Lassiter Sammelband 1832 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1832 E-Book

Jack Slade

0,0
4,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2377, 2378 und 2379.
Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

2377: Showdown am Mississippi
Das Klirren und Klappern der Arzneifläschchen hinten auf dem Fuhrwerk hörte Jonathan Bowman nach all den Jahren längst nicht mehr. Er fuhr die Strecke von der Anlegestelle am Mississippi hinauf zu den einstigen Plantagenhäusern einmal im Monat. Doch diesmal sollte es ihn das Leben kosten. Von den chemischen Vorgängen, die sich in den kleinen Glasphiolen in seinem Rücken abspielten, wusste Bowman nichts.

2378: Die verwegene Miss Penny
An dem Tag, als die verrückten Ereignisse ihren Lauf nahmen, regnete es in Strömen. Robert Wayne war auf dem Heimweg zu seiner Ranch am Red River. Die Trampelpiste, auf der er ritt, war von etlichen Pfützen bedeckt. Manche mochten tiefer sein, als es den Anschein hatte. Vorsichtig lenkte er Blacky um die Gefahrenquellen herum. Er erreichte sein Gehöft ohne Zwischenfälle. Jamie, seine schwangere Frau, erwartete ihn am Torbogen. Bei ihrem Anblick ging dem jungen Rancher das Herz auf.

2379: Bison Trail
"Die erste Patrone des Tages", sagte Elbert Coles und spuckte auf das Bleigeschoss Kaliber .54. Wie ein dicker zylindrischer Körper mit ovaler Spitze hockte es auf seiner matt schimmernden Messinghülse. Coles hob die Patrone mit Daumen und Zeigefinger in Augenhöhe und betrachtete sie andächtig im Licht der Morgendämmerung. In dem seitlich offenen, überdachten Güterwaggon herrschte noch Halbdunkel. Vor ihnen, über den Plains nördlich des Bahngleises, lag dichter Nebel.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 385

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: © Del Nido/Norma ISBN 978-3-7517-0910-1 www.bastei.de www.luebbe.de www.lesejury.de

Jack Slade

Lassiter Sammelband 1832

Inhalt

Jack SladeLassiter 2377 - WesternDas Klirren und Klappern der Arzneifläschchen hinten auf dem Fuhrwerk hörte Jonathan Bowman nach all den Jahren längst nicht mehr. Er fuhr die Strecke von der Anlegestelle am Mississippi hinauf zu den einstigen Plantagenhäusern einmal im Monat. Doch diesmal sollte es ihn das Leben kosten. Von den chemischen Vorgängen, die sich in den kleinen Glasphiolen in seinem Rücken abspielten, wusste Bowman nichts. Er hatte einen Auftrag erhalten, und der führte ihn zu dem stattlichen Herrenhaus von Henry Tussaud. Er mochte das Ehepaar Tussaud und hätte ihm nie ein Leid zugefügt. Doch an diesem Sonntag ließ ihm das Schicksal keine Wahl...Jetzt lesen
Lassiter 2378 - WesternAn dem Tag, als die verrückten Ereignisse ihren Lauf nahmen, regnete es in Strömen. Robert Wayne war auf dem Heimweg zu seiner Ranch am Red River. Die Trampelpiste, auf der er ritt, war von etlichen Pfützen bedeckt. Manche mochten tiefer sein, als es den Anschein hatte. Vorsichtig lenkte er Blacky um die Gefahrenquellen herum. Er erreichte sein Gehöft ohne Zwischenfälle. Jamie, seine schwangere Frau, erwartete ihn am Torbogen. Bei ihrem Anblick ging dem jungen Rancher das Herz auf. Er saß ab und nahm Jamie in die Arme. "Ich habe dir dein Lieblingsessen gekocht, Bob", sagte sie. Wayne gab der Schwangeren einen Kuss und geleitete sie ins Haus. Doch als er sein Pferd später in den Stall bringen wollte, erwartete ihn eine böse Überraschung. Blacky war nicht mehr da.Jetzt lesen
Lassiter 2379 - Western"Die erste Patrone des Tages", sagte Elbert Coles und spuckte auf das Bleigeschoss Kaliber .54. Wie ein dicker zylindrischer Körper mit ovaler Spitze hockte es auf seiner matt schimmernden Messinghülse. Coles hob die Patrone mit Daumen und Zeigefinger in Augenhöhe und betrachtete sie andächtig im Licht der Morgendämmerung. In dem seitlich offenen, überdachten Güterwaggon herrschte noch Halbdunkel. Vor ihnen, über den Plains nördlich des Bahngleises, lag dichter Nebel. "Mögen du und deinesgleichen heute viele, viele Leben auslöschen", sagte Elbert Coles zu seiner Patrone, leise genug, um dort draußen niemanden aufzuschrecken. Seine fünf Gefährten lachten lautlos. Und sie taten es ihm nach, als er die Patrone in die offene Kammer seiner Sharps Rifle legte. Wenn er die Kammer schloss, würde er damit das Zeichen geben. Dann konnte das Sterben beginnen.Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Showdown am Mississippi

Vorschau

Showdown am Mississippi

Das Klirren und Klappern der Arzneifläschchen hinten auf dem Fuhrwerk hörte Jonathan Bowman nach all den Jahren längst nicht mehr. Er fuhr die Strecke von der Anlegestelle am Mississippi hinauf zu den einstigen Plantagenhäusern einmal im Monat. Doch diesmal sollte es ihn das Leben kosten.

Von den chemischen Vorgängen, die sich in den kleinen Glasphiolen in seinem Rücken abspielten, wusste Bowman nichts. Er hatte einen Auftrag erhalten, und der führte ihn zu dem stattlichen Herrenhaus von Henry Tussaud.

Er mochte das Ehepaar Tussaud und hätte ihm nie ein Leid zugefügt. Doch an diesem Sonntag ließ ihm das Schicksal keine Wahl …

Der milde Abend über den Häusern von Myrtleland hatte Henry Tussaud ganz wehmütig gestimmt, vor allem das blässliche Abendrot, das jenseits der Bäume am Fluss glühte und wie die romantische Kulisse eines gewaltigen Theaterstücks oder einer Oper aussah. Der kräftige Schwarze in der etwas zu eng geschneiderten Weste musste dabei an seine Ahnen denken, denen auf den Plantagen äußerst selten vergönnt gewesen war, sich am Abendrot zu erfreuen.

»Henry?«

Die sanfte Stimme von Tussauds Frau verlor sich beinahe auf der weitläufigen Veranda des Herrenhauses, das dem Ehepaar seit einigen Jahren gehörte. Sie hatten es erstanden, nachdem Tussaud Handelsverträge mit zwei Gesellschaften in Boston und New York ausgehandelt hatte, die der Tussaud Lumber Co. Profite auf Jahre bescheren würden.

»Janice?«, fragte Tussaud und wandte sich halb um. Er hustete und hielt sich am schmiedeeisernen Geländer der Veranda fest. »Ich wäre doch gleich zu dir gekommen.«

Die dunkelhäutige Frau mit den strahlenden Augen und dem pausbäckigen Gesicht, die wenige Schritte von ihm entfernt auf der Veranda stand, glich noch immer der Frau, in die sich Tussaud vor etwas mehr als einem Jahrzehnt verliebt hatte. Sie war unmerklich älter geworden, seit sie mit dem Holzhandel Erfolg hatten und durchwachte Nächte dazugehörten, aber von ihrem Charme und ihrem Esprit hatte Janice nichts verloren.

