Lassiter Sammelband 1802 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1802 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2287, 2288 und 2289.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

2287: Rodeo der Verdammten

Das "Mercy Shelter" hatte seine Unschuld an dem Tag verloren, als der erste Politiker seinen Fuß in das Wohlfahrtsheim in Kansas gesetzt hatte. Die Männer waren allzu angetan von den mittellosen Rancherstöchtern und ließen sich gern zu einer Spende überreden.

"Wie heißt du?", fragte Senator Crain und strich einer Dunkelhaarigen über die Wange. Sie war der Einsatz auf dem Rodeo vor fünf Jahren gewesen. "Wie alt bist du?"

Das Mädchen im Türrahmen glitt mit zwei Fingern an ihrer spitzenbesetzten Korsage entlang. "Dreiundzwanzig bin ich, Sir. Mein Name ist Jennie."

"Jennie", murmelte Crain, knöpfte den Gehrock auf und holte ein Bündel Dollarnoten hervor. "Zwanzig Bucks für den Anfang. Mehr, wenn du artig bist."

Zögernd griff das Girl zu und hauchte dem Senator einen scheuen Kuss auf die Wange.

2288: Sieben Killer für Lassiter

Die Frau und die sechs Männer, die sich in einem Hotelzimmer in Richmond versammelt hatten, wurden allmählich nervös. Seit fast einer Stunde warteten sie darauf, dass man ihnen den Grund nannte, warum sie hier waren. Als sich endlich die Tür öffnete, wandten sich alle Gesichter erwartungsvoll dem Mann zu, der den Raum betrat. Die dunklen Gläser der Nickelbrille, der Gehstock und seine vorsichtigen Bewegungen ließen darauf schließen, dass er blind war.

"Es freut mich, dass Sie meiner Einladung Folge leisten konnten", sagte der Advokat mit heiserer Stimme.

"Dann mal raus mit der Sprache", knurrte der hochgewachsene Bartträger zu seiner Linken. "Warum sind wir hier?"

"Fünfzigtausend Dollar", antwortete der Angesprochene und lächelte schmal. "Das ist die Prämie, die derjenige von Ihnen erhält, der Lassiter tötet."

2289: Ein Gringo namens Lassiter

Lassiter lehnte in Holk's Saloon an der Theke und wartete auf den Auftritt der Nackttänzerin, als sich eine Frau neben ihn stellte. Die Fremde war groß und schlank, trug einen Sombrero und im Schnellzieh-Holster einen Navy Colt mit Elfenbeingriff. "Sie sind doch Señor Lassiter", sagte sie mit spanischem Akzent.

Er tippte an seinen Hutrand. "Kann ich Ihnen helfen, Miss?"

"Ich bin Celia Castro", erklärte sie. Plötzlich reckte sie ihren Mund an sein Ohr. "Ich hab für uns ein Zimmer gebucht. Für eine Stunde. Verlieren wir keine Zeit, Señor."

Lassiter verzog keine Miene. "Ihr Angebot ehrt mich, Miss", erwiderte er. "Aber ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen. Ich sehe Sie zum ersten Mal. Ein wenig früh für einen Ritt auf dem Strohsack. Meinen Sie nicht auch?"

Sie schüttelte den Kopf. "Nein, Señor."

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: Boada/Norma ISBN 978-3-7325-8346-1

Jack Slade

Lassiter Sammelband 1802 - Western

Inhalt

Jack SladeLassiter - Folge 2287Das "Mercy Shelter" hatte seine Unschuld an dem Tag verloren, als der erste Politiker seinen Fuß in das Wohlfahrtsheim in Kansas gesetzt hatte. Die Männer waren allzu angetan von den mittellosen Rancherstöchtern und ließen sich gern zu einer Spende überreden. "Wie heißt du?", fragte Senator Crain und strich einer Dunkelhaarigen über die Wange. Sie war der Einsatz auf dem Rodeo vor fünf Jahren gewesen. "Wie alt bist du?" Das Mädchen im Türrahmen glitt mit zwei Fingern an ihrer spitzenbesetzten Korsage entlang. "Dreiundzwanzig bin ich, Sir. Mein Name ist Jennie." "Jennie", murmelte Crain, knöpfte den Gehrock auf und holte ein Bündel Dollarnoten hervor. "Zwanzig Bucks für den Anfang. Mehr, wenn du artig bist." Zögernd griff das Girl zu und hauchte dem Senator einen scheuen Kuss auf die Wange.Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2288Die Frau und die sechs Männer, die sich in einem Hotelzimmer in Richmond versammelt hatten, wurden allmählich nervös. Seit fast einer Stunde warteten sie darauf, dass man ihnen den Grund nannte, warum sie hier waren. Als sich endlich die Tür öffnete, wandten sich alle Gesichter erwartungsvoll dem Mann zu, der den Raum betrat. Die dunklen Gläser der Nickelbrille, der Gehstock und seine vorsichtigen Bewegungen ließen darauf schließen, dass er blind war. "Es freut mich, dass Sie meiner Einladung Folge leisten konnten", sagte der Advokat mit heiserer Stimme. "Dann mal raus mit der Sprache", knurrte der hochgewachsene Bartträger zu seiner Linken. "Warum sind wir hier?" "Fünfzigtausend Dollar", antwortete der Angesprochene und lächelte schmal. "Das ist die Prämie, die derjenige von Ihnen erhält, der Lassiter tötet."Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2289Lassiter lehnte in Holk's Saloon an der Theke und wartete auf den Auftritt der Nackttänzerin, als sich eine Frau neben ihn stellte. Die Fremde war groß und schlank, trug einen Sombrero und im Schnellzieh-Holster einen Navy Colt mit Elfenbeingriff. "Sie sind doch Señor Lassiter", sagte sie mit spanischem Akzent. Er tippte an seinen Hutrand. "Kann ich Ihnen helfen, Miss?" "Ich bin Celia Castro", erklärte sie. Plötzlich reckte sie ihren Mund an sein Ohr. "Ich hab für uns ein Zimmer gebucht. Für eine Stunde. Verlieren wir keine Zeit, Señor." Lassiter verzog keine Miene. "Ihr Angebot ehrt mich, Miss", erwiderte er. "Aber ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen. Ich sehe Sie zum ersten Mal. Ein wenig früh für einen Ritt auf dem Strohsack. Meinen Sie nicht auch?" Sie schüttelte den Kopf. "Nein, Señor."Jetzt lesen

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Cover

Impressum

Rodeo der Verdammten

Vorschau

Rodeo der Verdammten

Das Mercy Shelter hatte seine Unschuld an dem Tag verloren, als der erste Politiker seinen Fuß in das Wohlfahrtsheim in Kansas gesetzt hatte. Die Männer waren allzu angetan von den mittellosen Rancherstöchtern und ließen sich gern zu einer Spende überreden.

»Wie heißt du?«, fragte Senator Crain und strich einer Dunkelhaarigen über die Wange. Sie war der Einsatz auf dem Rodeo vor fünf Jahren gewesen. »Wie alt bist du?«

Das Mädchen im Türrahmen glitt mit zwei Fingern an ihrer spitzenbesetzten Korsage entlang. »Dreiundzwanzig bin ich, Sir. Mein Name ist Jennie.«

»Jennie«, murmelte Crain, knöpfte den Gehrock auf und holte ein Bündel Dollarnoten hervor. »Zwanzig Bucks für den Anfang. Mehr, wenn du artig bist.«

Zögernd griff das Girl zu und hauchte dem Senator einen scheuen Kuss auf die Wange.

Von sämtlichen Dollars in Jennie Cotters Schmuckschatulle fühlten sich die Banknoten von Senator Dan Crain am schmutzigsten an. Sie waren auf eine eigenartige Weise speckig, wie es Jennie sonst nur von den Geldscheinen der Rindertreiber und Tagelöhner gewohnt war. Es war beinahe so, als haftete ihnen eben jener »Geruch der Gosse« an, den Crain ihnen mit allen Mitteln auszutreiben suchte.

