Lassiter Sammelband 1850 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1850 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2431, 2432 und 2433.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 382

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Jack Slade
Lassiter Sammelband 1850

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2019 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Norma/Boada

ISBN: 978-3-7517-4719-6

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Lassiter Sammelband 1850

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Lassiter 2431

Rache bis zum letzten Atemzug

Lassiter 2432

Ballade für zwei Killer

Lassiter 2433

Saloon der Verfemten

Guide

Start Reading

Contents

Rache bis zum letzten Atemzug

Ein scharfes Flüstern weckte sie. »Aufstehen, Kelly!«

Kelly Burkitt schlug die Augen auf und blickte in das angespannte Gesicht von Clark Wesley. »Wir müssen weiter«, raunte er. »Sie sind hinter uns her, ich spüre schon ihren Atem im Nacken.«

Kelly war, als wühlte eine Faust in ihrem Bauch. Mit einem Schlag kehrte die böse Erinnerung zurück. Banditen hatten die Ranch der Eltern überfallen. Wie die Berserker hatten sie gewütet, als sich die erhoffte Beute als nur geringfügig erwies. Dad wurde sofort erschossen, Mom und ihre beiden Brüder Joe und Alan lebten nur wenige Minuten länger.

Kelly war die Flucht gelungen. Der Mann, dem sie ihr Leben verdankte, hieß Clark Wesley. Dad hatte den alten Mann aus Mitleid aufgenommen und ihm auf der Ranch ein Zuhause geboten.

»Beeil dich, Kelly«, drängte ihr Retter. »Gleich geht die Sonne auf …«

Jenseits der östlichen Hügel zeigte sich das erste Morgenlicht.

Ein kleiner, fast ausgetrockneter Fluss mit dem hochtrabenden Namen Majestic River schlängelte sich zwischen den bizarr in den Himmel ragenden Felsungetümen hindurch. Ein leiser Wind kräuselte die Oberfläche des Wassers. Irgendwo, hinter einem der Hügel, erklang das schaurige Heulen von Coyoten.

Die junge Frau fühlte, wie ihr eine Gänsehaut über den Rücken lief. Das Gebrüll der Präriewölfe hallte wie die Todesschreie ihrer Brüder in ihren Ohren.

Prompt füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie ließ den Kopf hängen und schluchzte laut.

Clark Wesley packte sie derb an der Schulter. »Du musst jetzt stark sein, Mädel. Raff dich auf und komm!«

Sie stemmte sich auf die Füße, drückte ihr Rückgrat durch und lockerte ihre steif gewordenen Glieder. Nach der Nacht auf dem harten Boden taten Kelly alle Knochen weh. Doch der körperliche Schmerz war nichts gegen die Qual, die sie über das grausige Schicksal ihrer Angehörigen empfand.

Mom, Dad, Joe, Alan – die Desperados hatten keinen verschont. Selbst Porky, den Schäferhund, hatten sie erschossen.

»Wir gehen am Fluss entlang.« Clark zerrte an ihrem Ärmel.

Er war ein dünner, drahtiger Mann von ungefähr sechzig Jahren. Mit seinem hohlwangigen Gesicht, das mit grauen Stoppeln übersät war, und seinen langen, strähnigen Haaren glich er dem Prototyp des herumvagabundierenden Taugenichts, wie man ihn tausendfach westlich des Mississippi antraf.

Doch der Schein trog.

Clark Wesley war ein guter Mann. Binnen kürzester Zeit hatte er sich auf dem Anwesen der Burkitts unentbehrlich gemacht. Sein Tatendrang war einfach enorm. Ohne ein Wort der Klage schuftete er von früh bis spät. Er versorgte die Rinder, das Kleinvieh, die Pferde und Mulis und fand obendrein noch Zeit, auf den Äckern im Norden der Ranch zu arbeiten. Manchmal musste Dad ihn ausbremsen, damit Clark sich nicht übernahm. Es dauerte nicht lange, und der nimmermüde Ranchhelfer avancierte zum vollwertigen Mitglied der Familie.

Jetzt waren er und sie die Letzten, die von dem Burkitt-Clan übrig waren.

Kelly stapfte gedankenverloren hinter dem alten Mann her. Immer wieder hielt Clark inne, blickte sich um und spähte prüfend den Weg zurück, den sie eben gekommen waren.

»Clark, warum, glaubst du, sollten die Halunken uns verfolgen?«, fragte sie. »Bei uns ist doch nichts zu holen. Nicht mal ein Pferd haben wir unter dem Hintern.«

»Bei ihrem Überfall haben die Teufel nicht viel erbeutet«, antwortete er. »Aber sie wissen, dass wir entkommen sind. Bestimmt glauben sie, wir haben uns mit dem Tafelsilber aus dem Staub gemacht.«

Das ergab Sinn. Kelly drückte ihren Hut fester auf den Kopf. Banditen verübten Verbrechen, um ihre Opfer zu berauben. Doch Mom und Dad hatten so gut wie keine Rücklagen. Keine Dollars im Tresor, kein Schmuck in Schatullen und keine teuren Waffen und Kleidungsstücke. All ihr Geld steckte in der Ranch, in den Tieren, in den Ställen, den Futterkammern und in dem Land, auf dem sie ihren Lebensunterhalt erwirtschafteten.

Der Wind wechselte seine Richtung. Auf einmal hörte Kelly das verzerrte Wiehern eines Pferdes.

Sie bekam einen Schreck, und sogleich schlug ihr Herz ein paar Takte schneller.

Clark sah sie an. »Ich hab’s dir ja gesagt«, raunte er. »Sie jagen uns. Die Kerle glauben, wir wollen sie um ihre Beute betrügen.«

»Das Wiehern könnte auch von Indianerponys stammen«, warf Kelly ein.

»Nein, Mustangs wiehern anders.« Clark fing an zu laufen.

Kelly blieb ihm dicht auf den Fersen.

Der Pfad neben dem Flusslauf war extrem schmal und holprig. Man musste höllisch aufpassen, um nicht zu straucheln. Zudem hatte Kelly Mühe, dem Tempo zu folgen, das der flinkfüßige, alte Mann vorgab.

Nach einiger Zeit bekam sie Stiche in den Seiten. Ihre Lungen brannten wie Feuer. Sie keuchte schwer. Mit aller Macht versuchte sie, den Schmerz zu ignorieren.

Dennoch wurde sie immer langsamer. Ihr Körper musste den Strapazen Tribut zollen. Bald kam sie über ein mäßiges Schritttempo nicht mehr hinaus.

Yard um Yard blieb sie zurück. »Clark«, japste sie, »Clark …«

Neben einer steil aufragenden Felssäule blieb der Mann stehen.

Kelly schleppte sich mühsam vorwärts. Gerade eben war wieder das Wiehern eines Pferdes an ihre Ohren gedrungen. Es klang lauter als vorhin.

Die Desperados – sie kamen näher!

Sie wagte keinen Blick zurück.

Oh, wie sie sich schämte! Mit ihren knapp zwanzig Jahren stand sie in der Blüte ihrer Jahre, und jetzt musste sie erkennen, wie ihr Verbündeter, der mehr als doppelt so alt war wie sie, die Anstrengungen viel besser in den Griff bekam.

Clark nahm sie an die Hand. »Siehst du drüben den Berg, der wie ein gestürzter Pudding aussieht?«

Sie nickte schnaufend.

