Lassiter Sammelband 1846 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1846 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2419, 2420 und 2421.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

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Seitenzahl: 398

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Jack Slade
Lassiter Sammelband 1846

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by Bastei Lübbe AG, Köln

Covermotiv: © Boada/Norma

ISBN: 978-3-7517-4531-4

www.bastei.de

www.sinclair.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Lassiter 2419

Das Städtchen Sunview wirkte wie ausgestorben. Menschenleer zeigte sich die staubige Durchgangsstraße. Und auch hinter den Fenstern der Häuser war kein Lebenszeichen auszumachen.

Doch der Eindruck täuschte. Scott Doohan besaß ein feines Gespür für die Gefahr, die in der Luft lag. Schmal lächelnd schaute er seinen Bruder Frank an und meinte: "Siehst du Gewehre?" Frank Doohan schüttelte seinen Kopf. "Die warten, bis wir wieder draußen sind."

Nebeneinander ritten die beiden Männer gemächlich über die Mainstreet und zügelten ihre Pferde vor dem Bankgebäude. Sie saßen ab und leinten die Tiere an.

"Bist du bereit?", fragte Frank und zog seine Shotgun aus dem Scabbard. Scott nickte, legte die Rechte auf seinen Revolver und zerrte sein Halstuch über die Nase. "Fangen wir mit dem Feuerzauber an ..."

Lassiter 2420

Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht in Harrington verbreitet, dass Marshal Edward P. Moore angeschossen die Mainstreet hinunterritt. Er hätte die "Mähne" gejagt, hieß es, und die Männer der berüchtigten Banditenbraut hätten ihm am Buffalo Creek aufgelauert.  "Deputies!", rief Moore mit letzter Kraft aus dem Sattel. "Zu mir!"  Von sämtlichen Seiten drängten die Bewohner von Harrington heran, und die beiden Deputies mussten sich einen Weg durch die Menge bahnen. Sie stützten den blutenden Moore und halfen ihm vom Pferd.  "Marshal!", rief einer von ihnen. "Bei Gott, was ist geschehen?"  "Sie kommen!", flüsterte Moore und wankte vor Schwäche. "Bringt euch in Sicherheit!"

Lassiter 2421

"Was hast du da?" Marilyn erstarrte, als sie die Stimme des Stiefvaters hinter sich vernahm. Rasch schob sie den Brief und das Geldbündel zurück in den Kissenbezug. "Das geht dich nichts an!" "Ach ja? Ich werd' dich lehren..." Mit drei Schritten war er bei ihr und packte sie an ihrem blonden Zopf. Marilyn schrie auf, als ihr Kopf in den Nacken gerissen wurde. Sie stürzte unsanft auf ihren Hintern, während er nach dem Kissen langte. Beim Anblick der Dollarnoten weiteten sich seine Augen ungläubig. Marilyn sah sich panisch um, bis ihr Blick auf den Kerzenleuchter fiel. "All devils!", stieß er hervor. "Das sind doch mindestens ..." Schlagartig verstummte er, weil der Hieb auf den Hinterkopf sein Leben so schnell beendete, wie die meisten, die Rhauol Cortez gekannt hatten, es sich schon lange wünschten.

Lassiter Sammelband 1846

Cover

Titel

Impressum

Zusammenfassung

Inhalt

Lassiter 2419

Ein Marshal auf Abwegen

Lassiter 2420

Blonde Mähne, schwarze Seele

Lassiter 2421

Rowlands Töchter

Guide

Start Reading

Contents

Ein Marshal auf Abwegen

Das Städtchen Sunview wirkte wie ausgestorben. Menschenleer zeigte sich die staubige Durchgangsstraße. Und auch hinter den Fenstern der Häuser war kein Lebenszeichen auszumachen.

Doch der Eindruck täuschte. Scott Doohan besaß ein feines Gespür für die Gefahr, die in der Luft lag. Schmal lächelnd schaute er seinen Bruder Frank an und meinte: »Siehst du Gewehre?«

Frank Doohan schüttelte seinen Kopf. »Die warten, bis wir wieder draußen sind.« Nebeneinander ritten die beiden Männer gemächlich über die Mainstreet und zügelten ihre Pferde vor dem Bankgebäude. Sie saßen ab und leinten die Tiere an.

»Bist du bereit?«, fragte Frank und zog seine Shotgun aus dem Scabbard.

Scott nickte, legte die Rechte auf seinen Revolver und zerrte sein Halstuch über die Nase. »Fangen wir mit dem Feuerzauber an …«

Die zwei Männer stürmten vor, traten die Tür der Bank auf und polterten in den Vorraum. »Hände hoch zum Himmel und keine falsche Bewegung!«, schrie Frank und legte seine Shotgun auf den Clerk hinter dem Schaltertresen an.

Scott hielt seinen Sechsschüsser im Anschlag, lachte heiser auf und raunte seinem Bruder zu: »So habe ich mir das vorgestellt! Keine Menschenseele in dem Schuppen!« Er spannte den Hahn seiner Waffe und richtete sie ebenfalls auf den Bankangestellten. »Her mit den Scheinen, Freundchen, sonst bist du gestern das letzte Mal über deine Alte gerutscht!«

Zitternd stand der Clerk mit erhobenen Händen da, bewegte seine Lippen und stammelte: »Ich … ich bin nicht verheiratet …«

Rau lachte Frank auf. »Ich will nicht deine Lebensgeschichte hören, sondern knisternde Greenbacks sehen! Mach den Tresor auf und schaufle den Zaster auf den Tresen!«

Der Schalterbeamte mochte Mitte fünfzig sein, hatte schütteres, streng gescheiteltes Haar und eine schwarzgeränderte Brille, die bis zu seiner Nasenspitze herabgeglitten war. »Ich fürchte«, sagte er stockend, »dass unser Tresor leer ist.«

Frank Doohan machte ein paar Schritte nach vorn und hielt dem Mann die Mündungen seiner Schrotflinte unmittelbar vors Gesicht. »Falsche Antwort, Amigo! Sollte ich mit leeren Händen aus der Bank gehen, mache ich dich persönlich dafür verantwortlich.«

»So sieht’s aus!«, bekräftigte Scott, trat an den Schalter und lehnte sich entspannt dagegen. Er wedelte spielerisch mit seinem Revolver, stieß plötzlich den Lauf vor und drückte ihn in die Wange des Clerks. »Ist mir egal, wo du die Dollars herholst, aber du solltest nicht allzu lange damit warten, sonst bekommt die Wand hinter deiner Birne einen neuen Anstrich.«

»Bitte …«, flüsterte der Bankangestellte, »ich bin nur ein kleiner Mitarbeiter. Der Direktor hat das Geld bereits am frühen Morgen abtransportieren lassen.«

Amüsiert blickte Scott zu seinem Bruder hinüber. »Was meinst du, wie viele draußen auf uns warten?«

Der zuckte die Schultern und wandte sich an den Clerk. »Sag schon! Wie viele?«

Nach kurzem Zögern meinte der Schalterbeamte: »Alle …«

Grinsend sahen sich die Brüder an. »Der Knabe hier wird einen guten Schutzschild abgeben, wenn wir nach draußen gehen«, sagte Frank. »Und falls die tapferen Bürger von Sunview ihn abknallen, schicken wir sie dorthin, wo sie hingehören: in die Hölle!«

Mit zwei Sätzen war Scott beim Fenster, presste sich an die Wand und schaute zu den Dächern auf der anderen Straßenseite hoch. »Ich zähle fünf Gewehre«, ließ er seinen Bruder wissen, der den Clerk im Schwitzkasten hielt und ihm seine Shotgun in den Rücken drückte. »Aber da sind sicher noch eine ganze Menge mehr.«

»Eine Rifle abzufeuern, ist die eine Sache«, erwiderte Frank, »mit ihr zu treffen eine ganz andere …« Er stieß den Bankangestellten vor zur Tür. »Langsam aufmachen, alter Mann. Und dann gehen wir beide ganz geschmeidig raus auf den Sidewalk.«

»Ich … ich will nicht sterben!«

Grinsend meinte Frank Doohan: »Das hättest du dem Direktor der Bank sagen sollen, als er dich hinter den Tresen gestellt hat.«

Die Tür wurde aufgezogen. Mit einem unsanften Stoß seiner Shotgun trieb Frank Doohan den Clerk aus dem Gebäude. Im Nu richteten sich mehrere Gewehrläufe auf die beiden Männer. Das Ratschen der Repetierbügel hinterließ einen durchdringenden Klang in der allgemeinen Stille.