»Washington schwelgt geradezu in edlen Stoffen«, meinte der Senator und hängte den Gehrock akkurat über die Stuhllehne. Über seinem gestärkten Baumwollhemd trug er eine ockerfarbene Weste aus edler Seide. »Man kann nicht mehr auf die Straße gehen, ohne den feinsten Zwirn am Leib zu tragen, Schätzchen.«

Das Senatsmitglied blieb neben dem Stuhl stehen, knöpfte die Hemdsärmel auf und sah Jennie beim Entkleiden zu. Die Dreiundzwanzigjährige lächelte scheu, legte das Geld in die Schatulle und schlüpfte aus ihrem Kleid. Sie betrachtete ihren schlanken Leib im Spiegel, der in ihren Augen mager und ausgezehrt wirkte. »Wie ich Sie kenne, Mr. Crain, machen Sie eine ausgezeichnete Figur auf jeder Abendgesellschaft. Sie sehen fabelhaft aus.«

Eitel winkte Crain ab und schritt quer durch die Kammer. Er warf einen Blick aus dem Fenster, hinter dem sich der Hof der Mercy Shelter befand. »Sag doch Dan zu mir, Kleines. Ich bin schon zum fünften Mal bei dir.« Er wandte sich um und breitete die Arme aus. »Komm zu mir, Täubchen.«

Mit jeder Faser ihres Körpers spürte Jennie den Widerwillen, den Crains Aufforderung in ihr auslöste. Sie hatte stets gute Miene zum bösen Spiel gemacht, doch jetzt wollte sie Crain die Faust in sein widerliches Ostküstengesicht rammen und Wichita ein für alle Mal verlassen.

Was Jennie auch wusste, war, dass sie nichts dergleichen tun würde. Stattdessen würde sie ein liebenswürdiges Lächeln aufsetzen, sich vor Crain entkleiden und dem Senator seinen Willen lassen. Sie würde mit der gleichen inbrünstigen Anteilnahme zugegen sein, die sie dem Senatsmitglied aus Washington bei jedem seiner Besuche vorspielte. Sie würde jene brave Hure sein, zu der sie der Besitzer des Wohlfahrtshauses, Richard Blackwell, erzogen hatte.

»Was hast du?«, fragte Crain und hob fragend die Brauen. Er hatte jene kalte Lüsternheit im Gesicht, die Jennie bei jedem ihrer Freier verabscheute. »Ich zahle dir meine sauer verdienten Dollars nicht umsonst.«

»Nichts«, log Jennie und setzte sich auf die Bettkante. Sie warf die Haare hinter die Schultern und löste die Schnürung ihrer Korsage. Unter dem Spitzenbesatz kam ihr porzellanweißer Busen zum Vorschein. »Magst du dich nicht zu mir setzen?«

Crain grinste schief und ließ sich neben Jennie auf das Bett fallen. Er legte eine Hand auf ihren Schenkel und strich langsam daran empor. »Mit wie vielen Kerlen hast du es seit meinem letzten Besuch getrieben? War Blackwell bei dir?«

Über Jennies Rücken lief ein eisiger Schauer. Sie war Blackwell bislang höchstens ein oder zwei Mal begegnet und hatte bei jedem Zusammentreffen nackte Angst verspürt. Der Geschäftsmann aus Wichita mochte ein guter Freund für Crain und seinesgleichen sein, doch im Mercy Shelter fürchtete man ihn mehr als den Leibhaftigen.

»Blackwell besucht uns nicht oft«, gab Jennie zur Antwort und blickte Crain scheu an. »Er hat einige Mädchen, zu denen er öfter geht. Der Rest bleibt für die Senatoren.«

Sanft lächelnd beugte sich Crain zu Jennie herüber und tätschelte ihre Brüste. Er fuhr mit den Fingern an ihrem Hals hinauf und hob ihr Kinn an. »Der Rest, sagst du? Der Rest wie du und die kleine Rote von drüben? Was bezahlt er euch für eure Dienste?«

Nach und nach schnürte sich Jennie der Hals zu. Sie versteifte die Haltung und presste die Lippen zusammen. Sie fröstelte unter Crains Berührung. »Nicht mehr als die Dollars, die wir von den Herren Senatoren bekommen. Er gibt jeder von uns zwei Dollar in der Woche.«

»Zwei Dollar zu viel für eine miese Hure«, entgegnete Crain und drückte Jennie mit aller Wucht aufs Bett. Er entledigte sich seiner Hose und teilte mit dem Knie Jennies Schenkel. »Warte nur, ich werde dir schon zeigen, wie man es in Washington treibt!«

Der Senator keuchte und drängte sich mit aller Kraft zwischen Jennies Schenkel. Er hielt der jungen Frau den Mund zu und setzte zu einigen festen Stößen an. Als ihm der Atem ausging, hielt er inne und stützte sich neben seiner Bettgenossin ab.

»Sie … sind grob«, klagte Jennie mit matter Stimme. Sie schalt sich im Stillen für ihre Schwäche. »Mir machen Männer Freude, die sich etwas Zeit nehmen.«

»Wen kümmert es schon, was dir Freude macht?«, zischte Crain und setzte zu einem weiteren Stoß an. »Ich will nichts hören davon. – Spreiz die verdammten Beine!«

Ängstlich folgte Jennie seinem Befehl und öffnete die Schenkel ein Stück weiter. Sie spürte seinen harten Pfahl in sich, der glühend in sie vorstieß und sich ebenso abrupt zurückzog. Einige Minuten lang fühlte sie nichts außer jener eintönigen Bewegung seiner Lenden, die ihr unter anderen Umständen sogar Lust hätte bereiten können.

Danach kam es Crain unvermittelt.

Unter einem tiefen Grunzen bäumte sich der Senator auf, presste den Unterleib an Jennie, ließ den Mächten der Natur freien Lauf und setzte ächzend einen letzten Stoß nach.

Im gleichen Augenblick erstarrte Crain.

Er stierte Jennie aus leeren Augen an, krampfte eine Hand in das Laken und kippte wortlos zur Seite. Der sehnige Leib des Senators schlug auf die Holzdielen und blieb reglos liegen.

Indes schlug Jennie das Herz bis zum Hals.

Sie zog die Beine an den Körper und wickelte sich das Laken um die Unterschenkel. Vor zwei Wochen hatte es einen anderen Senator getroffen, der beim Sex mit einem der Mädchen aus dem Bett gekippt war. Sie hatten den Toten in aller Stille aus dem Mercy Shelter geholt und in einem pompösen Begräbnis in Wichita beigesetzt.

Von dem Mädchen jedoch hatte man nie wieder gehört.

***

Das Occidental Hotel an der Mainstreet von Wichita erhob sich über drei Stockwerke und zählte zu den elegantesten Bauwerken, die in den Rinderstädten des Wilden Westens je erbaut wurden. Den Gerüchten nach hatten die Eigentümer über dreißigtausend Dollar für die Errichtung des Steinbaus ausgegeben, ehe sie das Haus drei Jahre nach dessen Eröffnung einem Gierschlund von Bankier überlassen mussten.

»Man hat sich schlicht übernommen«, sagte James G. Hope und wies auf die Malereien an der Decke des Speisesaales. »Die Stadt war kaum vier Jahre alt, als man den Grundstein für das Occidental legte.«

Der Mann auf der anderen Tischseite nickte freundlich und trank von seinem Whiskey. Er war erst vor einer halben Stunde erschienen und hatte kaum ein Wort gesprochen. Mit seiner braungebrannten Haut und dem breiten Kreuz passte er in den vornehmen Dinnersaal wie ein Droschkenkutscher in ein Ballhaus.

»Niemand hätte damals vermuten können«, sprach Hope weiter, »dass Wichita dereinst zu den reichsten Städten von Kansas gehören könnte. Das Hotel ist eine Goldgrube für die jetzigen Besitzer geworden.«

Der frühere Bürgermeister von Wichita winkte einem schwarzen Angestellten und orderte einen zweiten Whiskey für seinen Gast. Er lächelte dem anderen Mann höflich zu und verzog das Gesicht. »Langweile ich Sie etwa, Mr. Lassiter?«

Der große Mann auf der anderen Seite des Tisches verneinte mit einem knappen Kopfschütteln. Er lehnte sich im Stuhl zurück und beobachtete das Treiben im Speisesaal. »Sie langweilen mich ganz und gar nicht, Mr. Hope. Ich wäre Ihnen allerdings verbunden, wenn wir über meinen Auftrag sprechen könnten.«

Über Hopes rundes Gesicht ging ein nervöses Zucken. Er beugte sich über den runden Tisch und zog ein Kuvert unter der Weste hervor. Der Umschlag war mit einem Siegel verschlossen, auf dem das Wappen des Justizministeriums prangte. »Die Dokumente werden Sie über alles Nötige in Kenntnis setzen.«

Der Mann der Brigade Sieben beugte sich ebenfalls nach vorn und nahm das Kuvert entgegen. Er zerbrach das Siegel mit den Fingern, schlug die Lasche zurück und zog einen Stapel Papiere aus dem Umschlag.

