Lassiter Sammelband 1814 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1814 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2323, 2324 und 2325.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

2323: Todesmelodie in Blei
Louis Hayden zitterte. Der Gewölbekeller war nass und kalt. Nicht der kleinste Hauch warmer Luft drang von oben in die Tiefe herab. Doch es war nicht nur die Kälte, die den Mann frösteln ließ - es war die nackte Angst um sein Leben!
Wieder und wieder rüttelte Hayden an den Eisenmanschetten, die seine Handgelenke an die gemauerte Wand ketteten, doch außer Hautabschürfungen brachten ihm seine verzweifelten Bemühungen nichts ein.
Und dann kamen sie! Sieben an der Zahl. Ihre Gesichter waren von Stoffmasken verhüllt, Öffnungen für Augen und Mund grob herausgeschnitten. Wie eine Wand bauten sie sich vor Hayden auf, und er wusste, dass er die nächsten Minuten nicht überleben würde.

2324: Showdown in Black Hills
Die Gespräche verstummten schlagartig, als Lemuel Reargon den Saloon betrat. Die Gäste traten respektvoll zur Seite, während er mit schweren Schritten in Richtung Tresen marschierte.
"Prescott", knurrte er. "Mir ist gerade zu Ohren gekommen, dass du üble Gerüchte über mich verbreitest."
Der junge Mann an der Theke erbleichte, und die Männer links und rechts von ihm wichen zurück, als hätte er die Blattern. Seine Hände umklammerten den Bierkrug, während er antwortete: "Das sind keine Gerüchte, Reargon. Sie haben meinen Onkel ermordet, und ich kann es beweisen!"
"Ach, wirklich?" Reargons vernarbtes Gesicht verzog sich zu einem amüsierten Lächeln, als er sich an die Theke lehnte und Daniel Prescott musterte. Der starrte stur geradeaus.
Reargon wandte sich an den Bartender. "Gib Mr. Prescott einen Whiskey, Brad. Auf meine Rechnung." Er lachte heiser. "Den wird er jetzt brauchen."

2325: Schüsse in der Nacht
Die gerupfte Tanne wuchs auf einem Felsvorsprung an der Südflanke des Mount Glory, dessen schroffer Gipfelgrat wegen des Schneetreibens kaum zu erkennen war. Die Männer hatten dem Baum den Spitznamen im letzten Sommer verpasst.
"Da vorn ist die Zauseltanne!", rief der vordere der beiden Reiter. Sein dichter Bart war steifgefroren. "Von diesem verfluchten Drecksbaum hat er geredet!"
Der andere Reiter nickte und stieg mit verkniffenem Gesicht aus dem Sattel. Er stapfte an seinem Gefährten vorbei durch den Schnee und schirmte die Augen gegen den Sturm ab. Als er bei der Tanne war, starrte er ins Tal hinunter.
Der Pferdeschlitten von Walther Biddick war ein winziger schwarzer Fleck in der schneeumstürmten Tiefe. Selbst Gevatter Tod hätte sich kein anderes Wetter gewünscht ...

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: © Norma/Boada ISBN 978-3-7325-9149-7

Jack Slade

Lassiter Sammelband 1814 - Western

Inhalt

Jack SladeLassiter - Folge 2323Louis Hayden zitterte. Der Gewölbekeller war nass und kalt. Nicht der kleinste Hauch warmer Luft drang von oben in die Tiefe herab. Doch es war nicht nur die Kälte, die den Mann frösteln ließ - es war die nackte Angst um sein Leben! Wieder und wieder rüttelte Hayden an den Eisenmanschetten, die seine Handgelenke an die gemauerte Wand ketteten, doch außer Hautabschürfungen brachten ihm seine verzweifelten Bemühungen nichts ein. Und dann kamen sie! Sieben an der Zahl. Ihre Gesichter waren von Stoffmasken verhüllt, Öffnungen für Augen und Mund grob herausgeschnitten. Wie eine Wand bauten sie sich vor Hayden auf, und er wusste, dass er die nächsten Minuten nicht überleben würde.Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2324Die Gespräche verstummten schlagartig, als Lemuel Reargon den Saloon betrat. Die Gäste traten respektvoll zur Seite, während er mit schweren Schritten in Richtung Tresen marschierte. "Prescott", knurrte er. "Mir ist gerade zu Ohren gekommen, dass du üble Gerüchte über mich verbreitest." Der junge Mann an der Theke erbleichte, und die Männer links und rechts von ihm wichen zurück, als hätte er die Blattern. Seine Hände umklammerten den Bierkrug, während er antwortete: "Das sind keine Gerüchte, Reargon. Sie haben meinen Onkel ermordet, und ich kann es beweisen!" "Ach, wirklich?" Reargons vernarbtes Gesicht verzog sich zu einem amüsierten Lächeln, als er sich an die Theke lehnte und Daniel Prescott musterte. Der starrte stur geradeaus. Reargon wandte sich an den Bartender. "Gib Mr. Prescott einen Whiskey, Brad. Auf meine Rechnung." Er lachte heiser. "Den wird er jetzt brauchen."Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2325Die gerupfte Tanne wuchs auf einem Felsvorsprung an der Südflanke des Mount Glory, dessen schroffer Gipfelgrat wegen des Schneetreibens kaum zu erkennen war. Die Männer hatten dem Baum den Spitznamen im letzten Sommer verpasst. "Da vorn ist die Zauseltanne!", rief der vordere der beiden Reiter. Sein dichter Bart war steifgefroren. "Von diesem verfluchten Drecksbaum hat er geredet!" Der andere Reiter nickte und stieg mit verkniffenem Gesicht aus dem Sattel. Er stapfte an seinem Gefährten vorbei durch den Schnee und schirmte die Augen gegen den Sturm ab. Als er bei der Tanne war, starrte er ins Tal hinunter. Der Pferdeschlitten von Walther Biddick war ein winziger schwarzer Fleck in der schneeumstürmten Tiefe. Selbst Gevatter Tod hätte sich kein anderes Wetter gewünscht ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Todesmelodie in Blei

Vorschau

Todesmelodie in Blei

Louis Hayden zitterte. Der Gewölbekeller war nass und kalt. Nicht der kleinste Hauch warmer Luft drang von oben in die Tiefe herab. Doch es war nicht nur die Kälte, die den Mann frösteln ließ – es war die nackte Angst um sein Leben!

Wieder und wieder rüttelte Hayden an den Eisenmanschetten, die seine Handgelenke an die gemauerte Wand ketteten, doch außer Hautabschürfungen brachten ihm seine verzweifelten Bemühungen nichts ein.

Und dann kamen sie! Sieben an der Zahl. Ihre Gesichter waren von Stoffmasken verhüllt, Öffnungen für Augen und Mund grob herausgeschnitten. Wie eine Wand bauten sie sich vor Hayden auf, und er wusste, dass er die nächsten Minuten nicht überleben würde.

»Es ist so weit!«, hallte ihm eine Stimme entgegen. »Das Tribunal hat entschieden! Du bist des Todes, Louis Hayden!«

Der Angekettete versteifte und presste sich mit dem Rücken an die feuchte Backsteinwand. Faulige Nässe tränkte sein Hemd und ließ einen weiteren Schauer durch seinen Körper jagen. Er sah die ausdruckslosen Mienen der Männer, die ihn bedrohten, sah das feurige Glitzern der Augen, die ihn durch die Schlitze der Stoffmasken anstarrten, und bäumte sich ein letztes Mal auf. »Was wollt ihr von mir? Ich habe niemandem etwas zuleide getan!« Angstvoll richtete er seinen Blick auf die Eisenstange, die der Sprecher der Vermummten drohend emporhielt. Das obere Ende war zugespitzt und glühte vor Hitze. Es musste geraume Zeit im Feuer einer Esse gelegen haben.

»Wir haben dich gewarnt!«, sprach der zuvorderst stehende Mann weiter. »Und mehr als eine Warnung wird es von uns nicht geben. Du hast sie ignoriert! Die Strafe dafür ist der Tod!«

»Ihr habt mich auf meiner Farm überfallen!«, schrie Hayden. »In meinem Zuhause, wo meine Familie lebt!«

»Deiner Tochter ist nichts geschehen!«, erwiderte Haydens Gegenüber, und durch den Mundschlitz seiner Maske war zu erkennen, wie sich seine Lippen zu einem höhnischen Grinsen verzogen. »Sei froh, dass es nur dich erwischt.«

In Louis Hayden regte sich Widerstand. Er überwand seine Starre und zerrte mit aller Kraft, die er aufzubieten vermochte, an den Eisenklammern. Wütend spie er aus. »Ihr werdet nichts verändern, ganz gleich, wie viele Plantagenbesitzer ihr tötet! Die Zeit der Sklaverei ist vorbei – und eure ist es auch!«

Keuchend zuckte er zusammen. Die weißglühende Spitze der Eisenstange war herangeruckt und verharrte eine Handbreit vor seinem Gesicht. Bereits jetzt war die ausgestrahlte Hitze kaum zu ertragen, sodass Hayden seinen Kopf zur Seite drehte, ohne jedoch das Folterinstrument aus den Augen zu lassen.