»Lassen Sie den Mann los und werfen Sie Ihr Gewehr fort!«, hallte es von den Dächern. »Sie haben drei Sekunden! Danach werden wir das Feuer eröffnen!«

Der Ganove blieb gelassen, denn er wusste seinen Bruder hinter sich. Und der handelte.

Er langte nach einem Stuhl, zerschmetterte das Fenster und schrie: »So lange will ich nicht warten!« Sein Revolver brüllte auf. Dreimal hintereinander. Hinter der Balustrade des gegenüberliegenden Daches ertönte ein Schrei. Zwei Gewehre zogen sich zurück, doch durch den aufwirbelnden Holzstaub, den Scotts Kugeln hervorgerufen hatten, zuckten drei Mündungsblitze. Ebenso viele Geschosse hackten in jene Stelle des Sidewalks, an der Frank und seine Geisel gerade noch gestanden hatten. Der Bankräuber hatte sich reaktionsschnell mit dem Clerk zur Seite und hinter eine Pferdetränke geworfen. Seine Schrotflinte ruckte in die Höhe und donnerte los.

Scott schoss seine Trommel leer und lud in Windeseile nach. Ihm war klar, dass die Schützen nicht zur Ruhe kommen durften. Mit gezielten Schüssen gab er Frank Feuerschutz, der aufsprang, den Schalterbeamten vor sich hertrieb und Deckung hinter seinen Pferden suchte. Über den Rücken des Tieres hinweg nahm er einen der Angreifer ins Visier und fegte ihn mit der letzten Ladung seiner Schrotflinte vom Dach. Sofort zog er seinen Revolver und legte nach.

Dem Clerk wurden die Knie weich, doch Frank Doohan blieb unerbittlich. »Rauf in den Sattel!«, schnauzte er, duckte sich zwischen die Pferde und nahm beide Zügel in seine Linke. Schritt für Schritt entfernte er sich vom Hitchrack, konnte es aber noch nicht riskieren, selbst aufzuspringen. Die entfesselte Horde aus Sunview hätte ihn in Stücke geschossen.

Dicht am Bankgebäude vorüber zerrte Frank Doohan die Pferde hinter sich her, um Scott die Chance zu geben, mit heiler Haut zu entkommen. Der kletterte wieselflink durch die zerborstene Scheibe und ging auf der Stelle neben seinem Bruder in die Hocke. »Bis hier sind wir gekommen«, raunte er. »Wie geht’s weiter?«

»Wir bleiben unter dem Vordach des Boardwalks und nehmen die nächste Seitenstraße«, entgegnete Frank. »Wir sind schneller aus dem Kaff raus, als wir reingeritten sind.«

Die Hufe der Pferde klapperten auf den Holzdielen. Yard für Yard näherten sie sich der Gasse. Zitternd schwankte der Clerk im Sattel.

»Ich denke, wir können es wagen«, knurrte Frank plötzlich, stemmte sich hoch und trieb sein Pferd an. Schwungvoll wollte er sich hinter dem Bankangestellten in den Sattel schwingen und um die nächste Ecke jagen, doch ein hysterischer Aufschrei, der wie ein Donnerschlag heranhallte, ließ ihn innehalten.

»Ich sehe den Hundesohn! Jetzt ist er fällig!« Noch im selben Moment peitschten mehrere Schüsse. Doch statt Frank Doohan wurde der Clerk von den Einschlägen erschüttert. Und weitere Rifles stimmten in das Stakkato donnernder Entladungen ein.

Scott rannte neben seinem Pferd her, sah Frank keuchend abbiegen und den mit Löchern gespickten Bankangestellten wie einen Sack Mehl zu Boden stürzen. In der Gasse erklommen die Flüchtigen ihre Reittiere und spurteten davon. Im Zickzack bewegten sie sich durch die Straßen, bis sie den Ortsausgang erreichten.

»Zurück zur Farm?«, fragte Scott.

»Besser ist das«, bestätigte Frank. »Weder hier noch in Wichita sollten wir uns die nächste Zeit blicken lassen.«

»Was ist mit diesem Laden in Clearwater?«

Frank lachte. »Da wir in Sunview leer ausgegangen sind, werden wir ihm wohl einen Besuch abstatten müssen!«

»Ich habe lange nicht mehr mit einer so fantastischen Frau geschlafen«, raunte Lassiter, ohne in seinen sanften Stößen innezuhalten. Unter ihm bewegte sich eine rassige Schwarzhaarige, die ihre Beine um seinen Körper geschlungen und sich ihm weit geöffnet hatte. Aus ihrem Mund drang ekstatisches Keuchen, während sie sich lustvoll rekelte.

Lassiter sank auf die Schönheit nieder, küsste ihre Schulter und ihren Hals. Er spürte den zunehmenden Druck ihrer Beine, die ihn in sich drängten, und hörte ihre abgehackte Atmung. Zu einer Erwiderung seiner Feststellung schien sie nicht mehr in der Lage zu sein. Aber das war auch nicht nötig. Ihr Höhepunkt musste kurz bevorstehen.

Einmal noch verstärkte der Mann der Brigade Sieben seine Anstrengungen, drang tief in die Frau ein und ergoss sich, als sie lautstark ihren Orgasmus herausschrie. Dann ließ er sich zur Seite fallen und streichelte über ihr Gesicht und ihre Haare.

Lange Sekunden des Schweigens folgten, in denen die Schwarzhaarige ihren bebenden Körper beruhigte, der immer noch von leichten Zuckungen durchlaufen wurde. Schließlich meinte sie: »So heftig bin ich noch nie gekommen …«

»Ein Glück«, entgegnete Lassiter lächelnd und ohne Arroganz, »dass ich zufällig in der Stadt war.«

»Bist du auf der Durchreise?«

Einen Moment lang überlegte der Brigade-Agent, bis er nickte. »Könnte man so sagen.« Er küsste sie auf Mund und Wange und stand auf. Aus seiner Jacke, die zusammen mit seinen anderen Kleidungsstücken über einem Stuhl hing, holte er acht Dollar hervor und legte die Scheine auf den Nachttisch der Dirne. Nachdem er sich an der Waschkommode gereinigt hatte, zog er sich an und warf einen letzten Blick auf die rassige Schwarzhaarige, die verträumt auf dem Bett lag.

»Kommst du zurück?«, hauchte sie und schickte Lassiter einen sehnsuchtsvollen Blick.

Der zuckte mit den Achseln. »Wir werden sehen, aber warte nicht auf mich.« Kurz darauf trat er durch die Zimmertür auf den Flur, wandte sich dem Ausgang zu verließ das Bordell. Vor wenigen Stunden erst war er in Wichita angekommen und hatte sich nach seinem strapaziösen Ritt erst einmal Entspannung gönnen wollen. Nun aber besann er sich wieder auf seinen Auftrag und suchte das Sheriff’s Office auf. Der Gesetzeshüter mochte wichtige Hinweise haben, die zur Ergreifung der Doohan-Brothers führten. Das Gauner-Duo war bekannt geworden durch seine spektakulären und nicht minder brutalen Überfälle, vornehmlich auf Banken, aber auch auf Poststationen und weitere Einrichtungen, in denen sie die unterschiedlichsten Wertgegenstände erbeutet hatten.

