Lassiter Sammelband 1791 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1791 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2254, 2255 und 2256.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!


2254: Die Hexe von Hermosillo

Eine kalte Revolvermündung presste sich in Lassiters Nacken. "Wenn du dich auch nur einen Inch weit rührst, fährt dir eine Kugel ins Genick, Hombre", drohte eine triumphierende Stimme. Lassiter verharrte auf der Stelle und riskierte einen Seitenblick. Ein zweiter Kerl stand grinsend an der Stalltür. Der Dritte kam aus einer der Pferdeboxen. Bärtig, linkisch, verwegen.

"Bei mir gibt's nichts zu holen", sagte der große Mann. "Ich wollte nur mein Pferd satteln." Er ärgerte sich maßlos, dass er sich von diesen Lumpenhunden hatte überraschen lassen.

"Da sind wir anderer Meinung", entgegnete der Kerl aus der Box. Er war lang aufgeschossen, hatte ein spitzes Kinn und den unsteten Blick einer Hyäne. "Aber keine Angst. Wir wollen dich nicht umlegen, sonst wärst du schon tot. Wir wollen dir lediglich einen Vorschlag machen."


2255: Der Mann, der das Wasser stahl

Die Schwingtüren von "Sam's Saloon" sprangen auf und ein Mann kam herein. Er steuerte auf die Theke zu, ohne nach rechts und links zu blicken. Sam, der Wirt, sah ihn fragend an.
"Whiskey", sagte der Mann.
Draußen wieherte ein Pferd. Die Dämmerung hatte eingesetzt. Ein Windstoß ließ die Türen knarren.
Lassiter lehnte am hinteren Ende der Bar. Er beobachtete, wie Sam dem Neuen eine Flasche und ein Glas hinschob. Der Mann schenkte sich ein und leerte das Glas in einem Zug.
Dann, ganz plötzlich, griff er nach seinem Colt.
Doch Lassiter war einen Tick schneller. Der Lauf seines Remington zielte auf den Kopf des Mannes. "Ganz ruhig, Mister", sagte er kaltblütig.


2256: Zwei Colts für eine Sünde

Der Schleifstein glitt über die genässte Klinge und hinterließ eine trübe Schicht aus Wasser und abgeschmirgeltem Rost. Luck Stucey führte den Stein aufs Neue zur Dolchspitze und zog ihn wieder zu sich heran.
Eine Viertelstunde später stellte er den Schleifstein zur Seite. Die Dolche lagen wie eine glänzende Palisade vor ihm. Sie konnten ein Herz in Sekundenschnelle zum Stillstand bringen, mit einem Stich bis in die Leber vordringen oder eine Kehle durchtrennen, ehe deren Besitzer wusste, wie ihm geschah.
Stucey wickelte die Messer in einen Lederfetzen und band sie zusammen. Er spähte durch das halbblinde Fenster nach dem Fuhrwerk der vier Wright-Brüder.
In Kürze würden die Wrights mausetot sein. Sie würden keinen einzigen erbärmlichen Scherz über Luck Stucey mehr reißen. Sie würden bekommen, was sie verdienten ...

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotive: Boada/Norma ISBN 978-3-7325-6227-5

Jack Slade

Lassiter Sammelband 1791 - Western

Inhalt

Jack SladeLassiter - Folge 2254Eine kalte Revolvermündung presste sich in Lassiters Nacken. "Wenn du dich auch nur einen Inch weit rührst, fährt dir eine Kugel ins Genick, Hombre", drohte eine triumphierende Stimme. Lassiter verharrte auf der Stelle und riskierte einen Seitenblick. Ein zweiter Kerl stand grinsend an der Stalltür. Der Dritte kam aus einer der Pferdeboxen. Bärtig, linkisch, verwegen. "Bei mir gibt's nichts zu holen", sagte der große Mann. "Ich wollte nur mein Pferd satteln." Er ärgerte sich maßlos, dass er sich von diesen Lumpenhunden hatte überraschen lassen. "Da sind wir anderer Meinung", entgegnete der Kerl aus der Box. Er war lang aufgeschossen, hatte ein spitzes Kinn und den unsteten Blick einer Hyäne. "Aber keine Angst. Wir wollen dich nicht umlegen, sonst wärst du schon tot. Wir wollen dir lediglich einen Vorschlag machen."Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2255Die Schwingtüren von "Sam's Saloon" sprangen auf und ein Mann kam herein. Er steuerte auf die Theke zu, ohne nach rechts und links zu blicken. Sam, der Wirt, sah ihn fragend an. "Whiskey", sagte der Mann. Draußen wieherte ein Pferd. Die Dämmerung hatte eingesetzt. Ein Windstoß ließ die Türen knarren. Lassiter lehnte am hinteren Ende der Bar. Er beobachtete, wie Sam dem Neuen eine Flasche und ein Glas hinschob. Der Mann schenkte sich ein und leerte das Glas in einem Zug. Dann, ganz plötzlich, griff er nach seinem Colt. Doch Lassiter war einen Tick schneller. Der Lauf seines Remington zielte auf den Kopf des Mannes. "Ganz ruhig, Mister", sagte er kaltblütig.Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2256Der Schleifstein glitt über die genässte Klinge und hinterließ eine trübe Schicht aus Wasser und abgeschmirgeltem Rost. Luck Stucey führte den Stein aufs Neue zur Dolchspitze und zog ihn wieder zu sich heran. Eine Viertelstunde später stellte er den Schleifstein zur Seite. Die Dolche lagen wie eine glänzende Palisade vor ihm. Sie konnten ein Herz in Sekundenschnelle zum Stillstand bringen, mit einem Stich bis in die Leber vordringen oder eine Kehle durchtrennen, ehe deren Besitzer wusste, wie ihm geschah. Stucey wickelte die Messer in einen Lederfetzen und band sie zusammen. Er spähte durch das halbblinde Fenster nach dem Fuhrwerk der vier Wright-Brüder. In Kürze würden die Wrights mausetot sein. Sie würden keinen einzigen erbärmlichen Scherz über Luck Stucey mehr reißen. Sie würden bekommen, was sie verdienten ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Die Hexe von Hermosillo

Vorschau

Die Hexe von Hermosillo

Eine kalte Revolvermündung presste sich in Lassiters Nacken. »Wenn du dich auch nur einen Inch weit rührst, kriegst du eine Kugel ins Genick, Hombre«, drohte eine triumphierende Stimme. Lassiter verharrte auf der Stelle und riskierte einen Seitenblick. Ein zweiter Kerl stand grinsend an der Stalltür. Der Dritte kam aus einer der Pferdeboxen. Bärtig, linkisch, verwegen.

»Bei mir gibt’s nichts zu holen«, sagte der große Mann. »Ich wollte nur mein Pferd satteln.« Er ärgerte sich maßlos, dass er sich von diesen Lumpenhunden hatte überraschen lassen.

»Da sind wir anderer Meinung«, entgegnete der Kerl aus der Box. Er war lang aufgeschossen, hatte ein spitzes Kinn und den unsteten Blick einer Hyäne. »Aber keine Angst. Wir wollen dich nicht umlegen, sonst wärst du schon tot. Wir wollen dir lediglich einen Vorschlag machen.«

Lassiter ahnte, was sie wollten, aber er schwieg. Für den Fall, dass er sich irrte, hielt er es für besser, erst einmal nichts zu sagen.

Der Kerl kam näher und schob sein Gesicht heran. Seine Hände waren schwielig, sein heller Stetson fleckig und ausgeleiert. Er roch nach billigem Fusel. »Kannst du dir nicht denken, was wir von dir wollen, Bübchen?«

Lassiter spürte seine Kiefer mahlen. »Nenn mich noch einmal Bübchen und ich hau ich dir aufs Maul, dass deine Zähne durch den Stall fliegen wie Klaviertasten. Verstanden?«

Der Druck des Revolvers verstärkte sich. »He, der glaubt, er kann Witze machen, Jeb«, sagte der Kerl hinter Lassiter. »Wer denkt er, wer er ist?«

Der Mann namens Jeb grinste ungerührt. »Wir wollen die Frau, Saukerl«, sagte er zu Lassiter.

»Das dachte ich mir.«

»Denken kannst du also auch. Das dürfte unsere Verhandlungen erleichtern. Noch dazu, wo du ein Landsmann von mir bist.«

»So, so. Und was macht ein Landsmann wie du fast zweihundert Meilen hinter der Grenze?«, fragte Lassiter. Das Wort »Landsmann« spuckte er beinah hervor.