»Du weißt sehr wohl, dass ich es ohne dich nicht aushalte«, sagte Janice und kam langsam auf ihn zu. Sie hielt ein grünes Fläschchen in der Hand, das mit einem Korkstopfen verschlossen war. »Außerdem habe ich deine Medizin.«

Wieder überwältigte ein Hustenanfall Tussaud und zwang ihn, sich mit seinem ganzen Gewicht auf die Brüstung zu stützen. Er verdammte die schmerzhafte Tuberkulose, die ihn seit Jahren plagte und die sich allmählich auf die Lunge legte.

»Was hast du dabei?«, keuchte Tussaud und richtete sich wieder auf. Seine Augen tränten von der Anstrengung, die ihm der Husten bereitet hatte. »Das Daffy-Elixier?«

Seine Frau nickte und brachte die grüne Flasche zu ihm. Sie sah ihn an, zog den Korken heraus und drückte ihm das Gefäß in die Hand. »Trink es endlich, Henry. Es wird dir helfen, sagt Doc Blaker.«

»Es ist genau das gleiche Wasser wie alles andere«, knurrte Tussaud und sah wieder auf die Häuser von Myrtleland. Sie hockten am Mississippi wie Getreidegarben am Feldrand. »Nichts von alledem hilft. Ich habe es doch schon gestern getrunken.«

»Hast du?«, erwiderte Janice zweifelnd. Sie legte ihm den Arm um die Schultern und blickte ihn aus ihren herbstbraunen Augen an. »Du lügst, oder? Die Flasche ist noch immer voll. Bowman hat letztens eine frische Lieferung gebracht.«

Das zuckelnde Fuhrwerk von Jonathan Bowman war zu einem Bild der Hoffnung für Janice geworden, nachdem sie herausgefunden hatte, dass Bowman auch Daffy-Elixier beschaffen konnte. Die Arznei aus Anissamen, Koriander, Kümmel und Alant galt in manchen Kreisen als letzte Hoffnung für Tuberkulosekranke wie Tussaud.

»Zwei Löffel«, erklärte Tussaud mit einem Lächeln. Er sagte die Wahrheit. »Zwei Löffel habe ich genommen. Aber mir geht’s nicht besser.«

Sie hatte einer Menge Leute verschwiegen, woran Henry litt, vor allem den weißen Kunden von Tussaud Lumber Co., die nur auf einen Grund warteten, sich das Holz von einer anderen Gesellschaft zu beschaffen. Die meisten Geschäftsfreunde, die Tussaud inzwischen hatte, hätten sich vermutlich ohnehin nicht dafür interessiert.

Schwarze, hieß es hinter vorgehaltener Hand noch oft, sollten den Rücken besser krumm als steif machen.

»Nimm schon!«, drängte Janice weiter und drückte ihm das Fläschchen fester zwischen die Finger. »Ich will es, Henry. Ich brauche dich noch.« Sie wandte sich zur Brüstung und starrte auf die Wiesen hinunter. »Du weißt selbst, wie zeitig unsereins früher gestorben ist. Du schuldest es meiner Mutter und deinem Vater, die Medizin zu nehmen, die wir uns nun endlich leisten können.«

Zwei Dollar kostete die Flasche, und Henry wusste, dass nicht viele Menschen in Myrtleland – selbst nicht viele Weiße – das Privileg hatten, sich eine Flasche Daffy-Elixier liefern zu lassen.

»Gut, gut«, sagte Henry und setzte die Flasche an die Lippen. Er trank einen Schluck und verzog den Mund ob der Schärfe des Alkohols. »Ich könnte mich nicht –«

Ehe er Janice die Flasche zurückgeben konnte, ergriff Tussaud ein Schwächeanfall. Er fühlte plötzlich seine Beine nicht mehr, die sich in eine Art Wachs verwandelt hatten und unter ihm einknickten.

Seine Frau riss die schönen rehbraunen Augen auf und stürzte zu ihm.

Neben ihnen fiel das Daffy-Elixier zu Boden, schlug auf die marmornen Fliesen der Veranda und spritzte nach allen Seiten davon. Die Glasscherben tanzten über den Stein, als dirigierte sie eine unsichtbare Hand.

»Henry!«, schrie Janice und fing Tussaud halb auf. »Henry, was hast du?«

Hätte Henry antworten können, er hätte etwas von Blumen gesagt, die plötzlich in seinem Inneren aufsprossen, von etwas Schönem, ja sogar etwas unsagbar Schönem. Er sah ein Licht in der Ferne aufglühen, weit hinter dem anmutigen Kopf seiner Frau, die ihn unnatürlich panisch anblickte. Er wusste, dass sich so der Tod anfühlte, aber er wusste nicht, woher er gekommen war.

Henry, Henry …

Die vertraute Stimme seiner Frau wurde zu einem Echo, einem Hallen in einer riesigen Kathedrale, die dem Herrenhaus der Tussauds ganz ähnlich sah. Janices Worte klangen und verklangen und kehrten zurück, um das Gleiche noch einmal zu tun.

»Hab keine Angst!«, hörte Tussaud sich sagen. »Es ist alles in bester Ordnung.«

Dann raste das Licht heran, als würde es von fünfzehn Pferden gezogen, und stülpte sich mit der Macht einer Dynamitexplosion über ihn.

Es verschlang Janice und sein ganzes bisheriges Leben.

***

Unter den dichten Qualmwolken, die aus den schmuckvollen Schornsteinen der Natchez stiegen, verschwanden die Bäume am Ufer des Mississippi wie hinter einem dichten Schleier. Der Schaufelraddampfer hatte soeben Golden Grove passiert und nahm nun erheblich an Fahrt auf. Das Flussschiff war eine halbe Stunde im Verzug und versuchte nun, die verlorene Zeit aufzuholen.

»Mr. Lassiter?«

Der breitschultrige Mann an der Reling, der nachdenklich in den trüben Mississippi starrte, wandte sich langsam zu dem Passagier um, der gerade zu ihm getreten war. Er sah einen klein gewachsenen Mann in einer eleganten Uniform vor sich, der den Mund nervös zu einem Lächeln verzog.

»Mr. Sullivan?«, fragte Lassiter. »Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

Der erste Offizier der Natchez nickte förmlich und lehnte sich dann ebenfalls über die Reling. Er schaute sich nach den übrigen Passagieren um, die allein oder zu zweit über das Promenadendeck spazierten. »Sind Sie in New Orleans zugestiegen?«

»So ist es«, sagte Lassiter und lauschte eine Weile dem stampfenden Takt der Maschinenkolben unter dem Deck. »Das Telegramm hat mich dort erreicht. Ich hatte Glück, dass die Natchez gerade auf dem Plan stand.«

»Ich fürchte eher, dass wir mit Ihnen Glück haben«, erwiderte Sullivan trocken und rieb die Lippen gegeneinander. »Die Brigade Sieben konnte uns keinen besseren Mann für diese Sache empfehlen. Es geht um eine Angelegenheit von nationaler Bedeutung.«

Die Natchez gab einen gellenden Pfiff von sich, der unter den Passagieren heitere Ausrufe auslöste. Vom Ufer winkten einige dunkelhäutige Kinder, die mit ihren Flößen ein Stück auf den Fluss hinaus paddeln wollten.

»Worum geht es im Einzelnen?«, fragte Lassiter. »Der Mississippi ist ein friedlicher Ort.«

»Nicht für bestimmte Leute«, gab Sullivan zurück und richtete sich auf. »Aber ich kann Ihnen nicht auf Deck davon erzählen. Ich bin für eine Stunde vom Dienst befreit und würde Ihnen gern unsere luxuriöseste Kabine zeigen, wenn Sie gestatten. Es liegen Kartenmaterial und einige Unterlagen für uns bereit.«

Der Offizier wartete Lassiters Nicken nicht ab und wies seinem Gast mit einer eleganten Geste den Weg. Sie verließen das Promenadendeck durch eine der Seitentüren und fanden sich wenig später auf einem Kabinengang wieder.

