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Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2338, 2339 und 2340.
Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!
2338: Dorothys Rache
Der Kutscher riss hart die Zügel zurück, als er die Hügelkuppe passierte und die vermummten Reiter sah, die vor ihm den Weg versperrten. Angesichts der großkalibrigen Feuerwaffen verspürte Roddy Mellow keine große Lust, den Helden zu spielen.
"Runter vom Bock und keine Dummheiten, alter Mann", zischte der schlanke Bursche, der sein Pferd neben ihn lenkte und dabei eine Parker Gun mit abgesägtem Doppellauf auf ihn richtete. Roddy beeilte sich, dem Befehl Folge zu leisten. Wortlos sprang er von der Kutsche und legte seine Hände in den Nacken, bevor er auf die Knie sank. Hinter ihm erhob die junge Frau in der Kabine ihre Stimme: "Lasst ihn in Ruhe, bitte!"
Er grinste schief, doch im nächsten Moment traf ein brutaler Hieb seinen Hinterkopf und ließ ihn bewusstlos in den Staub der Straße stürzen.
2339: Höllentanz für Lassiter
Es war später Nachmittag und die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel. Lassiter brauchte Abkühlung. Er ließ sich eine Zinnwanne aufs Zimmer bringen. Die Hoteldiener schleppten das Wasser eimerweise ins obere Stockwerk und zum Schluss Badetücher, Lavendelseife und eine Wurzelbürste mit langem Stiel. In der kleinen Stube wurde es schnell dunstig.
Lassiter zog sich aus und setzte sich in die Wanne. Er fing an, sich einzuseifen. Da klopfte es an die Tür und Maria Mendez kam herein. Als die junge Frau ihn in der Wanne sah, trat sie unsicher von einem Fuß auf den anderen. "Oh, ich sollte später wiederkommen", sagte sie mit spanischem Akzent.
Lassiter schüttelte den Kopf. "Nein, du kommst genau richtig", erklärte er. "Nimm die Bürste und schrubb mir den Rücken!"
2340: Der Boss war eine Lady
Die Mittagshitze lag wie eine alles erstickende Glocke über Grapevine. Kaum jemand war auf den staubigen Straßen des Örtchens zu sehen. Jene, die ihrer Arbeit nachgingen, sehnten sich der Kühle des Abends entgegen; alle anderen hatten ihre Häuser aufgesucht und die Vorhänge zugezogen.
Dem Mann, der gemächlich über den Boardwalk der Bank entgegenging, konnte es nur recht sein. Flüchtig blickte er über seine Schulter und gab den acht Reitern am Ortseingang mit einer unauffälligen Geste zu verstehen, ihm zu folgen. Dann beschleunigte er seinen Schritt, zog sein Halstuch bis über die Nase und trat die Tür der Bank auf.
"Das ist ein Überfall!", rief er in den Schalterraum und riss seinen Colt aus dem Holster. "Wer sich bewegt, frisst Blei!"
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Seitenzahl: 414
Veröffentlichungsjahr: 2020
Jack Slade
Lassiter Sammelband 1819 - Western
Cover
Impressum
Dorothys Rache
Vorschau
Dorothys Rache
Der Kutscher riss hart die Zügel zurück, als er die Hügelkuppe passierte und die vermummten Reiter sah, die vor ihm den Weg versperrten. Angesichts der großkalibrigen Feuerwaffen verspürte Roddy Mellow keine große Lust, den Helden zu spielen.
»Runter vom Bock und keine Dummheiten, alter Mann«, zischte der schlanke Bursche, der sein Pferd neben ihn lenkte und dabei eine Parker Gun mit abgesägtem Doppellauf auf ihn richtete. Roddy beeilte sich, dem Befehl Folge zu leisten. Wortlos sprang er von der Kutsche und legte seine Hände in den Nacken, bevor er auf die Knie sank. Hinter ihm erhob die junge Frau in der Kabine ihre Stimme: »Lasst ihn in Ruhe, bitte!«
Er grinste schief, doch im nächsten Moment traf ein brutaler Hieb seinen Hinterkopf und ließ ihn bewusstlos in den Staub der Straße stürzen.
Der Weg der Postkutsche war eigentlich nur kurz gewesen. Von Rabbits Creek zwanzig Meilen gen Norden bis zur Bahnstation in Hillary Falls. Eine Distanz, die Douglas Trumbull oft an einem einzigen Vormittag auf dem Pferd zurücklegte, wenn er die Rinderherden auf dem weitläufigen Areal inspizierte, das er sein eigen nannte. Deshalb hatte er geglaubt, sich eine Eskorte sparen zu können.
Eine fatale Fehleinschätzung, wie sich nun herausgestellt hatte.
Insgesamt verfügte er über knapp vier Dutzend Männer, die sich darum kümmerten, dass die Zäune hielten, das Vieh versorgt wurde und man Wölfe und Coyoten von seinen Herden fernhielt. Manche nannten sich Cowboys, die Burschen vom anderen Ufer des Rio Grande Charros, was dasselbe bedeutete.
Sie waren Tagelöhner, die er dafür bezahlte, dass es den viertausend Tieren auf seinen Weiden gut ging. Und in seinen Augen waren sie nicht viel intelligenter als die Rinder, für die sie zu sorgen hatten.
Deshalb ignorierte er das vielstimmige Lamento aus Englisch und Spanisch um sich herum und lenkte sein Pferd ohne Rücksicht auf die umstehenden Männer durch das kniehohe Weidengras. Sie mussten ihm ausweichen, wenn sie nicht durch die Hufe des Hengstes verletzt werden wollten.
Als er die Böschung erreichte, hinter der die Poststraße nach Norden verlief, schaute Roddy Mellow ihm mit betretener Miene entgegen. Der Kutscher hockte auf dem Tritt seines Fuhrwerks unter der Tür zur Kabine und rieb sich den Hinterkopf.
»Was in Gottes Namen ist passiert, Mellow?«, brummte er, obwohl ihm die Antwort in groben Zügen bereits bekannt war. Sein Vormann Lefty Haines hatte ihn vor einer halben Stunde im Haupthaus beim Abendessen angetroffen und die Hiobsbotschaft überbracht.
»Sie waren zu Dritt und sind wie aus dem Nichts aufgetaucht, Sir«, antwortete Mellow. »Ehe ich mich versah, haben die Banditen mir ihre Schießeisen unter die Nase gehalten. Ich konnte nichts machen.« Der Kutscher rang deprimiert die Hände.
Trumbull sah sich um; seine Blicke wanderten über die Weiden, die bis zum Horizont zu seinem Land gehörten. Außer dem Abendwind, der das Gras zum Rauschen brachte, und ein paar grasenden Rindern auf der Anhöhe wirkte die Landschaft so friedlich und beschaulich, als hätte der Überfall nie stattgefunden.
»Wo ist meine Tochter?«, fragte er und starrte Mellow aus zusammengekniffenen Augen an. Der Klang seiner Stimme war so ruhig wie unheilvoll; der Stille gleich, die einem Gewitter vorausgeht.
»Sie haben sie wohl mitgenommen, Mr. Trumbull.« Mellow zuckte ratlos die Achseln. »Ich habe eins über den Schädel bekommen, und dann bin ich abgetreten. Ihre Leute haben mich auf der Straße gefunden, aber ich muss bestimmt eine halbe Stunde bewusstlos gewesen sein.«
Der Rinderbaron presste die fleischigen Lippen unter dem mächtigen stahlgrauen Schnauzbart zusammen. Das bedeutete, dass seit dem Überfall mindestens eine Stunde vergangen war. Die Outlaws hatten mehr als genug Zeit gehabt, zu entkommen und waren längst über alle Berge.
»Was ist mit dem Geld?«, knurrte er.
