Lassiter Sammelband 1836 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1836 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2389, 2390 und 2391.
Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

2389: Die Menschenjäger von Montana
Obwohl er in den vergangenen Wochen und Monaten nahe daran gewesen war, die Hoffnung aufzugeben, hatte Russell Crane auch an diesem Tag gearbeitet wie ein Tier. Und noch ehe die Sonne hinter den Wipfeln der Wälder verschwand, stieß er einen Schrei aus, in dem sich ebenso Unglauben wie Triumph wiederfanden. "Gold!", krächzte er mit versagender Stimme. "Teufel auch, ich bin auf Gold gestoßen!"

2390: Mach dein Testament, Lassiter!
Bill Waters schwankte ein wenig, als er an die Bar des Maverick Saloons trat. "Whiskey!", lallte er. "Eine ganze Flasche, wenn ich bitten darf." Die Männer am Tresen sahen ihn an. "Na, Billy, hast du den großen Reibach gemacht?", spöttelte George Hull, der Schmied. Der Bartender erschien. Er drehte den Korken aus einer Flasche, goss ein Glas voll und schob es Waters hin. "Ich schreib's mit auf deine Rechnung", sagte er. Waters zog seine Brieftasche aus der Jacke. "Nein, heute ist Zahltag"

2391: Der Schamane und die weiße Squaw
Suzanne tauchte auf und wischte sich das Wasser aus den Augen. Schwer atmend blinzelte sie zur Brücke. Die Postkutsche lag auf der Seite, zwei Räder drehten sich noch. Die Pferde wieherten, stemmten die Hufe ins hohe Gras, versuchten das Gefährt aus dem Flussbett zu zerren. Die Banditen preschten heran, noch immer schießend, dabei erwiderte aus der Kutsche längst niemand mehr das Feuer. Sollte sie wirklich die einzige Überlebende sein? Suzanne schwamm ans Ufer, zog sich ins hohe Gras. Was nun?

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Seitenzahl: 394

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Impressum

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: © Boada/Norma ISBN 978-3-7517-2987-1 www.bastei.de www.luebbe.de www.lesejury.de

Jack Slade

Lassiter Sammelband 1836

Inhalt

Jack SladeLassiter 2389 - WesternObwohl er in den vergangenen Wochen und Monaten nahe daran gewesen war, die Hoffnung aufzugeben, hatte Russell Crane auch an diesem Tag gearbeitet wie ein Tier. Und noch ehe die Sonne hinter den Wipfeln der Wälder verschwand, stieß er einen Schrei aus, in dem sich ebenso Unglauben wie Triumph wiederfanden. "Gold!", krächzte er mit versagender Stimme. "Teufel auch, ich bin auf Gold gestoßen!" Cranes Hände gruben sich durch den Schlamm und das Geröll im Wassertrog, um noch mehr der glitzernden Steinchen zu finden. Sie waren so klein, dass sie einfach durch die Maschen des Siebs gefallen waren. Aber sie waren wertvoller als alles, was er jemals besessen hatte. Dann ertönte das Schlagen heranjagender Hufe. Fünf oder sechs Pferde waren es mindestens. Russell Crane erstarrte. Noch im selben Moment wurde ihm klar, dass der Tag ein schlimmes Ende nehmen würde.Jetzt lesen
Lassiter 2390 - WesternBill Waters schwankte ein wenig, als er an die Bar des Maverick Saloons trat. "Whiskey!", lallte er. "Eine ganze Flasche, wenn ich bitten darf." Die Männer am Tresen sahen ihn an. "Na, Billy, hast du den großen Reibach gemacht?", spöttelte George Hull, der Schmied. Der Bartender erschien. Er drehte den Korken aus einer Flasche, goss ein Glas voll und schob es Waters hin. "Ich schreib's mit auf deine Rechnung", sagte er. Waters zog seine Brieftasche aus der Jacke. "Nein, heute ist Zahltag", sagte er großspurig. "Ich mach mich ehrlich. Was bekommst du von mir, Jaffy?" "Achtzehn Dollar", erwiderte der Salooner. Waters gab ihm zwanzig. "Rest ist Trinkgeld." George Hull blickte auf Waters' rechte Hand. "Wieso zum Henker hast du Blut an den Griffeln?", fragte er dumpf.Jetzt lesen
Lassiter 2391 - WesternSuzanne tauchte auf und wischte sich das Wasser aus den Augen. Schwer atmend blinzelte sie zur Brücke. Die Postkutsche lag auf der Seite, zwei Räder drehten sich noch. Die Pferde wieherten, stemmten die Hufe ins hohe Gras, versuchten das Gefährt aus dem Flussbett zu zerren. Die Banditen preschten heran, noch immer schießend, dabei erwiderte aus der Kutsche längst niemand mehr das Feuer. Sollte sie wirklich die einzige Überlebende sein? Suzanne schwamm ans Ufer, zog sich ins hohe Gras. Was nun? Fieberhaft dachte sie nach. Die nächste Poststation lag vier Stunden entfernt in den Bergen. Konnte sie diese Strecke zu Fuß bewältigen? Die letzten Schüsse verhallten. Suzanne kroch die Böschung hinauf - bis sich plötzlich ein Paar Stiefel in ihr Blickfeld schob. Erschreckt hob den Blick: Ein Mann stand breitbeinig über ihr, feixte und zielte mit einem Gewehr auf sie.Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Die Menschenjäger von Montana

Vorschau

Die Menschenjäger von Montana

Obwohl er in den vergangenen Wochen und Monaten nahe daran gewesen war, die Hoffnung aufzugeben, hatte Russell Crane auch an diesem Tag gearbeitet wie ein Tier. Und noch ehe die Sonne hinter den Wipfeln der Wälder verschwand, stieß er einen Schrei aus, in dem sich ebenso Unglauben wie Triumph wiederfanden. »Gold!«, krächzte er mit versagender Stimme. »Teufel auch, ich bin auf Gold gestoßen!«

Cranes Hände gruben sich durch den Schlamm und das Geröll im Wassertrog, um noch mehr der glitzernden Steinchen zu finden. Sie waren so klein, dass sie einfach durch die Maschen des Siebs gefallen waren. Aber sie waren wertvoller als alles, was er jemals besessen hatte.

Dann ertönte das Schlagen heranjagender Hufe. Fünf oder sechs Pferde waren es mindestens. Russell Crane erstarrte. Noch im selben Moment wurde ihm klar, dass der Tag ein schlimmes Ende nehmen würde.

»Archer!«, rief ein Arbeiter, der nicht weit entfernt von Crane auf einer Anhöhe stand. »Und sein Bluthund Caleb Ward!«

Russell Crane hatte sie ebenfalls auf Anhieb erkannt. Archer an seiner Granitvisage, Ward an seiner schulterlangen blonden Mähne und dem sadistischen Funkeln in den wasserblauen Augen. Im Schlepptau der beiden befanden sich vier weitere Männer, die mit ihnen aus einem Hain hervorgeprescht waren und auf das Camp der Goldsucher zuhielten. Was sie dort wollten, konnte sich Crane nicht erklären. Doch wenn Liam Archer gemeinsam mit Caleb Ward auftauchte, hatte das nie etwas Gutes zu bedeuten.