»Der Pernell Rock«, sagte er. »Zwei Meilen von hier gibt es eine Felslücke, die in einen Canyon führt. In der Schlucht gibt es etliche Verstecke. Ich kenne sie aus meinen Tagen als Trapper.«

»Ich brauch eine Pause«, keuchte sie am Rande der Erschöpfung.

»Nicht jetzt.« Clark blieb unnachgiebig. »Wir müssen den Canyon erreichen, bevor es richtig hell wird.« Mit diesen Worten packte er nach ihrer Hand und zog sie hinter sich her.

Kelly taumelte, als hätte sie Gummi in den Beinen. Das Tempo ihres Begleiters war mörderisch. Ein ums andere Mal sank sie zu Boden, wurde wieder hochgerissen und zum Weiterlaufen animiert.

Endlich erreichten sie die Öffnung in der steil aufragenden Felswand.

Bevor sie im Inneren des Canyons verschwanden, kletterte Clark auf eine kleine Anhöhe und hielt Ausschau nach den Verfolgern.

Kelly rang ihre Ängste nieder. Zum ersten Mal blickte auch sie zurück.

Im trüben Licht der aufsteigenden Sonne sichtete sie eine Staubwolke, die wie ein Rauchpilz in den heller werdenden Colorado-Himmel stieg. Von den Reitern war nichts zu erkennen. Die Staubschleier, die die Pferdehufe aufwirbelten, verhüllten sie.

Aber die Banditen waren nicht mehr allzu weit weg. Das Klappern der Hufeisen wurde mit jedem Atemzug lauter. Bald würden die Desperados in Schussweite sein.

Clark sprang von der Anhöhe, rief nach ihr und verschwand dann aus ihrem Blickfeld.

Kelly zögerte keine Sekunde und folgte ihm durch die Öffnung in die düstere Schlucht.

Der Bandit Jess Montego brachte seinen Falben zum Stehen und wartete, bis seine Kumpane zu ihm aufgeschlossen hatten.

Die zwei Flüchtlinge von der Burkitt-Ranch waren gerade in den Canyon geschlüpft.

Montego kannte das Labyrinth jenseits der Pernell-Berge, und er hasste das unübersichtliche Gelände wie den Kater nach einem Saufgelage. Der Canyon mit seinen zahlreichen Höhlen, Erdspalten, Felswänden und versteckten Pfaden bot das ideale Hideout für Leute, die sich unsichtbar machen wollten.

Seth Garrick kam längsseits. Der Texaner mit den Bärenkräften galt als Stellvertreter des Anführers. »Well, reiten wir ihnen nach, Jess?«, fragte er.

Montego reckte seine Gestalt im Sattel, um mit dem texanischen Hünen auf Augenhöhe zu sein. Am liebsten hätte er den Befehl zum Abbruch der Verfolgungsjagd gegeben. Doch er befürchtete eine Meuterei unter seinen Gefährten. Es war seine Idee gewesen, die Bauernfarm am Rand der Halbwüste zu überfallen. Dass die Burkitts arm wie Kirchenmäuse waren, hätte er nicht für möglich gehalten. Um den Misserfolg zu kaschieren, hatte er seinen Leuten eingeredet, dass die beiden Geflohenen die angeblichen Reichtümer der Rancher in Sicherheit gebracht hätten.

Die Männer glaubten ihm. Auf sein Geheiß hatten sie sich sofort auf die Jagd begeben.

Doch was würden sie sagen, wenn sie die Flüchtigen stellten und dabei herausfanden, dass diese über keinerlei Wertsachen verfügten?

Montego sah seinen Vertreter an. Mit hochgezogenen Brauen wartete Garrick auf Antwort.

»Natürlich reiten wir ihnen nach«, knurrte Montego. »Wir dürfen die Zwei nicht mit dem Gold entkommen lassen.« Insgeheim hoffte er jedoch darauf, dass ihnen die Flüchtigen durch die Lappen gingen.

»Well.« Der Texaner legte seine Hände auf das Sattelhorn. »Und was werden wir mit den beiden tun, wenn wir sie erleichtert haben?«

Montego machte die Geste des Halsabschneidens.

»Umbringen?« Garrick schüttelte den Kopf. »Wie ich sah, ist das Mädchen, das uns entwischt ist, hübsch und gut gewachsen. Warum lassen wir das Girl nicht am Leben und verkaufen es an Fat Frank Hammett?«

Fat George Hammett war der größte Menschenhändler in Colorado. Er hatte ständig Bedarf an ansehnlichen jungen Mädchen, die er als Huren für die Bordelle im Grenzland verkaufte.

»Nein, sie und der Alte müssen sterben«, sagte Montego. »Beide haben mit angesehen, wie wir ihre Familie ausgelöscht haben. Willst du, dass sie uns an den Galgen bringen?«

Das Argument zog. Der Texaner schwieg und wandte sich den Bergen zu.

Sie ritten zu sechst, außer Montego und Garrick waren da noch die beiden Sheppard-Brüder, Will Eccles und der Halbindianer Jacobo. Die Sheppards trugen noch immer die Blutspuren ihrer Morde im Gesicht. Sie waren die Ersten, die mit dem Gemetzel begonnen hatten. Im Beisein seiner Familie hatte Ben Sheppard dem Rancher die Kehle durchgeschnitten. Dabei hatte er wohl eine Schlagader getroffen. Das Blut spritzte in kurzen Stößen bis an die Decke empor. Eine mordsmäßige Schweinerei, wie Montego fand. Die Ehefrau des Ranchers bekam einen Schreikrampf, den Jeff Sheppard mit seinem Bowiemesser beendete. Jacobo, der immer wieder behauptete, seine Mutter hätte ihn mit Kit Carson gezeugt, wollte seinen Kameraden nicht nachstehen und hatte den ältesten Sohn des Ranchers mit der stumpfen Seite seines Tomahawks ins kalte Land der Schatten gesandt. Will Eccles, der sechste im Bunde, kümmerte sich derweil um das Nesthäkchen der Burkitts. Der Bengel hatte sich in der Wäschetruhe versteckt und leistete heftig Widerstand, als Eccles ihn an den Haaren ins Freie zerrte. Gegen die Kraft des Banditen hatte der Halbwüchsige jedoch keine Chance. Eccles warf ihn zu Boden und erschlug ihn mit dem Kolben seiner Shotgun.

»Los, Männer!« Montego gab das Zeichen zum Aufbruch. »Holen wir sie uns!«

Garrick war der Erste, der seinem Pferd die Sporen gab. Gefolgt von den Sheppard-Brüdern und Will Eccles verschwand er zwischen den Felsen.

Nur Jacobo rührte sich nicht vom Fleck.

Montego starrte ihn an. »Worauf wartest du, Rothaut? Brauchst du eine Extraeinladung?«

Der Halbindianer zögerte einen Augenblick, dann ritt er den Anderen hinterher.

Montego kam Jacobos Verhalten sonderbar vor. Der Bursche war nicht auf den Kopf gefallen. Vermutlich ahnte er, dass sie einem Phantom hinterher jagten.

Jacobo war ein Sonderling. Er war mit Abstand das sparsamste Mitglied der Bande. Während seine Kumpane die Anteile an der Beute innerhalb kürzester Zeit in Bordellen, Saloons und Spielhöllen verjubelten, stopfte er seine Dollars in einen Lederstrumpf, den er ständig in seiner Umhängetasche bei sich trug. Auf die Anfrage, was er mit seinem Zaster anstellen wolle, sagte er, er wolle eines Tages seine Angehörigen aus der San Carlos Reservation zu sich holen. Zusammen würden sie über die Grenze nach Kanada gehen, um das Leben ihrer Vorfahren zu führen.

