Lassiter Sammelband 1848 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1848 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2425, 2426 und 2427.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

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Seitenzahl: 412

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Jack Slade
Lassiter Sammelband 1848

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2019 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Norma/Boada

ISBN: 978-3-7517-4532-1

www.bastei.de

www.sinclair.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Lassiter 2425

Durch die Wälder des Tecumseh Valley peitschten messerscharfe Regenschwaden, die Dan Brooker und seiner Kutsche die Weiterfahrt verwehrten. Sie hatten die schmale Schlammstraße ausgespült, der Brooker von Gainsburg aus gefolgt war, und den armseligen North Fork River zu einem reißenden Strom anschwellen lassen. Dem Kutscher der West Coast Stagecoach blieb nur das Gebet. "Herr im Himmel!", murmelte Brooker und sprang vom Kutschbock herunter. Er kämpfte sich bis zu den Pferden durch und brachte die Zügel in Ordnung. "Lass mir wenigstens noch eine Meile Frieden!" Doch der Allmächtige hatte kein Einsehen. Er rüttelte die Postkutsche, deren Dach mit schweren Frachtkisten beladen war, und warf sie mit Macht in den Fluss hinunter. Das Gespann kippte über die Vorderachse in die Fluten und wurde binnen Sekunden fortgerissen. Von Brooker blieb nur das Halstuch am Ufer zurück.

Lassiter 2426

Die Schüsse auf dem Hof vor dem Palazzo ließen Michael Stapleton zusammenzucken, und sein Vater strich ihm beruhigend über den Kopf. "Nur die Ruhe", murmelte er und trat vorsichtig ans Fenster. "Dad, bist du verrückt?", stieß der Junge mit großen Augen hervor, doch der Konsul winkte gelassen ab. Das Krachen der Gewehre und Revolver ließ den Kriegsveteranen nicht einmal mit der Wimper zucken. "Sie ziehen sich zurück. Auf Ortega ist Verlass." "Vater, bitte! Wir müssen hier weg!" Stapleton nickte grimmig. "Keine Sorge, mein Sohn. Man bringt uns fort von hier, das verspreche ich dir." Im selben Moment schlug eine Kugel durchs Fenster und erwischte Stapleton im Rücken. Michaels Schreie drangen hinaus bis auf den Vorplatz.

Lassiter 2427

Das Dorf bestand aus einer Handvoll ärmlicher Hütten, zwei windschiefen Scheunen und einer Baracke, über deren Eingang in ungelenker Schrift die Lettern BODEGA auf einem Holzbrett verblassten. Von den Hügeln aus hatte der Reiter noch ein paar Menschen auf der Straße gesehen. Doch nun, als er sein Pferd an den Hütten vorbei lenkte, saß nur noch ein halbwüchsiger Ziegenhirte auf dem Zaun, hinter dem seine Tiere grasten. Er beugte sich zu dem Jungen hinab. "Dos Gringos? Con un carruaje?" Der Hirte schüttelte heftig den Kopf, doch seine Augen waren vor Angst geweitet und blickten verstohlen am Hals des Wallachs vorbei zur Scheune gegenüber. Der Reiter verzog die Lippen, während seine Rechte sich unauffällig dem Griff des Revolvers näherte. Eine Falle. Vermutlich blieben nur noch wenige Augenblicke, bis ihm die Kugeln um die Ohren flogen.

Lassiter Sammelband 1848

Cover

Titel

Impressum

Über das Buch

Inhalt

Lassiter 2425

Lassiter und das Feuerblut

Lassiter 2426

Die Witwe in Weiß

Lassiter 2427

Die Teufelin in Rot

Guide

Start Reading

Contents

Lassiter und das Feuerblut

Durch die Wälder des Tecumseh Valley peitschten messerscharfe Regenschwaden, die Dan Brooker und seiner Kutsche die Weiterfahrt vereitelten. Sie hatten die schmale Schlammstraße ausgespült, der Brooker von Gainsburg aus gefolgt war, und den armseligen North Fork River zu einem reißenden Strom anschwellen lassen. Dem Kutscher der West Coast Stagecoach blieb nur das Gebet.

»Herr im Himmel!«, murmelte Brooker und sprang vom Kutschbock herunter. Er kämpfte sich bis zu den Pferden durch und brachte die Zügel in Ordnung. »Lass mir wenigstens noch eine Meile Frieden!«

Doch der Allmächtige hatte kein Einsehen.

Er rüttelte die Postkutsche, deren Dach mit schweren Frachtkisten beladen war, und warf sie mit Macht in den Fluss hinunter. Das Gespann kippte über die Vorderachse in die Fluten und wurde binnen Sekunden fortgerissen.

Von Brooker blieb nur das Halstuch am Ufer zurück.

Der schlammverschmierte Stofffetzen in der Hand von Arthur Hilman schlug bei jedem Wort hin und her, das der Kurierreiter an seinen Begleiter richtete. Er war in Zorn geraten, nachdem ihm Letzterer mehrere Male widersprochen hatte. »Gott, Bill, natürlich hat das Tuch ihm gehört! Du kanntest Dan genauso gut wie ich.«

»Ich weiß nur, was ich sehe!«, beharrte Bill Tedford und schwang sich am Sattelhorn wieder aufs Pferd. Er war knappe zwanzig Jahre jünger als Arthur und von beneidenswert guter Gesundheit. »Er wäre nicht bei Sturm durch das Tecumseh Valley gefahren. Er hätte kehrtgemacht und wäre zur Station zurückgekommen.«

Die letzte Wechselstation der West Coast Stagecoach hatten sie bei Meile 47 passiert, und sie hatte so verlassen ausgesehen, dass Dan Brookers Teufelsritt in der vergangenen Woche fast glaubhaft erschien. Der Stationsmeister war ein kauziger Kerl namens George Hayes, der sich nicht einmal an Brooker hatte erinnern können.

»Dan hatte diese Fracht«, sagte Hilman und steckte das Halstuch in die Hosentasche. Er kannte Brooker seit einer halben Ewigkeit, und es sah diesem bärbeißigen Himmelhund ganz und gar nicht ähnlich, dass er sich wissentlich in Gefahr brachte. »Er hatte einen guten Grund, sich auf den Bock zu setzen.«

Die Fracht war von den Verantwortlichen der West Coast Stagecoach mit solcher Geheimniskrämerei bedacht worden, dass keiner der Kutscher sie beim Namen zu nennen wagte. Sie sprachen über die Kisten und die Ladung , nie jedoch darüber, was sich dahinter verbarg. Sie schwiegen über die Hunderte Flaschen, auf denen lediglich ein verschnörkeltes Etikett mit dem Wort Fireblood prangte.

»Keine Fracht ist es wert, dass man für sie stirbt.« Bill starrte zum Ufer des North Fork River hinunter. »Dan war ein gottesfürchtiger Mann. Er hätte keinen Leichtsinn begangen.«

Die West Coast Stagecoach war die letzte Kutschengesellschaft, die es im Arizona-Territorium noch aushielt, und sie hatte einen hohen Preis für ihren Wagemut gezahlt. Über zwei Dutzend Kutscher hatte sie in den letzten Jahren verloren, und die meisten waren bei Indianerangriffen gestorben. Es hätte Hilman nicht erstaunt, dass die Rothäute auch hinter dieser Barbarei steckten.

»Sieh dir die nächste Biegung an!«, brummte Hilman und führte das Pferd zum Wasser hinunter. Er ließ das Tier einen Augenblick lang trinken. »Von Nichols und Knox haben wir wenigstens die Skalpe gefunden. Sie hingen in den Sträuchern da drüben.«

Ohne die Miene zu verziehen, ritt Tedford am Ufersaum hinab und verschwand hinter der Biegung flussabwärts. Er war eine ehrliche Haut und ein guter Kutscher, fand Hilman, aber wenn es um die Seele anderer Menschen ging, war Bill ein grober Klotz. Er hatte Nichols’ Witwe nicht einmal sein Beileid ausgesprochen, als sie unter Tränen im Bureau der West Coast Stagecoach gestanden hatte.