»Die Photographie obenauf zeigt Senator Dan Crain«, erläuterte Hope. »Er ist vor zwei Wochen in einem Wohlfahrtshaus nahe der Stadt gestorben. Wenn man den Gerüchten glaubt, hat er dort seine Nichte besucht.«

Gewissenhaft blätterte der Mann der Brigade Sieben die Seiten durch und zog die Brauen zusammen. Er griff nach der Photographie und betrachtete sie. »Seine Nichte war halb nackt, als man Crain im Haus fand. Er war gewiss nicht für ein Plauderstündchen dort.«

»Die Geschichte um Crains Nichte glaubt in Wichita kein Mensch«, pflichtete ihm Hope bei. »Sie ist eine Erfindung für die feine Gesellschaft von Washington. Man will Crains Familie vor einem schlechten Leumund bewahren.«

Der dunkelhäutige Angestellte brachte den bestellten Whiskey und stellte ihn auf den Tisch. Er las stumm das Trinkgeld auf und verschwand wieder hinter dem Tresen.

»Die Kleine ist ein Freudenmädchen?«, erkundigte sich Lassiter und blätterte die Papiere aus dem Kuvert durch. »Hat sie ihn auf dem Gewissen?«

Hope schürzte die Lippen und seufzte leise vor sich hin. »Das Mädchen hat keinem etwas zuleide getan. Sie heißt Jennie Cotter und ist die älteste Tochter eines verarmten Ranchers namens Frank Cotter.«

»Wie kam sie in das Wohlfahrtshaus?«

Der frühere Bürgermeister der Rinderstadt zuckte mit den Schultern und verschränkte die Hände auf dem Tisch. »Bei der Brigade Sieben hat man keine Erkenntnisse über das Haus. Man hat lediglich herausgefunden, dass die Mädchen häufig von wohlhabenden Senatoren besucht werden. Es ist gut möglich, dass sich hinter dem Mercy Shelter ein Bordell oder gar Schlimmeres verbirgt.«

»Wie oft war Crain in Wichita?«, fuhr Lassiter mit seinen Fragen fort. Er schlug eine Seite um. »Ich glaube kaum, dass er sich mit zwei Besuchen begnügt hat.«

»Zwei Besuche wären eine haarsträubende Untertreibung«, meinte Hope mit einem schiefen Lächeln. Er wies zum Tresen des Speisesaals. »Vor ein paar Wochen erst habe ich ihn dort drüben trinken sehen. Er vertrug eine Menge. An manchen Tagen schien er nur deshalb aus Washington angereist zu sein.«

Sie schwiegen eine Weile und tranken ihre Whiskeygläser leer. Die übrigen Gäste des Occidental nahmen keine Notiz von den beiden Männern am Ecktisch.

»Offenbar ist er im Bett mit der Kleinen gestorben«, setzte Lassiter das Gespräch fort. »Ein fürsorglicher Onkel macht sich nicht über seine Nichte her.«

Die Besorgnis in Hopes Miene wurde zu Unmut. »Crain ist nur die Spitze des Eisbergs. Er ist ein einflussreicher Senator. Seinen Tod nimmt in Washington niemand auf die leichte Schulter.« Er sah auf. »Doch der Brigade Sieben geht es um etwas anderes.«

Lassiter schob die Papiere mitsamt Kuvert über den Tisch. »Sprechen Sie, Mr. Hope.«

Voller Nervosität krallte Hope die Finger ineinander. Er blieb einen Augenblick lang stumm, ehe die Worte nahezu aus ihm heraussprudelten. »Jedes Jahr verschwinden in Wichita über zwanzig Mädchen, Lassiter. Sie stammen von den Farmen und Ranches in der Gegend und haben sich nichts zuschulden kommen lassen.«

»Über zwanzig Mädchen?«

»Im letzten Jahr waren es sogar vierundzwanzig«, bekräftigte Hope das Gesagte. »Man möchte sich die Haare ausraufen. Kein Mensch redet darüber, weil die meisten in Häusern wie dem Mercy Shelter wieder auftauchen. Die Leute in der Stadt schweigen eisern dazu.«

Am benachbarten Tisch trafen zwei ältere Reisende zusammen und begrüßten einander höflich. Die beiden Männer nahmen Platz und boten sich gegenseitig eine Zigarre an.

»Soll ich mich ein wenig umhören?«, fragte Lassiter in gedämpftem Ton. »Oder geht’s nur um Crain?«

»Crain ist ihr Deckmantel«, gab Hope zurück. Er schlug das Kuvert mit den Papieren zusammen und schob es wieder zu Lassiter. »Die Brigade Sieben möchte wissen, ob sich Senatsmitglieder mit den verschwundenen Mädchen vergnügen. Es könnte sich um eine Verschwörung handeln.«

»Oder eine Bande von Seelenfängern«, fügte Lassiter hinzu. »Ich halte Augen und Ohren offen.«

»Sie müssen mit äußerster Diskretion vorgehen«, schärfte Hope ihm ein. »In Washington könnten einflussreiche Senatoren von dieser Affäre betroffen sein. Der Präsident wird sich erst zu Wort melden, wenn wir hieb- und stichfeste Beweise auf den Tisch legen.«

»Sie können sich auf mich verlassen, Mr. Hope.«

***

Das Abendrot breitete sich wie eine glühende Decke über die Gräser der Plains, als Jennie Cotter den Rückweg zum Wohlfahrtshaus antrat. Sie folgte dem alten Pfad hinunter zum Weiher, der von hüfthohem Büffelgras umstanden und vom Haus aus nicht einzusehen war. Die Grashalme schlugen der Dreiundzwanzigjährigen gegen die Beine und weckten schmerzhafte Erinnerungen an die Ranch ihres Vaters.

Fünf Jahre war Jennie nun schon in der Fremde.

Sie hatte in all der Zeit keinen einzigen Brief erhalten, der ihr erklärt hätte, weshalb Frank Cotter seine älteste Tochter verstoßen und in die Obhut des Mercy Shelter gegeben hatte. Die Geschäfte ihres Vaters mochten zuletzt schlecht gegangen sein, doch er hätte sich lieber ein Bein abgehackt, statt Jennie bei Nacht und Nebel in eine Droschke zu setzen und über die Stadtgrenze zu bringen.

»Jennie?«

Die Stimme des Heimaufsehers Charles Barahoes riss die schwarzhaarige Rancherstochter aus ihren Gedanken. Sie klang zwischen den wiegenden Gräsern hindurch, hinter denen Barahoes gerade frisches Wasser in einen Zuber schöpfte. Er war ein dicklicher Mann von sechzig Jahren, den Jennie wegen seiner Liebenswürdigkeit ins Herz geschlossen hatte.

»Was treibst du da, Charlie?«, fragte Jennie und schlug die Gräser beiseite. Sie stemmte die Arme in die Seiten und sah Barahoes beim Schöpfen zu. »Ist der Kessel schon wieder leer?«

»Schon wieder leer, Kleines!«, stöhnte Barahoes und nickte. Er setzte den Eimer ab und reckte sich. »Was streunst du hier draußen herum? Du weißt doch, dass ihr Mädchen nicht weiter als ’ne Viertelmeile vom Haus weg dürft.«

»Ach, Charlie!«, erwiderte Jennie lachend. Sie knickte einige Grashalme ab und flocht sie zwischen den Fingern. »Ich war bloß unten am Weiher und habe Frösche beobachtet. Ich lauf’ euch schon nicht weg.«

»Meinetwegen dürftest du bis nach Nevada laufen«, brummte Barahoes und machte sich wieder an die Arbeit. »Aber der Alte ist im Haus. Er sieht’s nicht gern, dass eine von euch die Regeln missachtet.«

Wie vom Schlag gerührt blieb Jennie stehen. Keine ihrer Freundinnen hatte erwähnt, dass Blackwell das Wohlfahrtshaus besuchen wollte. Gewöhnlich erschien er ein oder zwei Mal im Monat und verbrachte mit einem Mädchen die Nacht.