»Die Natchez ist erst vor fünf Jahren in Dienst gestellt worden«, erläuterte Sullivan, während sie an den Kabinentüren vorbeiliefen. »Sie ist das modernste Flussschiff auf dem Mississippi und kann bei Bedarf auf acht Kessel zurückgreifen. Die Strecke zwischen New Orleans und Baton Rouge schaffen wir in kürzester Zeit.«

Nach kurzem Fußmarsch hielten sie vor einer elegant verzierten Tür mit einem schmiedeeisernen Knauf. Sie gewährte Einlass zu einer komfortablen Suite, die längsschiffs mit Szenen von rituellen Tänzen der Natchez-Indianer geschmückt war. Die Fenster verfügten über Bleigläser, auf denen gleichfalls indianische Motive zu sehen waren.

»Solche Suiten buchen gewöhnlich jene Männer«, nahm Sullivan das Gespräch wieder auf, »um die es in Ihrem Auftrag geht. Es sind wohlhabende Schwarze, die über Unternehmen und Grundbesitz verfügen und ihren Reichtum gern zur Schau stellen.«

»Reichtum ist kein Privileg der Weißen«, sagte Lassiter und lief in der Kabine herum. Die Darstellungen der Natchez bei ihrem rituellen Sonnentanz waren von beeindruckender Genauigkeit. »Was ist mit den Männern, von denen Sie gesprochen haben?«

»Sie sind tot«, sagte Sullivan und ließ eine längere Pause. »Sie sind allesamt in den vergangenen drei Monaten und unter mysteriösen Umständen gestorben. Manch einer in den Bayous glaubt schon an Hexenwerk.«

Vor dem Fenster stand eine Kommode mit einer bronzenen Büffelstatue darauf, die nicht recht zum Lagerleben der Natchez auf den sonstigen Kunstwerken passte. »Und was glauben Sie?«

»Wir glauben an kaltblütigen Mord«, sagte Sullivan und griff unter den Tisch in der Raummitte. Er brachte ein hellbraunes Kuvert zum Vorschein, das prall gefüllt war. »Vorwiegend an Schwarzen, die mit ihren Profiten weit über dem Durchschnitt von Louisiana und Missouri liegen.«

Zuoberst im Kuvert steckte die Daguerreotypie eines massigen Schwarzen, der mit stoischem Blick in Richtung des Photographen sah. Er hielt einen Gehstock in der Hand und saß in einem breiten Lehnstuhl.

»Henry Tussaud«, erläuterte Sullivan und reichte Lassiter die Fotoplatte. »Er ist das letzte Opfer. Er war Eigentümer der Tussaud Timber Co., einer der führenden Holzhandelsgesellschaften in Louisiana.«

Aufmerksam betrachtete Lassiter die Photographie und griff nach der Sterbeurkunde, die Sullivan ihm entgegenhielt. »Tuberkulose? Er ist an Tuberkulose gestorben?«

»Wenigstens ist das die offizielle Erklärung«, brummte Sullivan resigniert. »Die Wahrheit ist, dass ihm seine Frau ein gepanschtes Medikament gegeben hat. Der Lieferant der Arznei hat zugegeben, dass er zuvor von einer Frau mit dem Namen Lexy Walden beauftragt worden ist, eine Flasche des Medikaments abzuliefern.«

Tiefe Furchen durchzogen Lassiters Stirn im gleichen Moment. »Aus welchem Grund ist die Sterbeurkunde gefälscht? Ein Mord fiele in die Zuständigkeit des Marshals oder Sheriffs.«

Von Sullivan kam ein leichtes Seufzen. »Kein Marshal oder Sheriff weiß von den zwanzig Morden, die der Brigade Sieben in den letzten Monaten bekannt geworden sind.« Er zog eine Flusskarte des Mississippi aus dem Kuvert. »Sie ereigneten sich allesamt auf dem Flussabschnitt zwischen New Orleans und Baton Rouge.«

Die Finger des Offiziers glitten am Flussufer hinauf, während Sullivan die Namen vorlas. »Elmwood, Fair Grove, Oakland, Ashton, Killona … Es ist eine verdammt lange Liste, Lassiter.«

»Und die einzige Spur ist Lexy Walden?«, fragte Lassiter grübelnd. »Die ›Hexe‹?«

Der Zeigefinger von Sullivan verharrte auf einem Ort mit dem Namen Mulberry Place. »Vor der Hand schon. Sie stammt aus Mulberry Place.« Er sah zu Lassiter auf. »Sie sollten mit ihrem Vater sprechen.«

Schweigend starrte Lassiter auf die Flusskarte.

»Brauchen Sie einen Gewährsmann in Mulberry Place? Ich könnte Ihnen jemanden schicken.«

»Nein«, schüttelte Lassiter den Kopf. »Ich kenne jemanden dort.«

***

»O Lassiter!«

Die kastanienbraunen Haare von Mary Briggs stellten sich fächerförmig in der Luft auf, als sie den Kopf in die Höhe riss und sich mit beiden Armen noch fester gegen Lassiters Brust stemmte. Das Hausmädchen mit den ausladenden Hüften trug nur noch ihr hochgestreiftes Mieder und stöhnte jedes Mal laut, sobald es sich auf seinen Liebhaber niederfallen ließ.

»Leise, Mary!«, mahnte Lassiter zum dritten Mal. »Du weckst das ganze Hotel auf!« Doch wie schon bei ihrer ersten Begegnung vor einigen Jahren ließ sich der brünette Wirbelwind in seinem Bett nichts sagen.

»Sollen sie’s ruhig hören!«, hauchte Mary und ließ ihren Hintern auf Lassiters Schenkel klatschen. »Diese prüden Säcke aus Baton Rouge hatten noch nie solches Glück! Wie gut, dass du an mich gedacht hast!«

Wie hätte Lassiter diesen Wonneproppen von einer Frau auch vergessen können, die ihm schon einen Auftrag am Mississippi vor fünf Jahren versüßt hatte. Sie hatte ihm damals geholfen, ein versunkenes Flussschiff aufzuspüren, das im Lake Maurepas versenkt worden war. Eine Truhe mit mexikanischem Gold war in dem Dampfer versteckt gewesen, und die Brigade Sieben hatte jede einzelne Unze ihrem rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben.

»Dir galt mein erster Gedanke«, sagte Lassiter und verschwieg, dass er aus einem bestimmten Grund nach Mulberry Place gekommen war. »Ich hatte gehofft, dass du dich freust.«

Die springenden Brüste vor seinen Augen erschwerten ihm das Reden, aber nun hielt Mary inne und formte mit ihren vollen Lippen einen Kussmund. Sie zog ihn an sich und verschlang ihn buchstäblich. »Mich freuen? Machst du Scherze? Du bist damals über Nacht verschwunden, und ich –« Sie küsste ihn abermals. »Mir blieb nur die Sehnsucht.«

Das Zimmer im Mulberry Inn war deutlich geräumiger, als Lassiter befürchtet hatte, und es befand sich zudem in Sichtweite von Walden’s Pharmacy. Das zweistöckige Gebäude mit dem schmalen Vordach stand einer Straßenecke und war jeden Abend hell erleuchtet.

»Wo bist du nur mit deinen Gedanken?«, hauchte ihm Mary ins Ohr und rollte von ihm herunter. Sie legte einen Arm um seine Schultern und zog ihn zwischen ihre Beine. »Gefällt’s dir nicht? Hattest du zu viele Frauen unterwegs?«

Der Mann der Brigade Sieben lächelte und drang mit einem harten Stoß in seine Geliebte ein. Er fasste ihre Hände und drückte sie hinter ihren Kopf. »Mich kümmern gerade keine anderen Frauen, Kleines. Mir geht es um dich allein.«

Die geflüsterten Worte des großen Mannes rangen Mary ein wollüstiges Stöhnen ab. Die vollbusige Brünette schloss die Augen und gab sich Lassiters Liebkosungen willenlos hin.

