Lassiter Sammelband 1809 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1809 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2308, 2309 und 2310.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

2308: Flucht aus Virginia City
Das Brautkleid war mit einem halben Dutzend Juwelen besetzt, die Bessie Brown ebenso wenig beeindruckten wie der Schleier aus französischer Seide. Die junge Missourierin betrachtete sich in dem großen Standspiegel und kämpfte gegen die Tränen an.
"Kleines?" Die Stimme der Gouvernante hatte ihren gewohnt lieblichen Klang, dessen mütterliche Wärme nicht zu dem .44er Dragoon-Kavalleriecolt passen wollte, der in Bessies Händen lag. Der schwarze Stahllauf glänzte wie poliertes Ebenholz und ruhte auf ihrem linken Knie.
"Ich komme gleich zu dir!", log Bessie und setzte den Colt an die rechte Schläfe. Sie schloss die Augen und legte den Finger an den Abzug...

2309: Der Zorn der bösen Geister
Die Tür sprang auf und zwei Männer in Latzhosen trugen einen schlaffen Körper in den Saloon. "Wir brauchen einen Doc!", rief derjenige, der vorn ging. Er war so groß, dass er den Kopf einziehen musste, als er ins Lokal trat.
"In Bluff Creek gibt es keinen Doc", sagte Tim Hoffmann. Er stand mit Lee Fisher an der Theke und trank Bier vom Fass. Die rothaarige Frau, die auf der Suche nach einem Freier war, stöckelte um den Tresen herum und beäugte den Bewusstlosen mitleidig. Sie trug einen kurzen Rock, Netzstrümpfe und eine Bluse, unter der üppige Brüste wogten. "Das ist doch Martin Folks", sagte sie. "Was hat das Jungchen denn?"
Ganz plötzlich schlug der Bewusstlose die Augen auf. Sie funkelten irre. "Tod und Teufel!", keuchte er und packte die Frau am Arm.

2310: Der Kutscher
In David Osbornes Erinnerung herrschte düsteres Zwielicht zu der Stunde, in der er seine Familie verlor und seine Berufung fand; ein Zwielicht, wie er es später manchmal vor einem Gewitter erlebte. In Wirklichkeit schien damals die Mittagssonne aus einem wolkenlosen Himmel. Ein Lieutenant mit seiner Familie war eine Stunde zuvor in Fort Atkinson ausgestiegen, und sie saßen nur noch zu fünft in der gelben Concord nach Santa Fé: Dave neben seinem kleinen Bruder Ben, und seine große Schwester Lea auf der Bank gegenüber zwischen den Eltern. Der Vater schlief, die Mutter strickte, Lea und Dave starrten einander mit todernsten Mienen an, und Ben redete lauter lustiges Zeug, um sie zum Lachen zu bringen. Wer als Erster lachte, hatte verloren. Dave war am Tag davor sieben Jahre alt geworden - das letzte Geburtstagsfest im Kreis seiner Familie.

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: Boada/Norma ISBN 978-3-7325-9144-2

Jack Slade

Lassiter Sammelband 1809 - Western

Inhalt

Jack SladeLassiter - Folge 2308Das Brautkleid war mit einem halben Dutzend Juwelen besetzt, die Bessie Brown ebenso wenig beeindruckten wie der Schleier aus französischer Seide. Die junge Missourierin betrachtete sich in dem großen Standspiegel und kämpfte gegen die Tränen an. "Kleines?" Die Stimme der Gouvernante hatte ihren gewohnt lieblichen Klang, dessen mütterliche Wärme nicht zu dem .44er Dragoon-Kavalleriecolt passen wollte, der in Bessies Händen lag. Der schwarze Stahllauf glänzte wie poliertes Ebenholz und ruhte auf ihrem linken Knie. "Ich komme gleich zu dir!", log Bessie und setzte den Colt an die rechte Schläfe. Sie schloss die Augen und legte den Finger an den Abzug...Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2309Die Tür sprang auf und zwei Männer in Latzhosen trugen einen schlaffen Körper in den Saloon. "Wir brauchen einen Doc!", rief derjenige, der vorn ging. Er war so groß, dass er den Kopf einziehen musste, als er ins Lokal trat. "In Bluff Creek gibt es keinen Doc", sagte Tim Hoffmann. Er stand mit Lee Fisher an der Theke und trank Bier vom Fass. Die rothaarige Frau, die auf der Suche nach einem Freier war, stöckelte um den Tresen herum und beäugte den Bewusstlosen mitleidig. Sie trug einen kurzen Rock, Netzstrümpfe und eine Bluse, unter der üppige Brüste wogten. "Das ist doch Martin Folks", sagte sie. "Was hat das Jungchen denn?" Ganz plötzlich schlug der Bewusstlose die Augen auf. Sie funkelten irre. "Tod und Teufel!", keuchte er und packte die Frau am Arm.Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2310In David Osbornes Erinnerung herrschte düsteres Zwielicht zu der Stunde, in der er seine Familie verlor und seine Berufung fand; ein Zwielicht, wie er es später manchmal vor einem Gewitter erlebte. In Wirklichkeit schien damals die Mittagssonne aus einem wolkenlosen Himmel. Ein Lieutenant mit seiner Familie war eine Stunde zuvor in Fort Atkinson ausgestiegen, und sie saßen nur noch zu fünft in der gelben Concord nach Santa Fé: Dave neben seinem kleinen Bruder Ben, und seine große Schwester Lea auf der Bank gegenüber zwischen den Eltern. Der Vater schlief, die Mutter strickte, Lea und Dave starrten einander mit todernsten Mienen an, und Ben redete lauter lustiges Zeug, um sie zum Lachen zu bringen. Wer als Erster lachte, hatte verloren. Dave war am Tag davor sieben Jahre alt geworden - das letzte Geburtstagsfest im Kreis seiner Familie.Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Flucht aus Virginia City

Vorschau

Flucht aus Virginia City

Das Brautkleid war mit einem halben Dutzend Juwelen besetzt, die Bessie Brown ebenso wenig beeindruckten wie der Schleier aus französischer Seide. Die junge Missourierin betrachtete sich in ihrem großen Standspiegel und kämpfte gegen die Tränen an.

»Kleines?« Die Stimme der Gouvernante besaß ihren gewohnt lieblichen Klang, dessen mütterliche Wärme nicht zu dem .44er Dragoon-Kavalleriecolt passen wollte, der in Bessies Händen lag. Der schwarze Stahllauf glänzte wie poliertes Ebenholz und ruhte auf ihrem linken Knie.

»Ich komme gleich zu dir!«, log Bessie und setzte den Colt an die rechte Schläfe. Sie schloss die Augen und legte den Finger an den Abzug.

Vater unser im Himmel …

Der Landstreicher auf dem hölzernen Sidewalk trug eine zerrissene Hose und vor Dreck starrende Leinenhosen. Er lag mit dem Gesicht zur Häuserseite hin, sodass County Sheriff August Wellbroke und seine beiden Deputies nicht sehen konnten, ob er tot war oder nur seinen verdammten Rausch ausschlief.

»Bringt ihn herüber!«, knurrte der Gesetzeshüter und riss sich ein Zündholz an der Schuhsohle an. »Aber gebt Acht, dass er euch keinen Streich spielt!«

Die beiden Männer stapften quer über die Straße, ließen die Hände auf den Coltgriffen und packten den Landstreicher an den Schultern. Der groß gewachsene Fremde mit dem sandblonden Haarschopf wurde nicht einmal wach, als sie ihn vom Fußgängersteg schleiften.

»Verdammter Dreckshund!«, knurrte Wellbroke und zündete sich den Zigarillo an. Er verzog den Mund, spuckte aus und schob sich den Glimmstängel zwischen die Lippen. »Schläft sich tatsächlich auf unseren Straßen aus!«

»Den Kerl kenne ich, Sheriff!«, behauptete einer der Deputies und trat dem Landstreicher in den Rücken. »Sein Name ist Lassiter! Ist erst seit ein paar Wochen in Virginia City! Er hat sich gestern beim Washoe Club herumgetrieben!«

Wellbroke hob den Kopf und starrte die Straße hinauf. Der Washoe Club befand sich gleich neben dem Gerichtsgebäude und zählte zu den vornehmsten Herbergen der Stadt. »Dem Washoe Club? Zum Teufel, wie ist er dort hineingekommen?«

Der Fremde ächzte und hob mühsam den Kopf. Er hielt sich die Seite und rollte auf den Rücken.