»Mr. Blackwell ist da?«

Barahoes goss den letzten Eimer in den Zuber und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Als er Jennies ängstliche Miene bemerkte, kam er herüber und legte ihr den Arm um die Schultern. »Er hat nur Geschäftliches zu erledigen, Kleines. Um Crain geht’s ihm nicht.«

Unweigerlich stiegen in Jennie die Bilder jener Nacht auf, in der vor zwei Wochen Dan Crain gestorben war. Der Senator hatte starr auf der Seite gelegen, als hätte ihn der Herrgott mit einem Hieb zu Boden gestreckt. Die Zunge hatte ihm aus dem Mund gehangen und – ekelhafterweise – wie ein Stück rohes Fleisch ausgesehen.

»Hilfst du mir?«, fragte Barahoes und hielt ihr den leeren Eimer hin. »Ich muss die Bettpfannen anheizen, ehe es für euch Hühnchen zu kalt drinnen wird.«

Ohne Widerspruch nahm Jennie den Eimer, lief voraus und hielt Barahoes die Hintertür auf. Der Hausverwalter schleppte den Zuber über die Schwelle, verschüttete etwas Wasser und trug ihn in die angrenzende Küche. Er seufzte gequält und schraubte den Kupferdeckel vom Kessel.

»Ist er schon auf dem Zimmer?«, fragte Jennie und stellte den Eimer in die Ecke. »Mr. Blackwell, meine ich?«

Unter dem glucksenden Wasser war Barahoes’ Stimme schlecht zu verstehen. Er stellte den Zuber ab und wandte sich zu Jennie um. »Sieh doch selbst nach, Kleines! Er ist oben im Salon.« Ein Lächeln sprang auf Barahoes’ wulstige Lippen. »Weihrauch oder Rosenholz in der Pfanne?«

Trotz ihrer Anspannung musste Jennie nun ebenfalls lächeln. Sie mochte die kleinen Wohltaten des Hausverwalters, die er seinen Schützlingen angedeihen ließ, ohne dass er wie die anderen Männer eine Gefälligkeit dafür erwartete. Von Zeit zu Zeit legte er duftende Hölzer oder Kräuter in die Glut der Bettpfanne, mit denen sich herrlich einschlafen ließ.

»Rosenholz«, sagte Jennie und sprang zu Barahoes. Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und eilte aus der Küche. Draußen im Flur umfing sie das düstere Dunkel des Wohlfahrtshauses.

»Mr. Blackwell?«

Auf Zehenspitzen stieg Jennie die Stufen zum Salon hinauf, der sich hinter dem ersten Treppenabsatz befand. Der Raum war im eigentlichen Sinne kein Salon, wurde jedoch von den Mädchen und Barahoes wegen seiner mit Stoff bespannten Wände so genannt.

Von Richard Blackwell war nur eine Silhouette zu erkennen.

Der Geschäftsmann stand vor der Petroleumlaterne, die mit mattem Schein den Salon erleuchtete, und ordnete einige Papiere. Er hatte seinen Stock gegen den Tisch gelehnt und murmelte leise vor sich hin.

»Mr. Blackwell?«, rief Jennie erneut. Sie blieb in der Tür stehen und faltete die Hände vor dem Körper.

Der Mann vor der Petroleumleuchte wandte sich langsam zu ihr um. »Jennie? Jennie Cotter?«

Die Rancherstochter nickte und bewegte sich nicht von der Stelle. In ihrem Bauch regte sich das Unbehagen, das sie bei jeder Zusammenkunft mit dem Besitzer des Mercy Shelter empfand.

»Was stehst du steif wie ein Esel in der Tür?«, fragte Blackwell gereizt und kam auf sie zu. Er war ein hochgewachsener Mann mit ausgemergeltem Antlitz und tief in den Höhlen sitzenden Augen. Wäre es helllichter Tage gewesen, hätte man die violetten Schatten um seine Lider gesehen. »Komm doch herein.«

Zögerlich kam Jennie der Aufforderung nach. Sie zwang sich zu einem Lächeln und blieb in der Mitte des Salons stehen. »Was führt Sie zu uns, Mr. Blackwell? Ich habe Sie seit zwei Wochen nicht gesehen.«

Der alte Geschäftsmann griff nach seinem Stock und stützte sich darauf. Er machte eine Runde durch den Salon und lauschte dem gleichförmigen Tack-tack der Stockspitze. »Du hast gewiss Furcht, dass ich wegen Crain gekommen bin?« Er blickte sie an und grinste. »Sei unbesorgt, Kind.«

Die Blicke des Geschäftsmannes taxierten Jennie, wie es Hunderte Freier zuvor getan hatten. Das Ranchmädchen schlug die Augen nieder und ließ die Prozedur über sich ergehen. »Ich habe keine Furcht, Mr. Blackwell. Ich habe dem Herrn nichts getan.«

Aus Blackwells Kehle löste sich ein heiseres Lachen. Er kam abermals näher und blieb eine gute Elle vor Jennie stehen. »Wie jung du bist, Kleines. Neunzehn, nicht wahr? Du bringst mein Blut in Wallung.« Er lachte wiederum. »Selbst wenn du Crain einen Dolch ins Herz gerammt hättest, könnte ich es dir nicht übelnehmen. Du bist zu schön für ein Gericht.«

Die spinnenbeinartigen Finger des Alten fuhren über Jennies rechte Wange und verharrten dort. Jennie zog den Kopf ein Stück zurück, besann sich dann jedoch eines Besseren. »Wollen Sie die Nacht mit mir verbringen, Mr. Blackwell? Ich hätte nichts dagegen.«

Wiederum lachte der Alte und trat näher. »Süße Lügen, Kleines. Ich spüre längst, wie abstoßend du mich findest.« Er strich Jennie erneut über die Wange. »In welchem Zimmer schläfst du?«

»No. 9, Mr. Blackwell.«

***

Wie die meisten Ranches im Umland von Wichita war auch die Cotter-Ranch von weitläufigen Weiden und grasbestandenen Hügeln umgeben. Das niedrige Haupthaus duckte sich in eine ellipsenförmige Senke, die auf einer Seite von einem Koppelzaun, auf der anderen von einem Wassergraben begrenzt wurde. Weiter im Norden graste eine Herde Longhorn-Rinder und zog gemächlich auf einen Seitenarm des Arkansas River zu. Die Tiere gerieten außer Sicht, als Lassiter auf den breiten Karrenweg hinunter zur Ranch einbog.

Auf einer Hügelkuppe machte der Mann der Brigade Sieben Halt.

Die Schilderungen von James G. Hope über die Armut der Rinderzüchter von Wichita waren nicht übertrieben gewesen. Die Bauten der Ranch befanden sich in einem weitaus dürftigeren Zustand, als es aus der Ferne den Anschein gemacht hatte. Die Schindeldächer der Scheune und des benachbarten Stalls waren vom Sturm abgedeckt und mit löchrigen Segeltuchplanen geflickt worden. Die Schindeln lagen rings um das Haus verstreut, als hätte sie jemand wie Saatkörner ausgeworfen.

Noch schlimmer stand es um das Ranchhaus selbst.

Unter den Fassadenbrettern lugte das Balkenwerk hervor und war mit Lehm und Sand gegen das Wetter abgedichtet worden. An einigen Stellen hingen trockene Grassoden, aus denen wilde Kräuter und Gestrüpp sprossen. Ein rostiger Pflug lehnte an der Vorderwand, die Achse gebrochen, die Deichsel wie eine Sichel verbogen.

Offenbar hatte Hope mit seiner Einschätzung recht.

Die Geschäfte der Züchter mochten gut gelaufen sein, solange das Texasfieber die Konkurrenz aus dem Süden ferngehalten und die Eisenbahn ausschließlich Vieh aus Kansas in den Osten gebracht hatte. Die Kassen hatten ein paar Jahre geklingelt, aber dann waren die fettgemästeten Rinder aus Texas zurückgekehrt. Die staubigen Trecks hatten die Tiere zu Tausenden nach Kansas gebracht und die einheimischen Rancher in den Bankrott getrieben.

