wie ein Schuss aus finsterer Nacht schnellte Sassys Hand aus dem Dunkel und packte Lassiter an der Kehle. Sie zog den großen Mann zu sich herunter und gab ihn frei. »Was meinst du? Willst du mich auf die Probe stellen?«
In der stickigen Kammer knisterte die Luft vor Spannung.
Sie warfen sich übereinander, rutschten beinahe aus dem schäbigen Bett, das mit einem schmierigen Laken bespannt und von einem halben Dutzend bunter Tücher bedeckt war, die das Elend notdürftig kaschierten. Als Sassy eine Hand unter Lassiters Rücken schob, ertastete sie das Telegramm darunter.
»Was ist das?«, fragte Sassy und richtete sich auf. »Nimmst du Briefe mit ins Bett?«
Sie hatte das Schreiben geschickt unter seinem Körper hervorgezogen, bevor Lassiter danach greifen und es in Sicherheit bringen konnte. Er starrte Sassy düster an und streckte die Hand aus. »Meine Geschäfte gehen dich nichts an, Sassy.«
Einige Sekunden lang schien es, als wollte Sassy das Kuvert mit der Telegrammabschrift darin an sich nehmen, dann griff sie hinein und zog das Schriftstück hervor. Sie sprang quer durch die Kammer und las die wenigen Zeilen darauf hastig. »Carrington? Frank Carrington? Der Besitzer vom General Store?«
Die Erwähnung seines Mittelsmannes schürte Lassiters Zorn nur umso stärker. Er hätte das Telegramm längst in die alte Satteltasche stecken sollen, die er aus dem Mietstall mitgenommen hatte. Der Neugier eines Freudenmädchens setzte gewöhnlich nur der Herrgott selbst Grenzen.
»Carrington ist ein Kauz«, sagte Sassy und lächelte vergnügt. Sie verbarg das Telegramm hinter dem Rücken und stolzierte mit wiegenden Hüften auf Lassiter zu. Der Anblick ihrer schmalen Schenkel, die bei jedem Schritt mit einem Hauch aneinander vorüberglitten, ließ Lassiter die eigene Nachlässigkeit vergessen.
»Lass das Telegramm!«, befahl er und streckte eine Hand aus. »Es gibt schönere und wichtigere Dinge zu tun.«
Kaum war Sassy auf eine Armlänge heran, holte sie das Telegramm hinter ihrem Rücken hervor und wedelte mit dem Papier durch die Luft. »Dich wird’s etwas kosten, dass ich die Begegnung mit Frank Carrington vergesse. Die Stadt hat unzählige neugierige Ohren.«
Missmutig riss Lassiter ihr das Telegramm aus der Hand, knüllte es zusammen und steckte es in seine Satteltasche. Er wandte sich wieder zu Sassy um und schwieg einen Augenblick.
»Zwanzig Dollar«, sagte Sassy und ließ eine Hand über ihre steifen Brustwarzen wandern. »Zwanzig Dollar für das Telegramm, zwanzig für mich, und du bekommst die Nacht deines Lebens.«
Eine Zeitlang starrte Lassiter Sassy forschend an, bis ihm aufging, dass ein Freudenmädchen mit Geld vermutlich am ehesten milde zu stimmen war. Er beugte sich zur Satteltasche hinunter und zog das Ledersäckchen mit den Dollarmünzen daraus hervor. »Zwanzig gehen in Ordnung. Ich gebe dir fünfzig für beides.«
»Für die Nacht und mein Schweigen?«, flüsterte Sassy und umschlang ihn mit beiden Armen. »Du siehst eigentlich zu gut aus für solch ein Geschäft. Ich wäre auch mit dreißig zufrieden gewesen.«
Der flache Bauch des rothaarigen Mädchens berührte seinen steifen Pint und jagte einen elektrisierenden Lustschauer hinein. Lassiter packte Sassys Po mit beiden Händen, lotste das Saloonmädchen zum Bett hinüber und stieß es sanft auf das Laken hinunter.
»Über das Trinkgeld haben wir noch gar nicht gesprochen«, hauchte Sassy und rollte sich einmal um sich selbst. Sie glühte vor Erregung im ganzen Gesicht. »Aber ich bin sicher, dass du einen Einfall dazu hast.«
☆
Bereits aus der Ferne wies ein in hellen Ockerfarben gehaltener Schriftzug den Laden von Frank Carrington aus, der sich in einem zweistöckigen Gebäude mit angeschlossenem Lagerhaus befand. Die Lettern von Carrington General Merchants waren erst vor kurzer Zeit nachgezogen worden, sodass die Farbe noch frischen Glanz besaß.