Was für ein Narr! Montego konnte über die Naivität des Mischlings nur mit dem Kopf schütteln.

Die Sonne stieg höher. Sie blendete, und Montego zog seinen Hut tiefer ins Gesicht. Er lenkte seinen Rotbraunen auf die Öffnung des Canyons zu.

Kaum hatte er den Durchschlupf passiert, da knallte ein Schuss, kurz darauf ein zweiter.

Montego sah, wie Will Eccles jubelnd seine Flinte schwenkte, von seinem Pferd sprang und zu einem Mesquitebaum rannte. Davor lag der zuckende Körper eines Wapitihirsches. Eccles gab den Fangschuss ab, ließ das rauchende Gewehr sinken und präsentierte seinen Gefährten voller Stolz seine Beute.

Als er das erlegte Stück Wild auf sein Pferd hieven wollte, erhob Montego Einspruch: »Das Tier bleibt hier, wir holen es später.«

»Warum?«

Montego straffte seine Gestalt. »Weil ich es dir sage, Will.«

Eccles zog ein Gesicht, als hätte er einen vereiterten Backenzahn, doch er fügte sich dem Willen des Anführers. Er zerrte den Kadaver in eine Erdmulde, schichtete Steine darauf und warf einige trockene Zweige darüber. Dann klopfte er sich die Hände an seinen Chaps ab.

»Na also«, brummte Montego. »Geht doch.«

Im Canyon war es noch ziemlich dunkel. Die Sonne würde die Schlucht erst am späten Vormittag erhellen. An vielen Stellen nisteten schwarze Schatten.

Von den Flüchtlingen keine Spur.

»Jacobo!« Montego ritt zu ihm. »Du bist doch früher mal Scout gewesen. Finde heraus, wohin die zwei Vöglein geflattert sind.«

»Yeah. Ich werde es versuchen.« Das Halbblut glitt von seinem Pony. Auf allen Vieren kroch er auf dem felsigen Untergrund herum. Er untersuchte den Boden auf Fußabdrücke, betastete das gelbliche Gras und presste sein Ohr auf den Boden.

Montego beobachtete den Späher mit gemischten Gefühlen. Insgeheim hoffte er, dass der Spurenleser nichts fand.

Nach einer Weile richtete Jacobo sich auf.

»Hast du eine Fährte entdeckt?«, fragte Montego.

Jacobo nickte. »Dort entlang«, sagte er und zeigte auf einen Punkt im Nordosten.

Ohne ein Kommando abzuwarten, galoppierten Will Eccles und die Sheppard-Brüder wild drauflos. Seth Garrick jagte ihnen nach.

Jacobo stellte sich auf die Beine und klopfte sich gemächlich den Sand von seinen erdbraunen Leggings.

Er ließ sich viel Zeit dabei.

Montego hörte, wie in ihm die Alarmglocke anschlug. Ihm gefiel das seltsame Gebaren des Halbbluts nicht. Er spürte, dass der Mann mehr wusste, als er vorgab. Jacobo schien einen sechsten Sinn zu haben. Hatte die Rothaut ihn etwa durchschaut?

Der Gedanke daran wühlte wie eine Faust in Montegos Magen.

»Was ist los, Amigo?«, fragte er lauernd. »Du bist sehr nachdenklich heute. Worauf wartest du? Warum reitest du nicht mit den Anderen?«

Jacobo griff nach den herabbaumelnden Zügeln und schwang sich auf sein Pony. »Ich musste nur an meine Leute in San Carlos denken«, erklärte er. »Meine Mutter, meine Brüder und meine Schwester. Hoffentlich sind sie noch am Leben. Man hört viele unschöne Dinge aus der Reservation. Die korrupten Typen von der Indianer-Agentur sind wahre Teufel.«

»Ja, da ist was dran.« Montego blieb misstrauisch. Das Gefühl, das Jacobo ihm etwas verheimlichte, war noch nicht erloschen. »Ist das alles?«, fragte er.

»Yeah, Boss. Alles.«

Montego nahm es hin. Doch er beschloss, den Mischling genau im Auge zu behalten. »Wie dem auch sei«, sagte er mürrisch. »Schnappen wir uns die Burkitt-Brut.« Nach diesen Worten ritt er los.

Er war kaum zehn Yards weit, als die Stille im Canyon von einem Schuss zerrissen wurde.

Gleich darauf knallte es noch ein paar Mal.

»Tod und Teufel! Wir haben sie!«, hallte Will Eccles’ Stimme durch das Tal.

In der Schlucht hallte das Echo der Gewehrschüsse von den Felswänden wider.

Kelly Burkitt duckte sich hinter einen Salbeistrauch. Die Kugeln pfiffen dicht über ihren Kopf hinweg. Manche schlugen in Felsen ein und schwirrten als Querschläger durch die Luft.

Zum Glück wurde sie von keinem getroffen.

Voller Angst blickte Kelly auf ihren Gefährten.

Clark Wesley kauerte vor einem hüfthohen Erdwall und gab hin und wieder einen Schuss aus seinem alten Colt Dragoon ab.

Es war ein ungleicher Kampf.

Kelly war klar, dass sie ihre Position bald aufgeben mussten. Die Desperados waren in der Überzahl, und Clark hatte höchstens noch zwanzig Kugeln in seinem Patronengurt, der ihm quer über der Brust hing. Er würde die anstürmenden Aasgeier nicht mehr lange aufhalten können.

Ihre Lage war hoffnungslos.

Kelly merkte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Unaussprechliches Grauen erfasste sie. Vielleicht würden die Banditen sie foltern, weil sie erfahren wollten, wo sie die vermeintlichen Schätze versteckt hatten.

Die Schätze, die sie gar nicht besaßen.

Ebenso gut war es möglich, dass die Kerle über sie herfielen, um sie zu vergewaltigen. Sie war ein hübsches Mädchen mit braunen Augen, dunklen Haaren und reizvoller Figur. Wenn sie durch die Stadt ging, reckten die Männer die Hälse nach ihr.

Plötzlich wandte Clark den Kopf. »Kelly«, keuchte er. »Du musst fliehen, mein Schatz.«

Sie starrte ihn ängstlich an.

Aus der Mündung von Clarks Revolver züngelte Rauch. »Knapp eine Meile von hier ist der Eingang zu den Holy-Ghost-Höhlen«, sagte er. »Gleich links, wo der Bach aus dem Felsen rinnt. Neben einer Felsnadel, auf der ein paar Sterne eingeritzt sind. In den Höhlen bist du sicher. Du musst nur aufpassen, dass du dich darin nicht verläufst. – Kelly, um alles in der Welt, fliehe, bevor es zu spät ist.«

»Und du?« Sie zitterte wie Espenlaub. »Was wird aus dir, Wes?«

»Ich halte sie auf – solange ich kann.« Er wandte sich ab, feuerte über den Rand der Brüstung hinweg. »Lauf weg, Mädchen. Du schaffst es. Aber du darfst nicht länger warten. Versuche, dich zu George durchzuschlagen.« George war Clarks jüngerer Bruder – ein Revolverheld, der von den Prämien lebte, die auf den Kopf von gesuchten Banditen ausgesetzt wurden. Er wohnte in Kansas.