Kurze Zeit später prallte das stählerne Bett in immer kürzeren Abständen gegen die Wand.

Sie liebten sich mit solcher Heftigkeit und Hingabe, dass Lassiter vergaß, aus welchem Grund er eigentlich nach Mulberry Place gereist war. Er vergaß die Unterlagen, die in seinem Reisegepäck steckten, und Sullivans fast flehenden Blick beim Abschied.

Was Lassiter jedoch nicht vergaß, war die Lust seiner Bettgefährtin.

Er trieb sie mit sanften und kräftigen Stößen im Wechsel an den Rand der Ekstase, betrachtete ihre bebenden Brüste, zwischen den der Schweiß hinabrann und sich in ihrem Bauchnabel sammelte. Marys braune Haare lagen in wilder Unordnung im Bett und zeugten von der Leidenschaft, mit der sie einander Vergnügen bereiteten.

»Lassiter!«, wisperte Mary und quietschte vor Erregung. »Mir kommt’s, ja! Jetzt gleich! Warte nur ab!«

Die Lider des Hausmädchens flatterten, als sie eine Woge der Lust überkam, als etwas ihre Haut in Flammen setzte und glühende Lava durch ihre Adern jagte. Sie bebte und zitterte und sank erschöpft in Lassiters Arme.

Als Mary allmählich zur Ruhe kam, brach auch Lassiters letzter Damm.

»Du hast nichts von deiner Kraft verloren«, raunte ihm Mary ins Ohr. Sie kraulte mit einem Finger in seinem Haar. »Aber jetzt sag mir, aus welchem Grund du wirklich hier bist. Ein Mann wie du kommt nicht wegen einer Frau in die Stadt.«

Mit einem Lächeln gab Lassiter ihr zu verstehen, dass ihre Vermutung nicht gänzlich falsch war. »Ich muss zu Sam Walden, dem Apotheker.« Er sah zum Fenster. »Kennst du ihn?«

Argwöhnisch stützte sich Mary auf ihren Arm und zog ein fragendes Gesicht. »Sam Walden von Walden’s Pharmacy? Was willst du bei dem alten Zausel?« Sie ließ den Finger vor der Stirn kreisen. »Unter uns gesagt, der Alte ist nicht mehr ganz bei Trost.«

Ohne einen Blick zu ihr sprach Lassiter weiter. »Nicht mehr bei Trost? Was meinst du? Er hat seine Tochter verloren.«

»Verloren?«, wiederholte Mary und machte ein verächtliches Geräusch. »Die dumme Gans ist mit einem Liebhaber durchgebrannt und verdient ihre Dollars jetzt mit kleinen Diebstählen. Walden hätte sie nicht wie eine Gefangene festhalten dürfen.«

Sie drückte Lassiters Kopf zu sich herum und küsste ihn. Der große Mann strich ihr das verschwitzte Haar hinters Ohr. »Sie ist ihrem Vater davongelaufen«, sagte er. »Ich wäre vielleicht auch seltsam an seiner Stelle.«

»Der Mann hat doch nichts zu leiden«, versetzte Mary entrüstet und schmiegte sich an Lassiters Oberkörper. »Er verdient gutes Geld mit den Kranken rings um Mulberry Inn. Er hat eine gute Frau, die für ihn sorgt. Nancy heißt sie, glaube ich.« Sie hob den Kopf, um Lassiter anblicken zu können. »Ihm geht es gut. Er braucht keine Hilfe.«

»Ich muss trotzdem mit ihm reden«, beharrte Lassiter und hob die Beine aus dem Bett. Es war mit Mary später geworden, als er gedacht hatte. »Du kennst meine Geschäfte.«

»Ach, ihr Männer habt doch alle eure Geschäfte!«, gab Mary spitz zur Antwort. »Ich bringe dich zu ihm hinüber, wenn du willst. Ein Fremder fällt in der Stadt immer auf. Du kommst leichter mit ihm ins Gespräch, sobald ein Sonnenschein wie ich dabei ist.«

»Sonnenschein?«, fragte Lassiter zweifelnd. »Du bist ein Wildfang, aber kein Sonnenschein.«

»Willst du mich verärgern?«, fragte Mary streng. Sie verzieh ihm jedoch sogleich bei einem Kuss. »Wärest du nicht ein solch attraktiver Mann, hätte ich nie eingewilligt, dich auf dem Hotelzimmer zu besuchen.«

»Inzwischen weiß das ganze Mulberry Inn von uns«, seufzte Lassiter und klopfte mit dem Fingerknöchel probehalber gegen die Wand. »Du hast niemandem im Haus seinen Schlaf gelassen.«

»Ich sag’s noch einmal«, konterte Mary lächelnd. »Willst du mich verärgern?«

***

Der gestampfte Schlamm vor der Apotheke von Sam Walden erzitterte am Morgen von den Dutzenden Tritten und Hufschlägen, die Bewohner und Gäste von Mulberry Place bei ihren morgendlichen Besorgungen verursachten. An dem gepflegten Gebäude mit den Markisen davor schoben sich Lastfuhrwerke, Ehefrauen mit ihren Kindern und einige Uniformierte vorbei, und nicht wenige von ihnen wollten zu Walden selbst.

»Siebzig Gramm Aluminiumhydrat?«, fragte der Apotheker gerade eine ältere Dame, die einen ausladenden Federhut trug. Er war ein älterer Mann mit vollem Gesicht und Lachfältchen in den Augenwinkeln, die jedem seiner Worte etwas Verschmitztes gaben. »Ich ließ Ihnen einen Boten schicken? Ist er nicht gekommen?«

Die Dame echauffierte sich ausschweifend, wovon Lassiter jedoch nur die Hälfte verstand, und griff im Anschluss nach dem Fläschlein auf der Theke. Sie knallte Walden zehn Dollar vor die Nase und rauschte durch die beiden Flügeltüren des Ladens davon. Als einige der Umstehenden zu lachen begannen, wich auch Waldens Anspannung.

»Der alten Billersby kann man’s nie recht machen!«, rief der Steward eines Flussschiffes, der sich bei den Ohrstöpseln umschaute. »Selbst im Paradies würde die noch über Milch und Honig schimpfen!«

»Jeder Kunde ist mein Gast«, erwiderte Walden diplomatisch, setzte jedoch gleich hinzu: »Einige erfreuen mich mit ihrem Abschied jedoch stärker als mit ihrem Kommen.«

Die übrigen Käufer im Laden stimmten ein leises Gelächter an und widmeten sich wieder ihren jeweiligen Wünschen. Der Apotheker schritt hinter der Theke zu Lassiter und faltete die Hände auf dem Verkaufstisch. »Darf ich Ihnen helfen, Sir? Wir haben ausgezeichnete Mittel gegen das Mückenfieber unten am Fluss.«

Der Mann der Brigade Sieben lächelte freundlich und schüttelte den Kopf. Er beugte sich über die Theke und senkte die Stimme. »Sir, ich möchte mit Ihnen über ihre Tochter Lexy sprechen.«

Auf einen Schlag wich alle Farbe aus dem Antlitz des Apothekers. Er blinzelte ängstlich und wandte den Kopf zur Seite. »Sind Sie Privatdetektiv? Kommen Sie von Tussaud? Von Tussauds Witwe?«

Als einige der Gäste zu ihnen herüberschauten, lehnte sich Walden entspannt zurück, als würde er mit Lassiter lediglich unverfänglich plaudern. Er ließ den großen Mann jedoch nicht aus den Augen.