»Arthur!«

Die Stimme von Hilmans Gefährten schallte über das Wasser herauf. Sie klang hart und angespannt, wie am Zahltag oder nach dem Achsbruch im letzten Frühjahr, der sie einen halben Monatslohn gekostet hatte.

»Was ist los, Bill?«, rief Hilman und setzte den Fuß in den Steigbügel. Er ritt Tedfords Hufspuren nach, die bis zur Geröllzunge an der Flussbiegung reichten.

Hinter der Biegung lag das zerschmetterte Wrack.

Es war ganz ohne Zweifel die Kutsche von Dan Brooker, deren Hinterräder im Gegensatz zu allen anderen in strahlendem Gelb gestrichen waren. Sie war vom Fluss einmal um die eigene Achse gedreht und wie eine Seifenschachtel zwischen zwei mächtige Baumstämme gequetscht worden. Rings um das zerstörte Gespann lagen Frachtkisten, Gardinenreste und die herausgerissenen Polster verstreut.

»Sieht nicht gut aus!«, bemerkte Hilman zerknirscht und ritt um Brookers Kutsche herum. Er hatte auf einen tröstlicheren Fund gehofft. »Dan muss mit den Pferden in den Fluss gerutscht sein!«

Von Tedfords Wallach war nur der schlagende Schweif hinter den Kutschtrümmern zu sehen, die sich auf der seichten Uferbank übermannshoch aufgetürmt hatten. Als Hilman keine Antwort erhielt, holte er mit den Sporen aus und galoppierte um Brookers einstiges Heiligtum herum.

Tedford saß nicht im Sattel.

Er hockte vornübergebeugt an einer Frachtkiste und durchstöberte deren Inhalt. Seine Hände flogen so rasch über die Flaschenhälse und die Korken darin, dass Hilman verdutzt die Brauen hob. »Was treibst du da? Stöberst du in Dans Frachtkisten?«

Der andere Kutscher kehrte ihm weiter den Rücken zu. »Geht dich nichts an, Arthur! An deiner Stelle würd’ ich verschwinden!«

Die kühle Schärfe in Tedfords Ton ließ Hilman zusammenfahren. Er dirigierte das Pferd mit einem Zügelruck um die Kutsche herum.

Im nächsten Augenblick wirbelte Tedford zu ihm herum.

Er hielt den Colt in der Rechten und stieß mit dem Fuß die beiden Fireblood -Flaschen zur Seite, die er soeben entkorkt hatte. Sein Daumen spannte langsam den Hahn des Revolvers.

»Was ist in dich gefahren?«, stieß Hilman hervor und ließ das Pferd einige Tritte zurückweichen. »Verdammt, stöberst du in Dans Ladung?«

Schweigend legte Tedford mit dem Colt auf den älteren Kutscher an. Er stieg über die offenen Flaschen hinweg, aus denen eine schwarze Substanz troff. »Wie ich schon sagte, dich geht diese Sache nichts an.«

»Mich geht Dans Schicksal etwas an«, widersprach Hilman und ahnte zugleich, dass damit das seinige besiegelt war. »Bill … Du und ich –«

Zwei bellende Schüsse stahlen Hilman die restlichen Worte, ehe sie ihm über die Lippen kommen konnten.

Durch den orientalischen Salon des Red Shadow tönte das Keuchen der schwarzhaarigen Kalifornierin, die nur noch ihren Gürtel aus silbernen Schellen am Leib und einen hauchdünnen Schleier über dem Gesicht trug. Sie lag bäuchlings auf einer silberdurchwirkten Decke und warf den Kopf zu Lassiter herum.

»Noch eine Runde?«, fragte der Mann der Brigade Sieben und verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Er trieb es seit einer guten Stunde mit dem Barmädchen. »Oder hast du genug?«

»Von dir?«, flüsterte Shoann Petfield und lachte vor Vergnügen. »Wie könnte eine Frau von dir genug bekommen, Liebster?«

Sie gab noch einige andere Schmeicheleien zum Besten, von denen Lassiter wusste, dass sie damit auch andere Männer um den Finger wickelte, und winkelte beide Beine an. Sie griff nach Lassiters Händen und führte sie an ihre Brüste. »Nur noch einmal, Lassiter … Ich weiß, dass du bald fort musst.«

Irgendwann vor einem Jahr hatte Lassiter Shoann zuletzt gesehen, als er wegen eines Sträflingstransports, der im Tecumseh Valley überfallen worden war, in der Gegend gewesen war. Er hatte eine Bande von Wegelagerern ausgehoben, die sich ein prächtiges Sümmchen damit verdiente, Zuchthausinsassen zu befreien und deren Gewährsmännern Lösegeld abzupressen.

»Nicht vor dem Morgengrauen«, sagte Lassiter und drückte Shoanns Beine auseinander. Er stieß sanft und bestimmt zu. »Es gibt eine Sache, die ich in Borkman vorher erledigen muss.«

Der volle Busen des Barmädchens, der vor einer Stunde noch in einer Korsage gesteckt hatte, schwang bei jedem Stoß hin und her. Die Korsage hing derweil über der Stuhllehne, neben Lassiters Holstergurt mit dem glänzenden Remington darin und der staubigen Lederjacke, die er auf der Straße getragen hatte. Unter dem Stuhl lagen Lassiters Unterhose und Shoanns Miederhöschen verstreut.

»Du hast mir gefehlt«, flüsterte Shoann und krallte sich an Lassiters Händen fest, die ihre Schenkel hielten. »Ich hatte das ganze Jahr über Männer, die gut zahlten. Aber keiner war wie du.«

Die Nägel der schönen Kalifornierin gruben sich in Lassiters Rücken, glitten zu seinen Lenden hinunter und hinterließen dünne Kratzer in der Haut.

»Fester!«, flehte Shoann und schloss die Augen. Sie hatte ein ausnehmend schönes Gesicht, schmal geschnitten und rassig, umrahmt von schwarzen Locken. »Nicht nachlassen, Lassiter … Nicht nachlassen!«

Wieder und wieder schrie Lassiters Geliebte vor Lust auf, und als sie es nicht mehr aushielt, biss sie sich auf die Unterlippe und gab nur noch ein schwaches Wimmern von sich. Im nächsten Augenblick kam sie zum Höhepunkt, nur Sekunden vor Lassiter. Er sank neben ihr auf den Diwan.

Shoann wandte den Kopf und blickte ihn herausfordernd an. »Was gibt es in einer Stadt wie Borkman Dringendes zu erledigen?«

Aus dem Telegramm der Brigade Sieben war nicht hervorgegangen, aus welchen Gründen Mittelsmann Stan Simmons Lassiter sprechen wollte. Der Bankinhaber hatte lediglich darauf gedrungen, dass das Gespräch baldmöglichst stattfinden solle. Die Abschrift des Kabeltelegramms hatte Lassiter in Tackville erreicht, das keine vierzig Meilen südlich von Borkman lag.

»Bloß ein paar Geschäfte«, knurrte Lassiter und griff, um nicht weiter antworten zu müssen, nach der Wochenschrift, die unter dem Diwan bereitlag. Eine in breiten Lettern gesetzte Schlagzeile fiel ihm ins Auge. »Rixfield Road? Die Straße hinauf nach Graveystone?«

Shoanns dunkelbraune Augen weiteten sich. »Du hast noch nicht von dem Unglück auf der Rixfield Road gehört?«

Unter der Schlagzeile fand sich ein reißerischer Bericht über die Todesfallen der Rixfield Road, die so zahlreich wären, dass es im vergangenen Jahr nur eine Handvoll Kutschen hindurch geschafft hätten. Es müsse ein Fluch auf dieser Straße liegen, hieß es im letzten Absatz.

