Lassiter Sammelband 1824 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1824 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2353, 2354 und 2355.
Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

2353: Donovans Vermächtnis
Der Sandsturm verwandelte die Mesa in eine schemenhafte Hölle, von der untergehenden Sonne in ein schmutzig orangenes Licht getaucht. Lassiter stieg aus dem Sattel und stemmte sich gegen die Böen, die Augen zu Schlitzen verengt. "Donovan!", brüllte er. "Doo-noo-van!" Der Sturmwind riss die Worte mit sich fort, kaum dass sie seine Lippen verlassen hatten. Er zog sein Tuch über Mund und Nase und kämpfte sich mit gesenktem Kopf voran.

2354: Lasst die Büffel leben!
Das hohe saftige Gras schloss Hiram Rawlins vollständig ein. Es reichte von dem Tal, das sich vor ihm ausdehnte, bis herauf zu der Hügelkuppe, auf der er lag. Besseres Weideland konnte man sich gar nicht vorstellen. Rawlins brauchte den Kopf nur ein Stück anzuheben, um durch die Grasspitzen zu spähen. Er tat es äußerst vorsichtig, denn es war möglich, dass er es mit Indianern zu tun bekam.

2355: Lassiters Doppelgänger
Als ihr Bettgefährte unvermittelt nach seinem Gürtel über der Stuhllehne griff, dachte Laura Green sich noch nichts dabei. Obwohl das Gesicht, das er dabei zog, so gar nicht zu dem passte, was sie beide tun wollten. Sie hatte ihn schließlich nicht ohne Grund auf ihr Zimmer eingeladen. Die Bardame setzte sich auf. "Stimmt etwas nicht, Lassiter?", fragte sie irritiert.

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Seitenzahl: 409

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Impressum

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: © Boada/Norma ISBN 978-3-7517-0902-6 www.bastei.de www.luebbe.de www.lesejury.de

Jack Slade

Lassiter Sammelband 1824 - Western

Inhalt

Jack SladeLassiter - Folge 2353Der Sandsturm verwandelte die Mesa in eine schemenhafte Hölle, von der untergehenden Sonne in ein schmutzig orangenes Licht getaucht. Lassiter stieg aus dem Sattel und stemmte sich gegen die Böen, die Augen zu Schlitzen verengt. "Donovan!", brüllte er. "Doo-noo-van!" Der Sturmwind riss die Worte mit sich fort, kaum dass sie seine Lippen verlassen hatten. Er zog sein Tuch über Mund und Nase und kämpfte sich mit gesenktem Kopf voran. Geisterhaft tauchte eine Kutsche hinter dem Vorhang aus feinem Sand auf, und er nahm die toten Männer auf dem Bock wahr. Kurz darauf trabte ein schwarzes Pferd aus dem roten Nebel direkt auf ihn zu. "Don?", rief er erstickt und bemühte sich, etwas zu erkennen außer der mächtigen Silhouette des Tieres. Doch der Sattel des Rappen war leer. Von Marshal Donovan Minks fehlte jede Spur.Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2354Das hohe saftige Gras schloss Hiram Rawlins vollständig ein. Es reichte von dem Tal, das sich vor ihm ausdehnte, bis herauf zu der Hügelkuppe, auf der er lag. Besseres Weideland konnte man sich gar nicht vorstellen. Rawlins brauchte den Kopf nur ein Stück anzuheben, um durch die Grasspitzen zu spähen. Er tat es äußerst vorsichtig, denn es war möglich, dass er es mit Indianern zu tun bekam. Auf einmal durchlief ein Vibrieren den Boden. Es übertrug sich auf seinen ganzen Körper, und es schwoll rasch an. Als er die dunkelbraune Flut durch den südlichen Taleingang hereinbrechen sah, war es bereits zu einem Donnern angeschwollen. "Die Büffel!", flüsterte Rawlins. "Mein Gott, ich habe sie entdeckt." Eine Frauenstimme lachte hinter ihm. "Und was nützt dir das, Entdecker?"Jetzt lesen
Lassiter - Folge 2355Als ihr Bettgefährte unvermittelt nach seinem Gürtel über der Stuhllehne griff, dachte Laura Green sich noch nichts dabei. Obwohl das Gesicht, das er dabei zog, so gar nicht zu dem passte, was sie beide tun wollten. Sie hatte ihn schließlich nicht ohne Grund auf ihr Zimmer eingeladen. Die Bardame setzte sich auf. "Stimmt etwas nicht, Lassiter?", fragte sie irritiert. Der großgewachsene, dunkelblonde Mann zog ein Federmesser aus einem Futteral am Gürtel und fuhr mit dem Daumen sacht über die Klinge. Laura lächelte dünn. "Wozu brauchst du jetzt dein Messer?" Erst als der Mann den Blick auf sie richtete, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. "Um Himmels willen", hauchte sie. "Tu's nicht!" Doch es war zu spät ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Donovans Vermächtnis

Vorschau

Donovans Vermächtnis

Der Sandsturm verwandelte die Mesa in eine schemenhafte Hölle, von der untergehenden Sonne in ein schmutzig orangenes Licht getaucht. Lassiter stieg aus dem Sattel und stemmte sich gegen die Böen, die Augen zu Schlitzen verengt. »Donovan!«, brüllte er. »Doo–noo–van!« Der Sturmwind riss die Worte mit sich fort, kaum dass sie seine Lippen verlassen hatten. Er zog sein Tuch über Mund und Nase und kämpfte sich mit gesenktem Kopf voran.

Geisterhaft tauchte eine Kutsche hinter dem Vorhang aus feinem Sand auf, und er nahm die toten Männer auf dem Bock wahr. Kurz darauf trabte ein schwarzes Pferd aus dem roten Nebel direkt auf ihn zu. »Don?«, rief er erstickt und bemühte sich, etwas zu erkennen außer der mächtigen Silhouette des Tieres. Doch der Sattel des Rappen war leer. Von Marshal Donovan Minks fehlte jede Spur.

Er sah sich um, doch es war sinnlos. Die heftigen Böen, die ihm den Sand entgegen schleuderten wie Millionen winziger Geschosse, machten es unmöglich, weiter als ein paar Yards zu schauen.

»Lassiter«, drang die Stimme von einem der Deputies verwaschen durch den heulenden Sturm an seine Ohren.

Er drehte sich um. »Ich bin hier!«, rief er zurück und griff nach den Zügeln von Donovan Minks’ Rappen. Der Hengst schnaubte erregt, doch er ließ sich von Lassiter zu der Kutsche führen.

Er band die Zügel des Tieres an einem der Wagenräder fest, bevor er sein eigenes Pferd holen ging. Er klopfte dem Braunen beruhigend auf die Kuppe und bemerkte zwei schemenhafte Gestalten, die hinter dem Rücken des Wallachs auftauchten.

Die Deputies zügelten vor ihm ihre Pferde, und der Älteste von ihnen, Benjamin Harper, vierschrötig und muskulös, starrte ihn aus seinen hellbraunen Augen erwartungsvoll an. »Irgendeine Spur von Don?«

Lassiter furchte die Stirn. »Sein Pferd.«

»Sein Pferd?«, wiederholte Harper. »Wo steckt er?«

Lassiter zuckte ratlos die Achseln.

»Absitzen, Männer«, befahl Harper, und seine Begleiter stiegen aus den Sätteln. Jimmy Dornkart, ein breitschultriger Blondschopf mit dem bleichen Teint eines Einwanderers, der erst vor kurzem in die Neue Welt gekommen war, hustete und spuckte Staub aus, bevor er es Lassiter gleichtat und sich sein Halstuch über das Gesicht zog.