Die Reiter zügelten ihre Pferde, trabten heran und stellten sich im Halbkreis vor Crane und seine Leute. Ausdruckslos starrte Liam Archer die Umherstehenden der Reihe nach an, ließ seinen Falben ein paar Schritte nach vorn machen und stellte sich unmittelbar neben Russell Crane. »Es gibt eine neue Verfügung, die euch betrifft«, raunte Archer. »Der Gouverneur hat ein wenig gebraucht, seinen breiten Hintern aus seinem Polstersessel zu hieven, um sie bekannt zu machen, aber sie ist in Kraft. Ich bin hier, um sie durchzusetzen.«

Irritiert blinzelte Crane in die Höhe. »Wovon reden Sie, Sheriff? Hier weiß niemand etwas von irgendeiner Verfügung.«

»Das Goldschürfen auf diesem Areal wurde von höchster Stelle untersagt«, brummte Archer missmutig. »Da die Verordnung vor zwei Wochen abgesegnet wurde und rückwirkend gilt, sind alle Goldfunde, die in dieser Zeit gemacht wurden, bei mir abzugeben.«

Russell Crane schnappte nach Luft. »Das kann doch nur ein Scherz sein! Weshalb sollte der Gouverneur einen solchen Erlass herausgeben?«

»Was weiß denn ich!«, knurrte Liam Archer und fletschte seine Zähne. »Vielleicht hat er schlecht gekackt, oder seine Frau hat ihn nicht rangelassen. – Mir ist es gleich!«

»Also«, meinte Caleb Ward und schob seinen Stetson in den Nacken, »dann rückt mal alles raus, was ihr ausgebuddelt habt.«

In hilflosem Zorn ballte Russell Crane seine Fäuste. In ihm kochte es. Er glaubte weder, dass es eine Verfügung gab, noch glaubte er daran, dass Archer als Amtsperson erschienen war. Diesem ausgekochten Ganoven war nicht zu trauen. Schon gar nicht, seit ihm der Stern an die Brust geheftet worden war. »Ich will das Dokument sehen!«, forderte er und schob seine Rechte mit den Goldnuggets in die Hosentasche.

»Glaubst du mir etwa nicht?« Etwas Lauerndes lag in Liam Archers Stimme, das sich unmittelbar auch in den Augen von Caleb Ward zeigte. Doch im Blick des Mannes lag noch mehr. Es war eine unbezähmbare Erregung, die Ausdruck eines sadistischen Verlangens war.

»Wir sollten es ihm zeigen, Liam«, meinte Ward, und seine Mundwinkel zuckten. »Offenbar verlässt er sich nicht auf das Wort eines Gesetzeshüters …« Noch ehe er seinen Satz beendet hatte, hielt er einen Sechsschüsser in der Faust und spannte den Abzug. Die Kälte seiner Augen stand der des Stahls in nichts nach.

Japsend machte Crane einen Schritt zurück und hob seine Hände an. Kurz drehte er sich den anderen Schürfern zu, doch diese standen da wie versteinert. Obwohl sich mittlerweile fast zwanzig Männer versammelt hatten, war von ihnen keine Hilfe zu erwarten.

»Ich habe mich schon lange gefragt«, sagte Archer im Plauderton, »weshalb man die Massen mit ein paar Leuten unter Kontrolle bringen kann. An den Waffen kann es nicht liegen. Eure zwanzig Schießeisen gegen unsere sechs – da muss man nicht lange rechnen. Aber trotzdem benutzt ihr sie nicht.«

»Sie haben Angst«, zischte Caleb Ward verächtlich. »Ihnen fehlt der Schneid, sich zur Wehr zu setzen. Lieber lassen sie sich ausplündern und begnügen sich mit dem bisschen, das ihnen noch bleibt. Sie zeigen zwar die Zähne, aber sie beißen nicht.«

»Hören Sie«, erwiderte Russell Crane und zwang sich zur Ruhe. »Wir haben alles hinter uns gelassen, um in Montana unser Glück zu machen. Viele von uns haben Familie. Wenn Sie uns der Erträge unserer Arbeit berauben, besitzen wir nichts mehr.«

»Familie!«, spie Caleb Ward das Wort aus. »Weiber und plärrende Kinder! Ein Mann lernt erst zu hassen, sobald er verheiratet ist.«

Sheriff Liam Archer gab seinen Begleitern ein Zeichen, auf welches hin sie ausschwärmten. »Nehmt das Pack in die Mangel!«, rief er ihnen nach. »Wer sein Gold nicht hergibt, verstößt gegen das Gesetz! Und in diesem Fall behandelt ihr sie wie Pferdediebe!«

Starr vor Unglauben und Entsetzen war Russell Crane zu keiner Bewegung fähig. Doch es gab einige Beherzte, die sich gegen Archer auflehnten. Schüsse bellten und Schreie ertönten. Im Nu verwandelte sich das Goldgräbercamp in ein Schlachtfeld. In Cranes Ohren rauschte das Blut, und er war versucht, ebenfalls seinen Colt zu ziehen. Aber er war kein Kämpfer, sondern nur ein einfacher Mann, der ein kleines Stück vom Glück abbekommen wollte.

Ängstlich ging er in die Hocke, fiel auf die Knie und deckte seinen Kopf mit den Händen ab. Gellende Todesschreie schnitten durch das Brüllen der Revolver, während beißender Pulverdampf in Cranes Nase stach. Endlos dehnten sich die Sekunden, in denen der Kampf seinem Höhepunkt entgegenstrebte und ebenso schnell abbrach, wie er begonnen hatte.

Mit Tränen in den Augen schaute sich Russell Crane um, sah die Leichen und die hämischen Gesichter der Schießer. Einzig Caleb Ward schien seine Mordlust noch nicht befriedigt zu haben, sprang aus dem Sattel und baute sich über einem Mann auf, der ächzend auf dem Bauch lag und versuchte davonzukriechen. In aller Ruhe lud Ward seinen Revolver nach, richtete die Mündung auf den Rücken des Mannes und zog mehrmals hintereinander den Stecher seiner Waffe durch.

Crane wollte einen Schreckensschrei ausstoßen, doch er ging in einem gequälten Röcheln unter. Dafür aber schnitt von anderer Seite ein spitzer Ausruf durch die Luft.

»Verdammt!«, stieß Liam Archer aus und riss sein Pferd auf der Hinterhand herum. »Woher kam das?« Aus zu Schlitzen verengten Augen suchte er die Umgebung ab, bis er das auffällige Huschen einer Gestalt zwischen den Bäumen sah.

»Ich kümmere mich darum!«, rief Caleb Ward, schwang sich auf den Rücken seines Pferdes und sammelte seine Leute um sich. Sofort hetzten sie los, um den unbekannten Beobachter zu schnappen.

Mühsam und mit weichen Knien erhob sich Russell Crane. »Sie sind ein verdammter Räuber und Mörder!«, presste er hervor und funkelte den Sheriff zornig an. »Wenn der Gouverneur wüsste, was Sie angerichtet haben, würden Sie noch morgen hängen.«

»Er wird es nicht erfahren«, brummte Archer, »denn es wird niemand mehr da sein, der ihm von dem Vorfall berichten könnte …«

Noch im selben Moment stierte Crane in die dunkle Mündung eines Peacemakers. In stummem Einverständnis mit dem Schicksal, das ihm bestimmt war, schloss er die Augen.

Dann donnerte ein Schuss und schleuderte ihn in die ewige Nacht des Todes.

Pfeifend und zischend fuhr der Zug der Northern Pacific Railroad in den Bahnhof von Garrison ein. Lassiter schulterte seinen Sattel, verließ den Passagierwagen und trottete hinüber zum Verladewaggon. Die Rampe wurde abgekippt, und die Pferde ins Freie getrieben. Auf einen Pfiff des Brigade-Agenten hin trabte sein Grauschimmel heran. Wenige Minuten später schon ritt Lassiter über die Mainstreet des Ortes.

Garrison war für ihn nur eine Zwischenstation. Sein eigentliches Ziel war Helena, die Hauptstadt des Territoriums Montana. Der Territorial-Gouverneur Samuel Thomas Hauser hatte sich mit einem dringenden Gesuch direkt an Washington gewandt. Wie Lassiter von seinen Auftraggebern erfahren hatte, herrschten in und um Helena geradezu desaströse Zustände. Es war von Folter, Mord und Gesetzeswillkür die Rede gewesen. Und allem Anschein nach war der hiesige Sheriff der Lage nicht gewachsen.

