Lassiter Sammelband 1795 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1795 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2266, 2267 und 2268.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

2266: Lassiter - umzingelt!

Virgil Truman öffnete die Augen. Das Tageslicht in der Zelle war dämmrig geworden. Er lauschte den Hammerschlägen draußen auf der Mainstreet. Sie verstummten nach und nach. In der Nachbarzelle fluchte Joshua Higgins, weil sein Bruder schon wieder das bessere Blatt auf die Pritsche knallte. Sie pokerten um Steinchen, die sie aus dem Mörtel an der Wand gekratzt hatten. Ein Stein galt hundert Dollar. Joshua stand schon mit 24.000 Dollar in der Kreide bei seinem kleinen Bruder. Abrechnen wollten sie nach der Freilassung. Also nie. Es war ihre letzte Pokerpartie, und beide wussten es.

Truman stemmte sich von der Pritsche, schlurfte zum Fenster, zog sich an den Gitterstäben hoch und lugte hinaus auf die abendliche Mainstreet. Leute versammelten sich um ein hölzernes Podest mit drei Galgen. Truman fluchte und spuckte hinaus auf den Sidewalk.

2267: Red Cheyenne

Er war ihnen entkommen!

Daniel O'Leary konnte es kaum fassen, aber er hatte seine Bewacher ausgetrickst und das Camp hinter sich gelassen. Die erste Hürde war geschafft, doch das Ziel noch lange nicht erreicht. Hinter ihm klang das Bellen von Hunden auf, dazwischen hörte er dumpfe Stimmen und laute Rufe. Harte Kommandos hallten durch die Nachtluft, greller Fackelschein riss die Dunkelheit auf.

Seine Häscher waren ihm unmittelbar auf den Fersen. Daniel O'Leary würde mehr als nur Glück brauchen, um den skrupellosen Verbrechern endgültig zu entwischen.

2268: Lassiter und die Besessenen

Als Marshal Ben Watson in sein Office trat, blieb er wie angewurzelt stehen. Entgeistert starrte er auf den Mann, der hinter seinem Schreibtisch stand.

Es war sein Vater. Verzweifelt wühlte der alte Jack Watson in der Schublade. Er war barfuß, trug rosafarbene Unterwäsche und den Filzhut mit der geschlitzten Krempe.

Beim Anblick des verwirrten Greises spürte der Marshal eine Faust im Bauch. "Dad", sagte er leise. "Mein Gott, Dad. Was tust du da?"

Der Vater hob den Blick. Seine rotgeäderten Augen wanderten unstet hin und her. "Wo ist mein Colt?", krächzte er. "Ben, mein 45er Peacemaker! Er ist nicht mehr da. Ich habe schon überall nach ihm gesucht, aber ich finde ihn nicht."

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015/2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotive: Boada/Norma ISBN 978-3-7325-7537-4

Jack Slade

Lassiter Sammelband 1795 - Western

Inhalt

Jack SladeLassiter - Folge 2266Virgil Truman öffnete die Augen. Das Tageslicht in der Zelle war dämmrig geworden. Er lauschte den Hammerschlägen draußen auf der Mainstreet. Sie verstummten nach und nach. In der Nachbarzelle fluchte Joshua Higgins, weil sein Bruder schon wieder das bessere Blatt auf die Pritsche knallte. Sie pokerten um Steinchen, die sie aus dem Mörtel an der Wand gekratzt hatten. Ein Stein galt hundert Dollar. Joshua stand schon mit 24.000 Dollar in der Kreide bei seinem kleinen Bruder. Abrechnen wollten sie nach der Freilassung. Also nie. Es war ihre letzte Pokerpartie, und beide wussten es. Truman stemmte sich von der Pritsche, schlurfte zum Fenster, zog sich an den Gitterstäben hoch und lugte hinaus auf die abendliche Mainstreet. Leute versammelten sich um ein hölzernes Podest mit drei Galgen. Truman fluchte und spuckte hinaus auf den Sidewalk.Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2267Er war ihnen entkommen! Daniel O'Leary konnte es kaum fassen, aber er hatte seine Bewacher ausgetrickst und das Camp hinter sich gelassen. Die erste Hürde war geschafft, doch das Ziel noch lange nicht erreicht. Hinter ihm klang das Bellen von Hunden auf, dazwischen hörte er dumpfe Stimmen und laute Rufe. Harte Kommandos hallten durch die Nachtluft, greller Fackelschein riss die Dunkelheit auf. Seine Häscher waren ihm unmittelbar auf den Fersen. Daniel O'Leary würde mehr als nur Glück brauchen, um den skrupellosen Verbrechern endgültig zu entwischen.Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2268Als Marshal Ben Watson in sein Office trat, blieb er wie angewurzelt stehen. Entgeistert starrte er auf den Mann, der hinter seinem Schreibtisch stand. Es war sein Vater. Verzweifelt wühlte der alte Jack Watson in der Schublade. Er war barfuß, trug rosafarbene Unterwäsche und den Filzhut mit der geschlitzten Krempe. Beim Anblick des verwirrten Greises spürte der Marshal eine Faust im Bauch. "Dad", sagte er leise. "Mein Gott, Dad. Was tust du da?" Der Vater hob den Blick. Seine rotgeäderten Augen wanderten unstet hin und her. "Wo ist mein Colt?", krächzte er. "Ben, mein 45er Peacemaker! Er ist nicht mehr da. Ich habe schon überall nach ihm gesucht, aber ich finde ihn nicht."Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Lassiter – umzingelt

Vorschau

Lassiter – umzingelt

Virgil Truman öffnete die Augen. Das Tageslicht in der Zelle war dämmrig geworden. Er lauschte den Hammerschlägen draußen auf der Mainstreet. Sie verstummten nach und nach. In der Nachbarzelle fluchte Joshua Higgins, weil sein Bruder schon wieder das bessere Blatt auf die Pritsche knallte. Sie pokerten um Steinchen, die sie aus dem Mörtel an der Wand gekratzt hatten. Ein Stein galt hundert Dollar. Joshua stand schon mit 24.000 Dollar in der Kreide bei seinem kleinen Bruder. Abrechnen wollten sie nach der Freilassung. Also nie. Es war ihre letzte Pokerpartie, und beide wussten es.

Truman stemmte sich von der Pritsche, schlurfte zum Fenster, zog sich an den Gitterstäben hoch und lugte hinaus auf die abendliche Mainstreet. Leute versammelten sich um ein hölzernes Podest mit drei Galgen. Truman fluchte und spuckte hinaus auf den Sidewalk.

»Wird ein unterhaltsamer Sonntagvormittag«, sagte eine höhnische Stimme hinter ihm. Truman ließ das Fenstergitter los und fuhr herum. Der Sheriff von Topeka lehnte in der offenen Tür zum Zellentrakt. Truman hatte ihn nicht die Tür öffnen hören.

»Erst wird Reverend Sugarman uns eine schöne Predigt halten.« Der schnurrbärtige, dürre Sternträger feixte. »Dann werden zur Warnung für alle charakterschwachen Bürger von Topeka drei Halunken zur Hölle fahren und dann gibt’s Musik und Tanz im Saloon. Der Bürgermeister hat ein paar irische Musiker engagiert.« Der Sheriff zuckte mit den Schultern. »Werdet ihr drei nicht mehr erleben. Eine letzte gute Nacht wünsche ich.« Er zog die Tür zu und schloss ab.

»Scheißkerl!« Adam Higgins sprang und trat gegen die Zellentür.

»Beruhige dich, Bruderherz.« Joshua Higgins grinste breit. »Nie mehr nach Dollars jagen, nie mehr im Kalten schlafen, nie mehr Ärger mit den Weibern. Sieh’s doch mal von der Seite. Und jetzt will ich eine Revanche.«

Truman presste die Lippen zusammen, verkniff sich einen Fluch. Was hatte es für einen Sinn auf den Sheriff zu schimpfen? Dieser lächerliche Sternträger hatte in seinem lächerlichen Leben nicht halb so viele Weiber gehabt wie er, und nicht einen Bruchteil der Dollarnoten auch nur von weitem gesehen, wie er, Truman, sie in den Händen gehalten hatte.

Er zog sich noch einmal am Fenstergitter hoch und spähte durch die Dämmerung zu den Galgen hinüber. Mindestens zwanzig Männer und Frauen standen inzwischen um das Podest herum und zerrissen sich die Mäuler. Sollten sie doch! Sollten sie doch auch morgen wiederkommen, sich die Mäuler zerreißen und zusehen, wie ein echter Mann starb.