»Heiliges Kanonenrohr!«, stieß der Deputy neben ihm hervor. »Seht euch das verfluchte Blut an!«

Der Sheriff ging in die Knie und betrachtete die beiden tiefen Wunden, die unter den Rippen des Landstreichers klafften. Sie konnten nur von einem Messer oder einem Dolch stammen. »Bringt ihn auf die Beine! Ich muss wissen, wer ihm das angetan hat! Ein Ripper in der Stadt hat uns gerade noch gefehlt!«

Die Deputies ergriffen den Fremden erneut unter den Achseln und hievten ihn in die Höhe. Aus der Kehle des Verwundeten drang ein tiefer Seufzer.

»Hörst du mich?«, herrschte Wellbroke den Landstreicher an. »Wer hat dich so zugerichtet? Rede mit mir!«

Statt einer Erwiderung spie der Angesprochene einen Schwall Blut aus. Er sackte in die Arme der Deputies und verlor das Bewusstsein. Wellbroke fasste ihn ungeduldig beim Kinn und drehte ihm den Kopf zur Seite. »Wir schaffen dich zum Doc, wenn du den Mund aufmachst! Wer hat dich abgestochen, Junge?«

Erneut floss Blut von den Lippen des Landstreichers. Er blinzelte erschöpft und zog sich an den beiden Männern, die ihn festhielten, in die Höhe. »Bringen … bringen Sie mich ins North Virginia Mining Bureau! Mr. Todd Burnett wird Ihnen alles erklären.«

»Todd Burnett?«, echote Wellbroke erstaunt. Er dämpfte die Stimme, als sich einige Männer auf der anderen Straßenseite nach ihm umwandten. »Burnett, der Direktor der North Virginia Mining? Was hat ein gottverdammter Herumtreiber wie du mit einem Mann seines Standes zu schaffen?«

Vom anderen Ende der Straße näherte sich ein Pferdefuhrwerk, das unter kräftigen Peitschenhieben vorüberratterte. Die Deputies brachten Lassiter zurück zum Sidewalk und drückten ihn grob gegen die Hauswand.

»Gib dem Sheriff Antwort!«, zischte der Deputy und verpasste dem Verwundeten einen Stoß in die Seite. »Oder sollen wir dich verrecken lassen? Für Gesindel wie dich gibt es in Virginia City keinen Platz! Ein anständiger Mann arbeitet in den Minen oder sitzt hinter einem Schreibtisch!« Er holte zu einem neuerlichen Stoß aus. »Aber er lungert nicht auf den Sidewalks herum!«

»Lass ihn zufrieden, Ben!«, brummte Wellbroke und schritt vor dem Landstreicher auf und ab. »Lassiter, sagst du, sei dein Name? Wahrscheinlicht gibt’s irgendwo ’nen Lassiter Creek oder ’nen Lassiter River, dem du den Namen gestohlen hast! In meiner Stadt leidet niemand ohne Grund.« Er lächelte bissig. »Du musst dich mit den falschen Leuten eingelassen haben.«

Der Fremde öffnete die Augen nun ganz und rieb sich das Blut von den Brauen. Er sah die Deputies an und richtete den Blick auf den Sternträger. »Bringen Sie mich zu Todd Burnett, Sheriff! Er wird für alle Unannehmlichkeiten aufkommen. Er wird mir auch den Doc zahlen.«

Wellbroke fühlte Zorn in sich aufsteigen. Er schätzte es in keiner Weise, dass dahergelaufene Halunken ihm sagten, was er zu tun und zu lassen hatte. »Schon so bei Kräften, dass du mich herumkommandieren kannst? Ich schwöre dir, Freundchen, dass du hinter Gittern verrottest, sobald ich auch nur den kleinsten Makel an deiner Geschichte finde.« Er lächelte dünn. »Diese Stadt ist ein Quell des Reichtums und der Freude. Ich lass mir nicht drauf spucken, verstanden?«

Eine Gruppe Minenarbeiter war auf der Straße stehengeblieben und beobachtete die Deputies und ihren Vorgesetzten. Sie redeten leise miteinander und deuteten verstohlen zu dem Fremden.

»Was gibt’s da drüben zu tuscheln!«, fuhr Wellbroke die Arbeiter an. Er fuchtelte mit der rechten Hand. »Sucht euch ’ne andere Gelegenheit, um euch das Maul zu zerreißen! Ich hab zu tun!« Er wandte sich an die Deputies. »Bringt ihn rüber in die E Street! Mir wird der Auflauf zu viel!«

Die Kräfte des Fremden schwanden wieder und ließen den Landstreicher zusammenbrechen. Die Deputies fassten nach und zogen ihn in die nächste Seitengasse. Als Sheriff Wellbroke wieder bei ihnen war, versetzten sie dem Fremden einige scharfe Ohrfeigen. »Rede endlich, Hurensohn! Der Sheriff will wissen, wer dir die Rippen gekitzelt hat!«

Aus einer der Stichwunden in der Seite floss frisches Blut und lief einem der Deputies über die Hand. Der Gehilfe des Sheriffs wischte sich die Finger an der Hose trocken und spuckte angeekelt aus.

»Wird Zeit, dass wir ihn zur North Virginia Mining bringen!«, meinte Wellbroke und presste ärgerlich die Lippen zusammen. »Aus dem kriegen wir sonst nichts mehr raus. Schlimmer als ein Landstreicher ist ein krepierter Landstreicher!«

Die Deputies pflichteten ihrem Boss mit einem Nicken bei und legten sich die Arme des Verwundeten über die Schulter. »Vorwärts! Liefern wir ihn bei Burnett ab!«

***

Virginia City, zwei Tage früher

Mathilde, die Sekretärin des Coroners im North Virginia Mining Bureau gab einen spitzen Schrei von sich, als Lassiter von Neuem zustieß. Sie lag vornübergebeugt auf den beiden Kisten Mr. Derley’s Soap Powder, die übereinandergestapelt in der Lagerkammer standen, und reckte dem Mann der Brigade Sieben ihre Rückpartie entgegen. Die schöne Kalifornierin mit dem leuchtend roten Haar hatte selbst um das Rendezvous gebeten.

»Still, Liebes!«, hauchte Lassiter und hielt die porzellanweißen Hinterbacken seiner Geliebten umfasst. »Burnett wird uns hören!«

»O Lassiter!«, stöhnte die Sekretärin und keuchte vor Lust. »Mr. Burnett kommt nie vor zwei Uhr zurück. Du hast alle Zeit der Welt, mir … mir die Tore zum Paradies aufzustoßen.«

Die Tore zum Paradies hatten sich für Lassiter schon eine knappe Stunde zuvor geöffnet, als er dem Rotschopf die Kleider vom Leib gerissen hatte. Die Kalifornierin hatte ein Bein um seine Lenden geschlungen und ihn in die Lagerkammer neben ihrem Büro geschoben. Sie hatte ihm heiße Küsse auf den Mund, dann auf den Hals und zuletzt auf den Hosenbund gehaucht. »Gut, dann lehn dich nach vorn! Ich habe noch ein paar Pfeile im Köcher.«

Die schmale Lagerkammer im Gebäude des North Virginia Mining Bureau füllte sich mit den Seufzern der Rothaarigen, die nun ihre Beine so weit spreizte, wie es die beiden Regale zu ihrer Rechten und Linken zuließen. Mathilde nahm den steifen Pint des großen Mannes nahezu vollständig in sich auf und verlangte zitternd nach heftigeren Stößen.

Lassiter kam der Bitte seiner Geliebten natürlich gerne nach. Er hatte seit Wochen keine Frau mehr gehabt und spürte die heiße Begierde in den Lenden, die jeden Mann zum Tier werden ließen. Er starrte auf den schmalen Rücken der Sekretärin, der sich schlangenförmig vor ihm hin und her wand, griff die zierlichen Hüften und setzte zum Endspurt an.