Ähnliches hatte Lassiter mehr als einmal erlebt und fragte sich auch, wie man ein Problem bekämpfen wollte, wenn der Sternträger unter Umständen ein Teil davon war. Doch das war nur eine Vermutung, deren Bestätigung noch ausstand.

Bevor Lassiter sich auf den Weg zum fünfundzwanzig Meilen entfernten Helena machte, wollte er noch kurz im Saloon vorbeischauen und sich ein paar Drinks genehmigen. Mit gänzlich trockener Kehle würde sich der Ritt nur unangenehm verlängern. Das »Shady Cedars« schien ihm genau richtig, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Schon beim Eintreten aber wurde ihm klar, dass sich die Dinge ein wenig anders entwickeln würden, als er es geplant hatte. Das lag nicht etwa an den zehn Kerlen, die in atemloser Spannung einen Tisch umstanden, sondern vor allem an den beiden Gestalten, die an diesem Tisch saßen. Es waren zwei Männer, wie sie unterschiedlicher kaum hätten sein können. Einer groß und muskulös wie ein Ochse, der andere zierlich und geradezu zerbrechlich wirkend. Dennoch schienen beide fest entschlossen, ihre Kräfte im Armdrücken zu messen.

Verwundert rieb sich Lassiter die Augen, als müsste er den Schleier zwischen Trug und Wirklichkeit beiseite wischen. Der erste Eindruck jedoch blieb. Das Männlein, das mit abfälligem Grinsen seinen Gegner herausforderte, war ihm nur allzu bekannt.

»Was ist denn nun?«, krähte der schmächtige Mann und stützte seinen Ellbogen auf die Tischplatte. »Fangen wir heute noch an oder willst du kneifen?«

Der Angesprochene griff nach seinem Bierhumpen, leerte ihn in einem Zug und knallte das Glas auf den Tisch. Mit seinem Hemdsärmel wischte er sich den Schaum von den Lippen. »Nur zu, du Wicht!«, grollte er. »Schneller wirst du niemals mehr in deinem Leben zwanzig Dollar verlieren!«

Unwillkürlich musste Lassiter schmunzeln und kramte in seinem Gedächtnis nach dem Namen des kleinen Kerls. Fortescue, fiel es ihm ein. Daniel Elijah Fortescue. Als er ihm das letzte Mal begegnet war, hatte er kopfüber an einem Telegrafenmast gehangen. Und auf immer noch unverständliche Art und Weise hatte er nicht nur über Lassiters Auftrag Bescheid gewusst, sondern auch Kenntnisse über die Brigade Sieben gehabt. In diesem Erfinder steckte mehr, als das bloße Auge wahrnahm. Ganz sicher aber würde er sich nicht auf einen Wettkampf einlassen, wenn er sich nicht deutliche Erfolgsaussichten ausgerechnet hatte.

Die Pranke des Ochsen packte zu, sodass Fortescues Hand beinahe in dieser verschwand. Trotz des belustigten Lachens um ihn herum schien er keine Zweifel daran zu haben, den Sieg davonzutragen, und spottete sogar über seinen Kontrahenten. »Wo andere Muskeln haben, hast du nur Fett!«, stieß Fortescue aus und lachte meckernd. »Du hättest dich nicht mästen, sondern lieber ein bisschen trainieren sollen!«

Lassiter schürzte seine Lippen und trat näher. Ein wenig abseits von dem Pulk blieb er stehen und hockte sich neugierig auf eine Tischkante. Dabei rückte er einen Stuhl heran und stemmte seinen linken Fuß darauf. Wie er fand, lehnte sich Fortescue recht weit aus dem Fenster. Falls er nicht nur ein Prahlhans war, der leichtfertig seine Dollars verschleuderte, musste er einen gewichtigen Trumpf in der Hinterhand haben.

Einer der Zuschauer hob seine Hand über den Kopf. »Wenn die Herren so weit sind, gebe ich das Startsignal!«, sagte er. »Drei – zwei – eins … Los!«

Der Bizeps des Ochsen spannte sich. Schnaufend drückte er zu und bog Fortescues Arm zur Seite. Doch nur wenige Zentimeter. Trotz aller Kraft, die er sichtlich einsetzte, gelang es ihm nicht, den Arm seines Gegners auch nur noch ein kleines Stück zu bewegen. Im Gegenteil sogar verlor er an Boden und wich zurück.

Sein Gesicht lief rot an; sein gesamter Körper begann zu zittern. »Das … das kann nicht sein!«, krächzte er angestrengt.

»Hast wohl nur heiße Luft im Sack!«, höhnte Fortescue und drückte den Unterarm des Muskelprotzes unnachgiebig hinunter.

Von den Beobachtern des Wettkampfs stieg ein Raunen auf. Verblüfft weiteten sich die Augen der Anwesenden. Als Fortescue zum finalen Kraftakt ansetzte und die Hand des Ochsen auf die Tischplatte schmetterte, entfuhr ihnen ein kollektiver Aufschrei höchster Überraschung. Auch der Besiegte stieß einen dumpfen Laut aus, doch er ließ es nicht bei seiner Verblüffung.

»Betrug!«, entfuhr es ihm. Er riss seine Hand los, schleuderte sein Bierglas zu Boden und sprang auf. Plötzlich hielt er einen Revolver in seiner Faust, der drohend auf Fortescue gerichtet war. »Die Dollars bleiben bei mir!«, fauchte er. »Und weil du versucht hast, mich reinzulegen, nehme ich mir auch deinen Einsatz!«

»Nicht so schnell, Mister«, raunte Lassiter. »Stecken Sie Ihre Kanone wieder ein, sonst könnte der Tag ein hässliches Ende nehmen.« Demonstrativ legte er seine Hand auf den Griff des Remington.

»Wer sind Sie denn?«, schnauzte der Fleischberg. »Halten Sie sich bloß raus! Die Sache geht Sie nichts an!«

Verhalten schüttelte Lassiter seinen Kopf. »Wenn man spielt, sollte man immer die Möglichkeit in Betracht ziehen zu verlieren. Sie waren zu siegessicher und haben die Quittung bekommen. Sie sollten beide Ihre Dollars nehmen und sich verziehen.«

»Mister Lassiter?«, platzte es mit einem Mal aus Fortescue heraus. Erst jetzt war er auf den Brigade-Agenten aufmerksam geworden. Auf der Stelle ergriff er die Chance und wandte sich an die Zuschauer. »Dieser Mann wird bezeugen, dass ich den Wettstreit ohne Hinterlist und nur mit den besten Absichten begonnen habe!«

Fragende Blicke streiften Lassiter, der sofort einlenkte. »Ja, ich kenne diesen Kauz. In bester Erinnerung habe ich ihn allerdings nicht. Nichtsdestotrotz werde ich nicht zulassen, dass ihm jemand ein Haar krümmt …«

Betretenes Schweigen folgte, das Fortescue nutzte, um seine Dollarscheine an sich zu nehmen. Doch er hatte nicht mit seinem gedemütigten Widersacher gerechnet.

»Pack das Geld wieder auf den Tisch, sonst knalle ich dich ab wie einen räudigen Köter!«

Lassiter blieb ruhig, machte aber eine unmissverständliche Drohung. »Ich sage es Ihnen zum letzten Mal: Stecken Sie Ihren Colt ein!«

»Die Scheine gehören mir!«, zischte der riesige Kerl.

»Dann hol sie dir doch!«, kläffte Fortescue.