Jeb lachte auf. »Ich bin aus demselben Grund wie du in Hermosillo. Wegen Maureen de Angelo, der heißesten Hexe, die je diese Gegend unsicher gemacht hat! Der Unterschied ist, du willst sie in Nogales vor Gericht bringen. Wir dagegen wollen uns ein paar Scheine verdienen, Bastardo Lassiter. Da staunst du, was? Wir kennen sogar deinen Namen! Also, was ist? Vielleicht kommen wir sogar ins Geschäft! Da ist ein schöner Batzen für dich drin. Was hältst du von dem Vorschlag?«

Lassiter hatte begriffen. Er hatte drei waschechte Kopfgeldjäger vor sich. Vincente Ortega, der Jerife von Hermosillo, hatte ihn bei seiner Ankunft gewarnt. In der Gegend um Hermosillo hatten Kopfgeldjäger und Banditen eine neue Methode entwickelt, Geld zu verdienen. Sie überfielen Gefangenentransporte und lieferten die Verbrecher über Mittelsmänner andernorts der Justiz aus. Gegen harte amerikanische Dollars. In letzter Zeit hatte man zwar ein paar dieser Strolche habhaft werden können, aber wie man sah, trieben sich noch genug von diesen Gaunern herum.

Lassiter wollte sich gerade anschicken, zum Schein auf den Handel einzugehen, als von der Stalltür her eine laute Stimme erklang. »Revolver weg, Amigos! Und schön langsam! Alle drei! Wird’s bald?«

Ortega! Der schlaksige Gesetzeshüter mit dem wuchtigen schwarzen Schnauzbart stand wie ein Racheengel an der Tür, die Revolver in beiden Fäusten, die Hähne gespannt.

Der Druck in Lassiters Genick verschwand. »Schon gut, Hombre«, sagte der Kerl hinter ihm und legte die Waffe auf den Boden. Jeb und der Kopfgeldjäger, der in der Nähe von Ortega stand, öffneten die Revolvergurte und ließen sie langsam zu Boden gleiten. »Heben Sie sie auf«, sagte der Jerife und gab Lassiter einen Wink.

Der große Mann ließ sich das nicht zweimal sagen. Er sammelte die Waffen ein. »Einen Moment noch«, sagte er, als Ortega sich anschickte, die Kerle nach draußen zu dirigieren.

Er baute sich vor Jeb auf. »Wie hast du mich vorhin genannt?«

»Ich –«

Lassiter ließ ihn nicht ausreden. Seine Faust flog vor und krachte an Jebs Kinn. Der Schwinger schickte ihn zu Boden, Jeb lag im Staub und stöhnte. Seine Kameraden halfen ihm auf.

»Niemand nennt mich ungestraft einen Bastard«, warnte ihn Lassiter. »Das merk dir. Bübchen.«

Sie verließen den Stall Richtung Gefängnis, die Kopfgeldjäger unter Lassiters und Ortegas vorgehaltenen Revolvern.

In der Stadt herrschte unbeschreiblicher Trubel. Die Sonne brannte auf den verbackenen Sand der Straße, die Luft flimmerte in der Mittagshitze. Die Verhaftung erregte Aufsehen. Mehrere Bürger wandten sich ihnen neugierig zu.

»Sie kann man aber auch keine Minute aus den Augen lassen«, sagte Ortega, als sie das Office betraten.

»Ich hab nur für das zweite Pferd gesorgt. Dass die Kerle mir im Stall auflauerten, konnte ich nicht ahnen.«

Sie durchquerten das Büro und gelangten in den Arrestkorridor. Zu beiden Seiten befanden sich Zellen. In einer saß Maureen de Angelo. Ein hübscher Käfer, fuhr es Lassiter durch den Kopf. Maureen saß auf ihrer Pritsche und warf ihnen einen wilden Blick zu. Sie war eine ausgewachsene Schönheit. Wallendes rotbraunes Haar, grüne Augen und eine makellose Alabasterhaut. Nur mit Mühe konnte sich Lassiter ein Zungeschnalzen verkneifen.

Ortega sperrte die Burschen ein und schloss ab. Jeb protestierte. »Sie können uns nicht einsperren, Jerife!«, rief er, die Gitterstäbe mit wütender Miene umklammert. »Wir haben nichts verbrochen!«

»So? Da wird der Richter aber anderer Meinung sein. Du bist in Hermosillo kein Unbekannter, Jeb Navarra. Außerdem hab ich eure Unterhaltung mit angehört. Und ihr habt einen Mann mit einer Waffe bedroht! Das wird dem ehrenwerten Señor Morales reichen, euch für eine Weile aus dem Verkehr zu ziehen.«

Sie verließen die Gefängniszellen. Im Büro angekommen, hängte Ortega seinen Gurt an die Wand, verstaute die Waffen der Banditen und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er legte die Füße hoch, schob sich den Hut ins Genick und seufzte.

Lassiter spielte mit einem Bleistift, der auf dem Tisch lag. »Ich hörte, der Richter greift hart durch«, sagte er, während er den Stift im Kreis drehte.

»Kann man wohl sagen. Seitdem dieser verdammte Juan Carlos diesen Bundesstaat regiert, sind die Zeiten härter geworden. Leider gilt dieses harte Durchgreifen auch für unsere Gehälter, Amigo Lassiter.«

»Tut mir leid, das zu hören. Zumal die Verhandlungen unser beider Regierungen in Nogales vorzüglich laufen, wie man mir sagte.«

Ortega stieß einen verächtlichen Laut aus. »Die Verhandlungen der Obrigkeiten! Was aber ist mit den kleinen Leuten? Für die interessiert sich niemand. Don Juan Carlos hat mit einer zusammengekauften Armee den Franzosenaufstand niedergeschlagen und sich bei euch lieb Kind gemacht. Für unser Volk aber ist dieser Mann ein Verräter. Er wird sich nicht lange halten können, mein Wort darauf.«

»Dafür lässt er sich bei Kopfgeldprämien nicht lumpen.«

»Si, und er heftet er sich den Sieg gegen die Froschfresser an die Brust, obwohl sie im Grunde schon geschlagen waren. Aber da sieht man’s wieder. Bei euch macht er sich beliebt, doch wer in Mexiko für Vater Staat arbeitet, wird ärmer und ärmer. Und Halunken wie Navarra nehmen sich, was sie wollen.«

»Zwanzigtausend Dollar wären es gewesen, hätten sie sich Maureen de Angelo geschnappt.«

»Eine Menge Geld.« Ortega nickte müde. »Sie hat ja auch ordentlich was auf dem Kerbholz.«

Lassiter ließ den Bleistift liegen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Mehrere Bank- und Zugüberfälle, darunter das Entgleisen eines Sonderzugs. Bei dieser Aktion kamen acht Regierungsbeamte ums Leben und ihre Bande erbeutete zweihunderttausend US-Dollar.«

»Exactamente. Dabei wurde die Beute nie gefunden.«

»Maureen würde nicht mal reden, wenn man ihr Daumenschrauben anlegte, hm?«

»Pues no, Señor Lassiter. Sie schweigt eisern. Aber es gibt Gerüchte, ihre Bande will sie befreien. Ihnen ist ja bekannt, dass die meisten noch auf freiem Fuß sind. Die US-Regierung glaubt zwar, mit Maureen den Kopf der Bande zu haben, aber das ist nicht gesagt. Angeblich hält jemand anders die Zügel in der Hand.«

Lassiter ließ sich die Worte durch den Kopf gehen. Er wusste, dass einige von Maureens Leuten früher der Banda Garrida angehörten, einer berüchtigten Horde von Skalpjägern, Exsoldaten und Desperados. Im Grenzgebiet hatten sie für ein paar lumpige Dollars regelrechte Massaker veranstaltet. Ihr ehemaliger Unterschlupf befand sich zwischen Hermosillo und Nogales.

Genau die Route, die Lassiter auf dem Rückweg nehmen musste.