Nach einer Weile kam es ihnen zur gleichen Zeit. Sie stöhnten vor gegenseitiger Erregung und klammerten sich aneinander, bis sich Lassiter mit mächtigen Schüben in Mathilde entlud.

»Halleluja«, flüsterte die Sekretärin und warf den Kopf herum. Sie hatte ein gerötetes Gesicht. »Du nimmst mich besser als jeder Mann zuvor. Ich wette darauf, dass du es mit einer Menge Frauen treibst.«

»Keine war so schön wie du«, erwiderte Lassiter mit einem Lächeln. Er schloss den Gürtel und legte das Holster mit dem.38er-Remington um. »Aber jetzt muss ich muss mit Burnett sprechen, Kleines. Ich bin seinetwegen aus Carson City gekommen.«

Mathilde streifte das Kleid wieder über die Schenkel und brachte ihr Haar in Ordnung. Sie schob die Tür zum Büro ein Stück auf und sah nach dem Rechten. »Er hat am Nachmittag ein Gespräch mit den Bossen der Consolidated Virginia Mining.«

Vom hölzernen Sidewalk auf der Straße drangen schwere Stiefeltritte heran. Die Silhouette eines Mannes erschien im Glaseinsatz der Tür und verharrte davor, bis das Klappern eines Schlüsselbundes zu vernehmen war.

»Zwei Uhr?«, brummte Lassiter und deutete mit dem Kinn zur Standuhr in der Ecke. »Um ein Haar wären wir ertappt worden.«

»Burnett ist nie vor zwei Uhr zurück«, wisperte die Sekretärin und verschwand hinter ihrem Schreibtisch. Sie kramte geschäftig nach ihrem Nasenkneifer. »Irgendetwas in der Stadt muss ihm die Laune verhagelt haben.«

Der Mann der Brigade Sieben konnte sich nur allzu gut vorstellen, was dem Direktor des North Virginia Mining Bureau auf den Magen geschlagen war. Das Telegramm aus Washington, das Lassiter in Carson City erhalten hatte, war in scharfem Ton verfasst worden. Es musste in dem Auftrag um die Granden der Erzminen in Virginia City gehen.

»Mahlzeit, Mathilde!«, grüßte Burnett und trat in den Raum. Er war ein mittelgroßer Mann mit schütterem Haar und schlechtsitzender Weste. »Mir ist nicht danach, am Nachmittag die Herren von Consolidated Virginia Mining zu sehen.« Er starrte verständnislos zu Lassiter. »Wer sind Sie? Wollen Sie zu mir?«

»Lassiter, Sir«, sagte der Mann aus Carson City. »Mein Name ist Lassiter.« Er zog das Telegramm der Brigade Sieben aus der Tasche und reichte es Burnett. »Sie müssen von meiner Ankunft Kenntnis haben.«

Der Direktor des North Virginia Mining Bureau blickte Lassiter prüfend an und schritt auf sein Büro zu. Er hielt seinem Gast die Tür auf und seufzte. »Treten Sie ein, Mr. Lassiter! Ich hatte nicht damit gerechnet, derart rasch Ihre Bekanntschaft zu machen.«

Die geschmackvolle Einrichtung von Burnetts Büro ließ darauf schließen, dass Lassiter es mit einem kultivierten und gebildeten Gesprächspartner zu tun hatte. Über dem Schreibtisch an der Wand hing ein Ölgemälde von Sitting Bull, daneben ein polierter Dragonerdegen und ein gerahmter Brief des Präsidenten. »Gehören die Stücke Ihnen, Sir? Äußerst ungewöhnlich für das North Virginia Mining Bureau.«

Burnett ließ ein trockenes Lachen vernehmen und bot Lassiter einen Stuhl an. »In Nevada gibt es einige ungewöhnliche Dinge. Ich möchte nicht den ganzen Tag auf Fördertürme und Erzschmelzen starren.« Er trat unter das Ölgemälde und sah zu ihm hinauf. »Sitting Bull erinnert mich jede Stunde daran, dass wir in diesem Land nur Gäste sind. Ich bin ihm vor einigen Monaten begegnet. Er ist ein weiser Mann.«

Die beiden Männer nahmen an dem großen Besprechungstisch Platz, von dem der Raum dominiert wurde, und kamen gleich auf Lassiters Auftrag zu sprechen. Burnett legte ein Kuvert mit dem Siegel des Justizministeriums vor sich ab.

»Was haben Sie für mich?«, fragte Lassiter und schob das Telegramm aus Carson City in die Westentasche zurück. »Aus Washington scheint ein scharfer Wind zu wehen.«

»Washington schlottert vor Angst«, meinte Burnett und schob das Kuvert zu Lassiter herüber. »Man fördert derzeit in Virginia City die Hälfte des nationalen Silberaufkommens. Ich muss Ihnen nicht sagen, was es für die Handelsbörsen in New York und London bedeuten würde, käme es zum Zusammenbruch einer der großen Minengesellschaften in der Stadt.«

Mit zwei Fingern hob Lassiter die Lasche des Kuverts an und spähte darunter hindurch. »Steht eine Gesellschaft vor dem Bankrott?«

»In der Tat«, bejahte Burnett mit ernstem Gesichtsausdruck. »Die O’Neal Mine erwirtschaftet seit Jahren ernste Verluste, ist jedoch im Besitz einer erheblichen Anzahl von Schürfrechten. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass der Auktionshammer für Herman O’Neal fällt.«

»Die Mine wird versteigert.«

Der Direktor beugte sich nach vorn und legte die Hände ineinander. Er blies stoßweise den Atem zwischen die Finger. »Eine Versteigerung würde das sorgsame Gleichgewicht der Minen auf der Comstock Lode ins Wanken bringen. Es würde ein Hauen und Stechen um Schürfrechte einsetzen, in deren Verlauf der Silbermarkt wie ein Kartenhaus einstürzen könnte. Die Regierung möchte keine Unruhe in Zeiten wie diesen.«

Schweigend griff Lassiter nach dem Kuvert und öffnete es. Es enthielt eine Kollodiumplatte mit dem Konterfei einer jungen Frau, eine Reihe von Geheimpapieren und eine Urkunde der National Liquor Association. »Wie kann ich der Brigade Sieben helfen, Mr. Burnett? Wer ist diese Frau?«

Burnett reckte den Hals, um einen Blick auf die Kollodiumplatte zu erhaschen. »Die Photographie zeigt eine Frau namens Bessie Brown. Sie ist eine Chansonnière aus Missouri und hat jüngst eine Stellung in Piper’s Opera House angetreten.«

Die Frau auf der Kollodiumplatte hatte mit gleichgültiger Miene in die Kamera geblickt. Sie trug einen aufwendigen Kopfschmuck aus getriebenem Silber, an dem eine Feder angebracht war. »Bessie Brown?«

»Ganz recht«, sagte Burnett und nickte. »Sie ist die mutmaßliche Verlobte von Herman O’Neal und ist gewiss über dessen Pläne eingeweiht. Es ist uns zugetragen worden, dass er die O’Neal Mine anstecken wird, um die Versicherungssumme zu kassieren.«

Unschlüssig drehte Lassiter die Kollodiumplatte hin und her. »Aus welchem Grund schnappen wir uns nicht O’Neal selbst?«

»Diskretion, Mr. Lassiter«, lautete Burnetts Antwort. »Diese Operation muss unter größter Vorsicht und völliger Geheimhaltung verlaufen. Sie werden diese Frau über die Staatsgrenze nach Kalifornien bringen. Ms. Brown wird von den hiesigen Agenten verhört und anschließend außer Landes gebracht werden.«

Auf Lassiters kantigen Zügen erschien ein schmales Lächeln. »Um ihretwillen möchte ich hoffen, dass sie in diesen Plan eingeweiht ist.«

»Sie hat keinen blassen Schimmer davon, was ihr bevorsteht«, erwiderte Burnett kühl. Er deutete auf die Urkunde unter Lassiters Hand. »Die Berechtigung der National Liquor Association wird Ihnen Zutritt zu Piper’s Opera House verschaffen. Sie müssen diese Frau binnen Wochenfrist nach Kalifornien bringen.«

Der Mann der Brigade Sieben trommelte mit zwei Fingern auf den Rand der Kollodiumplatte. »Ich habe verstanden, Sir.«

***

Flink wie der Wind sprang der elfjährige Thomas Brown über die Straße und zwängte sich durch den schmalen Fensterspalt ins Innere des Piper’s Opera House. Er hatte Ruß und Öl im Gesicht, den ihm die Arbeiter im Depot der Virginia & Truckee Railroad auf die Wangen geschmiert hatten, und wusste, dass seine Schwester Bessie darüber alles andere als begeistert sein würde. Sie sah Thomas am liebsten frisch gebadet und parfümiert, sodass er umgehend zur Sonntagsschule konnte.

