Lassiter Sammelband 1853 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1853 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2440, 2441 und 2442.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

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Seitenzahl: 419

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Jack Slade
Lassiter Sammelband 1853

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2019 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Norma/Boada

ISBN: 978-3-7517-4722-6

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Lassiter Sammelband 1853

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Lassiter 2440

Der Schrein der Roten Sonne

Lassiter 2441

Lassiter und die Witwenmacher

Lassiter 2442

Sein letzter Auftrag

Guide

Start Reading

Contents

Der Schrein der Roten Sonne

Die San Francisco Bay lag in dichtem Nebel, den die aufgehende Sonne in rötliches Licht tauchte. Der Schoner mit der kanadischen Flagge über dem Hauptmast hatte gerade erst angelegt, und am Nordende der China Basin, weit jenseits der Markthallen, war zu dieser frühen Stunde keine Menschenseele unterwegs. Was der Besatzung und den Männern, die die Escorial empfingen, sehr zupass kam. Dennoch trug der Mann im schwarzen Mantel eine unwillige Miene zur Schau, als er an Deck stiefelte und den Käpt’n begrüßte. »Ihr seid seit zwei Tagen überfällig«, brummte er. »Was war los?«

»Unwetter vor Vancouver«, gab der Angesprochene zurück und deutete auf eine dunkle Holzkiste, die seine Männer aus dem Frachtraum hinaufschleppten. Der Mantelträger nickte. »Gut. Schafft sie auf den Wagen und dann fort damit, ehe noch jemand neugierig wird.«

Die Seeleute trugen die Kiste, die etwa die Form und Maße eines Kindersargs hatte und aus dunklem Holz bestand, das für eine normale Frachtkiste deutlich zu edel aussah, über die schwankende Planke hinüber auf den Kai. Dort erwarteten sie die Begleiter des Mannes im schwarzen Mantel, die um einen Murphywagen herumstanden und sich aufmerksam umsahen. Drei der sechs hielten Gewehre in den Händen und machten den Eindruck, als wüssten sie gut damit umzugehen.

»Ich will mein Geld«, knurrte der Kapitän der Escorial , drehte den Kopf zur Seite und spuckte einen Strahl Kautabak auf die Bootsplanken, bevor er sein Gegenüber mit regloser Miene in den Blick nahm.

»Jetzt.«

Wortlos zog der Mantelträger einen braunen Umschlag aus seiner Innentasche und hielt ihn dem Mann mit dem graumelierten Backenbart entgegen. Der öffnete das Kuvert und warf einen Blick hinein, bevor er verärgert die Stirn runzelte.

»Das ist viel zu wenig«, brummte er, und ein breitschultriger Kerl, der ein paar Schritte hinter den beiden Männern unter dem Hauptmast lehnte, straffte postwendend die Schultern und ballte seine Fäuste.

»Es ist genau die Hälfte, Kerouac«, entgegnete der Mantelträger und hob beschwichtigend die behandschuhten Hände. »Wie vereinbart. Wir müssen die Ware prüfen, und dann bekommst du den Rest.«

Der große Bursche hinter Kerouac war bereits auf zwei Yards herangekommen und hatte drohend seine schaufelartigen Fäuste erhoben, doch als der Käpt’n seine Hand hob, blieb er sofort wie angewurzelt stehen.

»Jetzt hör mir mal zu, Blinder«, sagte Kerouac mit eisiger Miene. »Vereinbart war, dass wir eine Kiste mit heiklem Inhalt nach Frisco bringen. Okay, ist ja nicht das erste Mal …«

Er trat einen Schritt vor und stieß seinem Gegenüber den ausgestreckten Zeigefinger gegen die Brust. »Aber davon, dass uns in Sendai eine Horde wildgewordener Schlitzaugen auf die Pelle rückt, hast du nichts gesagt! Drei meiner Leute sind dabei draufgegangen, verflucht! Wir konnten nur mit knapper Not aus dem Hafen entkommen, während die dreckigen Reisfresser uns mit einem halben Dutzend Booten verfolgten! Hätten wir nicht unter vollen Segeln gestanden, hätten sie uns allesamt die Hälse durchtrennt und uns in Fischfutter verwandelt!«