»Weg, natürlich. Sie haben alle drei Kisten mitgenommen.«
»Fünfzehntausend Dollar, Mellow.« Die tiefblauen Augen von Trumbull funkelten. »Dafür werden Sie mir geradestehen!«
Der Kutscher schüttelte empört den Kopf. »Hätte ich mich vielleicht über den Haufen schießen lassen sollen, Mr. Trumbull?«, fragte er und starrte sein Gegenüber herausfordernd an. »Dann läge ich jetzt als Leiche neben meiner Kutsche, und Ihre Kohle wäre trotzdem nicht mehr da.«
Trumbull ignorierte den Einwand und streckte seine rechte Hand mit erhobenem Zeigefinger vor, als wolle er Mellow damit ein Auge ausstechen. »Sie fahren mit Ihrer Kutsche zurück nach Rabbits Creek und machen eine Aussage bei Sheriff Vain. Denken Sie auf dem Weg noch einmal genau über alles nach – jedes Detail könnte wichtig sein.«
»Also, eigentlich erwartet man mich in Hillary Falls, Sir. Ich habe bereits eine Stunde Verspätung, und meine Route geht noch weiter nach Norden, wie Sie wissen …«
Trumbulls eisiger Blick brachte ihn zum Schweigen, und der Kutscher hob ergeben die Hände. »Okay, okay. Geht schon in Ordnung«, brummte er und erhob sich schwerfällig.
Hinter Trumbull ertönten dumpfe Hufgeräusche, und er drehte sich im Sattel um. Lefty Haines lenkte sein Pferd die Böschung hinauf, bevor er es neben seinem Arbeitgeber zügelte.
»Miss Natalie ist tatsächlich verschwunden, nicht wahr?« Der breitschultrige Rothaarige schob den Hut in den Nacken und stützte seine behandschuhten Hände auf dem Sattelholm ab. Erwartungsvoll starrte er Trumbull an. »Ich könnte sofort einen Suchtrupp zusammenstellen, Sir.«
Er warf einen kurzen Blick nach Westen. »Wir haben noch gut und gern zwei Stunden Zeit, bevor die Sonne untergeht.«
Der Rancher schien einen Moment darüber nachzudenken, bevor er schließlich den Kopf schüttelte. »Nein, Lefty. Ich glaube nicht, dass das jetzt noch Sinn macht. Aber begleite Mellow zum Sheriff in die Stadt. Hör dir noch einmal an, was der Kerl zu sagen hat und richte Preston Vain aus, dass ich ihn anschließend bei mir auf der Ranch erwarte.«
»Geht klar, Sir.«
Trumbull sah Kutsche und Reiter mit düsterer Miene nach, wie sie über die Anhöhe verschwanden und kurz darauf eine Viertelmeile weiter südlich wieder auftauchten, als die Piste eine Linkskurve beschrieb und zwischen dichten Eschen hindurch in Richtung Rabbits Creek führte.
Er dachte an Natalie, seine rebellische Tochter, die in drei Wochen ihren zwanzigsten Geburtstag feiern würde. Und er hoffte, dass sie dazu noch die Gelegenheit erhielt.
***
»So weit, so gut, Lassiter.«
Timothy Jackson klappte die Akte zu und griff nach der Whiskeyflasche, die neben ihm auf dem Schreibtisch stand. Er goss zwei Gläser fingerbreit voll und schob seinem Gegenüber eines davon zu. Ein kurzes Nicken wurde von einem teilnahmsvollen Blick begleitet. »Was macht die Schulter?«
Lassiter zuckte die Achseln. »Geht schon wieder. Zwei Narben mehr. Berufsrisiko.«
Jackson grinste schief und hob sein Glas. Lassiter folgte seinem Beispiel, und sie prosteten sich zu, bevor sie ihre Drinks leerten.
Lassiter hob anerkennend die Augenbrauen. »Ein guter Tropfen, Tim.«
Der Notar lachte leise. »Ein echter Scotsman, fünfzehn Jahre alt. Mein Cousin importiert das Zeug direkt aus England, sonst könnte ich mir so etwas gar nicht leisten.«
»Also dann. Auf bald.« Lassiter wollte sich gerade erheben, als Jackson die Hand hob und ihn mitten in der Bewegung innehalten ließ.
»Also, um ehrlich zu sein, habe ich vor einer Stunde etwas hereinbekommen«, begann der Notar zögerlich, und Lassiter runzelte die Stirn. »Ich weiß natürlich, dass Ihnen eigentlich zwei Wochen Urlaub zustehen, aber …«
Mit einem unterdrückten Seufzer ließ sich Lassiter in die Polster des Sessels zurückfallen. »Worum geht’s denn, Tim?«
Jackson lächelte verbindlich. »Weil Sie gerade in der Gegend sind, hat die Brigade Sieben mich gebeten, Sie zu fragen, ob Sie den Job übernehmen können.«
»Schießen Sie los.«
»Okay.« Der Notar nickte dankbar und griff nach einer dünnen Aktenmappe neben sich, die er aufklappte und einen Moment lang studierte, bevor er fortfuhr. »Es geht um Natalie Trumbull. Sie ist die Tochter …«
»… von Douglas Trumbull«, vollendete Lassiter den Satz, und Jackson schaute überrascht auf.
»Sie kennen ihn?«
»Ich habe von ihm gehört«, brummte Lassiter. »Ein Viehbaron der alten Schule. Hat unten im Süden etwa achthundert Morgen bestes Weideland und ein paar tausend Rinder. Man hört, dass mit seinem Geld gerade die Bahnlinie in Richtung New Mexiko weitergebaut wird.«
Jackson nickte beflissen. »Sie sind gut informiert. Mr. Trumbull ist hier in Arizona ein sehr wichtiger Mann, und möglicherweise wird er im kommenden Jahr sogar für das Gouverneursamt kandidieren.«
»Donnerwetter«, knurrte Lassiter, ohne dabei sonderlich beeindruckt zu wirken. Er musterte sein Gegenüber, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
Jackson blinzelte und schien etwas irritiert zu sein, bevor er seinen Blick wieder auf die Papiere vor sich sinken ließ.
»Seine Tochter … Natalie. Nun, sie ist vor knapp drei Wochen entführt worden. Sie saß in einer Postkutsche, die auch eine größere Summe an Dollars transportierte.«
»Das Geld gehörte Trumbull?«
»Richtig. Es sollte in die nächstgelegene Stadt gebracht werden, und von dort aus mit dem Zug zur South Western Bank hier in Tucson.«
»Wusste jemand von dem Geld in der Kutsche?«
Jackson hob den Blick. »Eine gute Frage. Meines Wissens nicht. Mr. Trumbull hatte den Transport bewusst kurzfristig angesetzt und sicherlich großen Wert auf Diskretion gelegt.«
Lassiter nickte nachdenklich. »Waren außer Miss Trumbull noch andere Passagiere in der Kutsche?«
»Nein.« Der Notar schüttelte den Kopf. »Mr. Trumbull hatte die Kutsche exklusiv gebucht. Seine Tochter war nur deshalb mit dabei, weil sie am Abend mit dem Zug weiterreisen sollte in die Klosterschule der Sisters of Mercy.«
Lassiters Mundwinkel hoben sich zu der Andeutung eines Lächelns. Das Mädchenpensionat in den Bergen westlich von Tucson hatte einen Ruf als Herberge für renitente junge Mädchen mit reichen Eltern, in denen man den höheren Töchtern auf strengste Art Zucht und Ordnung beibrachte.
»Was hat Miss Trumbull denn so Schlimmes angestellt, damit ihr Vater Sie in dieses Gefängnis werfen lassen wollte?«, fragte er.
Jackson zuckte die Achseln. »Das fragen Sie Mr. Trumbull am besten selbst, Lassiter.« Er hob den Blick und musterte den Mann der Brigade Sieben forschend. »Werden Sie sich darum kümmern?«
Lassiter erhob sich und streckte die Hand aus. Jackson reichte ihm die Akte.
»Werde ich bereits erwartet?«, fragte Lassiter, während er die Papiere einrollte und in der Innentasche seiner Jacke verschwinden ließ.