Die Ranch von Frank Cotter war ein beredtes Zeugnis dafür.

Mit einer geschmeidigen Bewegung schwang sich Lassiter aus dem Sattel und führte das Pferd zu Fuß weiter. Er brachte es an den Brunnen, sah nach dem Schöpfeimer und wandte sich zur Ranch um.

»Mr. Cotter?«

Die Stimme des großen Mannes schallte über die Ranch und verlor sich zwischen dem ausgestorbenen Haupthaus und der Scheune daneben. Zwischen den beiden Bauten heulte der Wind und bog das Büffelgras durch.

Nach einiger Zeit knarrte die Tür des Ranchhauses.

Ein schmächtiger Mann mit vollem Bart trat ins Freie und blinzelte in die Sonne. Er hielt einen rostigen Marlin-Karabiner in der Hand und starrte seinen Gast ausdruckslos an.

»Mr. Cotter?«, fragte Lassiter. »Ich brauche Wasser für mein Pferd.«

Der bärtige Ranchbesitzer stapfte auf das Reittier zu und blieb auf halber Strecke stehen. Er hob das Gewehr und fuchtelte damit zornig herum. »Wer sind Sie, zum Teufel? Kann keinen Besuch nicht brauchen! Wollen unsere Ruhe haben!«

Hinter Cotter schob sich eine ebenso magere Frau aus der Tür und nahm einen Revolver hinter dem Rücken hervor. Sie zitterte vor Schwäche und hielt sich am Türrahmen fest.

»Bloß das Wasser!«, rief Lassiter und legte die Hand auf den Remington im Holster. Er wollte nicht auf einen Rancher und dessen Frau schießen, die bei Licht betrachtet sogar im Recht waren. »Ich verschwinde von Ihrem Land, wenn Sie es wünschen.«

»Dafür ist’s zu spät!«, rief Cotter und kam auf Lassiter zu. »Was wollen Sie? Wer hat Ihnen von der Ranch erzählt?«

Die Frau des Ranchers wagte sich ebenfalls aus dem Haus und folgte ihrem Mann mit gezückter Waffe. Sie zischte etwas über die Schulter, das offenbar einem ihrer Kinder im Haus galt.

Ruhig behielt Lassiter den Rancher und dessen Frau im Auge. Er hatte die Hand fest um den Griff des Remington geschlossen, wollte jedoch ein Blutvergießen um jeden Preis vermeiden. »Sind Sie Frank Cotter? Der Vater von Jennie Cotter? Ich habe eine Nachricht für Sie.«

»Endlich rückt er mit der Wahrheit heraus!«, brüllte Cotter seiner Frau zu. Er lachte und sog sich den Speichel von den Lippen. »Was hat die Göre angestellt? Ich hab nichts mehr mit dem Balg zu schaffen! Also verschwinden Sie besser, wenn Ihnen ihr Leben etwas wert ist!«

Die beiden Ranchleute schlossen zueinander auf und hielten die Waffen fest auf Lassiter gerichtet. Aus ihren erstarrten Mienen sprachen Hass und Verachtung.

»Jennie wird des Mordes verdächtigt«, erklärte Lassiter unbeeindruckt. »Sie steht im Verdacht, einen Senator aus Washington ermordet zu haben. Sein Name war Dan Crain.«

»Sieht dem Flittchen ähnlich!«, knurrte Cotter und verbiss sich ein Lachen. »Wäre ich Sheriff in Wichita, ich hätte sie längst hinter Gitter gesteckt.«

Der Rancher hatte einen Finger um den Abzug seines Karabiners gelegt und stand nun Lassiter so nah, dass ein Schuss dem Mann der Brigade Sieben die Lunge zerfetzt hätte. Cotters Frau bebte am ganzen Leib und hielt ihren Revolver umklammert.

»Verschwinden Sie!«, flüsterte Cotter drohend. »Ich mag keine Eindringlinge auf meinem Land.«

Zweifelsohne wäre es Lassiter ein Leichtes gewesen, den Rancher mit einer Kugel aus dem Remington außer Gefecht zu setzen. Er hätte ihm lediglich die Knöchel der rechten Hand zertrümmern müssen, um dafür zu sorgen, dass Cotter das Marlin-Gewehr fallen ließ.

Doch der Mann der Brigade Sieben entschied sich anders.

Solange er sich auf Cotters Land aufhielt, war dessen Wort Gesetz. Nicht einmal die Brigade Sieben würde mit einem Richter aufwarten können, der in einem solchen Fall zu Lassiters Gunsten entschied. Außerdem war es allemal die klügere Wahl, Cotter in gewissem Maße gewogen zu stimmen, statt ihn sich zum Feind zu machen.

»Nehmen Sie das Gewehr herunter!«, rief Lassiter Cotter zu und nahm seinerseits die Hand vom Remington. »Ich verlasse die Ranch und belästige Sie nicht länger.«

Aus dem Ranchhaus war in der Zwischenzeit das Mädchen getreten, dem die hastigen Worte von Cotters Frau gegolten hatten. Es mochte achtzehn oder neunzehn Jahre alt sein und trug ein schmutziges Haushaltskleid. Sein zerzauster Blondschopf war liederlich zu einem Zopf gebunden.

»Geh ins Haus, Ada!«, hörte Lassiter Cotters Frau sagen. »Geh und lass dich nicht wieder blicken!«

Die Mündung des gegnerischen Gewehrs näherte sich Lassiter um einen weiteren Zollbreit. Cotter legte den Kopf schief und deutete mit dem Kinn auf das Pferd. »Steigen Sie auf und verschwinden Sie, Mister! Vor meiner Tochter will ich kein Blutbad anrichten.«

Das Mädchen vor dem Haus versteinerte und blickte Lassiter an. Als es sich eine Weile später noch immer nicht rührte, trieb es Cotters Frau mit einem Fluch über die Schwelle. »Mach, dass du davon kommst, Trotzkopf!«

Cotter visierte Lassiter über Kimme und Korn an. »Für Sie gilt das Gleiche, Mister!«

***

Das rhythmische Stöhnen aus dem Zimmer No. 9 schnitt sich Charles Barahoes so tief ins Herz, dass sich der Hausverwalter einen Schemel heranziehen und sich setzen musste. Er harrte seit vier Stunden vor der schmalen Holztür im Obergeschoss des Mercy Shelter aus, doch Richard Blackwell schien mit seiner Tortur noch nicht am Ende zu sein. Der Geschäftsmann aus Wichita vergnügte sich für gewöhnlich höchstens die halbe Nacht mit den Mädchen, die dem vierzig Jahre älteren Mann einmal mehr, einmal weniger zu Willen waren.

»Halt still!«, tönte es im Flüsterton durch die Tür, gefolgt von einem keuchenden Ächzen. »Ich hab’ noch nicht genug, Jennie, hörst du?«

Von Jennie Cotter war nur ein erschöpftes Wimmern zu vernehmen, aus dem Barahoes schloss, dass sie dem ganzen Geschehen längst überdrüssig war. Er wusste aus Erfahrung, dass die Mädchen Blackwells Forderungen erfüllten, obwohl sie manche seiner Gelüste mit Ekel und Abscheu erfüllten. Eines der Mädchen hatte Barahoes erzählt, dass Blackwell manchmal die Peitsche mitnahm und sie für irgendeine erfundene Unartigkeit bestrafte.

Dabei hatte eher Blackwell die Tracht Prügel verdient.

Für eine puritanisch erzogene Seele wie Barahoes war es ein Rätsel, wie es einem verheirateten Mann einfallen konnte, sich an zwar volljährigen, aber dennoch blutjungen Mädchen zu vergreifen. Die Ehe von Richard Blackwell verlief – so hörte man allerorten in Wichita – zum gegenseitigen Vorteil aller Beteiligten, vor allem, wenn man in Betracht zog, dass Blackwells Gattin Edna zu den angesehensten Persönlichkeiten der Rinderstadt gehörte. Sie hatte sich um den Ruf der Familie in Wichita derart verdient gemacht, dass der Name Blackwell selbst über die Grenzen des Countys hinaus bekannt war.