»Verfluchter Sturm«, brummte Oscar Jennings, der dritte im Bunde, knirschte mit den Zähnen und zog sich den Hut tiefer in die Stirn. »Man sieht die Hand vor Augen nicht.«

»Es müsste bald nachlassen«, bemerkte Harper und führte sein Pferd am Zügel, bis er Lassiter erreichte. »Konnten Sie sonst noch etwas entdecken?«

Lassiter nickte grimmig. »Folgen Sie mir.«

Die beiden Männer auf dem Kutschbock waren regelrecht hingerichtet worden. Löcher vom Umfang eines Silberdollars klafften in ihren Stirnen, und die aufgerissenen Augen waren von einer feinen Staubschicht überzogen, die ihnen das unheimliche Aussehen von Blinden verlieh. Einer der beiden hielt einen Smith & Wesson Schofield in der starren Faust, als hätte er das Unheil kommen sehen und zu spät zur Gegenwehr angesetzt.

Die Plane des Wagens hatte der Sturmwind mit sich fortgerissen, sodass die eisernen Halterungen über der Ladefläche nun nackt in den Himmel ragten wie riesige, zu dünn geratene Steigbügel. Doch auf den Planken hinter dem Kutschbock befanden sich nur Kleiderbündel, ein paar Bierfässer und zwei zerschlissene Seesäcke.

An der Gabel des Fuhrwerks hing noch das Geschirr für die Pferde, doch die Zugtiere waren verschwunden.

»Meinen Sie, wir sind hier richtig?«, brüllte Harper gegen den Sturm an, und Lassiter warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor er nickte.

Die Toten ließen kaum einen Zweifel darüber zu, dass sie den Rückzugsort einer Räuberbande gefunden hatten, die seit über zwei Jahren hier im Norden von Nevada ihr Unwesen trieb.

Die Gazetten hatten den Outlaws den Namen Silberlinge verpasst, weil sie es auf Kutschen und Züge abgesehen hatten, die das weiße Gold aus den Minen in die Hauptstadt Carson City oder weiter nach Reno an die Staatsgrenze zu Kalifornien transportierten.

Und davon gab es hier mehr als genug. Wegen der reichen Vorkommen hatte Nevada mittlerweile den Beinamen »Silver State« erhalten, und allerorten entstanden in der Region neue Boomtowns, die tausende von Tagelöhnern aus dem ganzen Land anlockten. Das ansonsten karge Territorium war binnen weniger Jahre zu einem aufstrebenden Staat geworden, und die ersten Bahnlinien zogen sich bereits nach Norden, Westen und Osten durch die Prärie.

Es war so etwas wie ein Naturgesetz, dass mit wachsendem Wohlstand auch die Anzahl derer wuchs, die sich den Anteil daran ergattern wollten, ohne dabei die Mühsal redlicher Arbeit auf sich zu nehmen. Und der noch junge Bundesstaat Nevada, der erst kurz nach dem Bürgerkrieg Teil der Vereinigten Staaten geworden war, konnte mit der wachsenden Anzahl an Outlaws nicht fertig werden.

Die Steuergelder flossen zu spärlich, um ausreichende Kapazitäten an Sheriffs und Marshals bezahlen zu können, weil viele Silberbarone sich rundheraus weigerten, ihren Obolus an den Fiskus zu entrichten, und lieber selbst für die Verteidigung ihrer Minen sorgten.

Deshalb gingen Fortschritt und Kriminalität in Nevada mit ausgreifenden Schritten voran, während die ordnende Hand des Gesetzes mühsam und schwachbrüstig hinter ihnen her stolperte.

Männer wie Donovan Minks, der vor ein paar Jahren seinen Dienst in Carson City angetreten hatte und eigentlich aus Tennessee stammte, waren Einzelkämpfer, die mit wenig Unterstützung aus Washington versuchten, das Recht durchzusetzen gegen die entfesselte Gier der Siedler, Glücksritter und Spekulanten. Minks hatte es zwar geschafft, aus der Hauptstadt von Nevada einen Ort zu machen, an dem Gesetze ihre Gültigkeit hatten, doch auch für ihn glich der Kampf gegen das Verbrechen oft dem sprichwörtlichen Anrennen gegen Windmühlen.

Der Sturm ließ tatsächlich so plötzlich nach, wie er begonnen hatte. Es war, als hätte Gott ein letztes Mal den mächtigen Atem ausgestoßen, bevor er sich abwandte, um einen anderen Ort mit seinem Zorn heimzusuchen.

Als sich die Staubschwaden träge auf dem Boden niederließen und am Horizont allmählich die untergehende Sonne sichtbar wurde, zogen die Männer sich die Tücher von den Gesichtern und rieben ihre Augen.

Erst jetzt erkannten sie die stattlichen Ausmaße der Mesa. Sie zog sich über fast eine Drittel Meile gen Westen und war gut und gern eine viertel Meile breit. Das saftige, kniehohe Gras war nun von einem bräunlichen Schleier aus feinem Sand bedeckt.

Links von ihnen befanden sich nur einen Steinwurf entfernt zwei windschiefe Hütten und ein Stall, dem das halbe Dach fehlte. Neben dem offenen Tor lagen weitere Tote; Lassiter zählte fünf leblose Körper, auch sie waren erschossen worden. Offenbar hatte hier jemand vor nicht allzu langer Zeit Tabula Rasa gemacht.

Sie durchsuchten zunächst den Stall, doch außer ein paar leeren Fässern, muffigen Maissäcken und einer rostigen Mistforke gab es nichts zu sehen. Die Ausdünstungen verdorbener Lebensmittel mischten sich mit dem metallischen Geruch von frischem Blut.

Dann gingen sie zu den Baracken hinüber.

Lassiter stand bereits im Eingang der ersten Hütte, als er ein verräterisches Knacken inmitten der dunklen Schatten vernahm. Etwas glänzte metallisch nur drei Schritte vor ihm; er ließ sich geistesgegenwärtig zur Seite fallen und riss den Remington aus dem Holster.

Einen Sekundenbruchteil später bleckte ihm eine Feuerlanze entgegen, und das Krachen des Schusses war in der engen Hütte ohrenbetäubend. Heißes Blei zischte nur eine Handbreit an seiner Schläfe vorbei, und er zog ohne zu zögern den Abzug des Revolvers durch.

Der Unbekannte schrie auf vor Schmerzen, und Lassiter sprang aus der Hocke nach vorn. Er holte aus und hämmerte der dunklen Gestalt am Boden den Lauf seiner Pistole an den Schädel. Der Mann stieß einen dumpfen Laut aus und sackte zusammen.

»Was zur Hölle …?«, rief Harper hinter ihm und sprang in die Hütte. Der Deputy riss einen fadenscheinigen Vorhang von der Stange über dem einzigen Fenster herunter, und das Licht der tiefstehenden Sonne flutete in den Raum.

Der Mann, der vor Lassiter am Boden lag, trug einen ungepflegten Vollbart und seine Kleider starrten vor Schmutz. Blut lief ihm aus der Platzwunde über die Stirn, die Lassiters Hieb hinterlassen hatte, und seine Augen flackerten unruhig, als er ihn hasserfüllt anstarrte.

»Du dreckiger Bastard«, zischte der Outlaw, dabei versprühte er rosafarbenen Speichel. »Hast … mich … voll erwischt …«

Lassiter registrierte, wie sich das löchrige Hemd des Banditen unter der Brust dunkel verfärbte. Ein Bauchschuss.

Der Kerl hatte höchstens noch ein paar Minuten.

»Wo ist Marshal Minks, du Schwein?«, knurrte Harper. »Was habt ihr mit ihm gemacht?«

Der Bandit lachte meckernd und spuckte Blut.

»Was … wir mit ihm … gemacht haben?«

»Du hast mich gut verstanden, Bursche!« Harper trat dem am Boden Liegenden in die Seite. »Jetzt red’ schon!«

»Fahrt … zur Hölle!«, stöhnte der Bandit, dann sank sein Kopf auf die Schulter und sein Blick brach.

»Verdammt nochmal, Ben«, knurrte Lassiter und sah vorwurfsvoll zu dem Deputy hoch. »War das nötig? Vielleicht hätten wir noch etwas aus ihm rausbekommen.«

Harper presste die fleischigen Lippen zu einem Strich zusammen und wandte sich ab. »Der Mistkerl hätte uns eh nichts verraten.«

»Das werden wir jetzt nicht mehr erfahren.« Lassiter erhob sich und sah sich in der Baracke um.