Bisher hatten sich Ordnungshüter und Justiz als unfähig erwiesen, die Brüder zu stellen. Zwei Marshals waren bereits getötet, ein Pinkerton-Mann zum Krüppel geschossen worden. Für die Brigade Sieben stand fest, ein Zeichen setzen zu müssen, um Nachahmern den Schneid abzukaufen.

Lassiter klopfte an die Tür des Sheriffbüros, hörte ein gebrummeltes »Herein« und betrat das Gebäude. Der Sternträger saß hinter seinem Schreibtisch, blätterte in seinen Akten und brauchte geraume Zeit, um zu dem Brigade-Agenten hochzuschauen. Eine Mischung aus Ablehnung und Neugier blitzte in seinen Augen. »Was kann ich für Sie tun, Mister?«, fragte er rau.

»Ich benötige Informationen über den vermeintlichen Aufenthaltsort der Doohan-Brothers«, erklärte Lassiter und stellte sich vor. »Offenbar gelingt es den Kerlen spielerisch leicht, durch die Maschen der Justiz zu schlüpfen.«

Der Blick des Sheriffs verfinsterte sich. »Wer sind Sie? Ein gottverdammter Kopfgeldjäger? Glauben Sie, dass Ihnen gelingt, woran eine Handvoll aufrechter Kämpfer für Recht und Gesetz gescheitert ist?«

»Einen Versuch ist es wert«, meinte Lassiter und hüllte sich wie gewohnt über seinen Auftrag in Schweigen.

Unerwartet sprang der Sheriff auf und riss seinen Colt aus dem Holster. Die Mündung deutete drohend auf Lassiters Brust. »Denken Sie bloß nicht, dass ich zum alten Eisen gehöre! Sollte ich diesen Killern jemals über den Weg laufen, weiß ich genau, was ich zu tun habe!«

Gelassen stand der Brigade-Agent da, fingerte in der Innentasche seiner Langjacke nach einem Zigarillo und zündete ihn an. Genüsslich nahm er einen Zug und stieß den Rauch aus. »Sie werden ewig warten müssen«, meinte er zu dem Sternträger, »ehe sich die Brüder wie Zielscheiben vor Ihnen aufstellen. Jeder Trottel kann eine Blechdose von einem Zaunpfahl schießen, aber wenn sich das Ziel bewegt und feuert, sieht die Angelegenheit schon ganz anders aus.« Wieder inhalierte er den Rauch seines Zigarillos und blies ihn in den Raum.

»Sie sind ein ganz Schlauer, was?«, höhnte der Sheriff. »Ich hatte die beiden praktisch schon am Wickel, nachdem sie die Bank in Wichita überfallen haben. Die hatten einfach nur Glück, dass sie entkommen konnten.«

Aufmerksam musterte Lassiter sein Gegenüber. Der Mann mit dem Stern mochte um die fünfzig sein, wirkte drahtig und entschlossen. Seine Äußerung allerdings hielt der Brigade-Agent für maßlos übertrieben. Doch er lenkte ein. »Wir sind keine Konkurrenten, Sheriff. Wir stehen auf derselben Seite des Gesetzes. Und falls es Ihnen wirklich um die Menschen geht, die Ihnen ihr Vertrauen geschenkt haben, und nicht um irgendwelche Lorbeeren, mit denen Sie sich schmücken wollen, schlage ich vor, dass Sie mit mir zusammenarbeiten …«

Missmutig brummte der Sheriff einige unverständliche Silben und steckte seinen Colt ein. Aus einem Aktenstapel zog er eine Kladde hervor und warf sie Lassiter zu, der sie geschickt mit seiner freien Hand auffing. »Da steht alles drin, was Sie wissen müssen! Viel ist es nicht, und eine genaue Beschreibung der Doohan-Brothers werden Sie ebenfalls nicht finden. Dennoch ist das Gebiet, in dem sie ihr Unwesen treiben, recht gut umrissen.«

Konzentriert ging Lassiter die drei handbeschriebenen Seiten durch und warf die Kladde im Anschluss zurück auf den Schreibtisch. »Immerhin ein Anfang«, sagte er. »Die meisten Überfälle haben östlich von Wichita stattgefunden und ziehen eine Schneise Richtung Süden.«

»Die Bewohner von Sunview haben sich zusammengerottet, um den Bastarden das Handwerk zu legen«, ließ der Sheriff ihn wissen. »Am besten fangen Sie dort mit Ihrer Suche an und arbeiten sich vor über Bayneville bis Clearwater.« Er beugte sich nach vorn, stemmte sich mit beiden Fäusten auf seine Tischplatte und schaute Lassiter scharf an. »Was Sie da draußen machen, ist mir gleich. Aber hier in Wichita bin ich das Gesetz. Also kommen Sie mir nicht in die Quere!«

Schmunzelnd tippte Lassiter an seinen Stetson und kehrte dem Sheriff den Rücken. Gemächlich schlenderte er hinüber zu dem Mietstall, in dem er seinen Grauschimmel untergebracht hatte, saß auf und ritt aus der Stadt. Wenn seine Instinkte ihn nicht verlassen hatten, würde er die Gesuchten recht bald aufspüren.

Die Nacht hatte sich über Clearwater gesenkt. Es war die Zeit, in der die braven Bürger sich in ihre Wohnstuben zurückzogen und jenen das Feld überließen, die das Licht scheuten.

Lexy Turnpike hatte geduldig den Einbruch der Dunkelheit abgewartet und sich vorsichtig ihrem Zielobjekt zugewandt. Es war ein kleiner Laden in einer Seitengasse, unscheinbar und mit Gegenständen des alltäglichen Bedarfs ausgestattet. Doch die attraktive Blondine wusste, dass der Schein trog. Der Inhaber war ein Hehler, der Diebesgut weiterveräußerte. Und aus zuverlässiger Quelle hatte Lexy erfahren, dass er im Besitz von Rohdiamanten war, die am kommenden Tag den Besitzer wechseln sollten. Die junge Diebin jedoch würde dafür sorgen, dass die Übergabe einige Stunden früher stattfand – und an einen anderen Empfänger ging.

Leidlich entspannt schlich sie über eine Nebenstraße zum Hintereingang der Gemischtwarenhandlung. Obwohl sie schon seit Jahren auf Diebestour ging und mehr als gut davon lebte, hatte sich ihre innere Aufregung vor einem Einbruch nicht gelegt. Ihre Gefühle setzten sich aus unterschwelliger Furcht und dem Reiz an der Gefahr zusammen, der ihr einen besonderen Kick verlieh. Es war eine bittersüße Erfahrung, doch Lexy Turnpike war geradezu süchtig nach ihr.

Kaum kam sie jedoch bei der Hintertür des Ladengeschäftes an, ahnte Lexy, dass in dieser Nacht alles anders als normal verlaufen würde. Die Tür war einen winzigen Spalt breit geöffnet, das Schloss mit roher Gewalt aufgebrochen.

Dem eisigen Schrecken folgte heißer Groll. Konnte es sein, dass ihr jemand zuvorgekommen war? Hatten es noch andere Räuber auf die Diamanten abgesehen? Der Tipp, den Lexy erhalten hatte, hatte sie hundert Dollar gekostet. Wer auch immer ihr die Beute vor der Nase wegschnappen wollte, würde ein ernsthaftes Problem bekommen. Falls er nicht bereits über alle Berge war.

