Lassiter Sammelband 1812 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1812 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2317, 2318 und 2319.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

2317: In den Bergen verschollen
Er wird mich umbringen, dachte Ada Brice. Auch wenn ich ihm sage, was ich weiß - er wird mich töten.
Der Mann stand vor ihr, den großen Navy Colt auf ihren Kopf gerichtet. "Sag mir, wer den Schnüffler geschickt hat", raunte er dumpf. "Dann hast du nichts zu befürchten."
Ada Brice glaubte ihm kein Wort. Sie saß im Nachthemd auf dem Stuhl in ihrem Zimmer, eine Zeitschrift auf dem Schoß, und blickte starr in die Öffnung des Revolverlaufs. Eine Faust aus Eisen wühlte in ihren Gedärmen.
"Du willst es mir nicht sagen?"
"Ich ... ich weiß nicht, von was Sie sprechen. Sie müssen mich verwechseln, Mister."
Er presste ihr den Lauf gegen die Stirn, wartete einen Moment, dann trat er zurück und sagte: "Steh auf und mach dich fertig. Du kommst mit mir ..."

2318: Die Hexe von Darker Hills
Der einsame Reiter krümmte den Rücken und duckte sich hinter den Hals seines Pferdes. Er blinzelte unter dem tief ins Gesicht gezogenen Hut nach vorn. Der tosende Sturm schleuderte ihm eiskalten Regen entgegen, und die hereinbrechende Dämmerung machte es schier unmöglich, mehr als ein diffuses Gemisch aus fahlem Licht und tiefen Schatten zu erkennen. Noch vor einer halben Stunde war der Himmel blau gewesen, doch in dieser Gegend war das Wetter so tückisch wie eine Klapperschlange.
Plötzlich vernahm er ein bedrohliches Knurren. Ein mächtiger Schatten sprang hinter den Büschen am Berghang hervor und direkt auf ihn zu. Der Aufprall riss das Pferd zu Boden, der Reiter wurde aus dem Sattel geschleudert und stürzte kopfüber den Hang hinab. Hart schlug er mit dem Kopf gegen einen Felsen und verlor das Bewusstsein...

2319: Sie kannte kein Gesetz
Flüchtig nur trafen sich die Blicke der beiden Männer, doch Colin Burke spürte sofort, dass es Ärger geben würde.
"Setz dich auf den Bock und rühr dich nicht!", zischte der Farmer seiner Verlobten zu. "Die Kerle sind auf Streit aus. Aber ich werde ihnen keinen Grund dazu geben." Er ging einige Schritte und stellte sich vor die Ladefläche seines Pritschenwagens.
"Verdammt hübscher Skalp, den dein Flittchen da trägt!" Die Stimme gehörte Hugh Eaton, und er starrte Burke immer noch angriffslustig an. "Ich könnte ihn mir nehmen, ohne dass auch nur einer der braven Bürger von Dayton einen Finger krümmen würde."

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: Boada/Norma ISBN 978-3-7325-9147-3

Jack Slade

Lassiter Sammelband 1812 - Western

Inhalt

Jack SladeLassiter - Folge 2317Er wird mich umbringen, dachte Ada Brice. Auch wenn ich ihm sage, was ich weiß - er wird mich töten. Der Mann stand vor ihr, den großen Navy Colt auf ihren Kopf gerichtet. "Sag mir, wer den Schnüffler geschickt hat", raunte er dumpf. "Dann hast du nichts zu befürchten." Ada Brice glaubte ihm kein Wort. Sie saß im Nachthemd auf dem Stuhl in ihrem Zimmer, eine Zeitschrift auf dem Schoß, und blickte starr in die Öffnung des Revolverlaufs. Eine Faust aus Eisen wühlte in ihren Gedärmen. "Du willst es mir nicht sagen?" "Ich ... ich weiß nicht, von was Sie sprechen. Sie müssen mich verwechseln, Mister." Er presste ihr den Lauf gegen die Stirn, wartete einen Moment, dann trat er zurück und sagte: "Steh auf und mach dich fertig. Du kommst mit mir ..."Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2318Der einsame Reiter krümmte den Rücken und duckte sich hinter den Hals seines Pferdes. Er blinzelte unter dem tief ins Gesicht gezogenen Hut nach vorn. Der tosende Sturm schleuderte ihm eiskalten Regen entgegen, und die hereinbrechende Dämmerung machte es schier unmöglich, mehr als ein diffuses Gemisch aus fahlem Licht und tiefen Schatten zu erkennen. Noch vor einer halben Stunde war der Himmel blau gewesen, doch in dieser Gegend war das Wetter so tückisch wie eine Klapperschlange. Plötzlich vernahm er ein bedrohliches Knurren. Ein mächtiger Schatten sprang hinter den Büschen am Berghang hervor und direkt auf ihn zu. Der Aufprall riss das Pferd zu Boden, der Reiter wurde aus dem Sattel geschleudert und stürzte kopfüber den Hang hinab. Hart schlug er mit dem Kopf gegen einen Felsen und verlor das Bewusstsein...Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2319Flüchtig nur trafen sich die Blicke der beiden Männer, doch Colin Burke spürte sofort, dass es Ärger geben würde. "Setz dich auf den Bock und rühr dich nicht!", zischte der Farmer seiner Verlobten zu. "Die Kerle sind auf Streit aus. Aber ich werde ihnen keinen Grund dazu geben." Er ging einige Schritte und stellte sich vor die Ladefläche seines Pritschenwagens. "Verdammt hübscher Skalp, den dein Flittchen da trägt!" Die Stimme gehörte Hugh Eaton, und er starrte Burke immer noch angriffslustig an. "Ich könnte ihn mir nehmen, ohne dass auch nur einer der braven Bürger von Dayton einen Finger krümmen würde."Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

In den Bergen verschollen

Vorschau

In den Bergen verschollen

Er wird mich umbringen, dachte Ada Brice. Auch wenn ich ihm sage, was ich weiß – er wird mich töten.

Der Mann stand vor ihr, den großen Navy Colt auf ihren Kopf gerichtet. »Sag mir, wer den Schnüffler geschickt hat«, raunte er dumpf. »Dann hast du nichts zu befürchten.«

Ada Brice glaubte ihm kein Wort. Sie saß im Nachthemd auf dem Stuhl in ihrem Zimmer, eine Zeitschrift auf dem Schoß, und blickte starr in die Öffnung des Revolverlaufs. Eine Faust aus Eisen wühlte in ihren Gedärmen.

»Du willst es mir nicht sagen?«

»Ich … ich weiß nicht, von was Sie sprechen. Sie müssen mich verwechseln, Mister.«

Er presste ihr den Lauf gegen die Stirn, wartete einen Moment, dann trat er zurück und sagte: »Steh auf und mach dich fertig. Du kommst mit mir …«

Die Frau zögerte, dann stemmte sie sich hoch.

Duke Allman hob die Lampe. Der gelbe Lichtschein erhellte eine schlanke Blondine von knapp fünfundzwanzig Jahren. Sie trug ein langes blassrosa Nachthemd, das bis zu ihren Knöcheln reichte. Aus ängstlichen Augen blinzelte sie in das Funzellicht.

»Ich gebe dir zwei Minuten«, sagte er. »Beeil dich! In zwei Minuten bist du abmarschbereit. Hast du das verstanden, Ada?«

»Woher wissen Sie, wie ich heiße?«, hauchte sie.

»Ich weiß noch viel mehr über dich.« Er stieß mit dem Fuß gegen die Truhe unter dem Wandbrett. »Los jetzt! Mach dich fertig!«

Sie tappte zu dem Stuhl, über dessen Lehne ihre Kleider hingen.

Allman beobachtete sie interessiert. Hat eine tolle Figur, die Kleine, dachte er.

Von der Straße drang Hufgetrappel an seine Ohren.

Ada war gerade dabei, das Nachthemd über den Kopf zu ziehen. Als sie den Lärm draußen hörte, verharrte sie mitten in der Bewegung. Ihre Finger krallten sich in das Hemd. Als die Hufschläge verebbten, streifte sie es ab und warf es auf das Laken.

Sie kehrte Allman den Rücken zu.

»Du bist sehr hübsch«, sagte er. »Dein Freund ist ein Glückspilz.«

Das nackte Mädchen raffte ihre Sachen vom Stuhl und zog sie hastig an. »Wo gehen wir hin?«, fragte sie.