In der Ecke stapelte sich schmutziges Kochgeschirr auf einem Tisch, darüber waren Zeitungsausschnitte an die Bretterwand geheftet, in denen über die Überfälle der Silberlinge berichtet wurde. Nachdenklich ließ Lassiter seinen Blick über die vergilbten Papiere wandern, während Harper Schränke öffnete und Schubladen aufzog.

Dornkart und Jennings, die in der anderen Hütte gewesen waren, als die Schüsse fielen, kamen nun mit eiligen Schritten hereingestürmt. Als sie den Toten am Boden bemerkten, machte sich Erleichterung in ihren Gesichtern breit.

»Heilige Mutter Gottes!«, stöhnte Dornkart. »Ich hätte nie damit gerechnet, noch einen der Hurensöhne lebendig anzutreffen.«

»Es ist oft nicht so, wie es den Anschein hat«, entgegnete Lassiter mit leiser Stimme, immer noch in die Zeitungsausschnitte vertieft. Irgendetwas daran machte ihm zu schaffen, doch er konnte nicht erkennen, was es war.

»Habt ihr etwas gefunden?«, fragte Harper die beiden Männer, doch die schüttelten nur die Köpfe.

»Das kann doch nicht angehen!« Harper runzelte ungläubig die Stirn. »Die ganze Beute aus über einem Dutzend Überfällen ist weg?«

»Das müssen doch mindestens zwei Wagenladungen Silber sein. Wie haben die das angestellt?«, fragte Jennings.

»Möglicherweise haben sie die Beute irgendwo hier auf der Mesa vergraben«, überlegte Dornkart. »Oder das Silber steckt ganz woanders, irgendwo in einer Höhle in der Umgebung.«

»Ich finde im Moment eine andere Frage viel entscheidender«, brummte Lassiter und drehte sich langsam zu den Sternträgern um. »Was genau ist hier passiert?«

Harper starrte ihn an. »Ich schätze, Marshal Minks hat die Brüder aufgeschreckt. Es kam zum Schusswechsel, und die Überlebenden haben ihn überwältigt. Da sie damit rechnen mussten, dass Donovan ihnen nicht allein auf den Fersen ist, haben sie ihren Schlupfwinkel auf schnellstem Wege verlassen und ihn mitgenommen, damit er ihnen vielleicht später als Geisel dienen kann, wenn wir sie stellen.«

Er deutete auf den Toten, der einen schmutzigen Verband um den Oberschenkel trug. »Den Burschen haben sie zurückgelassen, weil er verletzt war und sie auf der Flucht behindert hätte. Soviel zum Thema Ganovenehre!« Er spuckte verächtlich zu Boden.

Lassiters Miene wirkte nicht überzeugt. Dennoch nickte er langsam. »Gut kombiniert, Ben. So könnte es sich in der Tat abgespielt haben. Was mich aber an Ihrer Geschichte stört, ist der Zeitfaktor.«

»Was meinen Sie damit?«, fragte Dornkart und schob sich den verbeulten Stetson in den Nacken, den Blick auf Lassiter gerichtet.

»Als der Sturm losbrach und wir voneinander getrennt wurden, hatten wir bereits den Pass erreicht«, antwortete Lassiter. »Es ist kaum eine Stunde verstrichen. Verdammt wenig Zeit, um sich ein Gefecht mit Minks zu liefern, ihn gefangen zu nehmen, die Sachen zu packen und auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.«

»Nun ja, das mag schon sein, Sir«, entgegnete Harper, rieb sich die fliehende Stirn und musterte Lassiter, während er über dessen Worte nachdachte. »Dann wussten sie vielleicht, dass wir kommen würden. Schließlich haben die Burschen uns auf dem Pass einen heißen Empfang bereitet. Sie waren auf uns vorbereitet, verdammt! Also war alles für die Flucht vorbereitet, und sie sind über den alten Indianerpfad abgehauen, der südwestlich von hier durch den Manson Creek führt. Gut möglich, dass sie nur einen kleinen Vorsprung haben. Wenn sie mit dem Silber unterwegs sind und mitten im Sturm aufbrachen, können wir sie vielleicht noch einholen.«

Wieder nickte Lassiter, obwohl sein Gesicht eine andere Sprache sprach. Er warf einen letzten Blick auf die Zeitungsausschnitte, bevor er die Achseln hob.

»Dann sollten wir keine Zeit mehr verlieren, Gentlemen.«

***

Drei Tage zuvor. Wichita Falls, ein kleines Nest fünfzehn Meilen westlich von Carson City.

Vera Cruz starrte aus dem Fenster hinunter auf den gegenüberliegenden Bahnsteig, nachdem sie einen kurzen Blick auf die Uhr des kleinen Kirchturms geworfen hatte. Es war acht Uhr am Morgen, und auf der Straße war kaum etwas los.

In dreißig Minuten würde der Zug die Stadt erreichen, und wenn der Spitzel in Carson City die Wahrheit gesagt hatte, würde dann unten im Bahnhof die Hölle los sein.

Zwei Hände tauchten an ihren Hüften auf und wanderten aufwärts, bevor sie beherzt nach ihren Brüsten griffen.

»Mihaly, das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt …«, seufzte sie und spürte die Härte in den Lenden ihres Begleiters, als er sich an ihrem Hintern rieb.

»Ach komm schon, Honey«, brummte der Mann mit tiefer Stimme und streichelte ihren Busen. Der kehlige Akzent verriet seine osteuropäische Herkunft, und in Verbindung mit dem sonoren Timbre hatte Vera Cruz das von Anfang an äußerst sexy gefunden.

Obwohl Mihaly Kertesz eher klein gewachsen war und ihr nur knapp über die Nasenspitze reichte, besaß der Mann die virile Ausstrahlung eines Raubtiers. Er hatte in Europa als Offizier gedient und entstammte einem ungarischen Adelsgeschlecht, dessen Stammbaum bis in das fünfzehnte Jahrhundert zurückreichte. Deshalb umgab Kertesz nicht nur die Aura eines furchtlosen und brandgefährlichen Kämpfers, sondern er verfügte darüber hinaus auch über Bildung und Manieren.

Eine Mischung, die sie sofort in seinen Bann gezogen hatte, als sie sich vor etwas über einem Jahr in San Francisco zum ersten Mal begegnet waren.

»Wir haben noch mehr als genug Zeit für etwas Spaß, und etwas Entspannung kann uns nicht schaden«, flüsterte er ihr ins Ohr, als seine rechte Hand hinab wanderte, um ihr den Schlüpfer herunterzuziehen.

Sie seufzte – er war einfach unersättlich! Doch andererseits blieb ihnen noch eine halbe Stunde, also warum eigentlich nicht?

Vera atmete tief ein und schloss ihre Augen, als sie seine tastenden Finger in ihrem Schritt spürte. Sie legte den Kopf zurück auf seine Schulter, als er sie streichelte.

Sein Atem ging schneller und er küsste ihren Hals, während sie sich mit beiden Händen am Fensterbrett festhielt und den Rücken durchbog. Für einen kurzen Moment ließ er von ihr ab, um sich seiner Hose zu entledigen. Sie spreizte die Beine und hob ihm den Hintern entgegen.

Unten auf der Straße fuhr ein offener Zweispänner am Bahnsteig vorüber, und die Frau auf dem Kutschbock sah konsterniert zu ihnen herauf. Als sie Veras entblößte Brüste registrierte, wandte sie rasch den Blick ab und trieb ihre Pferde mit der Peitsche zur Eile an. Vera grinste und sog im nächsten Moment scharf die Luft ein, als Mihalys harter Pint in sie eindrang.

Sein bestes Stück stand in einer ganz und gar unverhältnismäßigen Relation zu seiner Körpergröße.