»Was soll das heißen?«, fragte Blinder entgeistert und schob sich seinen schwarzen Stetson in den Nacken. »Niemand durfte davon wissen, dass ihr …«

»Ja, ich erinnere mich gut, dass du mir gegenüber genau das behauptet hast«, zischte Kerouac. »Eine ganz lockere Geschichte … praktisch ein Spaziergang … nur eine kleine Kiste, Daniel!«

Der Kapitän schnaubte vor Wut, und seine wasserblauen Augen schienen Funken zu sprühen. »Viertausend Dollar, Danny, hast du gesagt, praktisch im Schlaf verdient. Ich muss besoffen gewesen sein, weil ich da nicht sofort Lunte gerochen habe! Vier Riesen für ein Kinderspiel, ha!«

Blinder legte die Stirn in Falten, und sein Kehlkopf hüpfte hektisch unter seinem Schal in die Höhe. Kerouac war tatsächlich sturztrunken gewesen, als er ihn vor zehn Wochen für die Fahrt nach Japan gewonnen hatte, doch dieser Umstand musste jetzt nicht weiter vertieft werden. Viel entscheidender war es, dass der Raub und Abtransport der Ware nicht wie geplant im Geheimen erfolgte, sondern aufgedeckt worden war.

Das würde dem Boss ganz und gar nicht gefallen. Wenn die Japaner den Namen des Schoners kannten, würden sie wahrscheinlich auch den Zielhafen in Erfahrung bringen können. Obwohl sie in weiser Voraussicht ein kanadisches Schiff ausgewählt hatten, dessen Besitzer es mit Frachtpapieren und ähnlichen Formalitäten generell nicht so genau nahm.

»All devils«, stieß er hervor.

»Das kannst du laut sagen«, stimmte ihm Kerouac mit grimmiger Miene zu – in Unkenntnis dessen, dass sein Gegenüber aus ganz anderen Gründen aufgewühlt war als er selbst.

»Du wirst deinem Boss ausrichten, dass ich zwei Riesen mehr verlange. Fünfhundert für jeden Mann, den ich verloren habe, und fünfhundert für den Umstand, dass ich auf Jahre hinaus keinen Hafen mehr in Japan werde anlaufen können. Ist das klar?«

Fieberhaft überlegte Blinder, wie er dem Boss die Neuigkeiten berichten und trotzdem am Leben bleiben konnte.

»Ist das klar, Jacky?«, wiederholte Kerouac seine Frage, und Blinder nickte zerstreut.

»Sicher«, murmelte er. »Ihr bekommt euer Geld. Was habt ihr noch geladen und wie schnell könnt ihr die Fracht löschen?«

Irritiert starrte der Käpt’n ihn an, bevor er antwortete: »Ein paar Dutzend Reissäcke, Soja, Kräuter, Papier, Seidenstoffe, drei Kisten mit dem Bleizeug für euch … warum fragst du?«

Jacky Blinder warf seinem Gegenüber einen kurzen Blick zu. »Beeilt euch damit. Bis heute Abend müsst ihr aus dem Hafen verschwunden sein.«

Mit einem kehligen Lachen warf Kerouac die Hände in die Luft. »Aber klar, nichts lieber als das!« Dann schoss seine rechte Hand vor und packte den Kragen von Blinder. »Aber nicht ohne das Geld, mein Freund! Für diese Kiste da drüben«, er nickte zum Kai hinüber, »ist Blut geflossen. Ich habe keinen Schimmer, was sich da drin befindet und will es auch gar nicht wissen. Aber ihr bezahlt mir dafür.«

Die beiden Männer starrten sich eine Weile in die Augen, während von irgendwo hinter ihnen der klagende Laut eines Nebelhorns herüberdrang.

