Lassiter Sammelband 1808 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1808 E-Book

Jack Slade

0,0
4,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2305, 2306 und 2307.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

2305: Bloody Mary
South Carolina, zweites Bürgerkriegsjahr: Drei Schwadronen des ersten US-Kavallerie-Regiments galoppierten in ein Kaff am Broad River hinein. Die Häuser lagen hingestreut zwischen Äckern und Koppeln wie Pferdeäpfel zwischen Gräbern. Keine Menschenseele war auf der Mainstreet. Die Gegend galt als Partisanenhochburg, und Billy hatte von Anfang an kein gutes Gefühl. Colonel Trump ritt zwischen den beiden Captains an der Kolonnenspitze, die schon beinahe das Ende der Hauptstraße erreicht hatte. "Will mir nicht in den Schädel, wieso Trump mit gleich drei Schwadronen in dieses gottverlassene Nest einreiten muss", sagte Dave, kurz bevor die ersten Schüsse fielen. Er und Billy hatten mit vierundzwanzig Mann die Nachhut übernommen; sie ließen gerade die ersten Gehöfte von St. Morris hinter sich. Ja, St. Morris - so hieß das Kaff. Billy sollte den Namen nie wieder vergessen.

2306: Blondes Gift
Lassiter blinzelte und versuchte den Kopf zu heben. Sein Schädel fühlte sich an, als wäre eine Büffelherde darüber hinweggegangen. Vage spürte er den Remington in seiner kraftlosen Rechten und registrierte, dass das Metall unter seinen Fingern sich warm anfühlte, als hätte er die Waffe erst vor kurzem benutzt. Er sah sich um, und die Welt erschien ihm unscharf und verlangsamt, als würde er träumen.
Er hörte Stimmen und versuchte sich aufzurichten, doch sein Körper schien tonnenschwer zu sein. Eine Gestalt beugte sich zu ihm herab, und es dauerte Sekunden, bis er ein kantiges Gesicht wahrnahm. Die Züge seines Gegenübers wurden langsam schärfer, und Lassiter sah den Sheriffstern auf der Brust des Mannes, der sich über ihn beugte. Dann hörte er die Stimme des Sternträgers: "Lassiter, ich verhafte Sie wegen Mordes an Monroe Drake."

2307: Lassiter und die wilde Russin
Das klickende Geräusch kam von links. Aufdringlich laut hallte es über das weite Land. Lassiter wandte sich zur Seite. Im selben Moment zischte es und etwas streifte seinen Hals.
Reaktionsschnell ließ er sich fallen. Bevor er im kniehohen Gras landete, sah er noch das balzende Präriehuhn, das seine Luftsprünge machte und dazu Grunz- und Klicklaute ausstieß. Noch während er sich abrollte, zog der große Mann den Remington. Der nächste Pfeil sirrte dorthin, wo er eben noch gelegen hatte.
Lassiter tat, was sein heimtückischer Gegner am wenigsten erwartete: Er schnellte hoch und wirbelte herum. Der Indianer stand nur zehn Yards entfernt am Waldrand. Er war so riesig, dass Lassiter sich klein dagegen vorkam. Und der Revolver in seiner Rechten schien den Hünen überhaupt nicht zu interessieren.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 423

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: Boada/Norma ISBN 978-3-7325-9143-5

Jack Slade

Lassiter Sammelband 1808 - Western

Inhalt

Jack SladeLassiter - Folge 2305South Carolina, zweites Bürgerkriegsjahr: Drei Schwadronen des ersten US-Kavallerie-Regiments galoppierten in ein Kaff am Broad River hinein. Die Häuser lagen hingestreut zwischen Äckern und Koppeln wie Pferdeäpfel zwischen Gräbern. Keine Menschenseele war auf der Mainstreet. Die Gegend galt als Partisanenhochburg, und Billy hatte von Anfang an kein gutes Gefühl. Colonel Trump ritt zwischen den beiden Captains an der Kolonnenspitze, die schon beinahe das Ende der Hauptstraße erreicht hatte. "Will mir nicht in den Schädel, wieso Trump mit gleich drei Schwadronen in dieses gottverlassene Nest einreiten muss", sagte Dave, kurz bevor die ersten Schüsse fielen. Er und Billy hatten mit vierundzwanzig Mann die Nachhut übernommen; sie ließen gerade die ersten Gehöfte von St. Morris hinter sich. Ja, St. Morris - so hieß das Kaff. Billy sollte den Namen nie wieder vergessen.Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2306Lassiter blinzelte und versuchte den Kopf zu heben. Sein Schädel fühlte sich an, als wäre eine Büffelherde darüber hinweggegangen. Vage spürte er den Remington in seiner kraftlosen Rechten und registrierte, dass das Metall unter seinen Fingern sich warm anfühlte, als hätte er die Waffe erst vor kurzem benutzt. Er sah sich um, und die Welt erschien ihm unscharf und verlangsamt, als würde er träumen. Er hörte Stimmen und versuchte sich aufzurichten, doch sein Körper schien tonnenschwer zu sein. Eine Gestalt beugte sich zu ihm herab, und es dauerte Sekunden, bis er ein kantiges Gesicht wahrnahm. Die Züge seines Gegenübers wurden langsam schärfer, und Lassiter sah den Sheriffstern auf der Brust des Mannes, der sich über ihn beugte. Dann hörte er die Stimme des Sternträgers: "Lassiter, ich verhafte Sie wegen Mordes an Monroe Drake."Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2307Das klickende Geräusch kam von links. Aufdringlich laut hallte es über das weite Land. Lassiter wandte sich zur Seite. Im selben Moment zischte es und etwas streifte seinen Hals. Reaktionsschnell ließ er sich fallen. Bevor er im kniehohen Gras landete, sah er noch das balzende Präriehuhn, das seine Luftsprünge machte und dazu Grunz- und Klicklaute ausstieß. Noch während er sich abrollte, zog der große Mann den Remington. Der nächste Pfeil sirrte dorthin, wo er eben noch gelegen hatte. Lassiter tat, was sein heimtückischer Gegner am wenigsten erwartete: Er schnellte hoch und wirbelte herum. Der Indianer stand nur zehn Yards entfernt am Waldrand. Er war so riesig, dass Lassiter sich klein dagegen vorkam. Und der Revolver in seiner Rechten schien den Hünen überhaupt nicht zu interessieren.Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Bloody Mary

Vorschau

Bloody Mary

South Carolina, zweites Bürgerkriegsjahr: Drei Schwadronen des ersten US-Kavallerie-Regiments galoppierten in ein Kaff am Broad River hinein. Die Häuser lagen hingestreut zwischen Äckern und Koppeln wie Pferdeäpfel zwischen Gräbern. Keine Menschenseele war auf der Mainstreet. Die Gegend galt als Partisanenhochburg, und Billy hatte von Anfang an kein gutes Gefühl. Colonel Trump ritt zwischen den beiden Captains an der Kolonnenspitze, die schon beinahe das Ende der Hauptstraße erreicht hatte. »Will mir nicht in den Schädel, wieso Trump mit gleich drei Schwadronen in dieses gottverlassene Nest einreiten muss«, sagte Dave, kurz bevor die ersten Schüsse fielen. Er und Billy hatten mit vierundzwanzig Mann die Nachhut übernommen; sie ließen gerade die ersten Gehöfte von St. Morris hinter sich. Ja, St. Morris – so hieß das Kaff. Billy sollte den Namen nie wieder vergessen.

»Trump treibt so manches, was mir nicht in den Kopf will«, antwortete Billy und spuckte seinen Kautabak aus. Daran erinnerte er sich später genau: an seine Antwort und wie das braune Zeug gegen einen Torpfosten klatschte.

Auch daran, dass Colonel Trump an der Spitze der dritten Schwadron sich plötzlich umdrehte, erinnerte er sich bis zum Schluss. Und wie der Colonel die Männer mit ein paar Gesten nach rechts und links zu den Häusern und Stallungen schickte.

Und wie Trump selbst weiterritt und seinem Pferd sogar noch die Sporen gab.

Die Captains machten es wie der Colonel und hielten sich dicht an seiner Seite. Lieutenant Kirkpatrick und Sergeant Gull schlossen zu ihnen auf, statt an der Spitze ihrer Männer die Häuser nach Partisanen zu durchkämmen.

Billy kam nicht mehr dazu, irgendwelche Schlüsse aus dem Verhalten der Offiziere zu ziehen, denn plötzlich sah er Mündungsfeuer an mindestens fünf Fenstern gleichzeitig. Von allen Seiten heulten plötzlich Gewehrkugeln heran, auch von hinten. Die Luft dröhnte vom Schusslärm, und reihenweise kippten die Männer aus den Sätteln.