Unter dem Schriftzug ragte ein breites Regendach über den hölzernen Boardwalk hinaus, der vor Carringtons Schaufenster durch zwei Stufen erhöht war. Ein spielendes Mädchen saß darauf, das scheu davonrannte, als Lassiter von der anderen Straßenseite herüberkam.
»Mr. Carrington?«
Durch das Innere des General Store zog staubgeschwängerte Luft, in der sich die Strahlen der schräg einfallenden Abendsonne fingen. Das Lichtbündel erhellte Carringtons Auslagen, die säuberlich angeordnet waren und von Äxten, Beilen, Schreibwaren bis hin zu Colts und Gewehren reichten.
»Was kann ich für Sie tun?«, meldete sich eine Stimme aus dem hinteren Teil des Ladens. Sie wurde durch den Vorhang gedämpft, der den Kassenraum vom übrigen Gebäude trennte. »Ich bin gleich bei Ihnen.«
Wenig später trat ein elegant gekleideter Mann mit gekämmtem und pomadisiertem Haar hinter die Registrierkasse und betrachtete Lassiter eine Weile schweigend. Er hatte ein volles Gesicht, trug eine maßgeschneiderte Weste und stützte sich mit beiden Armen auf der Theke ab.
»Ich möchte mit Ihnen sprechen«, sagte Lassiter und zog das geknitterte Telegramm aus der Tasche. »Ich habe ein Telegramm aus dem Kriegsministerium erhalten.«
Die grauen Augen des Mittelsmannes leuchteten auf und studierten Lassiter aufmerksam. Carrington trat hinter der Registrierkasse hervor, lief zur Ladentür und drehte wortlos das Closed-Schild herum. »Sie sind der arme Kerl? Der arme Kerl für diesen Auftrag?«
Der mitleidige Unterton in Carringtons Worten gefiel Lassiter nicht. »Armer Kerl? Die Brigade Sieben kennt keine armen Kerle.«
Der Storebesitzer blieb im gebündelten Sonnenlicht stehen und neigte leicht den Kopf. Er lächelte und kehrte zum Verkaufstresen zurück. »Sie denken anders über diese Sache, sobald Sie die Einzelheiten kennen. Das Kriegsministerium hat nicht ohne Grund Sie ins Auge gefasst.«
Einen Augenblick lang verschwand Carrington unter dem Ladentisch und kam mit einem braunen Kuvert in den Händen wieder zum Vorschein. Er riss das Wachssiegel auf und zog einen Stapel gebündelter Schriftstücke daraus hervor.
»Worum geht es, Mr. Carrington?«, wurde Lassiter ungeduldig. »Sie spannen mich auf die Folter.«
»Keineswegs«, erwiderte Carrington und schnürte den Papierstapel auf. Er bewegte die Finger ruhig und konzentriert, als wollte er Sorge dafür tragen, dass alles seine Ordnung hatte. »Sie sollen eine Frau namens Tauk Goyahtley von der Voight Ranch fünfzig Meilen weit nordwärts bringen. Sie soll dort einen Sonderzug der Fort Worth & Denver City Railway besteigen.«
»Einen Sonderzug?«, fragte Lassiter und ließ sich die Papiere geben. Es handelte sich um Informantenberichte, Landkarten und einige Briefe aus den Ministerien. »Aus welchem Grund sollte eine einzelne Frau einen Sonderzug benötigen?«
»Miss Goyahtley steht unter dem Schutz des Präsidenten«, erwiderte Carrington und stützte sich auf den Ladentisch. »Sie ist eine Tochter von Häuptling Lone Wolf.«
Ruhig ließ Lassiter den Blick über die glänzenden Läufe der Gewehre und Handfeuerwaffen schweifen, die eine Wand des General Store einnahmen. »Lone Wolf starb vor neun Jahren. Ich wusste nicht, dass er eine Tochter hatte.«
»Niemand wusste davon«, gab Carrington zur Antwort und schritt um die Theke herum. Er faltete die Hände vor dem Körper und lehnte sich an eine Auslage. »Um seine Tochter scheint er ein großes Geheimnis gemacht zu haben, seit die Schlacht im Palo Duro Canyon getobt hat.«