Lassiter Sammelband 1817 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1817 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2332, 2333 und 2334.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

2332: Lassiter und die Durchtriebene
Ich bin Ihre neue Lieferantin, Madame Pompadoux", sagte Georgina Moore herrisch. Sie war blond, jung und schön, ihr Lächeln auf herablassende Weise freundlich. Gnädig fügte sie hinzu: "Aber machen Sie sich keine Sorgen. Sie erhalten Ihre Opium-Lieferungen so pünktlich wie bisher. Die Kunden Ihres geschätzten Hauses werden nichts vermissen."
Einen Moment lang schien die Bordellchefin verdutzt. Dann brach sie in schallendes Gelächter aus.
"Darf ich an Ihrer Heiterkeit teilhaben?", fragte Georgina scharf.
"Aber ja, mein Kind!", prustete Lynelle Pompadoux. "Allerdings ich bin nicht mehr Ihre Ansprechpartnerin. Ich habe mein Haus einem neuen Geschäftsführer übergeben, und Sie können ihn gleich kennenlernen." Sie betätigte einen bunt bestickten Klingelzug an der Wand. "Sein Name ist Lassiter."

2333: Ein kaltes Grab für Sally
Zehntausend Dollar war sein Kopf wert, ein Drittel der Summe, die "Black Savage" bei seinem letzten Bankraub erbeutet hatte. Jetzt war es an der Zeit für den Schwarzen, eine Weile unterzutauchen, bis die Bundesbeamten die Suche nach ihm aufgaben oder sich eine Kugel aus seinem Colt eingefangen hatten.
Ein scharfer Nordwestwind fegte über die Plains und versetzte die Graslandschaften links und rechts der Overlandroad in wellenartige Bewegung. "Black Savage" zog den Kragen seiner Winterjacke hoch und dirigierte sein Quarter Horse auf die Niederlassung der Wells Fargo zu, deren Gebäude lediglich als blasse Tupfen in der Landschaft auszumachen waren...

2334: Der Railway-Clan
Der Glücksritter Charles Knapp war auf dem Weg ins Jenseits, aber das wusste er noch nicht. Sein Schicksal traf ihn wie aus heiterem Himmel.
Er ritt gerade auf seinem Maultier um den kegelförmigen Hügel unweit des Hogart Pass am Rio Grande, als er unvermittelt das Signal einer Dampfpfeife vernahm. Knapp saß ab und umrundete die Anhöhe. Auf dem nahe gelegenen Bahndamm stand ein Eisenbahnzug mit mehreren Waggons. Zischender Dampf entwich aus den Ventilen des Kessels. Die Maschine stampfte im Leerlauf.
Seltsam, dachte Knapp. Ob die Lok einen Defekt hatte? Oder war dem Heizer das Brennmaterial ausgegangen?
Da erschien ein Mann, der ein Gewehr trug. Knapp zog den Kopf zwischen die Schultern. Denn er kannte das Gesicht des Mannes von einem Steckbrief aus Albuquerque...

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Impressum

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: © Norma/Boada ISBN 978-3-7325-9152-7 www.bastei.de www.luebbe.de www.lesejury.de

Jack Slade

Lassiter Sammelband 1817 - Western

Inhalt

Jack SladeLassiter - Folge 2332"Ich bin Ihre neue Lieferantin, Madame Pompadoux", sagte Georgina Moore herrisch. Sie war blond, jung und schön, ihr Lächeln auf herablassende Weise freundlich. Gnädig fügte sie hinzu: "Aber machen Sie sich keine Sorgen. Sie erhalten Ihre Opium-Lieferungen so pünktlich wie bisher. Die Kunden Ihres geschätzten Hauses werden nichts vermissen." Einen Moment lang schien die Bordellchefin verdutzt. Dann brach sie in schallendes Gelächter aus. "Darf ich an Ihrer Heiterkeit teilhaben?", fragte Georgina scharf. "Aber ja, mein Kind!", prustete Lynelle Pompadoux. "Allerdings ich bin nicht mehr Ihre Ansprechpartnerin. Ich habe mein Haus einem neuen Geschäftsführer übergeben, und Sie können ihn gleich kennenlernen." Sie betätigte einen bunt bestickten Klingelzug an der Wand. "Sein Name ist Lassiter."Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2333Zehntausend Dollar war sein Kopf wert, ein Drittel der Summe, die "Black Savage" bei seinem letzten Bankraub erbeutet hatte. Jetzt war es an der Zeit für den Schwarzen, eine Weile unterzutauchen, bis die Bundesbeamten die Suche nach ihm aufgaben oder sich eine Kugel aus seinem Colt eingefangen hatten. Ein scharfer Nordwestwind fegte über die Plains und versetzte die Graslandschaften links und rechts der Overlandroad in wellenartige Bewegung. "Black Savage" zog den Kragen seiner Winterjacke hoch und dirigierte sein Quarter Horse auf die Niederlassung der Wells Fargo zu, deren Gebäude lediglich als blasse Tupfen in der Landschaft auszumachen waren...Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2334Der Glücksritter Charles Knapp war auf dem Weg ins Jenseits, aber das wusste er noch nicht. Sein Schicksal traf ihn wie aus heiterem Himmel. Er ritt gerade auf seinem Maultier um den kegelförmigen Hügel unweit des Hogart Pass am Rio Grande, als er unvermittelt das Signal einer Dampfpfeife vernahm. Knapp saß ab und umrundete die Anhöhe. Auf dem nahe gelegenen Bahndamm stand ein Eisenbahnzug mit mehreren Waggons. Zischender Dampf entwich aus den Ventilen des Kessels. Die Maschine stampfte im Leerlauf. Seltsam, dachte Knapp. Ob die Lok einen Defekt hatte? Oder war dem Heizer das Brennmaterial ausgegangen? Da erschien ein Mann, der ein Gewehr trug. Knapp zog den Kopf zwischen die Schultern. Denn er kannte das Gesicht des Mannes von einem Steckbrief aus Albuquerque...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Lassiter und die Durchtriebene

Vorschau

Lassiter und die Durchtriebene

»Ich bin Ihre neue Lieferantin, Madame Pompadoux«, sagte Georgina Moore herrisch. Sie war blond, jung und schön, ihr Lächeln auf herablassende Weise freundlich. Gnädig fügte sie hinzu: »Aber machen Sie sich keine Sorgen. Sie erhalten Ihre Opium-Lieferungen so pünktlich wie bisher. Die Kunden Ihres geschätzten Hauses werden nichts vermissen.«

Einen Moment lang schien die Bordellchefin verdutzt. Dann brach sie in schallendes Gelächter aus.

»Darf ich an Ihrer Heiterkeit teilhaben?«, fragte Georgina scharf.

»Aber ja, mein Kind!«, prustete Lynelle Pompadoux. »Ich bin nicht mehr Ihre Ansprechpartnerin. Ich habe mein Haus einem neuen Geschäftsführer übergeben, und Sie können ihn gleich kennenlernen.« Sie betätigte einen bunt bestickten Klingelzug an der Wand. »Sein Name ist Lassiter.«

Georgina quittierte die Mitteilung mit einem Achselzucken; gleichzeitig behielt sie ihre überhebliche, geradezu blasierte Miene bei. Beeindruckt war sie nicht, denn der Name Lassiter sagte ihr nichts, überhaupt nichts.

»Sie wollen sich also zur Ruhe setzen«, folgerte die blonde Schöne vielmehr. Und ohne mit der Wimper zu zucken, schoss sie einen verbalen Giftpfeil ab: »Nun, dafür habe ich volles Verständnis. In Ihrem Beruf altert man schnell. Da zählt jedes Jahr doppelt, habe ich recht?«

»Mhm …« Lynelle überspielte die Beleidigung ohne erkennbare Reaktion. »Sie haben sehr viel Lebenserfahrung für eine …«

»Achtzehnjährige«, sprang Georgina ihr bei. »In der Tat, so ist es, Madame. Ich war die meiste Zeit meines Erwachsenwerdens mit meinem Vater und anderen alten Kerlen zusammen.«

»Du liebe Güte, Ihr Dad ist gerade mal zweiundvierzig.«

»Ich wusste doch, dass Sie gut informiert sind.« Georgina grinste. »Und als Mom mit dem Mann ihrer Träume ans Ende der Welt durchbrannte, war Dad sogar nur sechsunddreißig – aber da schon uralt für die Zwölfjährige, die ich damals war.«

»Ans Ende der Welt?«, wiederholte Lynelle erstaunt.