Sie zögerte. Eine Flucht kam ihr wie ein schnöder Verrat an ihrem Partner vor. Er hatte sie auf der Ranch vor Vergewaltigung und Tod gerettet. Wäre er ohne sie geflohen, hätte man sein Verschwinden wohl gar nicht zur Kenntnis genommen. Ohne ihn würde es ihr genau so wie ihren Eltern und Geschwistern ergangen sein.

Eine Kugel winselte heran und streifte die Krone ihres Cowboyhuts.

Clark lud seinen Revolver nach. Sie hörte, wie die leer geschossenen Hülsen auf den Boden klimperten und die neuen Patronen in die Trommel knirschten.

»Geh schon!«, keuchte Clark. »Geh zu George! Er hilft dir weiter.«

»Wes, ich …« Ihr versagte die Stimme.

»Ich bin ein alter Knochen«, sagte er zwischen zwei Schüssen. »Ich hatte ein gutes Leben, und ich will, dass dein Leben auch gut wird. Du bist zu jung, um zu sterben. Hau schon ab! – Und grüß meinen Bruder von mir!«

Kelly spürte, dass es jetzt auf jede Sekunde ankam. Wenn sie mit heiler Haut aus der Schießerei heraus kommen wollte, musste sie das Labyrinth der Holy-Ghost-Höhlen erreichen.

Sie krabbelte zu Clark, schmiegte sich für einen Moment an seine raue Jacke und murmelte einige herzliche Abschiedsworte. Dann gab sie sich einen Ruck, wandte sich um und kroch auf allen Vieren in die entgegengesetzte Richtung.

Als sie weit genug weg war, sprang sie auf die Beine und lief, so schnell sie konnte.

Hinter ihr krachte ein Schuss nach dem anderen.

Clark hielt die Angreifer weiterhin in Schach. Doch er hatte nur noch wenige Patronen …

Kelly Burkitt kullerten die Tränen über die Wangen. Leb wohl, dachte sie voller Mitgefühl. Leb wohl, Wes, du alter Haudegen.

Ein Jahr später.

Als Lassiter aus dem Schlaf erwachte und die Augen aufschlug, landete sein Blick auf den Rücken der Frau, die neben ihm auf dem großen Bett lag.

Die Frau trug ein dünnes, kohlrabenschwarzes Negligee mit Brüsseler Spitze, dazu dunkle Strümpfe, die nur bis kurz über das Knie reichten. Ihr langes, rotbraunes Haar lag ausgebreitet auf dem Kissen. Der runde, rosige Hintern, in dessen Mitte der dünne Zwickel des Bodys zwischen den Schenkeln verschwand, erregte prompt sein Interesse.

Was für ein prächtiger Anblick!

Auf der Stelle war der eben noch schläfrige Mann von der Brigade Sieben hellwach.

Die Aussicht auf die Rückfront der schlafenden Madonna übte einen nahezu magischen Reiz auf ihn aus – ein Bild für die Götter, das seine Männerfantasie fast übersprudeln ließ.

Lassiter konnte nicht anders, er musste die zarte Haut anfassen. Er berührte die Pobacken, erst die eine, dann die andere – so vorsichtig, als befühle er tausend Jahre altes chinesisches Porzellan.

Seine Beischläferin rührte sich nicht vom Fleck.

Sie hieß Monica Mondale und war die Besitzerin des Hotels, in dem er logierte. Burt Wheeler, sein Kontaktmann in Colorado, hatte ihm das Hotel im Zentrum von Cooke Rapids wärmstens empfohlen.

Schnell bekam Lassiter heraus, warum.

Die attraktive Dame des Hauses gefiel ihm auf Anhieb. Gleich am ersten Abend hatte er mit ihr geflirtet und sie zu einem Glas Champagner eingeladen. Von Wheeler wusste er, dass Monica Mondale unverheiratet und im County eine Menge Gerüchte über ihre Affären kursierten. Man munkelte, sie wechselte ihre Bettgenossen öfter als die Chambermaids die Laken in den Gästezimmern. Zudem eilte ihr der Ruf voraus, eine exzellente Liebhaberin zu sein. Allerdings galt sie als überaus wählerisch, was die Auswahl ihrer Beischläfer anging.

Doch das störte Lassiter nicht im Geringsten.

Beim zweiten Rendezvous wurde er gebeten, zu Monica aufs Zimmer zu kommen. Die hinreißende Rothaarige erwies sich als Volltreffer in Sachen Sinnlichkeit und Leidenschaft. Sie war feurig wie eine Spanierin, aber auch zärtlich und uneigennützig. Sie tat Dinge mit ihm, die ihm verdammt gut gefielen.

Auch die letzte Nacht hatte sie diese Dinge getan.

Es war bereits ihr fünftes Stelldichein.

Lassiter streichelte die wohl geformten Pobacken mit großer Hingabe.

Monica Mondale schien nichts davon zu merken und atmete ruhig weiter.

Lassiter spürte, wie seine Anspannung wuchs. Längst hatte er seine Kräfte zurückgewonnen, die sich nach den Strapazen der Liebesnacht verflüchtigt hatten.

Nach einiger Zeit berührte er den Zwickel.

Die Frau im schwarzen Body gab kein Lebenszeichen von sich.

Ganz sanft strich er mit einem Finger über die sündhaft teure Seide.

Monica regierte nicht, sie schien tief zu schlafen.

Lassiter ließ nicht locker. Nach einer Weile schob er den Zwickel etwas zur Seite und dehnte die rosige Haut, die er freigelegt hatte.

Was er erblickte, ließ ihm das Blut durch die Adern schießen.

Er holte tief Luft.

Langsam begann er seine Finger zu bewegen.

Es dauerte nicht lange und Monica hob das obere Bein. Jetzt hatte er mehr Spielraum, und er nahm einen zweiten Finger zu Hilfe.

Monica bewegte ihren Unterleib. »Schurke«, flüsterte sie, »elender Schurke.«

Er wusste, dass sie nur so tat, als störe sie seine Anmache. Zwar steckte ihm eine verdammt harte Nacht in den Knochen, aber ein gesunder Schlaf hatte ihn auf wundersame Weise wieder zu Kräften kommen lassen.

Jetzt fühlte er sich stark wie ein Büffel. Seine Leidenschaft aufs Neue entbrannt.

»Seit wann bist du wach?«, fragte er.

»Geht dich nichts an.« Sie streckte ihre Arme aus und gähnte. Doch sie behielt ihre Lage bei. Vermutlich genoss sie sein Fingerspiel in vollen Zügen.

Ohne es zu vernachlässigen, schob Lassiter ihr Haar beiseite und küsste ihr den Nacken. Als er merkte, dass sie Anstalten machte, sich umzudrehen, drückte er sie sanft zurück.

»Bleib so«, hauchte er.

»Du bist unersättlich«, sagte sie.

»Schlimm?«

»Ganz im Gegenteil.« Sie winkelte das oben liegende Bein an und stellte den Fuß auf das Laken.

Lassiter hatte freie Fahrt. Er brachte seinen Rammsporn in Stellung und fing an, sich langsam vor und zurückzubewegen.

Monica Mondale schnappte nach Luft. Sofort nahm sie seinen Rhythmus auf und ging seine Bewegungen mit. Dankbar dachte Lassiter an Burt Wheeler, der ihm die Unterkunft empfohlen hatte.

Das Bett knarrte immer lauter.