»Nein, Sir«, erwiderte Lassiter in leisem Ton. »Ich arbeite auf eigene Rechnung. Aber für die Männer, in deren Auftrag ich tätig bin, ist es wichtig zu erfahren, wo sich Ihre Tochter aufhält.«

»Mein Gott«, flüsterte Walden und suchte nach den richtigen Worten. »Sie sind ein Kopfgeldjäger, oder? Jemand hat ein Kopfgeld auf mein Kind aufgesetzt.« Er schlug betrübt den Blick nieder. »Um wie viel Geld geht es? Tausend? Fünftausend? Ich zahle Ihnen das Doppelte, Mister.«

»Es gibt kein Kopfgeld«, versicherte Lassiter und schaute Walden eindringlich an. »Aber ich muss in Erfahrung bringen, wo ich Ihre Tochter finden kann. Es ist von großer Dringlichkeit.«

Der Apotheker schritt hinter der Theke hin und her, betätigte die Registrierkasse und rechnete die Ohrstöpsel des Stewards ab. Als der Mann gegangen war, rief er nach seiner Frau. »Nancy! Würdest du kurz übernehmen! Ich muss an die frische Luft?«

Hinter dem schweren Brokatvorhang, der die hinteren Räumlichkeiten des Hauses vom Verkaufsraum abtrennte, trat eine gebeugte ältere Frau mit silbergrauem Haar hervor. Sie lächelte erst Lassiter, dann ihrem Mann zu und übernahm wortlos das Kassengeschäft.

Walden band sich die Schürze ab und bat Lassiter mit einer Handbewegung ins Freie.

»Sie müssen keine Sorge haben«, betonte der Mann der Brigade Sieben draußen auf dem Bürgersteig. »Ich jage Ihre Tochter nicht. Ich muss bloß mit ihr sprechen.«

»Wegen der Morde?«, fragte Walden und kratzte sich am Kopf. An der frischen Luft wirkte er noch kleiner und unscheinbarer als hinter dem Ladentisch. »Sie ist uns davongelaufen. Sie ist uns abhandengekommen.«

»Abhanden?«, fragte Lassiter mit einem Anflug von Zweifel. »Was meinen Sie damit?«

»Sie ist ein gutes Kind gewesen«, erwiderte Walden und rang die Hände vor dem Körper. Sie liefen den hölzernen Steg vor den Häusern hinunter. »Meine Frau und ich verstanden sich prächtig mit Lexy. Aber eines Tages kam sie mit diesem Jungen nach Hause … einem Schwarzen, wissen Sie?« Er verbesserte sich eilig: »Einem guten Jungen! Aber sie glaubte, dass wir ihn nicht mögen.«

Vom Fluss holperte ein Fuhrwerk heran, das Krüge mit Teer geladen hatte. Ein süßlicher Geruch zog durch die Luft und verflog wieder.

»Mochten Sie ihn denn?«, erkundigte sich Lassiter und beobachtete Walden genau. Er hatte das Gefühl, dass der Apotheker etwas verbarg. »Der Süden macht es einem Schwarzen noch immer nicht leicht.«

»Sie sagen es, Sie sagen es!«, pflichtete ihm Walden bei. »Wir sprachen mit Lexy darüber, und sie schimpfte mit uns, dass wir wie die anderen seien. Ich wollte nur, dass sie gewappnet ist! Verstehen Sie? Dass sie sich zu wehren weiß, wenn jemand sie anfeindet!«

Lassiter nickte langsam. »Sie wollten Lexy gute Eltern sein.«

»In der Tat!«, rief Walden und zwang sich zur Ruhe. »Eines Tages war sie verschwunden. Sie ist mit America fortgegangen. So ist sein Name, America.«

Aus einem Fährboot am Flussufer strömten eine Horde Kinder, die sogleich begann, sich mit Steinen zu bewerfen. Als sie Waldens strengen Blick bemerkten, stoben sie auseinander und rannten zu den Bäumen am Flussufer hinüber.

»Ich muss Lexy finden«, meinte Lassiter mit Nachdruck. »Sie müssen mir verraten, wie ich sie aufspüren kann.«

Die Miene des Apothekers spiegelte den Kampf, den Walden im Inneren mit sich ausfocht. Er seufzte und blieb am Ende des Holzsteigs stehen. »Fahren Sie hinauf nach Baton Rouge und hören Sie sich bei den Docks um! Ich kenne ein paar Leute dort, die mir von Lexy erzählt haben. Ich glaube, auf diese Art, müssten Sie an mein Kind herankommen.«

Die Kinderhorde kehrte mit Geheul zurück und rannte die Straße zur Stadt hinauf. Sie verschwand hinter der Apotheke und tauchte vor der Kirche wieder auf.

»Baton Rouge?«, fragte Lassiter. »Die Docks? Wie kommen Sie in solche verrufenen Gegenden?«

»Auch ein Apotheker muss von Zeit zu Zeit gut verhandeln«, bemerkte Walden und lächelte scheu. »Man darf den Leuten doch keine Wucherpreise abknöpfen.«

***

Die Docks von Baton Rouge waren von schwarzem Qualm verhüllt, als Lassiter wenige Tage darauf in der pulsierenden Stadt am Mississippi eintraf. Der Schaufelraddampfer Belle Rouge hatte soeben an einem der vorderen Stege festgemacht und heizte nun die Kessel an, um den wartenden Passagieren rasche Weiterfahrt zu gewähren. Aus dem Hafen strömten Lassiter Matrosen, Frachtarbeiter und Dutzende Fuhrwerke entgegen.

»Pass doch auf!«, brüllte ein Betrunkener und rempelte vor Lassiter einen anderen Mann an. »Kannst ruhig die verdammten Glotzer aufsperren, eh’ du ’nen Schritt machst!«

Der andere Kerl war gute zwei Köpfe größer und ließ sich nicht lumpen. »Komm her, du Kröte! Deinen verfluchten Saufschädel werf’ ich den Alligatoren vor! Wie klingt das, häh?«

Der Mann der Brigade Sieben ging den Streithähnen aus dem Weg und sah beim Vorübergehen, dass sie sich gegenseitig in den Schlamm warfen und aufeinander einschlugen. Einige Huren aus dem benachbarten Flower Palace kamen hinzugelaufen und feuerten die Prügelnden an.

Der Mann der Brigade Sieben bahnte sich einen Weg durch den Menschenstrom und hielt auf das Heuerbüro der Mississippi Queen Company zu. Er war mit einem Kerl namens Joseph Turner verabredet.

»Dein Name?«, knurrte der Bedienstete Lassiter von der Seite an. Er starrte unter einem milchigen Fenster hindurch, das mit einem Holzkeil verklemmt war. »Oder bist du taub?«

»Ich will nicht anheuern«, erwiderte Lassiter und beugte sich zu dem Angestellten hinunter. »Ich suche jemanden mit dem Namen Joseph Turner.«

»Himmel!«, knurrte der Fremde hinter der Scheibe. »Seh ich aus wie ’n Postamt? Frag’ mal den Dicken dort hinten! Clanton heißt er … oder Clawton, wer weiß das schon!«

Einige Schritte von der Hütte entfernt drehte ein stämmiger Mann den Kopf, der offenbar seinen Namen verstanden hatte. Er kam mit schiefliegendem Kopf auf Lassiter zu und schnalzte mit der Zunge. »Clanton ist mein Name! Brauchst du ’ne Anstellung? Könnte einen Koch auf der Queen II gebrauchen? Kennst du den Pott?«

Als wäre es eine beachtliche Leistung, vom Schild der Mississippi Queen Company auf den Schiffsnamen Mississippi Queen zu schließen, deutete Clanton gewichtig auf das Blechschild. Er wankte näher an Lassiter heran und strich sich die Hände an seinem Wanst ab.