»Ein Hinterhalt!«, schrie Dave.

Billy zögerte nur einen Wimpernschlag lang: Als er merkte, dass Reiter den Rücken seiner Nachhut angriffen, wies er sofort auf die Koppel links der Mainstreet. »Rückzug!«

Kugeln pfiffen und heulten ihm dicht an der Hutkrempe vorbei, ein Wagen und ein paar Stapel Bauholz auf der Koppel verhießen etwas Deckung, und der Wald begann nur hundert Fuß hinter dem Außenzaun. Billy duckte sich tief über den Rücken seines Apfelschimmels und zischte ihm ins Ohr. Der Hengst sprang über den Koppelzaun.

Nicht allen gelang der Sprung – hinter sich hörte Billy, wie sich das Splittern berstenden Holzes in den Schusslärm mischte. Körper schlugen dumpf auf dem Boden auf, Männer schrien, Pferde wieherten in Panik, irgendwo brüllte jemand Befehle. Etwas Heißes streifte Billys rechtes Ohr, und sein Hut flog weiß der Teufel wohin.

Sie ließen sich aus den Sätteln fallen, gingen hinter dem Wagen in Deckung. Billy befahl den Männern seiner Nachhut die Flucht über den hinteren Koppelzaun und in den Wald. Er selbst, Dave und zwei Rekruten gaben ihnen Feuerschutz. Bis auf zwei schafften es alle in den Wald.

Gewehrschützen rückten ihnen auf den Leib, mindestens sechs. Billy erkannte Kerle in braunen Armeejacken der Konföderierten und in weißen Pelzmänteln, er sah schwarze Biberpelzmützen, Hutfedern und bunte Kopftücher hinter Gewehrläufen.

Nein, das war keine reguläre Truppe der Südstaatenarmee, das war kein Hinterhalt von General Lee, dem alten Fuchs: Verdammtes Partisanenpack heizte ihnen hier ein! Und die Höllenhunde veranstalteten ein derart mörderisches Feuerwerk, dass es selbst ihm, dem abgebrühtesten Sergeant im ganzen Regiment, dass es selbst Billy Carpenter angst und bange wurde.

Es heulte, donnerte, krachte und pfiff. Überall Pulverdampfschwaden, überall Mündungsfeuer, überall Geschrei. Und jetzt fing auch noch ein Maschinengewehr zu bellen an.

Jedes Mal, wenn Billy nachlud, riskierte er einen Blick in die Nachbarschaft und auf die Mainstreet. Hier wehrten sich immer weniger Blauröcke ihrer Haut, und dort galoppierten immer mehr reiterlose Armeepferde in beide Richtungen aus der Stadt.

War kein Spaß damals, der Himmel war Billys Zeuge, und am meisten erbitterte ihn, dass die Offiziere sich aus dem Staub gemacht hatten. Rechts von ihm fing ein junger Rekrut sich eine Kugel, links atmete Dave zu viel Pulverdampf ein und hustete wie ein Greis mit Schwindsucht. Nein, ein Spaß war das wirklich nicht.

Hinter der Deckung eines Ochsenkarrens näherten sich ein paar Partisanen der Koppel; auf der Ladefläche stand ein Maschinengewehr. »Wenn das verdammte Ding anfängt, Blei zu spucken, sind wir erledigt«, keuchte Dave. Billy antwortete lieber nichts.

Zum Glück behielt einer der Corporals im Wald kühlen Kopf und prügelte eine Schützenreihe zurück an den Waldrand und zwischen die Bäume. Bald heulten auch von hinten Kugeln vorbei. »Wir kriegen Feuerschutz!«, zischte Billy. »Nichts wie weg hier!«

Sie robbten zum Außenzaun der Koppel und unter ihm hindurch. Die Kugeln ihrer Männer heulten über sie hinweg, die Kugeln des Partisanenpacks pflügten rechts und links von ihnen die Erde auf. Und dann spuckte das Maschinengewehr Hölle und Tod.

Dem zweiten Rekruten schlug ein Geschoss gleich nach dem Zaun in den Schädel ein, und Dave fing sich eine tödliche Dosis Blei, als sie schon den Waldrand erreicht hatten. Billy fluchte, packte seinen alten Freund und zerrte ihn zwischen die Büsche.

»Du machst jetzt nicht schlapp, Corporal Higgins.« Er hielt den stöhnenden Dave in den Armen, flüsterte ihm ins Ohr und spürte, wie der Rückenteil von Daves Uniformjacke sich nach und nach in einen feuchtwarmen Lappen verwandelte. »Wenn du schlappmachst, rede ich kein Wort mehr mit dir.«

»Jetzt wissen wir, warum Trump die Schwadronen in dieses gottverlassene Kaff geführt hat«, flüsterte Dave.

»Sie haben uns an die Partisanen verkauft.« Wuttränen stiegen Billy in die Augen. »Trump, Kirkpatrick und das ganz Offizierspack – hundertfünfzig Mann haben sie in die Hölle reiten lassen!«

»Wir müssen weg hier, Sergeant!« Der Corporal tauchte neben ihm auf. »Wenn die Schweinhunde mit den anderen fertig sind, werden sie nach uns suchen. Die wollen keine Zeugen.«

»Der Himmel bleibt unser Zeuge, Corporal!«, zischte Billy. Seine Tränen vermischten sich mit seinem Rotz.

»Lass mich hier liegen, Billy.« Dave flüsterte so leise, dass Billy sein Ohr bis an die Lippen des Freundes beugen musste. »Wenn du es zurück nach Philadelphia schaffst, sage Rosemary, dass ich sie liebe … und dass sie das Kind nach meinem Vater nennen soll … falls es diesen verdammten Krieg überlebt.«

»Ich versprech’s dir, Dave.« Billy musste schluchzen. »Ich versprech’s dir …«

»Und schwör mir, dass du die Schwadronen und mich …«, Dave Higgins nestelte das Marienmedaillon aus seinem Armeehemd, »… rächen wirst …« Er drückte es gegen Billys Brust. »Bei der heiligen Jungfrau … rächen, Billy … nicht an den Partisanen, sondern an Trump und …« Seine Stimme erstarb.

»Ich schwör’s dir, Dave.« Billy heulte wie ein getretener Hund. »Ich schwör’s dir, verflucht noch mal!« Das Maschinengewehrfeuer rückte näher.

»Wir müssen, Sergeant.« Der Corporal zog ihn hoch. »Wir hauen ab, oder wir sind erledigt.«

***

Das Schiffshorn heulte, die Menschen drängten sich an der Reling, das Hafengelände von St. Joseph glitt vorüber, die Ankerketten rasselten schon. Trübe und Braun wälzten die Wassermassen sich unter dem Anlegesteg hindurch.

»Morgen um die Zeit führt der Missouri so viel Wasser, dass hier kein Raddampfer mehr anlegen kann, Ma’am«, erklärte der elegante Gentleman, der schon seit Memphis keine Gelegenheit ausließ, Rachels Nähe zu suchen.

»Ach! Wirklich?« Rachel Taylor ließ es zu, dass der blonde Gentleman auch nach ihrem Koffer griff. Er hatte sich ja weder unflätig noch irgendwie plump benommen. Ein wenig unwohl war ihr dennoch.

»Wenn ich es Ihnen sage, Ma’am! Wir kommen keinen Tag zu früh.« Der Mann sah nicht nur gut aus, er trug auch einen eleganten sandfarbenen Frack. Dazu einen dieser modernen Hüte, wie man sie in Washington inzwischen auch überall sah. Eine goldene Uhrenkette hing aus seiner roten Samtweste. Ganz arm konnte er nicht sein. Rachel schätzte ihn auf höchstens vierzig Jahre.

Zwei Matrosen schoben die Landungsbrücke auf den Steg. »Einer nach dem anderen, Ladys und Gentlemen!« Der Kapitän schwankte mit ausgefahrenen Ellenbogen durch die Menge, stellte sich neben die Brücke und verabschiedete jeden seiner Passagiere mit Handschlag. »Immer schön einer nach dem anderen. Und dass mir keiner ins Wasser fällt, ja? Will mir meine neuen Stiefel nicht nass machen.« Er roch nach Whisky.

Hinter dem blonden Gentleman her tänzelte Rachel über die Landungsbrücke. Er hieß Randolph Grant und hatte sie aufgefordert, ihn Randy zu nennen. Rachel bewegte stumm die Lippen.