Durch die Schlitze des zugehängten Fensters fielen lange Lichtstreifen. Auf der Straße vor dem Haus wurde es allmählich laut. Der Tag begann. Hufeisen klapperten. Wagenräder rollten polternd über die hart gebackene Erde. Ein Zeitungsjunge machte lauthals Reklame für den Cooke Rapids Observer.

Doch weder Lassiter noch seine Partnerin schenkten dem Lärm Beachtung. Ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit galt dem Vergnügen, dem sie sich gerade hingaben.

Nach einiger Zeit zwang Lassiter die Frau auf den Bauch. Sie hob ihr Unterteil und wackelte herausfordernd mit dem Hintern. Lassiter kniete hinter ihr und bedachte den wohlgeformten Frauenleib mit kurzen kräftigen Stößen.

Bald war sein Lustempfinden so groß, dass er glaubte, sich entladen zu müssen. Viel zu früh. Er wollte das Zusammensein mit Monica noch länger genießen.

Deshalb brach Lassiter seine Bewegungen ab und wartete, bis sich der Drang verflüchtigt hatte.

Monica sagte: »Ich möchte dein Gesicht sehen.«

»Dein Wunsch sei mir Befehl.« Er unterbrach die Verbindung, setzte sich auf die Bettkante und strich sich mit gespreizten Fingern durch sein Haar.

Sie setzte sich neben ihn, sah ihn an und küsste seine Nase, seine Stirn und zum Schluss seine Lippen. »Ich wünschte, ich hätte dich schon früher kennengelernt«, sagte sie. »Mit einem Kerl wie dir im Bett fühlt man sich als Frau wie im siebenten Himmel.«

Das Lob schmeichelte ihm. Worte wie diese konnte man als Mann nicht oft genug hören.

Er beugte sich zu seiner Gespielin, um sie zärtlich zu küssen.

In dem Augenblick, als ihre Lippen sich berührten, gab es einen lauten Knall.

Monica fuhr in die Höhe. Ihr hübsches Gesicht verwandelte sich in eine Grimasse. »Wer zum Teufel wagt es, in meinem Hotel zu schießen?«

Der Mann mit der Kugel in der Brust presste die Hand auf seine Wunde.

Mit ungläubiger Fassungslosigkeit blickte er auf die junge Frau mit dem großen Colt, die sich vor ihm aufgebaut hatte.

»Wer … bist du?«, keuchte er und sackte auf die Knie.

»Kelly Burkitt«, sagte sie hart. »Kennen Sie mich noch, Mr. Eccles?«

Der Mann schüttelte gequält den Kopf.

Blut sickerte zwischen seinen Fingern hindurch und nässte sein weißes Oberhemd und die Weste aus gestepptem Samt.

»Es war vor fast genau einem Jahr«, erklärte sie. »Damals ritten Sie mit Jess Montego, den Sheppard-Brüdern und zwei anderen üblen Kerlen. Der Überfall auf die Burkitt-Ranch, schon vergessen?«

Die Augen des Verwundeten leuchteten kurz auf. Er schien sich zu erinnern. »Das Mädchen und der Alte im Canyon«, stöhnte er.

»Der alte Mann hieß Clark Wesley«, fuhr sie fort. »Ihr habt ihn gefoltert, bevor ihr ihn totgeschlagen habt. Vorher habt ihr meine Eltern und meine Brüder umgebracht, in ihren eigenen vier Wänden.«

Der Mörder spuckte eine Hand voll Blut auf den Boden.

»Sie sind der Erste auf meiner Liste, Will Eccles«, sagte Kelly ungerührt. »Die übrigen Galgenvögel schnappe ich mir auch noch, einen nach dem anderen.«

Im Obergeschoss des Hotels polterten laute Schritte. Kelly hob den Blick. Auf der Galerie wurde eine groß gewachsene Frau im türkisfarbenen Morgenmantel sichtbar.

»Was zum Kuckuck ist hier los?«, brüllte sie.

Kelly schob ihren Colt ins Holster. »Ich habe den Mörder meiner Eltern gerichtet«, sagte sie. »Für den Lärm bitte ich vielmals um Entschuldigung, Ma’am.« Ohne Notiz von dem Sterbenden zu nehmen, wandte sie sich zur Tür.

»Halt! Stopp!« Die Frau rannte mit wehenden Mantelschößen die Treppe herab.

Kelly drehte sich um. Sie sah, dass die Frau unter dem Mantel todschicke, schwarze Reizwäsche trug. Solche Kleidung trugen keine Frauen, die allein waren. Vermutlich hatte der Schussknall sie brutal bei irgendetwas gestört, über das Kelly nicht weiter nachdenken wollte.

»Tut mir leid, Lady«, sagte sie. »Aber ich muss jetzt gehen.«

Ein Geräusch in Bodennähe ließ sie aufhorchen. Sie sah, wie Will Eccles, das Gesicht grausig verzerrt, mit letzter Kraft seinen Sechsschüsser aus dem Futteral fingerte.

»Good bye, Killerman.« Kelly Burkitt riss ihren Colt hoch und schoss dem Mörder kaltblütig eine Kugel in den Kopf.

Will Eccles kippte vornüber und blieb reglos liegen.

»Amen.« Kelly lief zur Tür, um sich aus dem Staub zu machen. Hit und run, so lautete die Devise, die ihr George Wesley eingebläut hatte. Schlag zu und verschwinde!

Der erste Part ihrer Mission lag hinter ihr. Ein Mitglied des Sextetts, auf deren Konto das Massaker auf der Burkitt-Ranch ging, hatte den Preis für die Bluttat bezahlt.

Als sie die Tür aufstieß, fühlte sie, wie sich zwei zupackende Hände in ihre Jacke gruben.

»Hier geblieben!«, schrillte die Frau. »So leicht kommst du mir nicht davon, meine Schöne!«

Mit einer blitzschnellen Körperdrehung riss Kelly sich los.

Die Frau schrie auf und geriet ins Straucheln. Fast wäre sie gestürzt. In letzter Sekunde klammerte sie sich an die Säule seitlich der Tür. Ein Großteil ihrer rot lackierten Fingernägel hatte Kellys plötzliche Drehung nicht überstanden und war abgebrochen.

»Nichts für ungut, Lady«, sagte Kelly, »aber ich bin wirklich in Eile.« Sprach’s und huschte über die Schwelle ins Freie.

Die Frau schickte ihr einen lästerlichen Fluch hinterher.

Monica Mondale schnaubte vor Zorn.

Nachdem der Portier dafür gesorgt hatte, dass die Leiche aus dem Hotel entfernt wurde, befahl sie Mommy Loretta, der schwarzen Reinigungsfrau, das Foyer gründlich zu säubern.

Anschließend stieg sie zu Lassiter in das Apartment hinauf.

Er lag noch im Bett und erweckte den Eindruck, als würde er darauf warten, an der Stelle weiter zu machen, wo sie vorhin aufgehört hatten.

Doch Monicas Verlangen nach Sex war versiegt. Sie war angefressen. Das Verhalten ihres Liebhabers erzürnte sie. Während sie eben unfreiwillig Zeugin geworden war, wie in ihrem Hotel ein Mensch zu Tode kam, wälzte er sich seelenruhig auf der Matratze und guckte Löcher in die Luft.

Am liebsten hätte sie ihm die Augen ausgekratzt. Nur mit Mühe bewahrte sie die Beherrschung.

Sie griff nach der kleinen Schere und kürzte ihre abgeknacksten Fingernägel.