Auf dem Sidewalk entdeckte Truman eine braungebrannte Frau mit hüftlangen schwarzen Locken. Eine schöne Lady, weiß Gott. Drei Männer begleiteten sie, zwei davon rothaarig. Einer trug eine Geige unter dem Arm, ein zweiter ein Akkordeon auf dem Rücken. Die irischen Musiker wahrscheinlich.

Truman ließ das Gitter los und warf sich auf seine Pritsche. Die Nacht brach an. In der Nachbarzelle fluchten die Higginsbrüder, weil sie wegen der einsetzenden Dunkelheit die Karten nicht mehr erkennen konnten. Truman fand noch einen Zigarillo in seiner Jackentasche und zündete ihn an.

So lag er und rauchte und versuchte nicht an den kommenden Vormittag zu denken. Nebenan erzählten die Brüder einander von Vater und Mutter und der heimatlichen Farm in Kentucky.

Die längste Nacht seines Lebens brach an; an Schlaf war nicht zu denken. Truman wälzte sich hin und her. Die Stunden krochen zäh dahin. Joshua reichte ihm eine Whiskyflasche durch die Gitterstäbe. »Trink was, Virgil. Wenn wir schon zur Hölle fahren müssen, dann wenigstens mit einem guten Whisky im Blut.«

»Lass mich in Ruhe, Josh.« Higgins taumelte zu seinem jüngeren Bruder, reichte ihm die Flasche. Adam Higgins fluchte, jammerte und trank. Der blondmähnige Bursche fand, dass er zu jung war, um schon zu sterben.

Truman starrte an die Decke und die Bilder seines Lebens zogen an ihm vorbei. Seine Kindheit in der engen Baracke im Hafenviertel von Baltimore, die Gesichter seiner Eltern und seiner Geschwister. Seine Flucht auf den Dampfer nach Texas, seine Arbeit dort als Pferdejunge, als Cowboy, als Begleitschutz der Wells Fargo, als Gunman eines Tycoons, als weiß der Teufel was.

Was hatte er nicht schon alles getrieben in seinem noch nicht ganz vierzigjährigem Leben, in wie viele Gesichter hatte er geblickt, wie viele Männer getötet, wie viele Frauen gevögelt. Und nun war es schon vorbei. Gott im Himmel, was für eine Scheiße!

Ein Kloß schwoll in seinem Hals; er warf sich auf die linke Seite, äugte zum Zellenfenster hinauf. Sterne funkelten zwischen den Gitterstäben. In der Nachbarzelle heulte Adam Higgins dem lieben Heiland etwas vor. Sein älterer Bruder Joshua fluchte mit schwerer Zunge auf den Mann, der sie verfolgt, gestellt und hinter Gitter gebracht hatte.

»Der Teufel soll dich holen, Lassiter!« So ging das eine ganze Stunde und länger. »Der Teufel soll dich holen, Lassiter, du verfluchter Wichser! In der Hölle sollst du braten, jawoll – in der Hölle!« So ging das, bis irgendwann die leere Whiskyflasche an der Zellenwand zerklirrte.

Lassiter.

Truman presste die Lippen zusammen. Er wünschte sich nicht, dass der Kerl allzu schnell zur Hölle fuhr. Dann würde er ihm nämlich begegnen müssen.

Dieser verdammten Pinkerton-Detektiv oder US-Marshal – oder für wen auch immer er arbeitete – dieser Hund hatte ihnen nicht nur den letzten Banküberfall vermasselt, sondern die halbe Bande erschossen und die andere Hälfte gefangen genommen.

Truman hasste diesen Lassiter.

Doch was hatte es für einen Sinn, den Mann zu verfluchen? Es war vorbei. Punkt. Truman hatte längst aufgegeben, hatte sich in sein Schicksal gefügt, wie man so sagt. Es gab keine Rettung mehr. So einfach war das.

Nach einer Ewigkeit graute der Morgen vor dem vergitterten Zellenfenster. Die Higgins-Brüder schnarchten. Truman war noch immer hellwach. Der Klos in seinem Hals fühlte sich trocken und stachlig an. Vergeblich versuchte er ihn herunterzuschlucken.

Irgendwann krähte ein Hahn. Irgendwann läutete die mickrige Kirchenglocke von Topeka. Irgendwann wurde die Tür zum Zellentrakt aufgeschlossen und der Sheriff und ein paar Männer der Bürgerwehr kamen herein.

»Aufstehen, Higgins, Truman, zackzack!« Der Sternträger klatschte in die Hände. Er war sichtlich gut gelaunt, der Mistkerl. »Euer letzter Weg, genießt jeden Schritt.« Er schloss die Zellentür auf. »Draußen warten sie schon auf euch.«

Der Sheriff und Männer von der Bürgerwehr legten ihnen Handschellen an und führten sie aus Zellentrakt und Office. An die Zweihundert Leute hatten sich um das Podest mit dem Galgen versammelt. Stimmung wie bei einem Volksfest. Truman zog den Rotz hoch und spuckte aus.

Eine Gasse bildete sich in der Menschenmenge. Der Sheriff und die Männer von der Bürgerwehr führten ihn und die Higgins zum Podest. Hinter sich hörte Truman den jüngeren Higginsbruder flüsternd beten.

Joshua dagegen warf spöttische Bemerkungen nach links und rechts, lachte laut und krähend. Einer Blondine in der Menge rief er einen zotigen Spruch zu, einer sonnengebräunten Frau mit hüftlangen schwarzen Locken machte er ein Kompliment wegen der großen Brüste, die sich unter ihrem Kleid wölbten. Es klang alles übertrieben und sehr bemüht.

»Hoch mit dir, Truman.« Der Sheriff schob ihn die Stufen zum Podest hinauf. Oben wartete ein fetter, breitschultriger Kerl mit grauem Haar. Reverend Sugarman.

»Gibt es jemandem, dem du noch etwas zu sagen hättest, mein Sohn?«, fragte der Gottesmann mit salbungsvoller Stimme. Der Sheriff schob Truman auf das breite Brett, das unter der Schlinge auf dem Podest lag und ein rechteckiges Loch abdeckte. Truman schwieg. »Nicht?« Sugarman runzelte voller Bedauern die Brauen. »Dann werde ich jetzt mit dir beten.«

»Verpiss dich, Pfaffe!«, zischte Truman. Jemand legte ihm von hinten die Schlinge um den Hals.

***

Wie ein angriffslustiges Tier fauchte die Lokomotive. Die letzten Reisenden stiegen zu. Lassiter nahm den farblosen Waggon vor den beiden eichenbraunen Pullman-Salonwagen am Zugende. Er quetschte sich zwischen drei grimmig lauernde Graubärte in die Holzbank und grüßte nach allen Seiten.

Vom Zuganfang her zischten die Dampfventile nun lauter, das Signalhorn der Lokomotive röhrte zum dritten Mal, ein rußgeschwärzter Bremser huschte durch den Wagen, ein kleiner drahtiger Mann mit buschigem Schnurrbart. Er verschwand auf der Außenplattform zum ersten Pullman.

Das Schlagen der Waggontüren krachte von nah und fern, und schließlich begann die Dampfmaschine zu stampfen. Es zischte, quietschte, prustete und knarrte; der Zug rollte an. Rauchwolken hüllten die Gebäude der Bahnstation von Kansas City ein, ließen die winkenden Männer und Frauen auf dem Bahnsteig hinter dichten Schwaden verschwinden.

In etwas weniger als vier Tagen und nach dreizehn Bahnstationen würde der Zug in Denver halten. Soweit wollte der Mann von der Brigade Sieben nicht fahren. Er solle sich ein Ticket von Kansas City nach Abilene beschaffen, hatte in dem Telegramm aus Washington gestanden. Dort würde ihn ein neuer Auftrag erwarten.

Was für einer? Lassiter hatte keine Ahnung. Welcher Mittelsmann würde ihm wo erklären, worum es ging und ihm die nötigen Unterlagen überreichen? Lassiter hatte keine Ahnung. Nur das Codewort des Mittelsmannes kannte er: Mister Hannibal.