»Wer kennt die Queens nicht?«, versetzte Lassiter und musterte Clanton. »Ich will zu Joseph.«

»Turner?«, entgegnete der Dickbäuchige und grinste. »Woher kennst du ihn? Wieso willst du ihn sprechen?«

Die Belle Rouge gab einen dröhnenden Pfiff von sich und fuhr mit schweren Schaufelschlägen auf den Mississippi hinaus. Sie drehte sich stromabwärts und setzte sämtliche Maschinen unter Dampf.

»Bist du stumm?«, wiederholte Clanton grinsend. »Oder ein Greenhorn? Ist ’ne feine Sache, so ein Hafen, wie?«

»Jemand in Mulberry Place nannte ihn mir«, sagte Lassiter und war allmählich genervt von Clanton. Er trat auf den Dicken zu und blickte ihn durchdringend an. »Kannst du mich zu ihm bringen oder nicht? Zehn Dollar?«

Der andere Mann sann eine Weile nach und nickte. Er steckte die Dollarstücke ein, die ihm Lassiter in die Hand drückte, und lief voraus. Sie durchquerten einige Stapel von rostigen Stahlrohren, die für die nahe Queston-Werft gedacht waren. Als sie eine heruntergekommene Baracke erreichten, machte Clanton Halt und hämmerte gegen die Tür.

Ein drahtiger Schwarzer mit kurz geschorenen Locken steckte den Kopf aus dem Fenster. »Was ist, Andy? Hab ein Nickerchen gemacht! Wozu störst du mich?«

Schweigend wies Clanton auf Lassiter hinter ihm.

»Ist ein Freund von dir?«, fragte Turner und zog die Brauen hoch. »Wenn nicht, soll er seinen Arsch aus den Docks schaffen. Ich brauch’ keine Schnüffler in der Baracke.«

»Joseph Turner?«, knurrte Lassiter grimmig. »Genug mit den Spielchen. Ich muss mit dir reden.« Er ging an Clanton vorbei, als wäre er nicht vorhanden. »Über Lexy Walden.«

Ein freudiger Ausdruck erschien auf dem ausgezehrten Gesicht des Schwarzen, dessen Kleidung nur aus einem zerfetzten Hemd und einer ölbeschmierten Hose bestand. Unter dem Stoff lugte zerschrammte Haut hervor. »Lexy Walden, verdammt? Einer will über Lexy reden? Schickt dich ihr Vater?«

»Wäre schon möglich.« Lassiter trat näher an die Baracke heran, sodass er das armselige Mobiliar hinter dem Fenster sehen konnte. Es bestand aus einem dreibeinigen Tisch und einem Stuhl, von dem jemand das Polster gezogen hatte. »Weißt du etwas über sie?«

»Jedes verfluchte Wort kostet dich etwas«, gab Turner zur Antwort und lehnte sich gegen den Fensterrahmen. »Die Kleine ist ein verdammtes Mysterium. Ich bin ihr zuletzt drüben in Tallyho begegnet.«

Ein neidischer Blick von Clanton streifte Turner, als Lassiter zehn Dollar aus der Tasche nahm und sie dem Schwarzen in die schwieligen Hände zählte. Der große Mann hielt vor dem letzten Dollar inne. »Tallyho? Was noch?«

Ungeduldig wartete der Schwarze auf den letzten Dollar. Er streckte die Hand aus und redete plötzlich ungefragt weiter. »Sie ist ’ne verfluchte Goldmine. Ich bin ihr ein paar Mal nachgestiegen, um etwas von ihren Coups abzukriegen.« Er grinste. »Sie hat selber ’nen Schwarzen dabei. Wäre froh, wenn ich es wär.«

»Sie ist mit einem Schwarzhäutigen unterwegs?«, hakte Lassiter nach. Er beachtete Clanton noch immer kaum. »Woher weißt du, dass die beiden gemeinsame Sache machen? Hast du sie gesehen?«

»Ganz schön viele Fragen, was?«, rief Turner zu Clanton und sprang mit einem Satz aus der Baracke. Er schlug mit der flachen Hand auf den Fensterrahmen und riss sich die Haut an einer Glasscherbe auf. »Autsch! Du siehst, es bekommt mir nicht gut, deine Fragen zu beantworten, Mister.«

»Du hast mein Geld genommen«, hielt Lassiter gegen und fixierte den Dunkelhäutigen mit dem Blick. Er bekam den Eindruck, dass Turner feiger war, als er zugab. »Du solltest mir sagen, wo ich sie finde.«

Clanton und Turner wechselten einen raschen Blick miteinander und verschränkten beide die Arme vor dem Körper. Der Schwarze schürzte die Lippen und blickte Lassiter herausfordernd an. »Du willst sie finden? Heuere auf der Queen an und warte, dass sie auftaucht. Sie setzt jeden Montag von Tallyho über.« Er lächelte verschwörerisch. »Verbrenn dir nicht die Finger.«

Die Männer streckten die Hände aus, bis Lassiter jedem von ihnen weitere zwei Dollar in die Finger drückte.

»Besten Dank, Mister!«, sagte Turner mit einem breiten Grinsen. »Wünsch’ noch ’nen schönen Tag!«

***

»Ist er weg?«

Die heruntergekommene Baracke der Werfarbeiter versank in lähmender Stille, als Joseph Turner das Fenster schloss und sich zu seinem Gefährten umwandte. Er nickte und klimperte mit den Dollarmünzen in der Hand. »Weg und verschwunden! War ein nettes Geschäft, was?«

»Grandios!«, pflichtete ihm Clanton bei und zählte die Münzen in der eigenen Hand. »Hätte nicht gedacht, dass der Kerl tatsächlich aufkreuzt!«

Durch Turners Kopf tobte ein Strom aus Gedanken, von denen sich die meisten um den Maschinisten der Natchez drehten. Der gnomenhafte Kerl vom Flaggschiff der Mississippi-Flotte hatte behauptet, dass er den ersten Offizier und einen Fremden belauscht hätte, wie sie über Lexy Walden und die Morde entlang des Flusses gesprochen hatten.

Offenbar hatte der Maschinist die Wahrheit gesagt.

»Hätte ich auch nicht geglaubt«, meinte Turner und ließ sich von einem der beiden Stühle in der Kammer fallen. Er rieb sich das Gesicht und sann darüber nach, wie lange die letzte Nacht her war, in der er ungestört geschlafen hatte. »Ob er ein Marshal ist?«

Clanton zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen? Dieser blauäugige Bastard könnte alles Mögliche sein!«

»Du warst ein verdammter Pinkerton-Detektiv!«, parierte Turner bissig. »Ich hab gedacht, ihr hättet ein Gespür für solche Leute.«

Einige Monate erst lag der Tag zurück, an dem er Andrew Clanton zum ersten Mal begegnet war. Der schmerbäuchige Pinkerton-Mann aus Arizona hatte sich auf ein Gesuch hin gemeldet, das Turner im Louisiana Standard veröffentlich hatte. Die beiden Männer waren sich auf Anhieb einig geworden.

»Er ist zu gerissen für ’nen schlichten Marshal«, sagte Clanton und streckte sich. Sie jagten Lexy Walden nun seit fünf Wochen. »Immerhin wollte er uns weismachen, dass Sam Walden ihm von uns erzählt hat.«

»Sam?«, brummte Turner und lachte. »Der gute, alte Sam schickt niemanden zu uns. Er hat dem Hurensohn höchstens erzählt, dass er in den Docks jemanden findet, der weiß, wo Lexy steckt.« Er schüttelte den Kopf. »Sam verrät niemanden.«

Hinter der Baracke hatte sich eine Handvoll Hafenarbeiter niedergelassen, die laut und abfällig über die letzte Baumwollfracht der Mississippi Queen redeten. Sie feixten und nahmen das N-Wort in den Mund, das Turners Blut so oft zum Kochen brachte.