Er umfasste ihre Hüften mit seinen kräftigen Händen, während er in sie hineinstieß, ungestüm und entschlossen, so, wie sie es mochte.

Unten auf dem Bahnsteig standen ein paar Arbeiter herum, die auf den Zug warteten. Einer der Männer sah zu ihr herauf und sein Blick weitete sich, als er zu erkennen schien, was sie hier oben trieb. Ihre Erregung steigerte sich, denn es bereitete ihr durchaus Vergnügen, wenn Fremde sie beim Liebesspiel beobachteten.

Deshalb lösten sich ihre Hände nur widerwillig vom Fensterbrett, als Mihaly sie nach hinten in das Innere des Zimmers zog. Sie sank bäuchlings auf dem Bett nieder, und sofort war er wieder über und in ihr. Seine Bewegungen wurden schneller, und seine Hände schienen überall zu sein, ihren nun schweißbedeckten Körper liebkosend, erobernd, in Besitz nehmend.

Sie stieß spitze Schreie der Lust aus und versank in den brennenden Fluten der Ekstase. Die Welt um sie herum schien sich aufzulösen, war für einen Moment bedeutungslos geworden. Nur vage nahm sie das Pfeifen der Lok vor dem Fenster wahr, die viel zu früh den Bahnhof erreichte.

Mihalys Keuchen in ihrem Nacken und die pulsierende Hitze in ihrem Schoß raubten ihr schier die Sinne, das Feuer breitete sich aus wie ein Steppenbrand, löschte ihr bewusstes Denken aus, riss alles mit sich fort, bis der Höhepunkt über sie hereinbrach und sie mit flatternden Lidern den Kopf in den Nacken warf, ein lautloses Stöhnen auf den geöffneten Lippen.

Dann krachten die Schüsse und Vera Cruz riss entsetzt die Augen auf. »Madre de Dios!«, stieß sie entgeistert hervor.

Mihaly Kertesz war blitzschnell aus ihr herausgeglitten und zog sich hastig die Hose über die Hüften, wobei er mit stolpernden Schritten ans Fenster trat. »Gottverdammt«, fluchte er untypischerweise, während unten auf dem Bahnsteig weitere Schüsse die Luft zerrissen.

Vera Cruz fuhr hoch. »Der Zug ist zu früh dran!«, rief sie ungläubig und langte nach ihrem Slip, der vor dem Bett am Boden lag. »Was ist da unten los, Mick?«

Er warf ihr einen grimmigen Blick zu, bevor er nach der Rifle griff, die neben dem Fenster an einem Stuhl lehnte. »Sieht ganz so aus, als seien ein paar von ihnen bereits im Zug gewesen, Vera. Dieser verschlagene Mistkerl hat uns nur die halbe Wahrheit erzählt!«

Ohne ein weiteres Wort sprang er durch das offene Fenster auf das Vordach. Vera packte ihren Revolver und verschwendete keinen Gedanken daran, dass sie nur ein dunkelrotes Mieder und ihren Schlüpfer trug, als sie ihm mit der Waffe in der Hand folgte.

Mihaly war bereits auf die Straße gesprungen, und als sie über das Vordach kletterte, pfiffen ihr postwendend Kugeln um die Ohren.

Vera ließ sich auf die Schindeln fallen, während mehrere Projektile hinter ihr Löcher in die Paneele der Hotelfront stanzten. Jemand kreischte im Inneren des Gebäudes, und unter ihr rannten ein paar Passanten panisch davon.

Die Banditen hatten den hinteren Waggon des Zuges verlassen und zwei von ihnen deckten den Bahnhof und die Mainstreet mit einem Bleihagel ein, während drei ihrer maskierten Kumpane die schweren Säcke mit Silbernuggets bereits auf eine Kutsche warfen, die am Ende des Bahnsteigs stand. Vera Cruz zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen. Sie hätte das Fuhrwerk überprüfen müssen, als noch Zeit dafür gewesen war. Der Überfall war bestens vorbereitet gewesen, wie immer, wenn die Silberlinge zuschlugen. Und auch dieses Mal schienen sie ihr einen Schritt voraus zu sein.

Die Arbeiter, die noch vor wenigen Minuten quicklebendig am Bahnsteig herumgelungert hatten, lagen jetzt leblos auf den Planken vor dem Zug. Ein paar Schritte daneben hatte sich ein massiger Mann mit breitkrempigem weißen Hut hinter einer Sitzbank verschanzt und schien aus einer Schulterwunde zu bluten.

Vera Cruz verzog die vollen Lippen, dann atmete sie einmal tief durch und rollte sich über das Vordach hinweg ab.

Kurz darauf landete sie auf den Beinen im Staub der Mainstreet und riss den Revolver hoch. Die harte Landung ließ sie in die Knie gehen, und ein leiser Schmerz fuhr ihr durch die Hüfte. Sie feuerte zweimal in Richtung der Banditen und verzog grimmig das Gesicht, als sie einen lauten Schrei vernahm. Nur einen Sekundenbruchteil später fetzte ein Projektil eine Armlänge neben ihr ein faustgroßes Loch in den Sattelholm, und sie ließ sich katzengleich in die Deckung der Pferdetränke fallen.

Wie aus dem Nichts tauchte Mihaly auf seinem Pferd neben ihr auf, riss den Karabiner an die Schulter und feuerte mehrere Schüsse auf die Banditen ab. Sein Gesicht verzog sich zu einer zornigen Grimasse, als er erkennen musste, dass keine seiner Kugeln ihr Ziel gefunden hatte.

Die Banditen hatten ihre Beute mittlerweile auf die Kutsche geladen, und der maskierte Mann auf dem Bock schwang die Peitsche, um die Zugpferde in den Galopp zu bringen. Die beiden Schützen, die den anderen Feuerschutz gegen hatten, sprangen auf die Ladefläche des Fuhrwerks, gingen in die Knie und hoben ihre Gewehre, während sich die Kutsche in Gang setzte.

Vera Cruz sprang auf und nahm ihren Revolver in beide Hände. Sie kniff die Augen zusammen, zielte und feuerte.

Einer der Männer auf der Kutsche wurde in der Schulter erwischt und herumgerissen, als hätte ihn ein Bison gestreift. Das Gewehr flog ihm aus den Händen und er stürzte rücklings auf die Planken der Ladefläche.

Dann stieg eine riesige Staubwolke auf, als das Fuhrwerk Fahrt gewann. Veras Augenbrauen zogen sich wütend über der Nasenwurzel zusammen, und sie hob abermals ihren Colt.

Plötzlich spürte sie einen harten Schlag an ihrem linken Bein, dicht gefolgt von einem scharfen Schmerz, der wie ein glühendes Messer ihre Hüfte hinaufschoss.

»Vera!«

Sie wandte den Blick und sah in Mihalys aufgerissene dunkle Augen. Dann verengte sich ihr Gesichtsfeld, schrumpfte binnen Sekunden auf einen stecknadelkopfgroßen Lichtpunkt zusammen, und sie seufzte tief, ehe sie bewusstlos zu Boden sank.

***

Als Lassiter das Ortsschild von Carson City passierte, war die Sonne hinter den Bergen gerade erst aufgegangen, und ein kühler Wind ließ ihn frösteln. Er lenkte seinen Wallach an zwei Fuhrwerken vorbei, von denen ein halbes Dutzend Arbeiter Kisten mit Gemüse, Bierfässer und Getreidesäcke abluden.

Darüber hinaus war die Hauptstraße der Stadt fast menschenleer; nur ein Nachtschwärmer erhob sich unsicher vom Sidewalk vor einer Bierschwemme, durch das Sonnenlicht aus einem alkoholgeschwängerten Dämmerschlaf erweckt.

Vor dem Marshal’s Office glitt er aus dem Sattel und sah sich um, während er die Zügel seines Pferdes am Holm festband. Der Saloon gegenüber sah einladend aus, und er hoffte, dort in Kürze ein kräftiges Frühstück serviert zu bekommen.