»Wir wäre es, wenn wir uns eine Kutsche teilen?«, sagte Mr. Grant, der »Randy« genannt werden wollte. »Die Hotels hier in St. Joseph liegen sowieso alle an der Mainstreet.«

Rachel schluckte kurz und gab sich einen Ruck. »Das ist wirklich nett von Ihnen, Sir. Aber dann teilen wir den Fahrpreis.«

»Wie Sie wollen, Miss Taylor.« Randy Grant winkte dem Kutscher einer offenen Kutsche, verstaute die Koffer hinter dem Gepäckleder und nannte dem Mann sein Hotel. Dann lüftete er die Melone. »Darf ich Ihnen in die Kutsche helfen, Ma’am?«

Rachel nickte und bedachte zu spät, dass ein solch hilfreicher Akt nicht ohne körperliche Berührung möglich war. Mister Grants Griff um ihren Arm war kräftig, doch nicht zu fest. Und dass ein Mann derart schöne, saubere und gepflegte Hände haben konnte? Ihr stockte der Atem.

Die Kutsche fuhr an. Randy Grant steckte sich eine Zigarette in seine silberne Zigarettenspitze und Rachel bewegte schon wieder stumm die Lippen.

»Sie beten?« Erstaunt zog er die blonden Brauen hoch.

»Natürlich.« Rachel räusperte sich. »Ich danke dem Herrn für die glückliche Reise.«

Das war nur die halbe Wahrheit: Sicher hatte sie auf dem Weg zur Kutsche dem Herrn für die glückliche Reise gedankt; gerade eben jedoch hatte sie sich genügend Kraft erbeten, um der Versuchung widerstehen zu können, die der Blonde für sie zu werden drohte.

»Meine Großmutter hat auch immer gebetet – flüsternd, stumm, laut, heimlich, öffentlich.« Randy Grand lachte und seine schönen blauen Augen leuchteten.

»Dann hat sie hoffentlich auch Ihnen das Beten beigebracht, Randy.« Rachel biss sich auf die Zunge – zum ersten Mal war ihr sein Vorname herausgerutscht. »Sir?«

»Sie hat es versucht, doch.« Ein schwermütiger Zug huschte durch seinen Blick. »Stellen Sie sich vor, Rachel: Den ganzen Bürgerkrieg über hat sie jeden Tag für mich gebetet, und ich bin ohne jede Schramme aus dem Krieg nach Hause zurückgekehrt.« Seine Miene verdüsterte sich. »Ohne sichtbare Schramme jedenfalls.« Passanten wichen der Kutsche aus; der Kutscher trieb das Gespann aus dem Hafengelände in die Mainstreet hinauf.

»Danket dem Herrn«, sagte Rachel, »denn seine Güte währet ewiglich.« Sie sagte das ein wenig zögernd und leise, denn was Randy da eben nebenbei über sich selbst offenbart hatte, verblüffte sie. »Und Sie haben dem Herrn Jesus Christus dennoch nicht ihr Herz geöffnet?« Rachel merkte kaum, wie sie ihm ein Stück näher rückte.

»Nein. Der Krieg hat mir den letzten Funken Glauben ausgetrieben, Rachel. Doch davon abgesehen konnte ich schon vor dem Krieg nicht viel anfangen mit dem salbungsvollen Gerede unseres Reverends – Gnade, Vergebung der Sünden, ewiges Leben und so weiter. Hab’s einfach nicht begriffen.«

»Aber Randy, das ist doch ganz einfach!« Die ganze Dampferfahrt über hatte sie versucht, das Gespräch auf die wirklich wesentlichen Dinge zu lenken, und jetzt ergab es sich wie von selbst. »Jesus, der Sohn Gottes, ist am Kreuz gestorben, um Sie und mich mit seinem Blut von unseren Sünden reinzuwaschen.«

Der Blonde feixte bitter. »Da hätte er das Blut von hundert Männern haben müssen, um alle meine Sünden abzuwaschen.« Rachel blieb das Wort im Hals stecken, und Randy zündete sich eine Zigarette an. »Sie kommen aus Washington, haben Sie gesagt?«

»Ja, Sir. Und Sie?«

»Zuletzt aus Memphis.« Er blies den Rauch in die Luft. »Davor aus Baton Rouge, New Orleans, Houston, Dallas und San Antonio. Und davor?« Er zuckte mit den Schultern und lächelte. »Habe ich vergessen.«

»Sie haben gar kein Zuhause, Randy?« Eine Welle des Mitleids ließ Rachels Herz schwellen. »Ist das wirklich wahr?«

»Kann man so nicht sagen, Rachel. Führen Sie mich in einen Saloon, setzen Sie mich an einen Spieltisch, geben Sie mir ein Deck Karten – und schon fühle ich mich zuhause.«

»Wie?« Rachel begriff überhaupt nichts. »Ein Deck Karten? Wie meinen Sie das, Randy?« Sie blinzelte ihn verwirrt an. »Und was wollen sie hier in St. Joseph? Hier gibt es doch nur Cowboys, Pferdezüchter, Flussschiffer und Eisenbahner.« Der Blick ihrer grünen Augen schweifte über seinen Frack und seine Weste. »Sie sehen nicht aus, als würden Sie zu solchen Leuten passen, Randy.«

»Danke, Ma’am.« Er zog die braune Melone und deutete eine Verneigung an. »Zum Glück gibt es hier vor allem Cowboys, Pferdezüchter, Flussschiffer und Eisenbahner. Alles Männer, die gern einmal eine Partie Poker spielen.« An ihr vorbei betrachtete er das Getümmel auf der Mainstreet. »Und gern auch mal eine zu viel.«

Mit offenem Mund starrte sie ihn an. »Soll das heißen …?«

»Korrekt, Rachel. Das heißt, dass ich mein Geld am Spieltisch verdiene. Ich bin Spieler, völlig korrekt.« Er lachte sie aus, wahrscheinlich wegen ihres perplexen Gesichtsausdrucks. »Warum gucken Sie mich so an, Rachel? Gibt’s bei euch in Washington etwa keine Berufsspieler?«

»Doch … nein …« Sie schluckte, rief innerlich den Herrn an und räusperte sich. »Aber das ist doch Sünde, Randy!«

»Dann müssen Sie also künftig auch für mich beten, Rachel.« Er lachte laut. »Da kommt der Green Water Billard Room, dort werde ich wohnen.« Er beugte sich zum Kutscher vor und steckte ihm eine Banknote in die Brusttasche. »Und danach bring die Lady ins Missouri Hotel, verstanden?« Der Kutscher zog den Geldschein aus Tasche, betrachtete ihn und nickte.

»Jeder tut das, was er am besten kann, so ist es doch, Rachel?« Randy wandte sich ihr wieder zu, und Rachel wurde es ganz warm ums Herz. »Und was machen Sie? Beruflich, meine ich.«

»Ich unterrichte als Sonntagsschullehrerin in der Methodistengemeinde von Washington.« Sie räusperte sich. »Und ich führe meinem Vater den Haushalt. Er ist der Reverend der Methodistenkirche von Washington.«

»Und den ganzen Weg von Washington bis hierher hat er Sie allein fahren lassen?« Randy runzelte missbilligend die blonden Brauen. »Das nenne ich eine Sünde!«

»Nun ja, er wollte nicht …« Rachel räusperte sich und sprach mit festerer Stimme weiter. »Ehrlich gesagt: Ich bin gegen seinen Willen gefahren.«

»Gegen den Willen Ihres Vaters besuchen Sie Ihre Schwester? Das kann ich kaum glauben.« Die Kutsche hielt, Randy blieb sitzen. »Hat ihre Schwester denn einen anderen Vater als Sie? Ich meine: Ist der Reverend vielleicht ihr Stiefvater?«

»Aber nein! Mary und ich haben denselben Dad.«

»Ihre Schwester muss ja ganz üble Dinge treiben, dass ihr eigener Vater sie nicht besuchen will.« Beiläufig legte Randy seinen Arm hinter ihr auf die Banklehne. »Was hat sie denn angestellt?«

»Schlimme Sachen.« Rachel spürte, dass sie errötete. »Ganz schlimme Sachen.« Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. »Mary lebt in furchtbarer Sünde.«

***

Der Saloon hieß Waterhouse. Hinter den offenen Fenstern ging es laut zu: Gläser klirrten, Frauen kicherten, Würfel klapperten, Männer fluchten und lachten. Die Karren und Gäule vor dem Hitchrack sahen heruntergekommen aus.

Lassiter wunderte sich, dass sein Mittelsmann ihn ausgerechnet in dieser Spelunke am Hafen treffen wollte – genauer: seine Mittelsfrau. Wahrhaftig: Eine Lady würde ihm heute Abend seinen neuen Auftrag von der Brigade Sieben erklären. Er hatte nichts dagegen einzuwenden. Lassiter stieg vom Pferd und machte es am Hitchrack fest.