»Zu mir«, erwiderte er.

»Wo wohnen Sie?«

»Ganz in der Nähe.«

»Was haben Sie mit mir vor?«

»Ich werde dir ein paar Fragen stellen.«

Sie atmete schwer. »Was für Fragen?«

»Stell dich nicht dümmer, als du bist. Du weißt genau, was ich von dir wissen will.« Er ging zur Tür, legte ein Ohr an das Holz und hielt den Atem an.

Es war ungefähr drei Uhr morgens. Im Haus herrschte Totenstille. Die Leute lagen in den Betten und schliefen. Nur hin und wieder erklang ein leises Knacken im Gebälk.

Ada öffnete den Deckel der Truhe.

Er hob den Revolver. »He, was soll das?«

»Ich muss ein paar Sachen einpacken«, erklärte sie.

Er schüttelte den Kopf. »Nein, musst du nicht. Komm jetzt mit!«

»Aber ohne Handtasche …«

»Kein Widerwort. Okay?« Lautlos öffnete er die Tür.

Auf dem Gang roch es nach Seifenlauge, Sägemehl und Brennöl. Allman hielt die Lampe hoch. Es war niemand zu sehen. Er schob das Mädchen vor sich her. Bis zur Vordertür waren es nur knapp ein Dutzend Schritte.

»Los! Geh!« Er stach ihr den Colt in den Rücken.

Sie trippelte in das kleine Foyer. Der Schein der Funzel huschte über das Empfangspult. Die reglose Gestalt eines Mannes hing über dem Tisch: Wolfson, der Portier. Er blutete aus einer Wunde am Kopf.

Das Mädchen erschrak. »Ist er tot?«

»Nein, er macht nur ein Nickerchen.«

Sie kamen an die Haustür. In Augenhöhe gab es eine runde Glasscheibe. Durch das Guckloch spähte Allman auf die Straße. Die Gehsteige lagen verwaist.

Er drückte Ada Brice über die Schwelle auf den Vorplatz. »Wir gehen nach links«, sagte er.

Sie gehorchte aufs Wort. Offenbar hatte sie große Angst. Allman spürte den Anflug von Mitleid. Er dachte daran, was nachher passieren würde. Wenn Ada nicht verriet, was sie über den Kontaktmann wusste, würde der Chef in Wut geraten. Das Mädchen würde die Hölle auf Erden erleben. Der Chef war gewalttätig. Wahrscheinlich würde er die Kleine mit dem Messer kitzeln, um sie zum Sprechen zu zwingen.

Bei der Vorstellung daran lief Allman eine Gänsehaut über den Rücken.

Sie eilten über den Sidewalk und erreichten rasch das Ende des Häuserblocks. Irgendwo hinter den Dächern erklang beschwingte Musik. Frauen lachten, Männer grölten. Dumpf tönte der hypnotische Bass einer Pauke. Das Nachtleben in Tombstone dehnte sich bis hin zum frühen Morgen.

Da passierte es: Als sie um die Ecke gingen, schoss ein dunkler Schatten hinter einem Zaun hervor. Es war ein großer wolfsähnlicher Hund, der angriffslustig die Zähne fletschte.

Allman brachte seinen Colt in Anschlag.

Der Hund schnappte nach ihm und erwischte sein linkes Hosenbein.

Allman geriet ins Straucheln. Er gab einen Schuss ab, verfehlte das Tier jedoch. Mit der zweiten Kugel gelang ihm ein Volltreffer. Kopfschuss. Der Hund kippte auf die Seite und starb auf der Stelle.

Allman wandte den Kopf zur Seite. Der Platz, an dem Ada Brice eben noch vor Angst gezittert hatte, lag verwaist.

Das Mädchen war geflohen.

»Verdammt«, knurrte er.

***

Ada Brice rannte um ihr Leben.

Während hinter ihr Schüsse krachten, sprang sie über ein niedriges Gebüsch, schlüpfte durch eine Holzpforte und hetzte quer über den OK-Corral in Richtung Stadtrand.

Als sie an der Hahnenkampf-Arena vorbeikam, warf sie einen Blick zurück. Der Mann, der in ihr Zimmer eingedrungen war, war nicht zu sehen.

Dennoch war Ada auf der Hut. Sie rannte an einem Zeltcamp vorbei, direkt auf die San Pedro-Hügel zu. Seit einigen Jahren wurde auf dem baumlosen Gelände um Tombstone Silbererz abgebaut. Überall häuften sich Massen von Sand und Schlacke. Riesige Murphywagen zum Abtransport der Erze standen mit hochgestellter Deichsel an der Straße. Wo man auch hinsah, gab es Eingänge in dunkle Tunnel, aus denen es nach brandigem Gestein und Petroleum stank.

Vor einer brusthohen Felsöffnung blieb Ada stehen. Vom Laufen war sie völlig ausgepumpt. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Atemlos spähte sie den Weg zurück, den sie eben gekommen war.

Neben einem Steinhaufen schälte sich eine Gestalt aus der Dunkelheit.

Ada spürte einen Kloß im Hals.

Der Mann, der sie bedrohte, war auf ihrer Fährte geblieben. Er hatte sie entdeckt und lief schneller.

Gehetzt sah Ada sich um. Vor dem Hintergrund des düsteren Hügels kam sie sich in ihrer hellen Bluse wie ein Kugelfang auf dem Schießplatz vor.

Der Mann rief sie an. »Bleib, wo du bist, Ada! Ich kriege dich sowieso!«

Das wollen wir erst mal sehen! So schnell sie konnte, huschte sie in die dunkle Röhre. Nach wenigen Yards wurde der Stollen so niedrig, dass sie sich bücken musste. Wenig später kroch sie auf Knie und Ellbogen.

Innerhalb kürzester Zeit hatte sie sich auf dem steinigen Untergrund die Hände aufgeschürft. Das tat höllisch weh. Am liebsten wäre sie auf der Stelle umgekehrt. Doch dann wäre sie ihrem Peiniger in die Arme gelaufen.

Ada tastete sich immer tiefer in den Stollen hinein. Ein Schwall kalter Luft wehte ihr ins Gesicht. Sie biss die Zähne zusammen und kroch weiter.

»Ada!«, hallte es durch den Tunnel. »Mach keinen Unsinn, Mädchen! Komm raus und alles wird gut!«

Ada glaubte ihm nicht. Sie lehnte sich gegen die Wand und starrte aus geschmälten Augen zu dem kleinen hellen Loch am Ende der Röhre.

Der Mann gab ihr ein Versprechen nach dem anderen. Immer wieder fand er neue Worte, um sie zur Umkehr zu bewegen. Er schwor, dass er ihr kein Haar krümmen würde.

»Elender Lügner«, murmelte sie.

Nach einiger Zeit gab der Mann seine Bekehrungsversuche auf.

Das helle Loch am Ende des Tunnels verschwand.

Ada spähte in die Dunkelheit. Nichts zu erkennen. Doch an den Atemgeräuschen ihres Verfolgers erkannte sie, dass er zügig näherkam.

Sie ließ sich zu Boden sinken und rutschte auf dem Bauch in die entgegengesetzte Richtung. Die Röhre führte schräg nach unten. Nach kurzer Zeit geriet ihr ein Holzbalken zwischen die Finger, offenbar eine Stütze des Stollens. Sie setzte sich auf, um im Watschelgang zu laufen. Dabei stieß sie sich den Kopf an der niedrigen Decke.

Ada sank wieder auf alle Viere.

Eine laute Stimme hallte durch den Tunnel: »Mädchen, mach es uns doch nicht so schwer. Ich tue dir nichts. Ganz ehrlich. Wir kriechen hier raus, und dann reden wir wie zwei vernünftige Leute.«

Ada war ein Stück weitergekrochen. Zu ihrem Erstaunen sah sie einen Fetzen Licht. Vermutlich war sie auf einen der vielen Seitengänge gestoßen, durch die man ins Freie gelangte. Ada wartete, bis ihr Herz ruhiger schlug. Dann zwängte sie sich in den Schacht.

»Es tut mir leid, Ada«, tönte ihr Verfolger. »Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen. Gib mir eine Chance. Wir fangen noch einmal von vorne an.«

Ada unterdrückte ein Lachen. Der Kerl konnte es nicht lassen. Er glaubte tatsächlich, sie fiele auf seine Tour herein.