Blinder zwang sich zu einem Lächeln, als er die Faust des Seemanns umschloss und sich langsam, aber bestimmt von ihr befreite.

»Geht klar, Kumpel«, brummte er. »Wir treffen uns um zwölf im Fiddlers , okay?«

Kerouac ließ seine Hand sinken und nickte. »In Ordnung. Aber sei pünktlich.«

»Das bin ich doch immer.« Blinder zwinkerte, während er sich umwandte und mit raschen Schritten über den Bootssteg lief.

Dieses Versprechen würde er einhalten. Alles Übrige allerdings hatte nicht er zu entscheiden.

Die Turmuhr schlug neun, als Lassiter träge die Augen öffnete und feststellte, wie sich kundige Finger an seiner morgendlichen Erektion zu schaffen machten.

»Himmel, Baby«, murmelte er verschlafen. »Hast du immer noch nicht genug?«

»Niemals«, gurrte die rassige Schönheit an seiner Seite, schob sich über ihn und richtete sich über seinen Lenden auf. Ehe er sich versah, glitt er bereits in ihre feuchte Höhle und sie begann ihn zu reiten. Lassiter stöhnte leise auf, streckte die Hände aus und umfasste ihre schweren Brüste, die verführerisch vor seinen Augen hin und her schaukelten. Dabei kehrte die Erinnerung an den vergangenen Abend zögerlich und verschwommen zurück.

Eigentlich hatte er den Tag nur mit ein oder zwei Drinks im Guts Inn ausklingen lassen und sich zeitig zur Ruhe begeben wollen. Schließlich war er nicht ohne Grund nach San Francisco gekommen, und der Kontaktmann der Brigade Sieben erwartete ihn schon heute, um einen Auftrag zu besprechen, der Lassiter so sehr persönlich am Herzen lag, dass er darauf bestanden hatte, ihn zu übernehmen, obwohl er eigentlich für eine andere Unternehmung eingeplant gewesen war.

Doch dann war da diese heiße Latina namens Ramona gewesen, die den Stutzern am Billardtisch gezeigt hatte, wie man mit Queue und Kugeln umging. Er hatte ihr und den jungen Männern eine Weile zugesehen, bis einer der Burschen sich als schlechter Verlierer erwies und Ramona nicht bezahlen wollte.

Ein Wort gab das andere, und binnen weniger Augenblicke war ein Disput im Gange, den Lassiter mit ein paar treffsicheren Faustschlägen beendete.

Nachdem die jungen Burschen vor die Tür befördert worden waren, bedankte sie sich bei ihm damit, dass sie einen Whiskey ausgab.

Und dann noch einen. Bis sie kurz darauf bei ihm im Zimmer landeten, sich aller störenden Stoffe entledigten und nach Herzenslust bumsten und weiter tranken. Und wieder bumsten.

Ramona war so feurig wie nahezu unersättlich, sodass ihn kaum mehr als zwei oder drei Stunden Schlaf vergönnt gewesen waren.

Sie krallte ihre Finger in sein dichtes Brusthaar, und ihr Becken hob und senkte sich nun immer schneller, während spitze Lustschreie sich den Weg durch ihre Kehle bahnten. Ihr schulterlanges, kastanienfarbenes Haar wirbelte durch die Luft, als sie den Kopf hin und her warf, und Lassiter spürte, wie sie sich dem Höhepunkt näherte. Er schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und ließ nun alle Zügel fahren.

Fast gleichzeitig brandete der Orgasmus über sie hinweg wie ein heißer Präriewind und sie warf sich auf seine muskulöse Brust. Ein Beben ging durch ihren Körper, dann breitete sich selige Ermattung in ihren Körpern aus.

Nach einer Weile zog er sich sanft aus ihr zurück und strich ihr lächelnd eine Haarsträhne aus dem geröteten Gesicht.