Ein flüchtiges Aufflackern in den Augen des Muskelmanns alarmierte Lassiter. Im Bruchteil einer Sekunde zog er seinen Remington und schoss, kaum dass der Ochse den Hahn seines Revolvers gespannt hatte. Die Kugel durchschlug seinen Unterarm; die Waffe entglitt seinen Fingern und polterte auf die Dielen. Mit einem Schmerzensschrei knickte er ein und presste seine Linke auf die Wunde.

»Kommen Sie her, Fortescue!«, forderte Lassiter den Kleinen auf, wartete aber nicht ab, bis dieser der Aufforderung nachkam. Energisch schritt er aus, packte den Erfinder bei den Schultern und zerrte ihn auf die Füße. »Sie sollten die Beine in die Hände nehmen und Garrison auf dem schnellsten Weg verlassen!«

»Lassen Sie mich los!«, schrillte Fortescue. »Man will mich um meinen Gewinn betrügen!«

Ohne dass irgendjemand es mitbekam, flüsterte der Agent: »Wer hier wen betrogen hat, ist noch offen. Ein Blinder aber kann sehen, dass ein Federgewicht wie Sie gegen einen Bullen chancenlos ist.« Er wollte den kleinen Mann mit sich ziehen, hielt aber plötzlich inne, als er eigenartige Verhärtungen unter dessen Kleidung ertastete.

Daniel Elijah Fortescue bemerkte es und wollte scheinbar mit einem Redeschwall von weiteren Fragen ablenken. »Sie haben einem unbescholtenen Briten das Leben gerettet!«, quakte er und entzog sich elegant Lassiters Zugriff. Unter seinem Pullover holte er eine Strickmütze hervor und stülpte sie sich über. »Mein Onkel auf der Insel würde seinen Dank in klingender Münze ausdrücken, was mir selbstredend nicht vergönnt ist. Nicht einmal die zehn Dollar Einsatz gehören mir, aber wenn Sie dem Krämer, dem ich sie schulde, nichts verraten, investiere ich sein Geld in sinnvollere Dinge als Kleineisenteile.«

Flugs huschte er davon, wurde aber von Lassiter bereits auf dem Boardwalk eingeholt. »Wie haben Sie es geschafft, diesen Hünen zu bezwingen?«, wollte der Brigade-Agent wissen.

Fortescue antwortete mit einer Gegenfrage. »Wie schafft es die verwundete Berglöwenmutter, ihre Jungen gegen ein Rudel Kojoten zu verteidigen?«

»Sie sind kein Berglöwe«, machte Lassiter ihn aufmerksam. »Bestenfalls ein Hauskätzchen.«

Der Engländer zuckte die Schultern. »Ich nehme diese Schmähung hin mit dem Taktgefühl eines echten Gentleman«, versetzte er näselnd. »Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, Mister Lassiter. In Helena wartet man bereits auf meine Ankunft.«

Im ersten Moment glaubte Lassiter, sich verhört zu haben, im zweiten schon witterte er Verrat. »Sie wollen nach Helena?« Spontan fiel ihm das erste Aufeinandertreffen mit Fortescue in Tucson ein, kurz darauf in Redington. »Schnüffeln Sie mir etwa wieder hinterher?«

»Falls Sie damit andeuten wollen, ebenfalls auf dem Weg nach Helena zu sein, verweise ich darauf, dass dies ein freies Land ist. Ein Mann kann gehen, wohin er will. Ob nach Norden, Osten, Westen oder …«

»Dennoch ein seltsamer Zufall«, meinte Lassiter nachdenklich, ließ den eigenartigen Vogel jedoch ziehen. Stumm sah er ihm nach, wie er aus einer Seitengasse ein Maultier hervorzerrte und sich darauf setzte. Der Esel bewegte sich jedoch nicht um einen Inch, was Fortescue lautes Gezeter entlockte. Mit einer Gerte tätschelte er das Hinterteil des Tieres und stieß ihm unbeholfen die Hacken in die Flanken.

Lassiter bestieg seinen Grauschimmel und ritt an dem hilflos kreischenden Briten vorüber. Bei einem Blick über seine Schulter stellte er fest, dass die Männer aus dem Saloon kamen und ihre Witze über Fortescue rissen. Ernst zu nehmen schien ihn keiner. Lassiter hingegen sah die Angelegenheit nicht ganz so optimistisch. Ein Mann wie Daniel Elijah Fortescue war durchaus in der Lage, sich und andere in Schwierigkeiten zu bringen. Und wenn die Probleme nicht zu ihm kamen, dann ging er ihnen entgegen.

An diesem Vormittag hatte Aaron Jackson seine Hütte später als gewohnt verlassen, um auf die Jagd zu gehen. In den letzten Monaten hatte er – mehr, als in den Jahren zuvor – gemerkt, dass das entbehrungsreiche Leben in den Wäldern sowie auch sein Alter ihm zu schaffen machte. Er war nicht mehr der kernige junge Mann, als der er 1864 nach Montana gekommen war und sich voller Eifer und guter Hoffnung in den Goldrausch gestürzt hatte.

Doch die Jahre unsäglicher Mühen hatten ihm nichts eingebracht. Das wenige Gold, das er gefunden hatte, war auf den Spieltischen von Virginia City gelandet. Desillusioniert hatte er sich daraufhin in die Einsamkeit zurückgezogen, ein Eremit, der nur noch von dem lebte, was ihm die Natur bescherte. Die Jagd nach den Dollars hatte er längst aufgegeben.

Der Tag empfing Jackson mit milden Temperaturen und sorgte dafür, dass er seine Knochen nicht in dem Maße spürte, wie es in den kalten Wintermonaten der Fall war. Er griff zu einer Axt hinter seiner Hütte, wog sie in der Rechten und legte sie wieder beiseite. Bevor er sich ans Holzhacken machte, wollte er sich lieber einen Braten für den Abend schießen. Keinen Elch oder eine Antilope, sondern Kleinwild. Im Sommer faulte das Fleisch zu schnell; im Winter konnte er es in den Schnee eingraben.

Zurück in seiner kleinen Hütte holte er aus einer Kiste seinen alten Sharps-Karabiner hervor. Das Gewehr hatte mehr als zwanzig Jahre auf dem Buckel, war aber robust gefertigt und versah seinen Dienst ohne Beanstandungen wie zu jener Zeit, da Jackson es erstanden hatte. Die Waffe war ein Umbau, die statt der damals üblichen Papierpatronen Messinghülsen verwendete.

Jackson schulterte sein Gewehr und trottete in den Wald hinaus. Tief atmete er die würzige Luft von Wacholderbäumen, Zedern und Kiefern ein. Es war schon etwas anderes, statt in der Stadt inmitten der Natur zu wohnen, einzig umgeben von ihren beruhigenden Lauten und nicht von Dampfrössern und schnatternden Menschen. Um nichts in der Welt hätte Jackson mit ihnen tauschen mögen.

Mehr als eine halbe Stunde war der Einsiedler über schmale Pfade und durchs Unterholz gepirscht, bis er mit einem Mal Geräusche vernahm, die so gar nicht zu seiner friedlichen Idylle passen wollten. Er kniete sich neben den Stamm einer Lärche und horchte.

Kein Zweifel: Das waren Schüsse, die an seine Ohren drangen. Wenn er sich nicht täuschte, kamen sie aus der Richtung des Goldgräbercamps. Wahrscheinlich hatte irgendeiner dieser hoffnungslosen Optimisten irgendwo ein winziges Nugget entdeckt – und nun gingen sich alle gegenseitig an die Gurgel, weil keiner dem anderen auch nur das Schwarze unter den Fingernägeln gönnte.

Aaron Jackson konnte diese Kerle nur bemitleiden, glaubten sie doch immer noch, reich werden zu können. Aber das Gebiet war schon lange abgegrast. Das Einzige, womit man seine Taschen dort noch füllen konnte, waren Steine, Dreck und Staub.