Das Licht vor Augen, bewegte sie sich schneller. Bald war es so hell, dass sie ihr Umfeld einigermaßen erkennen konnte. Sie steckte in einem Kriechgang, dessen Decke etwa alle zehn Yards mit einem Stempel abgestützt wurde.

Ein mulmiges Gefühl überkam sie. Was, wenn sie sich in diesem düsteren, unterirdischen Labyrinth verirrte?

Sie schob alle Bedenken beiseite. Irgendwie würde sie schon wieder nach draußen kommen.

Vorsichtig stemmte sie sich auf. Endlich konnte sie auf zwei Beinen laufen.

Über eine Querrinne gelangte sie auf einen abgeplatteten Felsen. Dahinter gähnte ein bodenloses schwarzes Loch. Bis auf die andere Seite des Schlunds waren es etwa sechs Fuß.

Ada kämpfte mit den Tränen. Wie sollte sie das Hindernis überwinden? Das schwarze Loch, das sich vor ihr auftat, kam ihr vor wie das Tor zur Hölle.

Irgendwo im Dunkeln wurde die Stimme ihres Verfolgers laut.

Sie trat ganz nahe an die Felskante. Loses Gestein bröckelte und kollerte in den Abgrund. Schon nach kurzer Zeit prallte das Geröll auf. Also war der Schacht nicht sehr tief.

Ein ohrenbetäubender Knall erschütterte den Stollen.

Ada hielt sich die Ohren zu. Ihr Verfolger hatte seinen Revolver abgefeuert. Das Echo des Schusses hallte mehrfach von den Wänden wider.

»Verdammte Hure! Ich mach dich kalt!«

Ada spähte über das Loch hinweg. Ich könnte es schaffen, dachte sie. Wenn ich genügend Anlauf nehme, könnte ich die Lücke überspringen.

Sie ging drei Schritte rückwärts. Unter ihren Sohlen knirschte grobkörniger Sand. Weit vorn, am Ende des Ganges, lockte das helle Licht. Sie holte tief Luft und versuchte, ihre Angst niederzuringen.

Wieder krachte ein Schuss.

Das Echo wurde von einem hohlen Lachen übertönt. »Wart’s nur ab! Gleich hab ich dich!«

Ada wandte sich um. Von ihrem Verfolger war nichts zu sehen, doch sie spürte seine Nähe. Er würde sie kriegen, wenn sie nichts unternahm.

Wild entschlossen fuhr Ada herum. Vor ihr tat sich der scheinbar bodenlose Abgrund auf. Sie hob den Blick und sah zu dem Tunnelende hinüber. Der Lichtpunkt zog sie auf wundersame Weise an.

Sie winkelte die Arme an, holte tief Luft, atmete wieder aus und rannte los. Ihre Füße lösten sich vom Boden. Sie flog wie ein Sektkorken durch die Luft.

Leider war ihr Absprung nicht kraftvoll genug gewesen. Die andere Seite lag weiter entfernt als gedacht.

Schreiend fiel sie ins Dunkle.

Zum Glück war es nicht sehr tief. Schon spürte Ada wieder Boden unter den Füßen.

Sie rappelte sich auf und blickte sich um. Sie befand sich in einer grabähnlichen Kammer, ungefähr acht Fuß unterhalb des Stollens, in den sie geflohen war. Über ihrem Kopf zeichnete sich das bleigraue Viereck der Bodenöffnung ab.

Ada stand auf, wippte auf die Zehenspitzen und tastete die Wände ab. Sie suchte nach Ritzen und Spalten, die sie als Kletterhilfen benutzen konnte.

Doch alle Versuche, eine der Wände zu erklimmen, schlugen fehl. Immer wieder glitten ihre Finger ab, und sie rutschte auf den Boden zurück.

Ada war den Tränen nahe.

Sie saß in der Falle. Wie in aller Welt sollte sie je wieder aus diesem Loch herauskommen?

***

Lassiter blieb vor dem Schaufenster von Maud’s Liquorshop stehen und betrachtete sich in der Scheibe. Beeindruckend! Ein großer, feierlich dreinblickender Mann in einem schwarzen Gehrock schaute ihn an.

Die Jungs von der Zentrale in Washington hatten ihm ans Herz gelegt, in Tombstone in die Rolle eines Geistlichen zu schlüpfen. Am Anfang hatte er sich gegen den Verschlag gewehrt. Aber zu guter Letzt fand er Gefallen an der Sache.

Er rückte seinen altmodischen, schwarzen Hut zurecht und ging weiter. Dabei dachte er an Ada Brice, die ihm als Kontaktperson zugeteilt war. Es war geplant, dass sie ihn gleich nach seiner Ankunft in Empfang nahm. Sie sollte ihn mit den Einzelheiten seiner Mission vertraut machen. Ada besaß einen versiegelten Brief, in dem alle Informationen notiert waren.

Leider hatte es eine Panne gegeben: Die Kontaktfrau war noch nicht erschienen.

Ada Brices Verschwinden machte ihn stutzig. Er musste sie unbedingt finden.

Zuerst begab er sich zum Sheriff’s Office in der Allen Street. An der Tür der Amtsstube hing ein Schild mit der Aufschrift SHERIFF WALLIS. Die Tür stand weit offen. Der Geruch von Tinte und Waffenöl wehte auf die Veranda.

Hinter einem klobigen Schreibtisch saß ein stämmiger Rotschopf und stempelte Dokumente. Er trug ein blau kariertes Cowboyhemd, eine Lederweste und ein Halstuch mit einem grünen Schmuckstein auf dem Knoten. Er blickte auf, als der Mann in Schwarz eintrat.

»Ich hätte gern eine Auskunft, Sheriff«, sagte Lassiter. »Mein Name ist Pater Greene, und ich bin auf der Suche nach einem Fräulein Ada Brice.«

»Was wollen Sie von ihr, Pater?«

»Ihr Grüße bestellen, von ihrem Onkel, der Mitglied meiner Gemeinde ist.«

»Eine Gemeinde im Cochise County?«

»Nein, in Gentle Hand. Das liegt in der Nähe von Prescott.«

Der Sheriff runzelte die Stirn. »Wie, sagten Sie, heißt das Mädchen, das Sie suchen?«

»Ada Brice.«

Der Mann hinter dem Schreibtisch stand auf. »Eine gewisse Ada Brice wird seit gestern Abend vermisst«, erklärte er.

»Vermisst?«

Der Sheriff fuhr mit dem Handrücken über seinen Blechstern. »Wenn sie bis morgen nicht auftaucht, werde ich ein Aufgebot zusammenstellen und nach ihr suchen lassen.

»Ich hoffe sehr, dass Ihre Suche erfolgreich ist.« Lassiter lächelte schwach. »Haben Sie was dagegen, wenn ich in dieser Sache eigene Nachforschungen anstelle?«

Wallis schaute ihn an wie einen größenwahnsinnigen Zwerg. Dann räusperte er sich. »Nun ja, im Prinzip spricht nichts dagegen, wenn es denn von Nutzen ist.«

»Es dient der Sache«, sagte der falsche Kirchenmann. »Verraten Sie mir, wo Miss Brice wohnt?«

»Im Gallup House, Second Street.«

»Ist das eine Herberge oder ein Hotel?«

»Mehr Hotel würde ich sagen.« Der Sheriff kam um den Tisch herum. »Darf man fragen, aus welchem Grund Sie nach Tombstone gekommen sind, Pater Greene?«

»Natürlich«, sagte Lassiter. »Ist ja kein Geheimnis. Ich bin hier, um das eine oder andere verirrte Schäfchen wieder in die Herde zu führen. Es heißt, in Tombstone gäbe es in dieser Hinsicht eine Menge zu tun.«

»Wie wahr, wie wahr.« Der Mann mit dem Stern sah ihn mitleidig an. »Da haben Sie sich ganz schön was vorgenommen, guter Mann.«

»Ich weiß«, Lassiter mimte den Bedrückten, »es wird nicht leicht, aber ich bin nicht allein.«

»Haben Sie noch einen Gehilfen dabei?«

»Nein, Sheriff.« Lassiter richtete den Blick zur Decke. »Dass ich nicht allein bin, meine ich doch im übertragenen Sinne.«