Eine Lady als Mittelsmann – das kam selten genug vor, und der Mann von der Brigade Sieben hatte sich am Vormittag beim besten Barber in Kansas City rasieren und scheren lassen. Und einen neuen Stetson und eine Jacke aus Elchleder hatte er sich auch gekauft. Beides nicht ganz billig gewesen.

Lassiter stieg zum Sidewalk hinauf und trat in den Saloon. Stimmenlärm und von Parfümduft gesättigter Tabakrauch schlugen ihm entgegen. Der Schankraum hatte die Form einer gigantischen Whiskyflasche, lang und schmal, und da, wo an der Flasche der Hals saß, führte eine Treppe ins Obergeschoss.

Ein gutes Dutzend Frauen und etwa dreimal so viele Männer belagerten die Tische und die unfassbar lange Theke. Lärmende, aufgekratzte Männer: Flussschiffer, Kutscher, Fischer und viele Texaner. Es war die Jahreszeit, in der texanische Cowboys Tausende Longhornrinder aus dem Süden nach Dodge City, Abilene und Wichita herauftrieben. Oder eben hierher, nach Kansas City.

Lassiter drängte sich zwischen die Cowboys und Flussschiffer an die Theke und bestellte einen Kaffee. Er blickte sich um, betrachtete die Mädchen. Lauter Prärieschwalben und keine, die nicht mindestens ein halbes Pfund Rouge, Lippenstift und Lidschatten im Gesicht trug.

Etliche posierten keck und lächelten ihm zu, eine zwinkerte. Lassiter nickte in ihre Richtung und tippte sich an den Hut. Wusste man denn, ob der Abend noch etwas Besseres bringen würde?

Eine wirkliche Lady, wie das Telegramm aus Washington eine angekündigt hatte, entdeckte er nicht unter diesen Mädchen.

Ein paar Minuten später schob ihm der Salooner den Becher mit dem dampfenden Gebräu über den Tresen. »Wollt mich mit ’ner Bekannten hier treffen«, sagte Lassiter. »Hat jemand nach Lassiter gefragt?«

»Schon möglich.« Der Salooner, ein fülliger Bursche von etwa fünfzig Jahren und mit bärtigem Vollmondgesicht, knurrte mehr, als dass er sprach. Seine glatten Gesichtszüge, die wulstigen Lippen und die großen, ruhigen Augen ließen Lassiter an ein sattes Kind denken. Misstrauisch musterte er Lassiter. Offenbar wollte er mehr hören.

»Nun ja, die Lady – wie soll ich sagen …« Lassiter räusperte sich, beugte sich über den Tresen und senkte die Stimme. »Die Lady sucht ihr Schaf.«

Es klang komisch, und selbst der knurrige Salooner musste feixen, doch so hatte es im Telegramm aus Washington gestanden: Fragen Sie nach einer Frau, die ihr Schaf sucht.

»Wartet im Obergeschoss.« Der Salooner deutete zur Treppe. »Vierte Tür links.«

Lassiter legte zwei Münzen auf den Tresen, nahm seinen Kaffeebecher und drängte sich durch die Menge der Männer und Mädchen. Ein paar Schritte vor der Treppe schob sich eine an ihn heran und hakte sich bei ihm unter. »Ganz allein nach oben?« Es war die Frau, die ihm zugezwinkert hatte. »Seit wann das denn?« Sie schnalzte tadelnd mit der Zunge.

»Ich bin nicht allein, Ma’am, ich nehme ja meinen Kaffee mit hoch.«

»Und mich nimmst du nicht mit?« Sie zog einen Schmollmund.

»Nein, Ma’am. Der Kaffee reicht mir erst mal.«

»Das Mädchen blies die Backen auf und machte eine verächtliche Miene. Lassiter kümmerte sich nicht darum. Er stieg die Treppe hinauf. Die vierte Tür links trug die Zimmernummer zwölf. Meine Lieblingszahl, dachte er, fängt irgendwie gut an.

Der Mann von der Brigade Sieben klopfte, eine rauchige Frauenstimme forderte ihn zum Eintritt auf. Lassiter öffnete die Tür und trat in das Zimmer.

Es war geräumiger als er es erwartet hatte. Und sauberer. In einem Sessel zwischen zwei Fenstern saß eine blonde Frau und rauchte. Sie trug ein schwarzes Kleid; schwarz auch das Haarnetz, das ihren zu einem Dutt gerollten Zopf zusammenhielt.

»Treten Sie näher, Mr. Lassiter.« Sie griff nach der Whiskyflasche auf dem kleinen Tisch vor ihrem Sessel, entkorkte sie und schenkte ein. »Nehmen Sie sich den Stuhl dort am Bett, Mr. Lassiter, und setzen Sie sich zu mir. Wir wollen einen Drink nehmen.«

»Lassiter, Ma’am.« Der Mann von der Brigade Sieben tippte sich an die Hutkrempe, ging zu ihr und stellte seinen Kaffee auf dem Tischchen ab. »Einfach nur Lassiter.«

»Lassiter, einverstanden.« Sie sah zu ihm hoch, schaute ihm ins Gesicht, lächelte. Der herbe Zug um ihren Mund verschwand für einen Moment. Der Blick ihrer blauen Augen ging ihm durch und durch. »Und Sie nennen mich Rose, ja? Das höre ich am liebsten aus dem Mund von Männern Ihres Formats, Lassiter.«

»Kennen wir uns, Ma’am?« Lassiter warf seinen neuen Stetson aufs Bett, trug den Stuhl zu ihr und hängte seine Elchlederjacke über die Lehne, bevor er sich setzte.

»Rose, wenn ich bitten darf. Wir haben uns noch nie gesehen, doch ich habe einen Blick für gute Männer. Und selbstverständlich haben wir uns erkundigt, bevor wir uns für Sie entschieden haben.«

»’Wir’?« Das klang so gar nicht nach einem offiziellen Auftrag aus Washington. »Die Leute, auf deren Gehaltsliste ich stehe, kennen mich.« Über den Rand seines Kaffeebechers hinweg musterte er sie. Was für eine schöne Frau! »Die müssen eigentlich keine Erkundigungen über mich einziehen.«

»Ihr Auftraggeber kannte Sie nicht.« Sie schnippte die Asche in den Aschenbecher und griff nach ihrem Glas. »Und ich kannte Sie auch nicht. Also haben wir Erkundigungen eingezogen, als man Sie uns empfohlen hat.«

»Das hört sich nach einem privaten Auftrag an.« Die Frau mochte Mitte dreißig sein; der herbe Zug um ihren großen Mund nahm ihrer Schönheit das Mädchenhafte. Der Blick ihrer dunkelblauen Augen erschien Lassiter kühl.

»So ist es, Lassiter.« Sie hob ihr Glas. »Wollen wir trinken?« Er stellte den Kaffee ab, hob sein Glas und stieß mit ihr an. Der Whisky schmeckte nach einem Tropfen von der besseren Sorte. »Der Mann, der mich zu ihnen schickt, hat einen guten Freund in der Regierung, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Verstehe. Und der gute Freund gehört zufällig jener Abteilung an, auf deren Gehaltsliste ich stehe.«

»Sie brauchen den Auftrag nicht annehmen, Lassiter.« Sie stellte ihr Glas ab und griff nach einer Handtasche neben dem Sessel. »Tun Sie es aber, zahlt mein Auftraggeber Ihnen dreihundertfünfzig Dollar.« Sie zog ein Kuvert aus der Tasche, entnahm ihm ein Bündel Banknoten und zählte die Summe auf den Tisch. »Vorkasse und zuzüglich Spesen selbstverständlich.«

»Dreihundertfünfzig sind eine Menge Geld.« Lassiter leerte sein Glas. »Soviel verdient ein Townmarshal in drei Monaten nicht. Und dann noch im Voraus – Ihr Auftraggeber scheint davon überzeugt zu sein, dass ich erledigen kann, was er erledigt haben will.«

Keinen Moment ließ die Blonde ihn aus den Augen. Er gefiel ihr, Lassiter spürte es, er zog sie genau so an, wie sie ihn anzog. »In der Tat, Lassiter.« Sie nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette. »Reverend Taylor ist überzeugt davon, dass Sie ihm seine Tochter zurückbringen werden.«

»Er sucht sein Schäfchen?« Lassiter schmunzelte.