»Vor zwei Monaten gab es einen Sturm«, sagte Shoann und richtete sich auf. Sie angelte nach ihrer Korsage und legte sie sich um die Brust. »Den halben Wald hat der Wind umgerissen. Die West Coast Stagecoach war die einzige Gesellschaft, die bei diesem Wetter fahren wollte. Der Kutscher ist nie gefunden worden.«

»Und sein Wagen?«, fragte Lassiter und faltete die Wochenschrift zusammen. Er hatte für Schauergeschichten nichts übrig. »Er wird wohl kaum vom Erdboden verschluckt worden sein.«

»Sprich nicht so darüber!«, wisperte Shoann und rückte dichter an Lassiter heran. Sie senkte den Kopf und dämpfte die Stimme. »Die Mädchen unten im Red Shadow glauben schon, dass es Unheil bringt, über die Rixfield Road zu reden.«

»Unheil?«, echote Lassiter spöttisch. »Von solchem Aberglauben halte ich nicht viel.«

Ihn traf Shoanns bitterböser Blick. »Du hältst mich für abergläubisch? Du hältst es für Aberglauben, wenn jemand … oder etwas … eine ganze Kutsche umwirft?« Sie schüttelte sich vor Entsetzen. »Dan Brooker war ein anständiger und starker Mann.«

»Er ist mitten durch ein Unwetter gefahren«, versetzte Lassiter und stand auf. Er griff nach seinen Kleidern und streifte sich das Hemd über die Schultern. »Er hat sich selbst in Gefahr gebracht.«

Schulterzuckend erhob sich auch Shoann und kleidete sich ebenfalls an. Sie schmollte selbst dann noch, als Lassiter sie zu sich zog und sich mit einem langen Kuss von ihr verabschiedete.

»Du musst vor nichts Angst haben«, meinte Lassiter und strich ihr durch die schwarzen Locken. »Es gibt für jedes Geheimnis eine Lösung. So wie es zu jeder Truhe einen Schlüssel gibt.«

»Glaub, was du willst!«, erwiderte Shoann kühl. Sie zählte die Handvoll Dollars, die Lassiter auf den Nachttisch gelegt hatte, und eilte zur Tür. »Ich werde keinen Fuß auf die Rixfield Road setzen, bevor man Mr. Brooker nicht gefunden und begraben hat.« Sie erschauderte. »Es heißt, dass nur sein Halstuch am Fluss gelegen habe.«

Seufzend hob Lassiter den Kopf und knöpfte sich das Hemd zu. »Wie du meinst, Shoann. Von Gerüchten ist niemand je klüger geworden.«

Vierzig Meilen hinter der Oase von Al-Okbur stießen Walter T. Stone und seine ägyptischen Karawanentreiber auf das Beduinenlager. Sie hatten das Flussboot in Abu Girgeh zurückgelassen, waren danach über Bahr Bela Ma und Sittrah westwärts gezogen und hatten sich durch einen Späher bei den Beduinen ankündigen lassen. Die vom heißen Wüstenwind niedergedrückten Zelte waren die erste menschliche Behausung, die Stone in den letzten Tagen gesehen hatte.

»Seid gegrüßt!«, sagte Scheich Al-Artasch und verbeugte sich leicht vor dem Amerikaner. Er lud Stone mit einer Handbewegung in sein Zelt ein. »Das Gastmahl ist schon bereitet, mein Freund.«

Die Kamele von Stones Karawane wurden von Al-Artaschs Männern umringt, die sich in leisem Ton mit den Treibern unterhielten. Aus den Beduinenzelten traten nach und nach einige Frauen, die den Gast unter ihren Schleiern beäugten. Sie waren Stone vertraut, der über die Beduinen an der Lill University geschrieben hatte.

»Welch gewaltige Ehre!«, erwiderte der Professor und verbeugte sich ebenfalls. Er folgte dem in Weiß gewandeten Scheich ins Innere des Zeltes, in dem es nach aufgebrühtem Kaffee und gebratenem Lammfleisch roch. »Es war ein weiter Weg von Abu Girgeh herauf. Das Boot lief nur noch einen halben Knoten, seitdem man uns schlechtes Brennholz gebracht hatte.«

Der Beduine wartete geduldig, bis Stone zwischen den Kissen einen Platz gefunden hatte. Er ließ sich ein silbernes Kännchen mit Kaffee bringen und schenkte dem Amerikaner den Krug voll. »Es ist auch für den Stamm des Al-Artasch eine Ehre, den ehrenwerten Mr. Stone unter uns zu begrüßen.« Er stellte das Kännchen beiseite, nahm seinen eigenen Krug und setzte sich Stone gegenüber. »Möge dieses Mahl unsere Freundschaft stärken und unsere Geschäfte begünstigen.«

Von allen Beduinenscheichen, denen Stone in seinem Amt als Universitätsrektor einen Besuch abgestattet hatte, war Al-Artasch der Stammesführer mit den meisten Merkwürdigkeiten gewesen. Er lagerte mit seinen Getreuen weit draußen in der Wüste, meist jenseits der hohen Dünen, deren Bezwingung Tage in Anspruch nehmen konnte. An Al-Artasch hatten sich selbst ägyptische Milizen, die nach dem Stammesfürsten gesucht hatten, die Zähne ausgebissen.

»Auf die Geschäfte!«, erwiderte Stone und nickte. Er fühlte den Schweiß am Rücken und schämte sich seiner schwächlichen Verfassung. Der Scheich mochte zwanzig Jahre älter als er selbst sein. »Die Fireblood -Gefährten hegen den sehnsüchtigen Wunsch nach einem orientalischen Wunder, ehrenwerter Scheich Al-Artasch.«

Dass Stone mit diesen Worten noch untertrieb, war dem Universitätsprofessor nur allzu schmerzlich bewusst. Er war bei der Fireblood -Zusammenkunft in Barksburg gewesen, die in der alten Scheune der Pinley-Farm stattgefunden hatte. Die meisten Verschwörer waren ob der Misserfolge der Geheimgesellschaft außer sich gewesen.

»Der Fireblood -Bund tritt auf der Stelle«, zeigte sich Al-Artasch ausgesprochen kenntnisreich. »Ich hörte durch meine amerikanischen Informanten, dass bislang kein Gesandter der British-Southwest Trade Company zu Tode gekommen ist.«

Das listenreiche Naturell des Arabers, der in sämtlichen Nationen der alten und neuen Welt über Spitzel verfügte, erstaunte Stone stets aufs Neue. Er hatte nicht darauf spekuliert, dass Al-Artasch ihm ahnungslos gegenübertreten würde, doch dass er die Sorgen des Fireblood -Bundes kannte, überraschte selbst den Rektor der Lill University.

»Kein Einziger fiel Ihnen in die Hände«, fuhr Al-Artasch fort und trank seinen Kaffee. »Obwohl Sie gutes Gift aus meinem Besitz erhalten haben.«

Über zwanzig Phiolen voller Gift der Levanteotter hatte Stone beim letzten Besuch erhalten, und er hatte sie wohlbehalten mit einem Frachtdampfer hinüber nach Louisiana gebracht. Das Gift hatte einen Menschen beim ersten Schluck töten sollen, vorausgesetzt, man kam nah genug an sein Opfer heran.

Im Fall der Gesandten der British-Southwest Trade Company waren die Phiolen nutzlos gewesen.

Die Sitzungen der königlich-britischen Ostasien-Kompanie fanden an geheimen Orten statt, und bisher hatten die Fireblood -Verschwörer allenfalls Telegramme darüber abgefangen. Sie waren keinem einzigen Gesandten näher als hundert Yards gerückt.