»Bleib ruhig!«, zischte Clanton und legte ihm die Hand auf den Arm. Er spähte durch das Lüftungsfenster und winkte ab. »Sind nur ein paar blödsinnige Arbeiter! Denen kommst du ohnehin nicht bei!«

Eine Mischung aus Wut und Scham stieg in Turner auf, und er sah seinen Vater vor sich, der auf der Plantage von John L. Moreau geschuftet und erst nach dem Krieg freigekommen war. Er hatte Baumwolle gebuckelt, während seine Frau krank in auf einer Holzpritsche lag und das vierte Kind – Turner selbst – gebar. An manchen Tagen hatte es Hiebe mit der Bullenpeitsche gegeben, weil Turners Mutter vor Schmerzen zu laut geschrien hatte.

»Lass mich in Frieden!«, zischte Turner und riss sich von Clanton los. Er tigerte in der Kammer umher und dachte fieberhaft nach. »Jetzt kommt’s drauf an, dass wir die richtigen Weichen stellen. Der Kerl wird nach Tallyho fahren und sich mit Lexy treffen.«

Die Arbeiter verschwanden und mit ihnen das lärmende Gelächter. Clanton hievte seinen massigen Leib vom Stuhl, schloss die Tür auf und starrte auf die Docks hinaus. »Es ist nicht gesagt, dass Lexy in Tallyho auftauchte. Die Sache könnte auch eine Finte sein.«

»Sie hat nichts zu verlieren!«, zischte Turner und kam ebenfalls zur Tür. Sie wollten noch die alte Winchester abholen, die jemand an den südlichen Docks zum Verkauf anbot. »Aus welchem Grund sollte sie nicht kommen, du Pinkerton-Trottel? Meine Güte, wie habt ihr euch mit so wenig Talent so ’nen Namen gemacht?«

Der andere Mann schwieg gekränkt und trat vor die Baracke. Er blinzelte ins Sonnenlicht und sah sich dann zu Turner um. »Kommst du? Das Schießeisen steht schon seit zwei Tagen zum Verkauf.«

Der Schwarze stopfte sich den Revolver in den Hosenbund, steckte eine Handvoll Patronen in die Tasche und trat ebenfalls aus der Baracke. Er schloss ab und sprang über die Stahlrohre vor der Hütte. »Du musst dir ein dickeres Fell zulegen, wenn du hier draußen etwas werden willst! Ich bezahl’ dich, also beleidige ich dich, wann ich will, verstanden?«

Wieder sagte Clanton keinen Ton und mimte den Unbeteiligten. Es kostete ihn größere Mühe, über die Stahlrohre zu gelangen, doch er meisterte das Hindernis schon beim ersten Versuch. »Ich verurteile dich nicht, Jo. Du hast eine Menge durchgemacht.«

Obgleich Turner wusste, dass Clanton ihm nur schmeicheln wollte, rührte ihn die demonstrativ zur Schau gestellte Loyalität seines Partners. Er konnte sich auf den ehemaligen Pinkerton-Mann verlassen, schon allein deshalb, weil der Dickbäuchige an Schmähungen genauso gewöhnt wie er selbst.

»Nigger!«, sagte Turner und sprang über ein weiteres Rohr. »Wolltest du mich schon einmal so nennen? In deinen Träumen?«

»Ich nenne niemanden einen Nigger«, versicherte Clanton in ernstem Ton. »Wie ich auch keinen Yankee oder Bohnenfresser nenne. Hass gehört sich nicht, was auch immer man im Leben treibt.«

Sie erreichten den südlichen Teil der Docks, in dem es ruhiger und zugleich schäbiger zuging. An den Stegen südlich der Anlegestellen für die großen Flussschiffe trafen sich fliegende Händler, Schmuggler und Tagelöhner, die ihr Heil im Opium suchten. An manchen Tagen streifte ein Marshal umher, doch meistenteils war man in den Southern Docks unter sich.

»Ehrenwert«, sagte Turner und blieb stehen. »Ehrenwerter jedenfalls als Lexy Walden, die mit einem Schwarzen im Huckepack Jagd auf andere Farbige macht. Möchte wissen, wie sie den armen Teufel dazu gebracht hat.«

Von einer Bootswerft kam eine schmale Gestalt zu ihnen herüber, die eine rostige Winchester in der Hand hielt. Sie wedelte mit einem Arm, und Turner winkte zurück.

»Auf die gleiche Art wie alle anderen Frauen auch«, äußerte Clanton und presste die Lippen zusammen. »Sie macht die Beine für ihn breit.«

Der Mann mit der Winchester hatte die Turner und Clanton fast erreicht. Er freute sich sichtlich, einen Interessenten für das Gewehr zu haben.

»Genau aus diesem Grund will ich Lexy erledigen«, zischte der Schwarze und ballte die rechte Hand zur Faust. »Sie ist vorsichtig geworden, aber mit einem Lockvogel wie diesem Kerl aus Mulberry Place kriegen wir sie.« Er reckte den Hals. »Ginny! Was für ’ne Freude! Will sie endlich haben, deine kleine Pulverspritze!«

»Ist ja ’ne Wucht!«, rief der dritte Mann und händigte die Winchester an Turner aus. »Ist noch ein feines Stück, mit dem du Freude haben wirst. Auf siebzig Yards erwischt sie alles.«

»Siebzig Yards«, freute sich Turner. »Das dürfte reichen.«

***

Der groß gewachsene Deckarbeiter auf der Mississippi Queen warf das Tau über den Baumwollballen und zog das lose Ende unter der Öse hindurch. Er ging mit dem Seil um die Fracht herum, zurrte es abermals fest und schob sich die Schiefermütze tiefer in die Stirn. Sein Kamerad nickte anerkennend und ließ sich auf die Baumwolle fallen.

»Und du heißt wirklich Lassiter?«, fragte Stephen Wallert, der sich selbst nur »Stevie« nannte und aus dem nördlichen Kansas kam. »Klingt wie ’ne verfluchte Teesorte, Mann!«

»Lassiter«, sagte der Mann der Brigade Sieben und lachte. »Einfach nur Lassiter, jawohl.«

Das Heuerbüro hatte ihm Stevie als zweiten Mann mitgegeben, als Lassiter auf die Mississippi Queen gestiegen war. Er hielt den Jungen aus Kansas für so harmlos, dass er ihm seinen wahren Namen genannt hatte. Er und Stevie hatten sich auf Anhieb gut miteinander verstanden.

»Verflucht und verdammich!«, meinte Stevie, was er oft sagte, wie Lassiter bereits festgestellt hatte. »Ich wär gern so ein Muskelprotz wie du und kein Hänfling! Es gibt die besseren Heuern, wenn ein paar Muskeln auf den Knochen sind!«

Zwischen den hohen Schornsteinen des Flussschiffs erklang ein ohrenbetäubender Pfiff, der die Ankunft in Tallyho ankündigte. Neben dem Steuerhaus traten ein Lotse und ein Offizier an die Reling und nahmen das Ufer in Augenschein.

»Wie lange arbeitest du schon für die Queen?«, fragte Stevie und wandte sich zu Lassiter um. »Ich bin schon ’ne halbe Ewigkeit dabei.«

»Du bist zu jung für eine Ewigkeit«, erwiderte Lassiter und lächelte. »Ich lass mich treiben. Manchmal arbeite ich für die Queen, manchmal für die Natchez.«

»Gott, die Natchez!«, zeigte sich Stevie beeindruckt. »Ich träume davon, dass man mich dort nimmt.«

Die Mississippi Queen schrammte am Steg entlang und ließ die Schaufelräder umgekehrt drehen. Eine Schar Matrosen sprang an Land und ließ sich die Haltetaue zuwerfen. Eine andere Schar brachte die Landungsbrücke in Stellung und schwenkte sie aus.