Der Zug nahm Fahrt auf, die letzten Dächer von Kansas City blieben zurück. Grasland weitete sich zu beiden Seiten der Eisenbahntrasse. Das taufrische Licht der Vormittagssonne lag auf dem wogenden Meer des Präriegrases wie ein goldgelb glitzernder Schleier. Der Zug stampfte nach Westen; Topeka hieß die nächste Bahnstation.

Hinter dem Mann von der Brigade Sieben öffnete sich die Tür zum Pullman-Salonwagen. Köpfe hoben sich links und rechts, ein Leuchten huschte über die Mienen der eben noch so grimmigen Graubärte. Lassiter wandte den Kopf: Eine junge, rothaarige Frau stand hinter ihm im Mittelgang und ließ ihren Blick über die Fahrgäste des Waggons schweifen.

Einer der Graubärte zog seine Melone und murmelte einen Gruß. In der Bank hinter ihm stand ein junger Frackträger auf und wies auf seinen Platz. »Darf ich Ihnen einen vorgewärmten Sitz anbieten, Ma’am?« Auch andere Männer lüfteten die Hüte oder überboten einander im Lächeln und Zwinkern.

Die Rothaarige blieb kühl, verzog keine Miene, betrachtete einen nach dem anderen und rief schließlich: »Mister Hannibal?« Lassiter zog die Brauen hoch, weiter nichts.

»Wenn das Ihr Gatte ist, würde ich verdammt gern so heißen«, sagte ein beleibter Mann mit blonden Locken und Backenbart. Er sah aus wie ein Rinderbaron.

Gelächter erhob sich, die Frau drehte sich um und verschwand wieder Richtung Salonwagen. Zurück blieben Getuschel, Gekicher und fröhliche Männergesichter.

Wie der Anblick einer schönen Frau doch gleich die Stimmung in einem ganzen Waggon verändern kann, dachte der Mann von der Brigade Sieben. Er wartete noch eine halbe Stunde ab, dann stand er auf und öffnete die Tür zur Außenplattform. Dort hockte der schnurrbärtige Bremser und rauchte eine Zigarre; rasch ließ er eine kleine Whiskyflasche in seinem schmutzigen Overall verschwinden, als er Lassiter bemerkte.

An dem Mann vorbei bückte Lassiter sich in den ersten Pullmanwaggon. Dichte Rauchschwaden von Zigarren und Pfeifen hingen über einem Spieltisch und quollen zu einem Fensterspalt hinaus. Gentlemen in eleganten Anzügen und meist reiferen Alters pokerten und tranken Whisky.

Lassiter grüßte nach allen Seiten. Vorbei an verschlossenen Schlafabteilen und luxuriösen Polsterbänken ging er zur nächsten Tür, trat auf die nächste Außenplattform bückte sich in den zweiten Pullman-Salonwagen.

Da saß sie, die Rothaarige – in einem offenen Schlafabteil auf einer gepolsterten Bank neben einem Zeitungsleser. Aus hellwachen und strahlend blauen Augen sah sie zu Lassiter auf. »Ich bin Mr. Hannibal«, erklärte der.

Sie lächelte, und der Mann neben ihr spähte über den Rand seiner Kansas City Times hinweg zu ihm. »Mr. Hannibal heißt meines Wissens nicht Mr. Hannibal«, sagte er lauernd.

»Stimmt genau.« Der Mann von der Brigade Sieben tippte sich an die Hutkrempe. »Lassiter. Einfach nur Lassiter.«

»Das kommt uns schon eher bekannt vor, nicht wahr Melinda?« Der kleine, drahtige Mann senkte endlich die Zeitung. Er hatte ein knochiges Altmännergesicht und einen gepflegten, weißen Bart. Ein Armeehut und ein Offiziersmantel hingen neben der Abteiltür.

»Sehr bekannt sogar.« Die Rothaarige erhob sich. »Mit einem gewissen Lassiter sind wir sogar verabredet.« Sie reichte Lassiter die Hand. »Melinda Scott.« Ihr Blick ging dem Mann von der Brigade Sieben durch und durch. »Nennen Sie mich Melinda.«

»Sie sind beide mit ihm verabredet?« Lassiter musterte erst die Frau, dann den Veteran.

»Setzen Sie sich schon, Lassiter.« Der Weißbart klatschte auf den freigewordenen Platz neben sich. »Melinda ist eingeweiht. Sie arbeitete für mich – als Privatsekretärin und Haushälterin.«

»Unter anderem auch als das.« Melinda schob die Abteiltür zu öffnete eine kleine Schrankbar. Sie trug ein eng geschnittenes schwarzes Kleid. »Einen Drink?«

»Warum nicht?« Lassiter Blick flog von ihrem kastanienroten Zopf über ihren Rücken bis zu den Wölbungen ihrer Pobacken hinunter. Er hielt den Atem an – köstlich!

Sie drehte sich um, bemerkte seinen Blick und runzelte die Brauen. Er lächelte ihr ins Gesicht und wandte sich an den Weißbart. »Ich erinnere mich dunkel, Ihnen schon mal als Mittelsmann der Brigade Sieben begegnet zu sein. Colonel Sutter – richtig?«

»Colonel Joseph Sutter, richtig. Lange her.«

»Seltener Name in den Staaten.«

»Ich bin in Basel großgeworden, am Ufer des Rheins. Sagt Ihnen wahrscheinlich nichts.«

»Leider nein, Sir. Ich nehme an, das liegt irgendwo in Europa.

Melinda drehte sich um, reichte jedem einen Whisky. Teurer schwarzer Kleiderstoff spannte sich über ihre Hüften und ihren üppigen Busen. Sie hatte einen großen Mund und edle, ein wenig herbe Gesichtszüge.

»Im wichtigsten Land Europas, Lassiter!« Der alte Colonel hob mahnend den Zeigefinger. »Das müssen Sie sich unbedingt merken: Die Schweiz ist das wichtigste europäische Land mit der ältesten Demokratie der Welt.«

»Ach so?« Lassiter stieß mit ihm und der Rothaarigen an. »Ich dachte, das seien die alten Griechen gewesen.«

»Die haben nur das Wort erfunden. Auf Ihren neuen Auftrag, Lassiter.« Sie tranken. »Nennen Sie mich Joe, in Ordnung?« Der Veteran reichte Melinda sein leeres Glas und bat mit einem Blick um den nächsten Drink. »Machen wir es kurz: Es geht um William Abraham Summer. Sagt Ihnen der Name etwas, Lassiter?«

»Nie gehört, Sir.« Der Mann von der Brigade Sieben reichte der kastanienroten Melinda ebenfalls sein leeres Glas. Nicht, weil er unbedingt einen zweiten Whisky wollte, sondern weil er gern einen zweiten Blick auf ihren schönen Rücken und ihren köstlichen Hintern werfen wollte.

»Der Kerl betreibt zwei Bordelle in Abilene«, sagte Joe Sutter. Unsauberes Geschäft. Man munkelt, er würde Indianerinnen und Mexikanerinnen zwingen, sich zu prostituieren. Zigarillo?«

Lassiter nickte. Er war sicher, dass Sutter noch nicht einmal die Schnauze der Katze aus dem Sack gelassen hatte. Die Brigade Sieben würde einen wichtigen Agenten wie ihn kaum auf einen Zuhälter ansetzen.

Der Colonel steckte sich selbst einen Zigarillo zwischen die Zähne und gab Lassiter und sich Feuer. »Vor allem aber ist Summer ein gottverdammter Waffenschmuggler. Er verkauft hochwertige Gewehre und Revolver aus amerikanischen Manufakturen an die Comanchen und nach Mexiko.«

Das klang schon eher nach einem Fall für Lassiter. »Streng verboten«, sagte er und nahm den Drink entgegen, den die Kastanienrote ihm reichte. Himmel, dieses Lächeln! Sie setzte sich in einen kleinen Sessel ihm gegenüber und schlug die Beine übereinander. Das Abteil war so klein, dass ihre Knie seinen Schenkel berührten. Er wich nicht aus.