»Weiße gehören nicht auf die Tabakfelder, Hayden! Wir haben nicht unser Blut gegen die Blauröcke vergossen, um tatenlos mitanzusehen, wie sie uns plündern und ausrauben! Alle, die sie dabei unterstützen, werden ihren Verrat teuer bezahlen. So wie du!«

Energisch reckte Louis Hayden sein Kinn vor. Die Hitze, die ihm entgegenschlug, machte ihm plötzlich nichts mehr aus. Ihm war klar, dass es für ihn keine Rettung mehr gab. »Ihr habt die Niederlage im Krieg nie verwunden, nicht wahr?«, sagte er gefasst und ließ einen Anflug von Spott erkennen. »Der Clan eurer Vorgänger ist zerschlagen worden, aber ihr wollt ihn erneut aufleben lassen. – Schaut euch an! Für mich seid ihr nicht mehr als ein Haufen lächerlicher Kapuzenmänner, die zu feige sind, ihre Gesichter zu zeigen! Ihr vergreift euch an Wehrlosen und fühlt euch in der Gruppe stark, aber allein auf euch gestellt seid ihr erbärmliche Jammerlappen!«

Der Anführer der Vermummten ließ sich nicht provozieren. Spielerisch drehte er die Eisenstange vor Haydens Gesicht und musterte seinen Gefangenen mit kalter Grausamkeit. »Ich sehe schon, du hast mit deinem Leben abgeschlossen. Und einen tapferen Mann wie dich will ich keinesfalls enttäuschen …«

Ein gellender Schrei hallte durch den Gewölbekeller; der Gestank verbrannten Fleisches breitete sich aus. Louis Hayden glaubte, der entsetzliche Schmerz würde ihm die Besinnung rauben, doch die Macht eines unbarmherzigen Schicksals hielt ihn bei Bewusstsein.

»Wenn man dich findet«, raunte sein Peiniger, »wird jeder wissen, mit wem du dich angelegt hast. Und die, die nicht verstehen, werden lernen.« Sichtlich zufrieden begutachtete er sein Werk. »Das Mal unseres Ordens auf der Stirn eines Verräters! Sobald die alte Ordnung wiederhergestellt ist, wird man auf Leute wie dich spucken.«

Haydens kochender Hass ließ ihn seine Schmerzen vergessen. Aber da war noch ein anderes Gefühl, das wie ein belebender Quell durch seine Adern strömte. Es war die spontane Erkenntnis, mit wem er es zu tun hatte. »Deine Stimme!«, stieß er aufgebracht hervor. »Ich erkenne sie! Du bist …!«

»… der Aufschrei der Unterdrückten!«, vollendete der Angesprochene. »Ein Grund mehr, deiner beschämenden Existenz ein Ende zu setzen!« Er warf die Eisenstange zu Boden, und von einer Sekunde zur nächsten hielten die sieben Männer Revolver in ihren Händen.

Angewidert verzog Hayden seinen Mund, brachte aber keinen Laut mehr hervor. In stummer Billigung seiner bevorstehenden Exekution schaute er verächtlich in die Mündungen der Waffen und bemerkte, wie seine Gedanken abschweiften. Er sah das Antlitz seiner viel zu früh verstorbenen Frau vor sich und das lachende Gesicht seiner Tochter Crissie. Sie war sein Ein und Alles, doch er würde nicht mehr verhindern können, dass sie sich in Zukunft allein durchschlagen musste.

Grelle Mündungsblitze flammten auf. Hayden nahm sie nur nebenher zur Kenntnis, war der Welt bereits entrückt und hörte auch nicht das Donnern, mit dem sich das tödliche Blei entlud.

Kurz bevor ihn die ewige Nacht umfing, spürte er den tiefen Frieden in sich und hatte die Gewissheit, seine geliebte Haley-Jade im Jenseits wieder in seine Arme schließen zu können …

***

Über die Zubringerlinie der Southern Pacific war Lassiter bis Lexington gereist und hatte von dort aus die knapp über zwanzig Meilen bis Richmond auf seinem Grauschimmel zurückgelegt. Der Auftrag der Brigade Sieben, der ihn nach Kentucky verschlagen hatte, war heikel. Und das nicht nur aufgrund der Tatsache, dass die Hintergründe, die zur Ermordung eines Agenten geführt hatten, aufgeklärt werden mussten. Der Tote – bei der Brigade unter dem Namen Santiago geführt – war im Zuge seiner Ermittlungen auf eine Organisation gestoßen, die verdächtig an den vergessen geglaubten Ku-Klux-Klan erinnerte. In seinem letzten Telegramm hatte Santiago lediglich vage Hinweise geben können, doch es war halbwegs ersichtlich gewesen, dass es eine Vereinigung von Maskierten gab, die gewaltsam gegen Plantagenbesitzer vorging und auch nicht davor zurückschreckte, sich an Verfechtern der Gleichstellungspolitik von Weißen und Schwarzen zu vergreifen.

Für Lassiter war klar, dass ein paar in aller Eile entworfene Gesetze zur Abschaffung der Sklaverei die Bevölkerung im Osten und Süden des Landes nicht von heute auf morgen auf den neuen Regierungskurs einschwören konnten. Die Tradition, Schwarze auf den Feldern für sich arbeiten zu lassen, war tief verwurzelt und der Grundstein eines Wohlstandes, den man nicht freiwillig herzugeben bereit war. Dennoch musste das Aufflackern rassistischer Tendenzen unverzüglich im Keim erstickt werden, um nicht in einen neuen Krieg zu münden. Santiagos Tod war nur ein weiterer Beweis, dass rasches Handeln erforderlich war. Denn sollte der Ku-Klux-Klan erneut eine stabile Basis finden, mochte er nicht so einfach aufzulösen sein, wie es im Jahre 1871 geschehen war.

Während seines Ritts rief sich Lassiter weitere Details ins Gedächtnis, die er seinen umfangreichen Unterlagen entnommen hatte. Zur Blütezeit des Clans hatte die Anzahl seiner Mitglieder etwa eine halbe Million umfasst. Um die weitgehend selbstständig operierenden Bezirksgruppen zu koordinieren, war auf einem Kongress in Nashville der Ex-Südstaatengeneral Nathan Bedford zum Grand Wizard erhoben worden, eine Bezeichnung, die den okkulten Charakter des Zirkels deutlich unterstrich. Wobei die Herkunft ihrer ungewöhnlichen Bezeichnung nicht eindeutig hatte geklärt werden können. Viele sahen in den Begriffen »Ku Klux« die lautmalerische Umschreibung des Spannens eines Gewehrhahns, andere führten sie auf die Maya-Gottheit Kukulkan zurück, wieder andere auf das griechische Wort »Kyklos«, das nichts anderes bedeutete als »Kreis«.

Letztlich waren diese Informationen, die man Lassiter mit auf den Weg gegeben hatte, bedeutungslos. Wichtig war einzig die Spur, die Santiago zu erkennen geglaubt hatte. Und diese Fährte führte seiner Ansicht nach zum in Richmond ansässigen Gunsmith. Inwiefern sie sich als brauchbar herausstellen würde, musste Lassiter vor Ort erst noch in Erfahrung bringen, aber er war fest entschlossen, das Aufkeimen einer neuen Terrororganisation mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aufzuhalten.

Gemächlich ritt er in Richmond ein und ließ seinen Hengst die Mainstreet entlangtraben. Lange brauchte er sich nicht umzuschauen, um ein Hotel zu finden, von dem aus er seine Nachforschungen durchführen konnte. »Feel Good Town Inn« prangte in riesigen Lettern über dem Eingang des Gasthofs. Lassiter musste schmunzeln und nahm sich vor, das angepriesene Wohlgefühl auf die Probe zu stellen. Er brachte seinen Grauschimmel in einem Mietstall nicht weit entfernt unter und stand wenige Minuten darauf bereits an der Rezeption.