»Wo ist Bessie?«, fragte Thomas eine vorübereilende Tänzerin. Die Sechs-Uhr-Vorstellung im Opernhaus war stets bis zum letzten Platz gefüllt. »Hast du sie gesehen?«

»Bessie ist in ihrer Garderobe!«, hauchte das Mädchen und berührte Thomas flüchtig am Arm. Als es mit fliegenden Röcken davonstob, wünschte sich der Junge abermals, dass ihn die Tänzerinnen endlich wie einen Mann behandelten.

»Thomas!«

Die Verärgerung seiner zwölf Jahre älteren Schwester war bereits in der ersten Silbe zu hören. Sie verknappte den Namen zu einem strafenden Th-mass!, das ihn an die stampfenden Kolben der Dampfmaschinen oben an der Comstock Lode erinnerte.

»Was ist los?«, verwahrte sich Thomas und verschränkte die Arme vor dem Körper. »Ständig mäkelst du an mir herum!«

Seine Schwester stand vor dem Spiegel und probierte soeben einen neuen Hut an. Sie trug ihre schwarze Korsage, deren Schnürung festzuziehen stets Thomas’ Aufgabe war, und wandte sich halb nach ihm um. Sie hatte den gleichen strengen Blick wie Mutter, doch solche Gedanken behielt Thomas lieber für sich.

»Du treibst dich herum«, sagte Bessie und kniff die Lippen zusammen. »Du magst alt genug für solche Streifzüge sein, aber sie gefallen mir trotzdem nicht.«

Seufzend ließ sich Thomas auf den Stuhl neben der Tür fallen, auf dem seine restlichen Sachen hingen. Bessie hatte sie gewaschen und gebügelt; sie lagen für die Sonntagsschule von Reverend Pinckney bereit. »Die Bullion hat einen neuen Vorarbeiter. Er kommt aus Arkansas und hat riesige Hände.«

Ruhig und konzentriert zeichnete Bessie ihren Lidstrich und spitzte dabei die Lippen. Sie sah mit all der Schminke gute zehn Jahre älter aus, fand Thomas, aber auch diese Beobachtung zählte zu den Dingen, die er seiner Schwester lieber verschwieg.

»Reverend Pinckney war bei mir«, sagte Bessie und warf Thomas durch den Spiegel einen Blick zu. »Er meinte, dass du in Geometrie und Algebra üben solltest. Er ist besorgt darüber, dass du in der Sonntagsschule so müde bist.«

Thomas sprang auf und nahm seiner Schwester den Lidstift ab. Er legte ihn zu dem übrigen Schminkkram auf dem Beistelltisch und setzte sich neben Bessie auf den Boden. »Wozu soll ich Algebra brauchen? Oben in den Minen werden Männer mit Kraft und Fleiß gesucht. Ich brauch’ nicht viel, um in Virginia City Arbeit zu finden.«

Bessie legte das Rouge zur Seite und ging neben ihm in die Knie. Sie blickte ihn aus ihren smaragdgrünen Augen an, von denen Thomas früher gedacht hatte, dass sie auch einer Sirene oder einer Meerjungfrau gut zu Gesicht gestanden hätten. Ein beklommener Ausdruck trübte Bessies Züge. »Wie oft muss ich dir noch sagen, dass ein gescheiter Junge nichts in den Minen verloren hat?«

»Ein kluges Mädchen in Piper’s Opera House auch nicht!«, versetzte Thomas trotzig. Er kehrte zu seinem Stuhl zurück und wischte sich den Ruß ab. »Du singst jeden Abend Chansons vor geifernden Männern!«

»Sei auf der Stelle still!«, wies Bessie ihn zurecht. »Es sind die Dollars dieser Männer, die dich und mich am Leben erhalten.«

Thomas zog eine Grimasse und säuberte die Hände. »Wäre Mutter noch, würdest du nicht singen! Sie hätte es dir verboten!«

Auf der Treppe erklangen schwere Tritte, die rasch lauter wurden und vor der Garderobenkammer verstummten. Ehe seine Mutter etwas sagen konnte, schnellte Thomas in die Höhe und schloss die Tür auf.

Vor der Kammer stand Herman O’Neal. »Was soll das Geschrei, Bessie? Lungert der Bengel schon wieder bei dir herum?«

O’Neal war ein massiger Mann von über fünfzig Jahren, dessen Augen fast unter seinen faltigen Lidern verschwanden. Er hatte rötliche Bartstoppeln, die Thomas irgendwie an Schweineborsten erinnerten.

»Du bist früh, Herman«, sagte Bessie von der Garderobe aus. Sie machte sich wiederum an ihrer Rougedose zu schaffen. »Ich muss noch eine Show singen.«

»Ist nichts Neues!«, brummte O’Neal und ließ sich seufzend auf den Diwan fallen. Er starrte mit leerem Blick zu Thomas und verfinsterte das Gesicht. »Es schadet meinem Ruf, wenn sich der Kleine überall herumtreibt. Du bist meine Verlobte, Bess. Du musst dich entsprechend verhalten.«

Bessie warf Thomas einen strengen Blick zu und setzte den Rougeschwamm an die Wange. Sie frischte das Rot um einige Nuancen auf und verfiel in den unterwürfigen Ton, den sie – wie Thomas wusste – nur in O’Neals Anwesenheit benutzte. »Verzeih mir, Herman. Ich werde mir Thomas zur Brust nehmen, sobald du uns wieder allein lässt.«

Der Elfjährige wusste aus Erfahrung, dass es dazu nicht kommen würde. Die Verlobung seiner Schwester und des dreißig Jahre älteren O’Neal war eine Scharade, die jeder in der Stadt durchschaute. Außer O’Neal selbst, der stur daran glauben wollte, dass ihm Bessie ihr Herz geschenkt hatte.

»Unsere Hochzeit findet am ersten Oktober statt«, verkündete O’Neal unvermittelt und stand auf. Er trat von hinten an Bessie heran und blickte sie im Spiegel an. »Sieh zu, dass du bis dahin ein Kleid bekommst. Ich lasse es mit Juwelen besticken.«

Verwundert wandte sich Bessie zu ihm um. »Am ersten Oktober schon? Aber du wolltest uns ein halbes Jahr Zeit geben? Unsere Hochzeit soll ein wundervoller Tag werden.«

O’Neal winkte unwirsch ab. »Die Dinge haben sich geändert, Bessie. Ich muss dich auf schnellstem Wege heiraten. Es würde mich den Ruf kosten, stünde ich in den nächsten Wochen ohne Ehefrau da.«

Die Chansonnière lächelte und zupfte sich das Haar zurecht. Sie sah zu Thomas, der O’Neal aufmerksam lauschte. »Jedermann in Virginia City kennt dich als Witwer. Eine frühe Hochzeit macht uns zum Gespött der Leute.« Sie drehte sich zu O’Neal. »Man wird sagen, dass du es nicht abwarten kannst, deinen jungen Fang an Land zu ziehen.«

»Steck deine Nase nicht in Angelegenheiten, die dich nichts angehen«, knurrte O’Neal verstimmt und kehrte zum Diwan zurück. Er zog einen Stift aus der Westentasche und schrieb etwas in seinen Block. »Ich werde dir fünftausend Dollar bereitlegen lassen. Du wirst das teuerste und schönste Kleid kaufen, das sich in Virginia City finden lässt.« Er maß Thomas und Bessie mit einem scharfen Blick. »Der Junge wird sich benehmen, bis diese Hochzeit in trockenen Tüchern ist.«

Ein verblüfftes Lächeln schob sich auf Bessies volle Lippen. Sie drehte sich zum Spiegel zurück und setzte erneut das Rougeschwämmchen an. »Du wirst keinen Grund zur Klage über Thomas haben. Er ist ein kluger Junge. Er wird weder dich noch mich bloßstellen.« Sie hielt inne. »Nicht wahr, Thomas?«

Der Knabe schürzte die Lippen und sann einen Augenblick über seine Antwort nach. Es schien ihm das Beste zu sein, Bessie vorerst nicht in die Parade zu fahren. Er wusste, dass seine Schwester ein gutes Gespür für die richtigen Entscheidungen hatte.