»Ein Bild aus der Heiligen Schrift. ‚Der gute Hirte gibt sein Leben für die Schafe’, sagt Jesus an einer Stelle und meint sich selbst damit. Auch der Reverend würde sein Leben für seine Tochter geben, doch er fürchtet, sie könnte davonlaufen, wenn sie ihn sieht.«

»Davon laufen? Vor ihrem Vater?« Lassiter zog die Brauen hoch. »Da sie nicht freiwillig nach Hause zurückkehrt, denke ich, sie muss wohl verschollen sein, oder irgendjemand hält sie gefangen. Doch offenbar weiß Ihr Auftraggeber, wo das Mädchen steckt. Und wenn es davonlaufen kann, scheidet eine Gefangenschaft schon mal aus.«

»Ganz richtig, Lassiter. Doch es gibt eine Art der Gefangenschaft, die sieht man einem Menschen nicht sofort an. Eine Gefangenschaft des Herzens, wenn ich es einmal so ausdrücken darf.«

»Klingt ganz hübsch, doch ich verstehe es nicht, Rose.«

»Die Frau, die Sie zurück nach Washington bringen sollen, ist einem Mann hörig. Und der Mann zwingt sie, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht tun will.«

»Nämlich?«

»Hurerei und Mord.«

»Nach meiner Erfahrung verkauft keine Frau ihren Körper gegen ihren Willen. Und eine Frau, die gegen ihren Willen tötet?« Er zuckte mit den Schultern. »Kann ich mir nicht vorstellen.«

»Der Fall liegt komplizierter als man meinen möchte, Lassiter.« Sie drückte ihre Zigarette aus. »Ich muss ein wenig ausholen, fürchte ich.« Die Frau namens Rose hob den Blick. Ihre dunkelblauen Augen glühten plötzlich. »Haben Sie heute Abend schon etwas vor?«

***

Sie saßen auf der Veranda einer Blockhütte am Westufer des Missouris. Auf der anderen Seite des Flusses glühten die Dächer und Kirchtürme von St. Joseph im letzten Abendlicht. Signallampen eines Flussdampfers näherten sich dem Hafen, ein Schiffshorn tönte durch die einsetzende Dämmerung.

Randolph Grant erzählte von seinen Reisen durch New Mexico und Kalifornien, und Samuel Kirkpatrick beschloss alle fünf Minuten, bald mit ihm zu reiten – nach Pueblo, Santa Fé, San Diego und San Francisco. Weit weg jedenfalls und nach Westen. Seit sieben Jahren war er Bankdirektor von St. Joseph; er hatte genug davon.

Grant redete und redete. Er wollte sein schlechtes Gefühl vergessen. Nein, ihm war gar nicht wohl in seiner Haut: Sie warteten auf einen Mann, der angeblich Schwierigkeiten machte.

Mit einer plötzlichen Geste bedeutete der Bankdirektor Randy Grant, zu schweigen. Der noble Bürger von St. Joseph lauschte in die Dämmerung. »Hufschlag!« Samuel Kirkpatrick nahm die Beine von der Verandabrüstung und stemmte sich aus seinem Schaukelstuhl. »Er kommt.« Mit beiden Händen schirmte er die Augen vor der Abendsonne ab. »Und er kommt allein.«

»Ich weiß nicht, was dieses Treffen hier für einen Sinn haben soll.« Grant seufzte. Er fühlte sich wirklich nicht wohl in seiner Haut. »Wenn Ronny reden will, wird er reden. Niemand kann ihn davon abhalten, auch wir nicht. Du kennst ihn doch, Sammy.«

»Der Colonel sieht das anders«, sagte Kirkpatrick, ein hagerer Mann mit missmutigen Zügen und nur einem Auge. Er nannte Trump noch immer nur »Colonel«, sprach ihn auch so an. Wie schon in alten Zeiten. »Wenn Ronny redet, sind wir erledigt. Alle. Auch du, Randy. Also müssen wir ihn von seinem Plan abbringen.«

»Zeitverschwendung. Hast du vergessen, was für ein Sturkopf Ronny gewesen ist? Wetten, er hat sich nicht geändert?« Randy Grant blickte in den Abendhimmel und seufzte noch einmal. Die rothaarige Frau ging ihm nicht aus dem Kopf. Rachel Taylor. Ob sie wirklich für ihn betete?

Er hatte ein Kuvert mit einer Karte für sie im Missouri Hotel hinterlegt, seinen Besuch für morgen Abend angekündigt und sie zum Essen eingeladen. Ob sie ihn erwarten würde?

Zwischen den Bäumen und Büschen des Flusswaldes schälten sich die Umrisse eines Reiters sich aus dem Zwielicht. Er trug Zylinder und Frack und ritt auf einem Schimmel. Schon im Krieg hatte Ronny weiße Pferde bevorzugt.

Randy warf seinen Zigarettenstummel weg, steckte die silberne Spitze ein und stand auf. Ob Rachel Taylor morgen Abend im Hotel sein und mit ihm essen würde? Fast zweifelte er daran. Fromm, wie sie war, wollte sie wahrscheinlich nichts zu tun haben mit einem Berufsspieler. Doch Randy Grant wollte es wenigstens versuchen; er konnte die Frau einfach nicht vergessen.

»Willkommen, Ronny!« Samuel Kirkpatrick winkte. Sie stiegen von der Veranda und gingen dem Reiter entgegen. »Meine Güte, alter Bursche, du hast dich ja überhaupt nicht verändert!«

Der Neuankömmling schwang sich aus dem Sattel, wich Kirkpatricks Umarmung aus und lüftete den Zylinder. »Du schon, Sam. Bist mächtig alt geworden. Haben sie dir das Auge noch im Krieg herausgeschossen?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte Ronald Gull sich an Randy. »Ich grüße Dich, Captain. Siehst gut aus.«

»Danke gleichfalls, General.« Sie reichten einander die Hand. Randy hatte den Sergeant immer geschätzt. Tapferer Mann, zuverlässig und ehrlich. Nach dem Krieg hatte Gull es bis zum Brigadegeneral gebracht. Seit Anfang der siebziger Jahre arbeitete er als Ingenieur für die Union Pacific Railway.

Sie nahmen Gull in die Mitte und gingen in Kirkpatricks Blockhütte; hier, in seiner Jagdhütte, verbrachte der Bankdirektor fast jedes Wochenende. Am runden Fenstertisch nahmen sie Platz. Kirkpatrick schenkte Cognac ein.

»Ich hab nicht viel Zeit«, sagte Gull und stieß erst mit Grant, dann mit Kirkpatrick an. »Muss morgen nach Sacramento. Nehme den Mittagszug.« Sie tranken. Der Cognac schmeckte Randy Grant nicht halb so gut, wie der Whisky, den der Bürgermeister am Abend zuvor ausgegeben hatte.

»Dann mach es kurz, Ronny«, sagte Kirkpatrick. »Wo drückt der Schuh?«

»Da, wo es richtig weh tut, verflucht noch mal.« Die hagere Gestalt des Ex-Generals straffte sich. »Sie sind hinter mir her.«

»Wer?« Grant runzelte die Stirn.

»Wenn ich’s denn wüsste.« Gull langte nach der Flasche, schenkte sich selbst nach. »Ehemalige Partisanen? Überlebende des verfluchten Massakers? Keine Ahnung.«

»Wie kommst du darauf, dass sie hinter dir her sind?«, wollte Kirkpatrick wissen. Er strich sich über das kurze schütterte Schwarzhaar.

»Anonyme Briefe. Telegramme ohne Absender. Neulich steckte ein Brief mit einem Armeemesser am Eingangsportal.« Er leerte das Glas auf einen einzigen Zug. »Sie drohen, erst meinen Sohn umbringen, dann meine Tochter, dann meine Frau, dann mich.«

»Ist das wirklich wahr, Ronny?« Samuel Kirkpatrick schüttelte den Kopf und tat erschüttert. Aus irgendeinem Grund nahm Grant ihm seine Erschütterung nicht ab. »Und was wollen sie von dir? Geld?«

»Schön wäre es.« Der Ex-General ließ sich in seinen Lehnstuhl zurückfallen und seufzte tief. »Wollten sie Geld, würde mich das nicht annähernd so teuer kommen wie die Wahrheit.«

»Die Wahrheit?«

»Die Wahrheit, korrekt Ronny. Ich soll reden oder sterben.« Gull fummelte eine Zigarre aus der Innentasche seines Fracks. Er biss die Spitze ab und riss ein Schwefelholz an. Grant fiel auf, wie stark seine Hände zitterten. Entweder war er ein Trinker oder gewaltig nervös. Oder beides. Weil ihm das Zündholz erlosch, gab Ronny Grant ihm Feuer.