Auf Anhieb fielen ihm die Damen auf, die abseits in einer Lounge saßen und trotz aufreizender Kleidung nicht den Eindruck erweckten, einen schnellen Dollar verdienen zu wollen. Ebenso wie der Clerk wirkten sie übermüdet und nur unter Androhung von Gewalt bereit, den Neuankömmling mit ihren Diensten zu verwöhnen. Trotz einiger enthaltsamer Tage war Lassiter gegenwärtig auch gar nicht auf ein Stelldichein aus, würde erst sein weiteres Vorgehen planen und am späten Abend die Laune der Liebesdienerinnen einer neuerlichen Begutachtung unterziehen.

Er bezahlte für drei Tage im Voraus und nahm seinen Zimmerschlüssel entgegen. Seine Unterkunft lag gleich im ersten Stockwerk in der Mitte eines Flurs, der mit einer hauchdünnen Teppichbahn ausgelegt war, die weder seine Schritte dämpfte noch eine Bereicherung des Ambientes darstellte.

Kaum hatte der große Mann die Tür seines Zimmers aufgeschlossen und seine Aktenmappe aufs Bett geworfen, erregten laute Rufe, die von der Straße kamen, seine Aufmerksamkeit. Beim ersten Blick aus dem Fenster sah er einen Karren, der von einem Maultier gezogen wurde, und sich rumpelnd über die Mainstreet schob. Gleich darauf erst fiel ihm eine verwachsene Gestalt auf, die dem Wagen voran humpelte, eine Faust zum Himmel reckte und schrie: »Elendes Mörderpack! Ich habe euch gewarnt, aber ihr wolltet nicht hören!«

Die Tirade setzte sich fort, doch Lassiter hörte nicht mehr hin. Einzig das Gelächter, das dem Buckligen galt, verfolgte ihn durch den Korridor, den er hinuntereilte, und verstummte, als er beim Treppenabsatz anlangte. An der Rezeption vorbei trat er mit ausgreifenden Schritten hinaus auf den Boardwalk und schaute der schweigenden Prozession nach, die sich hinter dem Fuhrwerk gebildet hatte. Der Verwachsene hatte sich abgesetzt und auf der gegenüberliegenden Straßenseite an einen Stützpfeiler gekauert. Ein Kerl, der gaffend hinter ihm stand, versetzte ihm einen Tritt und scheuchte ihn davon.

»Was ist geschehen?«, erkundigte sich Lassiter bei einem Passanten, der fassungslos und kopfschüttelnd seine Frau im Arm hielt. Ihr Gesicht ruhte an seiner Brust, und nur ganz leise war ihr verhaltenes Schluchzen zu hören.

»Wieder ein Mord!«, entfuhr es dem Mann. »Diesmal hat es Louis Hayden erwischt! Der alte Nesbit hat die Leiche draußen vor der Stadt gefunden! Wie soll es nur mit uns weitergehen?«

»Wie viel Tote hat es bereits gegeben?«

»Erst McCarthy von der Sägemühle im Südwesten, dann Sheriff Raskin, ein Durchreisender und jetzt …« Er wandte sich ab, strich seiner Frau über den Kopf und flüsterte ihr beruhigende Worte zu.

Lassiter horchte auf. Mit dem Durchreisenden konnte bloß Agent Santiago gemeint sein. »Gibt es Vermutungen, wer dahintersteckt?«, wollte er wissen.

»Vermutungen?«, ächzte der Mann verständnislos. »Sehen Sie sich die Brandzeichen auf der Stirn der Opfer an, und Sie wissen Bescheid!« Auf Nachfrage beschrieb er das Stigma mit dem Buchstaben K. Für Lassiter eine zusätzliche Bestätigung von Santiagos Mutmaßungen.

Der Brigade-Agent ließ das Pärchen stehen, wanderte einige Schritte über den Boardwalk und sah dem Zug der Trauernden hinterher. Offenbar hatte sich der Ku-Klux-Klan bisher nur an Menschen weißer Hautfarbe ausgelassen, doch sein Hass mochte sich schon bald auch auf die schwarze Bevölkerung ausdehnen. Trotzdem geriet Lassiter ins Grübeln, da er sich momentan noch keinen Reim auf die wahren Absichten der Bewegung machen konnte.

Ehe er jedoch seine Ermittlungen aufnehmen würde, wollte er sich noch um eine Angelegenheit privater Natur kümmern.

***

Crissie Hayden stand unter Schock. Erst wenige Stunden war es her, dass sie die furchtbare Nachricht vom Tode ihres Vaters erhalten hatte. Sie hatte in der Stadt Einkäufe erledigt und war von besorgten Bürgern auf offener Straße angesprochen worden. Alles hatte sie stehen und liegen lassen, war zum Bestatter geeilt und hatte die grausige Wahrheit mit eigenen Augen gesehen. Wäre Brent Walker, Vormann der Hayden-Plantage, nicht an ihrer Seite gewesen, hätte sie unweigerlich einen Zusammenbruch erlitten. Er hatte sie nach Hause auf die Farm gebracht, in ihr Bett gelegt und ihr Ruhe gegönnt. Jetzt war sie schweißgebadet zu sich gekommen und hatte im ersten Moment geglaubt, lediglich einen bösen Traum gehabt zu haben.

Doch es war kein Traum gewesen. Sie hatte die Leiche ihres Vaters gesehen, die Stirn mit einem Mal verunstaltet, der Körper von zahllosen Einschüssen durchlöchert. Natürlich war von den Tätern weit und breit keine Spur vorhanden. Sie waren eine eingeschworene Gemeinschaft, lebten mitten unter den Bewohnern von Richmond und verstanden es ausgezeichnet, ihre wahre Identität zu verschleiern. Einige befürworteten ungeniert das Vorgehen des Clans, doch die meisten lehnten es ab. Nicht unbedingt aus Überzeugung, aber aus Angst vor dem Gesetz.

Louis Hayden hatte zu den Ersten gehört, die ihren Sklaven die Freiheit geschenkt hatten. Für die Arbeit auf den Tabakfeldern hatte er sich in den umliegenden Städten Erntehelfer zusammengesucht, oftmals Tagelöhner, die kamen und gingen, aber auch eine feste Mannschaft, die bereits viele Monate für ihn tätig war.

Und was hatte ihm seine Großzügigkeit eingebracht? Militante Schergen, die die Zustände vor dem Bürgerkrieg wieder herzustellen gedachten, hatten ihn brutal ermordet. Sollte es auf dieser Welt noch einen Funken Gerechtigkeit geben, dachte Crissie Hayden, würde diesen Bestien weit Schlimmeres widerfahren als das, was sie ihren Opfern angetan hatten.

Sie merkte, dass sich ihre Finger im Laken verkrallt hatten, warf es beiseite und stieg aus ihrem Bett. Auf nackten Füßen, nur mit einem dünnen Kittel bekleidet, tappte sie zur Tür, öffnete sie spaltbreit und rief: »Brent? Ich bin wach! Bist du da?« Es wäre nicht ungewöhnlich gewesen, wenn der Vormann sich nicht im Haus befunden hätte. Auf den Feldern der Plantage gab es genügend Arbeit für ihn. Daher war Crissie leicht überrascht, schon nach wenigen Sekunden eine Antwort zu erhalten.

»Einen Moment! Ich bin gleich bei dir!«, gab Brent Walker zurück. Nicht lange, und sein schwerer Gang hallte durch den Vorraum, der zu Crissies Schlafraum führte. Die junge Blondine zog die Tür auf und bemerkte flüchtig Walkers abschätzigen Blick, dachte sich aber nichts dabei. Immerhin sah sie nicht gerade ladylike aus und hoffte, den Vormann nicht in Verlegenheit gebracht zu haben.

»Ich kann es immer noch nicht fassen«, seufzte sie und verkniff sich die Tränen, die ihr in die Augen schießen wollten. Crissie ging zurück zum Bett und setzte sich auf die Kante. »Gestern noch habe ich mich mit meinem Vater unterhalten – und heute schon ist er nicht mehr da.«

»Wenn es irgendetwas gibt, was ich tun kann …«, brachte Brent Walker zögerlich hervor.

»Es ist gut, dich auf der Farm zu haben«, erwiderte Crissie. »Die Produktion darf nicht stillstehen.« Sie zögerte mehrere Augenblicke. »Obwohl ich nicht weiß, ob das alles überhaupt noch einen Sinn ergibt. Ich bin keine Geschäftsfrau. Wie soll ich den Betrieb aufrechterhalten?«

Tief sog Walker die Luft ein. »Es wird schwer, aber ich bin für dich da. So, wie für deinen Vater. Das weißt du.« Auf seinen Zügen erschien ein angedeutetes Lächeln; seine wasserblauen Augen strahlten Zuversicht aus.