»Ich schicke meinen Sekretär zum Telegrafenbüro, damit man Mr. Trumbull in Kenntnis setzt«, entgegnete Jackson und schüttelte Lassiter zum Abschied die Hand. »Benötigen Sie noch Bargeld für die Reisekosten?«
Lassiter winkte ab. »Ich bin gut versorgt, Tim. Sie könnten ein Billett am Bahnhof für mich hinterlegen lassen, dann breche ich noch heute Abend auf.«
»Selbstverständlich.« Jackson begleitete ihn zur Tür und klopfte Lassiter zum Abschied freundschaftlich auf die Schulter. »Viel Glück. Ich hoffe, Sie finden die Kleine.«
Lassiter nickte und dachte bei sich: Wenn sie denn gefunden werden will …
***
Die Laternen auf der Mainstreet wurden entzündet, als die Sonne hinter den Gipfeln der Tucson Mountains unterging, und Lassiter schlenderte über die Straße zu seinem Hotel hinüber. Ihm blieb noch etwa eine Stunde, um den letzten Zug nach Südwesten zu erreichen.
Als er die Tür zu seinem Zimmer öffnete, rührte sich etwas unter der Decke des breiten Bettes, und kurz darauf tauchte ein rundliches, von rotblonden Locken umrahmtes Gesicht hinter dem Stoff hervor.
»Lassiter?« Das junge Mädchen blinzelte und gähnte herzhaft. »Ich muss wohl eingeschlafen sein.«
Sie richtete sich träge auf und fuhr sich durch die wirr abstehende Lockenpracht. Dabei glitt die Decke hinab und enthüllte ihren wohlgeformten Busen. Lassiters Augen blieben für einen Moment daran hängen, bevor er an ihr vorbeiging und ein paar Sachen vom Stuhl nahm, um sie in seiner Reisetasche zu verstauen.
»Meine Güte, die Sonne geht bereits unter«, murmelte sie, als sie aus dem Fenster schaute. Dann wandte sie sich zu ihm um.
»Willst du etwa schon abreisen? Du hast doch gesagt, du bleibst noch ein paar Tage.«
»Sorry, Mary-Jo. Aber ich musste meine Pläne leider ändern«, brummte er und langte nach seiner Satteltasche, die über der Stuhllehne hing. Er zog das Dossier aus der Jacke und steckte es in eines der Innenfächer der Tasche.
Mary-Jo schürzte schmollend die vollen Lippen. »Du hast mir versprochen, dass wir uns morgen das Rodeo ansehen«, sagte sie enttäuscht und kroch über das Bett nach vorn, um sich auf die Bettkante zu setzen. Sie verschränkte die Arme unter den spitzen Brüsten und sah ihm stirnrunzelnd beim Packen zu.
»Ich weiß, Honey«, entgegnete er und warf ihr einen bedauernden Blick zu. »Aber das werden wir auf ein anderes Mal verschieben müssen.«
Sie hielt seinen Blick gefangen, als sie splitternackt vor ihm saß und nun wie unabsichtlich langsam ihre Schenkel öffnete. Das dunkle Dreieck unterhalb ihres Bauchnabels übte eine magische Anziehungskraft auf ihn aus. »Du willst einfach so mir nichts, dir nichts abhauen?«, fragte sie. »Das ist nicht gerade Gentleman-like, Großer. Du könntest dich wenigstens so lieb von mir verabschieden, wie wir uns kennengelernt haben.«
Ihre dunkelgrünen Augen funkelten verführerisch, als sie ihm mit leicht gesenktem Kopf hoffnungsvoll zulächelte. »Ich möchte dich wenigstens in schöner Erinnerung behalten, oder ist das zu viel verlangt?«
Lassiter legte die Satteltasche beiseite und wandte sich ihr zu. Er spürte, wie das Verlangen unweigerlich von ihm Besitz ergriff, und unterdrückte ein Seufzen. »Mein Zug geht in einer knappen Stunde, Honey.«
Mary-Jo lachte leise. »Dann haben wir doch wohl noch etwas Zeit.«
Als er sich ihr näherte, strich sie zärtlich über seine Körpermitte und sah, wie sich der grobe Stoff der Hose unter ihrer Hand fast augenblicklich spannte.
»Siehst du? Ihn habe ich schon überzeugt.«
Mit geübten Fingern öffnete sie die Knöpfe der Jeans und zog sie ihm über die Hüften herunter. Kerzengerade sprang ihr sein Geschlecht entgegen, und sie umfasste beherzt mit beiden Händen seinen Hintern, um ihn an sich zu ziehen.
Lassiter schloss die Augen und streichelte ihren Kopf, während Mary-Jo sich mit Hingabe der Aufgabe widmete, seine Erregung in die Höhe zu treiben. Das Blut in seinen Adern schien nun wie ein Gebirgsbach zur Schneeschmelze durch seine Adern zu rasen, und irgendwann schob er sie sanft zurück, um gleich darauf auf ihr zu liegen zu kommen und langsam, aber tief in sie einzudringen.
Mary-Jo stöhnte auf vor Lust, als sie seine Härte in sich spürte. »Ja, Großer. Mach es mir so, als wäre es das letzte Mal!«
Er bedeckte ihre festen runden Brüste mit Küssen, während er ihrem Wunsch Folge leistete und seine Bewegungen zusehends schneller und leidenschaftlicher wurden. Sie verkrallte ihre kleinen Hände in seine Pobacken, als wolle sie sie nie wieder loslassen.
Das Bettgestell unter ihnen wackelte und quietschte, während Mary-Jos spitze Schreie der Ekstase lauter wurden. Ein Hauch von Verzweiflung schien darin mitzuklingen, denn sie wusste, dass dieser Mann, der ihr Wonnen bescherte wie kein Zweiter, nun bald nur noch eine Erinnerung sein würde.
Als der Höhepunkt fast gleichzeitig über sie hinweg brandete, umarmte die junge Frau Lassiter mit einer Heftigkeit, die an ein verzweifeltes Kind erinnerte.
Und so war es auch nicht verwunderlich, dass sie Tränen in den Augen hatte, als Lassiter sich wenig später von ihr löste. Sie wischte sich mit der Decke über das Gesicht und unterdrückte ein Schluchzen, als er sich den Revolvergurt umschnallte und dabei ihren Blicken auswich.
»Lass … iter«, brachte sie stockend hervor. »Werden wir uns … denn mal wiedersehen?«
Sein schmales Lächeln trug einen Hauch von Wehmut in sich, die Mary-Jo nicht verstand. Er warf sich seine Satteltasche über die Schulter, nahm die Reisetasche in die linke und das Gewehr in die rechte Hand.
»Wer weiß, Mary-Jo?«, antwortete er. »Aber glaub mir – du wirst mich schon bald vergessen haben.«
Sie schüttelte heftig den Kopf. »Niemals!«, behauptete sie entschieden, und dann traten ihr wieder die Tränen in die Augen.
»Niemals«, wiederholte sie leise, als sich die Tür hinter dem großen Mann schon lange geschlossen hatte.
***
Hinter den Fenstern des Zimmers im ersten Stock senkte sich der orangerote Feuerball dem Horizont entgegen und tauchte das Gras der Weiden in ein Licht, das den Anschein erweckte, als würden die Hügel in Flammen stehen.
Vor seinen Augen vermischte sich dieser Eindruck mit den kleinen Flammen, die auf den Kerzen der Torte brannten, die vor ihm auf dem Tisch stand.
Douglas Trumbull starrte eine Weile zum Fenster hinaus, bevor er sich hinunterbeugte, tief einatmete und dann alle Kerzen auf der Torte mit einem Mal ausblies.
»Happy Birthday, Natalie«, murmelte er. »Wo immer du auch sein magst.«
Er ließ sich schwer auf den schmalen Stuhl vor dem Tischchen fallen, und sein Blick wanderte über die Utensilien eines jungen Mädchens, das bis vor kurzem in diesem Raum zuhause gewesen war.