»Verstehe.« Wallis trat ans Fenster und zeigte hinaus. »Sehen Sie das große Gebäude auf der anderen Straßenseite? Das ist der Oriental Saloon. Darin finden Sie verirrte Schäfchen in Hülle und Fülle. Schauen Sie mal rein.« Er rieb sein unrasiertes Kinn. »Wenn Sie wollen, gebe ich Ihnen einen Deputy mit, für alle Fälle.«

»Sehr freundlich.« Lassiter betrachtete die gestempelten Blätter auf dem Tisch. Offenbar handelte es sich um Formulare für Steuererklärungen. Er brachte ein Lächeln zustande. »Ja, dann möchte ich Sie nicht weiter von der Arbeit abhalten, Sheriff.«

Wallis brachte seinen Gast bis an die Tür. »Wenn Sie etwas Neues über Ada Brice erfahren – Sie wissen, was Ihre Bürgerpflicht ist.«

Lassiter nickte. »Selbstverständlich, Sheriff. Ich werde Sie sofort informieren.«

Nach diesen Worten trat er auf die Veranda hinaus. Von links rumpelte eine sechsspännige Concord-Kutsche heran. Die zwei Kutscher sahen aus, als hätte man sie mit Mehl gepudert. Lassiter wartete, bis sich der Staub hinter dem Vehikel gelegt hatte. Dann überquerte er gemächlich die Straße.

Die Leute grüßten ihn respektvoll. Er grüßte höflich zurück.

Nach kurzer Zeit erreichte er das Gallup House.

***

Als Jamie Bell den groß gewachsenen Gottesmann am Haus vorbeigehen sah, musste sie kichern.

»He, Baby!«, keuchte der Mann hinter ihr. »Lachst du über mich?«

»Würde ich nie wagen, Pip.«

Der Freier, der Pip genannt wurde, stoppte das Vor und Zurück seiner Lenden. »Ich will wissen, was daran so lustig ist, wenn ich es dir mache.«

Sie standen am Fenster von Jamies Kammer, die sie mit ihrer Mitbewohnerin Ada Brice teilte. Seit gestern Abend war Ada verschwunden. Hals über Kopf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Wolfson, der Portier, schwor Stein und Bein, sie sei entführt worden.

Adas Fortbleiben hatte auch eine gute Seite. Fortan konnte Jamie ihre Kunden mit aufs Zimmer nehmen.

»He, Jamie, hab dich was gefragt.«

»Draußen ist eben ein Priester vorbei gegangen«, sagte sie. »Wenn der wüsste, was wir gerade machen, würde er in Ohnmacht fallen.«

»Stell ein Bein auf den Stuhl«, sagte Pip.

Jamie tat, wie ihr geheißen. In jungen Jahren hatte sie in St. Louis Ballettunterricht genommen. Noch heute schaffte sie den Spagat fast aus dem Stand. Die Männer mochten gelenkige Mädchen. Pip war da keine Ausnahme. Er stöhnte schwer, während er sie von hinten nahm. Sein Stab glitt in sie hinein wie ein Colt in ein gewachstes Futteral.

Mit der Zeit erwachte die Lust in Jamie. Sie war eine schlanke Frau von Anfang zwanzig, mit langen, wohl geformten Beinen und kleinen kugeligen Brüsten. Von Natur aus hatte sie mittelblondes Haar, aber schon lange färbte sie es kastanienbraun und trug einen Pferdeschwanz. Sie fand das schick.

Pip war nicht gerade ein Bild von einem Mann, aber beim Sex gab er sich wirklich Mühe. Hin und wieder streichelte er vorsichtig ihren Lustknopf. Jedes Mal, wenn er es tat, schloss Jamie die Augen und stellte sich vor, Pip wäre ein Mannsbild vom Kaliber Buffalo Bill oder Wyatt Earp. Es war nur eine Illusion, aber es funktionierte. In ihrer Mädchenfantasie tat sie es nicht mit ihrem kaum mittelgroßen Stammfreier Pip, sondern mit einem berühmten Mann von Welt.

Bald spürte Jamie, wie ihr das Blut durch die Adern raste. »Mein Gott, Pip!«, japste sie.

»Das tut dir gut, was?« Er tat so, als wäre er ein großer Stecher. Jamie ließ ihn in dem Glauben. Kraftvoll wuchtete sie ihr Becken zurück. Pip revanchierte sich mit schnellen trockenen Stößen.

Nach einer Weile hielt er inne.

»Was ist los?«, fragte sie atemlos.

»Da ist doch jemand auf dem Gang«, raunte er.

Ohne den hochgestellten Fuß vom Stuhl zu nehmen, lauschte Jamie. Pip hatte recht. Hinter der Tür tappten Schritte. Die Stimme von Wolfson erklang. Er war Portier, Hausmeister, Zimmermädchen, Koch und Barkeeper zugleich. Jamie hörte, wie ein fremder Mann sich nach Ada Brice erkundigte.

Im gleichen Moment spürte sie, wie sich Pips Hände um ihren nackten Busen wölbten.

»Warte«, flüsterte sie.

Pip beugte den Kopf und leckte mit der Zungenspitze an erst an ihrer linken, dann an ihrer rechten Brustwarze. Jamie durchzuckte ein süßer Schmerz. Sie liebte es, wenn ein Mann an ihren Nippeln nagte.

Es klopfte an die Tür.

»Wir tun so, als wären wir nicht da«, flüsterte Pip. Er streichelte ihre empfindlichste Körperstelle, und Jamie hätte vor Wonne beinahe laut aufgestöhnt.

»Miss Jamie!«, rief Wolfson. »Miss Jamie! Da ist jemand für Sie!«

Pip starrte sie an. »Wieso hast du deinen nächsten Kunden so früh bestellt?«

»Unsinn, Gallagher kommt erst um neun.«

Wolfson klopfte wieder. »Miss Jamie! Ich weiß, dass Sie im Zimmer sind.«

Sie nahm das Bein vom Stuhl, schob ihren Freier beiseite und warf sich einen Umhang über die Schultern. Pip schlüpfte brummig in seine Hosen.

Jamie schloss auf und öffnete die Tür.

Der Portier grinste. »Bitte um Entschuldigung, Ma’am. Da ist ein Priester, der Sie zu sehen wünscht.« Sprach’s und begab sich ins Foyer zurück.

Jamie blickte auf den großen Mann neben dem Portier. Es war derselbe Mann, den sie vorhin durch das Fenster gesehen hatte.

»Guten Tag, ich bin Pater Greene«, sagte er.

»Jamie Bell.« Sie lächelte unsicher. »Was kann ich für Sie tun, Pater?«

»Es handelt sich um Ihre Zimmergenossin, Miss Ada Brice«, entgegnete er. »Vom Sheriff hörte ich, dass Miss Brice unter mysteriösen Umständen verschwunden ist. Der Fall interessiert mich. Es wäre nett, wenn Sie mir einige Fragen beantworten könnten.«

Jamie trat von einem Bein aufs andere. »Hm, muss das jetzt sein?«

Der Gottesmann hob die Brauen. »Manchmal können Sekunden entscheiden. Um Leben und Tod. Es wäre schön, wenn Sie mir ein paar Minuten widmen könnten, Ma’am. Am besten, ein Gespräch unter vier Augen.«

Pip drängte sich in den Vordergrund. »Ich bin aber noch nicht fertig mit dir«, sagte er und legte eine Hand um Adas Wespentaille.

Jamie lief rot an. Auf einmal kam sie sich vor wie ein billiges Flittchen. »Wir … wir machen später weiter«, druckste sie. »Du kannst ja derweil etwas trinken gehen, Pip.«

»Aber den Drink bezahlst du«, verlangte er.

Mit brennenden Wangen schaute Jamie hin und her. Im Gesicht des Schwarzgekleideten regte sich kein Muskel. Pip sagte: »Gib mir ’nen Zehner, dann bin ich weg.«

Jamie ging zu der Keramikdose, worin sie ihr Haushaltsgeld aufbewahrte. Sie hob den Deckel und nahm eine kleine Münze heraus.

Pip warf seine Jacke über und lachte. »In einer Stunde bin ich wieder da.« Er nahm das Geld und ging.