»Ja, das weiß ich«, hauchte Crissie. Walker hatte als junger Bursche auf der Hayden-Plantage angefangen, hatte die harte Arbeit klaglos hingenommen und bald schon bessere Ernteerträge erzielt als die meisten Schwarzen. Als Louis Hayden beschlossen hatte kürzerzutreten, war es ihm leichtgefallen, Walker in die Position eines Vormanns zu erheben und ihn mit jenen Aufgaben zu betreuen, für die er sich zu alt fühlte. Seiner Tochter hatte er in aller Vertraulichkeit sogar einmal erzählt, dass er Brent Walker als eine Art Sohn betrachtete und sich nichts mehr wünschen würde, als dass sein Vormann irgendwann einmal seine Geschäfte übernahm.

All dies ging Crissie durch den Kopf, während sie Walker dankbar anschaute. Es war wohl das erste Mal, dass sie seine Miene mit dieser Intensität betrachtete, ihren Blick über seine Bartstoppeln schweifen ließ, hinauf zu seinen herrlichen Augen und den struppigen, dunkelblonden Haaren, die vorwitzig unter seinem Stetson hervorlugten. Und mit einem Mal stiegen Empfindungen in der jungen Frau auf, die sie irritierten und für die sie sich verurteilte. Waren es wahrhaftig Schmetterlinge, die in ihrem Bauch flatterten? Weshalb drängte alles in ihr danach, Brent Walker um den Hals zu fallen und ihn leidenschaftlich zu küssen, obwohl sie doch tiefe Trauer hätte empfinden müssen?

»Ich habe die Feldarbeiter informiert und die meisten von ihnen nach Hause geschickt«, sagte Walker und zerstörte den romantischen Moment. »Ein paar Leute sind geblieben, um die Tabakpflanzen für den Abtransport fertigzumachen.«

»Gut«, meinte Crissie abwesend und schaute in eine andere Richtung, um ihre Gefühle nicht allzu offensichtlich zur Schau zu tragen. »Du wirst wissen, was zu tun ist …«

Noch einmal warf Walker ihr ein freundliches Lächeln zu, grüßte knapp und ging. Schmachtend schaute Crissie ihm hinterher. Früher schon hatte sie ihn in jugendlicher Unbefangenheit angehimmelt, wenn er sich mit nacktem und gebräuntem Oberkörper am Brunnen Wasser geholt hatte. Doch jetzt war der Funke endgültig übergesprungen. Ihr rasendes Herz verriet Crissie, dass ihre Gefühle nicht einfach einer mädchenhaften Sehnsucht entsprangen. Gern gab sie es nicht zu angesichts des Trauerfalls, der ihr Leben überschattete, doch sie war sich sicher, dass sie sich in Brent Walker verliebt hatte.

Crissie sprang vom Bett, machte einen Satz zur Tür und drückte sie ins Schloss. Rücklings lehnte sie sich dagegen, schloss die Augen und schlang die Arme um ihre Schultern. Sanft streichelte sie sich.

Bald schon, so ging es ihr durch den Sinn, würde es Brent sein, der sie auf diese Weise liebkoste.

***

Lassiter wusste nicht, wie Santiago ausgesehen hatte, doch in einem Städtchen wie Richmond, in dem jeder jeden kannte, würde es nicht erforderlich sein, langwierige Beschreibungen abzugeben, um eine Person zu identifizieren, die nicht hierher gehörte.

Geirrt hatte sich der Mann der Brigade Sieben nicht. Das Gesicht des Undertakers, den er am frühen Vormittag aufgesucht hatte, erhellte sich. »Er ist oben auf dem Boothill«, raunte die blasse Gestalt, die nahezu jedes Klischee eines Bestatters erfüllte. »Länger als zwei Tage bewahre ich die Verstorbenen nicht auf, Mister.« Er ließ eine knappe Beschreibung des Weges folgte, den Lassiter zum Friedhof einschlagen musste.

»Thanks.« Lassiter tippte an die Krempe seines Stetson.

»Nichts zu danken, Mister«, erwiderte das bleiche Männlein mit dem schwarzen Filzhut. »Falls Sie ihrem Bekannten die letzte Ehre erweisen wollen, seien Sie auf der Hut. Offenkundig hatte er nicht nur Freunde in der Stadt …«

»Ich kann auf mich aufpassen«, erwiderte Lassiter und registrierte nebenbei den taxierenden Blick des Mannes. Allem Anschein nach nahm er bereits Maß für die nächste Holzkiste.

Auf seinem Grauschimmel trottete Lassiter den zwei Meilen vor Richmond liegenden Hügeln entgegen. Von Weitem bereits sah er fahle Grabsteine auf der Spitze der grünen Anhöhe. Unterhalb der sanft ansteigenden Erhöhung stieg er aus dem Sattel und legte den Rest des Weges zu Fuß zurück.

Oben angekommen, eröffnete sich ihm eine gewellte Graslandschaft, die sich bis zu einem Zedernhain hinzog. Vereinzelt waren Holzkreuze aufgestellt, aber auch Grabmale aus Granit. Santiagos Ruhestätte hatte er schon nach kurzer Zeit gefunden. Es waren zwei gekreuzte Bretter, die notdürftig aneinander genagelt waren, und die Aufschrift »unknown« trugen.

Lassiters Ausflug zum Boothill trug nichts zur Aufklärung seines Falls bei, doch es waren andere Gründe, die den Agenten an diesen Ort getrieben hatten. Er nahm seinen Stetson vom Kopf und drückte ihn gegen seine Brust. Mit leerem Blick starrte er auf die Grabstätte, die in aller Eile angelegt worden war und außer ihm wohl niemals einen Besucher sehen würde.

Eine Flut von Gedanken ging Lassiter durch den Kopf. Er dachte an den erhabenen Status eines Brigade-Agenten, die Freiheit, die er genoss, und die Fähigkeiten, die jeden von ihnen auszeichneten. Ein Vollstrecker der Brigade Sieben hatte gelernt, sich zu verteidigen, und sein Leben sowie das anderer zu schützen. Er konnte jede Situation meistern und nahezu alle seine Gegner im fairen Kampf besiegen. Angst kannte er ebenso wenig wie unlösbare Probleme.

Doch die Medaille hatte zwei Seiten. Agenten waren nicht unverwundbar, auch wenn man sie hervorragend ausgebildet hatte. Jeder Tag konnte der Vorläufer des nächsten, aber auch der letzte sein. Lassiter hatte sich nur selten mit dieser Thematik beschäftigt, doch das lieblos zusammengezimmerte Kreuz Santiagos führte ihm unmissverständlich seine Sterblichkeit vor Augen.

War das der Grund, weshalb er das Leben in vollen Zügen genoss, sofern sich die Gelegenheit bot? Waren die Affären mit unzähligen Frauen lediglich Ausdruck seiner Furcht, zu kurz zu kommen, weil er tagtäglich mit einem Bein im Grab stand?

Er konnte die Frage weder bejahen noch verneinen. Vielleicht fehlte ihm auch die Courage, zu seinen Schwächen zu stehen. Es war eine Sache, sich in eine lebensgefährliche Situation zu begeben. Eine ganz andere war es, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Die meisten Menschen mieden die Konfrontation mit sich selbst, denn den Blick in den Spiegel konnten die Wenigsten ertragen.

Lassiters Züge verhärteten sich. Er sah hinab auf das Grab von Santiago und stellte sich vor, an seiner statt fünf Fuß unter der Erde zu liegen. Nur eine Kugel aus dem Hinterhalt – präzise abgefeuert und tödlich in ihrer Wirkung – machte den Unterschied zwischen ihm und dem Ermordeten aus. Jahrelang hatte Lassiter erfolgreich gekämpft, doch jede Glückssträhne ging irgendwann einmal zu Ende.

Abrupt wurde er aus seinen Überlegungen gerissen. Leiser Gesang erklang, vorgetragen von einer hellen Stimme, die einem Mann gehörte, den Lassiter bisher nicht bemerkt hatte.

»Come, gentlemen and ladies,

I pray you lend an ear

To a sorrowful transaction

That you shall shortly hear.«

Der Brigade-Agent wandte seinen Kopf zur Seite und erkannte den Verwachsenen, der vor dem Karren mit der Leiche von Louis Hayden hergelaufen war. Im Schneidersitz hockte der Bucklige nicht weit entfernt im Gras.