»Patagonien«, erläuterte Georgina mit Besserwissermiene. Sie hob die Augenbrauen. »Sagen Sie bloß, das wissen Sie nicht.«

Die Bordellchefin zuckte mit den Schultern. »Das Skandalöseste an der Geschichte war ja, wie Sie zugeben werden, die Tatsache, dass ausgerechnet die Frau eines Reverends die Ehe bricht. Und dann noch mit einem Musiker!«

»Einem hochbegabten Künstler«, verbesserte die Tochter des Reverends. »Morten Ivarsson stammt von norwegischen Einwanderern ab. Er hat in New York studiert, und zwar Trompete, Klavier und Gesang. Auf Empfehlung von keinem Geringeren als John Philip Sousa wurde er noch zu Lebzeiten Custers in die 7th US Cavalry Band aufgenommen.«

»Das klingt, als würden Sie für den Geliebten Ihrer Mutter regelrecht schwärmen.« Lynelle schlug die Handflächen zusammen, stützte das Kinn auf die Fingerspitzen und sah ihr Gegenüber mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Faszination an.

»Ich bewundere meine Mutter für ihre Entscheidung«, stellte Georgina richtig. »Sie ist ihrem Herzen gefolgt. Und nicht nur das. Sie fand die Kraft, aus der Enge ihres bisherigen Lebens auszubrechen.«

Lynelle verzog das Gesicht. »Und sie war – hm – kaltschnäuzig genug, ihre zwölfjährige Tochter im Stich zu lassen.«

Georginas Augen verengten sich. »Darüber steht Ihnen kein Urteil zu, Madame.« Ihre Stimme sank zur Eiseskälte. »Vor dem Hintergrund unserer zukünftigen Geschäftsbeziehung sollten Sie daran denken, wo Ihr Platz ist.«

»Selbstverständlich«, gab Lynelle klein bei. Eine spitze Gegenbemerkung konnte sie sich indes nicht verkneifen: »Darf ich im Übrigen auf ein gutes Betriebsklima hoffen – angesichts Ihres Verständnisses für alte Leute wie mich?«

»Aber ja, das dürfen Sie«, antwortete Georgina und täuschte ein gütiges Schmunzeln vor. »Sie Ärmste! Sie sind ja schon gefühlte zweiundfünfzig Jahre alt – wenn ich Ihr wirkliches Alter verdoppele.«

Diesmal fiel es Lynelle schwer, ihren hochkochenden Ärger zu unterdrücken. Dieses kleine Luder auf der anderen Seite des Schreibtischs hatte aus der Welt der Erwachsenen viel zu früh viel zu viel mitgekriegt.

Die Bordellchefin atmete auf, als sie einer Antwort enthoben wurde.

Schritte näherten sich draußen im Korridor.

Harte Stiefelschritte eines Mannes.

***

»Ah, das ist er!«, rief Lynelle und sprang von ihrem Drehsessel auf.

»Wer?«, fragte Georgina und gab vor, schon vergessen zu haben, von wem die Bordellchefin gerade gesprochen hatte.

»Ihr Gesprächspartner. Mein Nachfolger.«

»Gehen Sie weg?«

»Natürlich nicht. Ich werde ihm die beste Assistentin sein, die er sich wünschen kann. Im Übrigen ist er ein Mann, dem jede Frau sich mit Kusshand unterordnet.«

»Ich bestimmt nicht.« Georgina stieß ein verächtliches Schnauben aus.

Lynelle öffnete die Tür rechts vom Schreibtisch und zwinkerte der Tochter des Reverends herausfordernd zu. »Sie würde ich noch nicht unbedingt als Frau bezeichnen.«

Georgina erhielt keine Gelegenheit, ihrer Empörung Luft zu machen, denn Lynelle öffnete die Tür nun vollends. Den Knauf in der Hand, sah sie aus, als wollte sie einen Hofknicks vollführen. Doch sie beließ es bei einer respektvollen Verbeugung, als der große Mann eintrat.

Georgina musste sich beherrschen, um nicht Mund und Augen aufzusperren. Bei aller Anstrengung, ihre aufgesetzte Gleichgültigkeit nicht zu verlieren, schaffte sie es gerade mal, in eine Art Schockstarre zu verfallen. Innerlich schickte sie ein Stoßgebet zum Himmel, dass dieses Prachtexemplar von einem Kerl ihr nicht ansah, wie hingerissen sie war.

Nach einem Schritt über die Türschwelle blieb er stehen und blickte erstaunt auf Georgina herab. Die blauen Augen in seinem von Wind und Sonne gegerbten Gesicht wirkten erstaunt, amüsiert, prüfend, spöttisch, beeindruckt – alles auf einmal.

»Eine Besucherin«, stellte er fest. Er nickte Georgina zu. »Haben Sie sich verirrt? Meinen Sie nicht, dass Sie etwas zu jung sind für dieses Haus? Oder sind Sie eine persönliche Bekannte von Madame Pompadoux?«

Georgina konnte nur zu ihm aufblicken. Noch immer hatte sie das Gefühl, dass ihr Gesicht und ihr ganzer Körper schockartig erstarrt waren. Gleichzeitig erzeugte seine sonore Stimme völlig neue Auswirkungen in ihr.

Über ihren Rücken lief ein wohliges Erschauern. Viel eindrucksvoller aber war dieses Kribbeln, das in ihren Haarwurzeln begann und hinablief bis zu den Fußspitzen. So ähnlich musste es sein, wenn man einen Schlag von diesem elektrischen Strom erhielt, der neuerdings Straßenlampen erstrahlen ließ wie taghelle kleine Sonnen.

Ja, Georgina musste sich eingestehen, dass Madame Pompadoux mit ihrer Ankündigung dieses Mannes nicht ganz Unrecht gehabt hatte. Du lieber Himmel, er war nicht nur ein Bild von einem Mann, er hatte auch eine überwältigende Persönlichkeit, die alle Männer in den Schatten stellte, die sie jemals erlebt hatte. Einschließlich ihres Vaters.

Es schien ihn nicht zu überraschen, dass es ihr die Sprache verschlagen hatte.

In seinem Blick überwog nun das Spöttische, als er sich auf Lynelles Drehsessel sinken ließ. Es hatte etwas Selbstverständliches, wie er dort Platz nahm. Und die ganze Zeit hörte er nicht auf, die blonde Besucherin anzusehen.

Alle Selbstsicherheit war von ihr abgefallen. Dieser – wie war noch sein Name? – hätte ihr befehlen können, seine Stiefel zu küssen, und sie hätte es getan. Tiefste Unterwürfigkeit erfüllte sie plötzlich, und sie sehnte sich geradezu danach, einen Befehl für ihn ausführen zu dürfen. O Gott, sie war so sehr durcheinander, dass sie sogar seinen Namen vergessen hatte.

Etwas wie ein Blitz zuckte jäh durch das Chaos.

Es war Lynelle, die das bewirkte.

Höhnisch grinsend setzte sie sich auf den Schoß des großen Fremden, und besitzergreifend legte sie den Arm um seinen Nacken. Mit den schlanken Fingern ihrer manikürten Hand kraulte sie seine Halsbeuge, sein Ohr und seinen Haaransatz.

Unverwandt sahen sie beide Georgina an – Lynelle eindeutig triumphierend, Lassiter als gelassener Herr der Lage.

Es überraschte Georgina nicht einmal, dass sie sich plötzlich wieder an seinen Namen erinnerte. Denn da war unvermittelt Lynelles rechter Arm, der ihre ganze Aufmerksamkeit fesselte. Sie warf den Arm lässig über die Gegend seiner Gürtelschließen und ließ ihre Handfläche auf seinem Oberschenkel landen. Wie es aussah, handelte es sich um den angestammten Platz, von dem aus sie mit lüstern forschenden Fingern ihre Erkundungen begann.