»Bring ihm Benehmen bei«, gab sich O’Neal verdrießlich. »Mehr verlange ich nicht, Bessie.«

***

Die samtige Stimme der Bühnensängerin erfüllte den Saal des Piper’s Opera House wie ein schwerer Parfümduft, der langsam durch das Publikum wogte und für verzückte Gesichter sorgte. Das Chanson klang leicht und schwermütig zugleich, als hätte jemand zwei Drinks gemischt, die sich in ihrer Widersprüchlichkeit vortrefflich ergänzten. Auf dem Piano am Bühnenrand spielte ein junger Schwarzer.

»Zwei Scotch«, bestellte Lassiter und wandte den Blick nicht von der Sängerin auf der Bühne ab. Sie glich der Frau auf der Kollodiumplatte, die er im Kuvert der Brigade Sieben gefunden hatte, bis aufs Haar. »Wie heißt die Dame dort vorn?«

»Bessie Brown«, erwiderte der Kellner in ehrfurchtsvollem Ton. Er räumte die Gläser der vorherigen Gäste ab. »Sie ist aus Missouri zu uns gekommen. Eine überaus begabte junge Frau, wenn Sie mich fragen, Sir.«

Der Bedienstete verschwand und kehrte einige Minuten darauf mit zwei Gläsern Scotch zurück. Er setzte die Drinks vor Lassiter ab und wischte den Tisch trocken. »Wünschen Sie sonst noch etwas?«

Der Mann der Brigade Sieben lehnte sich im Stuhl zurück und lauschte einen Augenblick lang Bessie Browns Gesang. Er hatte Burnett sein Wort gegeben, dass er mit der nötigen Diskretion vorgehen würde, und beabsichtigte nicht, daran etwas zu ändern. »Ich würde nach der Darbietung gern mit Ms. Brown sprechen. Ich arbeite für die National Liquor Association.«

Schweigend schob Lassiter die Urkunde über den Tisch, die ihn als offiziellen Gesandten der Association auswies. Die Tarnung war gut gewählt, wenn man bedachte, dass die meisten Vergnügungsetablissements die National Liquor fürchteten wie der Teufel das Weihwasser. Ein Wort der Gesellschaft konnte genügen, um ein Lokal von sämtlichen Lieferungen der großen Spirituosenhändler abzuschneiden.

»Für die National Liquor?«, wiederholte der Kellner und deutete eine Verbeugung an. »Die Drinks gehen selbstverständlich aufs Haus, Sir. Ich werde sehen, was ich in Ihrer Sache ausrichten kann.«

Der Kellner eilte zum Tresen zurück und winkte einen älteren Mann heran, von dem Lassiter annahm, dass es sich um den Besitzer John Piper handelte. Der Ältere entfachte einen heftigen Wortwechsel und begab sich im Anschluss selbst zu seinem besonderen Gast. »John Piper ist mein Name, Sir! Ich möchte sichergehen, dass Sie sich rundum wohl in Piper’s Opera House fühlen.«

Das Chanson auf der Bühne neigte sich dem Ende zu und verklang im tosenden Jubel der übrigen Anwesenden. Bessie Brown bedankte sich mit zarter Stimme und ging mit gesenktem Kopf ab.

»Sie haben nichts von mir oder der National Liquor zu befürchten, Mr. Piper«, versicherte Lassiter und lächelte freundlich. »Ich möchte lediglich mit Ms. Brown sprechen. Sie wäre eine hervorragende Botschafterin für die Sache der Association.«

»Zweifelsohne, zweifelsohne!«, rief Piper aus. Er war noch immer sichtlich nervös. »Sie steht bis zum Winteranfang bei mir unter Vertrag, wird sich danach aber gewiss über ein neuerliches Engagement freuen.« Er stützte sich mit beiden Armen auf den Tisch. »Kommen Sie, Mr. Lassiter! Ich werde Sie selbst zu dieser famosen Künstlerin führen. Sie ist eine Seele von Mensch.«

Der Opernhausbesitzer ging hoch erhobenen Hauptes voraus und brachte Lassiter an eine Seitentür, die zu einem Gang hinter der Bühne führte. Einige Tänzerinnen huschten mit neugierigen Blicken an Piper und seinem groß gewachsenen Begleiter vorbei, um gleich darauf mit leichtfüßigen Pirouetten auf der Bühne zu erscheinen. Das Saalpublikum hob träge zu neuem Applaus an.

»Nichts erfreut diese hart arbeitenden Männer mehr als das schwache Geschlecht«, meinte Piper und zählte die Zimmernummern durch. »Es ist ihnen nicht zu verübeln. Die Minen der Comstock Lode sind ein hartes Pflaster. Ein einziger Tag kann über Reichtum oder Bankrott entscheiden.«

Vor der Tür zur Kammer No. 23 blieb Piper stehen und klopfte an. Er presste das Ohr ans Holz und strahlte vor Glück, als Bessie Brown ihn hereinbat. Die Chansonsängerin saß auf einem Schemel vor ihrem Schminkspiegel und nahm soeben den Federschmuck vom Kopf. »Was ist los, John? Ich bin müde und möchte bald zu Bett.«

»Meine Teuerste!«, rief Piper aus und öffnete die Arme. »Wie wundervoll du gesungen hast! Eine wahre Wonne für jedes Ohr!« Er wandte sich halb zu Lassiter um. »Ich möchte Dir einen Repräsentanten der National Liquor Association vorstellen. Er möchte dich für ein anderes Engagement gewinnen.«

Von seinem Platz an der Tür aus konnte Lassiter lediglich das volle blonde Haar der Chansonnière sehen. Bessie warf es zur Seite, als sie sich zu ihm umdrehte, und stand mit einer geschmeidigen Bewegung aus. Unter ihrem leichten Morgenmantel schimmerten eine Korsage und Netzstrümpfe aus feinem Damast. »Sie kommen von der National Liquor Association? Was verschafft uns die Ehre Ihres Besuches, Mister?«

Die wiegenden Hüften der Chansonsängerin beanspruchten Lassiters Aufmerksamkeit einige Sekunden länger, als es angemessen gewesen wäre. Er räusperte sich und blickte Bessie in die Augen. »Diese Angelegenheit sollte unter vier Augen besprochen werden, Ma’am. Ich möchte Mr. Piper nicht in Verlegenheit bringen.«

Der Besitzer des Opernhauses hob die Brauen und stolzierte vor dem Schminkspiegel auf und ab. Er schien unschlüssig zu sein, ob er Bessie allein lassen sollte. »Was meinst du, liebste Bessie? Ich bin sicher, Mr. Lassiter könnte auch am Morgen wiederkommen.«

»Nein, John, nein.« Bessie winkte ab und knotete den Morgenmantel zusammen. »Die National Liquor sollte man nicht warten lassen, oder? Die Association vertritt eine große Zahl an bedeutenden Spirituosenhändlern.«

»Wie du meinst«, erwiderte Piper mit sichtlicher Enttäuschung. Er schritt zur Tür und blieb davor stehen. »Falls es Ihnen keine Umstände macht, Mr. Lassiter, gönnen Sie Ms. Brown einige Stunden Ruhe, sobald alles Nötige besprochen ist.« Er lächelte dünn. »Sie ist eine vielbeschäftigte Frau und obendrein in ihren Hochzeitsvorbereitungen.«

»Selbstverständlich, Mr. Piper«, gab Lassiter zur Antwort. Er nickte Bessie höflich zu. »Ich werde Sie nicht länger als nötig belästigen, Ma’am.«

Straffen Schritten verließ Piper die Garderobe und entfernte sich durch den Gang, durch den er und Lassiter gekommen waren. Sowie die Tür ins Schloss gefallen war, gab Bessie einen erleichterten Seufzer von sich. »Von Zeit zu Zeit kann John einem mit seiner Beflissenheit auf die Nerven fallen. Er ist um jedes Mädchen in seinem Haus besorgt.« Sie musterte Lassiter einen Moment lang. »Was darf ich Ihnen anbieten?«

»Whiskey«, meinte Lassiter und dachte an den schlechten Scotch, den man ihm im Saal serviert hatte. »Wohnen Sie im Piper’s?«

»Gott bewahre«, sagte Bessie und nahm eine der Flaschen vom Tisch. »Ich besitze ein Zimmer drüben im International.«

Sie füllte zwei Gläser und reichte eines davon Lassiter.