Lassiter setzte sich auf. »Was ist passiert?«, wollte er wissen. »Hat jemand an seiner Bleispritze herumgespielt?«

Sie schluckte den Kloß hinunter, der ihr im Hals würgte. »Ein wild gewordenes Cowgirl hat einen Mann erschossen, den es für den Mörder ihrer Familie hielt.«

Lassiter runzelte die Stirn, dann warf er die Decke zurück und stand auf. »All devils!«, meinte er. »Und ich dachte, da hätte jemand einen Jux gemacht.«

»Nein, kein Jux, sondern Mord.« Monica kämpfte ihren Unmut nieder. Sie wollte Lassiter nicht vergällen. Einen so potenten Hengst wie ihn fand sie so schnell nicht wieder.

Den Bruchteil einer Sekunde flammte ihre Wolllust auf, doch sie zwang sich zur Vernunft. Ganz ruhig, Monica, sagte sie sich, es gibt jetzt wichtigere Dinge, als sich mit einem Kerl im Bett zu wälzen.

Sie zog den Morgenmantel aus, hängte ihn an den Haken und räkelte sich aus dem Negligee. »Ich werde zum Sheriff gehen«, sagte sie ruhig. »Der Mord muss angezeigt werden. Als Geschäftsfrau kann ich es mir nicht leisten, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen.«

Lassiter fragte, ob er sie begleiten solle.

»Nicht nötig.« Sie schlug ihr Haar zurück und band sich einen Pferdeschwanz. »Besser, man sieht uns nicht zusammen in der Öffentlichkeit.«

»Gut, wie du meinst.« Er war vollkommen nackt, als er zu ihr trat, barfuß bis zum Hals.

Der Anblick seines muskulösen Körpers bescherte ihr eine Gänsehaut. Als er ihr Gesicht in die Hände nahm und sie sacht auf den Mund küsste, stand sie ganz starr. Zuerst wollte sie den Kopf abwenden, weil sie noch wütend auf ihn war, dann überlegte sie es sich anders.

Mit geschlossenen Augen ließ sie den Kuss über sich ergehen. Er drängte seine Zunge zwischen ihre Lippen, wobei er fest ihre Pobacken drückte und ihren Körper an sich presste.

Sein fester Griff und der lange Kuss verscheuchten ihre letzten Zweifel. Sie war nahe dran, ihre guten Vorsätze über Bord zu werfen. Nur unter Aufbietung all ihrer Willensstärke behielt sie die Kontrolle über ihre Gefühle.

Abrupt brach sie den Kuss ab.

Lassiter nahm die Hände von ihr und gab ihr einen Klaps auf den Hintern.

Wenige Minuten später hatten sie sich erfrischt und angezogen. Monica Mondale trug ein steingraues Kostüm mit hochgeschlossener Bluse, dazu einen blauen Seidenschal und einen Hut nach der neuesten New Yorker Mode.

Sie stellte sich an die offene Zimmertür. Nachdenklich beobachtete sie, wie der große Mann mit dem halblangen Haar den Revolvergürtel um seine Hüften schlang.

»Habe ich dich schon nach dem Grund gefragt, der dich nach Cooke Rapids geführt hat?«, fragte sie spontan.

»Nein, bisher noch nicht.«

»Und?« Sie sah ihn prüfend an. »Warum bist du hergekommen?«

»Geschäfte«, sagte er knapp.

Sie verstand. Er wollte nicht darüber reden. Aber sie war neugierig und wollte erfahren, woran sie bei ihm war. Auf den ersten Blick wirkte er wie ein Dandy, doch sie spürte, dass etwas Geheimnisvolles in seinem Wesen lag. Diese Grauzone hätte sie gern ergründet. Es war ihr gutes Recht, fand sie. Immerhin hatten sie schon einige Male das Bett geteilt.

»Darf man fragen, was das für Geschäfte sind?«, hakte sie nach.

Während er sie abschätzend musterte, stach er den Dorn in das Loch und schob das Ende des Gürtels in die Schlaufen.

Mit klopfendem Herzen wartete sie auf seine Antwort.

»Ich will einen Mann finden«, sagte er.

»Einen Mann?« Sie legte den Kopf schief. »Okay, sag mir seinen Namen. Wie du weißt, führe ich ein Hotel, in dem eine Menge Leute ein- und ausgehen. Vielleicht kenne ich diesen Mann und könnte dir einen Tipp geben, wo du ihn findest.«

»Nein, ich glaube nicht, dass du das kannst.«

Die Abfuhr reizte ihren Widerspruch. »He, rede nicht so mit mir. Was macht dich so sicher? Woher willst du wissen, wen ich kenne und wen nicht?«

»Leute wie er gehören nicht zu den Menschen, mit denen du dich abgibst.«

»Das mag sein. Aber er könnte doch mal Gast bei mir gewesen sein. Sag mir einfach, wie er heißt und fertig.«

Lassiter zauderte kurz, bevor er sprach: »Sein Name ist Frank Hammett.«

Uff! Sie fuhr zusammen. Natürlich kannte sie Fat Frank Hammett. Der Kerl galt als einer der meist gesuchten Verbrecher westlich des Missouri. Er ließ junge Mädchen entführen und verkaufte sie als Amüsiergirls an Bordelle und Saloons. Auch Mommy Lorettas Tochter Doris war in die Fänge dieses Scheusals geraten. Fat Franks Männer hatten die knapp Zwanzigjährige von zu Hause fortgelockt und über die Grenze nach Mexiko verschleppt. Mommy Loretta bekam einmal im Jahr Post von ihr, meist zum Erntedankfest oder zu Weihnachten. Alle Briefe waren ohne Absender. Doris schrieb, es ginge ihr gut, aber ihre Mutter hegte starke Zweifel.

»Fat Frank«, sinnierte Monica laut. »Soll der Teufel diesen Aasgeier holen.«

Lassiter hob erstaunt eine Braue. »Nanu, sag bloß, du kennst ihn?«

»Nur vom Hörensagen«, versetzte sie. »Auf sein Konto geht die Entführung von Doris. Ihre Mutter arbeitet in meinem Hotel.«

Er nickte bedächtig. »Interessant. Ich würde gern mit ihr sprechen. Möglich, dass sie mir einen Hinweis liefern kann, wo ich Fat Frank aufstöbern kann.«

Monica Mondale lächelte geringschätzig. »Fat Frank ist eine Nummer zu groß für dich«, erklärte sie. »Du bist allein, und er beschäftigt einen ganzen Haufen Strolche, die auf sein Kommando jedem den Hals umdrehen, der ihnen in die Suppe spucken will. Ehe du dich versiehst, liegst du auf dem Boothill.«

Lassiter lächelte. »Abwarten«, sagte er.

Monica schüttelte den Kopf. »Vergiss Fat Frank. Du wirst dir den Schädel einrennen.«

Er ging an ihr vorbei auf die Galerie und spähte über das Geländer in die Halle hinunter. Seine Augen wurden schmal wie Türritzen.

Monica folgte seinem Blick.

Unten war Mommy Loretta gerade dabei, das Blut von Will Eccles von den Dielen zu scheuern.

Die kleine Herberge, in der Kelly Burkitt Quartier bezogen hatte, lag knapp drei Meilen von Cooke Rapids entfernt.

Das Gebäude war im klassischen Blockhausstil errichtet. Mit seinem Dach aus Holzschindeln, den grob gehobelten Fensterläden, der massiven Eingangstür und der Freitreppe mit dem geschnitzten Geländer wirkte das Haus überaus einladend.