Schon wollte Jackson kehrtmachen, da ließ ihn ein spitzer Schrei zusammenfahren. Es war die Stimme einer Frau gewesen, hell und durchdringend. Nachdem die Schießerei verstummt war, musste sie weithin hörbar gewesen sein.

Was ging in dem Camp vor sich? Hatte sich Jackson geirrt und die Lage falsch beurteilt? Einige Sekunden rang er mit sich, ob er sich einmischen sollte. Erst ein zweiter Schrei, in höchster Not ausgestoßen, drängte ihn dazu, die Situation in Augenschein zu nehmen und gegebenenfalls einzugreifen.

Seinen Karabiner mit beiden Händen gepackt, rannte er los und bewegte sich entlang eines Seeufers. Mehrmals noch stieß die Frau spitze Laute aus und wies Jackson die Richtung. Nicht lange, und er entdeckte sie in einer Entfernung von weniger als dreihundert Yards. Wie von Furien gehetzt brach sie durch die Büsche und stürzte, vom eigenen Schwung getragen, ins Wasser. Ihr Kleid war stellenweise eingerissen und entblößte mehr von ihrem Körper, als sie freiwillig zugelassen hätte.

Jackson wollte ihr etwas zurufen, doch die Worte erstickten in dem Augenblick in seiner Kehle, als fünf Berittene zwischen den Bäumen erschienen und ihre Pferde in den See trieben. In Ufernähe war das Wasser seicht, sodass die Kerle die Flüchtige spielend in die Zange nehmen konnten.

»Da ist ja das Püppchen!«, rief einer der Reiter aus. »Du hättest aber vor dem Baden deinen Fummel ausziehen sollen!«

War das Caleb Ward? Jackson war nicht sicher. Seine Augen besaßen nicht mehr die Schärfe wie früher. Dennoch konnte er den langen blonden Schopf erkennen, ein nahezu untrügliches Merkmal, dass es sich um den Sadisten und gleichfalls die rechte Hand von Sheriff Liam Archer handelte. Jackson war beiden nur ein einziges Mal in Helena begegnet, doch das hatte ausgereicht, ihn die wahre Gesinnung der zwei Männer erkennen zu lassen. Es waren abgrundtief böse Menschen, die das Gesetz missbrauchten, um ihre finsteren Absichten durchzusetzen. Jeder, der sich mit ihnen anlegte, stand auf verlorenem Posten.

Die junge Frau hastete durch das Wasser, strauchelte, ging unter und kam nach Luft schnappend wieder in die Höhe. Im Nu war sie von den Männern umzingelt, die sich einen Spaß daraus machten, sie mit ihren Pferden anzustoßen und immer wieder zu Fall zu bringen. Einer der Jäger bekam einen Fetzen ihres Kleides zu fassen, riss johlend daran und zerrte es ihr fast vollständig vom Körper.

Das arme Ding schlug um sich und versuchte, seine Blöße zu bedecken, doch die Häscher ließen die Frau nicht in Ruhe. Das grausame Spiel erreichte seinen Höhepunkt, als Ward seine Leute zurückpfiff und ausrief: »Genug jetzt! Das Luder hat uns lange genug aufgehalten!« Aus der Hüfte gab er einen Schuss ab, der ein Loch in den Oberschenkel seines Opfers riss.

»Zu tief!«, rief einer seiner Spießgesellen. »Damit humpelt die Schnepfe noch bequem nach Hause!«

»Halt’s Maul, Conrad!«, versetzte Caleb Ward bissig. »Ich hab doch gerade erst angefangen!«

Ein feuriger Stich grub sich in Aaron Jacksons Eingeweide. Mit brennendem Blick beobachtete er, wie die Dunkelhaarige zur Seite fiel und die Wasseroberfläche durchstieß. Haltlos ruderte ihr rechter Arm durch die Luft, bis sie es trotz ihrer Verletzung wieder schaffte, auf die Füße zu kommen.

»Bitte!«, trug der leise Wind ihre Stimme hinüber zu Jackson. »Ich werde nichts verraten! Töten Sie mich nicht!«

Caleb Wards Antwort war wie eine Klaue, die sich unerbittlich um Jacksons wild pochendes Herz schloss. »Tut mir leid, Püppchen, aber meiner Erfahrung nach lügt eine Frau bereits, sobald sie das Maul aufmacht …« Im Abstand eines Lidschlags hallten drei Schüsse über den See hinweg.

Krampfhaft hielt Aaron Jackson seine Augen geschlossen. Und als er wieder hinsah, erkannte er nur noch ein weißes Bündel, das auf dem Wasser schwamm. Ward und seine Schergen sammelten sich und ritten davon.

Fassungslos starrte Jackson auf den See, dann auf seine Hände, die das Sharps-Gewehr hielten. Er hatte nichts unternommen, obwohl es seine Pflicht gewesen wäre, der Gejagten beizustehen. Wie ein erbärmlicher Feigling kam er sich vor, denn er hätte ohne Mühe das Feuer eröffnen können, ohne Gefahr zu laufen, selbst erschossen zu werden.

Warum hatte er es nicht getan?

Die Augen machen nicht mehr mit, schob er einen Gedanken nach, um sein Gewissen zu besänftigen. Ich hätte das Mädchen treffen können …

Derart fest umklammerte er Schaft und Lauf seines Karabiners, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Er wusste, dass er sich selbst etwas vormachte, doch es war die einzige Möglichkeit, um nicht an seiner Schuld zu ersticken. Denn sein Handeln war einzig von Furcht geprägt gewesen. Furcht davor, dass die Schießer ihn eines Tages aufgesucht und kaltblütig niedergemetzelt hätten. Furcht davor, das Wenige zu verlieren, das er noch besaß. Und nun hatte eine Unbekannte den Preis für seine Sicherheit mit dem Leben bezahlt.

Auf wackligen Beinen ging er zurück zu seiner Hütte. Der Appetit auf ein Stück Wild war ihm gründlich vergangen.

Die Straße nach Helena war breit ausgebaut und bot Raum für etwa vier nebeneinander fahrende Fuhrwerke. Lassiter ritt an einem Tross aus Wagen und Handkarren vorüber, die allerlei Waren und Handelsgüter in die Stadt brachten. Von weitem sah er die Gerüste einiger im Bau befindlicher Häuser, die am Fuß einer bergigen Erhebung im Zentrum der Town errichtet wurden. Sie mochte an ihrem höchsten Punkt fünfzig bis sechzig Yards hoch sein und erstreckte sich auf einer Breite von geschätzten fünfhundert Yards. Die Mainstreet schlängelte sich um den Hügel herum und eröffnete schließlich den Blick auf eine weite bebaute Fläche, hinter der sich die Big Belt Mountains erhoben.

Als Erstes benötigte Lassiter eine Unterkunft, erkundigte sich bei einigen Passanten und erreichte schon bald die »Blue Lake Lodge« im Osten der Stadt. Das Hotel besaß eine strahlend weiße Holzfassade und schien erst vor kurzem frisch gestrichen worden zu sein. Der erste Eindruck behagte Lassiter, auch wenn er keinen sonderlichen Wert auf Ausstattung und Komfort legte. Was er benötigte, war eine Bleibe, von der aus er seine Einsätze durchführen konnte. Und natürlich ein Bett.

An der Rezeption standen bereits zwei Männer und unterhielten sich mit dem Clerk. Einer von ihnen war hochgewachsen und besaß in etwa Lassiters Größe, der andere war eine Handbreit kleiner, lehnte lässig am Tresen und warf Lassiter einen flüchtigen Blick über die Schulter zu.

»Hast du die Aushänge wieder eingesammelt, Pete?«, wandte sich der Größere an den Clerk.