Durch die Tür drang ein gedämpftes Rumoren, dem ein kurzer Wortwechsel folgte. Blackwell nahm Abschied von seiner Geliebten und schloss die Kammer wieder auf. »Charlie!«, rief der Geschäftsmann erstaunt aus und verzog das Gesicht. »Hast du gelauscht?«

Pflichtschuldig schüttelte Barahoes den Kopf und verbarg die Tücher hinter dem Rücken. Er deutete mit einer linkischen Geste zur Treppe. »Sir, ich war gerade auf dem Weg in die Küche. Wollte Tee aufsetzen. Die Mädchen frösteln in diesen kalten Nächten.«

Hinter Blackwell erschien Jennie Cotter und stützte sich erschöpft an der Tür ab. Sie war so abgekämpft und kraftlos, wie es Barahoes von den Mädchen gewohnt war, die mit Blackwell die Nacht verbracht hatten. »Tee, Charlie? Ich könnte eine Tasse vertragen.«

»Gib ihr lieber ’nen Bourbon!«, knurrte Blackwell und feixte. Er knöpfte sich die Hose zu. »Sie hat sich gut geschlagen diese Nacht. Keine von den anderen ist bei der Sache wie du.« Er richtete sich an Barahoes. »Ist die Droschke schon angespannt?«

»Sie steht im Hof bereit«, sagte der Hausverwalter und nickte. »Soll ich Sie nach Wichita fahren, Sir?«

»Kümmere dich um die Kleine!«, erwiderte Blackwell und zog sich den Gehrock über die Schultern. Er schnallte sich Holster und Colt um und stieg die Treppe hinunter. »Sie hatte keine leichte Nacht mit mir.«

Sowie die Schritte des Geschäftsmannes auf der Treppe verklungen waren, begab sich Barahoes zu Jennie und blickte das Mädchen besorgt an. Er kannte die blauen Flecken und Schnitte, die Blackwells Quälereien zumeist hinterließen, und hielt einen Bottich mit Heilsalbe und saubere Tücher bereit.

»Dreckskerl«, flüsterte Jennie und drehte Barahoes den Rücken zu. Sie hatte einen Peitschenhieb quer über beide Schultern bekommen. »Wenigstens hat er die anderen Mädchen in Frieden gelassen.«

»Du armes Ding!«, stieß Barahoes angesichts der blutig aufgerissenen Haut hervor. Er wusch die Wunde mit kühlem Wasser aus und betupfte sie mit der Kräutersalbe. »Hat er mit dir über Crain gesprochen?«

»Kein einziges Wort«, gab Jennie zur Antwort. Sie biss vor Schmerz die Zähne zusammen. »Er meinte bloß zu mir, ich solle mir keine Sorgen machen. Es wird mir niemand Fragen stellen.«

»Crains Tod war in allen Wochenschriften«, sagte Barahoes und half dem Mädchen beim Ankleiden. »Es würde mich wundern, wenn niemand aus Washington vorbeikäme und Fragen stellen würde. Du bist Blackwell in dieser Sache ganz und gar ausgeliefert.«

Das Mädchen fuhr herum und funkelte Barahoes zornig an. »Von jetzt an nicht mehr, Charlie! Ich werde nicht abwarten und darauf hoffen, dass Blackwell die Hand über mich hält.« Eine kurze Stille trat ein. »Du musst mir helfen! Ich muss aus dem Mercy Shelter heraus!«

Einige Sekunden lang konnte Barahoes nicht anders, als das Mädchen entgeistert anzustarren. Er hatte einige Fluchten aus den Wohlfahrtshäusern von Richard Blackwell erlebt, doch keine einzige war glücklich ausgegangen. Die meisten Ausreißer gerieten binnen Tagen in die Fänge von Blackwells Häschern und musste schlimme Strafen erdulden.

»Charlie, was ist?«

Jennie stieß Barahoes an und umfasste mit flehender Miene seine rechte Hand. Der Hausverwalter sank auf die Knie und schraubte den Deckel auf das Salbenglas.

»Hilfst du mir, oder nicht?«

Mit einem Mal war Barahoes die Zunge so lahm, als hätte sie jemand mit flüssigem Blei übergossen. »Dir helfen, Kind? Wie stellst du dir das vor?«

»Nur den Schlüssel brauche ich!«, bedrängte ihn Jennie und drückte abermals seine Hand. »Lass mich in der nächsten Nacht aus dem Haus und scher dich nicht um mich! Ich weiß schon, wohin ich gehen kann.«

Tiefe Bekümmerung befiel Barahoes und beraubte ihn jeder Kraft zum Sprechen. Er blickte zu Jennie auf und rang plötzlich mit den Tränen. »Nicht du, Jennie! Er wird dir viel Schlimmeres antun, sobald er dich wieder in die Finger bekommt! Du darfst dich nicht in Gefahr bringen.«

Enttäuscht löste Jennie das Haarband aus ihren Locken und setzte sich mit angewinkelten Beinen auf die Dielen. Sie fror allem Anschein nach nicht, obwohl kühle Nachtluft von der Treppe heraufwehte. Nachdem sie einige Zeit geschwiegen hatte, berührte sie Barahoes am Arm. »In fünf Tagen ist das Rodeo, Charlie. Ich muss meine Schwester finden, ehe ihr das Gleiche zustößt wie mir.«

»Blackwell wird dich jagen lassen«, meinte Barahoes niedergeschlagen. Er drehte den Kopf zu Jennie und riss die Augen auf. »Er wird fünf Kerle losschicken, die dich irgendwo in den Plains abknallen wie einen tollwütigen Hund.«

»Soll Ada das Gleiche geschehen wie mir?«, hielt Jennie entschlossen gegen. Sie klammerte sich noch fester an Barahoes’ Arm. »Du siehst jeden Tag, zu welchen Tage Blackwell fähig ist. Ich will ihm das Handwerk legen.« Sie gab Barahoes einen Kuss auf die Wange. »Hilfst du mir, Charlie?«

Der Hausverwalter richtete sich auf und schlug die Heilsalbe in die noch trockenen Tücher. Das benutzte Stofftuch faltete er zusammen und schob es in die Hosentasche. Er atmete tief durch und schüttelte verzweifelt den Kopf. »Möchtest du nur den Schlüssel? Oder soll ich dir ein Pferd besorgen?«

Sie lauschten für einige Zeit der Stille im Haus, die nur vom heulenden Wind im Schornstein gestört wurde. Jennie schmiegte sich an Barahoes und seufzte leise.

Eine andere Antwort brauchte er nicht.

***

Das Mädchen von der Cotter-Ranch musste ihm die ganze Strecke hinauf in die Plains gefolgt sein. Es trug nichts bei sich als einem Bündel mit Proviant und stand mit verlegenem Blick am Wegrand. Das blonde Haar lag ihr in Locken über den Schultern und war von der Sonne so verblichen, dass es beinahe gläsern schimmerte. Unter dem Saum ihres schmutzigen Kleides schimmerten nackte Füße hervor.

»Hey, Mister!«, rief die Blondine schon aus der Ferne. Sie hob den Arm und winkte. »Nehmen Sie mich mit in die Stadt?«

Misstrauisch nahm Lassiter die Zügel an und ritt auf das Mädchen zu. Als er auf ein halbes Yard heran war, sah er, dass es sich wahrhaftig um Cotters Tochter handelte.