Jamie senkte beschämt den Blick. Da bemerkte sie, dass ihre Brustwarzen spitz durch den dünnen Umhang stachen. Gütiger Gott! Was soll der Pater bloß von mir denken? Am liebsten wäre sie vor Scham in den Boden versunken.

Der Mann in Schwarz tat, als hätte er nichts bemerkt. »Darf ich hereinkommen?«, fragte er freundlich.

»Ja, bitte … natürlich.« Jamie trat zur Seite, und Pater Greene ging in das Zimmer.

Sie bekam eine Gänsehaut, als er sie an der Schulter tuschierte. Ein Hauch der Lust streifte sie. Für einen Augenblick durchfuhr sie der Anflug eines erotischen Tagtraums. Jamie erschrak. Satanas, weiche! Solche Fantasien durfte sie nicht zulassen. Pater Greene war ein Mann Gottes. Er war tabu. Dennoch besaß er eine unglaublich männliche Ausstrahlung.

Eine verwirrende Mischung, fand Ada.

Halbherzig bedeckte sie die verräterischen Spuren ihrer erhitzten Gefühle. »Darf ich Ihnen etwas anbieten, Pater?«

Er lächelte milde. »Oh ja, gern. Ein Glas Wasser wäre schön.« Dabei warf er ihr aus seinen grauen Augen einen Blick zu, der ihr unter die Haut ging.

Sie zitterte vor Lust. Jamie, du musst jetzt verdammt stark sein, dachte sie, als sie das Wasser holte.

***

Lassiter alias Pater Greene schaute sich um.

Die Kammer war klein und mit billigen Möbeln bestückt: zwei schmale Betten, auf denen dünne Wolldecken lagen, eine Truhe mit gusseisernen Beschlägen, eine Garderobe mit Haken, an denen Jacken und Mäntel aufgehängt waren. Vor dem Fenster baumelte ein Schal mit rot bestickten Rändern. Auf einem Stuhl lag rosafarbene Spitzen-Unterwäsche. Ein wollener Damenstrumpf lugte unter dem Bett hervor.

Lassiter bückte sich danach.

In diesem Augenblick erschien Jamie. »Mein Gott, Pater, Sie machen mich ganz verlegen.« Sie stellte das Glas Wasser auf den Tisch, nahm ihm den Strumpf aus der Hand und sah sich hektisch um. »Er gehört Ada. Gütiger Himmel! Wo mag wohl der zweite sein?«

Lassiter nahm das Glas und trank. »Hat Miss Ada einen Bräutigam?«, fragte er dann.

»Nein, Pater, soviel ich weiß, nicht.«

»Auch keinen Freund, mit dem sie sich ab und zu trifft?«

Jamie überlegte. Inzwischen hatte sie sich Rock und Bluse angezogen. Der Duft eines dezenten Parfüms linderte die stickige Luft im Raum. »Doch, einen Freund hat sie: den schönen Johnny aus dem Grave Yard Camp. Aber der Junge hat sich lange nicht mehr sehen lassen.«

Der schöne Johnny, dachte Lassiter. Ich werde dem Burschen mal einen Besuch abstatten. Vielleicht weiß er was. Er wies auf das Wandbrett über dem gemachten Bett. Darauf lagen neben einer Zigarrenkiste ohne Deckel einige ältere Ausgaben der Harper’s Weekly. »Gehören die Zeitschriften Miss Ada?«

»Ja, Pater.«

»Darf ich mal einen Blick darauf werfen?«

»Bitte. Wenn Sie mögen.«

Er stellte das Glas ab. Vielleicht fand er eine versteckte Notiz, die auf Adas Verbleib hinwies. Auf Verdacht langte er nach dem obersten Magazin. Er blätterte es durch, legte es auf das Bett und griff nach dem nächsten.

»Vor dem Schlafengehen hat Ada darin oft darin geschmökert«, sagte Jamie. »Wenn sie etwas besonders interessant fand, hat sie mir den Artikel laut vorgelesen.«

Lassiter blätterte das Heft durch. Von dem versiegelten Brief keine Spur. »Wann haben Sie Ihre Zimmergenossin zum letzten Mal gesehen, Miss Jamie?«

»Gestern Abend, als es dunkel wurde.«

»Benahm sich Miss Ada anders als sonst? Nervös? Hektisch? Ängstlich?«

»Nein, im Gegenteil. Ada war völlig entspannt. Sie hatte vor, später noch einmal aus dem Haus zu gehen. Bestimmt wollte sie sich mit dem schönen Johnny treffen.« Jamie warf sich eine Locke aus dem Gesicht. »Ich erinnere mich, dass sie mich auslachte, weil ich mir so viel Farbe ins Gesicht geworfen habe.«

Lassiter lächelte. »Wollten Sie ausgehen?«

»Ja, Pater. Gestern Abend gastierte im Alhambra eine Theatertruppe aus New Orleans. The Four Seasons. Das Programm war einsame Spitze.«

Er trank das Glas leer. »Und als Sie nachts von der Veranstaltung zurückkamen, merkten Sie, dass etwas nicht in Ordnung war.«

»Ganz recht«, bestätigte sie. »Wolfson, der Portier, spuckt Gift und Galle. Jemand hatte ihm eine gehörige Kopfnuss verpasst.«

»Hat Mr. Wolfson den Mann erkannt, der ihn niederschlug?«

»Leider nicht. Der Typ kam von hinten. Aber Wolfson hat mitbekommen, wie Ada entführt wurde.«

Lassiter stellte das Glas ab. »Gab es Kampfspuren im Zimmer?«

Jamie legte ihre Stirn in Falten. »Nein, Pater. Ich habe nichts dergleichen bemerkt. Alles lag an seinem Platz. Aber ich glaube nicht, dass Ada aus freien Stücken mit dem Mann mitgegangen ist.«

»Bestimmt wurde sie mit der Waffe bedroht.«

»Aber warum?« Jamie hob anklagend die Hände. »Was wollte der Kerl von ihr? Ada hat keinem Menschen etwas getan.«

Lassiter blätterte das letzte Exemplar der Harper’s Weekly durch. Zwischen den Mittelseiten fand er ein handtellergroßes Blatt Kanzleipapier. Es war unbeschrieben. Lassiter hielt das Blatt gegen das Licht. Nichts. Es war nur ein banales Lesezeichen.

Er legte das Magazin auf das Bücherbrett zurück.

»Warum legen Sie sich für Ada so ins Zeug, Pater?«, fragte Jamie. »Sie ist doch eine Fremde für Sie, oder?«

Lassiter antwortete mit einem salbungsvollen Zitat aus der Bibel. Jamie bekreuzigte sich zu seinen Worten. »Haben Sie zufällig eine Fotografie von Miss Ada?«, fragte er.

Die Frau trat ans Bett, griff nach der deckellosen Zigarrenkiste und nahm ein Foto heraus. »Das ist, soviel ich weiß, die einzige Aufnahme, auf der sie selbst zu sehen ist.«

Lassiter nahm das Bild in die Hand und betrachtete es. Eine junge, gutaussehende Blondine lächelte in die Kamera. Das war also seine Kontaktfrau Ada Brice. Jemand hatte sie gekidnappt, bevor sie ihn treffen konnte. Lassiter hoffte, dass er sie gesund und munter wiedersah.

Jamie beobachtete ihn. »Sehen Sie Ada zum ersten Mal?«, fragte sie.

»Ja.« Er lächelte. »Würden Sie mir das Foto überlassen? Natürlich nur leihweise.«

»Klar doch.« Jamie wies auf das leere Glas. »Möchten Sie nochmal Nachschlag?«

»Nein, danke.« Er steckte das Foto ein. Noch einmal ließ er seine Augen durch den Raum wandern. Er hoffte, dass Ada Brice nirgendwo einen Hinweis auf ihre Kundschaftertätigkeit hinterlegt hatte. »Ich denke, es wird Zeit für mich«, sagte er.

Jamie raffte ihren Kragen zusammen. »Haben Sie einen Verdacht, warum Ada entführt wurde?«

»Bis jetzt noch nicht.« Er gab sich gelassen. »Bestimmt ist alles halb so wild, Miss Jamie. Es hat ja bisher nicht mal eine Forderung gegeben.«

»Eine Forderung?«

»Ich meine eine Nachricht, in dem der Kidnapper mitteilt, was er dafür haben möchte, dass er die Entführte wieder herausrückt.«

»Lösegeld.« Jamie schüttelte den Kopf. »Nein, so was gab’s noch nicht. Wer sollte auch Lösegeld für Ada bezahlen. Der schöne Johnny?« Sie hob geringschätzig die Achseln.