»Ich weiß nur, dass ich sie nach Nogales vor den dortigen US-Bundesrichter bringen soll«, sagte er. »Und das werde ich tun. Eure Regierung hat ja Beschwerde eingelegt.«

»Si, die mexikanische Staatsmacht hat genug mit unseren eigenen Banditen zu tun. Da können wir uns nicht auch noch um eure kümmern. Deshalb ja die hohen Prämien. Dieser Juan Carlos ist ein verdammter Schleimscheißer, puta mierda!«

Lassiter ignorierte Ortegas Flucherei und besah sich die wenigen Gewehre im Wandschrank. »Sie sind ja nicht gerade üppig ausgestattet, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«

»Was soll ich machen?« Ortega verscheuchte eine Fliege. »Meine beiden Helfer sind unterwegs und jagen einen Kerl, der gestern in Martas Bodega unseren seligen Alfredo niederschoss. Den besten Sattler in ganz Hermosillo! Und auch den einzigen, nebenbei bemerkt. Aber die Bürger erwarten, dass wir unsere Pflicht tun. Ein rothaariges Luder, das Züge überfällt, die mit amerikanischen Regierungsgeldern beladen sind, spielt da nicht die erste Geige.«

»Tja. Das tun zwanzigtausend Dollar schon eher.«

»Ay, da ist was dran. Damit kann man in Mexiko leben wie die berühmte Made im Speck. Deshalb warne ich Sie auch, Señor Lassiter. Die Banditen werden sich an Ihre Fersen heften. Sie werden keine Ruhe geben, bis sie Maureen befreit haben. Denn wenn sie tatsächlich die Einzige ist, die weiß, wo die Beute versteckt ist, dann ist das Kopfgeld nur ein kleiner Vorschuss, Sie verstehen?«

»Ich verstehe sehr gut«, antwortete Lassiter. »Was glauben Sie, warum ich morgen mit Maureen nicht den Zug nehme? Es wäre ein Leichtes für diese Halunken, einen Überfall zu planen und sie rauszuhauen. In einem Eisenbahnwaggon säße ich in der Falle.«

»Naturalmente. Ihre Entscheidung, nach Nogales zu reiten, ist sehr klug. Nur schade, dass ich Ihnen keine Eskorte zur Verfügung stellen kann.«

»Ich reite am liebsten allein.«

»Vielleicht können Sie außerhalb von Hermosillo ein paar Rurales auftreiben. In Aquapulce -«

»Danke, kein Bedarf«, fiel ihm Lassiter ins Wort. »Glauben Sie, ich leg mich nachts mit Fremden schlafen, wenn ich über zweihunderttausend Dollar im Gepäck habe? Derart viel Geld hat schon manch braven Mann schwach werden lassen. Nein, ich traue niemandem. Damit bin ich bisher ganz gut gefahren. Auf diese Weise werde ich die Wildkatze ungehindert nach Nogales bringen.«

Der Jerife grinste ihn an. »Sehr vernünftig, Amigo Lassiter. Ich wünsche Ihnen nur, dass diese Katze Ihnen nicht die Augen auskratzt. Bei ihrer Verhaftung hat sie einem meiner Leute in die Cojones getreten und dem anderen fast die Hand abgebissen. Ein wildes Luder!«

»Wenn das Luder kratzt, werde ich es zähmen.«

Ortega lehnte sich vor. »Ich beneide Sie nicht um ihre Aufgabe. Maureen, ihre Bande und Kerle wie Navarra sind nämlich nicht das Einzige, das sie fürchten müssen.«

»Was meinen Sie damit?«

»Ich spreche von Gespenstern wie Omar Rebenga. Schon von ihm gehört?«

Lassiter nickte. Die Schreibtischhengste der Brigade Sieben hatten ihn über Omar Rebenga in Kenntnis gesetzt. Von allen Strauchdieben jenseits der Grenze war Rebenga der durchtriebenste, hieß es. Ein derart hohes Kopfgeld und die Aussicht auf die Beute waren für einen Banditen wie ihn ein gefundenes Fressen. Das Dumme war nur, dass ihn niemand kannte. Rebenga war ein Meister der Verkleidung, er tauchte auf, schlug blitzschnell zu und verschwand wieder. Der große Mann war gewarnt.

»Ich werde Maureen schon heil nach Hause bringen.«

»Tun Sie das.« Ortega kratzte sich am linken Handrücken. »Ich mache mir inzwischen ernsthaft Gedanken über Nogales.«

»Was soll das heißen?«

»Das heißt, ich habe vielleicht bald denselben Weg vor Augen wie Sie.«

»Sie wollen nach Nogales?«, fragte Lassiter erstaunt.

»Warum nicht? Auf jeden Fall über die Grenze! Ich sagte ja schon, der Verdienst ist knapp. In Mexiko gibt’s nicht viel zu holen. In Ihrem Land dagegen …« Er lächelte schmal.

Lassiter tippte grüßend an die Hutkrempe und begab sich zur Tür. »Ich glaube«, sagte er, als er seine Hand auf die Klinke legte, »Sie sollten sich nicht allzu viel von meinem Land versprechen. Auch bei uns gibt es jede Menge Halsabschneider und Halunken.«

»Ich weiß. Einen davon eskortieren Sie morgen nach Hause.«

»So ist es«, bestätigte Lassiter Ortegas Worte. »Und zwar auf einem Weg, den niemand außer mir kennt.«

»Si, das ist richtig.« Ortega nickte bedächtig. »Ihren Weg kennt niemand. Aber Ihr Ziel, Señor Lassiter, das ist bekannt. Deshalb sollten Sie höllisch vorsichtig sein!«

Lassiter schenkte dem Jerife einen letzten Blick und nickte knapp. Dann verließ er das Büro.

Noch während er über die Straße ging, schob sich die dralle Carmen in seine Gedanken. Er hatte sie gleich bei seiner Ankunft im Hotel-Saloon kennengelernt. Sie gehörte zu den dortigen Zimmergirls und war eine echte Augenweide.

Dennoch konnte Lassiter nicht verhindern, dass Ortegas Warnung in ihm nachhallte wie das Echo eines Schusses …

***

Lassiter öffnete die Hotelzimmertür und steckte den Kopf hinein. Wie er es gehofft hatte, lag Carmen noch im Bett. Sie schnarchte leise, ihr praller nackter Hintern lugte unter der Decke hervor.

Er grinste. Carmen war ein Goldstück! Ihr Haar trug sie meist hochgesteckt, im Moment lag es in kastanienfarbenen Wellen über dem Kissen. Im Schlaf wälzte sie sich halb aus der weißen Decke und winkelte ihr Bein an. Die Falte, die dabei zwischen Schenkel und Hüfte entstand, ließ einen heißen Schauer durch Lassiters Bauch wandern.

Carmen öffnete die Augen und blinzelte. Dann lächelte sie verschlafen und streckte die Arme nach ihm aus. »Querido! Wenn du wüsstest, wie sehr ich auf dich gewartet habe«, seufzte sie glücklich.

Im Nu war er aus seinen Sachen und legte sich zu ihr. Er umarmte sie, küsste ihre Augen, die Stupsnase und ihre herrlich weichen Lippen. Sie fegte die Decke vom Bett und erwiderte gierig seinen Kuss, als seine Zunge den Weg in ihren Mund fand.

Es tat gut, ihr so nah zu sein, erfüllte Lassiter mit Lust und Wärme. Ihre Hände glitten seinen Körper hinauf und hinab, erforschten ihn, waren da und wieder weg, griffen fordernd zu. Zärtlich berührte Lassiter ihre Brüste, liebkoste sie mit der Zunge, ehe er die rechte ganz in den Mund nahm. Ihr Nippel war steif und fest. Carmen schrie spitz auf, als er sanft zubiss, seine Hand zwischen ihre Schenkel gleiten ließ, und seine Finger dann nach oben zu ihrer warmen Spalte wanderten.

Sie hielt es nicht länger aus, als er zwei davon in ihr versenkte, löste sich und setzte sich rittlings auf ihn. Das fahle Licht im Zimmer spiegelte sich in den Schweißperlen auf ihrer herrlichen Haut, während sie in Fahrt kam. Zuerst begann sie spielerisch, dann wurden ihre Bewegungen wilder und ungestümer. Ihr üppiger Busen erbebte. Lassiter schloss die Augen und gab sich ihr völlig hin.

Carmen stieß ein Stöhnen aus, das lustvoll und animalisch zugleich klang. Sie rieb ihre Brüste an Lassiter, bewegte ihre Lippen, als flüstere sie ein Gebet. Ihre Hände glitten an seinen Rippen empor und massierten seine Brust. Sie wanderten zu Lassiters Gesicht und fuhren über die Stoppeln auf seinen Wangen. Dann beugte sie sich vor und küsste ihn, sinnlich und verspielt. »Du Hengst«, hauchte sie. »Ich fühle mich, als hätte ich ein Feuerwerk im Leib!«

Lassiter stieß ein raubtierhaftes Knurren aus und packte sie an den Hüften. Ein ums andere Mal stieß er von unten her zu. Sie jauchzte und schrie, dass er Angst hatte, die Wände würden einstürzen.