»Das Gift taugt schlecht für unsere Zwecke«, behauptete Stone und legte die Stirn in Falten. Er hatte einen Schluck des starken Orientkaffees genommen und für sich beschlossen, den Rest im Krug zu lassen. »Es muss von besserer Wirkung sein.«

Der Scheich wippte auf seinem Kissen einige Male vor und zurück und ließ das gebratene Lammfleisch hereinbringen. Er winkte einem seiner Männer, der das Zelt verließ und wenig später mit einem hölzernen Kästchen in der Hand zurückkehrte. Der Kastendeckel war mit Schnitzereien verziert. »Sie werden mögen, was ich Ihnen verschafft habe. Es stammt von einem Alchemisten aus Helyah.«

Die Beduinen, die das Lammfleisch gebracht hatten, verschwanden wieder hinter der Zeltwand. Stone aß einen Bissen Fleisch und lehnte sich zu Al-Artasch nach vorn. »Was haben Sie da? Ist es ein anderes Gift?«

Die von der Hitze ausgetrockneten Hände des Scheichs öffneten das Kästchen, in dem vier schmale Flaschen mit einer schwarzen Flüssigkeit darin lagen. Als der Stammesführer eine davon nahm und zur Seite kippte, zeigte sich, dass die Substanz von honighafter Zähigkeit war. »Es ist das Gift Karuzun, Mr. Stone. Es ist das stärkste Mittel, das es zu beiden Seiten des Nils zu kaufen gibt.«

Als Al-Artasch den Stopfen aus der Flasche ziehen wollte, wich Stone unwillkürlich zurück. Er hatte Männer den Gifttod erleiden sehen, die von besserer Gesundheit als er und Al-Artasch gewesen waren.

»Seien Sie ohne Furcht«, beruhigte ihn Al-Artasch. Er goss sich einen Tropfen des schwarzen Gifts auf den Handteller und roch daran. »Der Tod ereilt einen Mann erst, sobald man Dattelessig hinzugibt. Vorher ist es harmlos wie Ziegenmilch.«

Bedächtig verrieb der Beduinenführer das Gift auf seiner Hand, griff nach einem Stück Lamm und wendete es darin. Er verzehrte das Fleischstück genüsslich und lächelte Stone an.

»Wie giftig ist es?«, fragte Stone und griff nun doch wieder nach seinem Kaffee. Er nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. »Was kann der Fireblood-Bund damit erreichen?«

Vor den Zelten blökte ein Kamel, bis es die Männer mit einem Peitschenhieb zur Ruhe brachten. Al-Artasch lächelte seinen Gast unverwandt an. »Hundert Mann in einem Saal sterben binnen einer halben Stunde. Sie müssen nur den Dattelessig beimischen und eine Flasche davon zerstäuben.«

Stone sann einen Augenblick nach und nickte. »Wir sind im Geschäft, ehrenwerter Scheich.«

»Die Brigade Sieben geht von Stone als Oberhaupt aus.«

Der besorgte Blick von Stan Simmons, der hinter dem vergitterten Schalter der First National Bank stand und den Kassenschieber mit den Tageseinkünften in den Schrank schob, galt nicht Lassiter persönlich. Er war den Dutzenden Dokumente geschuldet, die Simmons’ Schreibtisch bedeckten.

»Walter T. Stone ist ein Universitätsprofessor«, wandte Lassiter ein, der sich den halben Morgen lang mit den Schriftstücken aus Washington befasst hatte. »Er ist nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Er dürfte nicht aus heiterem Himmel eine Verschwörerbande anführen.«

»Man ist in Washington zu ebendiesem Schluss gelangt«, beharrte Simmons und verließ den Schalterbereich der First National . Außer ihm und Lassiter war niemand in der Bank. »Der Präsident und der Secret Service glauben, dass Stone einen Feldzug gegen die British-Southwest Trade Company führt, die er als Inbegriff der Gier begreift. Er will diese Handelskompanie zerschlagen, und er hat mächtige Freunde um sich gesammelt.«

»Ein Häuflein verirrter Seelen«, erwiderte Lassiter und schüttelte den Kopf. Er konnte nicht glauben, dass ein Dutzend Männer gegen eine britisch-königliche Handelsgesellschaft zu bestehen glaubte. »Sie werden mit jedem Versuch schwächer und irgendwann geschnappt werden.«

»Sie unterschätzen Stones Brillanz«, entgegnete Simmons und lief um seinen Schreibtisch herum. Er zog eine Mappe mit handschriftlichen Notizen heraus. »Diese Abfassung hat er innerhalb eines Tages gemacht. Sie umreißt in groben Zügen die Handelspolitik von Großbritannien in den letzten dreißig Jahren. Es gibt keinen anderen Professor in Amerika, der zu einer solchen Leistung fähig wäre.«

Die Brigade Sieben hatte Lassiter ein fast achtzig Seiten umfassendes Dossier über die Fireblood -Verschwörung geschickt, die angeblich hinter dem Überfall auf die Kutsche von Dan Brooker stecken sollte. Er hatte den Großteil davon gelesen, ehe er zu Simmons aufgebrochen war. »Letztlich ist es nur Papier. Er müsste andere Männer verpflichten, um der British-Southwest ernstlich zu schaden.«

Der Bankdirektor seufzte und ließ sich in den hohen Lehnsessel fallen, der seitlich von seinem Schreibtisch stand. Er machte einen müden Eindruck, zu müde für einen Mittelsmann der Brigade Sieben, der soeben die Jagd auf eine Verschwörerbande eröffnen sollte. »Dass wir den Unfall mit Dan Brooker mitbekommen haben, ist reines Glück gewesen. Die Brigade Sieben hat Sie nicht ohne Grund eingeschaltet. Sie müssen uns die Ladung beschaffen, die Brooker auf seiner Kutsche hatte.«

Dem Kuvert aus Washington hatte eine Schilderung des Sheriffs von Graveystone beigelegen, der Brookers Gespann gefunden und seine Deputies nach dem verschollenen Kutscher ausgesandt hatte. Er hatte von einigen leeren Flaschen mit einem eigenartigen Etikett gesprochen, die am Ufer des North Fork River gelegen hatten.

» Fireblood «, sagte Lassiter. »Ist es wahr, dass er Fireblood geladen hatte?«

Von einer Sekunde zur nächsten wich dem Bankdirektor das Blut aus dem Gesicht. Er nickte langsam und zog zwischen den Schriftstücken eine Karte hervor. Sie zeigte den Lauf des North Fork Rivers, der südlich von Graveystone westwärts verlief und die Rixfield Road kreuzte. »Die ganze Kutsche war voller Frachtkisten. Wir wissen durch einen Informanten bei der West Coast Stagecoach davon.« Er tippte auf die Karte. »Brooker nahm die Ladung in Borkman in Empfang und sollte sie binnen einer Nacht hinauf nach Graveystone bringen.«

»Brooker ist dabei umgekommen«, stellte Lassiter nüchtern fest. »Er hat die Verschwörer auf den Plan gerufen, die nach seinem Tod um ihre Ladung fürchteten.«

»Washington ist derselben Ansicht«, pflichtete Simmons ihm bei und erhob sich aus seinem Sessel. Er griff nach einigen Blättern auf dem Schreibtisch und reichte sie Lassiter. »Es gab vor einigen Tagen einen Zwischenfall bei der West Coast Stagecoach . Einer der Männer, die nach Brooker gesucht haben, ist tot. Er ist vermutlich von seinem Begleiter erschossen worden.«

»Von einem West-Coast -Mann?«, erkundigte sich Lassiter, noch bevor er die Papiere entgegennahm. »Möglicherweise paktiert der Kerl mit den Verschwörern.«

»Oder er handelt auf eigene Rechnung«, sagte Simmons und drehte die Petroleumlampe höher. Das Büro des Bankdirektors entstieg der Dunkelheit. »Es ist unwahrscheinlich, dass er Brookers Auftraggeber kannte. Die West Coast Stagecoach ist äußerst verschwiegen. Sie ist die letzte Kutschgesellschaft in der Gegend und befördert nur noch Eilgüter.«

Eilends las Lassiter die Blätter, die Simmons ihm gegeben hatte. Sie enthielten eine Beschreibung des toten Arthur Hilman, der von Kugeln durchlöchert im North Fork River gefunden worden war. Er hatte seinen Colt noch in der Hand gehalten. »Er hat einen Mord für diese Ladung begangen. Er muss sich gehörigen Gewinn versprochen haben.«

»Sein Name ist Bill Tedford«, sekundierte Simmons und deutete auf die Karte. »Er ist bei einer Ranch oben am Berry Creek gesehen worden, vor zwei Tagen. Er sah recht zerlumpt aus und schleppte ein klappriges Pferd mit sich.«

