Lassiter 2407 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2407 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Er verließ die Bank und lauerte nach allen Seiten. "Einen gesegneten Tag wünsche ich, Colonel Jenkins, Sir", sagte der Bankdirektor.
Jenkins nickte nur. Über der rechten Schulter die Mochilla mit den Dollars, über der linken sein Gewehr, trat er auf die Straße. Seine Revolverhähne waren gespannt. Anders als schwer bewaffnet ging er nicht mehr unter die Leute. Und er wusste, warum.

Der Einachser hatte schon vor dem Hotel gestanden, als Jenkins die Bank betrat. Jetzt aber saßen zwei Männer auf dem Kutschbock, von denen einer sein Gewehr hob. Gleichzeitig trommelte von links Hufschlag heran.

Colonel Jenkins warf sich in den Staub und riss im Fallen beide Armeerevolver aus den Holstern...

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Inhalt

Cover

Impressum

Du sollst nicht ehebrechen

Vorschau

Karte Washington D.C.

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Boada/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6853-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Du sollst nicht ehebrechen

Er verließ die Bank und lauerte nach allen Seiten. »Einen gesegneten Tag wünsche ich, Colonel Jenkins, Sir«, sagte der Bankdirektor.

Jenkins nickte nur. Über der rechten Schulter die Mochilla mit den Dollars, über der linken sein Gewehr, trat er auf die Straße. Seine Revolverhähne waren gespannt. Anders als schwer bewaffnet ging er nicht mehr unter Leute. Und er wusste, warum. Der Einachser hatte schon vor dem Hotel gestanden, als Jenkins die Bank betrat. Jetzt aber saßen zwei Männer auf dem Kutschbock, von denen einer sein Gewehr hob. Gleichzeitig trommelte von links Hufschlag heran.

Colonel Jenkins warf sich in den Staub und riss im Fallen beide Armeerevolver aus den Holstern …

»Denn der da gesagt hat: ›Du sollst nicht ehebrechen‹, der hat auch gesagt: ›Du sollst nicht töten.‹ So du nun nicht ehebrichst, tötest aber, bist du ein Übertreter des Gesetzes.«

Jakobus 2,11

Am Hotelfenster über dem Einachser sah Jenkins jetzt seine Lady aufgeregt winken und auf das Gespann deuten. Zu spät – der maskierte Kutscher peitschte es längst an. Und von der anderen Seite preschten maskierte Reiter auf ihn zu.

Mündungsfeuer blitzen, Schüsse krachten, Kugeln pflügten den Staub rechts und links von Jenkins auf. Die Drecksäcke nahmen ihn in die Zange – von rechts das Gespann mit dem Gewehrschützen, von links drei Reiter. Jenkins drückte zweimal ab, wälzte sich zur Seite, hob die Colts – nur noch ein Reiter saß im Sattel.

Jenkins wälzte sich wieder durch den Staub, feuerte, fluchte und schoss auf Kutsche und Reiter zugleich. Eine Gewehrkugel heulte an ihm vorbei, Revolverkugeln schlugen über ihm in den Pfosten des Vordaches und in der Bankfassade ein.

Vom Hotelfenster aus feuerte seine Lady aus einer abgesägten Schrotflinte. An der Hofeinfahrt gegenüber blitzte Mündungsfeuer auf; auch von dort aus schoss jemand auf die Angreifer. Der dritte Reiter kippte aus dem Sattel.

Das Gespann war schon fast auf seiner Höhe. Dem blonden Gewehrschützen war das Halstuch von der Nase gerutscht. Für einen Moment konnte ihm Jenkins, als er zielte, ins Gesicht sehen: Der kleine Mann hatte Glubschaugen. Jenkins drückte ab und traf.

Doch nicht den Schützen, sondern den Kutscher. Der stürzte auf die Mainstreet, überschlug sich ein paar Mal und blieb reglos liegen. Der Einachser rollte nach Süden davon und bog zweihundert Schritte weiter in Richtung Hafen ab. Offenbar hatte der blonde Schütze die Zügel übernommen.