Schließlich stieg sie in einer schnellen Bewegung ab. Sie keuchte und schwitzte, schloss gierig ihre Hände um seine Erektion. Lassiter konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Carmens Lippen schlossen sich um seine Rute, ihr Kopf ruckte auf und ab und der große Mann fühlte ein heftiges Ziehen in seinem Bauch. Was für ein Luder! Sie beherrschte diese Kunst wie kaum eine andere.

Jäh ließ sie von ihm ab und schob sich an ihm hoch. Im Nu saß sie erneut auf ihm. »O Lassiter!«, jauchzte sie und erhöhte binnen Sekunden das Tempo. Bei jeder Bewegung ihrer Hüften fühlte Lassiter einen wunderbar heißen Schauer von seinem Unterleib bis zum Brustbein hinaufjagen. Beinah verschwamm das Zimmer vor seinen Augen.

Carmens Blick war unverwandt auf ihn gerichtet. Ein sinnliches raues Lachen drang aus ihrem Mund, verruchter als die Hölle, während sie den Rhythmus mehr und mehr steigerte. Es kündigte sich an, dass sie ihrem Crescendo entgegen strebte, und auch Lassiter würde es nicht mehr lange aushalten. Sie hämmerte ihren Körper gegen seine Lenden, ihre Lippen streiften die seinen, und dann wurden sie beide von den Wogen des Höhepunkts überrollt.

Die Haare klebten Carmen an Stirn und Wangen; sie lächelte glücklich. Lassiters Hände fuhren ihre Taille hinab, ertasteten ihren schweißnassen, samtweichen Körper. Spielerisch knabberte Carmen an seinen Lippen. Seine Hände strichen über ihren prallen Hintern, kitzelten ihren Steiß. Sie kicherte mädchenhaft.

Dann rollte sie sich von ihm herunter, schmiegte sich an ihn und küsste seine Brustwarzen. »O Lassiter«, hauchte sie. »Kann man sich binnen zwei Tagen verlieben? Ich glaube, ich hab’s getan. Ich hab mich in dich verliebt!«

»Tu dir das nicht an«, sagte er, noch ein wenig außer Atem. »Ich bin ja morgen schon wieder weg.«

»Ich weiß.« Sie zog eine Schnute wie ein beleidigtes Gör. »Das macht mich ja so wütend. Wütend und traurig.«

Er fuhr mit dem Finger über ihre Nasenspitze. »Ich möchte aber nicht, dass du traurig bist. Und wütend noch viel weniger.«

»Was können wir denn dagegen tun?«

»Oh, ich wüsste da schon was.« Er küsste sie erneut.

Und das Spiel ging von vorne los …

***

Als Lassiter erwachte, war es bereits dunkel. Carmen schlief friedlich neben ihm. Das Licht der Straßenlaterne fiel ins Zimmer, der Schatten des Fensterkreuzes hing wie ein gebogenes, schwarzes Kruzifix an der Wand.

Gerade als sich Lassiter umdrehen und weiterschlafen wollte, krachte und donnerte es und das ganze Haus wackelte! Einen Moment lang erblühte der Himmel draußen in feuerroter Farbe.

Mit einem Satz fuhr der große Mann hoch und war am Fenster. Schüsse peitschten, eine Gewehrsalve folgte. Dann krachte ein weiterer Donnerschlag, und aus dem Dach von Ortegas Office fuhr eine Feuersäule gen Himmel und fiel wieder in sich zusammen. Weißer Rauch hing über dem Gebäude, Staub und der Geruch von Schießpulver wurden vom Nachtwind bis zu Lassiters Fenster geweht.

»Was ist da los?«, sagte Carmen und rieb sich verwundert die Augen.

»Nichts für schöne Frauen.« Behände zog Lassiter sich an. Rufe und Geschrei waren draußen zu hören. Dann weitere Schüsse. Mittlerweile war anscheinend die halbe Stadt auf den Beinen. Der Kampflärm nahm an Heftigkeit zu.

Lassiter wusste, was das bedeutete. Maureens Männer, oder aber ein paar Kopfgeldjäger wollten die Bandenchefin aus dem Knast holen.

Lassiter schwang sich den Revolvergurt um und stürzte aus dem Zimmer. Außer Atem kam er unten an. Als er auf die Straße trat, schien die Sache erledigt zu sein. Kein einziger Schuss war mehr zu hören, lediglich der Pulvergestank hing noch in der Luft.

Auf der Straße lagen drei Tote. Darunter zwei der Kopfgeldjäger, die sie heute Mittag verhaftet hatten. Jeb Navarra war nicht dabei.

Etliche Passanten waren unterwegs, Fackeln und Laternen brannten. Alle wollten wissen, was sich abgespielt hatte. Aus einem Fenster schauten Kinder auf die Straße, die sogleich von ihrer Mutter wieder zurück ins Zimmer gezogen wurden.

Mit ein paar anderen Neugierigen betrat Lassiter das Office. Dort rauchte noch alles, die beißende Luft löste Hustenreiz aus. Erleichtert erkannte Lassiter, dass Ortegas Helfer inzwischen zurückgekehrt waren. Zu dritt hatten sie den Angriff abgewehrt. Von einem der Helfer erfuhr er, dass Navarra entkommen war, und ein eingreifender Bürger dabei sein Leben gelassen hatte.

Weitere Männer kamen, beleuchteten mit Fackeln die Szenerie. Im diesigen, gespenstischen Licht im Office erkannte Lassiter, dass ein Teil der Gefängnismauer weggesprengt worden war. Dort wo die Sprengladungen detoniert waren, sah man verbogene Stäbe und Gitterreste wie Spinnennetze aus den Wänden ragen.

Maureen war noch da, allerdings saß sie in der Zelle der Kopfgeldjäger. Sie hatte sich an die Wand gelehnt und sah mit spöttischem Blick den Helfern zu. In ihrer Nebenzelle saß ein Mann, der heute Mittag noch nicht darin gesessen hatte. Vermutlich der Mörder des Sattlers.

Lassiter begab sich zu dem Jerife. Ortega wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum und hustete. »Sehen Sie, Señor Lassiter. Was ich Ihnen gesagt habe! Die geben sich nicht geschlagen.«

»Wie’s aussieht, waren die hinter den Kopfgeldjägern her.«

»Glauben Sie das?«

Lassiter schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Eben. Ich auch nicht. Aus purem Instinkt heraus habe ich Maureen und die Kopfgeldjäger am Nachmittag die Zellen tauschen lassen. Hat sich gelohnt, wie Sie zugeben müssen.«

»Ja, das hat es«, bestätigte Lassiter nickend. »Aber freuen Sie sich! Morgen früh ist der Spuk vorbei.«

»Sehen Sie aus dem Fenster, Señor«, sagte ein kleiner, grauhaariger Mann, der mit einem Eimer Mauerreste aufsammelte. »Es wird bald hell.«

Der Kerl hatte recht. Ein dünnes glühendes Band zog sich über den Horizont. Irgendwo krähte ein Hahn zum wiederholten Mal.

»Dann werde ich mich eben beeilen müssen«, wandte Lassiter sich Ortega zu. »Schließlich habe ich keine Zeit zu verlieren.«

»Sie wollen gleich aufbrechen?«, fragte der Jerife.

»Jetzt sofort bestimmt nicht«, entgegnete Lassiter und zwinkerte ihm zu. »Ich sagte lediglich, ich habe keine Zeit zu verlieren. Da sind ein, zwei Stunden Schlaf vorher nicht zu viel verlangt, meinen Sie nicht?«

Lassiter verließ das Office. Er wollte die restlichen Stunden bei Carmen sein. Die nächsten Tage würden stressig genug werden. Inständig hoffte er, unbehelligt mit Maureen reisen zu können.

Aber er war Realist. Er wusste, dass das nicht der Fall sein würde.

***

Viel Schlaf bekam er nicht mehr. Kaum lag er wieder im Bett, hielt Carmen ihn auf Trab. Nachdem er dann doch endlich eingeschlafen war, weckte ihn der Straßenlärm. Kutschen fuhren vorüber, im Office wurde geklopft und gehämmert.