Nein, verdammt noch mal, ließ Georgina sich von ihrer inneren Stimme befehlen, das kannst du nicht zulassen. Du bist hier, um deine Forderungen durchzusetzen. Da kannst du deinen Verstand nicht von einem Mannsbild umnebeln lassen. Mein Gott, wenn du das Geschäft durchziehen willst, wie du es dir vorgenommen hast, musst du einen klaren Kopf bewahren.

»Sie heißt Georgina Moore«, sprach Lynelle mit gedämpfter Stimme ins Ohr des großen Mannes. »Sie sucht keinen Job bei uns. Sie ist die Tochter des Reverends der Baptistengemeinde, und sie möchte mit uns Geschäfte machen.«

»Falsch«, sagte Georgina, krampfhaft bemüht, ihre Selbstsicherheit zurückzugewinnen und dies auch gleich zu demonstrieren. »Es geht hier nicht um das, was ich möchte. Es geht um das, was ich anordne.«

Lassiter glaubte nicht, was er hörte. Es war ihm anzusehen.

»Lynelle«, sagte er und sah die dunkelhaarige Frau auf seinem Schoß fragend an. »Was haben wir denn hier? Eine kleine Größenwahnsinnige?« Er legte seinen Arm um die Taille der Bordellchefin. Seine kraftvollen, nervigen Hände kräuselten die dunkelrote Seide ihres tief ausgeschnittenen Kleids.

»Nun, so hört es sich zumindest an«, erwiderte Lynelle diplomatisch. »Wenn ich die Kleine richtig verstanden habe …«

»Ich bin nicht Ihre Kleine«, fauchte die Blondine. »Und keiner von Ihnen beiden hat auch nur den geringsten Grund, sich über mich lustig zu machen.«

»Hört, hört«, sagte Lassiter und zog anerkennend die Mundwinkel nach unten. »Wir haben es hier also mit einer ernsten Angelegenheit zu tun.« Er musterte Georgina eindringlich.

Sie erschauerte abermals, und wieder spürte sie diesen Stromstoß, der sie von Kopf bis Fuß durchschoss. Damit nicht genug, wünschte sie sich auf einmal, von diesem hinreißenden Mann mit Blicken ausgezogen zu werden.

Im Grund hatte er es leicht damit. Ihr hellgrauer Hosenanzug, der neuesten Suffragettenmode aus Chicago entsprechend, lag eng an und modellierte ausgesprochen deutlich ihre prallen Oberschenkel. Wäre sie aufgestanden und hätte sich umgedreht, wären ihm auch ihre wohlgeformten Hinterbacken ins Auge gestochen.

All right, so deutlich wollte sie es nicht treiben. In einem unbeobachteten Moment konnte sie allerdings einen weiteren Knopf ihrer weißen Bluse öffnen – obwohl das Dekolletee jetzt schon den größten Teil ihrer vollen, sich prächtig wölbenden Brüste offenbarte.

Ja, sie wusste, wie man Männer beeindruckte. Mit ihrem Busen und Hinterteil konnte sie punkten, auch wenn beide von Kleidung bedeckt und nur zu ahnen waren. Natürlich spielte auch die Schönheit ihres Gesichts, ihrer Augen und ihrer Haare eine wichtige Rolle, aber wenn es zur Sache ging, zählte für die Kerle immer nur der Körper einer Frau.

Das hatte Georgina längst begriffen.

Denn sie hatte Erfahrungen gesammelt, die manche prüde Ehefrau in ihrem ganzen Leben nicht machte. Okay, einer Frau wie Lynelle konnte sie bestimmt nicht das Wasser reichen. Georgina atmete tief durch, während Lassiter noch damit beschäftigt war, sie zu betrachten.

Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, tief in ihrem Inneren, dann musste sie zugeben, dass sie auf Lynelle eifersüchtig war. Allein dafür, wie sie Lassiter befingerte, hätte sie ihr die Augen auskratzen können. Dieses aufdringliche Zur-Schau-Stellen der Tatsache, dass sie es wohl schon miteinander getrieben hatte, ging Georgina mächtig gegen den Strich.

Es war dieser Moment, in dem ihr Entschluss reifte.

Während sie noch darüber nachdachte, musste sie sich selbst bewundern. Himmel, was für eine Aufgabe stellte sie sich da! Aber sie würde es schaffen. Alles, was sie sich fest vornahm, hatte sie noch immer geschafft. Deshalb zweifelte sie keine Sekunde an sich selbst.

Sie würde es schaffen, Lassiter zu verführen.

***

Sie fühlte sich wie in einem goldenen Käfig. Es fehlte ihr an nichts. Die Wohnung war komfortabel eingerichtet, mit Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche und Bad. Lediglich die Fenster waren vergittert, die Eingangstür abgeschlossen und zusätzlich mit Außenriegeln gesichert.

Ja, es war eine unglaublich komfortable Art von Gefängnis, in das die Entführer Monique Devereux gesperrt hatten. Durch eines der Fenster an der Westseite fiel ihr Blick auf die sanft ansteigenden, bewaldeten Hänge der Sangre de Cristo Mountains. An der Ostseite, im grünen Hügelland, glitzerte das kristallklare Wasser des Cimarron River im Sonnenlicht wie ein breites, sich dahinschlängelndes Band.

Monique war schlank und mittelgroß. Sie trug das kurze dunkle Haar als Männerfrisur, wie so viele Frauenrechtlerinnen. Nichtsdestoweniger modellierte ihr eng anliegender Hosenanzug aber äußerst weibliche Formen. Ihre ausgeprägt großen Brüste stemmten sich wölbend gegen das Innenfutter des Jacketts. Am Kinn, rechts unten, war eine Narbe zu erkennen; dort hatte sie einmal eine Messerspitze gestreift. Ihre Augen waren dunkelbraun, und um ihre Nase herum gruppierten sich Sommersprossen wie bei einem kleinen Mädchen.

Die Entführer waren ganz und gar nicht unfreundlich gewesen. Sie hatten fast alle Fragen beantwortet und ihr nicht einmal verschwiegen, um was für eine Behausung es sich handelte. Es war eine der Offizierswohnungen des ehemaligen Fort Jackson, zwanzig Meilen nordwestlich von Cimarron gelegen.

Die US Cavalry hatte das Fort aufgegeben und das gesamte, von Palisaden umsäumte Areal unmittelbar darauf auf dem freien Immobilienmarkt zum Verkauf angeboten. Ein Anwalt aus San Francisco hatte die Preise im Bieterverfahren in die Höhe getrieben, bis die übrigen Kaufinteressenten – wohlhabende Rancher aus dem Colfax County – das Interesse verloren hatten.

Der Anwalt von der Westküste war wieder verschwunden, nachdem er die Kaufverträge im Gerichtsgebäude der Stadt Springer, die zugleich Countysitz war, unterschrieben hatte. Der zuständige Richter dort war vom Kriegsministerium und der Armeeführung beauftragt worden, die Verkaufsformalitäten abzuwickeln.

Monique verbrachte die meiste Zeit damit, Rundgänge durch die Zimmer zu unternehmen. Vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer und von dort über Bad und Küche zurück in den Living-room. Zwischendurch blieb sie immer wieder einmal an einem der Fenster stehen, um den Ausblick zu genießen.

Die Wohnungen befanden sich in zwei Viererblocks an der Westseite des Forts. Dort waren die Holzgebäude auf erhöhten Pfahlgründungen gebaut worden, sodass die Bewohner aus den Fenstern über die Palisaden hinwegblicken konnten.

Das hatte zu Zeiten der Indianerkriege den Sinn gehabt, dass sich hinter den Wohnungsfenstern bei einem Angriff zusätzliche Verteidiger zur Unterstützung der Soldaten auf den Palisadengängen verschanzen konnten.

Manchmal verfiel Monique während ihrer Rundgänge in den Laufschritt. Die Bewegung half ihr, ihre körperliche Spannkraft zu erhalten. Ob sie jemals wieder darauf angewiesen sein würde, stand allerdings in den Sternen.

Einen klaren Kopf zu bewahren, erschien ihr indessen nicht weniger wichtig. Auf eine unvorhergesehene Situation richtig reagieren zu können – das war es, worauf es ankam. Wohl hundert Mal hatte sie darüber nachgedacht, hatte immer wieder neue, mögliche Zwischenfälle ersonnen.