»Keine schlechte Gelegenheit vielleicht, sie zum Schweigen zu bringen.« Kirkpatrick schabte sich das bärtige Kinn. »Viele können es ja nicht mehr sein.«

»Was redest du da, Sam?« Ronald Gull saugte gierig an seiner Zigarre. »Eine Gelegenheit, sie zum Schweigen zu bringen? Wie genau meinst du das, zum Teufel?«

»Wir könnten sie in eine Falle locken.« Kirkpatrick zuckte mit den Schultern. »Mit deiner Hilfe.«

Grant zog die Brauen hoch. Er wusste nicht, was Kirkpatrick, Trump und die anderen planten. Noch nicht. Morgen Vormittag würde er mehr erfahren. Trump hatte ein Treffen anberaumt: auf seiner Ranch. Nur deswegen war der Berufsspieler hierher nach St. Joseph gereist.

»Und ich soll den Lockvogel geben, was?« Gull leerte sein Glas zum zweiten Mal. »Na, ich danke herzlich!«

»Ich schätze, deine anonymen Briefe stammen von den beiden Corporals der dritten Schwadron.« Kirkpatrick goss dem Ex-General das Glas randvoll. »Die haben schon damals vor dem Kriegsgericht so ein Theater gemacht. Und dieser Sergeant natürlich, wie hieß er gleich?«

»Carpenter.« Grant half dem Bankdirektor auf die Sprünge. »Sergeant William Carpenter.«

»Carpenter, richtig.« Kirkpatricks Mienen verfinsterte sich. »Der war der bissigste von allen Unteroffizieren.«

»Carpenter wird keine Ruhe geben, bis die Sache an die Öffentlichkeit kommt.« Gull stierte in die Rauchschwaden, die über seinem Whiskyglas schwebten. »Wer auch immer dahinterstecken mag: Wenn mein Geständnis nicht bis Ende nächster Woche in der Los Angeles Times zu lesen ist, werden sie losschlagen.«

»Was sagst du da?« Samuel Kirkpatricks verstohlener Blick suchte Grant. »In der Los Angeles Times? Und sie haben dir ein Ultimatum gestellt?«

»Was glaubst du, warum ich so schnell wie möglich nach Sacramento muss?« Der Ex-General setzte sein Glas an. Diesmal trank er es nur zur Hälfte leer. »In den Redaktionen der Los Angeles Times sitzen ehemalige Angehörige der massakrierten Schwadronen. Die werden dafür sorgen, dass man auch in Washington bald die Wahrheit erfährt.« Gull war dermaßen bleich unter seinem Graubart, dass Grant erschrak.

»Nun mach aber mal halblang, Ronny!« Kirkpatrick beugte sich über den Tisch. In seinem wässrigen linken Auge sah Grant die nackte Angst flackern. »Die Untersuchungen des Massakers von St. Morris sind seit zehn Jahren abgeschlossen! Unsere Unschuld ist offiziell festgestellt worden!«

»Klar! Weil ein verfluchter Freund des Colonels unter den Kriegsrichtern saß!« Gull leerte sein Glas und schob es gegen die Flasche. Kirkpatrick füllte es prompt.

»Ich entsinne mich gut an Carpenter«, sagte Grant. »Habe oft mit ihm gepokert. Der Mann ist so was von abgezockt, dem traue ich alles zu.«

»Triff dich mit ihm, Ronny!« Kirkpatrick schob dem General das volle Glas über den Tisch und legte seine Hand auf dessen Arm. »Wir werden da sein, alle. Wir werden ihn endgültig zum Schweigen bringen! Ihn oder die Corporals, ganz egal.«

Grant hielt den Atem an. Für einen Mordplan war er nicht den Mississippi hinaufgefahren. Nicht für eine Todsünde, dachte er. Das Bild der rothaarigen Rachel stand ihm vor Augen. In seiner Vorstellung bewegte sie stumm die Lippen.

Ronald Gull trank langsam diesmal, schlürfte geräuschvoll. »Nein, Sammy. Nein.« Nachdenklich musterte er Kirkpatrick und Grant über den Rand seines Glases hinweg. »Ein Mann in meiner Position kann sich keinen Mord leisten. Ich gehe an die Presse. Ende nächster Woche steht mein Bericht in den ersten Zeitungen. Und ich werde einen Brief an den Vorsitzenden des verfluchten Untersuchungsausschusses schreiben.«

»Die Sache ist verjährt!« Sammy Kirkpatrick wurde laut.

»Verrat verjährt nicht, Sammy. Hundertneunzehn Tote, Sammy! Hundertneunzehn! Und Trump hat sie alle auf dem Gewissen!«

»Du etwa nicht, Ron?« Ganz ruhig stellte Grant diese Frage.

»Ich wusste nicht, dass Partisanen in St. Morris auf uns warten, wirklich nicht.«

»Du willst also Trump ans Messer liefern?« Kirkpatricks Stimme klirrte vor Kälte.

»Er ist ein verfluchter Killer. Das wisst ihr genauso gut wie ich. Und was kann ihm schon passieren?«

»Und mir?« Kirkpatrick klopfte sich mit der Faust gegen die Brust. »Was glaubst du, was mir passiert? Ich bin ruiniert! Oder Randy, oder Les oder Jerry! Wir können alle einpacken, wenn du redest!«

»Ich muss reden, Ronny. Ich kann so nicht weiterleben.« Er goss sich das fünfte Glas Whisky ein. »Ich träume jede Nacht von den Jungens, höre die Schüsse, die Schreie, den Hufschlag der reiterlosen Pferde. Ich muss mein Gewissen erleichtern.« Er nahm sein Glas und blinzelte zu Grant. »Verstehst du mich, Randy?«

Grant starrte ihn an, wusste nicht, was er sagen sollte, schluckte und wandte schließlich den Blick ab.

Gull leerte sein Glas und stand auf. »Ich gehe jetzt.« Er wankte zur Tür. Vor den Fenstern war es längst dunkel.

»Nun gut.« Kirkpatrick atmete tief durch. »Jeder tut, was er tun muss.« Mit schweren Schritten folgte er dem Ex-General. Seine Miene war düster und wie aus Kalkstein gemeißelt. Draußen, auf der Veranda, hörte Grant den Ex-General die Stufen hinunter stolpern.

Er selbst hockte wie festgenagelt auf der Kante seines Stuhles. Eine große Leere herrschte auf einmal in seinem Kopf, in seiner Brust. Sein Whiskyglas war noch halb voll. Aus dem Augenwinkel sah er ein Gewehr an der Wand neben der offenen Tür lehnen, sah Kirkpatrick danach greifen und es anlegen.

Die Flinte musste schon durchgeladen dort gestanden haben, als sie den Raum betraten, denn schon im nächsten Augenblick hörte Grant den Schuss. »Was tust du, Sammy!« Und einen Wimpernschlag später den nächsten. Der Stuhl kippte um, als er aufsprang und zum Fenster stürzte. Gull lag bäuchlings vor der Veranda im Staub und zuckte nicht einmal mehr.

»Du hast ihn erschossen!«, brüllte er. »Scheiße, Sammy! Du hast Ronny erschossen, verdammt noch mal!«

»Und du hast zugesehen.« Kirkpatrick ging nach draußen, schlurfte über die Veranda und zu Grant ans Fenster. »Spannender ist doch die Frage, was du jetzt tun wirst, Randy? Zu Jerry gehen und ihm sagen, dass er mich festnehmen soll?« Jerry McLaughly war Townmarshal von St. Joseph und Sergeant unter Joseph Trump gewesen.

»Vergiss es, Randy.« Kirkpatrick lehnte die Büchse gegen die Hauswand. »Komm schon. Hilf mir, ihn zu vergraben.«

***

Rose stammte aus einem Fischerstädtchen an der Küste von Louisiana. Sie hatte französische Vorfahren. Und sie konnte sich einen Diener leisten. Lassiter bekam den Jungen nur zu Gesicht, als er die Pferde von dem Wagen abspannte, auf dem sie in die Stadt und zum Missouri Hotel fuhren.

Der knapp Sechzehnjährige hielt den Wagen in Schuss, versorgte ihr die Pferde, machte Botengänge, kümmerte sich um die Einkäufe. Ein schweigsamer strohblonder Bursche namens Saul. Wie Rose, wohnte auch er offenbar nicht in der Hafenspelunke, sondern in dem Hotel mitten in Kansas City. Was Lassiter erstaunte: Er trug einen Waffengurt und an jeder Hüfte ein Halfter mit einem Revolver.

Die blonde Frau von der Ostküste lud Lassiter zum Abendessen ein. Sie tranken französischen Weißwein und erzählten einander aus ihrem Leben und von ihrer Heimat. Lange her, dass der Mann von der Brigade Sieben so gepflegt gespeist und sich so gut unterhalten hatte.