»Cheers«, prostete der Mann der Brigade Sieben ihr zu.

***

Schon aus der Ferne sah Herman O’Neal, dass die klein gewachsene Gestalt neben der zweistöckigen Erzmühle nichts auf dem Gelände der O’Neal Mine zu suchen hatte. Er folgte seinem Vorarbeiter Christopher Johnson, der zügigen Schrittes auf das Mühlenhaus zulief. Der knirschende Lärm der Mühle übertönte die tiefe Stimme des Minenbesitzers beinahe. »Wo hast du ihn gefunden, Chris? Wieder an der Mühle?«

»An der gleichen Stelle wie letzten Mittwoch«, rief Johnson zurück. Er war ein schlaksiger Mann von fast sechs Fuß hohem Wuchs und die treueste Seele, die O’Neal sich für diesen Posten wünschen konnte. »Er treibt sich dort herum, seit er den Passierschein von Bessie hat.«

»Verdammter Passierschein!«, knurrte O’Neal und verfluchte im Stillen, dass er ihn für Bessie hatte ausstellen lassen. Die Chansonnière verschlug es ohnehin kaum zur O’Neal Mine, und ihr verfluchter Bastard machte nichts als Ärger. »Wie lange steht er schon dort?«

»Zwei oder drei Stunden«, meinte der Vorarbeiter und schwenkte auf den schmalen Pfad zwischen den beiden Erzspeichern des Nordclaims ein. »Ich habe ihm gesagt, er soll seinen kleinen Arsch nicht von der Stelle rühren. Ich hab ihm bestimmt eine Heidenangst eingejagt.«

Verdient hatte es der Knilch sicherlich, dachte O’Neal und hielt Schritt mit Johnson. Er hätte sich nie mit Bessie verloben dürfen, solange der Verbleib des Jungen ein unausgesprochenes Tabu zwischen ihnen war. Der Minenbesitzer wusste, wie viel der Knabe Bessie bedeutete. Sie hatte ihn bisher überallhin mitgenommen, als wäre sie seine Mutter und nicht seine Schwester. Dem Jungen tat diese Fürsorge nicht gut, und ihm, O’Neal, ging Bessies Anhängsel erst recht gegen den Strich.

»Was hast du hier zu suchen?«, stieß Johnson hervor, als sie auf den Jungen zuliefen. Thomas hatte sich auf einen Stapel Holzschwellen gesetzt, der für die Lorenbahn hinüber zum Margery-Stollen gedacht war. »Schnüffelst du herum? Oder plagt dich die Langeweile? Es ist verdammt noch einmal fünf Uhr am Morgen!«

Der Junge blinzelte zu den Bergkämmen hinauf, hinter denen sich das erste Morgenrot zeigte. Er trug den zerlumpten Anzug, den Bessie stets aufs Neue für ihn wusch und der Thomas allmählich zu eng wurde.

»Gib uns eine Antwort«, fügte O’Neal in ruhigem Ton hinzu. »Ich kann’s nicht mehr ertragen, dich bei deiner Schwester abzuliefern.«

Die Erzmühle hinter der angrenzenden Wand zerschmetterte einen größeren Erzbrocken und gab ein kreischendes Geräusch von sich. Der Junge sank in sich zusammen und wagte nicht, O’Neal anzusehen. »Bin seit Mitternacht hier. Ich wollte die Tagesfuhre sehen, die in die Mühle gekippt wird. Hab’ gehört, dass ihr es erst in den Abendstunden macht.«

»Wo hast du das aufgeschnappt?«, donnerte Johnson und trat auf den Jungen zu. Er trat mit dem Stiefel gegen den Schwellenstapel. »Von unseren Leuten hat’s dir bestimmt keiner gesagt. Ein verfluchter kleiner Spion bist du!«

Ängstlich hielt der Junge die Arme vor das Gesicht und lugte darunter hervor. Er wischte sich Öl und Ruß von der Wange und starrte mit einer Mischung aus Furcht und Trotz zu O’Neal. »Mich interessiert’s, was ihr in der Mine macht! Ich werde eines Tages für euch arbeiten, darauf könnt ihr euch verlassen!«

Einen Augenblick lang wusste O’Neal nicht, ob er angesichts der Frechheit des Knaben lachen oder zornig sein sollte. Er entschied sich für Ersteres und legte Johnson die Hand auf die Schulter. »Sieh nach den Männern in der Mühle! Wer herumlungert, kriegt ’nen verfluchten Vierteldollar vom Tageslohn abgezogen!«

Widerwillig fügte sich Johnson. »Ist gut, Boss. Ich seh nach. Aber ich würde dem Kleinen am liebsten den Hintern versohlen.« Er schüttelte den Kopf. »So was hab ich meinen Lebtag noch nicht erlebt!«

Der Vorarbeiter trottete davon und ließ O’Neal mit dem Jungen allein zurück. Der Minenbesitzer beschloss für sich, dass Thomas zunächst über Bessie aushorchen würde, ehe er sich eine Strafe für ihn überlegte.

»Sir«, sagte der Junge und senkte den Kopf. Er nahm den Hut ab und drehte ihn verlegen zwischen den Fingern. »Es tut mir leid, dass ich auf der Mine herumstreune. Eines Tages möchte ich für Männer wie Sie arbeiten. Ich will meine eigenen Dollars verdienen, wissen Sie?«

O’Neal sann einen Augenblick nach und machte einen tiefen Atemzug. »Weiß schon, was du willst, Kleiner. Ich wollte in deinem Alter auch hinaus in die Welt. Du bist elf Jahre alt. In ein paar Jahren wirst du arbeiten wie ein Erwachsener.«

»So ist es, Sir«, pflichtete Thomas bei. Er schaukelte mit den Beinen. »Meine Schwester hält mich für ein Kind. Ich dürfte keinen Schritt mit ihrer Erlaubnis gehen.«

Um O’Neals schmale Lippen spielte ein Lächeln. »Wo steckt deine Schwester? Hat sie etwas zur Heirat gesagt?«

»Keinen Ton, Mr. O’Neal«, lautete die Antwort des Jungen. »Sie hat gar nichts zu mir gesagt, als sie weg waren. Ich schätze, es ist ihr unangenehm. Ich rede mit ihr über alles, aber nicht über die Hochzeit.«

»Musst du auch nicht, Junge«, murmelte O’Neal mit starrem Gesicht. Sein Plan schien nicht aufzugehen. »Ich werde bloß nicht schlau aus deiner Schwester. Sie ist ein richtiges Frauenzimmer, mit allen Geheimnissen, die man ihnen stets nachsagt.«

Aus der Erzmühle schallte erneut das Knirschen und Bersten der Gesteinsbrocken herüber. Der Junge lauschte und seufzte. »Aber ein Mann war bei mir! Einer von der National Liquor Association! Mir hat’s eine Tänzerin erzählt.« Er legte den Kopf schief. »Wäre möglich, dass Bessie bald nach Kalifornien muss.«