»Es kommt noch schlimmer.« Der Colonel stützte sich auf seinen Knien auf, musterte Lassiter von der Seite und aus schmalen Augen. »Summer scheut nicht vor Mord zurück, um an die neusten Waffen zu kommen. Mindestens drei Überfälle auf Konvois der US-Army gehen auf sein Konto. Sieben Tote bisher. Sie sollen ihm das Handwerk legen, Lassiter.«

Er leerte sein Glas, stellte es neben sich aufs Polster und zog ein dickes Kuvert aus seinem Uniformjackett. »Hier die Spesen und die nötigen Unterlagen.«

Lassiter schaute ihn fragend an. »Nichts weiter«, sagte der Colonel. »Das war’s schon.«

***

Der fette Reverend dachte nicht daran, Truman in Ruhe sterben zu lassen. Als hätte er seine schroffen Worte gar nicht gehört, faltete Sugarman die Hände, schloss die Augen und begann inbrünstig zu beten: »Herr, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit …«

Truman hörte nicht zu. Er blickte an sich hinunter, sah seine Knie zittern, sah seine schmutzigen Stiefelspitzen, sah die breite Diele über der ausgesägten rechteckigen Öffnung, die sie bedeckte. Die Diele war um eine Bretthöhe tiefer gelegt als der Boden des Podestes. Ihr linkes Ende und der Metallgriff daran ragten seitlich ein Stück aus dem Podest heraus.

Truman wusste, dass dieses breite Brett beweglich war. In wenigen Minuten – ach was, in wenigen Sekunden würden zwei Bürgerwehrmänner es ihm buchstäblich unter den Füßen wegziehen. Er würde in die Schlinge stürzen und sich das Genick brechen. Wenn er Glück hatte.

»… der du die Menschen lassest sterben und sprichst: ›Kommt wieder, Menschenkinder‹ …« Während der Reverend noch betete, führten sie die Higgins auf das Podest und jeden rechts und links von Truman unter den für ihn bestimmten Galgen. »… denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist …«

Adam Higgins atmete keuchend und schnell, Joshua Higgins lachte grimmig und nach allen Seiten. Er spuckte sogar in die Menge der Männer hinein, die hinter dem Galgenpodest darauf warteten, die Bretter über den Falllöchern herauszuziehen.

»… du lassest sie dahinfahren wie einen Strom, o Herr, wir sind wie ein Schlaf …!« Die Stimme des Reverends wurde lauter und lauter. Immer leidenschaftlicher schrie er die Worte des Psalms in Trumans rechtes Ohr. »… wie ein Gras, das am Morgen noch spross und des Abends welkt und verdorrt!«

Der Sheriff selbst legte Joshua Higgins den Strick um den Hals. Der verfluchte den Sternträger, und Adam Higgins, links von Truman, begann nach seiner Mutter zu rufen. Truman dachte an seine eigene Mutter – der Atem stockte ihm.

»Das macht dein Zorn, o Herr, dass wir so vergehen, und dein Grimm, dass wir so plötzlich dahin müssen …«

Truman rang nach Luft. Seine Knie schlotterten nun regelrecht, kalter Schweiß brach aus allen Poren seines Körpers. Binnen Sekunden strömte ihm das Wasser über das Gesicht. Dunkle Flecken breiteten sich auf dem Hemd und in der Weste unter seinen Achseln aus.

»Denn unsere unerkannten Missetaten stellst du vor dich, unsere Sünden ins Licht vor deinem Angesicht! Darum fliegen alle unsere Tage dahin durch deinen Zorn, wir bringen unsere Jahre zu wie ein Geschwätz!«

Um die donnernde Stimme des Reverends zu übertönen, fing Joshua Higgins zu brüllen an. Er verfluchte den Sheriff, den Reverend, Lassiter, die Bürger von Topeka, verfluchte die ganze Welt und befahl seinem Bruder, sofort das Gejammer einzustellen und mit ihm zu sterben wie ein Mann. Augenblicklich gab Adam Ruhe.

Der Sheriff von Topeka prüfte noch einmal den Sitz der Schlinge um Trumans Hals und zog sie enger zu. Jeden Handgriff schien der Sternträger zu genießen. Truman spürte plötzlich einen unbändigen Harndrang und er hatte Mühe, den Arsch zusammenzukneifen und seine Hosen sauber zu halten.

»Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn es hochkommt, so sind’s achtzig Jahre …« Der Reverend betete und betete, und so sehr Truman sich auch zusammenzureißen suchte – seine Kiefer machten sich dennoch selbstständig, und seine Zähne schlugen zusammen. »… und was daran köstlich erscheint, ist doch nur vergebliche Mühe gewesen, und es fährt schnell dahin, als flögen wir davon …«

Truman schluckte seine Todesangst herunter, straffte seine Gestalt, atmete tief durch. Hinter dem Reverend prüfte der Sheriff nun auch Joshua Higgins Schlinge zum zweiten Mal.

»So nimm in deinem göttlichen Erbarmen auch diese drei Sünder gnädig bei dir auf, o Herr!«, rief Reverend Sugarman. »Reinige sie von ihrer Schuld durch das Blut deines Sohnes Jesu Christi und durch deine immerwährende …!«

Truman setzte den verächtlichsten Blick auf, zu dem er noch fähig war, und ließ ihn über die Menge der Gaffer wandern. Männer feixten, Weiber tuschelten, Kinder zeigten mit dem Finger auf ihn und die Higgins. Gut zweihundert sensationslüsterne Augenpaare glotzten zu den Galgen herauf.

Truman hielt den Blicken stand, versuchte das Zucken seine Lider unter Kontrolle zu bringen, versuchte den Strick um seinen Hals und das zufriedene Grinsen des Sheriffs zu ignorieren. Er fühlte sich von aller Welt verlassen, hoffte nur noch, dass es schnell vorbei gehen würde. Von den Higginsbrüdern hörte er kein Wort mehr.

Auf einmal begegnete sein stolzer Blick dem einer schwarzhaarigen Frau. Es war dieselbe Frau, über deren Titten Higgins sich vorhin so anerkennend geäußert hatte, dieselbe, die er gestern Abend vom Zellenfenster aus mit den irischen Musikern gesehen hatte. Sie hatte sehr dunkle Augen, trug ein blaues Kleid und war wirklich auffallend hübsch. Warum um alles in der Welt gaffte sie ihn denn so an?

»… im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!«

Und der rothaarige Mann neben ihr war das nicht einer der Musiker? Natürlich, ein Geigenkasten klemmte unter seinem Arm.

Der Reverend verstummte endlich, schlug drei Kreuze über Truman und den Higgins und trat einen Schritt zurück. Schließlich nickte er dem Sheriff zu.

Truman schluckte. Auf einmal schrie einer hinter ihm, irgendjemand sprang aufs Podest. Und der Musiker neben der schwarzhaarigen Lady öffnete seinen Geigenkasten und holte einen Karabiner heraus.

***

»Das war’s schon?« Lassiter nahm das Kuvert entgegen und wog es in der Rechten. Es fühlte sich schwerer an, als die Umschläge, die man ihm sonst bei solchen Gelegenheiten überreichte. »Sind Sie sicher, Joe?«

»Verlassen Sie sich drauf, Lassiter.« Colonel Sutter stand auf, seine Kniegelenkte knackten. »Summer wird laut Informationen unseres militärischen Geheimdienstes in den nächsten Tagen in Abilene eintreffen. Mit der Eisenbahn, schätze ich.«

»Wie ich.« Die Brigade Sieben schien bestens informiert, der Zugriff gründlich vorbereitet zu sein. »Und dort schnappe ich ihn mir und die Sache ist gegessen.«

»Fast.« Der Weißbart schnippte den Aschekegel seines Zigarillos auf den Boden. »Summer, der verfluchte Höllenhund, wird in Abilene auf einen Waffentransport aus Saint Louis warten. Und Sie, Lassiter, sollten ihn erst schnappen, wenn er die Gewehre in Empfang nimmt und inspiziert.«

»Ich soll ihn also auf frischer Tat überraschen?« Das machte die Sache ein wenig komplizierter.

»Korrekt, Lassiter. Der Townmarshal von Abilene ist eingeweiht. Sie bekommen jede Hilfe, die Sie brauchen. Und ich werde ebenfalls in der Stadt sein. Möchte diesen Schweinehund mit eigenen Augen in Handschellen sehen. Und danach möglichst schnell auch am Galgen.« Die Miene des Veterans wurde hart. »Er hat sieben Kameraden auf dem Gewissen.«

»Verstehe, Sir.« Lassiter äugte zu Melinda hinüber. Die kastanienrote Frau verfolgte das Gespräch mit ernster Miene. »Klingt nach einem ungewohnt einfachen Auftrag.« Lassiter öffnete das Kuvert.