Nach zwei Stunden kam Rose wieder auf Lassiters Auftrag zu sprechen. Lassiter erfuhr, dass die Tochter des Reverends als Siebzehnjährige von zu Hause und aus Washington geflohen war und gegen den Willen ihres Vaters einen fünfzehn Jahre älteren Kriegsveteranen geheiratet hatte.

»Zwei Jahre zuvor war ihre Mutter gestorben«, schloss sie. »Die Kleine war völlig durch den Wind. Man konnte kein vernünftiges Wort mehr mit ihr sprechen.«

»Wie lange ist das her?«, wollte Lassiter wissen.

»Drei Jahre. Eines Tages kam ein Brief mit dem Hochzeitstermin. Der Reverend bekam einen Herzanfall, wir mussten den Arzt rufen. Natürlich fuhren wir zur Hochzeitsfeier. Reverend Taylor und seine Tochter Rachel versuchten Mary umzustimmen …«

»Sie waren auch dabei?«

»Ich komme seit zwölf Jahren ins Hause Taylor. Der Reverend und seine Frau haben mir viel Gutes getan, als ich nach dem Krieg allein als Kriegerwitwe dastand. Und für die Mädchen bin ich wie eine Tante.«

»Sie kennen also auch den Mann, der die Kleine geheiratet hat?«

»Ein harter, verbitterter Kerl. Verdiente sein Geld als Kopfgeldjäger, Conductor und Büffeljäger. Mary war ihm vollkommen verfallen. Während der Hochzeitsfeier kam es zu einem Eklat. Der Reverend reiste ab. Seitdem verweigert sie jeden Kontakt zu ihrem Vater.«

»Und was ist so gefährlich an diesem Mann?«

»Sie ist ihm hörig, Lassiter. Sie hat keinen eigenen Willen mehr, tut alles, was er sagt, nur damit er bei ihr bleibt und ein wenig nett zu ihr ist. Dieser Bursche arbeitet nur gelegentlich, sie schafft die Dollars heran. Und wie sie das tut, habe ich Ihnen ja schon angedeutet.«

Lassiter neigte den Kopf auf die Schulter, seine Augen verengten sich. »Soll das heißen, dass er ihre Arbeit als Hure duldet?«

»Er befiehlt ihr, sich als Hure zu verkaufen.«

»Kaum zu glauben.«

»Frauen, die einem Mann verfallen sind, scheuen vor nichts zurück. Sie sind zu allem fähig.«

»Zu allem, was der Kerl, dem sie hörig sind, von ihnen verlangt, meinen Sie?«

»So ist es Lassiter. Und Reverend Taylor hat Hinweise darauf, dass Marys Mann sie zu einem Mord zwingen will.«

»Hat der fromme Mann auch einen Verdacht, wer ermordet werden soll?«

»Ja. Ein Grußgrundbesitzer aus der Umgebung von St. Louis.«

»Warum?«

»Rache? Geldgier? Streit um Land?« Rose zuckte mit den Schultern. »Wir wissen es nicht.« Sie lächelte ihn an und legte die Rechte auf seine Hand. Das fühlte sich gut an. »Und, Lassiter? Nehmen Sie den Auftrag an?«

Lassiter sah ihr in die Augen. Ganz warm ums Herz wurde ihm. Er wünschte, dieser Abend würde nie zu Ende gehen. »Ich lasse mir die Sache durch den Kopf gehen, Rose. Einmal darüber schlafen, dann entscheide ich mich.«

Ein Reißverschluss ging durch ihre Miene. »Gut.« Sie stand auf. »Schlafen Sie drüber, Lassiter.« Offenbar hatte sie sich mehr Begeisterung von ihm erhofft. »Ich erwarte Ihre Entscheidung morgen Vormittag. Sie können nach dem Frühstück zu mir heraufkommen.« Rose deutete zur Treppe. »Ich wohne in Zimmer Zwölf. Gute Nacht.«

Sprach’s und rauschte davon. Schade.

Verblüfft und ein wenig wehmütig schaute Lassiter ihr hinterher, während sie die Treppe hinauf stolzierte. Was für eine schöne Frau! Himmlisch, wie sie ihre Hüften wiegte! Er schnalzte mit der Zunge. Eigentlich wäre er gern mit ihr hinaufgegangen.

An der Theke orderte er noch einen Whisky. Und überlegte.

Ein widerspenstiges Weib entführen? Es nach Hause zu seinem Vater bringen? Das gehörte nicht zu der Sorte Aufträge, nach denen Lassiter sich die Finger leckte. So etwas war er einfach nicht gewohnt. Gab es denn überhaupt ein Gesetz, das einem Mann verbot, seine Frau auf den Strich zu schicken?

Zu einem Mord hingegen durfte niemand einen Menschen anstiften, so viel war sicher. Lassiter überlegte hin und her. Dabei schweifte sein Blick wieder und wieder zur Treppe hinauf.

***

Billy lauschte an der Tür. Sie kam. Endlich. Er erkannte sie an ihren Schritten – so schnell konnte nur Mary die Treppe hinaufstürzen. Und dann das Klappern ihrer Absätze auf der Zimmerflucht vor seiner Tür: Als wäre einer hinter ihr her, so eilig hatte sie es. Wie eine Verdurstende, die sich einer gerade erst entdeckten Quelle näherte.

Typische Mary. Aber gut so.

Er schmunzelte in sich hinein, wandte sich ab, schlenderte zum Fenster, blickte auf die Mainstreet hinunter. Bis auf das matte Licht aus einigen Fenstern war es dunkel. Reiter, Fuhrwerke und Passanten unten auf der Mainstreet von Saint Joseph glitten als undeutliche Schatten vorüber.

Es klopfte. »Komm schon rein, Baby.« Er drehte sich um. Mary riss die Tür auf, blieb auf der Schwelle stehen und sah ihn an: bleich, rotes Haar, große, grüne Augen, offener Mund. Sie stürzte ins Zimmer, warf sich ihm an den Hals.

»Endlich, Billy, endlich bei dir.« Sie seufzte und schmiegte sich an seine Brust. »Du glaubst ja nicht, wie sehr ich mich nach dir gesehnt habe.«

»Geht mir ähnlich, Baby. Doch mach erst mal die Tür zu und schließe sie ab.« Er zog ihre Arme von seinem Hals. »Mach schon.«

Mary huschte zur Tür, drehte den Schlüssel um, hastete zurück zu ihm. »Mein Geliebter.« Sie griff nach seiner Hand.

»Ja. Warst lange unterwegs.« Er betrachtete ihren schönen Mund, die geschwungenen Linien ihres Körpers, ihre Smaragdaugen. »Hat sich’s gelohnt?«

Mary ging nicht darauf ein. »Endlich allein mit dir.« Sie lächelte selig zu ihm herauf. »Küss mich, Billy.« Sie zog ihn zum Bett und auf die Matratze hinunter. Dort nahm sie seine Hand und legte sie auf ihren Schenkel. »Küss mich ganz lange.«

»Ich will wissen, ob es sich gelohnt hat! Leg also erst einmal das Geld auf den Tisch, Baby.«

Sie seufzte, griff in ihre Handtasche und zog ein zusammengerolltes Bündel aus Dollarnoten heraus. Achtlos warf sie es an ihm vorbei auf den Tisch.

Billy stand auf, zählte nach, pfiff durch die Zähne. »Du warst fleißig, Baby. So habe ich es gern.«

Er ging wieder zu ihr, musterte sie aufmerksam, ließ sich schließlich wieder neben ihr nieder. »Und war auch einer von Männern bei dir, die ich dir beschrieben habe?«

»Ich will jetzt nicht drüber reden.« Plötzlich hing sie an seinen Lippen, ließ ihre kleine, wilde Zunge um seine tanzen und schlang ihre Arme um seinen Nacken. Sie drückte sich an ihn und schien ganz verrückt vor Verlangen.

So war es immer, wenn sie zu ihm kam; gleichgültig, wie viele Kerle sie in den Stunden zuvor bedient hatte. Billy genoss es. Er packte ihren Nacken, löste sich von ihrem Mund, küsste ihre Kehle und steckte seine Hand zwischen ihre Schenkel.

»O ja, Billy«, seufzte Mary, »o ja …« Sie schob seine Hand tiefer zwischen ihre Schenkel, rieb sie daran und zerrte sich zugleich den Kleidersaum herauf. »Ich hab mich so nach dir gesehnt, Billy«, flüsterte sie. »Ich will doch nur dich, Billy, eigentlich sollst doch nur du allein mich haben …«

»Du tust es, weil du mich liebst, nicht wahr Baby?« Billy küsste ihr Dekolletee. »Nur, weil du mich liebst. Und das ist in Ordnung so, hörst du? Vollkommen in Ordnung.«

»Ja, Billy, ja …« Sie zog sein Gesicht gegen ihren Busen.