Lassiter stand auf, ging nach nebenan, wusch sich, und rasierte sich vor dem Badspiegel. Danach packte er seine Sachen zusammen und verabschiedete sich von Carmen. Natürlich musste er ihr versprechen, bei seinem nächsten Besuch vorbeizuschauen, aber Herr im Himmel – wann kam er wieder nach Hermosillo?

Nach einem schnellen Frühstück, das aus Rühreiern, Kaffee und Speck bestand, verließ er das Hotel und begab sich zum Stall. Diesmal blieb er achtsam, doch da war niemand, um ihn in Empfang zu nehmen.

Der große Mann sattelte die Pferde. Die beiden Braunen, die er ausgesucht hatte, stammten aus hervorragender Zucht. Lassiters Tier war kräftig und besaß einen breiten Brustkorb, ein untrügliches Zeichen für Ausdauer.

Die Stalltür knarrte. In einer einzigen Bewegung fuhr Lassiter herum und zog den Revolver. »Nicht schießen!«, rief da jemand erschrocken.

Es war Fernando, der Stallbursche.

»Du lebst gefährlich, Kleiner«, knurrte Lassiter. »Was willst du? Ich hab deinem Vater die Pferde schon bezahlt.«

»Sie sollen mitkommen, Señor«, sagte er. »Jemand will Sie sprechen.«

»Wer?«

»Ich darf es nicht sagen, Señor. Aber es ist wichtig, soll ich Ihnen ausrichten.«

War das ein Trick, um ihn in eine Falle zu locken? Möglicherweise. Aber dann konnte es erst recht nicht schaden, wenn er herausfand, wer da etwas von ihm wollte.

»Gut«, sagte er, den Remington in der Hand behaltend. »Geh voran.«

Mit Fernando verließ er den Stall. Sie umrundeten den Bretterbau und gelangten in eine Gasse. Dort zeigte Fernando mit dem Finger auf einen stattlichen, gut gekleideten Herrn, der an dem Querbalken einer überdachten Tränke lehnte. Er trug einen dunkelgrauen Bratenrock. Blondes Haar lugte unter einem nagelneuen weißen Cattleman-Hut hervor, seine beiden Revolver hatte er tief geschnallt.

»Wer sind Sie und was wollen Sie?« Lassiter nahm den Revolver keine Handbreit runter.

Der Mann lächelte knapp. »Nehmen Sie zuerst mal das Ding runter.«

»Das entscheide ich, wenn ich weiß, wen ich vor mir habe.«

»Also gut. Mein Name ist Barnes. Geoffrey Barnes. Sie heißen Lassiter, stimmt’s?«

»Stimmt.« Lassiters Augen wurden schmal. »Und weiter?« Er wandte sich dem Stallburschen zu. »Verschwinde, Fernando. Sieh nach den Pferden.«

»Si.« Eingeschüchtert eilte der Junge in den Stall zurück.

»Ich wollte Sie wegen der Frau sprechen«, sagte der Mann namens Barnes.

»Das dachte ich mir.« Lassiter nickte. »Da sind Sie nicht der Einzige.«

»Glaub ich.« Barnes stieß sich vom Balken ab. Wie er so dastand, verschmitzt lächelnd und Grübchen in beiden Wangen, wirkte er fast sympathisch. »Ich hab Ihnen ein interessantes Geschäft vorzuschlagen«, sagte er.

»So? Dann schießen Sie mal los.«

»Gerne. Bevor Sie es tun.« Er zeigte grinsend auf den Revolver.

Lassiter spannte den Hahn. »Sie sind nicht witzig, Mister Barnes. Also – was wollen Sie von mir?«

»Reich werden, Lassiter! Die Frau ist eine ganze Menge mehr wert, als man Sie glauben lässt. Maureen de Angelo hat die Beute vieler Jahre Bandenterror gehortet. Da ist ’ne Menge für uns drin. Hören Sie? Für uns beide!« Sein Blick wurde fiebrig. »Wir könnten abkassieren und uns ein feines Leben machen. Ich bin schon seit Jahren in Mexiko und kenn mich aus. Schließen Sie sich mir an, Lassiter! Sie brauchen nichts weiter zu tun, als sich mit mir außerhalb der Stadt zu treffen. Wir können die Angelegenheit leicht und locker abwickeln. Wir fühlen der Kleinen auf den Zahn und haben für immer ausgesorgt! Was meinen Sie dazu?«

»Sie sind ja verrückt.«

»Aber überlegen Sie doch! Was haben Sie denn zu verlieren? Das bisschen, was die Regierung Ihnen zahlt?«

»Tut mir leid, ich bin nicht interessiert.«

Barnes musterte ihn verständnislos. »Wie viel wollen Sie? Alles? Oder hat Maureen Sie schon um den Finger gewickelt? Nein? Dann gehören Sie tatsächlich zur rechtschaffenen Sorte? Sagen Sie, was haben Sie davon, wenn Sie Maureen an den Galgen liefern?«

»Wer sagt, dass sie gehängt wird?«, entgegnete Lassiter.

»Oh-ho-ho! Das dürfte so sicher sein, wie das Amen in der Kirche. Aber dann ist sie tot und das Geld ist futsch! Entweder die Regierung kriegt es oder es verfault irgendwo! Das wäre doch jammerschade, finden Sie nicht?«

»Verschwinden Sie, Barnes.«

»Aber ich -«

»Sie sollen abhauen, Mann, oder ich ramme Ihnen den Revolverlauf dorthin, wo die Sonne nicht scheint!«, blaffte Lassiter ihn an. Ihm schwoll der Kamm. Dieser Aasgeier brachte sein Blut in Wallung.

»Gut.« Barnes spitzte die Lippen und entfernte sich von der Tränke »Aber denken Sie daran, Lassiter!«, rief er dem großen Mann zu. »Der Weg ist weit!«

Das musste er Lassiter nicht sagen. Er war den verdammten Weg schon geritten.

Nur, dass er jetzt erst recht auf der Hut sein musste.

***

Eine halbe Stunde später waren sie unterwegs. Maureen saß mit nach vorne gefesselten Händen auf ihrem Pferd. Die Sattelknäufe hatte Lassiter mit einer Lassoleine verbunden. In großzügigem Abstand. Maureen hätte sie zwar mit den Fingern aufpfriemeln können, aber was würde ihr das bringen? Lassiter hätte sie bei einem Fluchtversuch im Nu eingeholt.

Der große Mann war wachsam. Er hielt sich abseits der Straßen. Im Moment war weit und breit niemand zu sehen, doch er konnte sich nicht vorstellen, dass sich die Desperados ein solches Geschäft durch die Lappen gehen ließen. Er musste die Gegend gut im Auge behalten und möglichst vor Dunkelheit ein Nachtlager finden, das ihnen den Rücken freihielt und trotzdem Fluchtmöglichkeiten bot. Kein leichtes Unterfangen. Aber Lassiter war ein Wolf und in der Wildnis zuhause. Jedes Greenhorn wäre mit einem solchen Auftrag heillos überfordert gewesen. Nicht so der beste Mann der Brigade Sieben. Lassiter war für solche Aufträge wie geschaffen. Jedenfalls war das die Meinung der Brigadenbosse und in so manch auswegloser Situation hatte der große Mann sie schon dafür verflucht.

»Wie lange wird’s denn dauern?«, meldete sich Maureen unvermittelt.

Überrascht drehte Lassiter den Kopf. Maureen Stimme hatte einen butterweichen Klang. Er blickte in ihr Gesicht, das im Sonnenlicht deutlicher zu erkennen war, als in der düsteren Zelle. Es war schmal, mit hohen Wangenknochen. Unter ihren katzenhaften Augen schimmerte die Haut wie Elfenbein. Ihre Lippen waren voll und wirkten sinnlich und aufreizend. Dazu trug sie eine enge schwarze Hose, ein dunkles, eng anliegendes Trikot und hochschaftige braune Stiefel.

»Sie können ja sprechen«, stellte er fest.

»Wenn ich will.«

»Wenn alles glatt läuft, kann der Richter Sie in ein paar Tagen in Empfang nehmen.«

Ihre Miene bekam einen harten Zug. »Und wenn nicht?«

Lassiter lachte auf. »Dann ist was schiefgelaufen. Sie spekulieren darauf, hm?«

»Wie meinen Sie das?« Sie schien tatsächlich irritiert.