»Seien Sie doch froh, Lassiter«, sagte Melinda. »Gefährliche Aufträge werden Sie in Ihrem Leben sicher schon genug erledigt haben.«

»Kann sein, dass Sie recht haben, Melinda.« Lassiter zog die Unterlagen aus dem Kuvert. Ein silberner Polizeistern rutschte aus den Papieren; Lassiter konnte ihn gerade noch auffangen. »Der Stern eines US-Marshals?« Verblüfft betrachtete er das Edelmetall mit dem eingeprägten Seeadler.

Sutter zuckte mit den Schultern. »Irgendjemand unter unseren Freunden in Washington hat das wohl für hilfreich gehalten.«

»Es gibt ungefährlichere Tarnungen.« Lassiter versenkte den Stern in seiner Westentasche.

»Wie auch immer. Ich jedenfalls gehe jetzt auf ein Spielchen in den vorderen Pullman.« Sutter griff nach seinem Hut. Melinda half ihm in seinen Armeemantel. »Sei so gut und leiste Mr. Lassiter ein wenig Gesellschaft, Melinda.«

»Er wird sich gewiss nicht einsam fühlen, Joe. Verlass dich auf mich.«

»Mach ich doch immer.« Colonel Joseph Sutter tippte sich an die Krempe seines Armeehutes und zog dann die Abteiltür auf. Schon auf der Schwelle drehte er sich noch einmal um. »Ach übrigens, Lassiter – waren sie es nicht, der Paul Potter und die Reste seiner Bande geschnappt hat?«

»Potter?« Lassiter runzelte die Stirn. Ein Kahlkopf mit vernarbtem Gesicht stand ihm plötzlich vor Augen. »Dieser Eisenbahnräuber? Ich erinnere mich. Was ist mit ihm?«

»Er ist aus dem Gefängnis von Saint Louis ausgebrochen.« Der alte Colonel schnitt eine betretene Miene. »Habe erst gestern davon gehört.«

»Was für ein Bullshit!« Lassiter rammte die rechte Faust in die linke Handfläche. »Das nenne ich eine wirklich schlechte Nachricht.«

Potter und seine Bande hatten eine Menge Menschen auf dem Gewissen. Ein Drittel von Potters Gunmen hatte Lassiter erschießen, ein zweites Drittel an den Galgen bringen können. Warum den restlichen Vieren noch kein Prozess gemacht worden war, wusste er nicht.

»Tut mir leid. Wollte Ihnen die Stimmung nicht verderben.« Der Colonel packte den äußeren Türgriff. »Weit werden die Höllenhunde sowieso nicht kommen. Bis später.« Er zog die Abteiltür zu.

Ein paar Sekunden des Schweigens folgten. Sekunden, in denen Lassiter und Melinda einander betrachteten. Sie lächelte. In ihren blauen Augen sah er auf einmal jenen unerklärlichen, feuchten Schleier, den er schon so oft in Frauenaugen entdeckte hatte, wenn eine ihn begehrte. Lassiter erwiderte ihr Lächeln.

»Was für eine gefährliche Arbeit, Tag für Tag brutalen Mördern und gewissenlosen Halunken hinterher zu jagen.« Ein Ausdruck des Bedauerns huschte über Melindas Miene. »Wird man da nicht selbst mit der Zeit ein wenig hart und rau?«

Lassiter sah ihr in die Augen; sein Herz schlug höher auf einmal. »Nicht, wenn man hin und wieder in die Augen einer schönen Lady schauen darf, wie Sie es sind, Melinda.«

»Oh! Danke.« Eine leichte Röte überzog ihre weiße Gesichtshaut. Sie stand auf, streckte die Hand aus und sagte: »Bekomme ich Ihr Glas? Ich schenke uns noch einen Whisky ein.«

»Danke. Ich habe genug Whisky gehabt.« Lassiter stellte sein Glas auf den Boden und griff nach ihrer Hand. »Von Ihnen dagegen habe ich noch lange nicht genug, Melinda.«

Sie öffnete die Lippen, sagte aber nichts. Lassiter hielt ihren Blick fest, sah, dass ihr Atem plötzlich schneller ging, und zog sie neben sich auf das Polster. »Was würdest du sagen, wenn ich dich jetzt küsse, Melinda?«

»Ich würde …« Sie sah ihn an, entwand ihm ihre Hand, schlang die Arme um seinen Nacken. »… nichts.« Melinda drückte sich an ihn, zog seinen Kopf an ihr Gesicht. »Ich kann ja nicht reden, wenn du mich küsst.«

***

Schüsse krachten von zwei Seiten, Kugeln pfiffen von hinten und von vorn an Truman vorbei. Dort, wo die Schwarzhaarige und der Mann mit dem Geigenkasten standen, blitzte gleich vier Mal hintereinander Mündungsfeuer auf.

Truman begriff gar nichts mehr. Was geschah hier eigentlich?

Neben Reverend Sugarman riss der Sheriff von Topeka seinen Revolver aus dem Halfter, zuckte aber im gleichen Moment zusammen und fasste sich an die Brust. Mit schmerzverzerrtem Gesicht knickte er in den Knien ein.

Der Reverend griff nach ihm und versuchte, ihn festzuhalten. Einer der Hilfssheriffs riss seine Waffe aus dem Hüftholster, Joshua Higgins trat ihm zwischen die Beine, packte die Schlinge über seinem Kopf und sprang vom Fallschacht. Truman traute seinen Augen kaum.

Männer brüllten, Frauen kreischten, Hufschlag donnerte irgendwo hinter dem Galgenpodest über die Mainstreet heran. Der Sheriff schlug auf den Brettern auf. Aus dem Schädel des Hilfssheriffs spritzte Blut – der Sternträger stürzte in die Menge vor dem Podest. Ringsum das Gebrüll und das Gekreische schwollen an.

Truman begriff endlich: Irgendwer hatte etwas dagegen, dass er und die Higgins hier und jetzt am Galgen endeten – das Schicksal, der Zufall, Gott selbst. Völlig gleichgültig.

Er wollte einen Schritt zur Seite machen, um irgendwie hinunter von der Diele über dem Loch im Podest zu kommen. Doch das Seil über ihm straffte sich, die Schlinge zog sich enger um seinen Hals zusammen. Er schnappte nach Luft und musste stehen bleiben, wo er stand.

Ein stämmiger Mann mit einem Halstuch über Nase und Mund stürzte an ihm vorbei, packte den Reverend und drückte ihm einen Revolverlauf an die Schläfe. Panik ergriff Truman, weil er kaum noch Luft bekam und sich wegen des Strickes nicht in Deckung werfen konnte. Ein zweiter Maskierter tauchte plötzlich neben Joshua Higgins auf und schnitt das Seil über dessen Kopf durch.

»Weg mit den Bleispritzen!«, brüllte der bullige Maskierte hinter Reverend Sugarman; er hatte dem fetten Prediger den Unterarm unter das Kinn gehebelt und fuchtelte mit einem Revolver nach allen Seiten. »Haut ab! Alle! Sonst jage ich euerm Gottesmann eine Kugel in den Kopf!«

Trotz seines Hutes und dem über die Nase gezogenen Halstuch erkannte Truman die Narben um seine Augen, auf seiner Stirn. Irgendwo hatte er den Kerl schon gesehen. Wer zum Teufel war das? Und warum befreite er ihn und die Higgins?

Er wagte nicht, sich zu rühren, drehte nur die Augäpfel nach rechts und links: Die Leute flohen nach allen Seiten; die braungebrannte Schwarzlockige und der Kerl mit der Geige standen Rücken an Rücken und schossen nach allen Seiten; und das Brett unter Trumans Sohlen bewegte sich – irgendjemand zerrte daran.

Er riss Mund und Augen auf, wagte nicht zu atmen, trat wenigstens mit dem rechten Fuß von der Falldiele. Jeden Moment erwartete er, den Boden unter der linken Sohle zu verlieren und in die Schlinge zu stürzen.

Der Maskierte, der Higgins Schlinge durchgeschnitten hatte, stand plötzlich neben Truman und schoss auf die Männer, die ihm die Diele unter den Stiefeln wegziehen wollten. Trumans Augen füllten sich mit Tränen der Erleichterung.

Der bullige Kerl, der sich den Reverend geschnappt hatte – das Narbengesicht – stieß den Gottesmann zu Boden neben den toten Sheriff. Gleichzeitig ging er in die Hocke und durchsuchte die Taschen des toten Sternträgers nach den Schlüsseln für die Handschellen.