Eine kleine Gruppe an Duftwässerchen in schmalen Flakons, zwei Lippenstifte, die in graues Papier eingewickelt waren, ein Silberkästchen, in dem sich der Schmuck seiner Tochter befand, zwei zerlesene Ausgaben eines Modemagazins, deren Zustand darauf hinwies, wie oft Natalie darin geblättert hatte. Die alte Fibel mit getrockneten Blumen, unter denen in ungelenker Kinderschrift die Namen der Pflanzen standen, die seine Tochter vor Jahren in der Umgebung gesammelt und akribisch klassifiziert hatte.
Ein Handspiegel mit ziseliertem Silberrahmen und einem Griff, der zwei ineinander verschlungene Schlangen in filigraner Form darstellte. Ein Erbstück seiner Mutter, das Natalie immer wie einen Schatz gehütet hatte.
Trumbull schloss die Augen und lehnte sich zurück. Der schmale Stuhl knirschte leise unter dem Gewicht des mächtigen Mannes, und es klang wie eine Anklage.
Ein leises Klopfen an der Tür ließ ihn müde den Kopf wenden.
»Was ist denn?«, brummte er unwillig.
»Entschuldigen Sie, Sir«, ließ sich die gedämpfte Stimme seiner Haushälterin Gerda Hunter hinter der Tür vernehmen. »Der Sheriff erwartet Sie unten im Salon. Ich habe ihm gesagt, dass es heute nicht passend wäre, aber er ließ sich nicht …«
»Schon gut, Gerda«, unterbrach Trumbull sie. »Er soll warten. Ich komme in ein paar Minuten.«
»Sehr wohl, Sir.« Leise verhallten die Schritte auf dem Korridor, und Trumbull rieb sich über die Stirn, bevor er schwerfällig aufstand.
Im Halbdunkel wirkte das Zimmer plötzlich so klein wie eine Gefängniszelle, und er hatte das Gefühl, als würde der Raum ihm nicht mehr genug Luft zum Atmen bieten. Seine Augen verengten sich, als sein Blick auf das Hochzeitsfoto fiel, das über dem Bett seiner Tochter an der gegenüberliegenden Wand hing.
Er trat einen Schritt darauf zu und starrte auf den Bilderrahmen wie auf eine Anklageschrift.
Douglas und Dorothy Trumbull. Vereint mit dem Segen des Herrn, anno 1864.
Der Fotograf hatte das Bild mit kunstvoller Schrift untertitelt, und Trumbull hatte drei Abzüge davon geordert. Die anderen beiden Exemplare waren schon vor Monaten aus seinem Haus verschwunden.
Der Rinderbaron starrte das Bild fast eine geschlagene Minute lang an, während sein Atem dabei stetig schneller ging.
Unvermittelt hob er die Faust und ein leises Klirren erklang, als das dünne Glas unter dem Hieb zersplitterte und das Bild vor seinen Augen zerbrach. Der Rahmen fiel von der Wand und landete hinter dem Bett auf den Bodendielen.
»Dorothy«, murmelte er, während Blut auf die weiße Bettdecke unter ihm tropfte. »Du bist an allem schuld. Ich hätte dich töten sollen!«
Der Schmerz an den Knöcheln seiner Hand brachte ihn nur langsam wieder in die Wirklichkeit zurück, und als er die Verletzung bemerkte, die sein Wutausbruch hinterlassen hatte, unterdrückte er einen Fluch. Rasch griff er nach einem Taschentuch, das neben ihm auf dem Nachttisch lag, und verzog das Gesicht, während er die Schnittwunde umwickelte.
Als er kurz darauf in den Korridor trat, hatte er für eine Sekunde lang den Eindruck, als würden hinter ihm wispernde Stimmen vorwurfsvoll in seinen Nacken flüstern. Er schauderte und schlug die Tür hinter sich zu.
Heftig atmend starrte er das dunkle Holz der Türfüllung an, als würde er in einen Spiegel blicken, bevor er sich umwandte und mit unsicheren Schritten über den dicken Teppich zur Treppe ging.
Sheriff Preston Vain saß mit einem Whiskey in der Hand an dem niedrigen Tisch vor dem Kamin und erhob sich, als Trumbull die Stufen hinunterstieg und den Raum betrat, der gleichermaßen als Esszimmer und Salon diente und von seinen Ausmaßen her eher ein Saal war.
»Mr. Trumbull …«, begann der Sternträger, doch die unwirsche Geste des Rinderbarons brachte ihn ins Stocken.
»Es ist Natalies Geburtstag, Vain«, knurrte Trumbull. »Und Sie wagen es, sich ausgerechnet an diesem Tag hier blicken zu lassen?«
»Es tut mir leid, Sir«, entgegnete der Sheriff und senkte schuldbewusst den Blick. »Ich weiß, wie Sie sich jetzt fühlen müssen.«
»Das wissen Sie nicht«, murmelte Trumbull, während er an die Bar trat und sich ein Glas Whiskey einschenkte. Nach kurzem Zögern griff er mit der unverletzten linken Hand in den Kristallkübel und klaubte zwei Eiswürfel hervor, die er seinem Drink hinzufügte. »Ich hoffe, Sie haben einen triftigen Grund, mich aufzusuchen.«
Vain nickte. »Ich habe ein Telegramm aus Tucson erhalten. Sie wissen schon – die Hilfe aus Washington, um die Sie ersucht haben.«
Er zog einen schmalen Papierstreifen aus seiner Jackentasche und reichte ihn Trumbull, der mit dem Glas in der Hand vor den Kamin getreten war.
Der Viehbaron nahm das Papier entgegen und musterte den Sheriff noch sekundenlang mit unwilligem Blick, bevor er sich dem Telegramm zuwandte.
»Lassiter!« Er spuckte den Namen aus wie etwas Übelriechendes, das versehentlich in seinen Mund geraten war. »Der Mann hat noch nicht einmal einen Vornamen.«
»Vielleicht ist das sein Vorname«, gab Vain vorsichtig zu bedenken.
»Bringen Sie den Burschen morgen zu mir auf die Ranch, sobald er bei Ihnen auftaucht«, entgegnete Trumbull. »Und jetzt machen Sie, dass Sie hier herauskommen.«
***
Lassiter schaute auf, als der Zug mit kreischenden Bremsen zum Stehen kam. Er schob das Dossier der Brigade Sieben zurück in die Satteltasche und erhob sich.
Die Informationen, die Timothy Jackson ihm übergeben hatte, waren dürftig. Es gab keine Beschreibung der Banditen, die den Überfall verübt hatten – nichts außer der Angabe, dass sie zu dritt gewesen waren. Und der Umstand, dass Trumbull bis dato keine Lösegeldforderung erhalten hatte, war auch nicht gerade geeignet, Hoffnungen hinsichtlich des Schicksals der jungen Miss Trumbull zu wecken.
In den vergangenen drei Wochen war es Preston Vain, dem Sheriff von Rabbits Creek, nicht gelungen, auch nur die geringste Spur von ihr zu finden. Sowohl die Outlaws als auch die Entführte schienen wie vom Erdboden verschluckt worden zu sein.
Lassiter wich einem dunkelhäutigen, schwer beladenen Gepäckträger aus, dem ein mürrisch dreinblickendes Ehepaar in teuer aussehender Garderobe folgte. Zwei mexikanische Landarbeiter stiegen vor ihm aus dem Zug und unterhielten sich aufgeregt auf Spanisch miteinander. Im Schatten des Bahnhofsvordaches stand ein hagerer Mann in dunkler Uniform und mit einer Schirmmütze auf dem Kopf, der eine Signalkelle in der Hand hielt.
»Wo finde ich die Postkutschenstation, Sir?«, erkundigte sich Lassiter.
Der Bahnhofsvorsteher deutete mit dem Daumen hinter sich. »Gleich draußen vor dem Eingang. Wo wollen Sie hin?«
»Rabbits Creek.«
Der Mann nickte. »Wenn Sie sich beeilen, müssten Sie die Kutsche noch erwischen. Sie fährt in fünf Minuten ab.«
Lassiter durchquerte mit raschen Schritten die kleine Bahnhofshalle, in der es angenehm kühl war. Neben dem Fahrkartenschalter befand sich ein Laden, in dem Sandwiches und Kaffee angeboten wurden. Ihm knurrte der Magen, doch er wollte nicht unnötig Zeit verschwenden.