Ein Reiter trieb sein Pferd aus der Hofeinfahrt gegenüber und jagte der Kutsche hinterher. Sein Hufschlag verklang und Stille trat ein.

Jenkins stemmte sich auf den Knien hoch, bekreuzigte sich und fluchte zugleich. Für die Leute, die jetzt an sämtlichen Fenstern zur Mainstreet erschienen, sah es aus, als würde er beten.

Der Staub senkte sich rund um ihn. Unten am Mississippi röhrte ein Schiffshorn. Zum ersten Mal an diesem Morgen fiel Jenkins auf, wie schwül die Luft bereits war. Sogar die verdammten Moskitos waren auf schon auf Blut aus.

Männer und Frauen traten aus dem Hotel und den Nachbarhäusern. Sie kamen auf die Straße und versammelten sich um die vier toten oder angeschossenen Banditen. »Mistkerle!«, schimpfte Jenkins. Von irgendwo her liefen zwei Sternträger herbei.

»Blacky!« Jenkins Lady rief es aus dem Hotelfenster. »Bist du in Ordnung, Blacky?«

»Ja, ja«, knurrte er und stand auf. Er klopfte sich den Staub von der Uniform, hängte sich das Gewehr um und warf die von Geldbündeln schwere Mochilla wieder über die Schulter. Dann stapfte er schräg über die Mainstreet dem Hoteleingang entgegen.

»Blacky« war der Kosenamen, den seine Lady ihm verpasst hatte. Ihr verstorbener Hengst hatte so geheißen. Jenkins hieß Xavier mit Vornamen, doch das verriet er in der Regel niemandem, hatte es schon in der Schule verschwiegen. Welcher Amerikaner, der noch bei Trost war, nannte seinen Sohn »Xavier«?

Jenkins’ alter Herr war ein deutscher Einwanderer, ein katholischer Priester aus Niederbayern, den sie exkommuniziert hatten und der danach mit seiner Haushälterin und den gemeinsamen Kindern über den Großen Teich gegangen war, weil er nicht verhungern wollte. Seine wenigen Freunde nannten ihn »Jenkins« oder »Colonel«. Und seine Lady eben »Blacky«.

Er stieg die Stufen zum Sidewalk hinauf. Der Townmarshal rief nach ihm; Jenkins tat, als hörte er es nicht. Die Leute vor dem Eingang bildeten eine Gasse, damit er ins Hotel gehen konnte.

Der fettleibige Salooner schaukelte ihm entgegen. »Gütiger Himmel, Colonel Jenkins, Sir!« Er blieb vor ihm stehen und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Das wäre ja um ein Haar ins Auge gegangen!«

Wie der Bankdirektor war der Mann bei der Army gewesen und wusste sich zu benehmen.

»Keine Sorge, Buddy«, sagte Jenkins, »Miss Reynolds hätte meine Rechnungen schon beglichen.«

Miss Reynolds – so hieß die junge Blondine, die jetzt die Treppe herunterpolterte. »O Gott, Blacky!« Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn.

»Gut geschossen, Lady. Danke.« Jenkins löste sich aus ihrer Umarmung. »Geh hoch, hol unsere Sachen. Ich spann die Pferde an. Keine Stunde länger halt’ ich’s hier aus.«

Miss Reynolds hieß eigentlich Judy. Sie war eine Edelhure und zwanzig Jahre jünger als Jenkins. Er liebte Huren und Weiber, die es mit der Treue nicht so genau nahmen. Bei ihnen brauchte er selbst es auch nicht so genau zu nehmen.