Unvermittelt erblickte sie eine Bewegung – weit draußen im Sonnenlicht.

Reflexartig schlug ihr Herz schneller. So manches Mal träumte sie davon, dort draußen ihre Retter zu erspähen – tapfere Männer, die sich in Cimarron auf den Weg gemacht hatten, um das Fort anzugreifen und sie, Monique, zu befreien.

Aber auch diesmal war es wie schon so oft zuvor. Ihr Herzschlag beruhigte sich rasch, als sie feststellte, dass die Bewegung zwischen dem Buschwerk und den Bäumen des Hügellands von einem wilden Tier verursacht worden war.

Noch während Monique erkannte, dass es sich um ein Reh handelte, krachte ein Schuss. Ungewollt zuckte sie zusammen. Mit aufgerissenen Augen beobachtete sie, wie das Reh durch die Wucht des Einschusses von seinen dünnen Beinen gehoben und gegen einen Baumstamm geschleudert wurde.

Daran sank es herunter wie ein sterbender Mensch und hinterließ eine blutige Spur an der Baumrinde.

Monique schloss einen Moment lang die Augen. Niedergeschlagenheit breitete sich in ihr aus wie eine zähflüssige, tonnenschwere Last. Wie unter Mühen wandte sie sich vom Fenster ab. So also würde es jedem ergehen, der versuchte, ihr zu Hilfe zu kommen. Das war die Botschaft, die Lauren Higgins ihr übermittelte.

Lauren Higgins, ihr Entführer.

Er konnte stundenlang dort an der Außenseite der Palisaden hocken und auf ein Reh, einen Dachs, einen Bären oder auch nur auf ein Kaninchen warten. Monique konnte den Mann nicht sehen, aber wenn es erst einmal gekracht hatte, dauerte es nicht mehr lange, bis er ins Fort zurückkehrte.

Männliche Grausamkeit und Kraft strahlte er dann aus, dieser hünenhafte Chinese mit seinem nackten Oberkörper und dem kahlrasierten Kopf. Die Jagdbeute trug er bei seinem Einmarsch über der linken, die schwere, weittragende Sharps Rifle über der rechten Schulter.

Und aus seinen schmalen Augen blickte er zu jenem Fenster herauf, hinter dem er seine Gefangene wusste. Es war der Moment, in dem er seinen Triumph auskostete – und das Wissen, ihre Furcht vor ihm abermals gefestigt zu haben.

Er war ein Hongkong-Chinese, Sohn eines Engländers und einer Chinesin.

Im nächsten Moment erschrak Monique abermals.

»Willst du ihn nicht bewundern?«, fragte die Frau. Sie saß auf dem Sofa und blickte amüsiert lächelnd zu ihr auf. »Ich meine, das tust du doch sonst immer.«

Monique ging nicht auf die Frage ein.

»Wie bist du hereingekommen?«, stieß sie hervor.

»Na, wie wohl?« Jennifer Lee lachte spöttisch. »Durch die Tür natürlich.«

»Ich meine – so leise, dass ich nichts gehört habe.« Monique erwiderte es ärgerlich. Jennifer und Lauren hatten ihr das Du aufgezwungen. Sie selbst hatte nicht die geringste Neigung verspürt, das Entführerpaar zu duzen.

Jennifer Lee war Malaiin, sie stammte aus Penang. Sie trug einen grau-schwarz gestreiften Hosenanzug. Ihr glattes, schwarzes Haar trug sie zu einem Rückenzopf geflochten. Die mandelförmigen Augen glommen geheimnisvoll in ihrem ebenmäßigen Gesicht.

Sie zuckte mit den Schultern. »Ich muss wohl in dem Moment hereingekommen sein, als der Schuss fiel. Außerdem warst du völlig weg. Ich weiß doch genau, dass du Lauren als Scharfschützen bewunderst.«

Monique reagierte auch darauf nicht. Sie hatte es längst aufgegeben, sich über Jennifers Unterstellungen aufzuregen. Möglicherweise sah die Malaiin in ihr eine Konkurrentin und war eifersüchtig, weil sie dachte, dass Lauren Gefallen an der Gefangenen fand.

»Wie lange wollt ihr mich noch festhalten?«, fragte Monique rundheraus.

»Bis in alle Ewigkeit.« Jennifer grinste herausfordernd. »Du weißt, was das bedeutet.«

»Ihr werdet mich umbringen«, erwiderte Monique dumpf.

»Na also«, sagte die Malaiin zufrieden. »Dann gibt es ja keine offenen Fragen mehr.«

***

Seine Stimme holte sie in die Wirklichkeit zurück – diese hinreißende Stimme, die für sie die Personifizierung aller Männlichkeit war. Allein der Klang seines markigen Organs hätte genügt, sie auf der Stelle dahinschmelzen zu lassen.

Aber in Lynelles Gegenwart würde sie ihre Gefühle für Lassiter natürlich nicht offenbaren. Eine solche Blöße würde sie sich gegenüber der Bordellchefin nicht geben. Vor sich selbst allerdings musste sie eingestehen, dass sie sich bis über beide Ohren in Lassiter verliebt hatte – und das in diesen paar Minuten, die sie ihn nun kannte.

Liebe auf den ersten Blick – o Gott, ja, das war es!

Ihr war dieses wundersame Geschehen zuteilgeworden, das so viele Menschen niemals in ihrem ganzen Leben erlebten. Sie selbst hatte es bislang nur aus Dime Novels gekannt, die sie begeistert verschlang, meist abends im Bett.

»Dann lassen Sie mal hören, Georgina«, rief sich der große Mann erneut in Erinnerung. »Was sind Ihre Anordnungen für mich?«

Der Spott, mit dem er das Wort »Anordnungen« aussprach, prallte an ihr ab. Denn jetzt ging es zur Sache, jetzt wurde es ernst. Dementsprechend konzentrierte sie sich auf das, weshalb sie hergekommen war. Sie war stolz auf sich selbst, weil sie in der Lage war, ihre romantischen Empfindungen einfach abzuschalten.

»Madame Pompadoux«, erklärte sie geschäftsmäßig, »bezieht das Opium für ihr Bordell von meinem Vater. Wie überhaupt alle hier in Cimarron und im Colfax County Kunden meines Dads sind. Ich werde mit dem ›Chez Monique‹ einen Anfang machen und die Lieferverträge übernehmen.«

Insgeheim staunte sie über sich selbst. Sie war tatsächlich in der Lage, die richtigen Worte zu finden und ihre Sätze so zu formulieren, dass sie ausdrückte, was sie ausdrücken wollte.

Denn eigentlich hätte sie sich nicht gewundert, wenn sie nur wirres Zeug gestammelt hätte – angesichts seines überlegenen Lächelns und vor allem seiner Augen, die sie bis auf den Grund ihrer Seele zu durchleuchten schienen.

Aber verdammt, sie war in der Lage, solche Überrumpelungsversuche gar nicht erst an sich herankommen zu lassen.

Lassiter zeigte seinerseits keinerlei Erstaunen darüber, dass ein Baptisten-Reverend mit Rauschgift handelte und darüber hinaus zu dem Zweck sogar eine geheime Organisation aufgebaut hatte.

Nun gut, wahrscheinlich wusste er längst darüber Bescheid – dank Lynelle, die ihm sicherlich alles brühwarm berichtet hatte. Und dabei hatte sie die Klatschgeschichten, die in der Stadt kursierten, bestimmt nicht ausgelassen.

In ihren Schilderungen durfte auch die Geschichte von Monique Devereux, Lynelles Vorgängerin, nicht gefehlt haben. Nach Monique war das Etablissement bei seiner Gründung vor sieben Jahren benannt worden. Lynelle war vor etwa drei Jahren ihre Stellvertreterin geworden – und dann, nach Moniques Verschwinden vor zwei Monaten, ihre Nachfolgerin.

Bis heute gab es keine Spur von Monique. Es war nicht einmal bekannt, wie sie verschwunden war. Gerüchte, das womöglich ein reicher Kunde Gefallen an ihr gefunden hatte und sie mit dem Betreffenden in ein neues, gemeinsames Leben aufgebrochen war, hatten sich bislang nicht bestätigt.