»Stevie, hör zu!«, sagte Lassiter und griff den Jungen bei der Schulter. »Du musst mir helfen. Gleich kommt eine Frau an Bord, die mir am Herzen liegt. Ich kenne sie nur aus ein paar Briefen.«

»Briefe!«, japste Stevie und schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie kann man ein Frauenzimmer lieben, das einem nur Briefe geschrieben hat!«

»Sie hat einen Farbigen dabei«, sprach Lassiter weiter, ohne auf Stevies Bemerkung einzugehen. »Du kannst sie leicht zusammen erkennen. Sie werden sich vermutlich gleich auf ihre Kajüte begeben.« Er zog die Brauen hoch. »Du musst mir gleich Bescheid geben, sobald du sie siehst, verstanden?«

Die kleinen Lügen, die er Stevie auftischte, schmerzten Lassiter ob der Arglosigkeit des Jungen, doch er wusste auch, dass sie für den Auftrag nötig waren. Er vereinbarte mit Stevie, dass Letzterer am Bug und er am Heck auf Lexy warten würden.

Einige Minuten darauf lagen sie auf der Lauer.

Über die Landungsbrücke fluteten die Passagiere auf den Schaufelraddampfer und bogen nach links und rechts zu ihren Kabinen ab. Die Männer und Frauen trugen Koffer und kleinere Taschen bei sich, die sie teils den Bediensteten der Mississippi Queen übergaben, teils mit sich in die Schlafkajüten nahmen.

Plötzlich erspähte Lassiter Lexy Walden.

Die Apothekertochter glich mit ihren kupferroten Haaren, der zierlichen Statur und dem auffälligen Schönheitsfleck auf der rechten Wange gänzlich der Beschreibung, die sich in Sullivans Kuvert befunden hatte. Sie hatte zudem einen dunkelhäutigen Begleiter bei sich, der sich aufmerksam nach allen Richtungen hin umsah.

Vom Heck kam nun Stevie zu Lassiter gelaufen.

Er stahl sich geduckt hinter den Baumwollballen entlang, die man auf das Vorderdeck verladen hatte, und ging neben Lassiter in die Hocke. Er rang um Atem und sprudelte geradewegs drauflos. »Lassiter, dort vorn! Es ist die Frau! Die Frau mit dem Farbigen!«

Der große Mann beobachtete ruhig das Geschehen auf der Landungsbrücke. »Ich weiß, Stevie. Ich habe sie auch gesehen. Sie und ihr Gefolgsmann sind –«

Ein peitschender Gewehrschuss brachte Lassiters Satz vorzeitig zum Ende.

Die Reisenden auf der Mississippi Queen rannten schreiend auseinander und drängten sich im Arkadengang der umlaufenden Promenade. Der Schuss war irgendwo am gegnerischen Flussufer gefallen und hatte ohne jeden Zweifel dem Schiff gegolten.

Geräuschlos zog Lassiter den Remington und betätigte den Spannhebel.

»Heiliges Kanonenrohr!«, flüsterte Stevie beim Anblick des.38ers. »Wer hat dir dieses Ding verkauft?«

Jenseits der Landungsbrücke waren Lexy Walden und ihr farbiger Gefährte hinter einem stählernen Stützpfosten in Deckung gegangen. Sie hielten beide Colts in den Händen und bedeuteten den Schiffsgästen, dass sie sich nicht rühren sollten.

Am anderen Flussufer legten die Schützen erneut an.

Es waren zwei Männer in zerlumpter Kleidung, von denen einer mit einer Winchester bewaffnet war. Als er den Ort wechselte, erkannte Lassiter, dass es ebenfalls ein Schwarzer war. Er hatte sogar große Ähnlichkeit mit Joseph Turner, dem er tags zuvor in den Docks von Baton Rouge begegnet war.

»Verdammt!«, wisperte Lassiter und behielt beide Flussseiten im Blick. »Ich glaube, ich kenne die Kerle dort drüben!«

Aus den Türen des oberen Decks stürmten nun einige Matrosen, die rasch in Deckung gingen und mit langläufigen Waffen auf die Angreifer zielten. Sie waren routiniert und trieben die Fremden mit einigen Schüssen ins Unterholz zurück.

»Flusspiraten!«, sagte Stevie und riss die Augen auf. »Mit denen machen sie auf der Mississippi Queen kurzen Prozess!«

Tatsächlich feuerten die Matrosen noch einige mutige Schüsse in die Bäume am anderen Ufer und sahen sich dann nach dem Kapitän um. An der Landungsbrücke machten sich unterdessen Lexy Walden und der Schwarze aus dem Staub.

»Bleib hier!«, flüsterte Lassiter und schlich durch die Baumwollballen nach vorn. »Die Sache geht dich nichts an.«

Stevie folgte ihm und grinste. »Jetzt schon, Lassiter! Jetzt schon!«

***

Die Tochter von Sam Walden und ihr dunkelhäutiger Bewacher hatten sich geschickt durch die verängstigten Passagiere geschlängelt und kletterten nun an den aufgerollten Tauen auf der Backbordseite entlang. Sie schienen zum Heck gelangen zu wollen, zu jener Stelle, an der das Beiboot der Mississippi Queen angebunden war.

»Scher dich zum Teufel!«, herrschte Lassiter Stevie verärgert an. Der Junge folgte ihm unablässig. »Ich kann dich dabei nicht gebrauchen.«

Sie rannten über das obere Deck, auf dem sich ihnen außer einem verdutzten Bootsmann niemand in den Weg stellte. Als das Heckschaufelrad des Schiffs in Sicht kam, blieb Lassiter stehen und quetschte Stevie mit einem Arm gegen die Wand. »Ich meine es ernst, Kleiner! Ab jetzt hast du nichts mehr bei mir zu suchen!«

»Aber … aber!«, protestierte Stevie mit einer Mischung aus Empörung und Heiterkeit. »Endlich ist auf dem Kahn etwas los! Du kannst mich brauchen! Ich kenne die Queen!«

»Nein!«, knurrte Lassiter und stieß Stevie grob zu Boden. »Du bleibst, wo du bist! Ich arbeite immer allein.«

Vom Beiboot drang ein kurzes Stimmengewirr herüber, das Lassiter Lexy und dem Dunkelhäutigen zuschrieb. Er blickte Stevie noch einmal scharf an und sprang davon.

Der Rotschopf und der Schwarze hatten sich in das Ruderboot geschwungen und das Seil gekappt. Sie entfernten sich rasch von der Mississippi Queen und fuhren um das Schaufelrad am Heck des Schiffes herum.

Vom gegnerischen Ufer krachten wieder Schüsse.

Zwar waren Turner und sein dickbäuchiger Gehilfe vor dem Gewehrfeuer der Matrosen geflüchtet, wagten sich nun jedoch unterhalb der Bäume wieder ins Freie. Sie hatten es noch immer auf Lexy und den Bewaffneten an ihrer Seite abgesehen.

Turner und Clanton …

Zusammen mit den Namen der Angreifer fiel Lassiter auch die merkwürdige Gesprächigkeit wieder ein, mit der ihn die Männer aus Baton Rouge offensichtlich genarrt hatten. Sie mussten etwas über ihn oder seinen Auftrag für die Brigade Sieben erfahren haben, wenn sie nun Jagd auf Lexy Walden machten.

»Die Queen hat noch ein zweites Beiboot!«, sagte mit einem Mal Stevie hinter ihm. Er zeigte zum Heckschaufelrad. »Liegt gleich dort hinten! Siehst du’s?«

Statt Stevie erneut zu tadeln, biss Lassiter die Zähne zusammen und beschloss, das Beste aus der Lage zu machen. »Kannst du mich hinbringen? Ich muss Lexy finden.«