»Wie ich das meine? Sie sind ganz schön begehrt, aber das wissen Sie ja selbst am besten. Sie bauen darauf, dass ihre Jungs mich niederschießen und sie befreien.«

»Wenn Sie es sagen …«

Lassiter musterte sie. Ihre Miene war undurchdringlich. »Versuchen Sie ja nicht, mir einzureden, dem wäre nicht so. Für das Gesindel um Hermosillo sind Sie die Gans, die goldene Eier legt, und das wissen Sie.«

»Nettes Kompliment.«

»Sie wissen genau, wie ich es meinte.«

»Sie sprechen von Leuten wie diesem Navarra, nicht wahr?«

»Ich spreche noch von ganz anderen. Omar Rebenga, zum Beispiel.«

»Von dem hab ich gehört«, sagte sie spitz.

»Ach ja? Und was?«

»Er soll sich in der Gegend um Santa Ana aufhalten, hörte ich.« Sie legte den Kopf schräg. »Kommen wir da durch?«

Lassiter konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Netter Versuch.«

»Man kann nicht immer gewinnen.« Sie erwiderte das Lächeln.

»Nein, kann man nicht. Aber da wir grade über Halunken sprechen: Haben Sie auch schon von einem gewissen Geoffrey Barnes gehört?«

Lassiter sah, wie sie zusammenzuckte. Doch schon im nächsten Augenblick hatte sie sich wieder in der Gewalt.

Sie schwieg, suchte mit Blicken die Gegend ab. Lassiter grinste erneut und zog es vor, ebenfalls zu schweigen. Er würde schon noch dahinter kommen, welches Spiel diese Hexe trieb.

Gegen Abend erreichten sie einen großen Fluss. Die Sonne versank im Westen, die langen Schatten der Dämmerung krochen aus den Schluchten und spalteten die Berge im Süden. Büsche und Bäume verloren ihren Grünton und zeigten ein hartes, kaltes Grau.

Sie ließen die Pferde ein wenig saufen und überquerten den Fluss an einer Furt. Lassiter hielt die Augen offen, doch es war nichts Verdächtiges zu erkennen. Maureen saß schweigsam im Sattel. Ihm entging nicht, dass sie sich hin und wieder verstohlen umschaute.

Keine Stunde später gelangten sie in verkarstetes, von Dornengestrüpp bewachsenes Land und ritten auf die Perdido Mesa zu, einen Tafelberg mit einem langgezogenen Massiv als Anhängsel. Nahtlos folgte der Dämmerung die Nacht. Wenige Sterne funkelten, der rote Mond am Nachthimmel glich einer Schusswunde. Lassiter nahm noch den Geruch des Flusses wahr, der immer weiter hinter ihnen zurückblieb. Von vorn wurden sie von einem schwachen Wind umfächelt, der nach Staub und Trockenheit schmeckte.

Lassiter hatte den Ritt gut geplant. Obwohl er wusste, dass er sein Leben riskierte, fühlte er sich relativ sicher. Auf dem Weg nach Hermosillo hatte er ständig nach Rückzugsmöglichkeiten für den Fall eines Überfalls Ausschau gehalten und auch welche gefunden. Ein solches Versteck strebte er nun an.

Sie erreichten die Ausläufer der Berge und folgten einem stetig ansteigenden Wagenweg. Nach zwei weiteren Meilen verließen sie den Weg und schwenkten nach Nordosten ein, bis sie ein sich nach Norden dehnendes Plateau erreichten. Zerklüftete Felshänge tauchten vor ihnen auf, Monumente in einer wie zu Stein erstarrten Finsternis.

»Wann wollen wir rasten?«, meldete sich Maureen. »Ich bin müde.«

»Wir rasten, wenn ich es sage«, antwortete Lassiter. »Und noch ist es nicht so weit.«

Sie verfiel wieder in Schweigen. Sollte sie. Wenn er anfing, sich auf Diskussionen einzulassen, gab es nur Probleme.

Lassiter betrachtete sie von der Seite her. Bis jetzt war sie keineswegs die Wildkatze, die Ortega ihm offenbart hatte. Sollte der Jerife sich getäuscht haben? Außerdem, wer wusste, wie sich seine Männer bei der Festnahme verhalten hatten? Maureen war eine verdammt hübsche Frau, mit einer Figur wie gemalt. Konnte es sein, dass die Kerle ihre Finger nicht von ihr gelassen hatten?

Ein Hohlweg öffnete sich vor ihnen. Lassiter ritt hinein. Das Klappern der Hufe klang unnatürlich laut in der Dunkelheit. Der große Mann neigte den Kopf nach vorne. Innerlich war er angespannt und konzentriert.

Er hielt an, um in die Nacht zu lauschen. Zu hören war nur das an- und abschwellende Wimmern des Windes, der sich in den Spalten und Höhlen der Mesa verfing, ein Geräusch, das diesem Teil des Landes so eigen war wie Amaranth und Chilibeeren.

Der große Mann gab dem Pferd einen Schenkeldruck, sogleich ritt der Braune an. Der Hohlweg endete kurz darauf vor einem tiefer liegenden Plateau. Einander überlappende Plateaus schlossen sich wie die Stufe einer gewaltigen Treppe an. Lassiter nahm das Tempo zurück, das Gelände forderte seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Es barg tückische Nischen und war reich an Verstecken.

Dann tauchte die Schlucht auf, die er gesucht hatte. Lassiter zog die Zügel herum und ritt am Abgrund entlang, Maureen blieb dichtauf. Vor ihnen lag weites, abfallendes Gelände. Sollte von hinten jemand kommen, konnten sie leicht davonpreschen.

Er blickte zum Himmel, prüfte den Stand des Mondes und stellte fest, dass sie schneller gewesen waren, als er es erwartet hatte. Er hatte Zeit gewonnen, Eile war nicht vonnöten.

Unvermittelt nahm er Rauchgeruch wahr. Lassiter zügelte sein Pferd und wandte sich im Sattel um. Der Rauch wurde von der anderen Seite der Schlucht vom Wind herangetragen. Angestrengt spähte der große Mann durch die Dunkelheit. Zwischen einigen Felssäulen glaubte er in schlecht abzuschätzender Entfernung einen kleinen Glutpunkt zu sehen.

»Was ist?«, fragte Maureen. »Warum halten wir?«

»Schscht!«, zischte Lassiter. Sie verstummte widerspruchslos.

Lassiters innere Anspannung wuchs. Er verspürte ein Kribbeln in seiner Magengegend. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass Ärger in der Luft lag.

Er trieb sein Pferd wieder an, löste die Lassoleine und warf sie Maureen zu. Geschickt fing die Bandenchefin die Leine auf. »Wenn ich ›jetzt‹ sage, ducken Sie sich«, raunte er ihr zu. »Und dann halten Sie sich dicht hinter mir, verstanden?«

Sie nickte. Ihr Gesicht verriet eher Sorge als die Vorfreude über eine mögliche Befreiung.

Mit einer in Fleisch und Blut übergegangenen Bewegung schlang Lassiter die Zügel um das Sattelhorn und zog die Winchester aus dem Scabbard.

Langsam ritten sie weiter. Nichts geschah. Noch immer nahm der große Mann den Geruch von Rauch wahr. Diesmal stärker.

Jäh krachten in rascher Folge drei Schüsse! Lassiter sah das Aufblitzen auf der anderen Seite der Schlucht und handelte instinktiv. Er hämmerte dem Braunen die Absätze in die Weichen und ließ sich nach vorn auf den Hals des Tieres fallen. Das Pferd vollführte einen mächtigen Satz und stieß ein lautes Wiehern aus.

Wieder fielen drei Schüsse. Lassiter spürte den sengenden Luftzug einer Kugel, hinter ihm schrie Maureen. Eines der Projektile prallte gegen einen Felsen und fuhr jaulend als Querschläger davon.

Diese Aasgeier! Wenn sie bei Dunkelheit auf ihn schossen, bedeutete das, sie waren sich ihrer Sache sehr sicher. Immerhin bestand die Gefahr, Maureen zu treffen, da musste es sich schon um verdammt erfahrene Schützen handeln.

Oder aber um Wegelagerer und andere Strolche!

Der große Mann sprengte das abfallende Gelände hinab. Hinter ihm dröhnten die Hufe von Maureens Pferd. Er jagte auf die schützenden Schatten der Steilhänge zu, dort würde es ihnen gelingen, der Sicht der Verfolger zu entkommen.