Lynelle und Monique stammten beide aus New Orleans, hatten sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach New Mexico aufgemacht, um dort ihren Geschäftserfolg zu suchen.

Lassiter räusperte sich und holte Georgina damit in die Wirklichkeit zurück.

»Soso«, sagte er und schmunzelte. »Sie wollen also in bestehende Lieferverträge einsteigen. Das kommt einem Neuabschluss gleich. Normalerweise sind daran zwei Parteien beteiligt, würden Rechtsanwälte sagen. In Ihrem und unserem Fall käme noch eine dritte Partei hinzu – Ihr Vater. Ist Ihnen das bewusst?«

»Natürlich«, antwortete Georgina. Sie ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. »Säße ich sonst hier?«

»Keine Ahnung.« Lassiter wiegte den Kopf. »Es könnte ja sein, dass Sie eine Blenderin sind. Eine, die sich uns gegenüber aufspielt und ihrem Vater in den Rücken fallen will – vielleicht aus einem Familienstreit heraus. Oder aus einem anderen kleinkarierten Grund.«

Georgina ging nicht darauf ein. Mit keiner Regung ihrer Miene gab sie zu erkennen, dass sie sich getroffen fühlte. Ihre Stimme klang sachlich, als sie antwortete: »Ich verfüge über alle Mittel und Wege, die ich für das Geschäft brauche – allem voran ein zuverlässiger Lieferant.«

»Und wer ist das?« Lassiter hob interessiert die Augenbrauen.

Georgina lächelte souverän und schüttelte den Kopf. »Halten sie mich für so unprofessionell, dass ich Ihnen mein wichtigstes Geschäftsgeheimnis preisgebe – bevor wir uns überhaupt einig geworden sind?«

»Interessant«, erwiderte der Mann der Brigade Sieben. »Heißt das, Sie wollen keine Anordnungen mehr treffen, sondern – verhandeln?«

»Nur über die Konditionen«, präzisierte Georgina. »Also über Preise, Mengen, Lieferzeiten und so weiter. Was das große Ganze betrifft, bleibe ich hart.«

Lassiter nickte geduldig. »Über Preise brauchen wir nur dann zu reden, wenn Sie günstiger sind als Ihr Vater. Wenn nicht, können Sie Ihr großes Ganzes von vornherein vergessen.«

»Natürlich werden meine Preise niedriger sein«, trumpfte Georgina auf. »Ich bin doch nicht weltfremd.«

»Dafür müssen Sie erst noch den Beweis antreten.«

Georgina verzog das Gesicht. Zum ersten Mal verlor sie ihre Fassung. »Wer sind Sie überhaupt?«, fauchte sie. »Woher weiß ich, dass ich es mit einem kompetenten und zuverlässigen Geschäftspartner zu tun habe?«

Lassiter lächelte nur.

Lynelle mischte sich ein. »Lassiter und ich kennen uns seit vielen Jahren, und zwar aus meiner Heimatstadt New Orleans. Dort haben wir bereits zu unserer beiderseitigen Zufriedenheit zusammengearbeitet – in der Unterhaltungsbranche.«

Lassiter nickte bedächtig und bestätigend zugleich. Lynelle sagte die Wahrheit. Allerdings hatte ihre Zusammenarbeit etwas anders ausgesehen, als es sich anhörte.

Lynelle hatte als Informantin für das Justizministerium gearbeitet, nachdem Lassiter sie kennengelernt und angeworben hatte. Dass er Agent der Brigade Sieben war, eines Geheimdiensts des Ministeriums, durfte sie nicht wissen. Nichtsdestoweniger aber hatte sie sich als zuverlässige und vertrauenswürdige Lieferantin von Informationen aus der Welt des Verbrechens erwiesen.

New Orleans war zu der Zeit der amerikanische Sündenpfuhl par excellence gewesen. Der Opiumhandel war damals legal gewesen, und er war es noch immer. Aber es mehrten sich die Stimmen, die eine Regulierung, oder besser noch, ein Verbot des Rauschgifthandels forderten.

Es wuchs die Zahl der Frauen, die sich dem Temperenzlergedanken verschrieben. Anfangs hatten sie sich nur dem Kampf gegen den Alkoholmissbrauch verschrieben. Doch mittlerweile hatten sie auch das Opium als schlimmen Feind des Menschen entdeckt.

Viele Temperenzlerinnen rotteten sich mittlerweile vor den Saloons und Bordellen des Westens zusammen und ebenso viele vor den Etablissements in den Rotlichtbezirken der Großstädte. Nicht selten arteten diese Demonstrationen gegen die Geißeln der Menschheit – wie sie Alkohol und Rauschgift nannten – in Handgreiflichkeiten und Gewalttaten aus.

Und dann traten auch noch die Suffragetten auf den Plan. Sie, die die Gleichberechtigung und vor allem das Wahlrecht für die Frauen Amerikas forderten, entdeckten gemeinsame Interessen, vermengten sich mit den Vereinen der Temperenzlerinnen, und auf diese Weise wurden beide immer stärker und einflussreicher.

Letzteres kam nicht von ungefähr, denn viele der Kämpferinnen an der Frauenfront gehörten zur geistigen Elite und waren mit Politikern verheiratet. So kam es, dass sich entsprechende Einsichten auch bei den Abgeordneten in den Hauptstädten der Bundesstaaten durchsetzten, wie auch in Washington selbst.

Gegen den Alkohol vorzugehen, war schwierig. In den Saloons und Bars formierte sich bereits ernsthafter Widerstand der Männer gegen die Frauen, die ihnen ihren Feierabenddrink verbieten wollten.

Den Opiumkonsum zu bekämpfen, war dagegen weniger konfliktbeladen. Die Opiumhöhlen galten als anrüchig, und wer das Bedürfnis hatte, sich in so einem Etablissement zu einem Rausch zu verhelfen, der tat es meist heimlich.

Opium war nach wie vor überall erhältlich, und zwar völlig legal. Doch aus Regierungskreisen war durchgesickert, dass der Handel Rauschgift kraft Gesetzes in naher Zukunft zumindest eingedämmt, wenn nicht verboten werden sollte.

Die Beweggründe für solche Bestrebungen gingen nicht allein von den Kämpferinnen an der Frauenfront aus. Auch Mediziner und Psychologen zeigten sich zunehmend besorgt wegen des ausufernden Rauschgiftkonsums, und das galt für die Großstädte an der Westküste und an der Ostküste ebenso wie für die Weiten des Westens.

Hinzu kamen zwei weitere Gefahren, deren Konsequenzen noch nicht einmal abzusehen waren.

Das waren zum einen die Derivate, sprich, die Ableitungen oder Folgeprodukte des Opiums, wie etwa das erst vor kurzem bekannt gewordene Heroin.

Zum anderen war es das organisierte Verbrechen, das sich im Dunstkreis des Rauschgifthandels entwickelte und sich insbesondere aus den Hafenstädten heraus immer weiter ausbreitete.

Spinnennetzartig dehnten sich die kriminellen Strukturen mehr und mehr ins Landesinnere aus. Von Kaliforniens Nachbarstaat Arizona war es nur noch ein Katzensprung bis ins angrenzende New Mexico. Kein Wunder also, dass die Opiumbanden ihre Fühler längst bis dorthin ausgestreckt hatten.

Es war bereits die Rede von einer Cimarron Connection, die sich im nördlichen New Mexico ausbreitete wie ein Geschwür. Daher hatte Lassiter den Auftrag erhalten, in Cimarron den Hebel anzusetzen – mit einem verdeckten Einsatz, in dem er sich zunächst nicht als Geheimagent zu erkennen geben würde.

Deshalb hatte er mit Lynelle Kontakt aufgenommen. Er wusste, dass sie ihrer alten Freundin Monique Devereux gefolgt war, um mit frischem Kapital in das Bordellgeschäft einzusteigen, das Monique in Cimarron aufgebaut hatte.

Gleich nach seiner Ankunft hatte Lassiter sich mit Lynelle getroffen und zwei schockierende Neuigkeiten von ihr erfahren.