»About a brave young lawyer

In old Kentucky State,

Upon his old true-lover

With patience he did wait.«

Die Melodie bannte Lassiter, und er war der Stimme erlegen, die sie wiedergab.

»She told him she would marry him,

He’d avenge her heart.

This injury had been done her

By one said Colonel Sharp.«

Der Gesang endete. Lassiter spürte die Betroffenheit, die von ihm Besitz ergriff. Er befand sich in einer Stimmung, die sein vernunftbedingtes Denken beeinträchtigte. Bedächtig näherte er sich dem Verkrüppelten, blieb wenige Meter vor ihm stehen und unterdrückte die Melancholie, die ihn erfasst hatte.

Lassiter nannte seinen Namen und sagte: »Ich habe Sie in der Stadt gesehen. Sind Sie mir gefolgt?«

Vom Alkohol gelblich gefärbte Augen schauten ihn an. Mit einer hastigen Bewegung streifte der am Boden Sitzende eine Strähne seines verwilderten, schulterlangen Haars aus der Stirn. »Ich liebe die Einsamkeit und die Stille«, meinte er versonnen. »Sie blicken nicht abfällig auf mich herab und nehmen mich, wie ich bin.«

Lassiter erinnerte sich an das Gelächter und den Fußtritt, den der Verwachsene eingesteckt hatte. Sein Leben unter den Bewohnern von Richmond musste die Hölle sein. »Wie heißen Sie?«, fragte der Brigade-Agent.

»Harold Johnson. Aber mein Spitzname ›Hunchback‹ wird Ihnen besser gefallen. Alle nennen mich so.«

Hunchback – der Bucklige. Die Menschen machten sich einen Spaß daraus, diesen Mann zu verhöhnen. Lassiter wusste, wie der gemeine Bürger gestrickt war. Spott und Verachtung halfen ihm, eigene Schwächen auszugleichen. In einer Gemeinschaft Gleichgesinnter war es einfach, einen Außenseiter zu finden, auf dem man seinen Frust abladen konnte. Für viele war es ein befriedigendes Gefühl, nicht selbst zur Zielscheibe der Boshaftigkeit anderer zu werden, und daher teilten sie gnadenlos aus.

»Eine Kriegsverletzung?«, hakte Lassiter nach.

»Nein!«, kam die prompte Antwort. »Ich habe aufseiten der Konföderierten gekämpft und nicht einen Kratzer davongetragen. Diese Krankheit hat mich erst nach meiner Dienstzeit heimgesucht.« In den Worten lag kein Bedauern. Johnson schien sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. Dann wechselte er sprunghaft das Thema. »Der Tote hat Ihnen nahegestanden, Mister Lassiter?«

»In gewisser Weise«, äußerte der große Mann unverbindlich. »Sehen Sie einen Zusammenhang mit Louis Haydens Tod?«

Ein Schatten verdunkelte Johnsons Miene. »Ich höre und sehe eine ganze Menge. Dass man mich aber nicht ernst nimmt, ist Ihnen sicherlich aufgefallen. Sheriff Raskin war der Einzige, der mich für voll genommen hat. Möglich, dass er aus diesem Grund dran glauben musste.«

»Wer ist sein Nachfolger?«

»Es gibt keinen. Bisher hat sich niemand gefunden, der sich vereidigen lassen will.«

Sonderlich verwundert war Lassiter darüber nicht. Nach allem, was er mitbekommen hatte, schwappte eine Welle der Gewalt über Richmond und die umliegenden Ortschaften. Niemand, der an seinem Leben hing, würde sich für eine Handvoll Dollars im Monat plus Prämien zur Zielscheibe machen. Fraglich war jedoch, ob die Neubegründer des Ku-Klux-Klans ihren Sitz unmittelbar in Richmond hatten oder etwa von einer der größeren Städte aus operierten. Lassiters einziger Anhaltspunkt war der Waffenverkäufer, den Santiago erwähnt hatte. Dort würde er ansetzen.

»Machen Sie’s gut, Soldat«, verabschiedete sich der Mann der Brigade Sieben. »Und halten Sie weiterhin Augen und Ohren offen.«

»Viel Glück, Mister Lassiter«, rief Johnson, und ein eigentümlicher Klang schwang in seinen Worten mit. »Ich habe nämlich die dumpfe Ahnung, Sie können es gebrauchen …«

***

Keine halbe Stunde war seit ihrem Gespräch vergangen, da trat Crissie Hayden auf die Veranda des Farmhauses und hielt nach Brent Walker Ausschau. Immer noch war das begehrliche Verlangen, das schlagartig von der jungen blonden Frau Besitz ergriffen hatte, für sie selbst nicht nachvollziehbar. Doch falls sie eine Erklärung hätte abgeben sollen, so wäre ihr nichts anderes eingefallen, als ihr Verhalten als Überreaktion auf den Verlust ihres Vaters zurückzuführen. Um an der Realität nicht zu zerbrechen, suchte sie einen Ausweg – und der hieß Brent Walker.

Schnell aber vergaß Crissie diesen Gedankengang wieder und gab sich der erotischen Stimmung hin, die ihre Vernunft beiseitedrängte. Nicht weit entfernt entdeckte sie schließlich den Gesuchten, der mit einigen Tabakpflückern in ein Gespräch verwickelt war. Sie winkte Walker zu, erregte kurz dessen Aufmerksamkeit und stellte im nächsten Moment enttäuscht fest, dass der Vormann sich wieder von ihr abwandte.

Es half nichts. Crissie musste zu anderen Mitteln greifen. Schamlos knöpfte sie ihr Nachthemd auf, ließ es über die Schultern zu Boden gleiten und trat von der Veranda ins Freie. Mit wiegendem Gang und vollkommen nackt ging sie dem Erntefeld entgegen. Zwei der Arbeiter sahen sie noch vor Walker und stießen ihn an. Wie vom Blitz gerührt stand der Vormann einige Momente unbeweglich da, dann kam er eilends auf Crissie zugelaufen.

»Bist du von Sinnen, Mädchen?«, rief er und zerrte sich noch im Laufen seine Jacke von den Schultern. Kaum hatte er Crissie erreicht, hüllte er sie in das Kleidungsstück und drängte sie zum Hauseingang. Widerstrebend taumelte sie vor ihm her und übernahm sofort wieder die Initiative, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war.

Die Jacke des Vormanns flog durch den Raum, und Crissie warf sich Walker fordernd an den Hals. »Ich sehne mich nach dir!«, hauchte sie ihm ins Ohr. »Schon immer habe ich das getan!«

Unter Einsatz von sanfter Gewalt versuchte Brent Walker, die stürmische Blondine auf Abstand zu halten. »Du weißt nicht, was du tust!«, stieß er aus und schien sichtlich überfordert. »Ich werde den Doc rufen und …« Seine letzten Worte gingen in einem unverständlichen Nuscheln unter, denn da hatte Crissie bereits ihre Lippen auf die seinen gepresst. Es war kein Kuss aus Leidenschaft; er hatte Walker lediglich zum Verstummen bringen sollen.

»Ich brauche keinen Arzt«, raunte Crissie, und ihr stoßweise vorgebrachter Atem war Ausdruck ihrer Erregung. »Ich brauche die starken Arme eines Mannes, der mir Schutz und Halt gibt.« Vorsätzlich presste sie ihre nackten Brüste gegen Walker. Wenn er nicht ein gänzlich unempfindliches Stück Holz war, musste er sogar durch den Stoff seines Hemdes ihre Ekstase spüren. Um auf Nummer sicher zu gehen, nestelte sie an den Knöpfen seiner Hose und ließ sie einen nach dem anderen aufspringen. Und wie nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte auch Brent Walker die Schwelle seiner Ablehnung bereits überschritten.

Triumphierend lächelnd, strich Crissies Hand über seine sich zaghaft aufrichtende Männlichkeit und staunte nicht schlecht, wie rasch sie unter ihrer Berührung groß und hart wurde. »Du hast mich ja doch ein bisschen gern«, gurrte die Blondine und packte fester zu.

»Crissie …«, stöhnte der Vormann rau, »wir sollten das nicht tun …« Es war ein letztes, halbherziges Aufbegehren, das spürte die junge Frau. Walker versuchte mit wenig Überzeugungskraft, Willensstärke zu demonstrieren, doch er hatte sich längst entschieden. Und da er unzweifelhaft nicht vom anderen Ufer war, hatte er nicht den Hauch einer Chance zur Gegenwehr.