Sie drückte die Tür auf und zuckte heftig zusammen. Das Quietschen musste bis zur Mainstreet zu hören sein. Doch nach flüchtigem Innehalten trat Lexy in den sich anschließenden schmalen Korridor und lauschte. Dabei wagte sie kaum zu atmen, um auch das kleinste Geräusch in ihrer Umgebung wahrzunehmen.

Ihre Rechte senkte sich auf den Lauf ihres Revolvers hinab. Überaus vorsichtig machte sie zwei Schritte in Richtung des Ladengeschäfts und blieb erneut stehen. Verdächtige Laute waren nicht zu hören, und zu sehen gab es erst recht nichts. Die Düsternis der Wohnräume wurde lediglich erhellt durch das Licht des Mondes, das diffus durch die Scheiben eines kleinen Kreuzbalkenfensters fiel.

Lexy Turnpikes Selbstsicherheit nahm zu, ebenso ihre Enttäuschung. Die Täter waren allem Anschein nach längst verschwunden, und mit ihnen die Rohdiamanten. Sie zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen und steckte ihren Sechsschüsser weg. Die hundert Dollar hätte sie genauso gut verbrennen können.

Trotzdem redete sie sich ein, dass noch ein winziger Funken Hoffnung bestand. Womöglich hatten die Einbrecher die Edelsteine gar nicht gefunden. Bei dem Wert, den sie darstellten, kam nur ein besonders ausgewähltes Versteck infrage. Und die meisten Diebe schauten einfach immer nur an denselben Stellen nach, ohne in der Lage zu sein, ein Geheimfach aufzuspüren. Das aber war Lexys Spezialität.

Sie hatte einen guten Lehrmeister gehabt, den alten Roderick, der sie darauf trainiert hatte, genau jene Winkel zu durchsuchen, die gewöhnlichen Räubern gar nicht auffielen. Das beste Versteck, hatte Roderick sie wissen lassen, befand sich immer unmittelbar unter den Augen derjenigen, die es suchten. Es war derart offensichtlich, dass es keinerlei Beachtung fand. Aber auch Geheimfächer ließen sich mit unbeirrbarem Gespür auffinden.

Lexy tappte weiter durch den Korridor und erreichte einen offenen Durchgang, der in ein Zimmer führte, das mit Möbeln und Zierrat bis unter die Decke vollgestopft war. Doch sie ließ sich von der schier unüberschaubaren Anzahl vermeintlicher Verstecke nicht aus der Ruhe bringen und begann systematisch mit ihrer Suche. Es war schon ein kleines Wunder, dass sie bereits nach wenigen Minuten fündig wurde. Offenkundig hatte der Ladenbesitzer die Möglichkeit gar nicht in Betracht gezogen, dass irgendjemand von dem Rohdiamantenhandel Wind bekommen könnte.

Triumphierend langte Lexy Turnpike in die Schublade eines Sekretärs und holte daraus ein schwarzes Samttuch hervor, dessen vier Enden zusammengeschnürt waren. Sie löste die Kordel und bekam ein Funkeln in den Augen, das denen der Steine in nichts nachstand.

Rasch verknotete sie das Bändchen wieder und steckte den provisorischen Beutel in die Innentasche ihrer Jacke. Bevor sie das Haus jedoch wieder verlassen konnte, ließen Lexy lautes Poltern und dumpfe Stimmen zusammenfahren. Sie presste sich gegen den Rahmen des Durchgangs und hielt die Luft an.

Aufs Neue drangen Wortfetzen an ihre Ohren, dann ein Schlag und ein erstickter Aufschrei. Siedend heiß wurde Lexy klar, dass sie die Situation unterschätzt hatte. Der oder die Einbrecher, die vor ihr in das Haus eingedrungen waren, hatten bei weitem kein Fersengeld gegeben. Sie befanden sich noch im Gebäude und nahmen den Ladeninhaber in die Mangel. Einen anderen Schluss konnte die Diebin aus dem Gehörten nicht ziehen.

Und plötzlich verlor sie die Nerven. So schnell wie möglich wollte sie ins Freie, stieß gegen einen filigranen Serviertisch und warf ihn um. In Panik stolperte Lexy vor, doch da hörte sie bereits stampfende Stiefeltritte aus dem Obergeschoss. Und ehe sie auch nur in die Nähe der Hintertür kam, polterten Schritte auf den Treppenstufen.

»Da ist einer!«, dröhnte eine dunkle Männerstimme.

»Wir können keine Zeugen gebrauchen!«, stieß eine zweite hervor.

Lexy rannte um ihr Leben. Bis zur Ausgangstür waren es nur wenige Yards. Und als sie sie aufstieß, knackten in ihrem Rücken zwei Revolverhähne.

Auf dem Absatz wirbelte Lexy herum und erkannte im nebligen Mondlicht die verzerrten Gesichter von zwei Kerlen, die nur Sekundenbruchteile davon entfernt waren, sie über den Haufen zu schießen. Einer der Männer jedoch hob seinen Arm und gebot seinem Begleiter Einhalt. Seine und Lexys Blicke trafen sich. Es war ein geradezu magischer Moment, von dem sie annahm, dass er ihr das Leben gerettet hatte. Und gleichzeitig gab er ihr neuen Auftrieb.

»Wer bist du, Blondie?«, rief der Mann, der seinen Partner aufgehalten hatte. »Gehörst du zu Hugo?«

Hugo, überlegte Lexy Turnpike, musste der Name des Ladenbesitzers sein. Sie war sicher, dass ihr Informant ihn erwähnt hatte, doch er war ihr wieder entfallen.

»Nein«, sagte die blonde Diebin und hatte mit einem Mal jede Furcht verloren. »Ich bin eine von euch, aber ihr seid leider zu spät dran.« Mit einem Satz sprang sie durch die Türöffnung und spurtete durch die Nacht. Die Flüche der beiden Männer entlockten ihr lediglich ein breites Grinsen.

Schweigend stand der Farmer Hank Pernell am Saloontresen und nippte an seinem Whiskey. Gänzlich in Gedanken versunken, bekam er weder etwas mit von den Gesprächen der Gäste, noch bemerkte er die junge braungelockte Frau, die den Gastraum in diesen Momenten betrat. Zaghaft und scheu um sich blickend, tappte sie hinüber zur Theke und tippte Pernell nach einigem Zögern gegen die Schulter. Dieser drehte sich zur Seite, stützte sich lässig mit dem linken Arm auf dem Tresen ab und schaute die junge Frau ausdruckslos an.

»Was treibst du hier, Lizzy?«, sagte er, beinahe schon vorwurfsvoll. »Das ist nicht der richtige Ort für Daddys Liebling.«

Schüchtern schaute Lizzy Lucious zu Boden, bis sie schließlich wieder aufsah. »Ich bin erwachsen und kann mich aufhalten, wo ich will.«

Pernell verzog den Mund und kehrte Lizzy den Rücken. Er führte sein Glas zum Mund und nahm einen Schluck.

»Ich … ich wollte dich etwas fragen«, meinte Lizzy, stellte sich neben Hank Pernell und kreuzte ihre Arme vor dem Körper. Es war ihr anzumerken, dass es ihr schwerfiel weiterzusprechen, doch sie überwand sich. »In einer Woche, weißt du, da ist doch dieses Tanzfest im Gemeindehaus. Und ich dachte …« Sie stockte kurz. »… ich dachte, dass wir vielleicht zusammen hingehen könnten …«

»Ich kann nicht tanzen«, erwiderte Pernell barsch und ließ kein weiteres Wort verlauten.

»Wir könnten etwas trinken und uns unterhalten«, schlug Lizzy vor. Wieder senkte sie den Kopf, als würde sie sich schämen und einen unangenehmen Blickkontakt vermeiden wollen.