Truman gab dem Druck nach, der ihn endgültig von der tödlichen Falltür schieben wollte. Eine Hand mit einem Messer fuhr hoch über seinen Kopf und säbelte an dem Strick zwischen Galgen und Schlinge. Die Todesangst lockerte ihren eisigen Griff um sein Herz.

Der Maskierte fing den Schlüssel zu den Handschellen auf, und keine zwei Sekunden später spürte Truman den Kolben eines Revolvers in seiner freien Rechten. Er spannte den Hahn und schoss auf einen Hilfssheriff, der Adam Higgins unter dem Galgen festzuhalten versuchte.

Längst war rund um das Podest Panik ausgebrochen. Wer irgend konnte, floh auf den Sidewalk, in eine Seitengasse oder in den Saloon gegenüber dem Office. Gebrüll und Gekreische wollten überhaupt nicht mehr abreißen. Der Hufschlag kam näher und näher.

Viele der in Panik Geratenen stürzten und wurden von anderen niedergetrampelt. Truman sah die nach allen Seiten wogende Menge, hörte ihre panischen Schreie und nahm das alles wahr wie einen Traum.

Zwischen den flüchtenden Leuten entdeckte er einen Mann der Bürgerwehr im Staub der Mainstreet liegen. Der war angeschossen, sein Hosenbein triefte von Blut. Doch das hinderte ihn nicht, ein Gewehr zu heben und auf Adam Higgins zu zielen.

Truman zögerte nicht, feuerte gleich dreimal auf ihn und tötete ihn. Danach fühlte er sich hellwach.

Ganz nah dröhnte der Hufschlag plötzlich in seinen Ohren. Er fuhr herum. Ein Reiter auf einem Schimmel preschte mitten in die auseinander rennende Menge. Mit mindestens je vier gesattelten Pferden auf jeder Seite ritt er die Leute nieder, denen es nicht gelang, rechtzeitig auszuweichen.

Inzwischen hatte der Maskierte auch Adam Higgins von der Schlinge losgeschnitten und von den Handschellen befreit. Wie sein älterer Bruder schoss Higgins auf jeden in der Menge und auf dem Sidewalk, der ein Gewehr oder einen Revolver auf das Podest mit den Galgen und den befreiten Galgenvögeln richtete.

»Auf die Pferde!«, hörte Truman jemanden brüllen. Es war der Mann mit dem Geigenkasten. »Weg hier!«

»Merke dir diesen Tag!«, zischte er. Der bullige Maskierte packte Truman und schob ihn zum Rand des Podestes, wo der Reiter mit den gesattelten Pferden um sich schoss. »Und merke dir meinen Namen: Paul Potter. Sitz auf, Truman! Und halte dich an den Kerl auf dem Schimmel! Wir schaffen das, verflucht!«

Die Higgins-Brüder taumelten plötzlich neben ihm. »Wir sind frei!«, brüllte Joshua, und Adam schoss nach allen Seiten.

Nacheinander schwangen sie sich auf ein freies Pferd. Der mit dem Narbengesicht stieß den Reverend vom Podest und sprang ebenfalls in einen Sattel. Genauso der, der Trumans Schlinge durchgeschnitten hatte.

Es war tatsächlich wie in einem Traum, und Virgil Truman konnte kaum fassen, was ihm da gerade widerfuhr. Wer zum Teufel war Paul Potter? Etwas dämmerte ihm. Hatte er nicht kürzlich erst einen Steckbrief mit diesem Namen gesehen?

Er rammte seinem Pferd die Sporen in die Flanken und preschte dem Schimmelreiter hinterher. Aus dem Augenwinkel sah er, wie die Schöne mit den schwarzen Locken und der vermeintliche Musiker mit dem Geigenkasten auf die letzten beiden freien Pferde kletterten. Sie schossen noch immer zu allen Seiten. Um sich schießend schlossen sie zu dem Schimmelreiter, Truman, den Higgins und den Maskierten auf.

»Euch hat der Himmel geschickt, ihr Höllenhunde!« Joshua Higgins brüllte und schoss in die Luft. »Wir haben es geschafft, ihr Höllenhunde!«

Sie galoppierten in eine Seitengasse. Der Bullige, der sich als Paul Potter vorgestellt hatte, schlug Truman auf die Schulter, als er ihn überholte. Danach hielt er sich dicht neben dem Schimmelreiter. Beide trieben ihre Pferde quer über eine Koppel und danach in ein Eichenwäldchen. Sie schienen genau zu wissen, wo sie hinwollten.

Truman und die andern folgten ihnen. An alten Eichenstämmen vorbei galoppierten zu einem Fluss hinunter.

***

Eng umschlugen saßen sie auf der gepolsterten Schlafstatt. Aus tastenden Berührungen ihrer Zungen und Lippen wurden schnell tiefe Küsse voller Verlangen und der wilde Liebestanz, den küssende Zungen und streichelnde Hände vollführen, bevor die sehnsüchtigen Körper selbst sich ihm hingeben.

Lassiter konnte nicht genug von Melindas Lippen und Mund bekommen, und sie nicht genug von seinen fordernden Küssen. Beide vergaßen sie die Stimmen vor der Abteiltür, den Wechsel von Licht und Schatten vor dem Abteilfenster und das rhythmische Schlagen der Waggonräder gegen die Gleisnähte. Zu leidenschaftlich drängte es einen zum anderen, zu sehr beschlagnahmten Küsse und Berührungen ihre Sinne.

Lassiter tastete nach Melindas Hüften und Taille, nach ihrem Hintern und ihren Schenkeln unter dem Kleiderstoff, streichelte und drückte die Brüste unter ihrem Dekolletee, und Melinda streifte ihm Weste und Waffengurt ab.

Er raffte ihr den Kleidersaum hoch, suchte und fand ihre Strumpfbänder und löste sie, knöpfte ihr das Kleid bis zum Bauchnabel auf. Alles ließ sie geschehen, signalisierte mit jeder Geste, dass sie es genau so wollte und nicht anders. Sie begann seine Hose zu öffnen.

Lassiter merkte schnell, dass sich eine Frau in seinen Armen wand, die nach Liebe hungerte. Als er ihr die Strümpfe herunter und den Schlüpfer ausgezogen hatte und seine Rechte zwischen ihren weichen Schenkeln ihrer Scham entgegenrieb, spürte er die Hitze und die Feuchtigkeit ihres Schoßes.

»Verriegle die Abteiltür«, flüsterte Melinda. Lassiter stand auf und schloss ab. Sein Atem flog, das Herz klopfte ihm in der Kehle, sein bestes Teil spannte hart und pulsierend unter dem Hosenstoff. Er trat seine Stiefel von den Füßen, streifte seine Hose und Wäsche ab und drehte sich um.

Melinda stand vor dem Bettpolster, Hüfthalter und Strümpfe lagen schon neben ihrem Schlüpfer und ihren Schuhen. Ihre Hände wanderten langsam hinauf zu ihrem Hals. Sie zog sich ihr Kleid über den Kopf und ließ es auf den Abteilboden fallen.

Nackt stand sie vor ihm, und Lassiter schnappte nach Luft. Seine Blicke glitten über die weißen Rundungen ihres herrlichen Körpers. Sie fasste seine Hände und führte sie an ihre Brüste. Heiß und fest fühlten die sich an. Er begann sie zu massieren. Ihre Brustwarzen waren fast so hart wie sein bestes Teil.

Melinda bog den Kopf zurück, stöhnte leise und drängte sich an ihn. Lassiter Hände wanderten über ihre Schulterblätter, ihre Hüften bis zu ihren Gesäßbacken hinunter – zwei herrliche straffe Wölbungen. Sie bebten und pressten sich zusammen, als seine Hand die Rückseite ihrer Schenkel erkundete und sich langsam in die feuchte Köstlichkeit ihrer Liebeslippen schob.

Melinda stöhnte auf, bog und wand sich in seinen Armen. Sie schloss die Augen und öffnete ihren Mund. Lassiters Blut schien zu sieden, er küsste sie aufs Neue, knetete ihre Pobacken durch. Er wollte nur noch eines: in ihren Schoß eindringen und sie stoßen.

Melinda glitt langsam an ihm hinunter, ihre Finger bohrten sich in seine Brust, seinen Bauch, seine Lenden, schlossen sich um seinen heißen, klopfenden Liebespfahl. Sie öffnete ihre Augen, betrachtete ihn neugierig und küsste seine Eichel.