»Ich suche nach ihm«, sagte Lassiter und steckte die übrigen Papiere von Simmons Tisch ein. »Er könnte der Schlüssel zu Brookers Ladung und den Fireblood -Leuten sein.«

»Sie müssen die Fireblood-Ladung finden«, beschwor ihn Simmons. »Man ist in Washington davon überzeugt, dass es das stärkste Gift ist, das sich je auf amerikanischem Boden befunden hat. Ein Attentat auf die British-Southwest könnte die Handelsabsprachen mit dem Commonwealth in Gefahr bringen.« Er schwieg einen Moment lang. »Sie müssen Amerika helfen, Lassiter.«

»Ich helfe Amerika schon mein ganzes Leben lang«, entgegnete Lassiter und schritt zur Tür. Er blieb vor dem geschlossenen Bankschalter stehen. »Es geht dabei stets um mehr als Dollars.«

»Die Dollars sind nur ein Ausdruck dieses Landes«, sagte Simmons und kam um den Schreibtisch herum. Er wirkte noch immer blass. »Wenn dem Land Gefahr droht, dann droht uns allen Gefahr. Die Fireblood -Verschwörung könnte uns und unsere Regierung zu Fall bringen.«

»Sie wird keine Gelegenheit dazu bekommen«, versprach Lassiter. »Ich spüre Tedford auf und bekomme heraus, was mit der Ladung geschehen ist. Er wird uns nicht länger an der Nase herumführen.«

Der Direktor der First National Bank presste die Lippen zu einem Strich zusammen und geleitete Lassiter ins Freie. Er klapperte mit dem Schlüsselbund in der Hand. »Ich höre in einigen Tagen von Ihnen?«

»Sobald Tedford gefasst ist«, gab Lassiter zur Antwort und nickte.

Über der heruntergekommenen Berry-Ranch hing schon die dunstige Nacht, als Bill Tedford seinen bis auf die Rippen abgemagerten Schecken bei den Zügeln nahm und am halb eingestürzten Hitchrack anband. Er hatte dem verfluchten Klepper seit einer Woche kaum Maisschrot gegeben, weil die Vorräte des alten Berry zur Neige gingen und er den toten Rancher nicht mehr darüber ausquetschen konnte, ob er irgendwo in einem Erdkeller noch Vorräte versteckt hielt.

Der tote Berry saß in seiner Wohnstube.

Er war durch einen glatten Schuss in die Stirn gestorben, den Tedford abgefeuert hatte, als der Rancher gerade eine Postkarte betrachtet hatte. Die Kugel hatte das Sesselpolster hinter Berrys Schädel durchschlagen und war in der Tür des Wandschranks steckengeblieben.

Mürrisch warf Tedford einen Blick auf den Toten und trottete in die Küche, die angefüllt war mit schmutzigen Blechtöpfen und verrottetem Proviant. Er griff nach dem Stück schimmelnden Dörrfleisch, das über der Feuerstelle hing, schmetterte es auf den Tisch und schnitt sich einen Bissen davon ab.

Bleib, so lange du willst …

Die halbe West Coast Stagecoach kannte den alten Berry, dessen vor Dreck starrende Ranch eine Weile als Wechselstation für die Kutschgesellschaft gedient hatte. Sie waren bei Berry stets willkommen gewesen, ob ein Greenhorn oder ein altgedienter Gespannlenker auf dem Bock gesessen hatte. Der Alte hatte gekocht für die Männer, und ab und zu hatte er ein Kalb geschlachtet, sobald die Kutsche aus Graveystone bei ihm Halt gemacht hatte.

Eine Frau hatte keiner je auf der Berry-Ranch gesehen.

Der Alte war ein überzeugter Junggeselle gewesen, ein Frauenverächter, wie manche unten in Borkman munkelten. Ehe würden die Dampfkutschen das Frachtgeschäft übernehmen, als dass einer wie Berry vor den Altar trat. Er hatte oft darüber gescherzt, wie glücklich das Leben ohne nörgelnde Frauen wäre, aber keiner der Kutscher hatte ihm das je abgekauft.

Nun war er tot und starrte Tedford aus seinen leeren Augen an.

Der West-Coast -Kutscher hatte Berry nicht am Leben lassen können, nicht mit der wertvollen Fracht, die er in der Scheune fürs Erste versteckt hatte. Er konnte keinen Zeugen gebrauchen, der vor den falschen Leuten ausschwatzte, was auf der Berry-Ranch vorging.

Tedford wusste nicht einmal selbst recht, was vor sich ging.

Er hatte Brookers Unterhaltung mit dem Frachtagenten belauscht, damals im strömenden Regen vor dem Bureau der West Coast Stagecoach in Borkman. Der Fremde hatte darauf gedrungen, dass Brooker die Fracht unverzüglich hinauf nach Graveystone schaffte, obgleich sich der aufziehende Sturm schon angekündigt hatte.

»Abgemacht«, hatte Brooker nur gesagt und eingeschlagen.

Es war Tedford wie eine Dummheit vorgekommen, dass ein erfahrener Mann wie Brooker einen solchen Auftrag ohne Bedenken annahm, aber jetzt war er unschlüssig, ob sich dahinter nicht mehr verbarg. Er hatte Brooker häufig in den Tavernen und Saloons von Brockman herumstreichen und verdächtige Gespräche führen sehen.

Die Fireblood- Fracht umgab ein Geheimnis.

»Bleib mir bloß anständig!«, knurrte Tedford dem toten Berry durch die angelehnte Tür zu und schob sich ein weiteres Stück Dörrfleisch zwischen die Zähne. Er würde die Ranch bald verlassen müssen, wollte er keinen Hunger leiden.

Eine Viertelstunde darauf stand Tedford wieder im Hof.

Er hatte dem Pferd die letzten Brotreste gefüttert, die er in Berrys Schränken und der vermoderten Speisekammer gefunden hatten. Er tätschelte dem Tier den Hals und lenkte seiner Schritte zur Scheune hinüber, deren Dach schwarz von Zedernnadeln war. Als er den Holzbau fast erreicht hatte, wieherte der Schecke nach ihm.

»Still!«, knurrte Tedford und wandte sich nach dem Pferd um. Er kniff verärgert den Mund zusammen. »Hast doch das Brot! Gib dich zufrieden damit!«

Der Schecke tänzelte auf und ab und biss in den Brotsack, den Tedford am Hitchrack festgebunden hatte. Das Pferd trat nach hinten aus und wieherte erneut.

Ruckartig griff Tedford nach seinem Colt.

Er konnte im dichten Unterholz jenseits des Ranchhauses keine Umrisse ausmachen, doch sein Instinkt sagte ihm, dass er auf der Hut sein musste. Er war nicht allein hinter der Fireblood -Fracht her, und diejenigen, die danach jagten, würden die Berry-Ranch bald gefunden haben.

Allmählich kam der Schecke wieder zur Ruhe.

Das Pferd schob die geblähten Nüstern zurück in das Säckchen mit dem Brot darin und fraß weiter. Durch die Wipfel über dem Ranchhaus strich kühler Nachtwind.

Nach einer Weile nahm Tedford den Revolver herunter.

Er kannte die eigentümliche Ruhe der Wälder, die jedem Überfall und jedem Hinterhalt vorausging, und er beschloss, vorerst in der Scheune neben der Fracht zu schlafen. Er würde jedem zuvorkommen, der ihn in der Nacht überwältigen wollte.

Der Schlüssel zum Scheunentor war in seiner rechten Jackentasche.

Der Kutscher drehte ihn einige Male in den Fingern, bevor er den verbogenen Bart in das rostige Schlüsselloch steckte und die Scheune des alten Berry aufschloss. Es herrschte tiefes Dunkel darin, das nur von zwei feinen Bündeln Mondlicht zerschnitten wurde. Die Kisten mit den Fireblood -Flaschen darin waren an der gegenüberliegenden Giebelwand aufgeschichtet.