Die Kutsche wartete direkt vor dem Ausgang zur Mainstreet am Straßenrand. Ein älterer Mann mit Backenbart brütete auf dem Bock in der Morgensonne vor sich hin und sog an einer gebogenen Pfeife.
»Nach Rabbits Creek?«, fragte er Lassiter, als der vor ihm auftauchte und seine Reisetasche abstellte.
»So ist es«, antwortete Lassiter, und als er den Kutscher musterte, kam ihm eine Idee. Er hatte den Namen des Mannes, der die Postkutsche bei dem Überfall gesteuert hatte, in der Akte gelesen.
»Sind Sie Rodney Mellow?«
Die Augen des Mannes auf dem Bock verengten sich argwöhnisch. »Wer will das wissen?«, fragte er.
Lassiter setzte eine verbindliche Miene auf und beschloss zu improvisieren: »Mein Name ist Lassiter. Ich komme im Auftrag des Bundesmarshals aus Tucson und soll Sheriff Vain in Rabbits Creek bei der Aufklärung des Überfalls vor drei Wochen unterstützen.«
Mellows Miene entspannte sich ein wenig. »Ach so. Nun ja, Vain könnte wohl tatsächlich ein wenig Hilfe gebrauchen.« Er grinste humorlos. »Aber das wenige, was ich zu den Galgenvögeln sagen konnte, habe ich ihm bereits mitgeteilt.«
Lassiter hob die Mundwinkel zu einem schmalen Lächeln. »Da bin ich mir sicher, Sir. Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich es gern noch einmal selbst von Ihnen hören. Ist Ihnen irgendetwas an den drei Männern aufgefallen, die Sie überfallen haben?«
Der Kutscher sog an seiner Pfeife und blinzelte listig. »Glauben Sie etwa, Vain würde Ihnen etwas vorenthalten, weil Sie sich in seine Ermittlungen einmischen?«
Lassiter bewegte vage den Kopf hin und her und zuckte die Achseln.
Mellow lachte. »Könnte schon sein. Preston steht ziemlich unter Druck, weil er bisher nichts herausgefunden hat. Schätze, der alte Trumbull macht ihm ordentlich die Hölle heiß. Wird ihm gar nicht schmecken, wenn jetzt jemand aus Tucson hier runter kommt und ihm zeigen will, wie er seinen Job zu machen hat.«
»Ich will nur helfen«, entgegnete Lassiter. »Und ich denke, dass Mr. Vain dagegen nicht wirklich etwas einwenden kann.«
Mellows Miene war schwer zu deuten. »Also, sie waren maskiert, und geredet hat nur einer von ihnen. Ein junger Bursche, höchstens Mitte zwanzig, schätze ich. Der Bastard hat mir dann ja auch gleich eins übergezogen. Das Ganze ging so schnell, dass ich kaum eine Chance hatte, mir die Banditen genauer anzusehen. Aber eine Sache gibt es, die Ihnen vielleicht weiterhelfen könnte.«
»Und die wäre?«
Der Kutscher sah sich um. »Wenig los heute«, brummte er. »Schätze, Sie sind mal wieder der einzige Passagier. Es ist wirklich ein lausiger Job, Mr. Lassiter. Reicht vorne und hinten nicht, mein Lohn.«
Lassiter grinste. Er griff in seine Jackentasche, und zwei Dollarnoten wechselten den Besitzer.
»Also?«
»Nun ja«, entgegnete Mellow bedächtig und schob sich mit der Pfeife den Hut aus der Stirn. »Ich weiß nicht, ob ich dafür auf die Bibel schwören würde. Aber ich bin mir doch ziemlich sicher, dass einer der drei Kerle gar kein Kerl war. Sondern eine Frau.«
Lassiters Augenbrauen wanderten ein gutes Stück nach oben. Das war in der Tat interessant und hatte nicht in der Akte gestanden, obwohl sie eine Zusammenfassung des Verhörs mit Mellow enthielt.
»Wirklich? Wie kommen sie darauf?«
Mellow grinste breit. »Sie trug einen weiten Mantel und hielt sich im Hintergrund. Aber … Sie wissen schon.«
Er wölbte die Hände vor seiner Brust und rollte vielsagend mit den Augen. »Für so etwas habe ich einen Blick, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Lassiter nickte. »Verstehe …« Er musterte sein Gegenüber forschend. »Warum habe ich das Gefühl, dass Ihnen noch etwas auf dem Herzen liegt, Mr. Mellow?«
Der Kutscher blickte treuherzig zu ihm herunter. »Sehe ich wirklich so aus?«
Lassiter seufzte. Er zog zwei weitere Greenbucks aus seiner Tasche, doch als Mellow danach greifen wollte, nahm er die Hand zurück. »Sie zuerst.«
Der Kutscher verzog die Lippen. »An Ihrer Stelle würde ich Trumbull mal nach seiner Gattin fragen. Aber es könnte sein, dass er darauf schlecht zu sprechen ist.«
»Seine Ehefrau?«
»Ex-Frau würde besser passen.« Mellow lachte kehlig. »Er hat sie vom Hof gejagt, nachdem er sie mit einem seiner Cowboys im Heu erwischt hat. War damals das Gesprächsthema in Rabbits Creek. Vor allem, weil der Bursche die Geschichte nicht überlebt hat.«
»Was ist passiert?«
Der Kutscher hob die Hände. »Na, was wohl? Er hat dem Kerl das Licht ausgeblasen! Todd McFarlane hieß er, wenn ich mich richtig erinnere. War Trumbulls Vormann. Den Job hat er vielleicht etwas zu wörtlich genommen, ha ha ha!« Das dreckige Lachen ging in einen Hustenanfall über, und Mellow schüttelte sich.
»Und Trumbulls Frau? Was ist aus ihr geworden?«, fragte Lassiter.
Mellow zuckte die Achseln und räusperte sich. »Keine Ahnung. Trumbull hat sie übel verprügelt und ihr nicht mehr gelassen als das Kleid, das sie am Leibe trug.« Er griente. »Oder das sie sich nach dem Malheur noch schnell wieder übergezogen hat, wie auch immer. Ihr hübsches Gesicht war ziemlich verbeult und sie war barfuß, als sie damals in die Stadt kam. Ich weiß es noch wie heute, hatte gerade meine Tour beendet und mir einen Drink in Bucky’s Saloon genehmigt, da lief sie über die Mainstreet. Ein Bild des Jammers, sage ich Ihnen.«
»Also hat sie nicht in Ihrer Kutsche die Stadt verlassen?«
»No, Sir.« Der Kutscher schüttelte den Kopf. »Sie hatte ja auch kein Geld dabei – so, wie sie aussah –, um das Ticket zu bezahlen.« Er dachte einen Moment über seine Worte nach. »Obwohl ich sie wohl auch umsonst mitgenommen hätte. Dorothy Trumbull war eine fesche Frau, und immer freundlich zu jedem. Sie hat mir an dem Abend wirklich leidgetan.«
So, wie Mellow noch kurz zuvor seine Geschichte erzählt hatte, nahm Lassiter ihm diese menschliche Regung nicht wirklich ab, doch er enthielt sich eines Kommentars. »Und seitdem ist Mrs. Trumbull nicht mehr aufgetaucht?«
Der Kutscher wedelte mit der Hand, als würde er Saatgut auf einem Feld verteilen. »Niemand hat sie mehr gesehen. Vielleicht hat sie irgendwo Zuflucht bei Verwandten gefunden. Wer weiß?«
Lassiter reichte ihm die Banknoten, und Mellow ließ sie in seiner Westentasche verschwinden.