»Los!«, entfuhr es Crissie. »Geh’n wir auf mein Zimmer! Da kannst du mir zeigen, ob ich dich richtig eingeschätzt habe.« Neckisch zog sie an dem, was prall aus seinem Hosenschlitz ragte, und gab die Richtung vor. Dann ließ sie los und rannte die Treppen ins Obergeschoss. Am Stampfen von Walkers Schritten in ihrem Rücken erkannte sie, dass der Vormann nicht einen Augenblick verlor, um ihr zu folgen.

Jauchzend stieß Crissie die Tür ihres Zimmers auf und warf sich aufs Bett. Es hätte keines weiteren Anreizes bedurft, um Brent Walker zu enthemmen, doch die hübsche Blondine war in einem Rausch der Zügellosigkeit. Aufreizend rekelte sie sich auf dem Laken und präsentierte ihren nackten Körper wie eine Ware, den es vor dem Kauf eingehend zu bemustern galt. Kein echter Mann, da war sie sicher, hätte bei diesem Anblick noch an sich halten können.

Brent Walker konnte es natürlich auch nicht. Noch im Türeingang zog er sein Hemd aus, kickte seine Stiefel beiseite und stieg aus seiner Hose. Als er keinen Faden mehr am Leib trug, trat er an Crissies Bett heran und beugte sich über sie. Die junge Frau spreizte ihre Beine, schlang sie um Walkers Hüften und zog den Mann zu sich herab.

Lustvoll stöhnte sie auf. Die Spitze seines Schafts strich über ihre Scham und sorgte für ein Kribbeln, das so ganz anders war als sich selbst Vergnügen zu bereiten. Bisher hatte sie erst einmal mit einem Mann geschlafen, und das auch nur, um ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Echte Leidenschaft hatte sie nicht empfunden und den Akt eher als notwendiges Übel betrachtet, um vom Mädchen zur Frau zu werden. Danach hatte sie ihren Liebhaber keines Blickes mehr gewürdigt.

Bei Brent Walker aber sah die Sache vollkommen anders aus. Jede seiner Berührungen, egal wie zurückhaltend sie auch war, jagte Crissie einen Schauer der Wollust durch die Adern. Nichts erträumte sie sich, dass dieser drahtig gebaute Mann ihr Innerstes mit seiner ganzen Manneskraft ausfüllte.

»Nimm mich!«, forderte sie, umschloss Walkers Gesicht mit beiden Händen und hob ihren Kopf an. Ihr Mund war geöffnet, und lockend strich ihre Zungenspitze über ihre Unterlippe.

Walker ließ sich nicht länger bitten. Er verschloss Crissies Mund mit dem seinen, legte sich halb auf die Seite und packte ihre linke Brust. Gleichzeitig drängte er sein Becken gegen ihren Schoß, sodass seine steil emporgewachsene Lanze hart gegen ihren Unterleib drückte, aber noch nicht zwischen ihre Schenkel drang.

»Ich will dich! Ich will dich!« Crissie hielt es kaum noch aus. Während sie die Umklammerung ihrer Beine lockerte, griff sie nach der strammen Rute und führte sie bis dicht an ihre Scham. Walker übernahm den Rest und stieß zu.

Mit einem Lustschrei auf den Lippen bäumte sich Crissie auf. Unnachgiebig drang der fleischige Speer in sie ein, und sie fühlte sich wie einer dieser kleinen Zinnsoldaten, die man auf den Zapfen eines Modellbaupferdes pfropfte. Hemmungslos genoss sie das Gefühl, stieß raue Lustlaute aus und versetzte ihr Becken in rhythmische Bewegung.

»Das war es doch, was du wolltest«, knurrte Walker kehlig und gab einen stetig schneller werdenden Takt vor. Mit dem linken Arm stützte er sich auf und verkrallte die Finger seiner Rechten in Crissies Haar.

»Gib’s mir!«, keuchte die blonde Frau mit brüchiger Stimme. »Schieb mir deinen Kolben tief hinein!« Sie zog ihre Beine an, ergriff die Fesseln ihrer Füße und zog sie auseinander. Weit öffnete sich ihr Schoß für ihren Liebhaber, dessen Stöße zwar hart, aber auch gefühlvoll waren. Das Feuer der Begierde setzte Crissies Körper in Flammen. Machtvoll kündigte sich ihr Höhepunkt an. Bevor die Wogen des Orgasmus sie jedoch durchfluten konnten, gebot sie Walker Einhalt. Sie stemmte ihre Fußsohlen gegen seine Brust und stieß ihn von sich.

»Was …?« Wie ein begossener Pudel starrte der Vormann sie an.

Crissie drehte sich auf den Bauch und reckte ihr Hinterteil hoch. »Nimm mich von hinten!«, bettelte sie und konnte ihre Triebhaftigkeit kaum noch zügeln. »Ramm ihn mir tief rein!« Sie hob ihr Gesäß an, so weit es ihr möglich war. Gleich darauf war Walker wieder in ihr, glitt in sie hinein wie der gut geschmierte Kolben einer Dampfmaschine.

Erstickte Laute drangen abgehackt über Crissies Lippen. Und als sie merkte, dass sie ihre Lustschreie nicht mehr unterdrücken konnte, vergrub sie ihr Gesicht im Kissen und verkrampfte ihre zu Fäusten geballten Hände darin. Jeder Stoß verstärkte die Anspannung ihres Körpers, die sich in wenigen Augenblicken explosionsartig entladen würde.

»Ja! – Jetzt!«, entfuhr es Crissie. »Gleich … gleich … ist es … so weit …!« Die Hitze ihres eigenen Atems schlug ihr vom Kopfkissen entgegen. Sie glaubte, eine lodernde Fackel zu sein, als der Orgasmus sie durchschüttelte. Doch das überwältigende Gefühl erfuhr noch eine Steigerung. Crissie fürchtete, vor überschäumender Ekstase die Besinnung zu verlieren, kaum dass sie die Schübe spürte, mit denen sich Brent Walker in sie ergoss. Die Empfindung war derart stark, dass die junge Frau ihre Schenkel zusammenpresste, um den zuckenden Pint möglichst lange in sich zu behalten.

Irgendwann erschlaffte sie und sank ermüdet nieder. Erschöpft wälzte sie sich wieder auf den Rücken und schenkte dem Vormann ein glückliches und zufriedenes Lächeln.

»Das war gut«, brummte er. »Im Bett bist du eine wilde Stute, Babe.«

»Du hast es mir so derbe besorgt, dass mindestens Zwillinge dabei herauskommen.« Crissie sagte es im Scherz, doch sogleich beobachtete sie, dass ein Schatten über Walkers Gesicht huschte. Ehe sie ihre Äußerung erklären konnte, klopfte es nachhaltig und drängend an die Haustür.

»Zum Teufel!« Walker sprang auf und kleidete sich hektisch an.

»Einer der Feldarbeiter?«, erkundigte sich Crissie.

»Was weiß ich denn?« Ärgerlich riss der Vormann die Zimmertür auf und eilte auf den Flur. Nicht viel später ertönte eine Stimme, die Crissie nicht zum ersten Mal hörte. Sie hüllte sich in die dünne Bettdecke und tappte aus dem Raum. An der Flurbiegung vor dem Treppenabsatz blieb sie stehen und lauschte der Unterhaltung von Walker und dem Besucher. Die beiden Männer begaben sich in einen Nebenraum, waren aber trotzdem noch gut zu verstehen.

Minutenlang lag Crissie Hayden auf der Lauer. Und das, was sie hörte, versetzte sie in eisigen Schrecken.

***

Silberhell klang ein Glöckchen auf. Lassiter schob die Tür des Gun Stores so weit auf, dass er eintreten konnte, und hörte das singende Klingen erneut beim Schließen der Ladentür. Der Geruch von Leder und Paraffinöl drang in seine Nase, durchsetzt vom Duft eines aromatischen Pfeifentabaks. Hinter einer dunkel gebeizten Theke saß ein Mann, der Rauchwölkchen in die Luft blies und Lassiter einen kritischen Blick zuwarf. Er hatte ein scharf geschnittenes Gesicht, dessen tief eingegrabene Falten von Tatkraft und Entschlossenheit zeugten. Trotz seines ergrauten Haars, das auf ein fortgeschrittenes Alter schließen ließ, wirkte er dynamisch und temperamentvoll. Ohne Hast legte er seine Pfeife beiseite und erhob sich.