»Sicher, Liam«, meinte Pete und kratzte sich an der hohen Stirn, »aber Mrs. Blair wird sie wieder anschlagen. Sie ist besessen davon, ihre Schwester …«

Liam winkte ab. »Das Weibsbild geht mir gehörig auf die Nerven. Sie bringt zu viel Unruhe in die Stadt.« Er drehte sich zur Seite und wurde auf Lassiter aufmerksam. »Suchen Sie ein Zimmer oder wollen Sie zu mir?«, fragte er.

Lassiter sah den Stern an der Weste des Mannes und nickte. »Beides«, raunte er. »Und genau in dieser Reihenfolge.«

Der zweite Kerl wurde hellhörig, nahm seinen Stetson ab und schüttelte sein langes blondes Haar. Auf seinen Zügen lag der Anflug eines schillernden Lächelns, in seinen Augen eine abweisende Kälte. Hinzu kam ein nervöses Zucken, das seine Mundwinkel umspielte. »Sind Sie auf der Durchreise, Mister …?«

»Lassiter«, nannte der Agent seinen Namen. »Ich bin im Auftrag des Gouverneurs in Helena.«

»Liam Archer«, stellte sich der Sheriff vor und ruckte sein Kinn hinüber zu seinem Nebenmann. »Das ist Caleb Ward. Wir sorgen dafür, dass es auch morgen noch friedlich bei uns zugeht.« Gleich darauf setzte er eine grüblerische Miene auf. »Mir ist nichts davon bekannt, dass Gouverneur Hauser einen Mann rausgeschickt hat.«

»Das wird daran liegen«, erwiderte Lassiter, »dass die Angelegenheit einer gewissen Verschwiegenheit bedarf. Denn er scheint Ihre Auffassung eines friedlichen Städtchens nicht zu teilen.«

Ward und Archer warfen sich bezeichnende Blicke zu. Während der Blonde sich von der Theke löste und langsam um Lassiter schlich, ergriff der Sheriff wieder das Wort. »Also sind Sie hier, um sich davon zu überzeugen, dass in Helena alles mit rechten Dingen zugeht. Sehe ich das richtig?«

»Sie haben doch sicher nichts zu befürchten, oder?«, stellte Lassiter eine Gegenfrage und folgte Caleb Ward aus den Augenwinkeln.

Archers Züge verhärteten sich. »Ich weiß nicht, was Sie damit andeuten wollen, Mister Lassiter, aber mir gefällt Ihr Ton nicht.«

»Ist mir auch aufgefallen, Liam«, sagte Ward. Lassiter spürte seinen Atem im Nacken, gleich darauf die Hand, die sich auf seine Schulter legte. »Entspannen wir uns doch einfach und genießen die schönen Dinge des Lebens. Schauen Sie sich Ritas Hurenhaus mal genauer an. Die Weiber sind üppig gebaut. Da betteln Sie gleich um einen Liter Buttermilch.«

Eine verlockende Vorstellung, das musste Lassiter zugeben. Es war jedoch ersichtlich, dass das Angebot einen anderen Zweck verfolgte, als ihm Vergnügen zu bereiten. Archers nachfolgende Äußerung bestätigte seine Bedenken indirekt.

»Als Inspektor des Gouverneurs werden Sie feststellen, dass alles seine Ordnung hat«, meinte der Sheriff und wirkte versöhnt. »Sie haben doch sicher ein Begleitschreiben, das Sie als Bevollmächtigten ausweist, nicht wahr?«

Lassiter schüttelte seinen Kopf. »Bei der gebotenen Eile hat der Gouverneur wohl vergessen, mich entsprechend auszustatten …«

»Das heißt also«, warf Caleb Ward ein, »dass wir uns lediglich auf Ihr Wort verlassen müssen.«

»Das heißt es«, bestätigte Lassiter. »Da Sie aber nach eigener Aussage nichts zu verbergen haben, dürfte es wohl ausreichen.«

»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun!«, entgegnete Liam Archer scharf. »Hier kann sich doch nicht jeder Dahergelaufene als Repräsentant des Gouverneurs aufspielen und mir in die Suppe spucken!«

Den Einwand hatte Lassiter erwartet und antwortete: »Da haben Sie sicher Recht, doch aus welchem Grund sollte das jemand tun?«

»Woher soll ich das wissen?«, schnauzte Archer. »Bin ich Gedankenleser? Es gibt nun mal eine Menge Leute, die mit mir nicht klarkommen. Vielleicht sind Sie ein Verwandter, den man auf mich angesetzt hat …« Er machte eine kurze Pause und fuhr mit gefährlich leiser Stimme fort: »Seien Sie vorsichtig, solange Sie sich in Helena aufhalten. Stecken Sie Ihre Nase nicht zu tief in den Dreck, und kommen Sie mir nicht in die Quere.« Einmal noch wandte er sich an den Clerk. »Sag mir Bescheid, wenn die Blair wieder ihr Unwesen treibt. Dem werde ich ein für alle Mal Einhalt gebieten.«

Ward klopfte Lassiter auf die Schulter und zischte: »Immer schön die Füße stillhalten, Amigo. Und grüßen Sie mir Rita. Das Prachtweib wird Sie mit ihrer Truppe auf andere Gedanken bringen.«

Die Männer verließen das Foyer und traten auf die Straße. Lassiter sah, dass sie sich unterhielten, konnte aber nicht hören, worüber. »Geben Sie mir ein Zimmer, Pete«, wandte er sich an den Clerk.

»Für wie lange?«, fragte der Mann.

»Zwei oder drei Tage.« Lassiter bezahlte im Voraus und erhielt einen Schlüssel. Auf der Treppe zu den Gästezimmern blieb er noch einmal stehen, als Pete unerwartet nach ihm rief.

»Schlagen Sie die Warnung des Sheriffs besser nicht in den Wind, Mister Lassiter. Archer und Ward sind keine Menschenfreunde, wobei ich nicht weiß, welcher von beiden schlimmer ist.«

Der Mann der Brigade Sieben hob eine Braue. »Dafür scheinen Sie sich aber gut mit ihnen zu verstehen.«

Pete stieß ein freudloses Lachen aus. »Was bleibt mir übrig? Die Kerle könnten mir das Leben zur Hölle machen.«

Kommentarlos nahm Lassiter die Aussage hin und stiefelte zu seinem Zimmer hoch. Bereits jetzt war ihm klar, dass er mit dem Sheriff und seinem Komplizen noch heftig aneinandergeraten würde.

Die Bergbausiedlung lag keine acht Meilen von Helena entfernt. Liam Archer ließ seinen Falben im gestreckten Galopp über die Steppe preschen und hatte Lassiter bereits vergessen. Für ihn galt es, sich um dringendere Angelegenheiten zu kümmern. Was es sonst noch an Problemen gab, konnte warten.