***
»Letzter Halt Rabbits Creek!«, brüllte Mellow über ihm, und Lassiter runzelte die Stirn. Er fragte sich, wem die lautstark übermittelte Information dienen sollte, da er der einzige Passagier war, der in der Kutsche saß.
Er griff nach seinem Gepäck auf der gegenüberliegenden Sitzbank und kletterte aus der engen Kabine der Postkutsche, bevor er sich unschlüssig umsah.
Die Mainstreet von Rabbits Creek wirkte so verwaist, als hätten sämtliche Einwohner beschlossen, sich angesichts der glühenden Mittagshitze in Luft aufzulösen.
»Gibt es hier ein Hotel, das Sie mir empfehlen können, Mr. Mellow?«, fragte Lassiter, während seine zu Schlitzen verengten Augen die menschenleere Straße in beide Richtungen absuchten.
»So etwas wie ein Hotel werden Sie in Rabbits Creek nicht finden«, ließ sich der Kutscher hinter ihm vernehmen. »Aber Audrey Taylor vermietet Zimmer. Drüben im Quicksilver Inn.«
Lassiter wandte sich um, und sein Blick folgte Mellows ausgestrecktem Finger. »Gleich gegenüber des Sheriff’s Office. Sehen sie den alten Brunnen?«
Lassiter nickte.
»Direkt dahinter.« Mellow schwang sich vom Kutschbock und landete mit einem leisen Ächzen vor ihm auf den Füßen. Die Männer sahen sich in die Augen.
»Ich hoffe, Sie finden die kleine Natalie, Lassiter«, brummte der Kutscher, und er kratzte sich den ungepflegten Backenbart. »Ich hätte Sie beschützen müssen, aber …«
»Schon gut, Mellow.« Lassiters Blick war entschlossen. »Ich werde Sie finden.«
Der Kutscher nickte, dann wandte er sich um und stieg die Stufen zum Sidewalk vor der Postkutschenstation hinauf.
»Jerry!«, hörte Lassiter ihn rufen, als Mellow das Büro betrat. »Wo steckst du schon wieder, du fauler Sack?«
Lassiter griff nach seiner Reisetasche und machte sich auf den Weg.
Er kam an einem Drugstore vorbei, gefolgt von einem Kolonialwarenladen und einem Barber Shop. Doch hinter allen Fenstern waren die Jalousien heruntergelassen. Das war nicht weiter verwunderlich, denn die mörderische Mittagshitze Arizonas bewog die meisten Menschen, zu dieser Tageszeit der Sonne zu entfliehen. Der Barbier hatte sich immerhin die Mühe gemacht, ein Schild mit der Aufschrift »Geschlossen bis vier Uhr« in seine Tür zu hängen.
Als er an dem gemauerten Brunnen vorbeikam, dessen verwitterte Steine die Farbe ausgeblichener Gebeine hatten, ertönte ein klagendes Geräusch, und er hob den Kopf. Doch es war nur ein verbeultes Windrad, das sich hinter den Häusern gegenüber träge in der Brise drehte.
Er trat auf den Sidewalk, und ein leises Knarren erklang unter seinen Stiefeln. Auf der anderen Seite der Straße erblickte er das Büro des Sheriffs, doch hinter den staubbedeckten Fenstern ließ sich kein Lebenszeichen ausmachen.
Stirnrunzelnd stieß er die Schwingtüren des Quicksilver Inn auf und trat in den Raum.
Die Frau hinter der Theke sah gelangweilt zu ihm auf. Sie hatte ihr langes schwarzes Haar im Nacken zu einem praktischen Knoten zusammengebunden und trug eine tief ausgeschnittene Bluse aus kaktusgrüner Baumwolle. Zwischen ihren breiten Schultern ruhte ein ausladender Busen.
Lassiter schätzte sie auf Mitte dreißig, vielleicht ein wenig älter, doch ihre ebenmäßigen, scharf geschnittenen Züge und das Feuer in ihren dunkelblauen Augen ließen sie jünger wirken.
Ein kurzer Blick durch den Raum überzeugte ihn davon, dass er der einzige Gast war.
»Schätze, Sie sind Lassiter«, murmelte die Frau und warf ihm ein winziges Lächeln zu.
»Und Sie können wohl Gedanken lesen«, entgegnete Lassiter. Er trat an den Tresen, ließ seine Reisetasche zu Boden fallen und lehnte die Winchester im Scabbard gegen einen der Barhocker.
Ihr Lächeln verbreiterte sich um eine Spur. »Nicht ganz.«
Sie deutete über seine Schulter in Richtung des Sheriff’s Office. »Sheriff Vain hat Sie angekündigt. Ich soll Ihnen ausrichten, dass er mit Ihnen reden möchte, sobald Sie hier eintreffen.«
Lassiter hob eine Augenbraue. »Okay, Miss Taylor …«
Sie schmunzelte. »Offenbar sind Sie hier der Gedankenleser.«
Er sah sich kurz nach hinten um, dann wandte er sich grinsend wieder ihr zu. »Der Kutscher hat mir Ihren Namen verraten, Ma’am. Aber da drüben scheint niemand zu sein, wenn ich mich nicht täusche.«
Sie zuckte die Achseln. »Preston ist vor zehn Minuten mit seinem Deputy runter zum Silver Canyon geritten. Er hat etwas von Viehdiebstahl in seinen Bart gemurmelt, aber ich denke, in einer Stunde kommt er zurück.«
»Woher wissen Sie das?« Lassiter blickte ihr forschend in die Augen, doch sein Grinsen verringerte sich dabei nicht.
Audrey Taylor hob die Hände. »Klang nach keiner großen Sache. Er wird die Kleinarbeit Duncan Sands überlassen, nehme ich an.«
»Verstehe.«
»Einen Drink?«
»Warum nicht? Einen doppelten Whiskey. Mit Eis, wenn Sie haben.«
»Na klar.«
Lassiters Blick folgte ihren geübten Bewegungen, während sie ihm das Glas füllte, doch seine Augen wanderten dabei unweigerlich immer wieder zu einem Bereich ihres Körpers, der oberhalb ihrer Hände lag.
Als sie ihm seinen Drink auf den Tresen stellte, kräuselten sich ihre Lippen amüsiert, doch sie tat so, als hätte sie die Aufmerksamkeit nicht bemerkt, die er ihrem Dekolletee gewidmet hatte.
»Haben Sie Hunger, Mister Lassiter?«, fragte sie.
Sie hob den Kopf, und ihre Blicke trafen sich sekundenlang über den Tresen hinweg.
»Einen Bärenhunger, Ma’am«, brummte er. »Die Reise war ziemlich anstrengend, und seit gestern Abend laufe ich auf dem Zahnfleisch, um ehrlich zu sein.«
Sie lachte leise.
»Man sagte mir, dass ich bei Ihnen auch ein Zimmer bekomme. Ist das richtig?«
Audrey Taylor nickte und deutete nach links. Lassiter wandte den Blick und registrierte die schmale Treppe, die zwischen dem Ende des Tresens und einem verstaubten mechanischen Klavier nach oben führte.
Als er sich der Frau wieder zuwandte, lag bereits ein Schlüssel vor ihm auf der zerkratzten Theke. »Zimmer vier, das ist gleich vorn das erste im Flur. Ich bringe Ihnen das Essen nach oben.«
***
Lassiter ließ sein Gepäck achtlos zu Boden fallen, zog sich die Lederjacke aus und hängte sie über die Lehne des einzigen Stuhls, der vor dem Fenster stand wie ein einsamer Wächter.
Das Zimmer war äußerst bescheiden ausgestattet, und das kleine Fenster vor dem schmalen Bett bot einen deprimierenden Ausblick auf einen mit Unrat bedeckten Hof, hinter dem sich die Prärie bis zum Horizont erstreckte. Der Bettvorleger zu seinen Füßen schien nur noch von wenigen Fäden und dem sich darin tummelnden Ungeziefer zusammengehalten zu werden.
Er zog sich die Stiefel aus und ließ sich rücklings auf das Bett fallen, das sein Gewicht mit einem müden Knarren registrierte.