»Zwei Häuser weiter hat einer aus der Toreinfahrt auf die Drecksäcke gefeuert«, wandte Jenkins sich an die Leute. »Er ist hinter dem Einachser hergeritten. Kennt einer den Mann?«

»Ein Fremder, Colonel Jenkins, Sir«, sagte der Salooner eifrig. »Nennt sich Blackwood, hat sich gestern Mittag hier eingemietet. Kurz nach Ihnen.«

Jenkins machte eine grimmige Miene und guckte zum Fenster hinaus. Die Sternträger und der Bankdirektor überquerten gerade die Mainstreet. »Schreib seine erste Übernachtung und ein Mittagessen für ihn auf meine Rechnung, Buddy«, sagte er schließlich. »Und eine Flasche Whisky. Aber vom besten.«

»Sind Sie in Ordnung, Colonel?« Der Townmarshal stürzte in den Hotelsaloon. Hinter ihm liefen sein Assistent und der Bankdirektor. Jenkins nickte. »Haben Sie die vier Männer gekannt?«

»Nein.«

»Sie sind alle vier tot.«

»Gut.«

»Wollen Sie sich nicht wenigstens ihre Gesichter anschauen?«

»Nein.« Jenkins marschierte schon zur Hintertür.

»Aber vielleicht kennen Sie ja doch einen von ihnen.« Der Townmarshal schlug einen flehenden Tonfall an. »Für meine Arbeit wäre es eine große Hilfe, das zu wissen.«

»Also gut.« Auf der Schwelle zum Hinterhof blieb Jenkins stehen und drehte sich noch einmal um. »Lassen Sie die Bastarde noch eine Weile liegen. Auf dem Weg aus der Stadt werden wir kurz mit dem Wagen neben den Leichen halten.«

Der Townmarshal schluckte erst und nickte dann resigniert.

»Sie haben ihr Geld noch, Colonel Jenkins, Sir?«, flötete der Bankdirektor. »Gratuliere!«

Jenkins schaute ihm ins Gesicht. Sein Blick war voller Mitleid und Verachtung zugleich. Auch den Townmarshal, den Salooner und alle anderen sah er so an. »Warum gratuliert mir eigentlich keiner von euch Schwachköpfen dazu, dass ich mein Leben noch habe?«

Er wandte sich ab und ging zum Pferdestall. Nein, wahrscheinlich kannte er keinen einzigen der räudigen Hunde, die ihn überfallen hatten. Doch dafür kannte er diejenigen, die sie geschickt hatten.

Und ja, er hatte seine zehntausend Doller noch. Doch auf die hatten es die Kerle auch nicht abgesehen gehabt. Die hatten ihn töten wollen.

Sein Geld ließ Jenkins dennoch nicht aus den Augen. Mit ihm wollte er ein neues Leben anfangen. An der Seite seiner Lady, auf der kanadischen Seite der Großen Seen. Er zog den Wagen aus dem Unterstand und holte die Pferde aus dem Stall.

Zehn Pferde zogen die Straßenbahn um die Ecke. Die eisernen Räder rasselten in den Gleisen. Lassiter hätte zu Fuß gehen können; Colemans Uhrmacherladen lag nicht mehr als zehn Gehminuten entfernt von seinem aktuellen Hotel. Doch er liebte es, sich auf einer Holzbank von einem Pferdegespann durch Washington ziehen zu lassen.

Der Mann von der Brigade Sieben ließ seinen Bart sprießen und trug einen hellen, großkarierten Frack zu schwarzer Weste, weißem Hemd, schwarzen Stiefeln und schwarzem Stetson. Charly hatte ihm den Garderobenwechsel empfohlen. »Damit fällst du nicht so auf in der Hauptstadt«, hatte er gesagt. »Außerdem muss nicht gleich jeder sehen, dass du mit einem Remington an der Hüfte spazieren gehst.«

Charly – Charles Matthews – war Lassiters Boss und der einzige überlebende Direktor der Brigade Sieben. Auch den Bart und die moderne Sonnenbrille mit Gläsern aus Rauchglas hatte er seinem Agenten Lassiter empfohlen.

Die Leute rechts und links traten auf die Straße, jeder wollte zuerst in die Straßenbahn einsteigen. Das Gespann hielt, ein Dutzend Fahrgäste stieg aus, zwei Dutzend Fahrgäste stiegen ein.

Lassiter setzte die Sonnenbrille ab, kaufte ein Ticket, drängte sich durch die Menge im Mittelgang und fand noch einen freien Platz neben einem Zeitungsleser.