Die Fracht gab ein eindrucksvolles Bild ab, wie sie sich bis fast unter die niedrigen Deckenbalken türmte und Tedford daran erinnerte, dass ihm eine beschwerliche Schmuggelfahrt hinauf nach Graveystone bevorstand. Er wollte sich die Pferde von der West-Coast -Station südlich der Stadt besorgen, wo er ein Mädchen kannte, das ihm dabei behilflich sein würde.

Langsam durchquerte Tedford die Scheune und blieb vor der Kutschfracht stehen.

Er hatte zwei der Flaschen geöffnet und an ihrem Inhalt gerochen, und ihm war der Geruch von Harz in die Nase gestiegen. Noch am Fluss unten hatte die Substanz würzig wie Küchenkräuter gerochen, außerdem hatte er sich etwas davon auf die Hand kippen können.

Inzwischen war das Feuerblut am Flaschenboden erstarrt.

Die nächsten Tage würden darüber entscheiden, ob Tedford seinen Freund Arthur Hilman und den alten Berry umsonst getötet hatte. Er würde eiligst dafür Sorge tragen müssen, dass jemand in Graveystone die Fracht in die Hände bekam, der etwas mit ihr anfangen konnte. Er würde sie die Flaschen an einen der windigen Frachtleute von der Atlantic-Pacific verkaufen, die derzeit alles zu Dollars machten, das ihnen unter die Hände kam.

Schweigend zog Tedford eine Decke zwischen den Kisten hervor und breitete sie auf dem gestampften Scheunenboden aus. Er reckte sich und legte sich nieder.

Das blitzende Augenweiß in der Dunkelheit bemerkte der Kutscher darüber nicht.

Der Duft von verbranntem Weihrauch erfüllte die Apsis der San-Pedro-Kapelle, die Pater George Woodshire an diesem Sonntagmorgen für eine Taufe hatte herrichten müssen. Die Taufeltern waren Mary und Anthony Fisher gewesen, deren Sohn am vergangenen Dienstag zur Welt gekommen war und der mit seinem engelsblondem Haar die ganze Gemeinde in Verzückung versetzt hatte. Die Fishers hatten mit ihren lächelnden Gesichtern neben Woodshire gestanden und dem Satan im Namen ihres Kindes abgeschworen.

Woodshire hätte selbst eines solches Schwures bedurft.

Der Pater mit dem schütteren grauen Haar und dem markant eckigen Gesicht wischte den Abendmahlskelch aus und stellte ihn unter den Altar. Er hatte die Messe mit Hingabe gehalten, und trotzdem beschlich ihn ein Gefühl von Schwäche. Er fühlte sich wie ein Schmierenkomödiant, dem man für seine schlechte Darbietung auch noch Lob zollte.

»Pater?«

Die glockenhelle Stimme von Sunny Blairfield durchdrang die Stille des Gotteshauses und schreckte Woodshire aus seinen düsteren Gedanken. Er richtete sich hinter dem Altar auf und blickte der schlanken jungen Frau entgegen, die sich zwar züchtig ein Kopftuch umgebunden, nicht jedoch auf ihre nackten Füße geachtet hatte. Als sie ihr Versäumnis bemerkte, blieb sie schüchtern zwischen den vorderen Bänken stehen.

»Du zierst dich doch sonst nicht, Sunny!«, munterte Woodshire den Neuankömmling auf. Er schüttelte seinen Talar auf und schritt die Altarstufen der alten Spanierkapelle hinunter. »Was führt dich zu mir?«

Die barfüßige Kirchgängerin mit dem Kopftuch legte ihre Scheu ab und eilte auf den Pater zu. Sie reichte ihm die Hand und umarmte ihn flüchtig. »Sie müssen eine wunderbare Messe gehalten haben, Pater Woodshire! Die Fishers waren ganz und gar selig mit der Taufe ihres Kindes.«

Einen Augenblick lang fragte sich Woodshire, wie Miss Blairfield, die im Fair Heaven arbeitete, etwas von der Taufe erfahren haben mochte. Das berüchtigte Bordell, das mit dem Schriftzug »Mädchen aus zwölf Bundesstaaten!« für sich warb, befand sich am östlichen Ende der Mainstreet. »Es war eine Taufe, Sunny. Ich bin sicher, dass du nicht deshalb erschienen bist.«

Voller Verlegenheit nickte das Mädchen und nahm in der vordersten Bankreihe Platz. Es faltete die Hände im Schoß und schloss für einen Moment die Augen. »In der Tat, Pater. Ich bin gekommen, um die Beichte abzulegen. Es ist … es ist im Fair Heaven etwas vorgefallen.«

Mit nachsichtiger Miene betrachtete Woodshire das Saloongirl, das inzwischen jede Woche bei ihm vorbeikam und das einzige Mädchen aus dem Fair Heaven war, das derlei Wünsche an ihn richtete. Die meisten Prostituierten des Bordells machten Gewissensnöte mit sich selbst aus und erschienen nur an hohen Feiertagen bei seinen Messen. »Sprich, meine Tochter, ich lausche dir.«

Inzwischen hatten Sunnys regelmäßige Besuche für ein freundschaftliches Band zwischen ihnen beiden gesorgt, das sie vor der Stadt jedoch tunlichst geheim hielten. Ein Pater und eine Hure konnten nicht miteinander befreundet sein, obwohl die Bibel selbst ein solches Gleichnis kannte.

»Ich habe gelogen, Vater«, flüsterte Sunny und berichtete in ganzer Breite, wie sie das Barmädchen Sally wegen eines Freiers angelogen hätte, der statt einer Nacht gleich vier geblieben war. »Ich wollte Sally die Wahrheit sagen, aber dieser Mann drang darauf, dass ich es für mich behielt.«

»Du bist nur deinem Beruf nachgegangen«, versetzte Woodshire und gab vor, über Sunnys Sündlein ernstlich nachzugrübeln. »Mit zwei Vaterunsern und einem Rosenkranz soll die Angelegenheit ihr Bewenden haben.«

»Tatsächlich, Vater?«, fragte Sunny und schlug die Augen auf. Sie hatte die gleiche Naivität gezeigt, als Woodshire ihr vor einem guten Monat den Geheimgang unter der Kapelle gezeigt hatte, über den die Priester zur Zeit der Spanier hatten fliehen können. »Sie müssen mich nicht täuschen, Pater Woodshire.«

»Ich täusche nie ein Mitglied meiner Gemeinde«, betonte Woodshire und seufzte. »Ich sage nur, was vor Gott und dem eigenen Gewissen notwendig ist.«

»Sie sind ein guter Mann«, meinte Sunny und erhob sich von der Bank. »Ich kann immer zu Ihnen kommen. Sollten Sie einmal etwas benötigen, können Sie auf mich und das Fair Heaven zählen.« Sie lächelte. »Es mag seltsam klingen, doch auch unser Gewerbe kann nützlich sein.«

Der Mann Gottes bedankte sich höflich und ging zum Altar zurück. Er griff nach seinem Brevier und legte die Hand auf den Knauf der Sakristeitür. »Ich weiß deine Fürsorge zu schätzen, Sunny. Sie sprechen für dein reines Herz.«

Auf der makellosen Stirn von Sunny Blairfield entstanden dünne Fältchen. »Was ist mit Ihnen, Pater? Sie sind angespannter als sonst.« Sie blickte sich um. »Ist es meinetwegen? Niemand hat mich gesehen!«

»Nein, nein!«, winkte Woodshire mit einer Armbewegung ab. »Es ist nichts, Sunny. Es ist nur … Es geht mir gerade viel durch den Sinn.«

Vor seinem geistigen Auge erschienen die drei Männer, die vor einer Woche in der San-Pedro-Kapelle gestanden hatten. Sie waren nach der Messe in die Kirche gekommen und hatten sorgsam darauf beachtet, dass sie dabei unter sich blieben. Der Älteste von ihnen hatte unumwunden zugegeben, dass er für eine Geheimorganisation arbeite und ihm, dem Pater George Woodshire aus Graveystone, ein Geschäft vorzuschlagen habe.

Römische Reliquien.