O’Neal spürte plötzlich einen Kloß im Hals. »Was für ein Kerl? Hast du ihn gesehen? War er in ihrer Garderobe?«

»Bin nicht zu ihm reingegangen«, meinte der Junge und schwieg einen Augenblick lang. »Die Tänzerin sagte zu mir, dass er groß und gutaussehend war. Könnte ein Revolverschwinger gewesen sein, hat sie noch gesagt. Er sah nicht wie ein Minenarbeiter aus.«

Jäh fuhr O’Neal in die Höhe und legte die Hand auf die Brust. Er fühlte sein pochendes Herz unter der Haut und ging vor dem Jungen auf und ab. Ein Nebenbuhler hatte ihm gerade noch gefehlt. »Wie lange war er da? Was weißt du noch über ihn?«

»Nichts weiter«, sagte Thomas arglos. »Außer vielleicht, dass sie rüber ins International gegangen sind. Sie müssen sich über Bessie keine Gedanken machen, Sir.«

Der Minenbesitzer wirbelte herum und packte den Jungen am Kragen. Er riss ihn die Höhe und hielt ihn fest. »Über wen ich mir Gedanken machen und über wen nicht, das geht dich nichts an, verstanden? Ins International, ja? Bist du sicher?«

Der Elfjährige nickte angsterfüllt und sträubte sich gegen O’Neals schraubzwingenhaften Griff. »Sie sind beide durch die Hintertür hinaus. Ich hab sie zum International laufen sehen!«

O’Neal ließ den Jungen los und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. »Scher dich zu Johnson! Du bleibst bei ihm, bis ich zurück bin.«

***

Der matte Schein der Wandlampen im Salon des Hotels International tauchte das Gesicht von Bessie Brown in einen warmen Bronzeton. Die Chansonnière hatte seit einer halben Stunde ununterbrochen geredet und ihrem groß gewachsenen Begleiter erzählt, dass sie Missouri im Herzen nie verlassen hatte.

»Die Bäume am Mississippi duften nach Rauch und Regen«, schwärmte Bessie und beugte sich nach vorn. »Es ist wundervoll, wissen Sie? Die Schaufelraddampfer kommen durch den Morgennebel, das Horn schallt und am Ufer herrscht reges Treiben. Es ist ein wundervoller Ort zum Leben.«

Die beiden Gläser auf dem Tisch waren zur Hälfte geleert. Sie hatten jeder einen Kentucky Bourbon geordert, der in der Kehle brannte und die Zunge lockerte.

»Weshalb sind Sie dann nach Nevada gegangen?«, fragte Lassiter und betrachtete Bessies ebenmäßige Züge. »Sie hätten in Missouri bleiben können.«

Die Chansonsängerin kreiste mit dem Finger um ihr Bourbonglas und blickte erst nach einer Weile zu ihrem Gesprächspartner auf. »Des bloßen Geldes wegen bin ich nach Virginia City gegangen. Das Honorar für das Engagement im Piper’s ist ausgesprochen gut. Ich muss auch für meinen Bruder sorgen.«

»Der Junge von den Minen?«, fragte Lassiter. »Er ist ihr Bruder?«

Traurig blickte Bessie auf ihr Glas und nickte. »Unser Vater starb einige Tage vor Thomas’ Geburt. Er wuchs mit mir und seiner Mutter auf.« Sie lächelte und strich sich das Haar zurück. »Ich kann es ihm nicht verdenken, dass er endlich Männerarbeit machen möchte.«

»Ihre Mutter ist ebenfalls tot?«, erkundigte sich Lassiter behutsam. »Ich möchte Ihnen nicht zu nahetreten.«

»Nein, das tun Sie nicht.« Bessie winkte ab und lachte verlegen. »Es tut gut, mit jemandem zu reden, der sich für meine Sorgen interessiert. Ich bin verlobt. Mit einem Minenbesitzer aus der Gegend.« Sie besann sich auf Lassiters Frage. »Ja, meine Mutter starb vor ein paar Jahren in einem Krankenhaus von St. Louis. Sie hatte es mit der Leber.«

Die übrigen Gäste im International-Salon setzten sich aus einer Gruppe Reisender von der Fünf-Uhr-Kutsche und zwei älteren Frauen zusammen, die sich an einem Ecktisch gegenseitig die Karten legten. Sie lachten von Zeit zu Zeit und ließen sich eine Schale mit Nüssen und Trockenfrüchten bringen.

»Nun, Mr. Lassiter?«, wandte sich Bessie an Lassiter. »Was ist mit ihnen? Verschleppen Sie oft Sängerinnen nach Kalifornien? Oder machen Sie mit mir eine Ausnahme?«

Der Mann der Brigade Sieben verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. Er freute sich darüber, dass ihm Bessie die Geschichte vom National-Liquor-Engagements in Kalifornien klaglos abgekauft hatte. »Nein, eigentlich nicht, Ma’am. Ich organisiere gewöhnlich Gesprächsabende für die Händler eines Countys. Die National Liquor Association ist ein mächtiges Sprachrohr im Land.«

»Das können Sie laut sagen«, pflichtete Bessie ihm bei und trank einen Schluck Bourbon. »Aber wie könnte ich der Association von Nutzen sein?«

»Sie werden alles Wissenswerte in Kalifornien erfahren«, behauptete Lassiter. »Ich bin lediglich als Unterhändler der Association tätig. Mein Auftrag besteht darin, Sie wohlbehalten über die Staatsgrenze zu bringen. Das Direktorium steht hinter diesem Vorhaben.«

Geschmeichelt senkte Bessie den Blick. »Das Direktorium der National Liquor Association hat von mir gehört? Ich bin gewiss keine Berühmtheit.«

Lassiter musste an das halbe Dutzend Zeitungsbeiträge über Bessie denken, die er unter der Kollodiumplatte vorgefunden hatte. Sie waren aus dem Missouri State Sentinel und dem Weekly Republican gewesen. »Sie traten in Columbia und Kansas City auf. Es gibt offenbar einige Männer, die sich an Ihre Darbietungen erinnern.«

Erneut senkte Bessie den Kopf und schlug die Augen nieder. Als sie wieder aufsah, fuhr sie zusammen und wies zu den Flügeltüren des Salons. »Dort vorn steht mein Verlobter Herman O’Neal. Er wird nicht erfreut sein, dass ich mit Ihnen einen Drink nehme. Ich hoffe wirklich von Herzen, dass er nicht –«

Der Rest ihres Satzes ging in einem wütenden Ruf von Herman O’Neal unter. Der bullige Minenbesitzer hatte Bessie erspäht und stapfte von hinten an Lassiter heran.

»Sir?«

Noch ehe O’Neal bei ihm war, hatte sich der große Mann auf seinem Stuhl umgedreht. Er trug den Remington im Holster und schob die Jacke ein Stück beiseite, um die Waffe zu zeigen.

»Bei allen verdammten Goldschürfern in dieser Stadt!«, rief O’Neal aus und blieb dicht vor Lassiter stehen. »Was haben Sie mit meiner Verlobten zu schaffen? Ich schneide Ihnen die verfluchte Kehle durch, wenn Sie auch nur die Hand an –«

»Er ist ein Freund, Herman!«, fiel Bessie ihm ins Wort und trat vor den Minenbesitzer. »Er wollte mich nicht anfassen! Sagen Sie es ihm, Mr. Lassiter!«

»Sie hat recht, Mr. O’Neal«, sekundierte Lassiter pflichtschuldig, obgleich ihm die Schönheit der Chansonsängerin nicht entgangen war. Der Auftrag für die Brigade Sieben hatte indes Vorrang. »Ich komme von der National Liquor Association und habe ein geschäftliches Angebot für Ms. Brown.«

»Vom Verein der Säufer und Hurenböcke?«, knurrte O’Neal und schnaubte verächtlich. Er wies mit dem Kinn zum Barkeeper hinter der Theke. »Die Whiskeyschüttler mögen vor Ihnen Angst haben, aber mich kümmert es einen Dreck, aus welchem Grund Sie in Virginia City sind. Ms. Brown wird demnächst Mrs. O’Neal.« Er starrte Bessie an. »Vor der Hochzeit lässt sie sich keinesfalls auf zwielichtige Geschäfte ein.«