An der Decke trieben zwei Spinnen ihr Unwesen, die in ihren benachbarten Netzen offenbar um Beute konkurrierten. Er beobachtete die Tiere eine Weile dabei, wie sie aufeinander losgingen, bevor ein Klopfen an der Tür ihn den Kopf wenden ließ.
»Herein!«
Audrey Taylor trug ein Tablett in ihrer Hand und lächelte ihm zu, während sie es auf dem schmalen Tisch zwischen Stuhl und Bett abstellte. »Ein paar gebackene Bohnen und warme Maisfladen. Das Fleisch ist uns leider gestern ausgegangen«, murmelte sie und beugte sich dabei leicht zu ihm herunter. »Ist das Zimmer okay für Sie?«
Lassiter starrte in den tiefen Ausschnitt ihrer Bluse, bevor er den Blick hob und einnehmend lächelte. »Alles bestens, Miss Taylor. Vielen Dank.«
»Audrey!« Eine schneidende Stimme drang aus dem Schankraum hinauf, und sie senkte den Blick.
»Schätze, Ihr Typ wird verlangt, Lassiter. Das ist Preston Vain, unser Sheriff.«
Lassiter richtete sich auf und langte nach seinen Stiefeln. »Das ging ja schneller als gedacht.«
Er warf einen kurzen sehnsüchtigen Blick auf den Teller neben sich, bevor er der Frau nach unten folgte.
»Mister …«
»Einfach Lassiter.«
Die Männer schüttelten sich die Hände, wobei Lassiter den forschenden Blick und die verkniffenen Lippen seines Gegenübers zur Kenntnis nahm.
Sheriff Vain breitete die Hände aus und neigte seinen Kopf nach links, während er Lassiter einer ausgiebigen Musterung unterzog. »Nun ja«, begann er und dehnte die Silben aus, als würde er eine Grabrede halten. »Sie erwarten hoffentlich nicht, dass ich in Jubel ausbreche, weil Sie hier in Rabbits Creek auftauchen und glauben, mir etwas beibringen zu können.«
Lassiter starrte ihn reglos an. »Machen Sie mal halblang, Sheriff. Ich habe mir diesen Job nicht ausgesucht, glauben Sie mir. Und ich bin nicht gekommen, um Ihnen in die Suppe zu spucken.«
Vain verzog seine Lippen zu einem humorlosen Grinsen, während er der Frau hinter der Theke zuwinkte.
»Machst du uns mal zwei Drinks, Audrey?«
Lassiter ließ sich auf dem Barhocker neben dem Sternträger nieder. Kurz darauf standen zwei Gläser neben den Männern, und Audrey zog sich ohne ein Wort zurück.
»Mr. Trumbull hat Sie angefordert«, begann Vain und starrte dabei auf die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas. »Er hat seine Kontakte nach Washington spielen lassen, wie er sagte. Das bedeutet wohl, dass Sie ein fähiger Mann sind.«
Lassiter rührte seinen Drink nicht an. Stattdessen sah er dem Sheriff offen in dessen mürrisches Gesicht. »Hören Sie, Sheriff. Wenn wir zusammenarbeiten, finden wir Trumbulls Tochter vielleicht noch wohlbehalten wieder.«
Vain leerte seinen Drink in einem Zug. »Wie Sie sicher wissen, gab es keine Lösegeldforderung«, brummte er und drehte das Glas in seinen Händen, ohne Lassiter dabei anzusehen.
»Das ist mir bekannt«, bestätigte Lassiter. »Kein gutes Zeichen, möchte ich meinen.«
»Ja, das könnte man so sehen.« Der Sheriff stellte sein Glas auf der Theke ab. »Ich habe mit meinen Männern in den letzten Wochen jeden Stein umgedreht zwischen Hillary Falls und Boulder Junction. Keine Spur weit und breit von der jungen Lady. Wenn die Banditen sie mitgenommen haben und kein Geld von Trumbull fordern, hätte ich erwartet, irgendwo auf ihre sterblichen Überreste zu stoßen.«
»Sie könnten das Mädchen begraben haben«, erwiderte Lassiter widerwillig, weil er noch nicht bereit war, sich mit dem Tod von Natalie Trumbull abzufinden. »In dem Fall würde man die Leiche vielleicht nie finden.«
»Kann man nicht ausschließen«, murmelte Vain. »Aber wenn die Outlaws ohnehin nicht vorhatten, sie zu entführen und Lösegeld zu erpressen, hätten sie Miss Trumbull auch gleich töten können. Und nach dem Überfall waren sie auf der Flucht und hatten sicherlich Besseres zu tun, als eine Geisel umzubringen und die Leiche dann noch so gut zu verstecken, dass weder die Geier noch ich sie finden konnten.«
Lassiter nickte zustimmend, und Vain starrte ihn mit einem schmalen Grinsen an. »Bliebe noch eine weitere Möglichkeit, oder was meinen Sie?«
Lassiter dachte einen Moment nach. »Sie meinen …?«
Der Sheriff zuckte die Achseln. »Genau. Sie steckt mit den Banditen unter einer Decke.«
Lassiter fiel das Mädchenpensionat wieder ein. Die Klosterschule der Sisters of Mercy; ein Ort, der einem jungen Mädchen wie ein Gefängnis vorkommen mochte.
»Natalie hatte nicht das beste Verhältnis zu ihrem Vater«, ließ sich Audrey hinter der Theke vernehmen, und Lassiter wandte sich zu ihr um. »Seit Trumbull ihre Mutter in die Wüste geschickt hat, begehrte sie gegen ihn auf. Sie tat alles, um ihn zu provozieren.«
»Tut mir leid, das zu sagen, aber die Kleine war ein ganz schönes Früchtchen«, knurrte Vain. »Trieb sich oft hier in der Stadt herum und poussierte mit den Landarbeitern. Hat dabei auch gern mal einen über den Durst getrunken. Ich musste sie nicht nur einmal besoffen aus den Armen eines Cowboys zerren und zurück auf die Ranch bringen.«
»Mr. und Mrs. Trumbull haben sich also getrennt«, bemerkte Lassiter vorsichtig. Er wollte hören, wie Audrey und der Sheriff die Ereignisse beschrieben.
»Getrennt!« Die Frau hinter der Theke spie das Wort aus, als hätte es einen üblen Geschmack. Ihr Gesicht rötete sich, als sich Verachtung und Zorn auf ihren Zügen ausbreiteten, doch Vain hob die Hand und hinderte sie am Weitersprechen.
»Trumbull hat seine Frau verstoßen, Lassiter. Und dabei war er nicht gerade zimperlich«, sagte er. »Sie hat daraufhin die Stadt verlassen – keiner weiß, wohin.«
Der Sheriff warf einen kurzen Blick über den Tresen zu Audrey hinüber, und sie senkte den Blick und zuckte die Achseln. »Man munkelt, es gäbe Verwandte oben an der Ostküste«, sagte sie.
»Aber niemand hier in der Stadt kann Genaueres darüber sagen?«, fragte Lassiter nach.
»Dorothy Trumbull stammt nicht aus der Gegend«, entgegnete Vain. »So weit ich weiß, hat ihr Mann sie in Tucson kennengelernt, in einem Tanzschuppen.« Er starrte Lassiter an. »Aber was soll das mit dem Überfall zu tun haben? Die Frau ist vor fast einem Jahr aus Rabbits Creek verschwunden.«
»Vermutlich gar nichts, Sheriff.« Lassiter lächelte unverbindlich. »Aber wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich jetzt erst mal etwas essen …«
Vain schüttelte den Kopf. »Das muss warten. Mr. Trumbull hat darauf bestanden, dass ich Sie zu ihm bringe, sobald sie in der Stadt eintreffen. Und er ist kein Mann, den man warten lassen sollte.«
***
»Mr. Lassiter!« Douglas Trumbull erhob sich mit gefurchter Stirn vom Lehnsessel und ging mit ausgreifenden Schritten über die Veranda, als der Mann der Brigade Sieben und Sheriff Vain ihre Pferde zügelten und aus den Sätteln stiegen.