Die beiden Worte hatten so verheißungsvoll von den Abobewänden widergeklungen, dass sich Woodshire auf den nahezu teuflischen Pakt eingelassen hatte, den ihm die Männer vorgeschlagen hatten. Er sollte in der Krypta eine geheimnisvolle Kutschenfracht unterstellen, die in den nächsten Tagen nach Graveystone kommen sollte, und würde als Belohnung einige Knochensplitter des Heiligen Petrus erhalten.

Petrus, des Apostels.

Die Männer hatten so überzeugend auf ihn eingeredet, dass sich Woodshire nicht hatte vorstellen können, es mit Lügnern zu tun zu haben. Sie hatten sogar ein päpstliches Schreiben aus Rom vorweisen können, in dem von den Knochenreliquien die Rede war.

Von der angekündigten Frachtladung indes war keine einzige Kiste eingetroffen.

»Leb wohl, Sunny!«, sagte der Pater und drückte die Tür zur Sakristei auf. »Ich habe noch zu tun.«

Durch den Spalt in der Bretterverkleidung der Scheune konnte Lassiter die schmale Gestalt von Bill Tedford erkennen. Der Kutscher der West Coast Stagecoach stand vor der geraubten Ladung und rauchte hastig einen Zigarillo. Er war wachsam gewesen und hatte das Scheunentor nicht mehr aus dem Blick gelassen, seit er den Hof der Berry-Ranch verlassen hatte.

Der Remington in Lassiters Hand war geladen.

Anhand der Beschreibung von Mittelsmann Stan Simmons hatte es keine Mühe gemacht, die Berry-Ranch und ihren ungebetenen Bewohner aufzuspüren. Der Mann der Brigade Sieben war der langen Rixfield Road gefolgt, die an Dan Brookers Unglücksstelle vorübergeführt hatte, und war hinter dem Fluss in den schlammigen Ranchweg eingebogen.

Dass Berry tot war, hatte Lassiter nicht erstaunt.

Verwunderlich wäre eher gewesen, wäre der Rancher noch am Leben gewesen, nachdem Tedford bereits den West-Coast -Mann Arthur Hilman kaltblütig erschossen hatte. Der Kutscher hatte seine Taten entweder von langer Hand geplant, oder er hatte eine Gelegenheit beim Schopf ergriffen, die ihm danach entsprechende Opfer abverlangt hatte.

Die Nervosität von Tedford deutete eher auf Letzteres.

Geräuschlos schlich Lassiter an der Scheune nach vorn und spähte immer wieder nach dem West-Coast- Angestellten, der drinnen seinen Zigarillo austrat und sich auf den Frachtkisten ein Nachtlager bereitete. Tedford streckte sich der Länge nach darauf aus und zog den Hut in die Stirn.

Aus Instinkt wusste Lassiter, dass Tedford noch über Stunden keinen Schlaf finden würde.

Er würde über seinen Ausweg nachgrübeln, wieder und wieder, und vermutlich würde er zu keinem Schluss gelangen, weil die Fracht, die er gestohlen hatte, eine Nummer zu groß für ihn war. Er hatte der West Coast Stagecoach ein Juwel geraubt, und jetzt fürchtete er bis an die Zähne bewaffneten Häscher, die es zurückholen wollten.

Nur aus diesem Grund war Tedford zum Mörder geworden.

Fast jede Stadt im Westen hatte einen törichten Feigling, wie es Tedford war, und Lassiter hatte zu viele von ihnen hinter Gitter gebracht, als dass er sich vor ihrer Furcht und ihrem Leichtsinn noch fürchtete. Er durfte sich vor Tedford keine Blöße geben, das stand fest, aber es war ebenso gewiss, dass er einen unerfahrenen Kerl wie ihn schnappen würde.

Zwei Stunden darauf hockte Lassiter auf dem Scheunendach über Tedford.

Er hatte eine lose Schindel gefunden, die halb unter den übrigen klemmte, und löste sie mit ruhiger Hand heraus. Eine Dachschindel ergab die nächste, und alsbald klaffte ein hüftbreites Loch neben dem Mann aus Washington. Er ließ sich mit den Beinen hindurchgleiten und sprang ohne einen Laut zu Tedford hinunter.

Die kalte Stahlmündung des Remington weckte den West-Coast -Mann.

»Keine Bewegung!«, sagte Lassiter und stieß Tedford mit dem .38er an der Schulter auf dessen Lager zurück. »Oder willst du für eine Dummheit draufgehen?«

Reflexhaft sprang Tedfords Hand zum Holster hinunter, das jedoch bereits leer war. Der Frachtkutscher fluchte und funkelte Lassiter aus zornigen Augen. »Bist du von der West Coast ? Oder den Kerlen, die uns diese Fracht übergeben haben?«

»Nichts von beiden«, erwiderte Lassiter und warf einen Blick auf die Kisten rings um Tedford. »Du hast zwei Männer dafür getötet. Ich muss dich in Gewahrsam nehmen.«

»Halt dein verfluchtes Maul!«, schäumte Tedford und stemmte sich vergeblich gegen Lassiters Remington. Er gab seinen Widerstand auf und sank auf das Lager zurück. »Du wirst tot sein, bevor die Sonne aufgeht. Es ist noch jemand mit mir, glaub mir! Er wird kommen und dich töten!«

»Berry?«, knurrte Lassiter und bohrte Tedford den Remington tiefer in die Schulter. »Derselbe Berry, der drüben im Ranchhaus in seinem Sessel sitzt? Dem du eine Kugel durch die Stirn gejagt hast!«

»Wer sagt, dass ich’s war?«, schnappte der Kutscher und begann zu stammeln. »Er hat ’ne Kugel von meinem Freund abgekriegt … Von Arthur, jawohl!«

»Arthur Hilman«, brachte Lassiter auch diese Lüge zu Fall. »Er lag erschossen am North Fork River. Der Totengräber aus Borkman hat ihn geholt.«

»Verdammt!«, zischte Tedford und drehte den Kopf zur Seite. Er starrte auf die Flaschen in den Frachtkisten. »Für wen arbeitest du?«

»Auf eigene Rechnung«, sagte Lassiter nur und zerrte Tedford auf die Beine. Er drängte ihn mit dem Arm gegen die Frachtkisten und starrte ihn an. »Wohin wolltest du mit den Kisten? Zu wem wolltest du sie schaffen?«

Die Lippen des Frachtkutschers zitterten vor Aufregung. »Ich wollte sie nirgendwo hinbringen. Wollte sie behalten!« Er rang nach Luft. »Dieses Zeug muss wertvoll sein. Ziemlich wertvoll! Lass mich gehen, und es gehört dir!«

Unverwandt hielt Lassiter Tedford gegen die Kisten gedrückt. »Du willst sie einfach im Stich lassen? Nachdem du zwei Männer dafür umgelegt hast?« Er taxierte den Kutscher scharf. »Wer soll dir diesen Unfug glauben?«

»Jeder!«, spie ihm Tedford entgegen. »Jeder, der ein bisschen bei Verstand ist! Was auch immer dieses teuflische Feuerblut ist, es bringt einem Unglück! Dan Brooker ist in den Fluss gestürzt! Du bist mir auf die Spur gekommen!« Er schüttelte den Kopf. »Nimm die Beine in die Hand und lauf, mein Freund! Lauf weg, solange du noch kannst!«

Fast hätte Lassiter bei diesen Worten laut aufgelacht. »Du versuchst es auf allen Wegen, wie? Ich werde daran denken, wenn ich dich dem Sheriff übergebe.«

»Graveystone«, presste Tedford gequält hervor. »Die Ladung muss nach Graveystone. Ich könnte dir sagen, wohin Brooker sie schaffen sollte.« Er drehte das Haupt wieder zu Lassiter. »Aber das kostet dich etwas.«

»Ich verhandle nicht mit Mördern«, beschied Lassiter mit mürrischer Stimme. »Du wirst die Strafe für deine Taten erhalten.« Er wirbelte Tedford herum und quetschte ihm die Arme auf den Rücken. »Allerdings wird jeder Richter darauf lauschen, was du mir gesagt und was du mir verschwiegen hast.«

Schmerzerfüllt zuckte Tedford zusammen, als Lassiter mit eisernem Griff die Handgelenke des West-Coast- Kutschers zusammenzwängte. Er presste die Zähne zusammen und gab einen genervten Laut von sich. »San Pedro. Geh in Graveystone zur San-Pedro-Kapelle und frag nach Pater Woodshire. Er war unser Kontaktmann für die Fracht.«

Mitten in der bläulichen Morgendämmerung erreichte die Kutsche von Walter T. Stone die flachen Steinbauten jener Stadt, von der er geglaubt hatte, sie nie würde besuchen zu müssen. Er hatte Graveystone in der Vergangenheit für ein unausweichliches Übel gehalten, für einen Tribut, den die Fireblood -Verschwörung zu zahlen hatte, wollte sie ans Ziel gelangen. Sie war ein Fleck auf der Landkarte gewesen, der unabdingbar für ihre höheren Ziele war.