Tatsächlich wandte sich Pernell ihr wieder zu. Seine Miene war frostig. Er blickte auf die einen Kopf kleinere Lizzy herab, als wäre sie eine Büßerin. »Was soll uns das bringen?«, fragte er und schwenkte sein Whiskeyglas mit der Rechten. »Hast du keine Freunde in deinem Alter?«

Eine Regung, die Trotz nicht unähnlich war, zeigte sich in den Augen des Mädchens. Seine Worte hingegen waren sanft: »Ich bin nun mal gern in deiner Nähe. Das müsstest du doch schon bemerkt haben …«

»Hab ich.« Mit einem Zug schüttete Pernell das halbvolle Glas in sich hinein und bestellte ein neues.

Lizzy streckte beide Arme aus und griff nach seiner linken Hand. »Warum bist du so kalt zu mir? Siehst du denn nicht, dass ich … dass ich dich …« Ihre Stimme versagte, kaum dass Pernell sie erneut anschaute. Freundlichkeit und Wohlwollen suchte man in diesem Gesicht vergeblich.

»Geh nach Hause«, sagte er tonlos, »und such dir einen Jungen. Für einen Mann bist du noch nicht reif.«

Es war Lizzy Lucious, als hätte Pernell einen Kübel Eiswasser über ihr ausgeschüttet. Der Schock über seine Äußerung war deutlich von ihren Zügen abzulesen. Erschrocken stieß sie seine Hand von sich, wich einen Schritt zurück und lief davon. Dabei wäre sie fast mit einer Gruppe Cowboys zusammengestoßen, die ungestüm in den Saloon polterten und zielgerichtet die Theke ansteuerten.

»Whiskey!«, krakeelte einer und schlug mit der flachen Hand mehrmals auf den Tresen. Seine zwei Kumpane wollten sich neben ihn stellen, doch Hank Pernell war ihnen im Weg.

»Zieh Leine, Freundchen!«, wurde der Farmer angeschnauzt. Einen Lidschlag darauf bekam er einen Ellbogen vor die Brust und wankte zurück. Die Cowboys ließen sich zwei Flaschen Whiskey reichen und schlenderten zu einem freien Tisch hinüber.

Die Kälte, die Hank Pernells Miene ausstrahlte, wurde zu klirrendem Winterfrost. Unbewusst legte er eine Hand auf seinen Peacemaker, zog sie aber rasch zurück, als ihm klar wurde, welches Signal er damit setzte. Er fraß seinen Ärger in sich hinein und versuchte, ihn mit Alkohol abzutöten. Mehr als der bloße Versuch jedoch war ihm nicht vergönnt.

»Hey, Kleiner!«, rief einer der Cowboys Pernell zu. »Bestell dir lieber ’ne Milch, damit ein ganzer Kerl aus dir wird!«

Grölendes Lachen brandete auf. »Und vergiss deinen Sabberlatz nicht, sonst schimpft Mami mit dir!«

Pernell ballte seine Rechte zur Faust, drehte der Gruppe flüchtig seinen Kopf zu und sah wieder weg.

»Oh, jetzt wird er böse!«, spottete ein Cowboy. »Da müssen wir uns in acht nehmen.«

»Quatsch keinen Blödsinn, Mitch!«, krächzte sein Nebenmann. »Den zerquetsche ich unter meinem Stiefelabsatz wie eine Kakerlake!« Der Sprecher setzte eine Whiskeyflasche an seinen Mund und nahm zwei kräftige Schlucke. Dann griff er zu seinem Glas und schleuderte es Pernell entgegen.

Der Farmer sah den heranfliegenden Gegenstand nur aus den Augenwinkeln und reagierte zu spät. Während er in einem Reflex seinen Kopf drehte, prallte das Glas gegen sein Jochbein und ging zu Boden. Der Schmerz war wie ein Dolchstoß, der Pernell die Tränen in die Augen trieb. Mit seinem Jackenärmel wischte er darüber und schüttelte sich.

»Guckt euch das an!«, feixte Mitch. »Jetzt flennt der Kleine auch noch! Kann wohl keinen Spaß vertragen!«

Kochend stieg der Zorn in Hank Pernell auf. Seine Bedenken, zur Waffe zu greifen, gingen unter im Stechen, Brennen und Pochen seiner Wange. Er riss seinen Colt aus dem Holster und richtete ihn auf das Dreiergespann. »Ihr haltet euch wohl für besonders witzig, was?«, ächzte er. »Wenn ihr nicht das Maul haltet, verpasse ich euch ein Andenken, über das ihr garantiert nicht lachen werdet!«

Mitch und seine Kumpane erhoben sich gleichzeitig. Ihre Körperhaltung unterstrich den drohenden Ausdruck auf ihren Mienen. Drei Hände schwebten über den Holstern der Patronengurte. »Sieh an, der Bauer möchte ein Tänzchen wagen …«

An den umstehenden Tischen wurden Stühle gerückt. Nach und nach verließen die meisten Gäste den Saloon. Der Barkeeper schien hilflos, schnappte lediglich nach Luft und fuchtelte mit seinen Händen herum. »Bitte, keine Schießerei«, presste er hervor. »Die nächsten Runden gehen auf mich, aber lasst die Schießeisen stecken.«

»Halt dich raus, Fettwanst!«, schnarrte Mitch. »Das geht nur uns und den Schönling an.« Über dem Griff seines Revolvers bewegte er seine Finger wie auf einer Klaviatur.

Hank Pernell spannte den Abzug seines Colts. »Ich bluffe nicht!«, rief er rau. »Einen von euch erwische ich auf jeden Fall, wenn er zieht. Vielleicht auch zwei.«

Ein hässliches Grinsen verunstaltete Mitchs Züge. »Dann machen wir doch gleich mal die Probe aufs Exempel, Bauer …«

Seine Hand zuckte nur leicht, griff aber nicht nach seiner Waffe. Doch Pernell, der weder ein geübter Schütze noch ein erfahrener Kämpfer war, verlor die Nerven. Sein Abzugsfinger zog den Stecher seines Colts durch. Zwischen Mitch und seinem Nebenmann schlug die Kugel in die Holzvertäfelung der Wand.

Und dann machten die drei Cowboys ernst, ehe Pernell wieder den Daumen am Hahn hatte. Gleichzeitig langten sie nach ihren Revolvern und hätten Hank Pernell ganz sicher ins Jenseits befördert, wenn nicht plötzlich eine donnernde Stimme durch den Schankraum geschnitten wäre.

»Wer als Erster zieht, geht auch als Erster drauf!« Die Worte des Mannes, der durch die Schwingtüren eingetreten war und sich drohend aufgebaut hatte, waren von einer Eindringlichkeit, die die Cowboys mitten in der Bewegung erstarren ließ. Mehr noch als das Gesagte schien ihnen jedoch der blinkende Stern an der Brust des Rufers Respekt einzuflößen.

»Marshal van Vint!«, entfuhr es Mitch. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Auch seine Begleiter wurden blass.

»Hank!«, schrie van Vint. »Lass den Colt fallen und nimm die Hände hoch! Du bist verhaftet!«

Pernell blinzelte nervös und ließ seine Waffe sinken. »Marshal«, sagte er, »einer der Kerle hat mich angegriffen. Ich musste mich irgendwie verteidigen!«

»Ich sag’s nicht noch mal, Hank! Schießprügel weg und Flossen in die Höhe! Die drei Jungs sind sicher keine Samariter, aber du hast die erste Kugel abgefeuert. Und das reicht mir für eine Festnahme!«

Pernells Colt polterte auf die Dielen. Er hob seine Hände in Schulterhöhe und trottete auf den Marshal zu. Hart packte van Vint ihn am Oberarm und wandte sich den Cowboys zu. »Falls ihr Streit sucht, buchte ich euch ebenfalls ein! Wenn es sein muss, für einen ganzen Monat. Dann seid ihr eure Jobs los, kapiert?«

Hastig nickten die Angesprochenen, setzten sich wieder an ihren Tisch und verhielten sich wie Novizen im Mönchskloster.