Er passierte die ersten Bretterhütten des Lagers, zügelte sein Pferd und rief nach dem Vorabeiter. »McCoy! Schmeiß deinen Pickel weg! Wir haben zu reden!«

Viel zu lange dauerte es dem Sheriff, bis der Mann herankam. Ohne sichtliche Eile schlurfte er Archer entgegen, wischte sich Schweiß und Schmutz aus dem Gesicht und blickte den Reiter in einer Mischung aus Neugier und Verachtung an. »Was gibt es?«, krächzte er und hustete. »Ich kann mich nicht lange mit Ihnen beschäftigen.«

»Das brauchst du auch nicht«, erwiderte Liam Archer und stieg aus dem Sattel. »Gib mir einfach das Geld, dann halte ich dich nicht mehr auf.«

»Das … das Geld?«, stotterte Dan McCoy und schaute Archer an wie einen Geist. »Sie sind eine Woche zu früh. Ich habe es nicht. Die Leute haben noch keinen Lohn bekommen.«

»Daran kann ich mich nicht aufhalten«, versetzte der Sheriff barsch. »Ich brauche die Dollars heute, nicht in sieben Tagen. Plündere die Kassen deiner Jungs und bring es mir!«

»Ausgeschlossen!« McCoy machte eine abwehrende Geste. »Meine Männer haben Familien zu ernähren! Die meisten meiner Männer warten selbst schon händeringend auf ihre Bezahlung!«

Ungehalten spuckte Archer aus und packte den Vorarbeiter am Kragen. »Siehst du den Stern an meiner Brust, Freundchen? Ich kann tun und lassen, was ich will, denn ich vertrete Recht und Ordnung. Falls du also nicht in ernsthaften Konflikt mit dem Gesetz geraten möchtest, solltest du alles Erdenkliche unternehmen, um mich gnädig zu stimmen.«

Mit einem Ruck riss sich McCoy los und stand keuchend vor dem Sheriff. »Was Sie verlangen, ist unmöglich! Ich kann mir und meinen Leuten die Dollars nicht aus den Rippen schneiden! Wollen Sie das denn nicht verstehen?« Unwillkürlich ballte er seine Fäuste, als wollte er sich bei der nächstbesten Gelegenheit auf seinen Gesprächspartner stürzen.

Der Sheriff blieb gelassen. »Oftmals«, raunte er, »mangelt es den Menschen, mit denen ich zu tun habe, an Motivation. Sie versuchen erst gar nicht, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Es wäre unmöglich, sagen sie. So, wie du es getan hast. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass es nur eine Frage des Antriebs ist, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen. Diese Chance sollen auch du und deine Männer haben.«

Dan McCoy war irritiert, öffnete seine Fäuste und wischte sich die Handflächen an seiner Hose ab. »Wie darf ich das verstehen? Ich kann zehnmal in einen leeren Fleischtopf gucken und bin trotzdem nicht satt.«

»Mach dir vorerst darüber keine Gedanken«, gab sich der Sheriff gönnerhaft. »Morgen um dieselbe Zeit komme ich wieder. Und irgendetwas sagt mir, dass du mich nicht wieder abweisen wirst …«

Die Unterhaltung war nicht unbeobachtet geblieben. Nach und nach kamen mehrere Arbeiter zusammen und stellten sich neben McCoy auf. »Was ist denn los, Boss?«, erkundigte sich einer von ihnen. »Gibt es Ärger?«

»Nein, nein«, wiegelte der Vorarbeiter ab. »Es ist alles in Ordnung.« Es war ihm anzusehen, dass er die Hinterlist in Liam Archers Worten durchschaut hatte, konnte sich aber offenbar keinen Reim darauf machen, was dieser im Schilde führte.

»Warum sagst du ihnen nicht, was wir besprochen haben?«, wollte Archer wissen und grinste heimtückisch. »Es ist doch nur fair, dass sie Bescheid wissen. Schließlich sitzt ihr alle im selben Boot.«

»Geht’s wieder um die verdammten Dollars?«, stieß ein bärtiger Kerl aus und krampfte seine Hände um den Stiel seiner Spitzhacke. »Ich kann und werde keine zehn Dollar mehr von meinem Lohn bezahlen! Zu Hause haben wir kaum etwas zu fressen! Meine Frau verzichtet oftmals aufs Abendbrot, damit ich mehr bekomme und weiter arbeiten kann, aber von meinen Kindern werde ich das nicht verlangen!«

Liam Archer machte einen Schritt auf den Mann zu und stemmte seine Fäuste in die Hüften. »Das hast nicht du zu entscheiden, Bursche! Du scheinst mir ohnehin deine Kräfte außerhalb der Arbeit zu verschwenden, sonst würde deine Frau nicht werfen wie eine läufige Hündin!«

Der Mann mit der Spitzhacke schäumte vor Wut und holte mit seinem Werkzeug aus, um Archer niederzustrecken. Doch der Sheriff hatte mit dieser Attacke gerechnet und ließ sein rechtes Bein vorschnellen. Der Tritt beförderte den Arbeiter zwei Meter zurück und hätte ihn um ein Haar zu Fall gebracht. Er behielt jedoch sein Gleichgewicht und setzte zu einem neuerlichen Hieb an.

Ein Schuss aus Liam Archers Revolver krachte, dann ein zweiter. Beide Kugeln schlugen in die Kniescheiben des Mannes, ließen ihn straucheln und schreiend umkippen.

»Ich fürchte«, meinte der Sheriff, »dass du mit diesen Verletzungen erst einmal daheimbleiben solltest. Deine Frau und deine Kinder werden das schon verstehen, wenn sie nachts über die Äcker der umliegenden Farmen streifen, um Kartoffeln auszugraben und Kohlköpfe zu pflücken.« Drohend hob er seine Waffe und beschrieb mit ihr einen Halbkreis entlang der dastehenden Männer. »Ich hoffe, ihr seid vernünftiger. Und du, McCoy, denk daran, mich morgen nicht noch einmal zu enttäuschen.« Mehr sagte er nicht, saß auf und ritt davon.

Jeder kannte Rita, aber nur wenige würden es zugeben. Das zumindest hatte der Hotel-Clerk Lassiter wissen lassen. Verwunderlich war es selbstverständlich nicht. Die vielen Familienväter, die sich heimlich in dem Etablissement ein Stelldichein gaben, würden mit ihren außerehelichen Aktivitäten ganz sicher nicht hausieren gehen. Und jenen, die grundsätzlich nicht in ein Bordell gingen, war es einfach nur peinlich, über den Schandfleck der Stadt zu reden.

An den Betätigungen, denen eine Hure nachging, fand Lassiter nichts Anstößiges oder gar Unchristliches. Es war ein Beruf wie jeder andere, der allerdings nicht hoch geachtet wurde. Und das war nach Lassiters Auffassung schon kurios, weil nicht wenige Herren der Schöpfung davon in einem Maße profitierten, das man andernorts vergeblich suchte. Die einen verschafften sich Entspannung, die anderen das nötige Kleingeld in der Kasse. Auch die Empörung so mancher Frau konnte der Brigade-Agent nicht nachvollziehen, denn wenn die Professionellen den Männern den Druck nahmen, kamen diese nicht in Versuchung, einem ahnungslosen Weib hinter Büschen aufzulauern.

Es gab aber noch einen Vorteil, den ein Hurenhaus mit sich brachte, und der war für Lassiter besonders interessant. Die Dirnen verkehrten mit Kerlen aus allen Schichten, hörten hier und dort etwas und waren stets bestens informiert. Ganz bestimmt konnten sie auch über Liam Archer aus dem Nähkästchen plaudern, wenn Lassiter seine Befragung nicht allzu plump anging.

Über dem Eingang des Dirnentempels hing ein schlichtes Schild mit der Aufschrift »Rita’s«. Die Inhaberin lernte Lassiter kennen, kaum dass er die Schwelle des Hauses übertreten hatte.

»Hallo, mein Süßer!«, rief ihm eine korpulente Dame zu, die unverkennbar im Herbst des Lebens stand. Sie war keinesfalls unattraktiv, auch wenn ihr Wangenrouge ein wenig zu kräftig aufgetragen war und die Federboa auf ihrem Kopf sie auch nicht jünger wirken ließ. Dennoch machte sie einen herzlichen und sympathischen Eindruck, war eine Frau, deren Blick Lebensfreude und Ehrlichkeit versprühte. »Ich bin Rita! Fühl dich bei mir ganz wie zu Hause, Wanderer!«

Auf ihren Wink hin begab sich Lassiter in die Lounge und nahm schmunzelnd auf einem Sofa zwischen zwei offenherzigen Damen Platz. Er legte ihnen seine Arme um die Schultern und fühlte sich ganz als Hahn im Korb.