Sie kniete vor ihm nieder. Lassiter schloss die Augen und sog tief die Luft ein. Er spürte ihre Zunge um die Spitze seines Pints kreisen. Seufzend griff er in ihr dichtes kastanienrotes Haar, wand es um sein Handgelenk und drückte ihren Kopf gegen seine Lenden.

Er schob seine Hüften ihrem Mund entgegen, erst langsam und sanft, dann immer schneller. Sein Blut, sein Herzschlag, seine Kraft – alles strömte in seine Leisten, staute sich in seinem besten Teil.

Er hielt es kaum noch aus, wollte sie hochziehen und sie nehmen. Mit sanfter Gewalt drückte er ihre Stirn weg von seinen Lenden. Melinda kicherte und versuchte, ihn mit den Zähnen festzuhalten, doch er entzog sich ihr, und das gerade noch rechtzeitig.

»Du gehörst mir«, flüsterte er und packte sie unter den Achseln. »Ich will dich stoßen.« Er schob sie auf die gepolsterte Bettstatt, spreizte ihre Beine, wollte sich zwischen ihre Schenkel schieben.

Wieder kicherte sie, drehte sich rasch auf den Bauch und presste Knie und Schenkel zusammen. Lassiter legte sich auf ihren Rücken, spürte die Wärme ihres Körpers, fühlte ihren kühlen, köstlichen Hintern gegen seine Lenden drücken, spürte ihre Schultern und ihren Rücken auf seiner Haut. Sie glühte vor Hitze. »Ich will dich«, sagte er, »ich will dich jetzt.«

»Dann nimm mich doch, Lassiter«, flüsterte sie.

Er langte nach unten, streichelte die Außenseiten ihrer Oberschenkel, streichelte und knetete ihre Hüften, ihre Taille, schob seine Hände schließlich unter ihren Bauch. Unter seinen Handflächen spürte er ihre Bauchmuskulatur beben, sie atmete immer schneller.

»Nimm mich, Lassiter.« Sie hob ihren Hintern, stieß ihn gegen seine Lenden. »Los, nimm mich schon!«

Er zog seine Hände über ihren Bauch nach oben, fasste nach ihren Brüsten, begann erneut, sie zu kneten. Wieder und wieder hob Melinda ihr Gesäß, drückte es gegen seine Lenden und öffnete ihre Schenkel ein wenig. Sein bestes Teil rutschte zwischen sie und Melinda klemmte es sofort fest. Sie stöhnte leise.

Lassiter ertastete ihre Brustwarzen und rollte sie zwischen den Fingern hin und her. »Wie schön«, seufzte sie. »Mach weiter, mach immer weiter.« Sie rieb ihre Schenkel gegen sein bestes Teil, und wieder war er so weit, dass er es kaum noch aushielt.

Lassiter richtete sich auf, befreite sich aus der lustvollen Klemme und rutschte ein Stück auf ihre Oberschenkel hinunter. Jetzt kreiste er vor seinen Augen, ihr herrlicher Hintern. »Worauf wartest du?«, flüsterte sie.

Mit der Rechten teilte er ihre Liebeslippen und glitt ganz langsam in sie hinein. Sie drückte sich ihm entgegen, hob ihr Becken, stieß es ihm entgegen.

Sanft und zärtlich bewegte er sich in ihrem Schoß, hielt sie an den Hüften fest, während sie ihren Oberkörper und ihr Becken hochstemmte. Immer tiefer und heftiger stieß er in sie hinein. Über die Schulter blickte sie zu ihm herauf. Lust und Schmerz mischten sich in ihrem sehnsüchtigen Blick. »Ja«, flüsterte sie, »gut so«, flüsterte sie, und wieder: »Ja, ja, ja …«

Ihre gierigen Bewegungen machten ihn rasend. Er hielt sie fest und stieß und stieß – bis sie sich erst aufbäumte und dann seufzend aufs Polster sinken ließ.

Wie eine Glutwelle schoss es durch sein Hirn. Gemeinsam erreichten sie den Gipfel der Lust.

Er streckte sich über ihr aus und wurde ganz schwer. Licht und Schatten vor dem Abteilfenster wechselten einander ab, auch die gedämpften Stimmen draußen im Waggon drangen wieder in sein Bewusstsein.

»Ich ersticke«, kicherte Melinda irgendwann. Lassiter schob sich von ihrem heißen, schweißfeuchten Körper und stand auf. »Hoffentlich erwischt du diesen Scheißkerl Summer nicht so schnell.« Sie richtete ihren nackten Oberkörper auf ihren Knien auf. »Hoffentlich werden wir noch viele gemeinsame Tage in Abilene haben.« Lassiter stand da, ganz versunken in ihren schönen Anblick. Sie streckte den Arm nach ihm aus. »Gib mir meine Kleider.«

***

Eine halbe Wegstunde westlich von Topeka trieben sie die Pferde in einen seichten Fluss. In seinem Bett ritten sie stundenlang durch den Wald. Truman konnte noch immer nicht fassen, dass er noch lebte.

Wenn er von Zeit zu Zeit Gelegenheit hatte, in die bleichen Gesichter der Higgins-Brüder zu blicken, sah er, dass es ihnen ähnlich ging: Ein irres Grinsen verzerrte Adams Züge, ein grimmiges Feixen das seines älteren Bruders.

Viele Worte wechselte Truman nicht mit seinen Befreiern, weder mit Potter noch einem seiner Männer. Nur so viel erfuhr er, als er nach zwei Stunden dazu kam, das Narbengesicht zu fragen, warum er seine Haut riskiert hatte, um ihn und die Higgins vor dem Galgen zu retten: »Ich plane einen Coup«, erklärte Potter. »Dafür brauche ich gute Männer. Mehr heute Abend am Lagerfeuer. Jetzt sollten wir so viele Meilen wie nur irgend möglich zwischen Topeka und uns bringen. Die Bürgerwehr hat sicher schon einen Verfolgertrupp zusammengestellt.«

Der Schimmelreiter führte sie auf verschlungenen Pfaden durch die sumpfigen Flusswälder. Der Mann hatte langes schwarzes Haar und bronzefarbene Haut. Ein Halbblut, wie Truman bald erfuhr; Paul Potter und die anderen riefen ihn »Shandar«.

Einmal, als dichtes Unterholz sie am späten Nachmittag zwang, abzusteigen und die Pferde ein Stück über einen Wildpfad hangabwärts zu führen, hielt die Reiterin mit den langen, schwarzen Locken sich dicht hinter Truman.

»Wie fühlt es sich an, sterben zu müssen?«, wollte sie wissen.

»Stell dir vor, man hat dich auf ein Pferd gefesselt, das Tier geht durch und prescht auf einen tiefen Canyon zu. So ungefähr.« Er drehte sich nach ihr um und versuchte zu grinsen. Obwohl der Schrecken ihm noch in den Knochen steckte, gelang ihm das schon wieder ganz gut. »Wie heißt du?«

»Rachel. Gratuliere dir zu deinem zweiten Leben, Virgil.«

»Danke, Rachel.«

Die junge Frau gefiel ihm. Aus ihrer braungebrannten Haut schloss er, dass sie viel Zeit im Freien verbrachte. Oder hatte sie mexikanisches Blut in den Adern?

»Und danke, dass du deine schöne Haut für mich riskiert hast.« Und er gefiel ihr auch, das sah er ihrem Lächeln an.

Gegen Abend erreichten sie den Kansas River und wenig später eine Blockhütte zwischen den ufernahen Hügeln. Birken und Eichen wuchsen dort. Zwischen den Felsen dort machten sie die Pferde fest. Shandar, das Halbblut, und zwei von Potters Leuten gingen auf die Jagd.

In der ersten Dämmerung entzündeten sie ein Lagerfeuer vor der Blockhütte. Potter stellte nur zwei Wachen auf. Er vertraute darauf, dass der lange Ritt durch den seichten Fluss ihre Spuren gründlich genug verwischt hatte.

Später drehten sich eine Ente und ein Hase am Spieß über der Feuersglut. Eine Whiskyflasche kreiste. Truman bedankte sich noch einmal ganz förmlich und bei allen für die Rettung.