Das Knarren einer Tür bewog ihn dazu, sich umzuwenden.

»Lassiter?«

»Donovan Minks!«

Lassiter trat auf den Sidewalk, und die Männer begrüßten sich herzlich.

Minks war ein alter Bekannter. Vor etwas über sechs Jahren hatten sie gemeinsam einer Bande von Falschspielern das Handwerk gelegt. Damals war Donovan noch Sheriff in einem kleinen Nest in Tennessee gewesen, doch der Fall hatte Schlagzeilen gemacht und die Karriere seines Gegenübers offenbar befördert.

Er hatte ein paar Falten auf der Stirn und um den Mund herum hinzugewonnen, und an den Schläfen entdeckte Lassiter die ersten grauen Haare, doch der Marshal strahlte immer noch jene Mischung aus Gelassenheit und Entschlusskraft aus, an die er sich lebhaft erinnerte.

»Wie wäre es mit einem Kaffee?« Einladend deutete Minks auf die Tür, und Lassiter folgte ihm in sein Büro. Er nahm vor dem Schreibtisch des Sternträgers Platz, während Minks zu dem Ofen in der Ecke ging und aus der auf der Platte stehenden Kanne einschenkte. Lassiter nahm den Becher entgegen und nickte dankbar, während sich Minks vor ihm gegen den Schreibtisch lehnte.

»So sieht man sich also wieder«, murmelte er und musterte Lassiter, bevor er einen Schluck aus seinem Becher nahm. »Scheint so, als würde man mir in Washington nicht mehr trauen.«

»Das verstehen Sie falsch, Donovan«, widersprach Lassiter. »Niemand macht Ihnen einen Vorwurf. Wir wissen sehr gut, womit Sie sich herumschlagen müssen, und Sie haben in den letzten Jahren einen verdammt guten Job gemacht.«

Minks setzte ein schiefes Grinsen auf. »Sehr nett, dass Sie es in ein Kompliment verpacken, Lassiter. Aber mir ist durchaus bewusst, dass mir die Silberlinge seit fast zwei Jahren auf der Nase herumtanzen. Die Minenbesitzer machen mir die Hölle heiß, weil ich noch nicht einen von diesen Schurken zu fassen bekommen habe.« Er stellte seinen Becher neben sich auf dem Schreibtisch ab und legte zerknirscht die Stirn in Falten.

»Carson City ist eine Boomtown, und bevor Sie hier den Stern übernommen haben, herrschte das Gesetz des Stärkeren«, entgegnete Lassiter bedächtig. »Dass man hier nicht mehr ungestraft jemanden ins Jenseits befördern kann, dessen Gesicht einem nicht passt, ist Ihr Verdienst. Und diese Informationen sind auch in der Hauptstadt angekommen.«

»Danke für die Blumen«, brummte Minks und grinste schief. »Ich bin mir dessen bewusst, dass das nicht genug ist. Aber mit dem Geld, das ich erhalte, kann ich gerade einmal sechs Deputies bezahlen. Das ist, als würde man den Green River mit ein paar Eimern trockenlegen wollen.«

Sein Gegenüber zuckte die Achseln und bemühte sich um ein Lächeln. »Ich verstehe Ihre Probleme, Donovan. Glauben Sie mir. Deshalb bin ich hier. Nicht, um Ihnen am Zeug zu flicken oder Ihren Job zu übernehmen. Ich will Ihnen nur helfen, okay?«

Sekundenlang sahen die beiden Männer sich in die Augen, bevor Minks ergeben die Hände hob.

»Okay«, brummte er schließlich. »Warum auch nicht? Es ist mir allemal lieber, Sie an meiner Seite zu wissen, als diese Hyäne, die im Auftrag der Versicherung von Armbruster …«

Lassiter runzelte die Stirn. »Douglas Armbruster?«

»Wer sonst?« Minks rümpfte die Nase. »Es vergeht kaum ein Tag, an dem seine Versicherungsagentin nicht bei mir auftaucht. Diese Frau ist ein Bluthund, glauben Sie mir! Sie hat mir ins Gesicht gesagt, dass ich selbst mit den Silberlingen unter einer Decke stecke und sie das herausfinden wird. Diese Person ist eine Plage.«

Er warf einen mürrischen Blick zum Fenster hinaus. »Ich schätze, Sie werden sie bald kennenlernen.«

Lassiter nahm einen Schluck aus seinem Kaffeebecher und senkte den Blick. Dabei beschloss er, Minks vorerst nicht zu verraten, dass es Douglas Armbruster gewesen war, der seine Kontakte nach Washington hatte spielen lassen und die Brigade Sieben dazu bewogen hatte, ihn nach Nevada zu entsenden.

»Diese Frau, von der Sie da reden, Donovan …«

»Vera Cruz«, gab Minks zurück und schaute ihn an. »Sie arbeitet für die Versicherungsgesellschaft, die für die Überfälle geradestehen muss. Ihr Begleiter heißt Kertesz, ein kleiner Mann mit komischem Akzent.«

»Miss Cruz stellt also auf eigene Faust Nachforschungen an?«

Der Marshal nickte. »Davon gehe ich aus. Wobei sie sich stets geweigert hat, mir etwas über ihre Erkenntnisse zu verraten. Unsere Gespräche beschränkten sich eigentlich immer darauf, dass sie mich als Komplizen der Silberlinge bezichtigt hat.«

Er zuckte mit den Achseln und erhob sich, als wäre das etwas, was man hinnehmen musste wie eine Erkältung.

Mit einem schmalen Lächeln griff der Marshal neben sich und zog eine staubige Satteltasche hervor. »Miss Cruz wird Ihre Meinung aber wohl bald revidieren müssen.« Er warf die Tasche auf die Tischplatte zwischen sich und Lassiter, worauf der fragend die Augenbrauen hob.

»Ich glaube nämlich, ich kenne den Schlupfwinkel der Silberlinge«, brummte Minks, und dabei umspielte ein feines Lächeln seine Lippen.

***

»Sie haben eine Menge Blut verloren, Ma’am.«

Der Arzt kratzte sich über den kahlen, nur von einem schmalen Haarkranz gesäumten Kopf und versuchte angestrengt, Vera Cruz’ offenherziges Dekolleté zu übersehen. »Aber die Kugel, die ich gerade aus ihrem Oberschenkel entfernt habe, hat gottlob nicht die Schlagader erwischt. Drei Fingerbreit weiter links, und sie wären ausgelaufen wie ein offener Wasserschlauch.«

Sie richtete sich auf dem Bett auf und verzog die Lippen, weil ein scharfer Schmerz ihr sofort bis in den Kopf hinaufschoss.

»Vorsichtig, Vera«, brummte Mihaly Kertesz besorgt und drückte sie sanft auf das Kopfkissen zurück.

»Sie sind uns wieder durch die Lappen gegangen, habe ich recht?«, stellte sie eine überflüssige Frage, und eine steile Falte erschien über ihrer Nasenwurzel. Kertesz hob nur bedauernd die Schultern.

»Mierda!«

»Der Zug hat eine halbe Meile vor dem Bahnsteig Wasser aufgenommen, dabei müssen die Banditen in den Zug gelangt sein. Es ist unglaublich, mit welcher Dreistigkeit diese Galgenvögel vorgehen«, erklärte Kertesz.

»Waren das wieder diese Silberlinge?«, fragte der Doc mit sorgenvoller Miene, und Vera Cruz nickte mürrisch.

»Warum haben Sie sich den Banditen allein entgegengestellt? Hätte man nicht den Sheriff hinzuziehen müssen?« Der Arzt musterte sie unter hochgezogenen Augenbrauen, doch sie ignorierte seine Frage.