Fürs Erste hatte Lassiter genug erfahren. Er wandte sich zur Tür. »Tut mir leid, dass ich Sie und den Gentleman gestört habe, Miss Jamie.«

»Ach, was. Nicht so schlimm. Mit Pip werde ich schon einig.« Sie öffnete ihm die Tür.

Lassiter alias Pater Greene schlug ein Kreuz über ihr und segnete sie.

Jamie senkte artig den Kopf und murmelte etwas, das er nicht verstand. Wahrscheinlich war es ein Gebet, aber es konnte ebenso gut ein frivoler Spruch sein.

Nachdem Lassiter noch einen lüsternen Blick auf die spitzen Erhebungen auf ihrer Bluse geworfen hatte, begab er sich zu den Silberminen in den San Pedro-Bergen.

***

Ungefähr zur gleichen Zeit irrte Ada Brice durch einen verlassenen Erzstollen.

Nachdem es ihr nach etlichen Fehlversuchen gelungen war, aus der Grube zu klettern, war sie durch den darüber liegenden Tunnel in Richtung des Lichtpunktes gekrochen. Als sie das Ende des Ganges erreichte, stellte sie fest, dass der Durchschlupf nach draußen viel zu klein war, um sich ins Freie zu retten.

Nie und nimmer passte sie durch das Loch in dem Felsen.

Die Erkenntnis brachte sie an den Rand der Verzweiflung.

Sie brauchte einige Zeit, um diesen Tiefschlag zu überwinden. Zum Glück war der Mann, der hinter ihr her war, ihr nur ein Stück in die Tunnelröhre gefolgt. Sie hatte keine Ahnung, wo er geblieben war.

Er hatte geschrien und geschossen, um sie zur Umkehr zu bewegen, doch dann war er plötzlich still geworden.

Bestimmt hatte er das Stollen-Labyrinth verlassen.

Ada hatte ein ungutes Gefühl. Sie ahnte, dass sie längst nicht außer Gefahr war. Irgendwie hatte der Kerl mit dem Navy Colt von Lassiter erfahren. Das beunruhigte sie. Gab es irgendwo eine undichte Stelle im Gefüge der Kontaktleute und Kundschafter.

Sie rückte näher vor das Loch, durch das ein schmaler Lichtbalken in den Schacht fiel. Sie grübelte und grübelte. Die Zeit tröpfelte träge dahin.

Irgendwann fielen Ada die Augen zu. Als sie wieder wach wurde, verspürte sie einen Riesendurst.

Ein Himmelreich für ein Glas Wasser!

Sie rappelte sich auf und blickte sehnsüchtig durch die Felsöffnung auf die Häuser von Tombstone.

Die Freiheit war so nahe und doch so fern.

Ada schluckte schwer. Die Zunge klebte am Gaumen wie eine Fliege auf einem Klebestreifen. Vor ihrem inneren Auge erschien ein großer, dampfender Topf Kaffee. Sie glaubte, das köstliche Aroma zu riechen und stieß einen inbrünstigen Seufzer aus.

Nachdem sie mehrmals tief durchgeatmet hatte, gab sie sich einen Ruck und setzte sich in Bewegung. Mittlerweile hatten sich ihre Sinne auf sonderbare Weise an die Dunkelheit gewöhnt.

Im Vergleich zu dem Herweg kam sie nun ziemlich zügig vorwärts, sie stolperte nur noch selten.

Als sie die Stelle erreichte, wo sich gähnend der Abgrund auftat, blieb sie stehen und bündelte all ihre Kräfte. Sie musste das Hindernis überwinden, koste es, was es wolle.

Die Angst, zu versagen, krampfte ihr Herz zusammen. Wenn sie ein zweites Mal in die Grube fiel, würde sie vielleicht nicht wieder herauskommen. Es bestand die Gefahr, dass sie jämmerlich verdurstete.

Ein grauslicher Gedanke.

Irgendwo in den Tiefen der unterirdischen Gänge ertönten knirschende Geräusche.

Ada stockte der Atem. Sie lauschte angespannt. Gab es noch andere Menschen in dem Stollen? Bergleute, Indianer, Gesetzlose – oder Leute des Sheriffs, die nach ihr suchten? Darüber hinaus befand sich Lassiter in Tombstone. Sie war nicht zum Treffpunkt erschienen. Sicher fahndete er längst nach ihr.

Bei der Vorstellung daran bekam sie weiche Knie. Am liebsten hätte sie laut »Ich bin hier!« gerufen.

Doch sie musste damit rechnen, dass ihr Entführer als Erster bei ihr war.

Das Risiko wollte sie nicht eingehen.

Ada merkte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sie wischte sich über die Wangen und bemühte sich, ruhiger zu atmen. Da draußen lockte die Freiheit. Sie durfte jetzt nicht durchdrehen.

Ada starrte auf das schwarze Loch vor ihren Fußspitzen.

Ich muss es schaffen. Sie trat einige Schritte zurück, nahm Anlauf und rannte, so schnell sie konnte.

Der Absprung war nahezu perfekt. Ada sauste über das schwarze Loch hinweg und landete auf der gegenüberliegenden Seite. Sie kippte nach vorn und schürfte sich die Handflächen auf. Aber der Schmerz war kaum zu spüren. Das Glücksgefühl, das sie erfüllte, überdeckte ihn.

Sie wollte sich gerade aufrichten, als sie mit der linken Hand einen schachtelartigen Gegenstand aus Pappe ertastete.

Streichhölzer!

Vor Freude schlug Adas Herz schneller. Offenbar hatte ihr Verfolger die Schachtel verloren. Von außen fühlte sich das Behältnis ziemlich klamm an. Doch die Hölzchen waren trocken geblieben. Schwefelhölzer, die man überall anreißen konnte. Perfekt!

Sie nahm einen heraus und ratschte ihn über die Felswand.

Beim zweiten Versuch flammte das Holz auf und tauchte den Schacht in schwaches, flackerndes Licht. Ada sah einen langen Gang, hin und wieder von Eichenbalken gestützt.

Plötzlich erstarrte sie. Ein Stück weiter sickerte ein Rinnsal aus der Wand, floss quer über den Boden und verschwand in einem Spalt vor der gegenüberliegenden Wand des Stollens.

»Wasser«, keuchte sie.

Sie stolperte vorwärts. Das Schwefelholz brannte noch eine Weile. Sie schützte das Flämmchen in ihrer hohlen Hand. Dann erlosch es und hinterließ schwarze, undurchdringliche Finsternis.

Vorsichtig tastete sich Ada weiter. Sie orientierte sich an ihrer Erinnerung. Nach ein paar Schritten ging sie in die Hocke und watschelte im Entengang. Endlich berührten ihre Fingerkuppen das kalte Nass.

Sie schöpfte Wasser und schlürfte es aus den nach oben gekehrten Handflächen. Das Zeug schmeckte abscheulich, aber Ada genoss jeden Tropfen.

Sie trank, ohne inne zu halten.

Als ihr Durst gestillt war, setzte sie sich auf den Boden und lehnte sich an die Wand. Sie nahm ein neues Streichholz und riss es an.

Die Flamme neigte sich in Richtung der Felsöffnung, die zu eng zum Durchschlüpfen war.

Ada fiel ein Artikel ein, den sie unlängst in der Harper’s Weekly gelesen hatte. Darin wurde beschrieben, wie man den Weg aus einem Stollenlabyrinth fand. Man sollte eine Flamme anzünden und dem Luftstrom folgen.

Ada betrachtete die Felswände mit gemischten Gefühlen.

Der Stollen befand sich in einem katastrophalen Zustand. Die Balken bogen sich unter dem Gewicht des Gesteins. An manchen Stellen klafften breite Risse an der Felsendecke. Ein Stück weiter versperrte ein Steinhaufen den Weg.

Lag der Haufen schon gestern da? Ada konnte sich nicht daran erinnern. Das Streichholz verbrannte ihr die Finger. Sie schleuderte es beiseite.

Gleich riss sie ein neues Holz an. Im Schein des kümmerlichen Lichts marschierte sie vorwärts. Sie quetschte sich über den Haufen Geröll und war heidenfroh, dass sie den Engpass überwunden hatte.