»Wie kommst du hierher?«, fragte der Mann der Brigade Sieben und schaute sich um. »Wo ist dein Vater?«

»Noch immer auf der Ranch«, gab die Blondine zur Antwort. Sie ging auf Lassiter zu und deutete mit dem Arm in Richtung der Cotter-Ranch. »Er schickte mich zum Beten in die Kammer, nachdem er Sie vom Hof gejagt hatte.«

»Wie heißt du?«, fragte Lassiter und sattelte ab. Er schnallte die Flasche vom Sattel und gab sie dem Nächsten. »Ich bin Lassiter, komme aus Wichita.«

»Ada«, stellte sich das Mädchen vor und trank einen Schluck. »Ada Cotter ist mein Name.«

Der Mann der Brigade Sieben betrachtete das Mädchen von der Seite und stellte fest, dass Ada weitaus fraulicher war, als es das weit fallende Kleid vermuten ließ. Unter dem staubigen Stoff zeichneten sich zwei feste Brüste ab. »Was willst du in der Stadt? Mr. Cotter wird dich vermissen.«

»Sie werden vor dem Abend nichts bemerken«, entgegnete Ada und winkte ab. Sie bewegte sich mit wiegenden Hüften auf Lassiter zu. »Außerdem möchte ich auch mein Vergnügen mit Männern haben.«

Die Blicke des großen Mannes und des jüngeren Mädchens kreuzten sich und verschmolzen für einen Augenblick miteinander. Jähe Begierde zuckte in Lassiters Lenden und flutete seine Leisten mit wohliger Wärme. »Ich habe ein Zimmer im Occidental. Du kannst die Nacht bei mir verbringen, wenn du möchtest.«

Die wasserblauen Augen der Blondine strahlten vor Glück. »Sie … haben doch gewiss genug Frauen? Was reizt Sie an einem jungen Ding wie mir?«

Statt einer Erwiderung zog Lassiter Ada an sich und küsste sie innig. Er legte eine Hand um ihre Hüfte und spürte sogleich, dass auch die Rancherstochter ihn mit beiden Armen umschlang. Als sie zu ihm aufsah, hatte sie Tränen in den Augen. »Lassen … Sie mich nicht zurück, Mr. Lassiter! Ich brauche ihre Hilfe … Sie sind wegen meiner Schwester Jennie in Wichita, nicht?«

Verblüfft machte sich Lassiter von Ada los und blickte die Rancherstochter an. Er wischte ihr eine Träne von der Wange und sprach leise und aufrichtig. »Du bist wegen deiner Schwester geflohen, ja? Du hast gehört, was man ihr vorwirft.«

Aus Adas runden Augen quollen erneut Tränen. Sie krampfte die Hände in den Stoff ihres Kleides und blickte Lassiter flehentlich an. »Sie hat ein solches Verbrechen nicht begangen. Ich kenne Jennie besser als meine eigene Mutter.« Sie schluchzte. »Sie würde nie einem Menschen ein Leid antun.«

»Ich bin kein Kopfgeldjäger«, versicherte Lassiter und schloss Ada wieder in die Arme. »Meine Auftraggeber verlangen lediglich, dass ich den Tod von Dan Crain untersuche. Er ist in den Armen deiner Schwester gestorben.«

Die Rancherstochter hielt sich am Sattel von Lassiters Pferd fest und weinte unablässig weiter. Sie schaute den Mann der Brigade Sieben mit tränenumflortem Blick und schüttelte traurig den Kopf. »Sie wissen nichts von den Wohlfahrtsheimen in Wichita? Sie wissen nicht, wie viele Mädchen von Richard Blackwell darin gefangen gehalten werden.«

»Blackwell?«, wiederholte Lassiter. »Der Eigentümer der Blackwell & Son Bank?«

»Er verdankt der Bank sein Vermögen«, schluchzte Ada und wischte sich mit dem Ärmel ihres Kleids die Augen trocken. »Blackwell ist der wohlhabendste Mann in der Gegend. Die meisten Rinderzüchter stehen bei ihm in der Kreide. Er laugt die Männer aus, bis sie ihm ihren letzten Besitz überschreiben müssen.« Sie presste die Lippen zusammen. »Manche können nicht einmal mehr ihre eigenen Kinder versorgen.«

Stück um Stück begriff Lassiter, worauf Ada mit ihren Worten hinauswollte. »Sprichst du von deiner Schwester? Ist es Jennie so ergangen?«

Mit einem stummen Nicken gab Ada ihm recht. »Sie musste vor fünf Jahren gehen. Ich habe nichts davon mitbekommen. Sie war eines Tages verschwunden. Meine Mutter sagte zu mir, dass sie nicht wiederkommen werde.« Sie hob den Kopf und biss sich auf die zitternde Unterlippe. »Sie war einfach verschwunden, Lassiter, einfach fort …«

Das Pferd prustete durch die Nüstern und senkte das Haupt über ein Grasbüschel. Der große Mann nahm Ada in die Arme und wiegte sie so lange, bis ihr Schluchzen nachließ und zum Schluss gänzlich verebbte. »Was weißt du über die Wohlfahrtshäuser? Kannst du mich zu deiner Schwester bringen?«

»Zu Jennie?« Ada hob den Kopf und riss die Augen auf. »Falls sie noch im gleichen Heim wie vor ein paar Jahren ist, bringe ich Sie zu ihr. Die Leute in den Heimen sehen Besuch nicht gern.«

»Wie viele Heime gehören Blackwell?«, fragte Lassiter und griff nach den Zügeln des Pferdes. »Arbeiten die Mädchen für ihn?«

Adas Wangen wurden feuerrot. »Ob sie …? Nun, es gibt Gerüchte … Einige der Mädchen verkaufen sich für ein paar Dollars. Sie bekommen nichts von Blackwell.«

»Deine Schwester auch?«

»Sie würde sich in Grund und Boden schämen«, meinte Ada und wurde leiser. »Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Sie würde sich bestimmt nicht scheuen.«

»Komm!«, sagte Lassiter zu dem Mädchen und nahm das Pferd bei den Zügeln. »Wir reiten in die Stadt. Du brauchst ein anständiges Abendessen.«

Wieder zeigte sich Schamesröte auf Adas Wangen. Sie ergriff Lassiters Hand und schwang sich mit seiner Hilfe in den Sattel. »Wirst du Jennie nichts tun? Versprichst du’s? Der Senator war kein guter Kerl, wenn er sich in solchen Häusern herumdrückt.«

Der Mann der Brigade Sieben stieg hinter Ada in den Sattel, legte ihr einen Arm um die Hüfte und nahm mit der anderen Hand die Zügel. Er schnalzte mit der Zunge und dirigierte das Pferd die Böschung hinauf.

»Sie hat nichts zu befürchten«, gab Lassiter sein Wort. Er richtete den Blick auf die endlosen Plains. »Aber ich muss herausfinden, was Crain zugestoßen ist. Je früher ich die Wahrheit kenne, desto besser für deine Schwester.«

Die blonde Rancherstochter legte sich ganz in seinen Arm und schloss die Augen. Sie zitterte nach wie vor am ganzen Körper, doch die Anspannung wich mit jeder Meile, die sie sich von der Ranch entfernten.

Nach einer Stunde kamen die ersten Bauten von Wichita in Sicht. Die Stadt glühte in der Abenddämmerung wie flüssiger Stahl.

Ada war längst eingeschlafen.

***

Die Gattin von Richard Blackwell stand unter dem Vordach der Blackwell & Son Bank und schritt ungeduldig umher. Sie trug – wie es Blackwell von ihr gewohnt war – eines ihrer eleganten Kleider und hatte sich das aschblonde Haar zu einem Dutt aufgesteckt. Mit ihren zweiundvierzig Jahren sah sie hinreißender als manches Mädchen in den Wohlfahrtsheimen aus.

»Wo bist du gewesen?«, schleuderte Edna Blackwell ihrem Mann entgegen, kaum dass dieser aus dem Sattel gestiegen war. Sie trat auf ihn zu und schlug ihm mit der Faust vor die Brust. »Hast du dich wieder bei deinen Backfischen herumgetrieben?«

Solange sich Blackwell entsinnen konnte, hatte seine Frau für die Mädchen in den Heimen nie eine andere Bezeichnung gebraucht. Sie sah die Bewohnerinnen des Mercy Shelter, des Riverside Cottage und des Garden of Eve als unreife Geschöpfe, die sich Blackwells Reichtum zunutze machten und es ihm mit den Wonnen ihrer jungen Körper vergalten.