»Los geht’s, Hank!«, sagte Marshal van Vint und schob seinen Gefangenen vor sich her aus dem Saloon.

Lassiter ging systematisch vor, war in Sunview eingeritten und hatte sich von der Schießerei mit den Doohan-Brothers berichten lassen, die erst einen Tag zurücklag. Angeblich wären die Brüder weiter nach Süden geflohen, was den Mann der Brigade Sieben unweigerlich nach Clearwater führte.

Es war ein beschaulicher Ort mit sauberen Straßen und makellosen Häuserfassaden. Fast erschien das Städtchen Lassiter wie die Zeichnung aus einem Bilderbuch. Er brachte seinen Grauschimmel im nächsten Mietstall unter und quartierte sich im einzigen Hotel von Clearwater ein. Da es noch früher Vormittag war, beschloss der Brigade-Agent, sein versäumtes Frühstück nachzuholen. Er setzte sich in den hintersten Winkel des Dining Rooms mit Blick auf die Mainstreet und bestellte eine Kanne Kaffee, dazu Fried Eggs mit Bacon.

Es überraschte ihn kaum, der Einzige im Frühstücksraum zu sein. Die anderen Gäste bereiteten sich wahrscheinlich aufs Mittagessen vor, doch bis dahin war es noch mehr als eine Stunde. Verwundert zeigte sich Lassiter dann doch, als eine aufregende Blondine in einem rüschenbesetzten Kleid an einem der Tische Platz nahm. Sie wirkte unschlüssig, was sie zu sich nehmen sollte, vertröstete den Kellner und bestellte ebenfalls einen Kaffee.

»Möchten Sie sich zu mir setzen?«, fragte Lassiter und nannte seinen Namen. »Warum sollen wir wie Aschenbrödel in verschiedenen Ecken hocken?«

Die Frau sandte ihm einen nicht deutbaren Blick, verzog ihre Lippen zu einem schmalen Lächeln und erhob sich. Mit wiegenden Hüften kam sie auf Lassiter zu, schob einen Stuhl vor und setzte sich. »Turnpike«, sagte sie. »Lexy Turnpike. An sich habe ich beim Frühstück lieber meine Ruhe, aber …« Sie zögerte und schaute dem Brigade-Agenten tief in die Augen.

»Aber …?«, hakte Lassiter nach.

»Lassen wir es dabei bewenden«, meinte Lexy. »Ein wenig Gesellschaft kann nicht schaden.«

Lassiter schmunzelte, nippte an seiner Kaffeetasse und zündete sich eine Selbstgedrehte an. »Sie passen perfekt in diese Stadt«, sagte er und stieß den Rauch aus. »Ihre Kleidung unterstreicht Ihre Schönheit.«

Lexy lächelte, schien aber Komplimente gewöhnt zu sein. »Ich habe ein Faible für erstklassige Kleidung. Doch Sie können mir noch so viel Honig um meinen Mund schmieren, ich gehe trotzdem nicht mit Ihnen ins Bett.«

Verblüfft hob Lassiter seine Brauen. »Wie kommen Sie darauf, dass ich mit Ihnen schlafen möchte?«

»Über Männer brauchen Sie mir nichts zu erzählen«, erwiderte die blonde Frau. »Da ist einer wie der andere.«

»Sie bekommen häufig eindeutige Aufforderungen?«

»Was würden Sie sagen?«

»Ein klares Ja!«

»Dann erübrigt sich wohl jede weitere Diskussion.«

Der Kellner brachte den Kaffee und stellte ihn vor Lexy Turnpike ab. Sie schüttete Zucker hinein und gab Milch hinzu. Auf eine entsprechende Frage des Bediensteten antwortete sie, dass sie es sich überlegt hätte und auf ein Frühstück verzichten würde.

»Haben Sie Angst um Ihre Linie?«, wollte Lassiter wissen und nahm einen Zug von seiner Zigarette.

»Ich habe vor nichts Angst«, ließ Lexy ihn wissen und genehmigte sich einen Schluck Kaffee.

Es wurden Belanglosigkeiten ausgetauscht, bis ein Schuss heranhallte. Augenblicklich sprang Lassiter auf und stellte sich vor das Fenster des Frühstücksraums. Viel zu sehen gab es nicht. Nur der heraneilende Marshal fiel ihm auf.

»Ich muss los«, sagte der Brigade-Agent. »Offensichtlich gibt es Ärger.«

Lexy Turnpike ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Haben wir nicht einen Ordnungshüter für solche Angelegenheiten?«, fragte sie.

»Lassen Sie sich den Kaffee schmecken«, sagte Lassiter nur und verließ den Raum schnellen Schrittes. Gerade noch sah er, dass der Marshal im Saloon verschwand. Und sollte er es mit den Doohan-Brothers zu tun bekommen, konnte er alle Hilfe gebrauchen, die er bekommen konnte.

Nach wenigen Schritten jedoch stellte der Brigade-Agent fest, dass der Sternträger die Lage unter Kontrolle zu haben schien. Geschossen wurde nicht mehr, und der Mann war der Einzige, der sprach. Laut, deutlich und zu allem entschlossen.

Lassiter verharrte neben dem Saloon und lehnte sich an den Stützbalken des Vordachs. Wenig später kam der Marshal mit einem jungen Mann heraus und schob ihn vor dem Lauf seines Revolvers vor sich her über die Straße. Keine Minute darauf verschwanden sie im Office des Ordnungshüters.

Lassiter folgte ihnen. Es interessierte ihn nicht sonderlich, weshalb der Marshal den jungen Mann inhaftierte. Vielmehr wollte er wissen, ob es Hinweise auf den Verbleib der Doohan-Brüder gab. Nach allen Informationen, die dem Mann der Brigade Sieben vorlagen, konnte das Mördergespann nicht weit sein.

Als Lassiter das Marshal’s Office betrat, kam der Sternträger gerade aus dem Zellentrakt zurück und fühlte sich auf der Stelle veranlasst, den Ankömmling unter einem Wortschwall zu begraben. »Falls Sie ein Bekannter von Hank Pernell sind, sollten Sie sich mit dem Gedanken anfreunden, ihn vorerst nur hinter Eisengittern bewundern zu dürfen. Und betteln Sie erst gar nicht um seine Freilassung! Wer so locker wie er mit dem Schießeisen umgeht, muss sich nicht wundern, gesiebte Luft zu atmen.«

»Mein Name ist Lassiter«, sagte der Brigade-Agent. »Und der Mann ist mir völlig unbekannt.«

»Ich bin Marshal Roscoe van Vint. Vergessen Sie diesen Namen besser nicht, dann wird Ihr Aufenthalt in Clearwater um einiges angenehmer sein!«

Ein Schmunzeln huschte über Lassiters Züge. »Ich werde es mir merken. Und da wir gerade so nett miteinander plaudern: Was können Sie mir über die Doohan-Brothers sagen? Ich habe ein berechtigtes Interesse daran, sie aufzuspüren.«

Van Vint gab einen unwilligen Laut von sich. »Revolverschwinger kann ich in meiner Stadt nicht gebrauchen. Kopfgeldjäger schon gar nicht. Versuchen Sie Ihr Glück in Peck, Millerton oder Mulvane. In Clearwater kümmere ich mich um die Belange der Einwohner.«

»Eine ähnliche Unterhaltung habe ich mit dem Sheriff in Wichita geführt«, ließ Lassiter seinen Gesprächspartner wissen. »Er ist der Meinung, die Brüder hätten sich nach Süden abgesetzt. Diese Behauptung wurde mir in Sunview bestätigt.«

»Na fein!«, knurrte der Marshal. »Dann weiß ich nicht, was Sie in Clearwater zu suchen haben. Die Gangster sind mir nicht über den Weg gelaufen. Schauen Sie woanders nach ihnen, oder suchen Sie sich ein neues Hobby!«

Lassiter hatte eine scharfe Erwiderung auf den Lippen, doch in diesem Augenblick wurde die Tür des Büros aufgestoßen, und herein kam ein schlaksiger Kerl, dessen Wangen und Nase alkoholgerötet waren. Der dürre Mann wirkte, als würde er gleich einschlafen, scherte sich aber wenig darum, das Gespräch zwischen Lassiter und dem Marshal zu stören.