Sie entzündete ein weiteres Holz und bewegte sich, so schnell es ging, im Watschelgang vorwärts.

Nach einer Weile legte sie eine Verschnaufpause ein. Die Watschelei hatte sie an den Rand der Erschöpfung gebracht. Ada kam das komisch vor. Wie lang die Strecke war! Sie hatte den Stollen viel kürzer in Erinnerung. Normalerweise hätte sie längst am Ausgang des Stollens sein müssen.

Ada stockte der Atem. Auf einmal wusste sie, warum ihr der Weg so lang vorkam.

Sie hatte sich verirrt …

***

Am liebsten hätte sich Duke Allman in ein Mäuseloch verkrochen.

Als er die Botschaft übermittelte, dass er nichts über den avisierten Detektiv herausbekommen hatte und ihm überdies noch Ada Brice entwischt war, verzog Chef Edwards das Gesicht zur Grimasse. »Sag das noch einmal, Duke«, sagte er eisig. »Du kommst her, um mir unter die Nase zu reiben, dass du mit leeren Händen bei mir aufschlägst?«

Allman stand an der Verbindungstür, zwischen Diele und Salon. Der Chef saß in dem pompösen Ohrensessel aus Übersee, die beringten Finger seiner Rechten trommelten einen Marsch auf der Lehne. Chippy, die Hausdame, rumorte im Zimmer nebenan mit dem Besen.

»Ich sagte doch schon, Mr. Edwards, auf einmal war da dieser Hund, der mich angriff …«

»Tod und Teufel! Duke! Das kann doch nicht dein Ernst sein? Von einem Köter lässt du dich ins Bockshorn jagen?«

Allman ließ die Schultern hängen. »Mr. Edwards, Sie können mir glauben, ich war schon auf dem Weg hierher; es wäre alles wie am Schnürchen gelaufen, wenn nicht dieser räudige Bastard aufgetaucht wäre. Das Biest wollte Hackfleisch aus mir machen. Als ich es ihm besorgte, hat das Weibsstück Morgenluft geschnuppert und die Beine in die Hand genommen. Wie ein Hase ist sie gerannt. Vorbei am Union Market, dem OK-Corral, der Arena, dem Minercamp, direkt zu den Pedro-Hügeln. Ich hatte sie schon fast am Haken, da flitzte das Luder in einen alten Stollen …«

Der Chef beendete den Marsch. »Warum bist du nicht hinterher?«

»Das bin ich ja«, verteidigte sich Allman. »Aber in diesem Wirrwarr von Stollengängen findet sich nur ein gottverdammter Maulwurf zurecht.«

Einen Moment lang war Stille. Das Pendel der Wanduhr schwang hin und her.

Der Chef hob eine Hand von der Lehne und betrachtete seine Goldringe. »Wie dem auch sei: Ich will, dass du mir diesen Lassiter bringst. Tot oder lebendig. Ich muss diesen Kerl haben.«

Allman trat von einem Fuß auf den anderen. »Natürlich. Ich tu mein Bestes.«

»Dieser Lassiter ist gefährlich wie eine Klapperschlange«, fuhr der Chef fort. »Kein Mensch weiß, für wen er arbeitet, aber dass er uns in die Suppe spucken will, ist so klar wie das Amen in der Kirche. Ich werde ihn schnappen und ihn durch den Wolf drehen. Bisher hat jeder gesungen, den ich in der Mangel hatte.«

Allman grinste dümmlich. »Jawohl, Sir, wenn einer das schafft, dann sind Sie es.«

Der Chef starrte ihn an. »Du weißt, was passieren kann, wenn wir es vermasseln?«

Allman lockerte sein Halstuch und nickte schnell. Ja, er konnte sich vorstellen, was passierte, wenn der Laden aufflog. Der Chef, er selbst und alle Beteiligten würden für Jahre hinter Gitter wandern. Das Geschäft, das Mr. Edwards betrieb, war so eine Art Kutschenberaubungsgesellschaft, die den Südosten des Arizona-Territoriums seit Monaten in Atem hielt. Das Geschäft florierte. Ein Teil der Lohngelder, die für die Miner in den Bergbaubetrieben bestimmt waren, landete in ihrer Tasche. Unlängst hatte ein Spitzel, der im Dunstkreis von Gouverneur McCall Dienst tat, erfahren, dass ein Experte nach Tombstone geschickt werden sollte, der Edwards’ Unternehmen zerschlagen sollte. Dummerweise war außer dem Namen des Detektivs nicht bekannt.

»Bring die Frau her, Duke«, sagte der Chef. »Ich will Ada Brice. Egal, wo sie sich verkriecht, stöbere sie auf. Schleif sie meinetwegen an den Haaren her, aber komm nicht ohne sie. Ist das klar, Duke?«

»Ja, Mr. Edwards.«

Der Chef trommelte ein Stück Marsch auf der Lehne. »Du weißt, was ich mit ihr vorhabe?«

Allman nickte. »Nun, Sie wollen sie solange bearbeiten, bis sie anfängt zu singen.«

»Falsch.«

»Falsch?« Allman rang um Atem. Der Chef spielte wieder einmal Katz und Maus mit ihm. »Was haben Sie denn mit ihr vor, Sir?«

»Schon mal was von Lockvögeln gehört?«

»Oh ja, jetzt kapiere ich.« Allman strahlte. »Sie brauchen das kleine Miststück, damit Lassiter Ihnen auf den Leim kriecht.«

»So ist es, Duke.«

Allman genehmigte sich ein breites Grinsen.

Vor der Villa wurden Hufschläge laut.

Der Chef hievte sich aus dem Sessel und trat an die mit Glas verarbeitete Verandatür. »McCall und Chessman kommen«, rief er aus. »Will hoffen, sie haben bessere Nachrichten als du.«

»Ja, das hoffe ich auch, Sir«, katzbuckelte Allman.

Auf der Veranda trampelten Schritte. Es wurde an die Tür geklopft.

»Rein mit euch!«, bellte der Hausherr.

Die Tür ging auf und McCall und Chessman traten ein. Beide trugen biedere steingraue Anzüge, mit Krawatte, weißem Oberhemd und Weste. Sie sahen aus, als kämen sie gerade vom Gottesdienst.

Allman verzog sich in den hintersten Winkel. Er war gespannt, was die zwei herausgefunden hatten.

Der Chef schüttelte den Neuankömmlingen die Hand. »Auftrag erfüllt, Jungs?«

Die zwei wechselten einen scheelen Blick. McCall, der Größere, sagte: »Um es kurz zu machen, Sir. Wir haben den Mann nicht gesehen.«

»Was heißt das? Wieso habt ihr ihn nicht gesehen?«

»Weil er nicht im Zug war«, sagte Chessman und nahm seinen Hut ab.

Allman wandte sich seitwärts, um schadenfroh zu grinsen. Auch Edwards’ Lieblinge brachten schlechte Nachrichten. Keine Spur von Lassiter. Ein Misserfolg jagte den anderen. Das würde dem Chef nicht schmecken. Allman stellte sich auf ein Donnerwetter ein.

»Lassiter war nicht im Zug?« Edwards runzelte die Stirn. »Das kann nicht sein. Unser Mann beim Gouverneur hat angekündigt, dass Lassiter mit dem Mittagszug eintrudelt.«

»Wir haben jeden auf dem Bahnsteig unter die Lupe genommen«, erwiderte Chessman. »Kein Typ dabei, auf den seine Beschreibung passt.«

Der Chef trommelte wieder, diesmal auf das Fensterbrett. »Das kann nicht sein. Unser Informant hat sich noch nie geirrt.«

»Aber es stimmt, Sir«, sagte McCall. »Er war nicht dabei. Sind ja auch nur drei Männer ausgestiegen. Die hatten wir im Nu gesichtet.«

»Er muss dabei gewesen sein«, beharrte Edwards. »Ich hab’s im Urin: Lassiter ist heute in Benson angekommen.«

McCall fingerte an seinem Schlips. »Sie irren sich, Sir. Da waren nur ein steinalter Ex-Trapper, ein glotzäugiger Vagabund mit Säufernase und ein Gottesmann, der aussah wie ein Pinguin.«

Der Chef hörte auf zu trommeln. »Ich will, dass ihr die Typen noch einmal überprüft, aber gründlich, wenn ich bitten darf.«

Allman grinste hämisch, als McCall und Chessman kleinlaut nickten.