Monique Devereux war verschwunden.

Der Kopf des örtlichen Opiumhandels war ein Reverend.

Die vierundzwanzig Stunden seit seinem Eintreffen in Cimarron hatte Lassiter damit verbracht, sich von Lynelle über all die unglaublichen Einzelheiten des Rauschgiftgeschäfts in Cimarron und im Colfax County informieren zu lassen.

Rasch waren sie sich einig geworden, dass er als ihr alter Freund auftreten würde, der aus New Orleans heraufgekommen war, um ihr nach Moniques Verschwinden die Last der Geschäftsführung abzunehmen.

Und dann, kaum hatten sie ihre Übereinkunft getroffen, war die Tochter des Reverends aufgetaucht, um als künftige Opiumlieferantin des »Chez Monique« aufzutreten.

»Also gut«, sagte Lassiter. »Nennen Sie uns Ihre Preise und Konditionen, und geben Sie uns bis morgen Mittag Bedenkzeit. Dann werden Lynelle und ich Ihnen unsere Entscheidung mitteilen.«

Georgina öffnete den Mund. Ihre Augen funkelten zornig.

Lassiter sah ihr an der Nasenspitze an, dass sie ihm wieder mit ihren Anordnungen kommen wollte. Doch sie wurde übertönt, als sie die erste Silbe auszusprechen versuchte.

Etwas wie ein Donnerschlag rollte durch den Korridor.

Erst beim zweiten Hinhören entpuppte es sich als männliche Stimme.

Ein donnernder, dröhnender Bass war es, der die Wände des Bordells mit einem Wummern erfüllte und das ganze Haus erbeben zu lassen schien.

»Georgina!«, brüllte der Bass. »Wo du auch steckst, komm da raus! Sofort! Hierher! Zu mir!«

***

Lassiter brauchte keine Worte. Eine knappe Handbewegung genügte. Die beiden Frauen verstanden sofort. Bleibt, wo ihr seid, bedeutete das Handzeichen des großen Mannes. Und Lynelle und Georgina waren froh, gehorchen zu dürfen.

Denn die stampfenden Schritte im Korridor walzten herbei. Und das Gebrüll hielt an. Wüste Verwünschungen waren es jetzt. Und dann wieder: »Georgina! Wenn du nicht auf der Stelle …«

»Was dann?«, sagte Lassiter im Hinausgehen. Er ließ die Tür zum Büro hinter sich ins Schloss fallen.

Der Wüterich stoppte seine Schritte vor ihm. Er stand da, im Halbdunkel der Zimmerflucht und sah aus, als ob er sich verschluckt hätte. In der Tat schienen ihm die Worte im Hals steckengeblieben zu sein.

Er war ein untersetzter, mittelgroßer Mann mit kantigem Schädel. Das Auffälligste an ihm waren die blonden Borstenhaare, die seinen Kopf aussehen ließen wie eine große, eckige Bürste.

Kaum weniger auffällig waren seine Pranken. Zu knochigen Riesenfäusten geballt, hingen sie aus den unproportional dünnen Ärmeln seiner schwarzen Predigerjacke. Der Stehkragen eines grauen Hemds spannte sich um seinen sichtlich geschwollenen Hals.

Lassiter schätzte ihn auf Anfang vierzig.

»Sie sind Reverend Moore«, sagte er und ließ es wie eine Feststellung klingen.

»Richtig«, antwortete der Gottesmann mit grollendem Bärenbass und mühsam unterdrückter Wut. »Und wer sind Sie?«

»Ich bin der Hausherr«, teilte Lassiter mit, nannte seinen Namen und fügte hinzu: »Ich bin Geschäftsführer des ›Chez Monique‹ Nachfolger und Partner von Madam Lynelle Pompadoux.«

»Dann sollten Sie sich schämen«, quetschte Moore hervor. »Kein anständiger Mann sollte sich dazu herablassen, in ein unwürdiges Haus wie dieses auch nur einen Fuß zu setzen.«

»Genau das haben Sie gerade getan«, erwiderte Lassiter. Und obwohl er es besser wusste, provozierte er den Wütenden seelenruhig: »Sind Sie unverheiratet, Sir? Möchten Sie die Dienste unseres ehrenwerten Hauses in Anspruch nehmen?«

Theodore Moore schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.

»Das ist – das ist …«, schnaubte er. Mehrfach atmete er heftig ein, dann schüttelt er die Knochenfäuste und brüllte von neuem los: »Der Zorn Gottes ist dir gewiss, Verruchter! Ich bin seine Faust, und du sollst sie zu spüren bekommen. Das ist sein Wille!«

Moore machte Anstalten, auf den Mann der Brigade Sieben loszugehen.

Das Gellen einer vertrauten Stimme stoppte ihn.

»Geh weg, Dad!«, schrie Georgina. »Hau ab! Du hast hier nichts verloren. Das hier ist meine Sache. Also verschwinde gefälligst. Und zwar pronto!« Sie hatte die Bürotür so weit geöffnet, dass sie den Kopf herausstecken und sehen konnte, was ablief.

Theodore Moore erbleichte. Seine Kinnlade klappte herunter, und er bekam den Mund nicht wieder zu.

Lassiter wandte sich halb um, schüttelte tadelnd den Kopf und schnalzte drei Mal mit der Zunge. »Georgina, Georgina! Redet man so mit seinem Vater?«

Sie schluckte, wollte aufbegehren, doch stattdessen weiteten sich ihre Augen, und sie schrie: »Lassiter! Aufpassen!«

Der große Mann wirbelte herum.

Nicht mehr rechtzeitig.

Ein Huftritt traf ihn.

So kam es ihm vor. Doch die Knochenpranke, die auf ihn zuraste, hatte das Format eines Rammbocks. Die volle Wucht des Hiebs explodierte auf seinem Brustkasten. Er wurde zurückgeschleudert, ruderte mit den Armen, um bei kurzen, schnellen Rückwärtsschritten sein Gleichgewicht.

Zwangsläufige Folge war, dass er die Arme nicht hochbringen konnte, um schnell genug eine Deckung aufzubauen. Deshalb erwischte ihn der zweite Prankenhieb des Reverends doppelt schwer. Diesmal hatte er das Gefühl, durch die Luft katapultiert zu werden.

Hart landete er auf dem Rücken, rutschte ein Stück von seinem Gegner weg. Der Orientteppich des Korridors war weich und gleitfähig. Ein Umstand, der dem großen Mann womöglich das Leben rettete. Er rutschte ein Stück weiter, als der Reverend offenbar kalkuliert hatte.

Lassiter begriff es, als der Borstenhaarige nachsetzte und zu einem mörderischen Fußtritt ausholte. Die eisenbesetzte Stiefelspitze flirrte auf den Mann der Brigade Sieben zu wie eine Säbelklinge. Diesmal gelang es ihm immerhin, schützend die Arme hochzureißen. Der wütende Angreifer stieß einen heiseren Schrei aus, überzeugt, die notdürftig aufgebaute Deckung des am Boden Liegenden mit seinem Tritt mühelos zerschmettern zu können.

Umso heftiger traf ihn die Überraschung.

Blitzartig und mit federnder Kraft kam Lassiter halb hoch. Es sah aus, als wollte er den Tritt buchstäblich mit dem Oberkörper auffangen. Doch im allerletzten Sekundenbruchteil, bevor das geschehen konnte, packte er mit beiden Händen zu.

Und erwischte den Stiefel des Reverends.

Der Borstenhaarige brüllte vor Schmerz und Überraschung, als ihn der eisenharte Doppelgriff seines Gegners aus dem Angriffsschwung heraus zur Seite riss. Das Gebrüll des Reverends steigerte sich noch und geriet zum Schrillen, als er plötzlich jegliche Bodenhaftung verlor.

Denn durch Lassiters gnadenloses Zupacken wurde auch das zweite Bein des Reverends regelrecht vom Teppich gefegt. Für die Dauer eines winzigen Moments schwebte er waagerecht in der Luft. Im selben Augenblick schnellte Lassiter empor und wich zur Seite.

Sein Gegner krachte auf den Boden und erinnerte eine halbe Sekunde lang an einen auf dem Rücken liegenden, mit allen Beinen zappelnden Käfer.