»Ich habe Neuigkeiten«, nuschelte er und versuchte krampfhaft, seine Lider offen zu halten. »Ein kleines Vögelchen hat mir gezwitschert, wer hinter dem Einbruch bei Hugo Wolf steckt.«

Lassiter horchte auf, und auch der Marshal wurde aufmerksam. »Quassele nicht um den heißen Brei rum, Eric«, schnauzte van Vint. »Wenn du was weißt, dann spuck es aus!«

Der Mann namens Eric beäugte den Brigade-Agenten kritisch. »Ich würde das lieber unter vier Augen besprechen …«

»Schon gut!«, sagte der Marshal und winkte ab. »Mister Lassiter wollte ohnehin gerade gehen.«

Die Aufforderung war unmissverständlich. Grußlos wandte Lassiter sich ab und trat hinaus auf den Sidewalk. Er wollte ein wenig seine Ohren aufsperren, um mehr über diesen Hugo Wolf zu erfahren. Zwar hatte er keine Ahnung, um wen es sich handelte, aber es war nicht ausgeschlossen, dass er in einer Verbindung zu seinem Auftrag stand. Jedes bruchstückhafte Detail mochte wichtig sein, um den Doohan-Brothers auf die Schliche zu kommen.

Lassiter machte sich daran, die Stecknadel im Heuhaufen aufzuspüren.

Dieser blonde Engel wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen. Das war auch der Grund, weshalb Scott Doohan das verlassene Farmgebäude, in dem er sich mit seinem Bruder schon vor Monaten eingenistet hatte, verließ und sich auf den Weg nach Clearwater machte. Frank hatte ihm alle möglichen Vorhaltungen gemacht, hatte immer wieder darauf gepocht, dass Frauen nur Schwierigkeiten mit sich brachten, doch Scott wollte nicht nachgeben. Er musste diese Frau wiedersehen, die ihnen die Rohdiamanten vor der Nase weggeschnappt hatte.

An und für sich konnte er sich recht frei bewegen, ohne die Befürchtung haben zu müssen, erkannt zu werden. Bei ihren Überfällen hatten Frank und Scott Doohan stets Halstücher vor dem Gesicht gehabt, und es existierten nur unpräzise Beschreibungen der beiden Männer. Lediglich einmal hatten sie in ihrem Übermut auf eine Maskierung verzichtet, aber auch das hatte nicht dazu geführt, die Konterfeis auf ihren Steckbriefen mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen. Nach wie vor galten die Doohan-Brothers als Phantome, die nicht nach eindeutigen Kriterien zu identifizieren waren.

Hugo Wolf, ging es Scott unvermittelt durch den Kopf. Der Kaufmann hatte sich hartnäckig gesträubt, das Versteck der Diamanten preiszugeben. Und wäre die Blondine nicht urplötzlich aufgetaucht, hätten sie den Kerl garantiert umgebracht. Aber aufgeschoben war nicht aufgehoben. Der Krämer hatte zu viel gesehen, würde aber die nächste Zeit nicht in der Lage sein, irgendetwas auszuplaudern. Frank hatte ihn ordentlich in die Mangel genommen.

Aber Frank hatte noch etwas anderes getan. Es war nicht offensichtlich gewesen, doch Scott kannte seinen Bruder in- und auswendig. Manchmal war es nur eine scheinbar unbedachte Äußerung oder ein seltener Gesichtsausdruck. Scott war sicher, genau diese Merkmale kurz nach dem Überfall beobachtet zu haben. Und immer, wenn sie in Erscheinung traten, war es ein eindeutiges Zeichen dafür, dass Frank irgendetwas ausbrütete. Zu Scotts Vorteil würde es ganz gewiss nicht sein.

Nur mit mäßiger Anspannung ritt Scott Doohan in Clearwater ein, immer darauf bedacht, seinen Revolver blitzschnell zu ziehen, sollte Gefahr im Verzug sein. Aber nichts wies darauf hin. Die Leute gingen ihrer Arbeit nach, die Transportgespanne rumpelten über die Mainstreet. Er würde kein Aufsehen erregen, wenn er sich auf die Suche nach der Diebin machte, die ihn seit zwei Tagen bis in seine Träume verfolgte.

Clearwater war nur ein Nest wie tausend andere in Kansas. Falls die Blondine sich noch im Ort befand, würde Scott sie auch finden. Ihre Reaktion allerdings war unberechenbar, doch der Bandit hatte das Gefühl, dass auch sie die Magie dieses langen Blickes in jener Nacht bemerkt hatte. So widersinnig es auch schien, hatte Scott den Eindruck, als wären sie beide füreinander geschaffen. Für diese Frau würde er sich sogar von seinem Bruder trennen.

Mehr als zwei Stunden durchkreuzte Scott Doohan das Städtchen und war nahe daran, seinen anfänglichen Optimismus zu verlieren. Vermutlich hatte die blonde Frau längst das Weite gesucht. Es war mehr als wahrscheinlich, dass sie ebenfalls gesucht wurde. Sie musste in Kreisen verkehren, in denen sich nur Kriminelle bewegten, ansonsten hätte sie niemals von den Rohdiamanten erfahren und wäre auch nicht ohne Weiteres in das Haus des Gemischtwarenhändlers eingedrungen.

Dann traf Scott Doohan beinahe der Schlag. Er kam an einem Hotel vorbei und konnte durch die Fenster ins Innere eines Speisesaals sehen. Unzweifelhaft war es die gesuchte Blondhaarige, die mit einem großen Mann an einem Tisch saß und Kaffee trank. Es war nicht ersichtlich, ob die beiden sich kannten oder in dem ansonsten leeren Raum einfach nur das Gespräch miteinander gesucht hatten. Für Doohan spielte es auch keine Rolle. Von nun an würde er diese Frau nicht mehr aus den Augen lassen. Es galt nunmehr abzuwarten, bis sie wieder allein war. Scott wollte seine Gelegenheit nutzen, sobald sie sich ihm bot.

Ehe er sich noch Worte für ihr erstes Aufeinandertreffen zurechtlegen konnte, donnerte ein Schuss aus dem Saloon herüber. Scott sah den großen Kerl am Tisch seiner Auserwählten aufspringen und huschte zur Seite. Neben dem Hoteleingang wartete er, bis der breitschultrige, hochgewachsene Mann mit dem sandfarbenen Haar herausgestürmt war, und schob sich durch die Tür in den Vorraum des Hotels. Den neugierigen Blicken des Clerks an der Rezeption wich er aus und begab sich unverzüglich in den Speisesaal.

Die Blondine saß immer noch an ihrem Platz und trank Kaffee. Doohan, von einer plötzlichen Unsicherheit befallen, stand stocksteif im Zugang des Raums, unfähig, sich zu regen oder zu sprechen. Wenn seine Traumfrau sich unversehens herumdrehte, würde er wie ein kleiner Junge dastehen, der beim Stibitzen von Süßigkeiten ertappt worden war.

Allmählich gewann er seine Fassung zurück, was auch daran lag, dass der Clerk leise nach ihm rief. Scott drehte sich herum und winkte ab. Dann machte er zwei Schritte vor und räusperte sich.