»Wie kann ich Ihnen helfen, Mister?«, fragte er. Seine Miene hellte sich auf, seine Freundlichkeit hielt sich jedoch in Grenzen. Mühelos schaffte er den Balanceakt zwischen Höflichkeit und Distanzhaltung.

»Sie haben ein beeindruckendes Angebot«, entgegnete Lassiter, setzte ein unverbindliches Lächeln auf und trottete auf einen hüfthohen Schranktisch zu. Unter der Glasabdeckung präsentierte sich ihm ein breites Sortiment an Handfeuerwaffen und Messern.

»Die beste Auswahl im gesamten Umkreis!«, preiste der Verkäufer seine Waren an. »Was Sie hier nicht finden, kann ich Ihnen innerhalb von wenigen Tagen besorgen.«

»Gut zu wissen.« Lassiter war weniger an den Ausstellungsstücken als an Informationen interessiert. Er war jetzt genau dort, wohin ihn Santiagos Hinweise geführt hatten. Allerdings hatte der Mann der Brigade Sieben sich noch keine Strategie überlegt, auf welche Weise sich die Vermutungen des verstorbenen Agenten bestätigen oder im ungünstigsten Fall widerlegen ließen. Unabsichtlich aber gab ihm der Clerk Hilfestellung.

»Sie sind auf der Durchreise?«, wollte er wissen. »Ich kann Ihnen ein gutes Hotel empfehlen, wenn Sie es wünschen.«

»Ich bin bereits im ›Feel Good Town Inn‹ untergekommen«, antwortete Lassiter, ohne seinen Blick von der Vitrine abzuwenden.

»Angenehmes Hotel?« Der Fragende wirkt teil belustigt, teils lauernd.

»Schätze schon.«

»Sie als Außenstehender können das natürlich nicht wissen, aber das ›Town Inn‹ ist nicht gerade die beste Adresse in der Stadt. Genauer gesagt ist es verrufen. Mehr ein Bordell denn ein Gasthof.«

Das erste Eis war gebrochen. Jetzt kam es darauf an, oberflächlich Vertrauen zu erwecken. »Mein Name ist Lassiter«, stellte sich der Brigade-Agent vor. »Erfreulich, dass sich Ihre Beratung nicht nur auf Ihr Angebot erstreckt.«

»Cox«, nannte der Verkäufer seinen Namen. »Daniel Cox. Ich bin der Inhaber. Die Zufriedenheit meiner Kunden ist oberstes Gebot! Und wie jedes Städtchen ist auch Richmond bemüht, seine Besucher nicht zu vergraulen.«

Lassiter grinste in sich hinein. Dieser Cox war der perfekte Stichwortgeber. »Ich war ein wenig beunruhigt«, meinte der Agent und setzte eine betroffene Miene auf. »Kurz nach meiner Ankunft ist es zu einem schrecklichen Zwischenfall gekommen. Ein Ermordeter wurde aufgefunden. Wissen Sie etwas darüber?« Mit voller Absicht verheimlichte er, dass er den Namen des Toten kannte.

»Ja. – Jetzt schon!« Es klang beinahe wie eine Rechtfertigung. »Ich hatte Kunden im Laden, als es auf der Straße laut wurde. Erst später hat man mir erzählt, dass der alte Hayden ins Gras gebissen hat.«

»Er muss übel zugerichtet worden sein«, plauderte Lassiter aus dem Nähkästchen. »Das war nicht nur ein Mord, es war eine Hinrichtung …«

»Scheußliche Sache.« Cox war anzusehen, dass ihm das Thema nicht behagte.

»Ich hörte sogar von einem Brandzeichen auf der Stirn der Leiche«, führte Lassiter weiter aus. »Wenn ich mich recht entsinne, handelte es sich um einen Buchstaben …«

»Ja, verdammt!«, wurde Daniel Cox ausfallend. »Das alles ist mir bekannt! Aber wenn es in Richmond ein Problem gibt, werden wir damit fertig!«

»Hm«, machte Lassiter und meldete ernste Zweifel an: »So ganz ohne Sheriff wird das schwierig, denke ich.«

In Cox’ Augen loderte der Zorn. »Für jemanden, der gerade erst angekommen ist, wissen Sie eine ganze Menge! Halten Sie sich aus unseren Angelegenheiten heraus! Sie wären nicht der erste Tramp in Richmond, den seine Neugier das Leben gekostet hat!«

Forsch nahm Lassiter die Bemerkung auf. Es war nicht mehr nötig, den unbedarften Reisenden zu spielen. »Sie reden von der Leiche des Unbekannten oben auf dem Boothill?«

Daniel Cox wirkte, als wollte er zu seinem Colt greifen. Seine Hand zuckte zur Hüfte, verharrte kurz und legte sich auf sie. Seine ursprüngliche Absicht konnte er vor Lassiter jedoch nicht verbergen.

»Sind Sie ein verfluchter Schnüffler?«, zischte der Ladeninhaber gefährlich leise. »Dann rate ich Ihnen eindringlich, sich auf den nächsten Gaul zu schwingen und loszureiten, als wäre der Teufel persönlich hinter Ihnen her! – Und jetzt verlassen Sie mein Geschäft! Sie brauchen mir nicht länger vorzutäuschen, dass Sie etwas kaufen wollen!«

Der Mann der Brigade Sieben hatte verstanden, schürzte die Lippen und nickte. Wortlos verließ er den Store. Seine Recherchen hatten keinen bemerkenswerten Erfolg mit sich gebracht, aber eines zumindest hatten sie bewirkt: Sie hatten ihm einen neuen Feind verschafft. Und falls Santiagos Mutmaßungen nicht vollständig aus der Luft gegriffen waren, musste Lassiter lediglich abwarten, bis die ersten Vermummten vor seinem Hotelzimmer auftauchten.

***

»Die Tür war offen!« Der Mann, der das sagte, hatte eine auffallend hohe Stirn, krauses Seitenhaar und strenge Züge. Auf seiner Nase saß eine schwarzgeränderte Brille mit runden Gläsern, hinter der listige kleine Augen nicht eine Sekunde lang von Brent Walker wichen. »Ich denke«, fuhr er fort, »wir haben einiges zu bereden.«

»Mister White!«, entfuhr es dem Vormann, der noch auf den oberen Treppenstufen stand und sogleich seinen Schritt beschleunigte. Gehetzt warf er einen Blick über seine Schulter, um sicherzugehen, dass Crissie nichts von dem Gespräch mitbekam. »Ihr Besuch kommt überraschend …«

Ian White hob beide Brauen und gab sich den Ausdruck höchsten Erstaunens. »Ist das Ihr Ernst? Mir war nicht klar, dass Mister Haydens Tod nicht zwangsläufig mit meinem Besuch einhergeht.«

Erschrocken legte Brent Walker seinen Zeigefinger an die Lippen, sah noch einmal hoch zum Flur im Obergeschoss und raunte seinem Gegenüber zu: »Nicht hier! Gehen wir nach nebenan!« Er wies White den Weg, wollte die Tür von Louis Haydens ehemaligem Büro hinter sich schließen und stellte fest, dass der Bolzen nicht griff. So weit es ging, drückte er die Tür zu, konnte aber nicht verhindern, dass ein fingerbreiter Spalt entstand.

»Warum so geheimnisvoll?«, fragte Ian White. »Sie werden sich doch wohl nicht vor diesem Früchtchen fürchten …« Es war halb Frage, halb Feststellung.