»Den Trapper können wir uns schenken«, sagte Chessman. »Der ist schon über siebzig. Und der Vagabund war dünn wie eine Zaunlatte. Hat gezittert wie ein junger Hund. Wahrscheinlich hat er seine letzten Kröten für die Fahrkarte ausgegeben und hat nun keine Bucks mehr für einen Drink. Nun ja, will sagen, ein harter Knochen sieht anders aus.«

»Dann bliebe nur noch der Geistliche.«

McCall schüttelte den Kopf. »Fehlanzeige. Der Pater sah nicht aus wie ein Draufgänger, ganz und gar nicht.«

»Hatte er eine Tonsur?«, fragte der Chef.

»Tonsur?«

»So eine ausrasierte Stelle auf dem Schädel.«

Chessman rollte mit den Augen. »Keine Ahnung. Er trug einen Zylinder.«

»Überprüft ihn«, befahl Edwards.

»Ist er auch wirklich nach Tombstone weitergefahren?«, erkundigte sich Allman.

»Nein«, antwortete Chessman, »er ist geritten, um genau zu sein.«

»Machte keine schlechte Figur im Sattel«, sagte McCall. »Von dem Pater könnte sich manch einer ’ne Scheibe abschneiden.«

Allman blinzelte hin und her. Wahrscheinlich kam keiner dieser drei Kandidaten als Lassiter in Frage. Nur Ada Brice kannte seine wahre Identität. Bestimmt wusste sie auch, warum Lassiter nicht wie geplant in Benson ankam. Offenbar hatte es im letzten Moment eine Änderung gegeben, von der ihr Spitzel nichts wusste.

»Was glotzt du so, Duke?« Der Chef boxte ihm den Ellbogen in die Seite. »Spuck’s aus, wenn dir was auf der Seele brennt. Keine falsche Scham, Amigo.«

Allman rückte seinen Revolvergurt zurecht. »Mir lässt dieses Weibsstück keine Ruhe«, sagte er halb im Gehen. »Ich werde sie finden. Ja, bei Gott, das werde ich, und wenn ich jeden Stein im Cochise County umdrehen muss.«

***

Auf einer breiten Straße mit tiefen Spurrillen gelangte Lassiter zu dem Grubengelände in den San Pedro-Hügeln.

Neben einer Halde standen einige Minenarbeiter, rauchten Zigaretten und ließen eine Flasche rumgehen. Alle trugen verschossene Latzhosen, verdreckte Stiefel und Schlapphüte aus Filz. Hinter ihnen ringelten sich schmale Bahngleise zum Schachteingang. Zwei Mulis zogen eine Kipplore mit Geröll zu einer Halde.

Lassiter trat zu den Kumpeln. »Ich suche den schönen Johnny«, sagte er und blieb stehen.

Das Gespräch brach ab. Alle blickten neugierig auf den in Schwarz gekleideten Gottesmann.

Lassiter neigte lächelnd den Kopf. »Ich bin Pater Greene und möchte Mr. Johnny einige Fragen stellen«, sagte er salbungsvoll.

Ein riesenhafter Mann mit Händen wie Schaufeln trat vor. Er hatte ein rotes Gesicht, einen Stiernacken und lange, schwarze Haare auf den Unterarmen. »Ich bringe Sie hin, Pater«, sagte er.

»Danke, Mister …?«

»Will Tanner.« Der Hüne warf seine Zigarette fort und stapfte voran.

Lassiter blieb dicht hinter ihm. Nach ein paar Schritten sagte er: »Jamie Bell hat mir gesagt, dass Johnny mit Ada Brice verkehrt. Kennen Sie Miss Jamie?«

»Na klar. Hin und wieder trinke ich ein Bier mit ihr.«

»Der liebe Gott hat ihr ein hübsches Aussehen spendiert«, sagte Lassiter.

»Darauf können Sie wetten, Pater!«

Sie waren am Schachteingang angekommen. Karbidlampen schaukelten an den Querbalken, die die Decke abstützten. Aus dem Innern des Berges drang ein schwefliger Geruch.

»Warten Sie hier, ich hole Johnny«, sagte Tanner.

Lassiter blieb ihm auf den Fersen. »Ich würde mir die Mine gern mal von innen anschauen.«

»Ein Stollen ist nicht der richtige Ort für einen Pater«, sagte der Bergmann.

»Wie lang ist die Röhre?«

»Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Zahlen sind nicht so mein Metier. Ich weiß nur, der Stollen ist lang, sehr lang.« Tanner nahm eine Lampe vom Balken und drehte den Docht höher. »Am besten, Sie warten am Eingang, Pater.«

»Ich komme mit«, entschied Lassiter.

»Des Menschen Wille ist sein Himmelreich.« Tanner ging los. Nach wenigen Yards verließen sie den Hauptstollen und bogen in einen Seitengang ein. Sie kamen zu einer Plattform, von der eine in Stein gehauene Treppe in die Tiefe führte. Am Treppenabsatz brannten zwei mit Brennöl gespeiste Laternen. Aus der Tiefe dröhnten hallende Hammerschläge hinauf.

»Johnny!«, brüllte Tanner in den Schlund. »He, Johnny! Da will dir einer die letzte Ölung verpassen!«

Irgendwo unten gab jemand Antwort. Die Stimme klang hohl, als käme sie vom Grund eines Brunnens. Das Echo hallte gespenstisch über die Felswände.

Als es verklang, erschien das maskierte Gesicht eines Mannes auf dem obersten Treppenabsatz. Der schöne Johnny trug eine baumwollene Maske, die er nun abnahm und in eine Tasche seiner Latzhose stopfte. Er behielt ein schwarzes Muster auf Wangen, Stirn und Nase.

Verwundert musterte er den Gottesmann.

»Das ist Pater Greene«, sagte Will Tanner. »Er will mit dir reden, Hombre.« Mit diesen Worten wandte er sich ab und ging.

»Ich heiße Johnny Swansea.« Der Neuankömmling wischte sich mit der behandschuhten Hand über die Stirn. »Und Sie wollen wirklich zu mir?«

»Ja, Mister.« Lassiter gab seiner Stimme einen feierlichen Klang. »Es geht um ein Fräulein namens Ada Brice. Kann sein, dass Sie, Mr. Swansea, der einzige Mensch im Arizona-Territorium sind, der mir helfen kann.«

Der Minenarbeiter hob die Brauen. »Sie machen mich neugierig, Pater. Was ist mit Ada?«

»Sie wurde entführt«, ließ Lassiter die Katze aus dem Sack.

Swansea polkte sich ein Sandkorn aus dem Auge. »Wie? Was? Entführt? Ich verstehe nicht.«

Lassiter setzte ihn mit knappen Worten ins Bild. »Und jetzt bin ich hier, um eventuell einen Hinweis von Ihnen zu bekommen«, schloss er seinen Bericht.

»Einen Hinweis, worauf?«

»Vielleicht ist Ihnen in letzter Zeit in Miss Adas Umfeld etwas verdächtig vorgekommen«, meinte Lassiter.

»Offen gestanden habe ich Ada eine Zeit lang nicht mehr gesehen«, bekannte Swansea. »Wir hatten einen Streit, müssen Sie wissen. Es ging da um gewisse Heimlichkeiten, die mir bei ihr auffielen.« Er schniefte. »Ich glaube, Adas Mitbewohnerin übt keinen guten Einfluss auf sie aus.«

»Jamie Bell?«

Swansea nickte. »Jamie mischt im horizontalen Gewerbe mit. Sie und Ada teilen sich eine Bude. Das gefällt mir überhaupt nicht.«

Lassiter konnte das nachfühlen. Eine Prostituierte als Zimmergenossin war nicht jedermanns Sache. »Sie sprachen da von Heimlichkeiten«, sagte er vorsichtig. »Wie ist das zu verstehen, Mr. Swansea?«

Der schöne Johnny seufzte. »Ich glaube, Ada hat einen anderen«, sagte er dann.

»Wie kommen Sie darauf?«

»Weiß nicht.« Er zuckte die Achseln. »Ist nur so ein Gefühl. Könnte ja sein, oder?«

»Möglich ist das schon.«