Kelly zügelte ihren Falben, brachte ihn zum Stehen und band ihn an den Holm vor dem Eingang. Bevor sie ins Haus trat, warf sie einen Blick auf den Weg, den sie eben gekommen war.

Weit und breit keine Menschenseele. Dem Anschein nach hatte man auf eine Verfolgung verzichtet.

Der Wirt trat vor die Tür.

Er war ein kugelbäuchiger Geselle um die Fünfzig, mit Halbglatze und grau gesprenkeltem Yankeebart. »Sie kommen gerade richtig, Miss«, verkündete er. »Die Suppe ist in einer Viertelstunde fertig. Hab sie schon gekostet.« Er rollte mit den Augen. »Meine Martha hat sich wieder einmal selbst übertroffen. Tja, beim Kochen und Backen macht ihr keiner was vor. Ich will hoffen, Sie haben ordentlich Appetit mitgebracht, Miss.«

Kelly lächelte. Die kauzige Fürsorglichkeit des Gasthausbesitzers erwärmte ihr Herz. »Ich bin hungrig wie ein Wolf, Mr. Cochran«, sagte sie.

»Na, das hört man doch gern.« Er hielt ihr galant die Tür auf.

Kelly schritt an ihm vorbei in den leeren Gastraum.

Im Gemeinschaftszimmer standen vier rechteckige Tische mit je zwei Sitzbänken. Rechter Hand erstreckte sich der Schanktresen, auf dem eine Vielzahl umgestülpter Gläser angeordnet war. An der Wand hinter der Theke zogen sich drei Reihen Regale entlang, gefüllt mit Spirituosen: Whiskey, Gin, Tequila, Rum, Likör, Wodka, Weinbrand. Das Sortiment konnte sich sehen lassen. Der Boden des Raums bestand aus groben, unlackierten Bohlen. Vor den Türen, die zu den drei Fremdenzimmern gingen, lagen kleine Fußmatten aus geflochtener Weide. Hinter der Durchreiche befand sich die Küche, aus der es appetitlich nach ausgekochten Knochen, Fleisch und Wurzelwerk roch.

Cochran ging zum Tresen und griff nach einem Tuch, um die gespülten Gläser zu polieren.

Auf einmal verspürte Kelly Durst. Sie trat zu dem Wirt und bat um ein Bier.

»Sofort.« Er legte das Tuch beiseite, zapfte ein Glas voll und stellte es hin. »Und? Hatten Sie Erfolg? Konnte Ihnen jemand etwas über Ihren Onkel sagen?«

Kelly pustete den Schaum von dem Bier, trank und schüttelte den Kopf. Sie hatte den gutgläubigen Wirtsleuten vorgeflunkert, dass sie in die Gegend gekommen sei, um nach einem Onkel zu forschen. »Ich hörte, dass er nach Kansas gegangen ist«, sagte sie und leckte sich die Lippen. »Schon vor ein paar Jahren. Niemand in der Stadt weiß etwas Genaues. Sieht fast so aus, als wäre ich umsonst nach Cooke Rapids gekommen.«

»Oh, wie bedauerlich.« Cochran wirkte sichtlich betroffen. »Ich hätte Ihnen so sehr gegönnt, dass Sie wenigstens eine heiße Spur von Ihrem Onkel finden.«

»Nett von Ihnen.« Kelly trank aus und wandte sich zum Gehen. Für einen Moment fühlte sie sich schuldig, weil sie den freundlichen Mann belog. »Ich werde mich noch etwas frisch machen, bevor ich mich an den Tisch setze«, erklärte sie.

Cochran zwinkerte ihr spitzbübisch zu. »Ich mag es, wenn Frauen hübsche Kleider tragen«, sagte er. »Aber kein Wort zu Martha, okay?«

Kelly lächelte ihm zu und verschwand.

In ihrem Zimmer duftete es nach dem Veilchenparfüm, das sie vor ihrem Ausritt in jede Ecke gesprüht hatte. Es war Moms Lieblingsduft gewesen. Kelly hatte in einer Parfümerie in Topeka einen Flakon des Duftwassers gekauft, um sich gelegentlich an den Wohlgeruch aus ihrer glücklichen Kinder- und Jugendzeit zu erinnern.

Sie setzte sich an den Tisch, schlug das kleine Notizbuch auf, das darauf lag, und langte nach dem Schreibstift neben dem Aschenbecher.

Auf der ersten Seite des Büchleins standen in steiler Blockschrift sechs Namen, jeder Name in einer Zeile:

Jess Montego.

Seth Garrick.

Jacobo.

Will Eccles.

Ben Sheppard.

Jeff Sheppard.

Kelly strich den Namen Will Eccles durch.

Der Mann existierte nicht mehr. Er hatte für seine Bluttaten bezahlt.

Kelly ließ den Atem aus ihren Lungen. Gedankenverloren glitt ihr Blick aus dem Fenster hinaus.

Hinter dem Blockhaus erstreckte sich der eingezäunte Gemüsegarten der Cochrans. In seiner Anlage ähnelte er dem Garten, den Mom und Dad auf ihrer Ranch angelegt hatten. In der Mitte der Hauptweg, links und rechts die rechteckigen Beete und in den Winkeln die Tuffs mit den Blumen.

Montego und seine Männer hatten alle Gebäude nach dem Überfall in Brand gesteckt. Auf Vorschlag von George Wesley hatte Kelly die Ranch noch einmal aufgesucht, natürlich in seiner Begleitung.

Beim Anblick der Trümmer und des überwucherten Gartens hatte sie einen Weinkrampf bekommen. George, der nicht mit dieser heftigen Reaktion gerechnet hatte, hatte sie schnell wieder fortgebracht.

George Wesley …

Kelly geriet immer tiefer ins Gespinst ihrer Erinnerungen.

Clark Wesleys letzter Rat, sie solle seinen Bruder aufsuchen, war nicht mit Gold aufzuwiegen. Als sie nach langer Wanderschaft eines Abends bei George Wesley vor der Tür stand, erschöpft, halb verhungert und ohne einen lumpigen Penny in den Taschen, hatte Clarks Bruder keine Sekunde gezögert und sie sofort aufgenommen.

Der gefürchtete Revolverheld erwies sich als wahrer Freund. Er päppelte sie auf und lehrte sie den Umgang mit Kurz- und Langwaffen. Sogar mit dem Wurfmesser konnte sie ganz gut umgehen.

Nach einem halben Jahr hatte sie bereits erstaunliche Fortschritte gemacht. Ihr Lehrmeister lobte sie und behauptete, noch nie wäre ihm so ein Talent unter die Augen gekommen.

Dank seiner exzellenten Verbindungen hatte George Wesley bald herausgefunden, wer für den Überfall und das Massaker auf der Burkitt-Ranch verantwortlich war – sechs üble Kerle, die von einem gewissen Jess Montego angeführt wurden.

Kelly hatte George bestürmt, seine Quellen zu befragen, wo sich die Mörder ihrer Familie gegenwärtig aufhielten. Innerhalb kürzester Zeit brachte George auch dieses Kunststück zustande.

Endlich wusste Kelly, wo sich diese gemeinen Verbrecher verkrochen hatten. Sie unterzog Wesleys Unterlagen einer exakten Prüfung, prägte sich alle Daten über die Mitglieder der Montego-Bande genauestens ein, dann empfahl sie sich aus George Wesleys Obhut.