Plötzlich glühte Mündungsfeuer vor ihm auf und weitere Schüsse peitschten. Lassiter zerrte an den Zügeln und riss den Braunen in vollem Galopp fast um. Das Tier bäumte sich auf, tänzelte für einige Sekunden auf den Hinterhufen und rutschte beinah auf dem glatten, felsigen Untergrund aus. Maureen stieß seitlich gegen ihn, sie schrie abermals. Lassiter versetzte seinem Pferd einen Schlag mit dem Schaft der Winchester. Aus dem Augenwinkel sah er Reiter heranpreschen. Er drehte sich im Sattel und feuerte in die Dunkelheit. Schnell nacheinander jagte er ein paar Kugeln aus dem Gewehr.

Nur schemenhaft nahm Lassiter die Männer wahr, dann jagte er schon auf die Steilhänge zu. Maureen blieb dicht hinter ihm. Von der anderen Seite des Abgrunds begann ein Sperrfeuer. Die Detonationen der Schüsse wurden von den Echos verstärkt, sodass es fast wie das Knattern einer Gatling Gun klang. Überall leckten Mündungsflammen aus der Finsternis.

Doch Lassiter ließ sich nicht beirren. Diese Hundesöhne mussten schon früher aufstehen, wenn sie ihn erwischen wollten! Mit kühlem Kopf und heißem Herzen lenkte er sein Pferd über die stufenartigen Plateaus zurück zum Hohlweg.

»Und was jetzt?«, rief Maureen ihm zu, als sie zu ihm aufrückte.

»Ganz einfach!«, rief Lassiter zurück. »Wir sind in eine Falle geritten, also reiten wir wieder aus ihr raus!«

Ohne sich um das Gewehrfeuer zu kümmern, nahm er den Hohlweg. Maureen blieb dicht hinter ihm. Zu seiner Rechten hörte er Karabiner peitschen. Lassiter fluchte in sich hinein. Zwei Reiter hatten sich abgesetzt und versuchten, ihnen den Weg abzuschneiden. Lassiter ritt in vollem Galopp durch den Hohlweg und schoss vom Sattel aus, ohne großartig zu zielen. Maureen kreischte etwas Unverständliches, folgte ihm aber dichtauf. Sekundenlang umfing sie tintenschwarze Finsternis, sie ritten nahezu blind. Kurz darauf gewahrte Lassiter den Hufschlag der Verfolger.

Wenn sie die andere Seite der Mesa vor ihm erreichten, musste er mit weiteren bösen Überraschungen rechnen. War er schnell genug, war er im Vorteil, da die Estado de Gaia, die Gegend auf der anderen Seite, voll von hügeligem Wald und seichten Flüssen war. Dort würde es leicht sein, ihre Spuren zu verwischen und zu entkommen.

Der Hohlweg schien kein Ende nehmen zu wollen. Lassiter gewahrte hinter sich die Rufe seiner Jäger. Sie holten auf. Der große Mann hörte sein Pferd angestrengt schnauben.

Da öffnete sich der Hohlweg! Mit den Zügeln zwischen den Zähnen lud Lassiter die Winchester durch und trieb den Braunen zu größerem Tempo an. Maureen hielt sich dicht hinter ihm. Lassiter kam nicht umhin, sie zu bewundern. Mit gefesselten Händen ein solches Tempo zu halten, zeugte von hoher Reitkunst.

Sie preschten auf einen holprigen Wagenweg, der durch die Mesa führte. Lassiter schwenkte nicht auf ihn ein, stattdessen flog er förmlich über ihn hinweg. Der Weg durch das zerklüftete Gelände war schwerer und gefährlicher, aber er führte direkt zur Estado de Gaia. In einer offenen, deckungslosen Ebene hatten sie schlechte Karten, zumal die Pferde bald erschöpft sein würden.

Lassiter machte sich nichts vor. Im Moment waren ihre Chancen so groß wie die des berühmten Schneeballs in der Hölle.

***

Wie der große Mann es gehofft hatte, schafften sie es, die Verfolger zumindest für den Moment abzuhängen. Nach einem wilden Ritt war es ihnen gelungen, in der Dunkelheit zu entkommen und sich auf einem der Plateaus zu verstecken. Sie befanden sich auf einer nasenförmig aus einem Hang hervorstehenden Klippe, die Pferde standen abseits zwischen mehreren Mesquite-Sträuchern.

Vorsichtig schob Lassiter den Kopf über die Geröllablagerung der Klippe und spähte in die tellerartige Ausbuchtung zwischen zwei weiteren Plateaus. Der Mond spendete etwas Licht. Geschätzte fünfzig Yards von ihnen entfernt hatten sich ihre Verfolger versammelt. Die Kerle schienen sich zu beraten. Lassiter zählte zwölf Reiter, war sich aber nicht ganz sicher. Das Licht des Mondes war zu schwach, um Einzelheiten ausmachen zu können.

»So, und jetzt zu dir«, sagte er und wandte sich Maureen zu. Jetzt pfiff er auf die förmliche Anrede. »Das da unten sind wohl nicht deine Männer, nehme ich an?«

»Ich … wieso?« Sie zeigte sich erzürnt.

»Weil du mir sonst davongeritten wärst. Aber du bist bei mir geblieben. Das heißt, du hattest Angst vor den Kerlen. Oder irre ich mich da?«

Sie senkte den Blick. »Nein«, sagte sie. »Du irrst dich nicht.«

»Also sind dir diese Burschen unbekannt?«

»Das hab ich nicht gesagt. Es ist nur -«

Unten bellte jemand Befehle und Maureen verstummte. Lassiter dachte daran, sein Fernglas aus der Satteltasche zu holen, aber da löste sich die Versammlung bereits auf. Ein kurzbeiniger Kerl mit beachtlichem Bauch und einem speckigen Bowler auf dem Kopf gab das Kommando an. Er gestikulierte aufgeregt mit beiden Armen, unvermittelt begaben sich die Männer zu ihren Pferden. Sie saßen auf und strebten auseinander. Lassiter war sich darüber im Klaren, dass sie systematisch die Gegend durchkämmten. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit. Aber gerade deshalb musste er einen kühlen Kopf bewahren.

Ruhig lehnte er sich zurück und füllte das Magazin der Winchester. Vielleicht hatten sie Glück und blieben unentdeckt, möglicherweise ritten die Späher an ihnen vorbei. Aber Lassiter pflegte nicht an Glück zu glauben.

Erneut spähte er ins Tal hinunter und sah die Kerle in Zweier- und Dreiergruppen über die Plateaus reiten. Mit Blicken verfolgte Lassiter ihren Weg, dann erhob er sich. Auch Maureen richtete sich auf. Ihre Kleidung war alles andere als hell, sie würden sich kaum vom düsteren Hintergrund der Felsen abheben.

Sie gingen zu den Pferden. Lassiter befühlte die Flanken der Tiere. Sie waren noch feucht vom Schweiß, aber sie zitterten nicht. Der große Mann überprüfte den Sitz der Sattelgurte, half Maureen beim Aufsitzen und schwang sich dann geschmeidig auf den Pferderücken. Das Gewehr behielt er in der Faust, als er sein Pferd antrieb und langsam zwischen wuchtigen Gesteinsquadern und bizarr geformten Felssäulen hindurch in die tiefer gelegenen Teile der Mesa ritt.

Das Bergland war unübersichtlich und weitläufig. Lassiter hoffte, durch das Netz ihrer Verfolger hindurchschlüpfen zu können. Je tiefer sie kamen, umso größer wurde seine Aufmerksamkeit, und umso vorsichtiger lenkte er sein Pferd. »Verhalt dich ruhig«, raunte er Maureen zu. Sie nickte nur. Ihre Augen verrieten Furcht.

War das die lang gesuchte und gefürchtete Bandenchefin? Lassiter beschlichen langsam Zweifel. Er beschloss, Maureen bei der nächsten Gelegenheit gründlich auf den Zahn zu fühlen.

Als er Stimmen hörte, zog er die Zügel zurück. Jemand lachte. Er hörte einen Mann auf Spanisch etwas sagen. Dann folgte abermals ein Lachen.

Hinter einem hohen Geröllhaufen tauchten zwei Reiter auf. Lassiter sah die olivbraunen Gesichter und die Waffen in den Händen der Männer. Einer trug zwei über der Brust gekreuzte Patronengurte, der andere lachte noch immer und zeigte ein erstaunlich makelloses Gebiss.