Eine Glocke ertönte, die Pferde zogen an, die Räder quietschten, und weiter ging es. Zu beiden Seiten der Straße zogen die Prachtfassaden der Stadthäuser vorüber. Um Lassiter herum plauderten die Leute. Ganz hinten schimpften ein paar Frauen, weil ein Gentleman sie mit dem Rauch seiner Zigarre einnebelte. Vermutlich waren diese Ladys noch nie in einem Saloon in Dodge City oder Cheyenne gewesen.

Lassiter sog prüfend die Luft ein. Ein wenig roch auch er den Rauch, weit deutlicher jedoch nahm er den Duft eines lieblichen Parfüms wahr. Er blickte nach rechts. Sein Sitznachbar war kein Zeitungsleser, sondern eine Zeitungsleserin. Viel mehr als ihre feingliedrige und gepflegte linke Hand und den Verlauf ihres Schenkels unter dem dunkelgrauen Stoff ihres Kleides bekam er nicht von ihr zu sehen. Schade.

Dafür las er eine Schlagzeile auf der ersten Seite ihrer Zeitung, der Washington Post. Hoher Offizier verteidigt zehntausend Dollar gegen Raubmörder.

Eine Glocke ertönte, eine Männerstimme rief einen Straßennamen, die Pferdebahn hielt. Etliche Leute stiegen aus, ziemlich viele ein. Das Gedränge im Mittelgang nahm erheblich zu. Lassiter kam sich vor wie in einer Postkutsche zwischen Wichita und Santa Fé.

Weil ein Mann mit einem Korb voller Hühner an seiner Seite den Mittelgang besetzte, blieb ihm gar nichts anderes übrig, als näher an die Zeitungsleserin heranzurücken. Die ließ ihre Zeitung ein Stück sinken, und über den Zeitungsrand hinweg musterte ihn ein Paar dunkelblaue Augen. Er zuckte bedauernd mit den Schultern und deutete auf den Hühnerkorb. Sie lächelte. Und versteckte sich wieder hinter der Washington Post.

Noch drei Stationen bis zur Seitenstraße, in der Nicholas Colemans Uhrmachergeschäft lag. Die Hühner stanken aufdringlicher als der Zigarrenrauch. Vor dem Führerstand scherzten Frauen mit dem Schaffner.

Für die Fahrgäste schien es das Selbstverständlichste der Welt zu sein, ihre Stadt mit einer Pferdebahn zu durchqueren. Westlich des Mississippis hatte Lassiter noch nie so ein Vehikel gesehen, nicht einmal in den Städten am Ostufer, Saint Louis, Memphis oder New Orleans. Hier an der Ostküste dagegen planten sie bereits eine Straßenbahn, die mit elektrischem Strom fahren sollte.

Das Lächeln und die blauen Augen der Frau neben ihm hatten dem Mann von der Brigade Sieben gut gefallen. Er hätte gern gewusst, ob der Rest seiner Sitznachbarin sich als ähnlich erfreulich erweisen würde.

Überraschende Gedanken waren das für Lassiter, denn seit zwei Wochen nahm er Frauen praktisch nicht mehr wahr. Seit Jennifer Fergusons Tod. Der Verlust seiner Geliebten bedrückte ihn mächtig. Seit er aus dem Golf von Mexiko zurückgekehrt war, ging er nur noch jeden zweiten Tag unter Menschen. Immer, wenn er das Hotel wechselte.

Charly hatte ihm empfohlen, das alle zwei Tage zu tun. Wer als Agent der Brigade Sieben zu lange an einem Ort verweilte, lief in diesen Monaten Gefahr, von den Jägern der Supreme Society aufgespürt und erledigt zu werden.

Die weitgehend unbekannten Köpfe der Geheimorganisation wollten um jeden Preis verhindern, dass deren Existenz bekannt wurde. Und weil die Agenten der Brigade Sieben ihr auf die Schliche gekommen waren und herausgefunden hatten, dass sie die Regierung von Präsident Harrison stürzen wollte, wurden sie gejagt. Gnadenlos. Alle. Überall.