»Fahren Sie zu!«, rief Stone dem Kutscher zu, der behäbig die Peitsche schwang und die Pferde galoppieren ließ. »Diese lahme Zuckelei ist nicht auszuhalten.«

»Sie müssen sich beruhigen«, sagte der Mann neben Stone, der eine karierte Weste und eine dazu passende Hose trug. Es war Parker Matthews, der für Stone gewöhnlich das Reisen übernahm. »Wir sind gleich an der San-Pedro-Kapelle.«

»Ich hätte die Universität nie verlassen dürfen«, tadelte sich Stone selbst und schüttelte den Kopf. Er blickte auf die kahlen Adobewände, die vor dem Kutschfenster vorüberzogen. »Ich sollte mich nicht in diesen Teil der Fireblood -Sache einmischen.«

»Sie werden benötigt«, sagte Matthews lapidar und sah seinerseits aus dem Fenster. »Es gab ein Kutschunglück unten im Tecumseh Valley. Die Lieferung ist bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingetroffen.« Er drehte den Kopf zu Stone. »Ich habe den Pater im Verdacht.«

»Pater Woodshire?«, gab Stone entgeistert zurück. Er konnte Matthews’ Pragmatismus an manchen Tagen ertragen, an anderen weniger. Es war einer dieser anderen Tage. »Der Pater ist ein zuverlässiger und ehrlicher Mann. Ich bin ihm begegnet. Er würde alles für diese Reliquien tun.«

»Sofern es diese Reliquien überhaupt gäbe«, streute Matthews ein und lächelte süffisant. Er deutete aus dem Kutschfenster auf Stones Seite. »Dort drüben ragt der Glockenturm heraus! Sie können ihn sehen!«

Sie hatten sich in Europa tatsächlich um die Reliquien bemüht, die sie Pater Woodshire angeboten hatten, doch letztlich hatte der Handel mit dem Gift so viel Zeit in Anspruch genommen, dass Stone die kirchlichen Würdenträger nicht mehr hatte treffen können. Er hatte auf der Heimreise nach Amerika beschlossen, dass sie die Reliquien später holen würden. »Die Petrusreliquien sind kein Hirngespinst. Ich werde sie Pater Woodshire beschaffen, sobald die British-Southwest Geschichte ist.«

»Sie werden nichts dergleichen tun«, behauptete Matthews und sah zu Stone hinüber. Er lächelte gelassen vor sich hin. »Sie wissen es genauso gut wie ich. Sobald der Pater seine Schuldigkeit getan hat, beseitigen wir ihn wie alle anderen.«

Die Kutsche hielt vor dem halbrunden Glockengiebel der San-Pedro-Kapelle, die an der höchsten Stelle von Graveystone errichtet worden war. Als Matthews sich aus den Polstern erhob, stand auch Stone auf und stieg die beiden Trittstufen an der Postkutsche herunter. Er traf hinter der Kutsche wieder mit Matthews zusammen.

»Der Pater schläft wohl noch«, spottete Matthews und schlug mit der Faust an die Tür des benachbarten Pfarrhauses. »Holen wir ihn aus den Federn!«

Indessen der Kutscher die Pferde abschirrte, ging Stone um die Kapelle herum und spähte durch die winzigen Fenster zwischen den Adobesteinen. Er hatte Mitgefühl für den Pater, der sich unter anderen Umständen vermutlich nie an einem schmutzigen Handel wie diesem beteiligt hätte. Er hatte Mitgefühl für jeden, der mit den Geschäften der Fireblood -Verschwörung nichts zu tun haben wollte.

»Pater Pedro!«, hörte er Matthews am Glockengiebel rufen und trat den Rückweg an. »Sie haben sich gemacht! Die ganze Kapelle hat sich gemacht!«

Aus dem Pfarrhaus neben der Kapelle, die man wie die übrigen Häuser von Graveystone aus trockenen Lehmziegeln erbaut hatte, war ein älterer Geistlicher in einem schwarzen Talar getreten. Er nickte Matthews und dem Kutscher zu Begrüßung zu und wandte sich Stone zu. »Professor Stone, was für eine Freude!«

Stone beschleunigte seine Schritte und eilte auf den Kirchenmann zu. »Die Freude ist ganz meinerseits, Pater Woodshire. An der Lill University vermisst man Ihre Telegramme.«

Die beiden Männer umarmten einander und betraten das Haus des Paters. Matthews folgte ihnen und schritt argwöhnisch die Räume im unteren Stockwerk ab.

»Er ist ein misstrauischer Kerl«, sagte Stone entschuldigend und warf Matthews einen strafenden Blick zu. Der Pater winkte ab, brachte die Männer in seine Wohnkammer und bot ihnen die Sessel am Kamin an.

»Kommen wir gleich zum Geschäftlichen!«, kürzte Stone die Höflichkeiten ab und setzte sich. »Die Fracht ist noch nicht in Graveystone. Wir hatten sie schon vor zwei Tagen erwartet.«

»Die West Coast Stagecoach hat mir telegraphiert«, gab Pater Woodshire zur Antwort und nickte. »Eine ihrer Kutschen ist verunglückt. Sie hat die Ladung als vermisst gemeldet.«

Erschrocken suchte Matthews Stones Blick. »Vermisst? Uns telegraphierte man, dass die Ladung noch geborgen werde. Es schrieb niemand, dass sie verschollen wäre.«

Auch wenn er vor dem Pater keine Schwäche zeigen durfte, begriff Stone, aus welchem Grund Matthews die Züge entgleisten. Die Konferenz der British-Southwest in Icarus begann in vier Tagen. Das Gift würde bald vonnöten sein, oder es würde sich in eine nutzlose Frachtladung verwandeln.

»So kabelte es die West Coast Stagecoach «, bekräftigte der Pater und schaute zu Stone. »Was denken Sie darüber, Professor Stone? Ich kann keine Ladung in meiner Kirche verstecken, die nie nach Graveystone gekommen ist.«

»Die San-Pedro-Kapella trifft keine Schuld«, entgegnete Stone und verschränkte die Hände ineinander. Er musste den Pater und Matthews gleichermaßen bei Laune halten. »Die Fracht ist von äußerstem Wert für uns und muss versteckt werden. Ich würde daher vorschlagen, dass wir noch zwei Tage auf die West-Coast -Kutsche warten.«

»Zwei Tage?«, brummte Matthews in einem Ton tiefer Missbilligung. »Wir vergeuden nur Zeit, Professor. Die Fracht ist verloren.« Er seufzte. »Sie und ich müssen andere Pläne fassen.«

Ehe Stone zu einer Entgegnung ansetzen konnte, erschütterten schwere Fausthiebe die Tür des Pfarrhauses. Pater Woodshire erhob sich und verließ mit einer Bitte um Verzeihung die Wohnkammer.

Wenig später war im Flur eine aufgeregte Frauenstimme zu vernehmen. »Pater Woodshire! Pater Woodshire! Kommen Sie, rasch! Die Kutsche aus Borkman! Sie ist auf dem Weg zu uns!«

»Auf dem Weg, Sunny?«, fragte Woodshire und wartete nicht auf Antwort. »Wo ist sie? Hast du sie gesehen?«