Dann erhob er sich und griff nach seiner Hose. »Ich bin schon lange nicht mehr auf so charmante Art geweckt worden, Honey«, bemerkte er und rieb sich über die verschwitzte Stirn. »aber es ist schon ziemlich spät.«

Während er in seine Klamotten schlüpfte, betrachtete er ihren nackten Körper, der sich lasziv auf der Matratze rekelte, und es rang ihm ein trauriges Lächeln ab, sie verlassen zu müssen.

Herrgott, diese Brüste! Die schlanken Rundungen ihres Körpers, der feine Schwung der dunklen Brauen über den geschlossenen Augen. Ramona war ein Gottesgeschenk, doch seine Zeit, dieses Geschenk zu genießen, musste nun leider ein Ende finden.

Er streifte sich die Stiefel über und band seinen Revolvergurt um die Hüften, als sie die Augen öffnete.

»Du willst doch jetzt nicht einfach verschwinden, oder?«, murmelte sie verblüfft.

»Es tut mir leid, Baby«, antwortete er und meinte es ehrlich. »Aber ich muss wirklich gehen.«

Ungläubig starrte sie ihn an und stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Bett ab. »Das darf doch nicht wahr sein, du … Mistkerl«, flüsterte sie, als würde sie zu sich selbst sprechen. Ihre grünen Augen funkelten, und als er zur Tür ging und ihr endgültig klar wurde, dass er es ernst meinte, stülpte sie wütend die Lippen vor.

»Ich lasse dir Frühstück aufs Zimmer bringen, Honey«, versprach er, riss die Tür auf und zwinkerte ihr zu.

Kaum war er auf dem Korridor und hatte kaum die Tür hinter sich geschlossen, als auch schon eine der beiden Weinflaschen, die noch vom gestrigen Abend auf dem Nachttisch gestanden hatten, auf der anderen Seite lautstark gegen das Holz prallte und in tausend Teile zerplatzte.

Lassiter stieß scharf die Luft aus. Jetzt zeigte sich ihre Heißblütigkeit auf weniger sinnliche Weise.

»Ich hasse dich, du Bastard!«, hörte er sie noch schreien, während er eilig die Stufen ins Foyer hinunterstieg und dabei froh war, dass er sein Gepäck im Mietstall gelassen hatte.

»Mr. Lassiter, Sie wollen uns schon verlassen?«, fragte der junge Portier hinter dem Empfangstresen, und Lassiter nickte eifrig.

»Allerdings. Die Pflicht ruft«, antwortete er mit einem schmalen Lächeln und zog ein paar Greenbucks aus der Innentasche seiner Jacke. »Würden Sie der Dame oben auf meinem Zimmer bitte noch ein großes Frühstück servieren?« Er legte die Scheine auf die Theke.

»Die … Dame?« Der Portier warf einen Blick in Richtung der Treppe. »Ich wusste gar nicht, dass Sie … dass Sie nicht allein waren.«

»Jawohl, die Dame.« Lächelnd klopfte Lassiter dem Mann auf die Schulter. »Man sieht sich.«

Er hastete hinaus auf die Mainstreet, während sich über ihm ein Fenster öffnete. »Du bist ein verkommener Hurensohn, Lassiter!«, machte Ramona mit lauter Stimme ihrer Empörung Luft, und er zog sich den Hut ins Gesicht, während er über die Sidewalks hinunter rannte und die Leute auf der Straße überrascht nach oben schauten.

»Missgeburt! Stinkender Auswurf! Fahr zur Hölle!«

Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte ihm, wie die zweite Weinflasche aus dem Hotelfenster segelte und auf dem gegenüberliegenden Vordach des Liquor Stores landete.

Er beschleunigte seine Schritte, bis er endlich um eine Häuserecke verschwinden konnte und es steil bergab in Richtung des Büros von Abraham Denison ging.

Der Anwalt bedachte Lassiter mit einem forschenden Blick, als der Agent der Brigade Sieben sein Büro betrat.