Lassiter zögerte keine Sekunde. »Los jetzt!«, schrie er und gab dem Braunen die Absätze. Mit einem mächtigen Satz sprang das Pferd auf die Bandoleros zu. Der große Mann versuchte gar nicht erst, ihnen auszuweichen und sie konnten nicht rasch genug reagieren. Er duckte sich im Sattel und hielt die Winchester wie eine kurze Lanze in den Händen. Maureen hielt sich in seinem Windschatten, kurz darauf streiften ihre Pferde die Reittiere der überraschten Banditen. Das Pferd des zuvor lachenden Banditen glitt aus, schwankte und stürzte mitsamt Reiter. Dem Mann mit dem Patronengurt rammte Lassiter die vorgereckte Winchester so heftig gegen die Brust, dass er aus dem Sattel gehoben wurde und wuchtig auf den Boden krachte. Regungslos blieb er liegen, während der andere schreiend versuchte sich aufzurichten, es aber nicht schaffte. Anscheinend war sein rechtes Bein gebrochen.

In wildem Galopp jagten sie den Hang hinunter. Lassiters Pferd stolperte, stürzte aber nicht. Gestreckt preschten sie kurz darauf über die Plateaus. Einmal wagte Lassiter sich umzudrehen, dabei sah er, dass die wenigen Schemen der Verfolger weit entfernt waren.

Maureen saß im Sattel, die Zügel in den Fäusten. Erst jetzt bemerkte Lassiter, wie geschickt sie ihre Arme einsetzte, um zu lenken. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal eine derart gewiefte Reiterin gesehen hatte.

Und er fragte sich erneut, warum sie nicht die Flucht ergriffen hatte. Irgendwas war faul an der Geschichte um die Bandenchefin, soviel war sicher.

Die Hufe des Braunen schienen den Boden nicht mehr zu berühren, die Pferde flogen förmlich darüber hinweg. Die Ausläufer der Mesa, und somit auch die Ebene, rückten näher.

Inseln aus Dornengestrüpp tauchten vor ihnen auf, hier und da erhoben sich vulkanische Quaderfelsen und riesige Kakteen. Sie preschten durch eine Bodenfalte und entschwanden kurzzeitig den Blicken der Verfolger. Als sie auf einen Arroyo zujagten, dessen Ränder dicht mit Geröll bedeckt waren, gelangten sie in eine breite Rinne. Sie führte von Norden nach Osten, hin zu einem sich dehnenden dichten Buschgürtel.

Nach einer gefühlten halben Stunde gelangten sie in ein Waldgebiet. Am Rand des Walds hielt Lassiter an und spähte zurück. Hufschlag war keiner zu vernehmen.

»Glaubst du, wir haben sie abgeschüttelt?«, fragte Maureen außer Atem. Vom Schweiß und vom Ritt hingen ihr die Haare wirr in der Stirn.

Lassiter ließ sich Zeit mit der Antwort und spähte weiter angestrengt ins Dunkel. »Gut möglich«, sagte er. »Vielleicht sogar wahrscheinlich.«

»Und was jetzt?«

»Jetzt?« Er wandte sich ihr zu. »Jetzt, Madame, suchen wir uns ein gutes Plätzchen für ein Nachtlager. Und danach werden wir einen kleinen Umweg nehmen.«

»Das ist doch zwecklos«, sagte sie genervt. »Die wissen doch, wo wir hinwollen!«

»Mag sein, dass die Burschen unser Ziel kennen. Wie wir aber dahin gelangen, wissen sie nicht. Und das ist unser Vorteil. Sie können nicht überall zugleich suchen, sonst verlieren sie wertvolle Zeit.«

»Was meinst du damit?«

»Ganz einfach: Wer sucht, wird automatisch langsam. Ihre oberste Prämisse muss aber sein, uns auf jeden Fall zu erwischen. Das heißt, sie müssen spätestens morgen eine Entscheidung treffen und werden dann vielleicht den direkten Weg nach Nogales einschlagen.«

Lassiter trieb das Pferd an. Maureen folgte ihm ins Dickicht des Waldes.

***

»Da müssen sie lang sein.« Doug Eldritch ritt zusammen mit Chief Sykes an der Spitze des Trupps. Er hielt an und deutete auf einen großen Felsen dicht an der Straße, der im Mondlicht rötlich schimmerte.

»Wie kommst du darauf?«, fragte einer der Männer.

Doug zeigte auf sein Ohr, an dem sein Markenzeichen baumelte, ein bis zur Schulter reichender Federohrring. »Reines Gehör. Ich bin mir fast sicher, sie sind dort Richtung Buschgürtel abgebogen.«

»Würde Sinn machen«, brummte Sykes. Der Bandenchef stieg ab. Wie er so umständlich vom Gaul stieg, hätte Doug fast lachen mögen. Sykes war kurzbeinig und hatte einen Schmerbauch, aber man sollte nicht glauben, wie schnell und brandgefährlich er war. Nicht umsonst hatte Geoffrey Barnes ihn damals zu seinem Stellvertreter gemacht. Er war brutal, und clever dazu, außerdem hatte er Bärenkräfte in seinen Armen.

Sie zogen die Pferde hinter sich her. Die Rinne war breit, und die Steine gaben unter ihren Füßen nach. Einige fluchten über den beschwerlichen Weg. »Wenn der Bastard mit Maureen da entlang geprescht ist, dürften die Gäule mittlerweile kaputte Hufe haben«, sagte einer der Männer.

»Wenn wir Glück haben, ist das so«, erwiderte Sykes. »Wenn dieser dreimal verfluchte Saukerl Glück hat, nicht. Dann ist er uns ein schönes Stück voraus. Und du bist dir wirklich sicher wegen des Wegs, Doug?«

»Ich irre mich selten«, sagte Doug und sah sich um. Die Männer folgten ihnen. Von der Bande waren er, Rory Calhoun und Winnie Zampado die einzigen Weißen. Der Rest bestand aus Mexikanern, Mulatten und einem Indianer-Mischling namens Zwei Blätter. Sie hatten Ortegas Office in Hermosillo tagelang beobachtet. Es hatte Sykes vierzig Dollar gekostet, um bei einem von Ortegas Helfern herauszufinden, wohin die Reise ging.

Nach Nogales, Arizona. Vor Gericht. Das galt es unter allen Umständen zu verhindern. Maureen hatte, ohne Wissen der Bande, das Geld vor ihrer Verhaftung versteckt. Doug fragte sich, warum. Wahrscheinlich hatte das Luder mit der Beute des Sonderzugs verschwinden wollen. Zuzutrauen wäre es ihr. In letzter Zeit war sie zurückhaltend und merkwürdig schweigsam gewesen.

Von ihrer Verhaftung konnte sie allerdings unmöglich gewusst haben und das war es, was Doug beschäftigte. Es war, als hätte dieses verruchte Luder einen Plan ausgeheckt, von dem nur sie allein etwas wusste. Ihr ganzes seltsames Verhalten vor ihrer Verhaftung deutete darauf hin.

Sykes hielt an, die Männer rückten auf. Sie lauschten, aber alles war still. Lediglich ein Käuzchen war zu hören. In der Ferne schälten sich die Umrisse des Buschgürtels aus den nächtlichen Schatten.

»Und?«, fragte Zwei Blätter mit kehliger Stimme.

Doug hielt seine gekrümmte Nase in den Wind und schnüffelte wie ein witternder Hund. »Nichts«, sagte er enttäuscht. »Ein Feuer scheinen sie nicht gemacht zu haben.«

»Bist du sicher?«

»So sicher wie zwei und zwei vier ist, Mann. Ein Feuer würde ich riechen, selbst wenn es schon niedergebrannt wäre.«

Zwei Blätter warf ihm einen feindseligen Blick zu. Für einen halben Indianer war er ein verdammt schlechter Fährtenleser. Das lag vielleicht daran, dass sein Durst größer war, als sein Interesse an Spuren. Für eine Flasche Pulque vergaß der Kerl alles um sich herum. Dennoch war er einer der wenigen in dem Haufen, die einigermaßen ehrlich waren.

»Calhoun, Lopez, mitkommen«, bestimmte Sykes. »Ihr andern wartet hier.« Er warf Doug die Zügel zu und mit gezückten Colts suchten sie die Umgebung ab.