»Ich frage mich wirklich, warum das so lange gedauert hat«, brummte der Rinderbaron und sprang die Stufen hinunter auf seine Besucher zu.
Trumbull war ein Bär von einem Mann, nahezu sechs Fuß von den Stiefeln bis zu der stahlgrauen, schulterlangen Mähne, die er aus der hohen Stirn zurückgekämmt hatte. Seine wettergegerbten Züge waren von tiefen Falten durchzogen, und unter der scharf geschnittenen Nase, die an einen Adlerschnabel erinnerte, wuchs ein mächtiger Schnauzbart, der große Teile seiner fleischigen Lippen verbarg. Um die Körpermitte herum war er etwas füllig, aber seine Statur wirkte dennoch muskulös und für sein Alter äußerst agil.
Er trug keinen Hut, einfache Jeanshosen und ein leichtes Cowboyhemd, dessen obere Knöpfe offen waren und dichtes, graues Brusthaar enthüllten.
In Trumbulls dunkelblauen Augen glomm ein beunruhigendes Feuer, und der herrische Zug um die Winkel seines Mundes verriet Lassiter, dass er es mit einem Mann zu tun hatte, der keinen Widerspruch duldete.
»Ich wurde erst gestern Abend über die Entführung Ihrer Tochter in Kenntnis gesetzt«, entgegnete er deshalb. »Und ich habe mich danach sofort auf den Weg gemacht, Mr. Trumbull.«
»Sicher, sicher!« Trumbull packte seine Hand und schüttelte sie kräftig. Lassiter hatte das Gefühl, seine Finger seien in einen Schraubstock geraten. »Offenbar haben Sie die Postkutsche wenigstens noch erwischt. In ein, zwei Jahren haben wir hier unsere eigene Bahnstation, so Gott will und mir das Geld nicht ausgeht.«
Er lachte und legte seine Pranke auf Lassiters Rücken, um ihn in Richtung Veranda zu schieben. Den Sheriff, der direkt neben ihm stand, würdigte er keines Blickes.
»Mr. Trumbull …«, begann Vain. »Ich sollte …«
»Danke, Preston«, unterbrach ihn Trumbull brüsk. »Sie können zurückreiten nach Rabbits Creek. Ihre Anwesenheit ist jetzt nicht mehr erforderlich.«
Er ging mit Lassiter davon, und Vain verzog die Lippen, bevor er wieder in den Sattel stieg, sein Pferd wendete und davonritt.
»Nehmen Sie Platz, Lassiter.« Trumbull deutete auf einen der beiden Stühle und winkte einem Angestellten, der vor der Eingangstür wartete. »Barney, bring uns etwas zu trinken.«
Lassiter ließ sich auf den Stuhl fallen und beantwortete Trumbulls erwartungsvolle Miene mit einem vorsichtigen Lächeln. Es kam öfter vor, dass man ihn derart begeistert empfing, doch die Erwartungen, die mit derartigem Enthusiasmus meist einhergingen, konnte er nicht immer erfüllen.
Fällen wie diesen war er in der Vergangenheit des Öfteren begegnet. Ein Verbrechen, das die örtlichen Ordnungshüter nicht aufklären konnten. Ein mächtiger Mann, der Opfer dieses Verbrechens geworden war und die richtigen Leute kannte, um die Brigade Sieben zu aktivieren.
Doch oftmals lag es nicht an der Inkompetenz der Männer, die vor ihm den Fall untersucht hatten, dass er hinzugezogen wurde. In vielen Fällen passte dem Auftraggeber einfach das Ergebnis der Untersuchungen nicht. Und wenn am Ende eine Wahrheit zutage trat, die noch übler war als das, was vor Lassiters Eintreffen herausgekommen war, vergaßen Männer wie Trumbull oft sehr schnell, dass sie selbst ihn gerufen hatten. Dann war er der Letzte, dem sie noch einen Drink anboten.
»Whiskey, Sir?«
Trumbull blickte ihn fragend an, und als er zögernd nickte, stellte der Diener zwei Gläser vor ihnen ab, bevor er sich lautlos entfernte.
Der Viehbaron griff nach seinem Drink, und als Lassiter die Schweißperlen auf der Stirn und den irrlichternden Blick seines Gegenübers bemerkte, ahnte er, dass das nicht sein erster an diesem Tag war.
»Also, Lassiter. Wo werden Sie mit der Suche nach meiner Tochter beginnen? Wenn Sie ein paar Männer zur Unterstützung brauchen, sagen Sie es einfach. Mein Vormann Lefty Haines steht Ihnen zur Verfügung.«
»Mr. Trumbull«, begann Lassiter vorsichtig. »Ich denke, es wird wenig bringen, die Umgebung nach Miss Natalie abzusuchen, weil Sheriff Vain das meines Wissens in den letzten drei Wochen bereits getan hat.«
Trumbulls Lächeln wurde etwas schmaler. »Das mag sein. Aber Sie mit Ihren speziellen Kenntnissen werden doch sicherlich …«
»Ich habe auch nur zwei Augen, genau wie Mr. Vain. Und der Sheriff kennt sich hier in der Gegend bedeutend besser aus als ich.«
Trumbull runzelte die Stirn. »Was wollen Sie damit sagen? Kommen Sie den weiten Weg hierher, um mir klar zu machen, dass Sie auch nicht mehr tun können als dieser Versager von Sheriff?«
Lassiter schüttelte den Kopf. »Ich will damit nur sagen, dass wir Ihre Tochter nicht finden werden, indem wir durch die Landschaft reiten und nach ihr suchen wie nach einer Nadel in einem Heuhaufen.«
»Und was beabsichtigen Sie sonst, zu tun?«
»Wir müssen herausfinden, wer die Kutsche überfallen hat. Wenn wir die Täter finden, finden wir auch Natalie.«
Trumbull fuhr sich über die Stirn und verzog missmutig die Lippen. »Die Männer waren maskiert, wie Sie wissen.«
»Ich schätze, es waren nicht ausschließlich Männer. Eine Person könnte eine Frau gewesen sein.«
Der Viehbaron starrte ihn überrascht an. »Was sagen Sie da? Eine Frau? Woher haben Sie das?«
»Ich habe mich etwas umgehört«, entgegnete Lassiter vage, dann blickte er seinem Gegenüber forschend ins Gesicht. »Und dabei ist mir noch das ein oder andere zu Ohren gekommen. Wäre es möglich, dass es sich dabei um Ihre ehemalige Frau handelt?«
Die Miene von Trumbull erstarrte, und die mächtigen Hände des Mannes verkrampften sich so stark um sein Glas, dass Lassiter damit rechnete, es gleich zerbrechen zu sehen.
Dann stieß sein Gegenüber erst ein leises Glucksen aus, bevor er in ein ersticktes Lachen ausbrach. Stirnrunzelnd beobachtete Lassiter, wie Trumbulls Lachen immer lauter wurde und der Mann schließlich sein Glas fallen ließ, weil er nicht mehr an sich halten konnte.
Lassiter lehnte sich zurück, während der Viehbaron sich auf die Schenkel schlug. »Dorothy … Doro … thy!«, keuchte Trumbull. »Was für … ein Gedanke!« Er brüllte vor Lachen, so laut, dass sich ein paar der Cowboys vor den Ställen überrascht zu ihnen umdrehten.
Lassiter griff nach seinem Glas und kippte sich den Drink in einem Zug in die Kehle, während Trumbull vor ihm schwer atmend zur Ruhe kam. Der Viehbaron hob entschuldigend die linke Hand, während er sich mit der rechten Tränen aus den Augen wischte.
»Das war wirklich ein toller Scherz, Mr. Lassiter«, brachte er erstickt hervor und zwinkerte ihm zu. »Dorothy überfällt eine Postkutsche und entführt unsere Tochter! Wer hat Ihnen das denn geflüstert?«