»Sie kommen ein wenig spät, Mr. Lassiter«, sagte er und deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch, während er seinen Besucher musterte.

Alle Linien im faltigen Gesicht von Denison schienen abwärts zu weisen, was ihm das Aussehen eines Bassets verlieh, der um sein verstorbenes Herrchen trauerte. Selbst das dünne graue Haar, das sein kahles Haupt umrahmte, hing in schlaffen Strähnen bis auf den gestärkten Hemdkragen hinunter.

Doch Lassiter war bewusst, dass er selbst nach der feuchtfröhlichen langen Nacht nicht wie das blühende Leben daherkam, und rang sich ein höfliches Lächeln ab. »Bitte verzeihen Sie, Sir. Es, ähm, war ein langer Ritt von Carson City hierher. Saß ein paar Tage im Sattel, deshalb …«

Denison winkte ab, und ein paar der Falten in seinem länglichen Gesicht bewegten sich, was wohl als Ausdruck von Freundlichkeit verstanden werden wollte. »Sicher, kein Problem«, brummte er und warf einen kurzen Blick auf die Papiere vor sich, bevor er den Ordner schloss und die Hände darüber faltete.

»Als man mir telegrafierte, dass Sie die Mission übernehmen würden, wurde auch erwähnt, Sie hätten mit dem Anführer der Bande, um die es geht, schon mal zu tun gehabt.«

Lassiter legte den Kopf schief. »Nun ja, zumindest indirekt«, erwiderte er. »Es ging um eine Bande, die im Norden von Nevada ihr Unwesen trieb und die Silberlinge genannt wurde. Sie raubten Züge und Kutschen aus, die das Edelmetall aus den dortigen Minen transportierten. Delarue galt als der Mann, der im Hintergrund die Fäden zog, leider ist es uns nicht gelungen, ihn zu fassen.«

Denison seufzte. »Damit stehen Sie nicht allein, Lassiter. Dieser Delarue ist wie ein Gespenst. Sein Name fällt ständig, ob es nun um Opiumschmuggel, Mädchenhandel, illegales Glücksspiel oder wie im aktuellen Fall um Falschmünzerei geht – er scheint seine Finger in nahezu jeder kriminellen Unternehmung zu haben, die man sich vorstellen kann. Und das scheinbar über mehrere Bundesstaaten hinweg, wie Ihre Erfahrung in Nevada belegt. Doch selbst mit größtem Aufwand konnte man seiner in all den Jahren nicht habhaft werden.«

Er lachte humorlos. »Schlimmer noch, wir wissen nicht einmal verlässlich, wie der Mann aussieht. Es kursieren die abenteuerlichsten Beschreibungen von ihm: Mal spricht man von einem fettleibigen, aufgeschwemmten Ungetüm, das von einem Bett aus seine Geschäfte betreibt. Dann soll er plötzlich ein kultivierter, gutaussehender Gentleman sein, der im Stil eines französischen Landadeligen gekleidet ist und mehrere Sprachen fließend beherrscht.«

»Ich habe noch ein halbes Dutzend anderer Beschreibungen von ihm gehört, eine abstruser als die andere. Obwohl es nur wenige Menschen gibt, die ihn persönlich getroffen haben und danach noch befragt werden konnten«, erwiderte Lassiter. »Weil ihre Lebenserwartung nach einem Treffen mit Delarue rapide sinkt.«

»Wie es scheint, wissen Sie bereits genauso viel wie ich, und dieses Dossier hier«, er klopfte auf den Ordner, »wird Ihnen daher nicht viel Neues verraten können.«

»Wir haben damals schon vermutet, dass hinter dem Silberraub Methode steckte«, entgegnete Lassiter. »Eine Handvoll falscher Dollars wurde hier im Hafen von San Francisco entdeckt, und ein paar Hinweise wiesen darauf, dass das Silber, das die Falschmünzer für die dünne Schicht, mit der die Geldstücke ummantelt waren, aus Nevada stammte.«