»Bald gehen wir an die Ostküste, dann brauchst du es nicht mehr tun.« Er nestelte die Verschnürung ihres Dekolletees weiter auf. »Dann werden wir Kinder haben und leben wie ganz normale …« Sie presste ihm die Lippen auf den Mund, und was er noch sagen wollte, vergaß er unter der Hitze ihrer Küsse.

Immer höher schob sie seine Hand, immer noch tiefer zwischen ihre sehnsüchtig reibenden Schenkel. Plötzlich spürte Billy ihr Schamhaar – sie trug weder Strümpfe, noch Hüfthalter, noch einen Schlüpfer.

Der Atem stockte ihm. Von einem Moment auf den anderen siedete sein Blut. Himmel, wie weich sich ihre Schenkel anfühlten! Und klopfte ihr Schoß nicht schon voller Bereitschaft, ihn aufzunehmen?

»Du hast es mal wieder eilig, Baby, was?«, flüsterte er atemlos. Seine Hose spannte mächtig.

»Du musst ganz schnell kommen.« Mary keuchte und stöhnte. Längst hatte sie sich das Kleid aufgeschnürt. Ihre Schenkel gaben seine Hand frei. Mary nahm sie und führte sie in ihr Dekolletee. Ganz verhangen war der Blick ihrer grünen Augen, und schon saugten ihre Lippen sich wieder an seinem Mund fest.

Ausgehungert war sie, ihm ganz und gar ergeben. So musste es sein. Ihr Körper dürstete nach ihm. Genau so liebte Billy es.

Er tastete nach ihrem Busen, griff danach – wie prall und heiß sich ihr Fleisch in seinen Händen anfühlte! Jetzt war es auch um ihn geschehen. Er ließ alle Selbstbeherrschung fahren, drückte Mary auf die Matratze hinunter und zog ihr das Kleid bis über die Taille hinauf.

Die flammende Röte ihrer haarigen Scham prangte vor seinen Augen; Mary spreizte die Schenkel. Ihre Brüste hoben und senkten sich im schnellen Rhythmus ihrer keuchenden Atemzüge.

Billy warf seinen Waffengurt auf den Stuhl, öffnete den Hosenbund und holte seinen Liebesstab heraus. Mary beobachtete ihn dabei, leckte sich über die Lippen. Kniend rutschte er zwischen ihre rosigen Schenkel und drang in sie ein.

Mary stöhnte. Wild und gierig bäumte sie sich auf und stemmte ihm ihr Becken entgegen. Billy gab ihr, wonach es sie verlangte, und nahm sie schnell und hart.

Sie wand sich unter seinen kraftvollen Stößen, verschränkte ihre nackten Beine hinter seinen Hüften. Billys Blick flog zwischen ihren in schmerzlicher Lust verzerrten Zügen und ihren wippenden Brüsten hin und her.

Mit beiden Händen hielt Mary den Lustschrei in ihrem Mund fest, als sie kam, und Billy stieß einen tiefen, knurrigen Seufzer aus, während er sich in sie ergoss. Sie schlang die Arme um seinen Nacken, seufzte und zog ihn zu sich herunter.

Eine Zeitlang lagen sie so da, hielten einander fest, küssten und streichelten sich. »Mach es mir noch mal, Billy, bitte«, flüsterte Mary irgendwann. »Mach es mir länger diesmal, am liebsten die ganze Nacht.«

»Kein Problem.« Er drehte sich auf den Rücken, zog sie auf sich, streichelte ihre Wangen. »Aber erst einmal beantwortest du mir meine Frage, Baby: War einer der Männer bei dir, die ich dir beschrieben habe?«

»Du hast so viele beschrieben und so viele Namen genannt.« Sie seufzte. »Das kann ich mir doch nicht alles merken.«

»Du Dummerchen!« Er griff in ihr rotes Haar und wand es um sein Handgelenk. Sie jammerte, doch er achtete nicht darauf. »Joseph Trump, Ex-Colonel. Viehzüchter. Langes graues Haar, braune Augen, buschiger Schnurrbart, breite Visage, groß und ein wenig zu fett. Wiederhole.«

Mary beklagte sich, weil er ihren Kopf und ihr Haar so festhielt, doch sie wiederholte Namen und Beschreibung gehorsam.

»Brav. Weiter: Lesley Howard, Bürgermeister von St. Joseph, Captain unter Trump, hochgewachsen, dürr, brauner Backenbart, große Narbe an der Stirn. Wiederhole.« Er hielt sie noch fester.

»Du tust mir weh, Billy.«

»Wiederhole!«

»Lesley Howard, Bürgermeister von St. Joseph …« Mit weinerlicher Stimme wiederholte sie alles.

»Samuel Kirkpatrick, Bankdirektor von St. Joseph, Lieutenant unter Trump. Hager, eher klein, das rechte Auge fehlt, kurzes schwarzes Haar. Wiederhole!« Sie tat, was er verlangte.

»Jeremy McLaughly, Townmarshal von St. Joseph und Sergeant unter Trump. Groß, schlank, muskulös, kahlköpfig. Wiederhole!«

»Der war heute bei mir!« Sie begann zu schluchzen. »So grob war er, so grob!«

»Wenn er das nächste Mal zu dir kommt, darfst du ihn töten.«

»Was?« Aus tränennassen Augen starrte sie ihn an.

»Weiter, Baby, einer fehlt noch: Randolph Grant – ein Kartenhai, Captain unter Trump. Blond, groß, elegant. Die Weiber fliegen auf ihn. Du wirst auch auf ihn fliegen. Wiederhole.«

Weil er wieder fester zugriff, wiederholte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Randolph Grant, blond, groß, elegant … Ich will nur dich, Billy, nur dich.« Sie küsste ihn.

Plötzlich hob sie den Blick, schien erschrocken. »Den habe ich gesehen.«

»Wen hast du gesehen?«

»Den du zuletzt beschrieben hast, den großen Blonden. Randolph Grant. Er ist am frühen Nachmittag aus der Stadt geritten.«

Billy ließ sie los, schlug sich die Faust in die flache Hand. »Ist der Scheißkerl also tatsächlich nach St. Joseph gekommen!« Ein triumphierendes Lächeln glättete seine sonnenverbrannte und hundertfach zerfurchte Miene. »Grant ist der gefährlichste von allen.«

»Ach ja?« Mary rieb sich den Nacken.

»Immer in der vordersten Reihe geritten, keinem Kampf aus dem Weg gegangen, und schießen kann er wie der Teufel.«

»Das sieht man ihm gar nicht an.« Mary machte eine ungläubige Miene.

Billy packte ihren Kopf und riss ihre Stirn an seine. »Grant muss zuerst weg. Verstehst du das?«

»Natürlich, Billy, ich verstehe.«

»Ihn wirst du zuerst töten.«

»Töten?« Ihre Stimme brach. »Ich?«

»Du, Baby. Wenn du genau tust, was ich dir sage, ist es ganz einfach. Mach dich an ihn ran.«

***

Erst am frühen Abend und nach einem kargen Mahl verließ Rachel Taylor das Missouri Hotel. Vor lauter Aufregung hatte sie kaum einen Bissen heruntergebracht.

Sie erklärte sich ihre innere Unruhe mit den Reisestrapazen, mit der fremden Stadt und den merkwürdigen Menschen, die sie von ihrem Zimmerfenster aus die Mainstreet hinauf und herunter hatte laufen und reiten sehen.

Die vielen Cowboys machten ihr ein wenig Angst. Sie gebärdeten sich laut, spuckten Kautabak aus, wo sie gerade gingen oder ritten und galoppierten rücksichtslos durch den Straßenstaub. Einige guckten und pfiffen ungeniert den Frauen hinterher. Auf den Straßen von Washington benahm man sich entschieden gesitteter.

Sie fragte sich nach dem Telegrafenamt durch und schickte ein Telegramm nach Washington, um ihrem Vater ihre Ankunft in St. Joseph zu melden. In einer lutherischen Kirche dankte sie anschließend ihrem Gott für die behütete Reise.

Natürlich versäumte sie nicht, für die vielen Menschen zu beten, die ihr am Herzen lagen, vor allem für Mary und, ja – für Randolph Grant. Jesus Christus möge Randy beschützen und seine Seele retten, betete sie, und der Herr möge auch nicht vergessen, ihr Randy Grant bald wieder über den Weg zu schicken.