Die blonde Frau wandte ihren Kopf zur Seite und blickte über die Schulter. Ihre Züge bekamen etwas maskenhaft Starres. Ob sie ihn wohl erkannt hatte? Oder war es nur der gewöhnliche Ausdruck von Reserviertheit, den man einem Fremden entgegenbrachte?

»Sie sehen mich an, als würden Sie mich kennen«, meinte die Blondine und drehte nun auch ihren Oberkörper mitsamt dem Stuhl ein Stück herum.

»Wie steht es mit Ihnen?«, erwiderte Scott Doohan. »Komme ich Ihnen nicht bekannt vor?«

»Geben Sie mir einen Hinweis.«

Doohan nannte seinen Namen und brachte auch den dieses engelsgleichen Wesens in Erfahrung. »Erinnern Sie sich nicht?«, fragte er. »Es ist gerade einmal zwei Tage her. Dieser Laden …«

Lexy Turnpike setzte ein befangenes Lächeln auf. Nur an dem Blitzen in ihren Augen war abzulesen, dass sie sehr wohl wusste, wer vor ihr stand. »Die Diamanten …«, flüsterte sie. »Sind Sie gekommen, um mir meine Beute abzujagen?«

»Das hätte ich in dieser Nacht leichter tun können.« Er druckste ein wenig herum und sagte schließlich: »Ich habe gezielt nach Ihnen gesucht, aber aus anderen Gründen …«

Die blonde Diebin schien zu verstehen. »Sie haben diesen anderen Kerl abgehalten, auf mich zu schießen«, meinte sie.

»Mein Bruder Frank«, erklärte Scott.

»Warum haben Sie das getan?«

»Sie sind eine attraktive Frau, Lexy.«

Die Blonde lachte. »Sind Sie etwa in mich verknallt?«

Scott hielt die Luft an und verschluckte sich beinahe. Die Offenheit dieser Frau war entwaffnend. Darauf war er nicht vorbereitet gewesen. Er rang mit sich, einfach ja zu sagen. Dabei hätte er sich wie ein Trottel gefühlt. Daher antwortete er mit einer Gegenfrage. »Was, wenn es so wäre …?«

Lexy lachte hell auf, wobei nicht zu erkennen war, ob sie sich geschmeichelt fühlte oder lediglich ihren Spott zum Ausdruck brachte. Jeder Moment, bis sie anfing zu reden, war für Scott Doohan eine Qual. »Ich verschenke mein Herz nicht zwischen Tür und Angel«, ließ Lexy ihn wissen. »Außerdem bin ich mir Ihrer wahren Beweggründe nicht sicher. Sie müssen schon ein wenig mehr mitbringen als Süßholzraspeln.« Sie trank ihre Tasse aus, erhob sich und schlenderte durch den Speisesaal zum Ausgang, ohne Scott Doohan eines weiteren Blickes zu würdigen.

Die Enttäuschung des Banditen stand ihm ins Gesicht geschrieben, doch er wollte sich nicht entmutigen lassen. Hartnäckigkeit hatte sich schon immer ausgezahlt. Und nun wusste er, wo sich Lexy Turnpike aufhielt. Diesen Vorteil wollte er sich zunutze machen.

Es hatte nicht lange gedauert, bis Lassiter alles in Erfahrung gebracht hatte, was es über Hugo Wolf zu wissen gab. Er führte ein Ladengeschäft mit Gütern des alltäglichen Bedarfs, war allerdings ein recht verschlossener Mann, der kaum am Gemeinschaftsleben in Clearwater teilnahm. Dies hatte dazu geführt, dass man allerlei über ihn munkelte und ihn auch im Verdacht hatte, Hehlerware anzubieten. Bei einem Überfall vor zwei Tagen war er schwer verletzt worden und gegenwärtig nicht ansprechbar. Ob etwas gestohlen wurde, und wenn ja, um was es sich handelte, darüber hatte niemand eine Auskunft geben können. Der oder die Täter waren unerkannt entkommen. Marshal van Vint schien sich nach den Aussagen der Saloongäste, die der Mann der Brigade Sieben befragte, auch nicht sonderlich ins Zeug gelegt zu haben, um den Fall aufzuklären.

Eine Verbindung zu den Doohan-Brothers ließ sich lediglich erahnen, überlegte Lassiter. Dafür sprach, dass sie sich in der Gegend aufhielten, dagegen, dass praktisch jeder infrage kam, den Raubüberfall begangen zu haben. Erst eine Befragung von Hugo Wolf würde ein wenig Licht ins Dunkel bringen, doch dazu musste sich der Ladenbetreiber erst einmal von seinen Verletzungen erholt haben.

Lassiter beschloss, sich noch einmal mit dem Marshal in Verbindung zu setzen und suchte dessen Office auf. Zu seiner Überraschung kam ihm jener junge Mann entgegen, den der Gesetzeshüter vor Kurzem erst verhaftet hatte. Er wirkte bedrückt, hatte die Hände in seine Hosentaschen gestopft und schlenderte mit gesenktem Haupt an dem Brigade-Agenten vorüber.

Lassiter klopfte an die Tür des Marshal’s Office und trat ein. Außergewöhnlich beschäftigt zeigte sich Roscoe van Vint nicht. Er hatte die Füße auf seinem Schreibtisch hochgelegt und blätterte in einer Zeitung. Beim Knarren der Tür faltete er sie längs und sah über die Knickkante hinweg. »Sie schon wieder?«, brummte er gereizt. »Das Einzige, was mich bei Ihrem Anblick aufheitern könnte, wäre Ihre Mitteilung, dass Sie die Stadt verlassen.«

»Bis dahin ist es noch ein wenig hin«, meinte Lassiter und fügte grinsend hinzu: »Zumindest hat der Schießer aus dem Saloon Ihr Jail verlassen.«

Van Vint machte ein griesgrämiges Gesicht. »Hank Pernell ist Farmer und kein Schießer. Ich wollte ihm bloß eine Lektion erteilen.«

»Und Hugo Wolf?«, fragte Lassiter lauernd. »Ihm wurde ebenfalls eine Lektion erteilt. Allerdings hat er sie nicht so gut weggesteckt wie Pernell.«

»Mischen Sie sich nicht in meine Angelegenheiten, Mister Lassiter!«, grollte van Vint. »Ich kümmere mich um die Sache, sobald ich mehr weiß.«

Lassiter hob eine Braue und verzog seine Lippen zu einem spöttischen Lächeln. »Suchen Sie etwa in der Tageszeitung nach Hinweisen?«

Der Marshal knallte die Zeitung auf den Tisch und fuhr auf. Drohend deutete er mit dem Zeigefinger auf Lassiter. »Sie fangen an, mir gehörig auf die Nerven zu gehen! Fordern Sie mich nicht heraus, sonst verfrachte ich Sie in ein Einzelzimmer mit vergitterter Aussicht.« Er stampfte um seinen Schreibtisch herum, packte Lassiter bei den Schultern und schob ihn zur Tür. »Ich habe zu tun! Wenn Sie sich also freundlicherweise aus meinem Büro begeben würden …«

Der Mann der Brigade Sieben leistete keinen Widerstand und ging nach draußen. Roscoe van Vint folgte ihm und schloss sein Office ab. Gleich im Anschluss setzte er sich in Richtung Hotel in Bewegung. Und es sah nicht so aus, als wollte er einen Freundschaftsbesuch abstatten.

Aufmerksam beobachtete Lassiter den Sternträger und erinnerte sich an dessen Gespräch mit diesem eigenwilligen Typen namens Eric. In den Gedanken des Brigade-Agenten bildeten sich allerlei Verstrickungen, doch noch war es zu früh, einen Zusammenhang herzustellen. Dennoch glaubte Lassiter, dass die Ausführung seines Auftrags allmählich Fahrt aufnahm.