»Dieser Verdacht hat sich mittlerweile erhärtet«, bestätigte Denison. »Und aus der Handvoll, die Sie erwähnen, sind inzwischen Mengen geworden, die geeignet sind, die Stabilität unserer Währung in Gefahr zu bringen.«

Der Anwalt beugte sich vor und sah Lassiter eindringlich an. »Die Falschmünzen sehen bemerkenswert echt aus, und einige sind sogar bereits an der Ostküste aufgetaucht. Delarue rüttelt an den Grundfesten unserer Nation, Lassiter! Wenn die Menschen ihrem guten alten Dollar nicht mehr vertrauen können, kann das dramatische Auswirkungen haben.«

»Sicher«, stimmte ihm der Brigade-Agent zu, obwohl er Denisons Meinung zumindest für ein wenig zu dramatisch hielt. »Sie glauben also, das Netz von Delarue läuft hier in San Francisco zusammen, und irgendwo in der Stadt befindet sich auch die Fälscherwerkstatt?«

Denison nickte. »Town-Marshal Emery Coulder verfügt über ein dichtes Netzwerk von Spitzeln, und die Hinweise darauf haben sich in den letzten Wochen verdichtet. Alle Spuren führen zu den Asiaten, einer japanischen Verbrecherbande, um genau zu sein. Diese äußerst konspirativen Verbindungen nennen sich …«

»Triaden, ich weiß«, brummte Lassiter. »Eigentlich ein chinesisches Phänomen, aber die Japaner hier in den Staaten haben deren Prinzipien und Regeln übernommen. Schwierig, in diese Kreise vorzudringen. Sie sind äußerst verschlossen und misstrauisch, leben in ihrer eigenen Welt.«

»Die Bande, über die wir hier sprechen, nennt sich der Bund der Vier Affen .« Indigniert hob Denison die Achseln. »Muss mit dieser alten japanischen Legende zu tun haben. Sie wissen schon – nichts sehen, nichts hören, nichts sagen, nichts fühlen. Coulders Informanten sagen, sie haben ihr Hauptquartier in einem Etablissement namens Sieben Jadeblüten , so eine Art Badehaus mit diskreten Separees, in denen man sich von zierlichen Damen verwöhnen lassen kann.«

Lassiter grinste. »Also ein Bordell, das sich nach außen als Hygieneanstalt darstellt.«

Dem Anwalt gelang eine süffisante Miene, die man wohlwollend als Lächeln deuten konnte. »Es ist Teil eines verwinkelten Gebäudekomplexes, der wie ein Labyrinth daher kommt. Dazu gehören eine große Wäscherei, Teestuben, Garküchen, mindestens ein Dutzend kleine Wohnungen und Gott weiß was noch. Das Viertel oben zwischen der China Basin und der Market Street ist unübersichtlicher als ein Ameisenhaufen – und es geht dort mindestens genau so hektisch zu.«

Denison machte den Eindruck, als würden ihn schon allein bei der Vorstellung Schwindelgefühle befallen.

»Sie glauben also, Delarue hält sich auch selbst dort auf?«

Denison zuckte die Achseln. »Zumindest glaubt Coulder das. Am besten sprechen Sie selbst mit ihm, ich habe Ihr Kommen angekündigt.«

Er zog eine Schublade auf und nahm einen gefalteten Lageplan der Stadt heraus, den er Lassiter reichte. »Hier sind alle für Sie wichtigen Orte eingezeichnet, einschließlich des Marshal’s Office.«

»Das werde ich tun, aber zunächst möchte ich mir selbst ein Bild machen, wenn Sie nichts dagegen haben.« Lassiter steckte die Karte ein, erhob sich, und die Männer schüttelten sich zum Abschied die Hände.

»Ich wünsche gutes Gelingen«, sagte Denison. »Sollten Sie noch etwas brauchen oder herausfinden, melden Sie sich bitte bei mir.«

Lassiter tippte sich an die Krempe seines Stetsons, machte kehrt und verließ das Büro.