»Wir müssen sofort zurück nach Carson City, Mick. Ich will mir unseren Gambler noch einmal vorknöpfen. Das Aas hat seine Prämie … nun, wenigstens einen Teil davon kassiert und uns dafür mit Halbwahrheiten abgespeist!«

»Das ist völlig unmöglich, Miss«, widersprach der Doc entschieden. »Sie müssen mindestens für zwei Tage das Bett hüten, sonst kann ich für nichts garantieren.«

Sie schüttelte trotzig den Kopf und wollte sich aus dem Bett schwingen, doch ihr wurde schlagartig schwarz vor Augen, sodass sie den Versuch sofort wieder aufgeben musste und mit einem leisen Stöhnen zurück auf das Kissen sank.

Kertesz strich ihr über die Schulter. »Du gehst vorerst nirgendwohin, Darling«, erklärte er, und seine Miene duldete keinen Widerspruch. »Ich werde mich um unseren Informanten kümmern und hole dich ab, sobald du wieder bei Kräften bist.«

»Philippa bringt Ihnen gleich eine Hühnersuppe, und danach müssen Sie sich unbedingt ausruhen«, ergänzte der Arzt. »Hören Sie auf Ihren Freund, Ma’am. Sonst werden Sie es schnell bereuen, glauben Sie mir.«

Vera seufzte, dann gab sie sich widerwillig geschlagen. »Also gut. Aber ich erwarte dich noch heute Abend zurück, Mick. Und du musst sofort losreiten, bevor Lonsdale womöglich stiften geht und wir wieder bei null anfangen können.«

»Natürlich.« Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und verließ mit schnellen Schritten das Krankenzimmer. Der Doc bedachte sie noch mit einem mahnenden Blick, bevor er die Tür hinter sich schloss und sie allein in der kleinen Kammer zurückblieb.

Vera verschränkte die Hände im Nacken und starrte aus verengten Augen an die Decke. Nichts war ihr mehr zuwider, als zur Untätigkeit verdammt zu sein, doch wenn sie die Verletzung ignorierte und die Wunde wieder aufriss, konnte die Untätigkeit bis zum Jüngsten Tag dauern, und das war die weitaus schlechtere Alternative.

Sie waren so nah dran gewesen, diese Hurensöhne endlich zu erwischen! Wochen zäher und ergebnisloser Ermittlungen waren vorangegangen, seit die Bailey & Sons Insurance Company sie mit der Untersuchung der Überfälle betraut hatte. Sie und Mihaly waren durch die übelsten Spelunken von Reno bis Carson City gezogen und hatten Spesengelder verschwendet an zwielichtige Typen, die behaupteten, etwas über die Silberlinge zu wissen – ohne den Outlaws auch nur nahe zu kommen. Stattdessen hatte die Bande zwei weitere Kutschen überfallen und war mit der Beute entkommen.

Douglas Armbruster, der mächtigste Silberbaron der Region und zahlungskräftigster Kunde von Bailey & Sons, hatte sie auf seine Ranch zitiert und ihr gehörig den Kopf gewaschen, weil sie sich seiner Meinung nach als ebenso unfähig erwies wie die staatlichen Gesetzeshüter, doch dabei hatte der Mann einen feinen Unterschied gemacht.

Denn Armbruster glaubte fest daran, dass zumindest im Fall des Marshals von Carson City, Douglas Minks, wohl nicht dessen Inkompetenz der Grund für seine Erfolglosigkeit bei der Verfolgung der Silberlinge war, sondern vielmehr ein Interessenkonflikt. Denn der Silberbaron war davon überzeugt, dass Minks mit der Bande unter einer Decke steckte.

Vera war diesem Verdacht nachgegangen und fand tatsächlich ein paar Hinweise darauf, dass an Armbrusters Theorie etwas dran sein konnte. Der Marshal war nicht nur einmal der Erste gewesen, der am Ort eines Überfalls auftauchte. Immer allein, nie hatte ihn ein Deputy begleitet.

Und danach waren Hinweise auf die Bande, von der ihre Zeugen berichteten, auf wundersame Weise nicht mehr auffindbar gewesen.

Die Überfälle waren gut vorbereitet, liefen aber oftmals nicht nur äußerst blutig ab, sondern endeten auch in einer kopflosen Flucht der Banditen, die dabei Waffen und manchmal auch Pferde zurückließen. In einem Fall hatte der Postkutscher ihr gegenüber steif und fest behauptet, einen der Banditen auf der Flucht erschossen zu haben. Doch Minks wollte keinen Toten gefunden haben.

Als Vera das Privatleben des Marshals unter die Lupe nahm, stieß sie auf die nächste Merkwürdigkeit. Minks war verheiratet und hatte eine kleine Tochter, doch die beiden waren seit Wochen nicht mehr in Carson City gesehen worden. Angeblich besuchten sie Verwandte in Kalifornien, ohne dass ihr jemand hätte sagen können, wo genau sie sich aufhielten.

Der Marshal selbst hatte auf ihre Fragen mit eisigem Schweigen und unverhohlener Feindseligkeit reagiert, was ihren Argwohn nur noch mehr anfachte. Mittlerweile war sie fest davon überzeugt, dass Minks Dreck am Stecken hatte.

Eine Zusammenarbeit mit dem Marshal verbot sich daher von selbst. Doch Vera hatte noch einen weiteren Grund dafür gehabt, sich an diesem Tag allein mit Kertesz auf die Lauer zu legen.

Denn nur wenn sie selbst den Silberlingen das Handwerk legte, hatte sie Anspruch auf die volle Prämie von fünftausend Dollar, die Bailey & Sons ihr in Aussicht gestellt hatte. Sollten Ordnungshüter an der Festnahme der Bande beteiligt sein, würde sie lediglich zweitausend Dollar bekommen. Ein triftiger Grund, der sie davon abgehalten hatte, zumindest den Sheriff von Wichita Falls ins Vertrauen zu ziehen.

Das hatte ihr eine böse Schusswunde eingetragen und zog möglicherweise auch noch Ärger mit dem örtlichen Sternträger nach sich, wenn der Mann nicht auf den Kopf gefallen war und etwas länger über die Schießerei am Bahnhof nachdachte. Denn dann würde er sich fragen, warum sie und Mick so schnell zur Stelle gewesen waren.

Die Tür der Kammer öffnete sich, und eine mollige Frau mit einem weißen Kittel streckte den Kopf herein. Als sie sah, dass Vera wach war, blinzelte sie freundlich und kam herein, ein Tablett mit einer dampfenden Schale vor ihrem ausladenden Busen balancierend.

»Ich habe etwas zu essen für Sie, Miss Cruz. Damit Sie wieder zu Kräften kommen.«

Vera setzte sich vorsichtig auf, während die Schwester das Tablett auf dem Tischchen neben dem Bett abstellte und ihr die Schale und einen Löffel reichte.

»Vorsichtig, es ist heiß. Die Suppe wird Ihnen guttun, und danach sollten Sie versuchen, etwas zu schlafen.«

Vera bedankte sich artig, und die Frau lächelte ihr aufmunternd zu, bevor sie den Raum wieder verließ.

Die Suppe duftete köstlich, und erst jetzt spürte Vera, wie hungrig sie war. Sie musste sich zwingen, in die Schale zu pusten und langsam zu essen, um sich nicht den Mund zu verbrennen, doch als sie die Mahlzeit beendet hatte, spürte sie, wie die Lebensgeister in ihr wieder zum Leben erwachten.

Ihre Gedanken kreisten um Topper Lonsdale, jenen Gambler, den Mihaly Kertesz vor zwei Tagen beim Pokern in Carson Citys größtem Saloon, dem Dollar Inn, kennengelernt hatte. Mick hatte sich als tapferer Verlierer gegeben und eine Runde Whiskey nach der anderen, um mit Lonsdale ins Gespräch zu kommen, und die Investition hatte sich als lohnenswert herausgestellt. Denn der Profizocker kannte Details über die Überfälle der Silberlinge, die ihren Partner und Geliebten davon überzeugt hatten, dass diesmal kein Schwätzer vor ihm saß, sondern sie endlich auf einen wirklichen Insider gestoßen waren.