»Höchstens ein paar Stunden«, gab Blackwell gleichgültig zurück. Er schlug dem Pferd die Zügel über die Ohren und knotete sie am Pfosten des Vordachs fest. »Ich habe nach dem Rechten gesehen.«

»Nach dem Rechten!«, echauffierte sich Edna. Sie war den Tränen nahe. »Als ob du bei diesen jungen Dingern nach dem Rechten siehst! Du hast dir eine von ihnen geschnappt und dich mit ihr vergnügt!« Sie hob stolz den Kopf. »Gib es wenigstens zu, Richard!«

Seit dem Tag ihrer Vermählung hatte ihn Edna selten dafür gescholten, dass er eine Schwäche für jüngere Frauen hegte. Sie hatte verstanden, dass ein Mann zwischen den Regungen seines Herzens und denen seiner Lenden zu unterscheiden wusste. Zu manchen Zeiten hatten sie Blackwell sogar zu der einen oder anderen Schandtat ermuntert, freilich nicht ohne ihn an sein Traugelübde zu erinnern, in dem er sich zur Treue bis in den Tod verpflichtet hatte.

»Es gibt nichts zu gestehen, Edna«, sagte Blackwell in gleichgültigem Ton. »Ich habe das Mercy Shelter besucht und mit Charles Barahoes gesprochen.«

Gekränkt wandte sich Edna ab und lief einige Schritte unter dem Vordach. Sie blieb vor dem Schaufenster der Blackwell & Son Bank stehen, dessen Auslage aus Wertpapieren, einer ausrangierten Morsemaschine und Telegrammstreifen bestand. »Barahoes hätte dich bestimmt nicht die ganze Nacht in Beschlag genommen. Ach, halte mich doch nicht zum Narren, Richard … Es ist keine Überraschung für mich, dass du dich mit den Mädchen vergnügst.«

»Trotzdem sprichst du mich jedes Mal aufs Neue darauf an«, bemerkte Blackwell und ging seiner Frau hinterher. Er blieb dicht hinter ihr stehen und berührte sie sanft an der Schulter. »In der Tiefe deines Herzens weißt du, dass ich nur dich liebe.«

Ein stummer Weinkrampf erschütterte Ednas Körper. Sie drehte sich halb zu Blackwell um und wischte sich die Tränen von der Nase. »Nun spottest du auch noch über mich. Ich … weiß nicht, was ich von dir noch denken soll.«

Auf der Mainstreet erschien ein einzelner Hund, der mit wedelndem Schwanz näherkam und sich wieder trollte. Blackwell nahm seine Frau in die Arme und hielt sie tröstend fest. »Musstest du je auf etwas verzichten? Ich habe uns das größte und schönste Haus gekauft, das man in Wichita auftreiben kann.«

»Meinst du, dass es mir darum geht?«, zischte Edna und wich einem Schritt vor ihm zurück. Ihr Gesicht war gramverzerrt. »Ich wollte nur einen Ehemann, der sich auf seine Frau freut. Keinen Schürzenjäger ohne Verstand! Die Stadt macht sich bereits lustig über uns.«

Blackwell deutete zu dem Schild über ihren Köpfen hinauf. »Die Blackwell & Son Bank ist das mächtigste Geldhaus in ganz Kansas. Ganz Wichita ist in meiner Hand. Ich lasse nicht zu, dass jemand über dich oder mich Scherze reißt.«

»Als ob du es in der Hand hättest!«, schnappte Edna und suchte nach dem Schlüsselbund unter ihren Rockschößen. Sie schloss die Tür zum Bankhaus auf und stürmte hinein. Einen Augenblick darauf vernahm Blackwell erneut das Schluchzen seiner Frau.

»Edna!«, seufzte der Geschäftsmann und betrat ebenfalls das Gebäude. Seine Frau saß auf einer der Bänke im Schalterraum und vergrub das Gesicht in den Händen. »Wie lange willst du dich noch quälen?«

Von Edna war nur ein leises Wimmern zu hören. »Veranstaltest du wieder dieses scheußliche Rodeo? Wie im letzten Jahr?«

Blackwell hatte befürchtet, dass seine Frau auf dieses Thema zu sprechen kommen würde. Er hatte wenige Geheimnisse vor Edna, doch eines davon war sein alljährliches Wichita Charity Rodeo.

»Sag es mir schon«, flüsterte Edna niedergeschlagen. »Ich kann es vertragen.«

»Gerade könnte dich ein Windhauch umstoßen«, widersprach Blackwell und betrachtete die geschlossenen Schalter seines Bankhauses. Er musste daran denken, dass im nächsten Monat die neuen Bleiglasscheiben kamen. »Ich verstehe in der Tat nicht, weshalb du mir diese Frage stellst. Du müsstest wissen, dass ich dir darauf keine Antwort gebe.«

Die schmale Gestalt auf der Polsterbank sackte noch weiter in sich zusammen. Es schmerzte Blackwell, seine Frau in dieser Verfassung zu sehen, aber er wusste, dass Edna an vielem selbst Schuld trug.

»Wie kannst du nur so mit mir reden!«, hauchte Edna schmerzerfüllt. Sie riss den Kopf in die Höhe. »Ich gab dir mein Jawort, weil ich dich liebte, Richard.«

Mit langsamen Schritten ging Blackwell auf seine Frau zu und ging in die Hocke. Er griff nach ihren Händen und hielt sie einen Augenblick lang fest. »Ich liebe dich ebenso, Edna. Aber du musst Vertrauen zu mir haben. Du musst Vertrauen in meinen Instinkt haben.«

Das Halbdunkel des Schalterraums verwandelte die Augen beider Eheleute in schwarze Höhlen, in denen lediglich das Weiß glänzte. Nach einiger Zeit rannen Tränen über Ednas Wange. Sie kehrte den Blick ab und nickte verständig. »Du weißt doch, wie schwach ich bin. Ich konnte es nie ertragen, dass du Geheimnisse hast.« Sie presste die Lippen zusammen. »Ich wollte stets eine Ehefrau sein, die alles von ihrem Mann kennt.«

Sie bot ihm die Lippen zu einem Kuss, und Blackwell nahm die Einladung an. Er schloss die Augen und schmeckte für Sekunden jene Pfirsichsüße, die er genossen hatte, als er Edna vor zwanzig Jahren kennenlernte. Er zog seine Frau an sich und streichelte sie im Nacken. »Du bist die treueste Ehefrau, die man sich vorstellen kann. Ich werde dich nie im Stich lassen.«

»Wirklich nicht?«

Blackwell schüttelte den Kopf und sann zugleich darüber nach, wie er Edna für die nächsten Wochen ruhigstellte. Er konnte beim Rodeo keinen Ärger gebrauchen. Eine misstrauische Gattin auf der Tribüne würde ihm und den Reitern die Laune verderben.

Möglicherweise musste er Edna doch erledigen lassen.

»Wirklich nicht«, flüsterte Blackwell und umarmte seine Frau.

***

Glitzernde Schweißperlen rollten über die nackte Haut von Ada Cotter, als sich Lassiter mit sanften Küssen von ihrem Nabel zu ihren Brüsten hinaufwagte. Die achtzehnjährige Rancherstochter zitterte und vergrub eine Hand im blonden Haar des großen Mannes. Sie stöhnte leise und wand sich voller Erregung auf dem Laken. »Mach weiter … o Lassiter, wie schön es mit dir ist!«

Durch das Fenster des Zimmers im Occidental Hotel fiel das Mondlicht und zeichnete einen leuchtenden Keil vom Bett bis zu den abgeworfenen Kleidern des Paares. Sie hatten sich in aller Stille hinauf ins Zimmer geschlichen und den eingenickten Portier nicht geweckt.

»Soll ich mich umdrehen?«, fragte Ada heißblütig und drückte den Rücken durch. Sie verrieb sich den Schweiß auf den straffen Brüsten. »Ich hätte gern, dass du mich von hinten nimmst.« Sie zog Lassiters Kopf an sich heran. »Wie bei den schlechten Mädchen, weißt du?«

Der Mann der Brigade Sieben hatte nicht darüber nachgedacht, ob er ein gutes und schlechtes Mädchen mit aufs Zimmer genommen hatte. Ada mochte jung sein, doch sie hatte das hitzige Blut einer Frau, die sich ihrer Sache sicher war. »Ganz wie du willst, Ada. Es ist deine Nacht.«

Ohne ein weiteres Wort rollte sich Ada auf den Bauch und reckte Lassiter ihren prallen Hintern entgegen. Sie hatte alabasterweiße Haut und trug noch ihre dünnen Seidenstrümpfe. »Nimm mich, Lassiter, und schone mich nicht … Ich war zu lange auf der Ranch eingesperrt.«