Lassiter erlöste den Mann aus seiner unwürdigen Lage, indem er ihn mit zwei Hieben ruhigstellte.

Der Reverend streckte sich und rührte sich nicht mehr. Lassiter richtete sich auf, blickte auf den Bewusstlosen hinab und überlegte, was er mit ihm machen sollte. Dem Town Marshal übergeben, wegen Hausfriedensbruchs? Dem County Sheriff übergeben, wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt – Letztere verkörpert durch den Regierungsagenten, der er, Lassiter, letzten Endes war?

Er entschied sich gegen diese Möglichkeiten. Es war ihm wichtiger, seine Rolle als neuer Bordellgeschäftsführer aufrechtzuerhalten. Wenn er sich von vornherein als Geheimagent zu erkennen gab, würde er sich alle Chancen verbauen, die Cimarron Connection zu zerschlagen.

Deshalb schnappte er sich den Bewusstlosen und hängte ihn sich über die Schulter. Im Vorbeigehen sah er, wie Georgina und Lynelle die Bürotür spaltbreit öffneten und herauslugten.

»Bleibt, wo ihr seid«, rief er ihnen zu. »Ich bin gleich bei euch.«

Lassiter konnte sich nicht davon überzeugen, ob sie seine Anweisung befolgten. Immerhin aber hörte er keine Schritte hinter sich. Wenigstens blieben sie also in Sicherheit.

Als er mit seiner menschlichen Last die Eingangstür des »Chez Monique« erreichte, kam der Reverend zu sich. Sofort versuchte er, sich loszureißen. Lassiter brachte ihn zur Räson, indem er ihn am Oberarm packte und die Kraft seines Griffs spüren ließ.

»Das wirst du bereuen, Hurensohn«, zischte Moore, während sein Bezwinger ihn hinaus auf den Gehsteig schob. »Ich werde dir meine Heerscharen auf den Hals schicken und dich spüren lassen, dass die Rache des Herrn furchtbar ist.«

»Ich glaube, Sie bringen da etwas durcheinander, Sir«, sagte Lassiter und stieß ihn von sich. »Denken Sie darüber nach und fangen Sie damit an, warum ich nicht vorhabe, mich von Ihnen duzen zu lassen.«

Moore antwortete nicht, gab lediglich einen Knurrlaut von sich, als er auf die Main Street hinaustrat, um sie zu überqueren. Auf der anderen Seite, vor einer Wäscherei mit der schlichten Bezeichnung »Wang Laundry«, stand ein düster aussehender Mann, der die ganze Zeit herübergestarrt hatte und offenbar auf den Reverend wartete.

Der Mann war Chinese, ungewöhnlich hochgewachsen und überaus kräftig gebaut. Er trug einen schwarzen Anzug und ein kragenloses weißes Hemd und sah aus wie jemand, der andere für sich arbeiten ließ.

***

»Abraham Wang«, sagte Georgina. »Ein einflussreicher Mann. Es heißt, er kann Menschen spurlos verschwinden lassen.«

Natürlich hatten sie und Lynelle das Büro verlassen und durch eines der Korridorfenster auf die Straße gelugt. Lynelle hatte sich gleich darauf in ihr Privatgemach zurückgezogen, während Georgina sich vor dem Eingang zu Lassiter gesellte.

»Mister Wang ist der Geschäftspartner meines Vaters«, fuhr Georgina fort. Sie sprach wie eine Fremdenführerin, die einen wichtigen Bürger der Stadt vorstellte. »Eigentlich heißt er Wang Xing Hua. Aber er hat seinen Namen amerikanisiert. Und vor allem sich selbst natürlich.«

»Interessante Erkenntnis.«

»Ist nicht von mir. Stammt von Dad.« Georgina lachte leise in sich hinein. »In ihm hast du dir jetzt einen Todfeind gemacht – und das meinetwegen.« Beinahe besorgt fügte sie hinzu: »Du hast doch nichts dagegen, wenn wir uns duzen?«

»Überhaupt nicht«, antwortete Lassiter. »Nur Respektspersonen müssen mit ›Sie‹ angeredet werden.« Während er sprach, hörte er nicht auf, die beiden Männer auf der anderen Straßenseite zu beobachten.

Sie unterhielten sich gestikulierend, spähten von Zeit zu Zeit verstohlen herüber. Offenbar wollten sie keinen Moment verpassen, solange Georgina und der große Fremde sich dort vor dem Bordell zeigten.

»Du hast meinen Vater schwer gedemütigt«, sagte Georgina, und es klang eher bewundernd und amüsiert als sorgenvoll. »Er wird dich dafür umbringen – oder umbringen lassen.«

Lassiter grinste. »Und Mister Wang sorgt dafür, dass meine Leiche niemals gefunden wird. Darin sind sie Experten, unsere Freunde aus dem Reich der Mitte.«

»Ich werde nicht aufhören, dich zu suchen.« Georgina zwinkerte. »Schlimmstenfalls finde ich deine Überreste dann in seinem Schweinestall. Im Schlamm.«

»Vielleicht kannst du dir die Suche ersparen.«

»Wieso?« Georgina sah ihn überrascht an.

»Weil wir womöglich beide in Mister Wangs Schweinestall landen.«

Die Tochter des Reverends hob die Augenbrauen. »Das heißt, du traust meinem Dad zu, dass er seine eigene Tochter umbringen lässt?«

»Ja.« Lassiter nickte. »Sorry, aber ich vermute, dass ihm ein Menschenleben wenig bedeutet. Auch deins nicht.«

Einen Moment lang hatte es den Anschein, als wollte Georgina dem großen Mann die Augen auskratzen. Doch gleich darauf entspannten sich ihre Gesichtszüge, und sie schmunzelte amüsiert.

»Du bist ein kluger Kopf, Lassiter. Und wenn ich ehrlich bin, kann ich dir nicht widersprechen.«

»Danke für die Blumen.«

Lassiter beobachtete, wie der Chinese dem Reverend auf die Schulter klopfte. Von weitem sah die Geste tröstend und aufmunternd zugleich aus. Die beiden Männer trennten sich. Ohne noch einen Blick zur Seite zu wenden, stapfte Moore nach rechts davon, während Wang in seiner Wäscherei verschwand.

»Ich schlage vor, wir besiegeln unsere Geschäftsbeziehung«, rief Georgina sich in Erinnerung.

»Haben wir eine?« Lassiter sah sie amüsiert an.

»Meine Anordnung«, entgegnete Georgina todernst. »Schon vergessen?«

»Ich erinnere mich dunkel«, erwiderte der große Mann spöttisch. »Aber bevor wir irgendetwas besiegeln, will ich alles über Mister Wang erfahren. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich den Kerl am Hals habe, wenn ich mich mit dir einlasse – mal ganz abgesehen von deinem ehrenwerten Dad.«

»Ehrenwert?« Georgina prustete und kicherte. »Sieh doch mal.« Mit einer gleichgültigen Handbewegung deutete sie auf die andere Straßenseite. »Fällt dir was auf?«

»Was deinen Vater betrifft?« Lassiter blickte dem Reverend nach. Mit seinem leicht gesenkten Kopf erinnerte der davoneilende Mann an einen Stier, der sich nach einer Niederlage zurückzog, um neue Kräfte zu sammeln.

Georgina brummte zustimmend. »Nun? Was siehst du?«

»Einen Mann, der Respekt genießt. Die Leute grüßen ihn.«

»Alle?«

»Fast alle. Es muss ja nicht jeder seiner Gemeinde angehören.«

»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ein geachteter Reverend wird von allen respektiert. Und wenn er ein angesehener Mann wäre, würden viele Leute stehenbleiben und ein Gespräch mit ihm anfangen.«

»Mhm.« Lassiter zog die Mundwinkel nach unten. »Da will ich dir nicht widersprechen. Aber ich schlage vor, wir befassen uns erst mal mit Mister Wang.«

Georgina nickte und gab sich einen Ruck. »Also Abraham Wang«, sagte sie unternehmungslustig, und es hörte sich an, als hätte sie die Entscheidung getroffen.