Doch Lonsdale ließ sich nicht mit ein paar Drinks und den lumpigen Dollars aus dem Pot abspeisen. Als sie sich spät in der Nacht zu dritt in einem Separee des Dollar Inn zusammenfanden, wollte der schmierige kleine Scheißer doch tatsächlich dreihundert Dollar von ihr!

Sie hatte laut gelacht und sich vom Tisch erhoben, doch dann hatte Lonsdale einen Namen ausgesprochen, der sie mitten in der Bewegung erstarren ließ.

Alphonse Delarue.

Der Gambler war ihrem verblüfften Blick begegnet, als hätte er gerade vier Asse auf den Tisch gelegt, und nachdem sie sich wieder hingesetzt und ihm ohne Umschweife hundert Dollar zugeschoben hatte, war sein Grinsen noch ein wenig breiter geworden.

Wenn Delarue hinter den Silberlingen steckte, dann war die Sache noch weitaus größer, als sie gedacht hatte.

Sie hatte zwei weitere Hundert-Dollar-Scheine hervorgeholt und sie vor Lonsdales Augen in der Mitte durchgerissen, bevor sie zwei halbe Scheine vor sich auf den Tisch legte und ihm mit einem Zwinkern zu verstehen gab, dass er ihrer Aufmerksamkeit gewiss sein konnte, keinesfalls aber ihres Vertrauens.

»Die anderen beiden Hälften bekommen Sie, wenn Miss Cruz glaubt, dass Ihre Information dieses exorbitante Honorar rechtfertigt«, hatte Mick an ihrer Stelle erklärt, und Lonsdale hatte gleichmütig die Achseln gezuckt und seine Notenhälften in der Rocktasche verschwinden lassen.

»Wichita Falls. Am Montag. Der Zug der Western Railroad, um acht Uhr dreißig.«

Lonsdale hatte seine Hand ausgestreckt, doch Vera war vom Tisch aufgestanden. »Wir treffen uns Montag um zwei wieder hier, Mr. Lonsdale. Dann bekommen Sie Ihr Geld. Vorausgesetzt, Sie haben uns nicht verarscht.«

Das schiefe Lächeln des Gamblers erschien ihr nun in der Erinnerung eine neue Bedeutung zu gewinnen. Offenbar war Lonsdale der Meinung gewesen, dass sie für zwei halbe Banknoten nicht erwarten konnten, alles über den Überfall zu erfahren.

Doch es war müßig, darüber zu spekulieren, ob der Bursche ihnen die vorenthaltenen Details verraten hätte, wenn sie ihm auch die anderen Hälften überlassen hätte. Nun konnte sie nur noch darauf hoffen, dass die Geldgier Lonsdale dazu bewog, die Verabredung im Dollar Inn einzuhalten.

Mick hatte das Geld dabei. Doch angesichts ihrer Verletzung war sie sicher, dass Kertesz es nicht dabei belassen würde, den Gambler zu bezahlen und sich höflich zu bedanken.

***

Lassiter starrte eine Weile auf die zerdrückten Blüten und Früchte, die vor ihm auf der zerkratzten Platte des Tisches lagen, bevor er ratlos zu Minks aufsah und sich ein schiefes Grinsen abrang. »Die Silberlinge haben eine Vorliebe für Beeren? Das klingt für mich nicht so sensationell, Don.«

Minks klopfte auf die Satteltasche, die er zuvor ausgeschüttet hatte. »Das Ding hier habe ich auf dem Rücken eines toten Packpferdes gefunden, nach dem Überfall auf die Silberkutsche vor einer Woche oben am Widows Creek. Burton Kendall, den Kutscher, hatten die Banditen zwar entwaffnet, aber das Schlitzauge hatte noch ein zweites Gewehr hinter dem Bock versteckt und ihnen ein paar Kugeln auf den Pelz gebrannt, als sie abgehauen sind. Der Alte schwört Stein und Bein, dass er nicht nur den Gaul erwischt, sondern auch einen der Silberlinge aus dem Sattel geholt hat, aber ich habe nur das Packpferd entdecken können. Möglich, dass die Galgenvögel ihren Kumpan aufgenommen haben, wenn Burt ihn denn wirklich getroffen hat. Der Gute ist schon über sechzig und ziemlich kurzsichtig.«

Lassiter deutete auf die Pflanzen. Das Fragezeichen in seinem Gesicht war nicht verschwunden, sondern hatte sich eher vergrößert.

»Wacholder, Lassiter. Diese Art wächst nur im Südosten der Sierra Nevada, und zwar erst oberhalb von tausend Fuß.«

Lassiter pfiff beeindruckt durch die Zähne. »Dafür, dass Sie erst seit zwei Jahren in Carson City sind, kennen Sie sich gut aus in der Gegend, Donovan.«

Der Marshal schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Ich habe mich bei einem alten Indianer erkundigt, der hier auf dem Markt Kräuter verkauft. War nur so eine Idee, aber das könnte eine entscheidende Spur sein, oder nicht?«

»In der Tat«, murmelte Lassiter und hob die Augenbrauen. »Obwohl immer noch ein großes Areal in Frage kommt, in dem sich der Schlupfwinkel der Bande befinden kann.«

»Schon, aber dieses Areal ist äußerst unzugänglich. Steile Felshänge, tiefe enge Canyons und kaum Wege, die breit genug sind für Fuhrwerke. Es gibt dort nur wenige Orte, die mit schwer beladenen Kutschen erreichbar sind und an denen sich ein Dutzend Männer mit ihrer Beute verstecken könnte.«

Er öffnete eine Schublade des Schreibtischs und zog eine Landkarte heraus, die er zwischen sich und Lassiter ausbreitete.

»Schauen Sie.« Er umkreiste das Gelände mit dem Zeigefinger, und die Männer beugten sich tiefer herab.

»Hier verläuft der Overland Trail nach Reno. Da oben die Bahnlinie. Ich habe die Orte der Überfälle markiert.«

Lassiter nickte und studierte die roten Kreuze. Bei genauerer Betrachtung erschienen sie tatsächlich ein Muster zu ergeben, in deren Mitte sich die Region des mächtigen Gebirges befand, in denen Minks den Rückzugsort der Silberlinge vermutete.

»Was ist das hier?«

»Die Poststraße von Carson City nach Wichita Falls«, antwortete Minks und ließ seinen Finger an einer gestrichelten Linie aufwärts wandern, die von der Poststraße abzweigte. »Und das hier ist ein alter Handelsweg, der mittlerweile kaum noch benutzt wird. Er führt über den Pass auf die Mesa del Parros und dann südwestlich durch den Manson Creek. Weit und breit die einzige befestigte Piste jenseits der Poststraßen. Bis vor zehn Jahren haben noch eine Menge Händler die Strecke benutzt, obwohl sie beschwerlich ist und das Wetter da oben unberechenbare Kapriolen schlägt, doch seit wir die Eisenbahn haben und die beiden neuen Strecken um die Berge herum, kommt niemand mehr auf die Idee, den Weg zu benutzen.«

Lassiter nickte nachdenklich. »Waren Sie schon mal da oben?«

»Dafür gab es bisher keinen Grund«, antwortete Minks und zuckte die Achseln. »Da gibt es nichts außer …«

»Außer ein paar Banditen und einem großen Haufen Silber, wenn Sie recht haben«, ergänzte Lassiter.

Der Marshal wog den Kopf und rieb sich die Nase. »Wenn ich recht habe. Die Bande kann sich auch ganz woanders verkrochen haben.«

Lassiter musterte sein Gegenüber eindringlich, doch die Miene von Minks war schwer zu deuten. Er wirkte übernächtigt und getrieben, was angesichts der Umstände verständlich war. Schließlich kannte Lassiter ihn als ehrgeizigen Verfechter des Gesetzes, und da war es nur natürlich, dass es dem Marshal zu schaffen machte, monatelang erfolglos einer Räuberbande hinterher zu hetzen und zum Dank dafür auch noch der Komplizenschaft bezichtigt zu werden.