»Unser Angebot ist ganz und gar seriös«, blieb Lassiter seiner Rolle treu. »Es geht um ein Engagement von Ms. Brown in San Francisco. Sie soll mich zu den Verhandlungen über ihr Honorar begleiten.«

»Kommt nicht in Frage!«, polterte O’Neal und beugte sich zu Lassiter herunter. Sein fauliger Atem schlug dem Mann der Brigade Sieben ins Gesicht. »Sie packen Ihre Sachen und verschwinden aus Virginia City! Ansonsten lernen Sie mich und meine Männer kennen! Ich bin schon mit anderen Kalibern fertig geworden.«

Nun hatte Lassiter genug von O’Neals schlechten Manieren. Er griff nach seinem Bourbonglas und trank es aus. »Sie werden die Entscheidung Ms. Brown überlassen müssen, Mr. O’Neal. Ich bezweifle, dass Sie Ihretwegen ein lukratives Angebot in den Wind schlägt.« Er stand auf und griff nach seinem Hut. »Ma’am. Sir.«

Einige Sekunden verstrichen, ohne dass O’Neal zu einer Erwiderung ansetzte. Er wandte sich zu Bessie um und verwünschte Lassiter wenig später. »Was bildet sich dieser Kerl ein? Aus dem mache ich Kleinholz! So ist mir noch keiner gekommen!«

Zu diesem Zeitpunkt jedoch hatte Lassiter das Hotel International längst verlassen.

***

Der infernalische Lärm des stampfenden Pochwerks in der O’Neal Ore Mill verwandelte sich in Thomas’ Ohren in eine Orchestersymphonie. Die stählernen Hämmer des Stampfwerks sausten in rasender Geschwindigkeit auf die Gesteinsbrocken nieder, die weiter oben aus den Loren entladen wurden, und zerkleinerten sie zu handlichen Steinbatzen, die andere Arbeiter wieder in Säcke verluden. Selbst das Zischen der nahen Dampfmaschine konnte Thomas nicht aus seiner Faszination reißen.

»Komm schon, Kleiner!«, rief Christopher Johnson und blieb vor dem Pochwerk stehen. Er bedachte den Jungen mit einem tadelnden Blick und schüttelte den Kopf. »Jesus Christus, das Bergwerk hat’s dir wirklich angetan, wie? Hab’ noch keinen Kerl gesehen, der stundenlang auf die Stampfhämmer glotzen konnte!«

Der Junge trat näher an das Pochwerk heran und wischte sich den Staub von den Wangen. Er hatte glänzende Augen, die bei jeder Umdrehung der Stampfwalze noch stärker zu leuchten schienen. »Wie viele Tonnen schafft die O’Neal Ore Mill jeden Monat? Dreißig? Oder gar mehr?«

Johnson kam wieder ein Stück herunter und blickte ebenfalls auf die Pochhämmer. »Fünfzig Tonnen schaffen wir im Monat. Könnten sechzig sein, wenn die Mühle allen Männern so gut gefallen würde wie dir.«

Die Arbeiter unterhalb der Steinrutsche brüllten zu Johnson hinauf und schleppten die Säcke davon, die inzwischen voll waren. Der Vorarbeiter schlug den Schieber der Rutsche zur Seite und leitete den Strom der zermahlenen Steine auf eine andere Bahn um. Die Stampfhämmer zermalmten weiter die Brocken, die schwerfällig von oben heranrollten.

»Da könnte ich den ganzen Tag zugucken!«, rief Thomas und ging um die Stampfhämmer herum. Er folgte mit dem Blick den beiden großen Zahnrädern, die mit der Pleuelstange an der Dampfmaschine verbunden waren. »Hab’ viel über die Erzmühlen bei O’Neal gelesen! Sie sind die Besten derzeit in Virginia City.«

Seufzend folgte Johnson dem Knaben und packte ihn am Nacken. Er zerrte ihn von den Stampfhämmern weg und sah ihn ernst an. »Du musst dich zusammenreißen, Thomas! Wer sich immer auf fremdem Land herumdrückt, wird irgendwann ein Tagelöhner oder Taugenichts! Geh zur Sonntagsschule von Reverend Pinckney und lern etwas!« Er grinste. »Bald ist deine Schwester O’Neals Frau! Dann ist’s vorbei mit den Räuberstreifzügen durch die Mine!«

Thomas senkte den Kopf und nickte. Er wusste aus unzähligen Gesprächen mit seiner älteren Schwester, dass sie ihn am liebsten in einem Klassenzimmer anketten wollte. Er sollte tagein, tagaus die Psalmen und das erste Buch Mose pauken, statt sich mit dem zu befassen, was ihm irgendwann die Dollars für seinen Lebensunterhalt einbringen würde. »Ich wünschte, Mr. O’Neal würde nicht meine Schwester heiraten wollen.«

»Wer von uns wünschte das nicht!«, erwiderte Johnson und zog Thomas weiter. »Sie ist viel zu jung für den Alten. Ich möchte wissen, was sie an ihm findet.«

»Er ist reich und besitzt Land«, meinte Thomas schulterzuckend. »Und er hat Bessie einen Antrag gemacht.«

Der Vorarbeiter hielt an und drehte sich zu dem Jüngeren um. Er ging vor ihm in die Hocke und legte Thomas eine Hand auf die Schulter. »Hör mir gut zu, Kleiner! Du darfst zu keinem in der O’Neal Mine sagen, was du eben zu mir gesagt hast. Der alte O’Neal ist ein strenger Mann.« Er schaute sich nach den übrigen Arbeitern um. »Er steckt dich in irgendein Waisenheim, sobald du ihm Ärger machst.«

»Ich muss nach seiner Pfeife tanzen«, erwiderte Thomas resigniert.

»Das Gleiche tun wir auch«, sagte Johnson und schürzte die Lippen. »Aber wenn du dich anstrengst, wird aus dir vielleicht ein guter Arbeiter. O’Neal könnte dich weit bringen, wenn du es klug anstellst.«

»Chris!«

Die tiefe Stimme von Herman O’Neal ließ Johnson unvermittelt den Kopf in die Höhe reißen. Der Minenbesitzer stand im unteren Tor der Erzmühle und blickte argwöhnisch zu seinem Vorarbeiter herauf.

Johnson gab Thomas eine schmerzhafte Ohrfeige. »Verdammter Bengel! Hab’ ich dich schon wieder erwischt!«

Verdutzt blickte Thomas zu Johnson empor und setzte eine fragende Miene auf. Als der Vorarbeiter ihm rasch zuzwinkerte, wusste er, dass die Komödie für O’Neal gedacht war. Er hielt sich die Wange und drückte ein paar Tränen hervor.

»Was hat der kleine Strolch schon wieder angestellt?«, brüllte O’Neal und kam keuchend die Stufen am Pochwerk hinauf. Er blieb vor Johnson stehen und griff Thomas beim Ohr. »Schleichst du schon wieder auf meiner Mine herum? Die Nase sollte man dir dafür abschneiden!«

»Sir, nein!«, schrie Thomas unter Schmerzen. »Ich wollte nur … Ich habe nur …«

»Er ist ausgebüxt«, schrie Johnson gegen die stampfenden Pochhämmer an. Er machte ein betretenes Gesicht. »Aber es war meine Schuld, Sir! Ich habe ihn hinten im Proviantspeicher eingesperrt und die Seitentür offengelassen.«

Zornig ließ O’Neal Thomas los und versetzte Johnson einen Stoß gegen die Schulter. »Wärest du als Vorarbeiter so schlecht wie beim Kinderhüten, würde ich dich auf der Stelle feuern!« Er wandte sich ab und knurrte vor sich hin. »Was für ein verdammter Dreckstag!«

Aus der oberen Schütte rutschte eine neuerliche Fuhre Steinbrocken heran, die mit knirschenden Geräuschen im Staub der Pochhämmer verschwanden. Der Vorarbeiter trat näher an O’Neal heran. »Dreckstag, Boss? Was ist passiert? Konnten Sie mit Ms. Brown sprechen?«