»Wir können reden, während wir gehen.« Lassiter bot ihr seinen Arm an.

»Einverstanden.« Georgina hakte sich bei dem großen Mann ein, sah ihn von der Seite an und fabrizierte einen wohlkalkulierten Augenaufschlag. »Ich schlage vor, wir gehen zu mir, nicht zu dir.«

Sie machten sich auf den Weg zur Ostseite der Stadt – in die gleiche Richtung, die auch der Reverend eingeschlagen hatte. Es zeigte sich, dass auch Georgina bei den Einwohnern bestens bekannt war.

Ladeninhaber grüßten sie aus den Eingängen ihrer Geschäfte heraus, Passanten winkten ihr zu, darunter nicht wenige Frauen, die stehen blieben, um einen kurzen Plausch mit ihr zu halten.

Lassiter erntete so manchen forschenden Blick. Georgina stillte die Neugier der Ladys, indem sie ihnen den großen Mann als einen Geschäftsfreund vorstellte. Die meisten wussten allerdings längst, dass sich der große Mann im »Chez Monique« einquartiert hatte und dort eine leitende Rolle spielte.

»Übrigens«, sagte Georgina, als sie ihren Weg nach der fünften oder sechsten Plauderpause fortsetzten. »Du bist nicht wirklich ein Bordellmanager. Du tust nur so. Habe ich recht?«

»Nein«, behauptete Lassiter. »Ich arbeite mich ernsthaft in meinen neuen Job ein.«

Georgina schnaufte amüsiert. »Ich habe schon mal bessere ausweichende Antworten gehört.«

»All right. Dann lasse ich mir in Zukunft etwas Originelleres einfallen.«

»Das wirst du schon müssen, wenn du mich beeindrucken willst.« Georgina wechselte das Thema, ohne Luft zu holen. »Ist dir an Mister Wang etwas aufgefallen?«

»Nein, nichts – außer, dass er für einen Chinesen ziemlich groß ist.«

»Und sein Alter?«

»Schwer zu schätzen«, erwiderte Lassiter. »Was die Alterserscheinungen betrifft, haben Chinesen und andere Asiaten uns so Einiges voraus. Keine Falten, keine grauen Haare.«

»Und das ist bei allen so?«, staunte Georgina.

»Du hast noch nicht sehr viele Chinesen gesehen, stimmt’s?«

»Nur Mister Wang und seine Angestellten. Er soll ja in vielen Städten Wäschereien betreiben. Außer in Cimarron und Springer auch in benachbarten Countys.«

»Und überall bietet er auch Opium an«, mutmaßte Lassiter.

»Das ist doch nicht verboten, oder?«

»Nein, noch nicht«, erwiderte der große Mann. »Aber du bist das beste Beispiel dafür, weshalb es bald zu einem Verbot kommen könnte – mal ganz abgesehen von den neuen Drogen, die gerade entwickelt werden.«

»Ich?«, wiederholte Georgina. »Wieso? Ich tue doch auch nichts Verbotenes.«

»Du bist auf dem besten Weg. Rund um den Opiumhandel entstehen Strukturen des organisierten Verbrechens, sagen die Politiker. Solche Anfänge wollen sie im Keim ersticken.«

***

Georgina grinste. »Sehr schlau, diese Politiker.«

»Das müssen sie wohl sein.« Lassiter nickte. »Es hat schon die ersten Razzien in Opiumhöhlen gegeben. Allerdings nur in größeren Städten, wo die konkurrierenden Händler und ihre Organisationen anfangen, sich blutige Bandenkriege zu liefern.«

»Davon habe ich gehört«, sagte Georgina. »Mister Wang betreibt auch seine eigenen Opiumhöhlen – in den hinteren Räumen seiner Wäschereien. Hier in Cimarron nennt er das Etablissement ›Chrysanthemum Saloon‹; die besondere Attraktion sind junge chinesische Huren, die er da beschäftigt.«

Lassiter hob die Schultern. »Ernstzunehmende Konkurrenz für uns im ›Chez Monique‹, vermute ich.«

»Nicht alle Männer können sich für Chinesinnen begeistern«, entgegnete die Tochter des Reverends und maß ihren Begleiter mit einem anzüglichen Blick. »Oder irre ich mich da?«

»Ich habe nichts gegen Chinesinnen«, sagte Lassiter. »Mir gefallen alle Frauen. Die Herkunft spielt doch keine Rolle.«

»Dann gefalle ich dir auch?«, fragte Georgina kokett.

»Sehr«, antwortete der große Mann nach einem Luftholen. Sie hatte es tatsächlich geschafft, ihn zu verblüffen. War sie die Durchtriebenheit in Person oder eine gerade erwachsen gewordene junge Frau mit der Persönlichkeit eines naiven kleinen Mädchens?

Auf sein Kompliment reagierte sie nicht. Stattdessen blieb sie stehen und vollführte den Augenaufschlag, den er schon kannte. Er verharrte neben ihr und folgte ihrem Blick.

Auf der anderen Straßenseite stand eine Kirche. Offenkundig handelte es sich um einen Neubau.

Wie eine Fremdenführerin deutete Georgina mit einer ausladenden Handbewegung auf das weiß gestrichene Gebäude. Es bestach durch einen wuchtigen sechseckigen Turm mit spitzem Schindeldach, der einen majestätischen Eindruck erzeugte.

Das Besondere an dem Turm waren die Fenster – sechs Stück, rundum, in jeweils einer der Wandflächen.

»Da oben wohne ich«, erklärte die Tochter des Reverends mit unüberhörbarem Stolz.

»Eine Wohnung im Kirchturm«, sagte Lassiter überrascht. »So etwas hat nicht jeder.«

Georgina nickte. »Dabei ist es gar keine Kirche mehr. Es sollte eine werden, aber daraus ist nichts geworden. Als Dad den Bau in Auftrag gab, hatte er noch vor, hier den Sitz seiner Baptistengemeinde zu errichten.«

»Du sprichst, als ob du nicht dazugehörst.«

»Nur auf dem Papier. Ich bin nur eine Mitläuferin, wenn du so willst.« Georgina grinste schief. »Zwangsmitgliedschaft durch Geburt. Du verstehst, was ich meine?«

»Mhm. Und trotzdem …«

»Du meinst, warum ich trotzdem darin wohne?« Georgina deutete mit einer wegwerfenden Handbewegung auf das leuchtend weiße Gebäude. Sie fuhr fort, ohne eine Entgegnung Lassiters abzuwarten. »Einem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul, stimmt’s?«

»Die Kirche gehört dir?«

»Ja.« Die Tochter des Reverends nickte ernsthaft. »Aber ich nenne sie nicht mehr Kirche. Einfach nur Haus. Dad hat es mir zum achtzehnten Geburtstag geschenkt. Das war vor einem halben Jahr.«

»Würde er das heute auch noch tun?«

Georgina grinste wieder. »Bestimmt nicht. Vor einem halben Jahr sah unsere idyllische kleine Welt noch anders aus.« Sie lachte über ihren eigenen Sarkasmus. »Es gab hier eine kleine Gemeinde von Amischen, die auf der Suche nach dem Gelobten Land waren und sich wohl nach Cimarron verirrt hatten. Dann aber stellten sie fest, dass sie in einen wahren Sündenpfuhl geraten waren. Also beschlossen sie, nach Pennsylvania zurückzukehren – wo sie herkamen.«

»Alles deutschstämmige Leute, nehme ich an.«

»Richtig. Und die besten Handwerker der Welt. Bevor sie ihren Fehler einsahen, hatten sie sich gerade eine schöne neue Kirche gebaut. Viel schöner als dieser zusammengezimmerte Kasten hier.«

»Lass mich raten. Dein Vater hat ihnen ihren Neubau abgekauft, die Amischen waren froh darüber, und er hatte ein Meisterwerk deutscher Handwerkskunst erworben. Außerdem blieb gleichzeitig ein Geburtstagsgeschenk für seine Tochter übrig.«

»Komm«, sagte Georgina kurzentschlossen und ergriff die Hand des großen Mannes. »Ich zeige dir die Bude. Im Erdgeschoss sind wir mit den Umbauten noch nicht so weit wie mit meiner Wohnung.«