»Wonach steht dir der Sinn?«, wollte Rita wissen. »Magst du es griffig und drall oder eher zierlich und zerbrechlich?«

»Gibt es auch etwas dazwischen?«, fragte Lassiter amüsiert und musste zugeben, dass Caleb Ward nicht übertrieben hatte. Zumindest die Frauen in seinem Blickfeld besaßen Rubens’sche Proportionen.

»Süßer, du kannst haben, was immer dein Herz begehrt …« Rita klatschte in die Hände. Kurz darauf teilte sich der Vorhang zum Nebenzimmer und offenbarte fünf grazile Schönheiten. Bei ihnen saß alles am richtigen Fleck und wurde durch ihre eng anliegende Wäsche in besonderem Maße betont. Die Frauen zu Lassiters Linker und Rechter räumten bereitwillig das Feld und machten ihren Kolleginnen Platz. Zwei von ihnen setzten sich zu dem Agenten, die anderen drei hockten sich zu seinen Füßen und sahen ihn schmachtend an.

Ich bin im Paradies, ging es Lassiter durch den Sinn. Am liebsten hätte er die ganze Schar mit aufs Zimmer genommen.

»Gefällt dir eine?« Erwartungsvoll strahlte Rita ihn an. »Es ist auch ein Geschwisterpärchen darunter.«

Wie zur Bestätigung zwinkerte die Brünette neben Lassiter ihm zu und sagte: »Ich bin Isabella.«

»Und ich bin Chloe«, schloss sich die Schwarzhaarige an, die vor Lassiter auf dem Boden kauerte.

»Ich mag Schwarz«, meinte der große Mann und warf dem brünetten Lockenschopf einen bedauernden Blick zu. »Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich euch vorübergehend trenne.«

»Der Tag ist noch jung«, erwiderte die junge Frau und blies eine Strähne aus ihrer Stirn. »Ich komme schon noch auf meine Kosten.«

»Du wirst deinen Spaß haben, Fremder«, bekräftigte Rita.

Lassiter wollte seinen Namen nennen, doch die Bordellinhaberin legte ihm rasch einen Finger auf die Lippen. »Psst«, machte sie, »wie du heißt, ist hier nicht wichtig. Ich habe schon so viele Johns und Jacks kennen gelernt, dass ich sie schon nicht mehr zählen kann.«

Lassiter reichte dem Girl mit der schwarzen Mähne die Hand und zog sie zu sich. Sanft drängte sie sich zwischen ihn und ihre Schwester und schmiegte sich an den Agenten. »Willst du es gleich hier machen oder auf dem Zimmer?«, fragte sie mit kokettem Augenaufschlag.

»Ein wenig Privatsphäre könnte nicht schaden«, entgegnete Lassiter. »Falls es aber zu den Gepflogenheiten dieses Hauses gehört, es in aller Öffentlichkeit zu treiben, will ich kein Spielverderber sein.«

Chloe streichelte über seine Brust, glitt mit zarten Fingern hinauf zu seinem Hals und strich zärtlich über seine Wange. »Ich richte mich ganz nach dir«, hauchte sie und öffnete mit der freien Hand die Verschlüsse ihres Dekolletés, sodass die Ansätze ihrer Warzenvorhöfe zu sehen waren.

»Zimmer!«, sagte Lassiter entschlossen und wuchtete sich zusammen mit der aufreizend gekleideten Schönheit in die Höhe. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals, presste sich an ihn und wies ihm den Weg. Auf der Treppe drehte sich Lassiter noch einmal Rita zu. »Bevor ich es vergesse: Ich soll Ihnen schöne Grüße von Caleb Ward ausrichten.« Er tat es nicht aus Freundlichkeit, sondern nur, um eine Reaktion zu provozieren. Und diese ließ nicht auf sich warten.

»Woher kennen Sie diese Ratte?« Aus Ritas Stimme war jede Wärme gewichen.

»Ich bin ihm in meinem Hotel begegnet«, erklärte der große Mann. »Er hat Sie mir empfohlen.«

Rita stieß einen verächtlichen Pfiff aus. »Das sieht dem verlausten Nuttenpreller ähnlich! Der lässt sich dreimal die Woche die Stange polieren und rückt nicht einen Nickel raus! Gegen ihn kann ich nichts machen, weil ich sonst Archer am Hals habe, aber allen anderen empfehle ich, in harten Dollars zu bezahlen.«

»Keine Sorge, Ma’am«, sagte Lassiter grinsend, »ich bin gut bestückt.«

»Hört sich verlockend an«, gurrte Chloe ihm ins Ohr. »Da werde ich gleich mal die Probe aufs Exempel machen …«

Lassiter erklomm die Stufen und schlenderte mit Chloe im Arm über den sich anschließenden Flur. Allem Anschein nach, so dachte er, würde er in der gesamten Stadt wohl kaum jemanden finden, der etwas Nettes über Archer und Ward zu berichten hatte. Der Sheriff schien ein eisernes Kommando zu führen und missbrauchte sein Amt, um sich Vorteile zu verschaffen. Der Mann der Brigade Sieben nahm sich vor, eindeutige Beweise für Archers Entgleisungen zu sammeln. Dann war es an der Zeit, ihn endgültig aus dem Verkehr zu ziehen.

Der Tag war lang und hart gewesen. Dan McCoy war bis auf die Knochen ausgelaugt. Doch seine Niedergeschlagenheit verdankte er nicht der Arbeit im Bergbau, denn sie war nicht körperlicher, sondern seelischer Natur. Das Ultimatum von Sheriff Liam Archer belastete ihn. Nur kurz hatte er mit seinen Männern darüber gesprochen und war auf breiten Widerstand gestoßen. Einhellig hatten sie sich dafür ausgesprochen, dem Unterdrücker die Stirn zu bieten. An sich war das auch die einzige Möglichkeit, aus dem Schlamassel zu entkommen. Erspartes besaß keiner der Arbeiter. Archers Forderung war unerfüllbar.

McCoy aber wusste genau, wie es laufen würde. Konnte er dem Sheriff morgen keine zweihundertfünfzig Dollar in die Hand drücken, würde er einen Schießertrupp zusammentrommeln und das Lager dem Erdboden gleichmachen. Überlebende würde es nicht geben. Und falls die Eisenbahngesellschaft nachfragte, hatte Archer sicher eine abstruse Geschichte parat. Es gab zahllose Gerüchte um die Praktiken des Sheriffs, so viele, dass schon längst jemand hätte stutzig werden müssen. Aber nach außen hin gab sich Liam Archer als rechtschaffener Mann des Gesetzes, der sich nie etwas hatte zuschulden kommen lassen und mit blitzblanker Weste dastand.

Welch ein Wunder! Nach allem, was Dan McCoy mitbekommen hatte, hatte es niemals Zeugen für Archers verbrecherische Handlungen gegeben, lediglich Männer und Frauen, die plötzlich und unerwartet das Zeitliche gesegnet hatten.

Die Sache stank zum Himmel, doch alle hielten sich kusch. Entweder aus Angst oder aus Unwissenheit. Bei McCoy war es die Angst um sich und seine Familie gewesen, als er in Absprache mit den anderen Arbeitern vor etwas über einem Jahr den monatlichen Schutzzahlungen an Archer zugestimmt hatte. Fünfzig eisenharte Kerle, die jeweils fünf Dollar von ihrem kargen Lohn abzugeben hatten. Und sie alle hatten sich geduckt und die Erpressung murrend hingenommen, nachdem Caleb Ward einen von ihnen vor versammelter Mannschaft kaltblütig niedergeschossen hatte. Nicht schnell und mit einer gezielten Kugel, sondern langsam und qualvoll.