Das Anwesen lag im Herzen des San Miguel Rancho, einer hoch aufragenden Hügelkette im Westen jenseits der lärmigen Innenstadt. Durch Bäume und dichte Büsche geschützt, war die Villa von der Straße zum Hang hinauf aus kaum zu sehen.

Die Männer waren von Pablo, dem livrierten Diener, dessen Name nicht recht zu seinen asiatischen Gesichtszügen passte, empfangen worden und hatten die Kiste in den Salon getragen, der wie üblich im Halbdunkel lag. Schwere Vorhänge waren vor den hohen Fenstern zugezogen worden, um das Licht der Morgensonne auszusperren.

Nachdem sich seine Männer zurückgezogen hatten und draußen auf dem Vorplatz auf ihn warteten, rutschte Jacky Blinder unruhig auf seinem Polsterstuhl hin und her und starrte die Kiste an, die vor ihm auf einem niedrigen Couchtisch stand. Das dunkle Holz schimmerte im Zwielicht, und er fragte sich nicht zum ersten Mal, was sich darunter verbarg.

»Mach sie auf, Blinder«, flüsterte es plötzlich heiser hinter ihm, und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.

Unvermittelt gab er einem Reflex nach und wollte sich umwenden, doch der Boss warnte ihn. »Nicht umdrehen, Jacky. Hast du das immer noch nicht gelernt? Wenn du weiter atmen willst, dann tu nur, was ich dir sage.«

»Okay, Sir. Natürlich«, brachte er hervor, erhob sich und trat vor die Kiste.

Die Beschläge auf der Oberseite schienen aus Silber zu sein und gleichzeitig als Verschlüsse zu dienen. Er tastete sie ab und stellte kurz darauf fest, dass sie sich zur Seite drehen ließen. Der Deckel, in den japanische Schriftzeichen geschnitzt waren, ließ sich leicht abnehmen.

»Wow«, flüsterte er, und seine Augen weiteten sich, als er den Deckel hochnahm.

»Was siehst du?«, flüsterte die Stimme hinter ihm.

»Ich, also … ich …«

»Jetzt antworte schon.«

Auf einem Polster aus weißem Samt leuchtete Blinder etwas entgegen, wofür ihm die Worte fehlten. Er versuchte es trotzdem.

»Es ist … ich weiß nicht genau, was es ist, Sir«, stammelte er.

Der Boss seufzte. Es war ein feuchtes Rasseln, als würde sich eine riesige Schabe über glatten Marmor bewegen.

Blinder wusste, dass Delarue wie üblich in einer Art Alkoven im hinteren Bereich des Salons neben dem Kamin saß, der von einem Nebenraum aus betreten werden konnte. Er war durch Vorhänge geschützt, und darin herrschte absolute Dunkelheit. Daher hätte er ohnehin kaum etwas erkennen können, hütete sich aber dennoch davor, sich auch nur in die Richtung zu wenden.

»Nimm es heraus und halt es hoch, damit ich es sehen kann«, befahl ihm der Boss.

Blinder gehorchte. Es war schwer, was ihn nicht überraschte. Aber dass es eine eigentümliche Wärme ausstrahlte, die irgendwie zu pulsieren schien, beunruhigte ihn. Er verzog die Lippen und hob es über seinen Kopf.

Schweiß trat ihm auf die Stirn, und die Sekunden dehnten sich, bis Delarue endlich wieder etwas sagte: »Ausgezeichnet. Leg es zurück in die Kiste.«

Es gab nichts, was er lieber getan hätte. Vorsichtig bettete Blinder das Objekt auf das Polster und legte den Deckel zurück auf die Kiste. Seine Finger kribbelten, als seien sie eingeschlafen.

»Ist also alles in Ordnung, Sir?«, fragte er, während er sich seine Finger verstohlen an den Hosenbeinen abwischte.