»Crissie braucht von unseren Abmachungen nichts zu erfahren«, sagte Walker gedämpft. »Sie wird den Braten noch früh genug riechen.«

»Apropos: Abmachungen«, ließ White verlauten. »Diese sind der Grund, weshalb ich mich bei Ihnen melde.« Er grinste und fügte sarkastisch hinzu: »Allem Anschein nach zu Ihrer größten Verwunderung …«

»Lassen Sie die Scherze!«, schnappte Walker. »Hayden ist Ihren Kreditforderungen peinlichst genau nachgekommen! Die Ratenzahlungen hat er bis auf den letzten Dime beglichen!«

Unbeeindruckt war Whites Blick nach wie vor auf Walker gerichtet. Lässig steckte er die Hände in die Jackentaschen seines Anzugs, und ein harter Zug umspielte seine Mundwinkel. »Das betrifft die Zahlungen bis zum heutigen Tag, da gebe ich Ihnen Recht. Was aber ist mit den kommenden Raten? Ich führe eine Bank und keinen Verein für Mildtätigkeit. Auf Hayden konnte ich mich verlassen – Sie aber kenne ich kaum. Woher soll ich wissen, dass Sie es an Geschäftstüchtigkeit mit dem Verstorbenen aufnehmen können?« Der Bankier trat einen Schritt vor und fixierte Brent Walker wie eine angriffslustige Schlange. »Woher soll ich wissen, dass Sie den Besitz nicht unter der Hand verkaufen und sich aus dem Staub machen?«

Für mehrere Momente war der Vormann derart perplex, dass er kein Wort herausbrachte. Mit Schwierigkeiten dieser Art hatte er nicht gerechnet. Schließlich meinte er: »Sie wissen doch, wie viel mir an dieser Plantage liegt! Zumindest Cox muss es Ihnen erzählt haben! Glauben Sie, ich will meine Zukunft aufs Spiel setzen, ein paar Dollar herausschlagen und mein Leben lang auf der Flucht sein?«

Geduldig hatte sich Ian White die Argumentation seines Gesprächspartners angehört. Unwillig verzog er den Mund, zeigte gleich darauf ein haifischähnliches Grinsen und tätschelte Walkers Wange. »Ich bin nicht im Glaubensgeschäft, mein Junge! Darum können sich die Schwarzkuttenträger kümmern. Für mich zählen Sicherheiten und keine Versprechungen. Solange die Erbschaftsangelegenheiten nicht geklärt sind – und so, wie Sie sich ausdrückten, sind wir noch sehr weit davon entfernt –, haben Sie auf der Tabakplantage nichts zu melden. Das Schreiben meines Anwalts zur vollständigen Abzahlung des Kredits in einer Summe ist bereits auf dem Weg.«

Brent Walker stockte der Atem. »Das können Sie nicht machen! Crissie Hayden wird mir den Besitz übertragen, das ist sicher! Sie müssen mir nur noch ein wenig Zeit geben!«

»Zeit ist Geld«, erwiderte der Bankier kalt. »Und Geld habe ich nicht zu verschenken.«

Widerstand regte sich in Walker. Durch seine gefletschten Zähne presste er hervor: »Was Sie vorhaben, ist gegen das Gesetz! Ich habe Hayden nicht ausschalten lassen, um Ihnen den Weg zu ebnen!«

»Lesen Sie das Kleingedruckte im Kreditvertrag«, konterte White. »Beim Ableben des Kreditnehmers kann ich auf sofortige Rückzahlung pochen. Im Übrigen sollten Sie vorsichtig sein, wenn Sie sich auf das Gesetz beziehen. Anstiftung zum Mord ist eine Angelegenheit, auf die Richter und Geschworene äußerst allergisch reagieren.«

Stille breitete sich in dem kleinen Zimmer aus. Walker schaute hinüber zu den Schrankregalen, in denen sich Bücher und Aktenordner stapelten. Irgendwo dort war der Bankvertrag zu finden, doch der Vormann der Hayden-Plantage war überzeugt, dass Ian White nichts dem Zufall überlassen hatte. Im Kampf gegen Paragrafen hatte er keine Chance. Es blieb Walker nichts anderes übrig, als vorerst seine Niederlage einzugestehen. Doch klein beigeben würde er nicht.

»Weshalb sind Sie gekommen, White?«, stellte er jene Frage, die ihm momentan am drängendsten erschien und auf die er bislang keine Antwort gefunden hatte. Er wusste einzig, dass White lediglich gefaselt, nicht aber auf den springenden Punkt zu sprechen gekommen war.

Der Bankier lachte auf. »Sie sind nicht das hellste Licht im Kronleuchter, oder? Sie selbst haben den Grund bereits genannt. Tatsächlich hat mich Cox über Ihre hochtrabenden Pläne unterrichtet. Und wahrscheinlich würde es Ihnen sogar gelingen, Haydens Töchterchen um den Finger zu wickeln und sich in den Besitz der Plantage zu bringen. Das aber kann ich keinesfalls zulassen! Ich werde Crissie Hayden in die Versteigerung zwingen und die Farm mitsamt den Feldern für ein Almosen aufkaufen.«

Brent Walker schüttelte sich. Sein Unverständnis malte sich in den tiefen Furchen auf seiner Stirn ab. »Sie lassen sich die Restzahlungen entgehen und wollen sogar noch Geld investieren, um den Grundbesitz zu erwerben? Das ist doch hanebüchener Unfug!«

Gelassenheit prägte Ian Whites Auftreten. Dann stieß er einen langgezogenen Seufzer aus, senkte seinen Kopf und hob ihn sofort wieder an. Sein Gesicht war zu einer steinernen Maske geworden. »Sie haben von der Finanzwelt genauso viel Ahnung wie ein katholischer Geistlicher von der Ehe. Haydens Rückzahlungen inklusive Zinsen übersteigen schon weit den Betrag, den ich ihm zur Verfügung gestellt habe. Die Farm bekomme ich für Peanuts und werde das größtmögliche Kapital aus ihr herausschlagen. Entweder durch Verkauf oder durch Bewirtschaftung. Sie sind mir dabei im Weg, Mister Walker. Und in Ihrem ureigenen Interesse gebe ich Ihnen den Ratschlag, sich wieder unter dem Stein zu verkriechen, unter dem Sie hervorgekrochen sind. Diese Botschaft – um Ihre eingangs gestellte Frage abschließend zu beantworten – war es mir wert, zur Plantage hinauszureiten. Mit Ihren … Qualifikationen werden Sie sicher eine gleichwertige Arbeit finden.«

»Das war’s?«, ächzte Brent Walker. »Mehr haben Sie mir nicht zu sagen?«

»Reicht das nicht?« Abschätzend legte Ian White seinen Kopf zur Seite. »Ich habe mir bereits mehr Zeit für Sie genommen als für jeden anderen Kunden meiner Bank. Für gewöhnlich schenke ich Statisten noch nicht einmal die geringste Beachtung. Sie sind eine Ausnahme, aber auch nur deshalb, weil ich keine Komplizierung meiner Geschäfte wünsche. Halten Sie sich an meine Empfehlung, und Sie können ein alter Mann werden.« Er schob sich an Walker vorbei und verließ das Gebäude. Bald schon war Hufgetrappel zu hören, das sich zusehends entfernte.

In hilflosem Zorn ballte Brent Walker seine Fäuste. Er hatte Crissie nach und nach auf seine Seite ziehen und ihr verständlich machen wollen, dass nur er in der Lage sein würde, die Plantage zu führen. Dass sie verrückt nach ihm war, wie sie eindrucksvoll demonstriert hatte, hätte sein Vorhaben außerordentlich begünstigt. Nun aber war auf seiner Rechnung eine Person erschienen, die all seine Bemühungen zunichtemachen konnte. Die einzige Lösung, die sich anbot, war, Ian White aus dem Verkehr zu ziehen. Schnell, präzise und ohne Spuren zu hinterlassen.

In Walkers Kopf rumorte es. Mit gesenktem Haupt trat er aus dem Büro und wäre um ein Haar mit Crissie zusammengestoßen. Die junge Blondine war in eine Bettdecke gehüllt und hatte sich breitbeinig vor dem Zimmer ihres Vaters aufgestellt. An ihren verzerrten Zügen erkannte Brent Walker unverzüglich, dass sie mehr gehört hatte, als gut für sie war.

»Du elendes Schwein!«, fauchte sie den Vormann an. »Hattest du Spaß, mich wie eine Hure durchzuficken, obwohl du mich zur Waise gemacht hast? Du bist ein widerliches Stück Dreck!«

Brent Walker verlor die Beherrschung. Reflexhaft schlug er zu. Und er hörte nicht auf, bis sich der blutrote Schleier vor seinen Augen lichtete …

***

Zwei ereignislose Tage waren verstrichen. Während Lassiter darauf hoffte, dass der Ku-Klux-Klan aus seinen Löchern kroch, hielt sich dieser bedeckt. Es hatte auch niemand den Versuch unternommen, dem Brigade-Agenten ans Leder zu gehen. Möglich, dass er sich geirrt hatte und Cox zwar ein aufbrausender Zeitgenosse war, aber nichts mit der Geheimorganisation zu tun hatte. Dennoch lag es nun an Lassiter, den Stein ins Rollen zu bringen, ansonsten würden ihm in Richmond noch graue Haare wachsen. Da heute die Beerdigung von Louis Hayden stattfinden sollte, beschloss er, sich unters Volk zu mischen. Nach der Bestattungszeremonie mochte er mit Leuten ins Gespräch kommen, die mehr über die Hintergründe der Morde wussten.