»Ja, danke, Männer.« Joshua Higgins strahlte nach allen Seiten. »Danke, Ma’am. Wir stehen verflucht tief in der Kreide bei euch.«

»So ist es!« Adam Higgins hob die Whiskyflasche. »Als sie mir heute Morgen die Schlinge um den Hals legten, hätte ich keinen Cent mehr darauf gewettet, dass ich jemals wieder Whisky trinken werde. Auf euch!«

Er trank und reichte die Flasche an Truman weiter. »Ja, auf euch!«, rief der in die Runde. »Auf Paul, Shandar, Rachel und wie ihr sonst alle heißen mögt. Wir werden uns ja noch näher kennen lernen, schätze ich.« Er trank und sein Blick fiel auf Rachel. »Klar, dass wir bei eurem nächsten Ding dabei sind.« Er reichte die Flasche an Potter weiter. »Ist ja wohl das Mindeste, was wir euch schuldig sind.«

»Unser nächstes Ding, wie du das nennst, wird euch gefallen.« Potter nahm einen Schluck und reichte die Flasche weiter. »Es geht darum, einen Mann zu töten, der uns allen das Leben viel zu schwer gemacht hat.«

Virgil Truman zog die Brauen hoch und musterte ihn fragend. »Jetzt bin ich aber gespannt«, sagte Joshua Higgins.

»Ist das so schwer zu erraten?« Der Mann mit der Geige nahm die Flasche entgegen. Die anderen nannten ihn Tom. Er hatte seine rote Perücke abgesetzt – in Wirklichkeit war er dunkelblond. Truman schätzte ihn Mitte vierzig. Er sah ziemlich hohlwangig aus, seine Haut hatte einen Gelbstich. »Es geht um Lassiter.«

»Sehr gut!« Joshua Higgins klatschte in die Hände. »Ihr wisst, wo der Kerl steckt?«

Potter nickte. »Im Moment in Kansas City.« Seine vernarbte Miene wirkte sehr ernst plötzlich. »Nicht nur euch, auch uns hat Lassiter hinter Gitter gebracht. Und nicht wenige von uns getötet. Er wird bezahlen!« Er ballte die haarige Faust. »Bei Gott, er wird bezahlen!«

»Bis wir in Kansas City sind, ist er längst weitergeritten«, sagte Virgil Truman. »Lassiter bleibt selten länger als ein paar Tage in einer Stadt.«

»So ist es, Virgil.« Potter nickte. »Deswegen haben wir zwei unserer besten Gunmen nach Kansas City geschickt.«

»Um ihn zu töten?« Joshua Higgins wiegte seinen breiten Schädel zweifelnd hin und her. »Nur zwei? Gefährlich.«

»Und was bleibt für uns dann noch zu tun?« Truman begriff nicht ganz, er runzelte die Stirn.«

»Nicht, um ihn zu töten«, entgegnete Potter ruhig. »Um herauszufinden, wohin er als Nächstes reiten wird.«

»Sehr gut.« Higgins nickte. »Und dort werden wir ihn erwarten.«

»Korrekt.« Potter zog ein Messer und schnitt den Hasenbraten an.

***

Erster Halt in Fort Riley. Es war stockdunkel, ging sicher schon auf Mitternacht zu. Lassiter stieg aus, vertrat sich ein wenig die Beine. Aus der Ansammlung von Hütten hinter der Bahnstation hörte er einen Hund bellen. Irgendwo heulte eine Eule.

Auf dem Bahnsteig, vor dem ersten Pullman, stand der Colonel bei einem der Gentlemen, mit denen er sich pokernd die Nacht um die Ohren schlug. Lassiter und Sutter winkten einander kurz zu, dann schlenderte der Mann von der Brigade Sieben Richtung Lokomotive.

Ein kleiner Mann in dunklem Arbeitsanzug und mit rußgeschwärztem Gesicht kam ihm entgegen. Der schnurrbärtige Bremser, den er zu Beginn der Fahrt mit seiner Whisky auf der Außenplattform gesehen hatte; sein Mundwinkel zuckte, als hätte er sich selbstständig gemacht. Grußlos gingen sie aneinander vorbei.

Seltsam steif und verkrampft kam der Mann ihm vor. Lassiter drehte sich nach ihm um – die dunkle Gestalt des Bremsers stelzte zu Joe Sutter und seinem Pokerpartner und mischte sich in ihr Gespräch ein. Komischer Kerl, dachte Lassiter und setzte seinen Weg zur Lokomotive fort.

Dort füllten sie den Wasserkessel der Lok und luden Kohle nach. Gemeinsam mit anderen Fahrgästen beobachtete Lassiter die Arbeiten aus gebührender Entfernung. Die Kohle staubte gewaltig.

Er dachte an Melinda, ihre Küsse, ihre Haut, ihren Liebestanz. Warm durchperlte ihn etwas wie ein Glücksgefühl. Zugleich erwachte sein Verlangen aufs Neue. Die süße Frau schlief in ihrem Abteil – ob er es wagen konnte, sie zu wecken?

Lieber nicht. Lieber warten, bis sie in Abilene ein Hotelzimmer zu ihrem Liebesnest machen konnten, seines oder ihres. Die Vorfreude war auch nicht zu verachten.

Der Mann von der Brigade Sieben dachte an seinen Auftrag. Aus den Unterlagen des Colonels wusste er inzwischen, dass William Summer früher mit den Texas-Rangern geritten war; daher wohl die Kontakte zu den Indianern und nach Mexiko. Im Bürgerkrieg hatte er als Scharfschütze auf Seiten der Konföderierten gekämpft.

Ein gefährlicher Mann also; bald würde er ihm gegenüberstehen. Abilene war die übernächste Station. Wenn alles gut ging, würde der Zug kurz nach Sonnenaufgang dort halten.

Lassiter wandte sich ab und schlenderte zurück ans Zugende. Joe Sutter und sein Pokerpartner waren nirgends mehr zu sehen. Hatte den Veteran die Müdigkeit wohl doch noch übermannt. Auch dem Bremser begegnete Lassiter nicht mehr.

Er stieg ein, drängte sich zwischen die schlafenden Männer, schloss die Augen, döste ein wenig. Lautes Schnarchen und Kindergewimmer erfüllten den Waggon. Außerdem roch es nach Zwiebeln und kaltem Zigarrenrauch. Im Halbschlaf bekam Lassiter noch mit, wie der Zug anfuhr. Dann rutschte er gegen seinen Banknachbarn und schlief ein.

Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, als jemand ihn an der Schulter schüttelte. Er schlug die Augen auf – Melinda. Ihre Miene kam Lassiter seltsam besorgt vor.

Er setzte sich auf und streckte sich. »Was gibt es denn?« Stumm winkte Melinda ihn hinter sich her und bückte sich auf die Außenplattform hinaus. Lassiter folgte ihr in den ersten Pullman. Niemand hockte mehr am Spieltisch, nur eine Öllampe brannte. »Was ist los?«

»Joe ist verschwunden.« Die Kastanienrote führte ihn bis in den hinteren Pullman und dort zu Joe Sutters Abteil. Es stand offen; und es war leer. »Um die Zeit muss ich ihm immer eine Tablette geben«, sagte Melinda. »Sonst hätte ich es erst morgen früh gemerkt.«

Lassiter trat ins Abteil. Sutters Koffer lag umgestülpt auf seinem Bett, Kleider und Wäsche wirkten zerwühlt. »Irgendjemand hat hier etwas gesucht.«

Er bückte sich nach Papieren, die vor dem Bett auf dem Boden verstreut lagen. Auf einigen entdeckte er dunkle Spuren wie von schmutzigen Fingern. Er betrachtete sie und erinnerte sich an die von Ruß geschwärzte Gestalt auf der Plattform und auf dem Bahnstein von Fort Riley.

»Ich habe ihn zuletzt mit dem kleinen Bremser und einem Pokerpartner vor dem Waggon gesehen.« Der Mann von der Brigade Sieben sah zu Melinda hinauf. Die junge Frau war aschfahl. »Auf dem Bahnstein von Fort Riley.«

»Vielleicht musste er sich noch entleeren und hat dann die Weiterfahrt verpasst.« Melindas Stimme klang belegt.

»Kannst du dir das wirklich vorstellen?« Lassiter schüttelte den Kopf. »Ich nicht.« Er stand auf. »Komm. Vielleicht hat er Kontakte zu Fahrgästen in einem anderen Waggon geknüpft.«

Seite an Seite suchten sie jedes Abteil in den Salonwagen nach dem Colonel ab. Flüche und Drohungen von aufgeweckten Fahrgästen waren das einzige Ergebnis.