Doch Lassiter glaubte, in Donovan Minks’ Augen noch etwas anderes erkannt zu haben. Etwas, was tiefer lag unter der Schicht aus unterdrückter Frustration und grimmigem Durchhaltevermögen.

»Sie werden hungrig sein«, unterbrach der Marshal seine Gedanken und bemühte sich um ein freundliches Lächeln. Er deutete an Lassiters Schulter vorbei durch das Bürofenster, und der wandte sich um.

»Betsy Rickenbekker hat gerade aufgemacht. Gönnen Sie sich ein kräftiges Frühstück und ruhen Sie sich ein paar Stunden aus. Ich habe noch das ein oder andere zu erledigen, aber gegen Mittag könnten wir uns mit meinen Deputies wieder hier treffen und das weitere Vorgehen besprechen. Was halten Sie davon?«

Lassiter erhob sich und schüttelte dem Marshal die Hand. »Klingt nach einem guten Plan. Dann bis nachher.«

***

Als er den Saloon betrat, war Lassiter einer der ersten Gäste. Nur ein Quartett müde aussehender Miner saß an einem großen Tisch neben dem Eingang und verzehrte schweigend ein verführerisch duftendes Frühstück.

»Guten Morgen, Mister.« Die junge Frau hinter dem Tresen trug ein strahlendes Lächeln zur Schau, das in krassem Gegensatz zu den versteinerten Mienen der Gäste hinter ihnen stand. »Was kann ich Gutes für Sie tun?«

»Das, was die Gents da hinten am Tisch haben, sieht ganz hervorragend aus, Ma’am«, entgegnete Lassiter freundlich. Betsy mochte um die Zwanzig sein, war eine echte Schönheit und entsprach damit ganz und gar nicht der Erwartung, die er sich von der Chefin des Saloons gemacht hatte.

»Eine doppelte Portion davon für mich, wenn’s recht ist. Und dazu einen starken Kaffee.«

Sie nickte eifrig. »Kommt sofort, Sir.«

Er ließ sich an einem schmalen Tisch in der Ecke des Schankraumes nieder und registrierte beiläufig die misstrauischen Blicke der Männer neben dem Eingang. Als er herausfordernd zurück starrte, senkten sie rasch die Köpfe und konzentrierten sich wieder auf die Teller, die vor ihnen standen.

Er streckte sich und bewegte den steifen Hals von links nach rechts, um die verhärteten Muskeln zu lockern. Der Ritt von Reno nach Carson City war kein Zuckerschlecken gewesen.

Mitten in der Nacht war ein Sandsturm über ihn hereingebrochen, und er hatte seinem Braunen den Futtersack über den Kopf ziehen und in der Dunkelheit nach Schutz für sich und das Tier suchen müssen, bis der Orkan gen Westen über sie hinweg gezogen war. Die feinen Sandkörner spürte er immer noch überall unter den Kleidern, sie juckten so hartnäckig in den Poren, als wollten sie in ihn eindringen.

»Einmal das Frühstück für zwei, und ein Kaffee, der Tote aus den Gräbern holt.«

Lassiter hob den Kopf und blickte in ein Paar dunkelgrüner Augen, in denen man ertrinken konnte.

Alles, was sich darunter befand, war fast noch besser.

»Herzlichen Dank, Betsy …«, sagte er, und sie stieß ein glucksendes Kichern aus.

»Hab ich was Falsches gesagt?«, fragte er überrascht.

»Schon in Ordnung, Mister«, entgegnete sie. »Aber Betsy Rickenbekker ist meine Mutter. Ich heiße Jane. Mom arbeitet erst ab dem Nachmittag hier, wenn Alkohol ausgeschenkt wird.«

Lassiter grinste. »Verstehe. Okay, Jane. Könnte ich bei Ihnen auch ein Zimmer bekommen? Und ein Bad? Ich habe ehrlich gesagt das Gefühl, einen Sack Wüstensand mit mir herumzutragen.«

Jane Rickenbekker beugte sich ein wenig vor und nickte ernsthaft. »Zweimal ja, Mister …«

»Lassiter«, beantwortete er die unausgesprochene Frage.

»Okay, Mister Lassiter. Also … Unsere Zimmer sind einfach, aber sauber, mein Wort drauf. Und oben im ersten Stock haben wir einen Zuber stehen, der sogar so große Kerle wie Sie …« Jane hielt einen Moment inne und warf ihm einen kurzen Blick zu, wobei eine leichte Röte über ihr Gesicht zog. »Soll ich Wasser für Sie heißmachen?«

»Das wäre toll, Jane.«

Sie wackelte mit dem Kopf und brachte dabei ihre blonden Locken zum Tanzen, bevor sie auf den Teller deutete. »Wünsche einen guten Appetit!«

Dann sprang sie mit munteren Schritten die schmale Treppe in den ersten Stock hinauf, und Lassiter sah ihr amüsiert nach, bevor er sich seinem Teller zuwandte.

Die Kleine war eventuell nicht die hellste Kerze am Baum, aber sie hatte ein unwiderstehlich sonniges Gemüt.

Kross gebratener Speck, gebratene Kartoffeln und frische grüne Bohnen, dazu warmes Maisbrot, gewürzt mit der scharfen Ketchup-Sauce von Heinz, die er von der Ostküste her kannte. Das war genau die Mahlzeit, nach der ihm an diesem Morgen der Sinn stand.

Er verputzte den üppig gefüllten Teller in wenigen Minuten und nahm einen kräftigen Schluck aus dem Kaffeebecher, während sich die Männer am Tisch vor dem Fenster erhoben und den Raum verließen, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.

Was ihn nicht weiter störte. Er wollte mit den unfreundlichen Kerlen genauso wenig Freundschaft schließen wie sie mit ihm und war nicht unzufrieden damit, nun der einzige Gast und allein mit seinen Gedanken zu sein.

Er konnte sich noch kein komplettes Bild machen von dem, was ihn hier in Nevada erwartete, und das Gespräch mit Marshal Donovan Minks hatte die Lage nicht klarer werden lassen.

Es gab ein paar Informationen in dem Dossier der Brigade Sieben, die er Minks gegenüber nicht erwähnt hatte. Denn die Depesche von Douglas Armbruster war nicht der Grund, sondern nur ein Anlass gewesen, um Lassiter nach Nevada zu schicken.

Er war nämlich auch deswegen hier, weil seine Auftraggeber den dringenden Verdacht hegten, dass Alphonse Delarue hinter den Silberlingen steckte.

Delarue hatte von Reno bis Carson City überall seine Hände in jenen Geschäften, die im Schatten zwischen Legalität und Verbrechen ihr emsiges Dasein betrieben: Glücksspiel, Prostitution, Preiskämpfe mit Menschen, Hähnen und Hunden sowie jene Art von Selbstjustiz, die in diesen Regionen der Vereinigten Staaten gemeinhin akzeptiert wurde, weil das Vertrauen in die staatlichen Ordnungskräfte nicht sonderlich ausgeprägt war.

Ihm gehörten laut Schätzung der Brigade drei Viertel aller zwielichtigen Etablissements der Region, und vom Rest der Läden bezog er Schutzgelder. Delarue verfügte vermutlich über mehr Einfluss als der vor zwei Jahren eingesetzte Gouverneur des Staates Nevada, wenn der nicht sogar auf dessen Lohnliste ganz oben stand.

Es hatte Hinweise auf gefälschte Silberdollars gegeben, und zwar nur wenige Monate, nachdem die Überfälle der Silberlinge in Nevada begonnen hatten. Dahinter schien ein System zu stecken, und wenn das Schule machte, konnte dadurch das gesamte Wirtschaftssystem der USA ins Wanken geraten. Die Prägung des dünnen Silbermantels der Münzen, die im Inneren zu achtzig Prozent aus Blei bestanden, sah bemerkenswert echt aus, und das Falschgeld war sogar bereits an der Ostküste aufgetaucht. Daher musste man davon ausgehen, dass es hier um ein kriminelles Unternehmen im ganz großen Stil ging.