Lassiter wandte sich wieder seiner Sitznachbarin zu. Diese blauen Augen! Dieses Lächeln! Vielleicht würde es ihn ja ein wenig trösten, wenn er sich wieder intensiver weiblicher Schönheit widmete. Doch die Frau neben ihm zeigte ihm nur die Zeitung.

Sein Blick fiel wieder auf die Schlagzeile der ersten Seite: Hoher Offizier verteidigt zehntausend Dollar gegen Raubmörder. Der Überfall hatte sich in Baton Rouge ereignet, und Lassiter war wie elektrisiert, als er den Namen der Stadt las.

Baton Rouge – dorthin würde ihn sein nächster Auftrag führen. Übermorgen schon wollte er in den Zug nach Westen steigen.

Er beugte sich näher an die Zeitung heran und las aufmerksamer. Ein Colonel der US-Kavallerie hatte zehntausend Dollar von seiner Bank geholt und war fünf Bewaffneten in die Arme gelaufen. Vier davon waren jetzt tot, der Colonel selbst unverletzt und die Dollars nach wie vor in seinem Besitz.

Alle Achtung, dachte Lassiter, und dann las er die Personenbeschreibung des einzigen Räubers, der entkommen war: klein, drahtig, blond, Glubschaugen. Lassiter musste tief durchatmen: Es war noch nicht lange her, dass ihm ein solcher Mann über den Weg gelaufen war.

»Ich bin fertig.« Ganz plötzlich hatte die Frau die Zeitung sinken lassen. »Wenn Sie mögen, überlasse ich Ihnen das Blatt, Sir.«

»Lassiter.« Der Mann von der Brigade Sieben tippte sich an den Hut. »Einfach nur Lassiter.« Er betrachtete ihr langes schwarzes Haar und das schmale Gesicht mit den feinen, um den Mund etwas herben Zügen. Und sie lächelte ihr wunderbares Lächeln. Er erwiderte es, und so saßen sie zwei oder drei Atemzüge lang und sahen einander in die Augen. Beinahe schmerzlich wurde es Lassiter in diesen Sekunden bewusst, wie sehr er die Liebe einer Frau vermisste.

»Mein Name ist Bell«, sagte sie, »Suzanne Bell.« Sie deutete aus dem Bahnfenster. »Ich wohne in diesem Hotel dort.«

Lassiter nickte und konnte sich nicht von ihrem Anblick lösen. Er merkte kaum, wie sie die Zeitung zusammenfaltete und ihm in die Hand legte. Dann meinte sie: »Ich muss jetzt aussteigen.«

Lassiter sprang auf, drückte den Kerl mit den stinkenden Hühnern zur Seite und ließ sie vorbei. Er schaute ihr hinterher. Am Ausstieg drehte sie sich noch einmal nach ihm um und winkte. Dann stieg sie aus.

Die Pferde zogen an, die Bahn rollte weiter. Lassiter sah Miss Bell auf der Straße entlang in Fahrtrichtung gehen und rieb sich nachdenklich den Bart. Statt wieder Platz zu nehmen, drängte er sich nach vorn und zum Ausstieg. Was sollte Jennifer eigentlich dagegen haben, wenn er sich ein wenig mit der Gegenwart einer schönen Frau tröstete? Immerhin hatte sie ihn geliebt und gewollt, dass er sich glücklich fühlte.

»Wenn Sie aussteigen wollen, müssen Sie bis zur nächsten Haltestelle warten!«, blaffte der Schaffner ihn an, doch Lassiter schwang sich aus der Bahn und auf die Straße hinaus. Mit der Zeitung winkend lief er der schönen Miss Bell entgegen.

»Ich habe Ihnen die Zeitung gar nicht bezahlt«, sagte er.

»Ich bitte Sie, Lassiter – die habe ich Ihnen doch geschenkt.«

»Nun, Miss Bell, dann lassen Sie sich wenigsten zu einem Kaffee von mir einladen.«

Sie lächelte und hakte sich bei ihm unter. »Sehr gern. Und nennen Sie mich bitte Suzanne.«