Ihr Mentor war gerade unterwegs, um einen steckbrieflich gesuchten Zugräuber zu jagen. Für dessen Ergreifung waren tausend Dollar ausgesetzt. George wollte sich die Prämie nicht entgehen lassen.

Kelly hatte ihrem Mentor einen langen Brief geschrieben, in dem sie ihm ihre Gründe für den Fortgang mitteilte.

Sie hoffte inständig, dass er ihr nicht böse war, weil sie sich ohne Abschied davon gemacht hatte. Dass sie Rache wollte, würde er bestimmt verstehen.

Jäh wurde sie aus ihren Gedanken gerissen.

Aus dem Gastraum erklang das helle Geläut einer Kuhglocke.

»Essen!« Cochrans Stimme dröhnte durch das ganze Haus. »Zu Tisch, meine Herrschaften!«

Das Gespräch mit Mommy Loretta brachte Lassiter keinen Schritt weiter.

Als er die Entführung ihrer Tochter anschnitt, brach die leidgeprüfte Frau in Tränen aus. Auf den Stiel ihres Schrubbers gestützt, stand sie da und heulte wie ein Schlosshund. Nicht einen zusammenhängenden Satz brachte die unglückliche Mutter über die Lippen.

Mommy Loretta war zutiefst verzweifelt. »Meine arme Doris«, klagte sie immer wieder.

Lassiter spendete ihr Trost, dann verließ er das Hotel.

Bisher hatte er noch nicht den geringsten Anhaltspunkt, wie und wo er Fat Frank Hammett finden sollte. Auch sein Kontaktmann Burt Wheeler tappte im Dunkeln. Hätte der bereits eine Spur, hätte er sich längst gemeldet.

Lassiter fühlte sich im Stich gelassen. Amerika war einen riesiges Land. Wo sollte er Fat Frank suchen? Der Vergleich mit der Nadel im Heuhaufen ein fiel ihm ein.

Er lenkte seine Schritte über die Demarkationslinie in das kleine Vergnügungsviertel der Stadt. Wenn er seinen Charme ins Spiel brachte, gelang es ihm möglicherweise, einer der Prostituierten die Zunge zu lösen. Er hatte mit leichten Mädchen gute Erfahrungen. Wenn man ihnen mit dem nötigen Respekt begegnete, konnte man die meisten von ihnen um den Finger wickeln.

Er sah sich um.

Im Vergleich zu vielen anderen Boomstädten im Mittleren Westen gab es in Cooke Rapids nur wenig Etablissements zum Amüsieren. Neben dem einzigen Bordell existierten nur zwei Nachtbars und ein recht unansehnliches Spielcasino, in das Lassiter noch nie einen Fuß gesetzt hatte.

Das Bordell kam in Sicht.

Am Haltegeländer vor dem Eingang stand ein einzelnes, staubbedecktes Pferd mit einem zusammengerollten Lasso an der Flanke. Mit hängendem Kopf döste das Tier träge vor sich hin.

Lassiter trat an den Eingang. Als er die Tür öffnen wollte, sprang sie plötzlich auf, und er erblickte das müde Gesicht einer Frau von schätzungsweise dreißig Jahren. Ihr magerer Körper war in ein zerknittertes Kattunkleid gehüllt. Das übertrieben tiefe Busenschaufenster zeigte die Ansätze der extrem hochgeschnallten Brüste. Auf der linken prangte ein mit Lippenstift gemaltes rotes Herz.

»Guten Tag, Ma’am«, sagte er höflich.

»Ich bin Rosy.« Die Frau schnippte sich eine rot gefärbte Korkenzieherlocke aus dem Gesicht. »Sie sind verdammt früh dran, Mister«, erklärte sie mit rauchiger Stimme. »Die Girls sind noch nicht auf dem Damm. Haben Sie zufällig ’ne Zigarette?«

»Leider nicht«, erwiderte er. »Ich bin auch nicht hier, um mich mit einem Girl zu vergnügen. Eigentlich bin ich auf der Suche nach einem Mann.«

»Ein Mann?« Die Rothaarige grinste schief. »Männer haben wir hier nicht. Nur Pussys. Ich fürchte, Sie sind an der falschen Adresse.«

Er lächelte. »Sie haben mich missverstanden. Ich suche keinen Mann für die Liebe, sondern einen ganz bestimmten Gent.«

»Einen ganz bestimmten?« Rosy hatte sichtbar Mühe, ihm geistig zu folgen. Lassiter roch, dass ihr Atem nach Schnaps roch. Wahrscheinlich quälte sie der Kater vom Umtrunk letzte Nacht. »Was um alles in der Welt meinen Sie damit?«, fragte sie.

»Ich suche Fat Frank«, sagte er leise.

Rosy kniff die Augen zusammen. »Noch nie gehört, den Namen.« Sie warf einen schnellen Blick nach rechts und links.

Fast hätte Lassiter die Antwort erwartet. Fat Frank hatte einen langen Arm. Niemand wollte sich die Zunge verbrennen. Man fürchtete seine Rache.

Lassiter zeigte Rosy ein Geldstück.

Jetzt kam es etwas Leben in ihre müden Augen. Rosy nahm die Münze, hob ungeniert ihren Rock und ließ sie in ihrem Strumpf verschwinden. »Vielleicht kenne ich jemanden, der jemanden kennt, der Ihnen weiterhelfen kann«, sagte sie mit lauernder Stimme.

»Das wäre sehr freundlich.«

Dreist hielt sie ihm die nach oben gekehrte Handfläche hin.

Lassiter brachte ein zweites Geldstück zum Vorschein. Die Münze verschwand ebenso schnell unter dem Rock wie die erste.

Rosy deutete mit dem Daumen über ihre Schulter in den Hauseingang. »Zimmer zwei, da finden Sie Maddie Holmes. Eine kleine Blonde mit Zöpfen. Könnte sein, dass sie Ihnen auf die Sprünge hilft.«

»Danke, Miss.« Er ging ins Haus.

Drinnen roch es nach kaltem Rauch und verschüttetem Schnaps. An den Wänden hingen Porträts von berühmten Prostituierten aus Virginia City, Abilene und Tombstone. Es war niemand zu sehen. Keine der Zimmertüren trug eine Nummer.

Doch hinter der Tür neben der Wendeltreppe erklang lautes Stöhnen. Vermutlich war das Nummer zwei und Maddie Holmes gerade mit einem Freier beschäftigt.

Lassiter zögerte. Er wollte kein Spielverderber sein und überlegte, ob er warten sollte, bis sie ihren Kunden abgefertigt hatte.

Unvermittelt erscholl der Schmerzensschrei einer Frau.

Der Ausruf klang so entsetzlich, dass Lassiter erschrak.

Wild entschlossen stürzte er zu der entsprechenden Tür, riss sie auf und glaubte seinen Augen nicht zu trauen.

Auf dem Boden vor dem zerwühlten Bett lag ein blond bezopftes Mädchen. Es trug ein verrutschtes Mieder, und sein Strapsgürtel hing zerrissen an seinen schmalen Hüften. Über ihm stand ein massiger, grobschlächtiger Mann mit heruntergelassener Hose und geballten Fäusten.

»Bitte, Mr. Stone, nicht schlagen«, flehte das Mädchen.

»Well, du hältst die Klappe, Maddie«, fuhr er sie an, dann wandte er sich an Lassiter. »Mach, dass du rauskommst, du Hurensohn!«, keuchte er und hob erneut die Faust zum Schlag.