»Das frage ich dich, Jacky«, flüsterte Delarue. »Was den Inhalt der Kiste angeht, kann ich deine Frage bejahen. Aber ich habe das Gefühl, als hättest du noch etwas auf dem Herzen.«

Blinder schluckte, doch der Kloß in seinem Hals wollte nicht weichen. »Kerouac hatte Probleme drüben in Sendai«, brachte er schließlich hervor, weil er wusste, dass es sinnlos war, vor Delarue etwas zu verbergen. »Die Japaner müssen irgendwie Wind von … von dieser Sache bekommen haben.«

»Unmöglich!« Zum ersten Mal verlor die heisere Stimme hinter ihm etwas von ihrer Gelassenheit.

»Ich fürchte, es ist so«, musste Blinder eingestehen. »Kerouac hat drei seiner Männer verloren. Ihm ist nur mit knapper Not die Flucht gelungen, und jetzt fordert er zweitausend Dollar mehr als das vereinbarte Honorar.« Er schloss die Augen und bemerkte, wie er zu zittern begann.

Es spielte keine Rolle, dass er keine Schuld daran trug, was viele tausend Meilen weiter östlich vorgefallen war. In Delarues Welt galten andere Gesetze, wie er nur zu gut wusste. Schließlich arbeitete er schon seit fast zwei Jahren für den Gangsterkönig. Und war immer noch am Leben, womit er einigen ehemaligen Mitstreitern etwas voraushatte.

»Es tut mir leid, Sir«, stammelte er, während das Schweigen von Delarue ihm den Angstschweiß über Stirn und Rücken trieb.

»Du hast Mr. Kerouac für diesen Auftrag ausgesucht, oder nicht, Jack?«

Blinder biss sich auf die Unterlippe. »Er hat schon unzählige Aufträge von uns bekommen, Sir«, verteidigte er den Käpt’n der Escorial, vor allem aber sich selbst. »Daniel ist zuverlässig wie kein Zweiter. Denken Sie an die Fracht aus Mexiko letztes Jahr! Da hätte er sich leicht aus dem Staub machen können, aber das hat er nicht getan. Die Schlitzaugen, von denen er die Fracht übernommen hat, müssen Mist gebaut haben!«

»Sei vorsichtig mit deinen Worten, Jacky«, warnte Delarue ihn, und er nickte hastig.

»Natürlich, Sir, selbstverständlich«, stieß er hervor. Und wartete auf eine Antwort.

Minuten verstrichen, bis er erlöst wurde.

»Gib Kerouac sein Geld …«

»Okay«, sagte Blinder erleichtert.

»Und dann bringt ihr sie um. Alle.«

Fast hätte er sich doch noch umgedreht, so entgeisterte ihn der Befehl.

»Was? Sie meinen …«

»Habe ich mich unklar ausgedrückt, Jacky? Du gibst ihm sein Geld, damit Kerouac sich sicher fühlt. Aber bevor sie ablegen, sorgt ihr dafür, dass keiner von ihnen mehr reden kann. Haben wir uns verstanden?«

»Verstanden, ja.«

»Dann darfst du jetzt gehen.«

»Okay.« Mit gesenktem Kopf beeilte sich Blinder, zur Tür zu kommen. Als er die Klinke in die Hand nahm, atmete er kurz durch, während er sich daran erinnerte, dass der Boss Wert auf Höflichkeit legte. »Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Sir.«

»Ebenso, Jacky … und viel Erfolg.«

Lassiter wandte den Blick und trat auf die Straße, als die Straßenbahn von oben auf ihn zu rumpelte. Er sprang hinter einem Fuhrwerk vorbei, griff nach der Stange neben den Stufen und zog sich mit einer kräftigen Bewegung auf den Wagen, der sich in gemächlicher Geschwindigkeit den steilen Abhang hinunter bewegte.

»Vorsichtig, Mister!«, fuhr ihn eine ältere Frau an, als er die Stufen hinaufkam. Unwillig starrte sie zu ihm auf. »Sie treten mir ja die Füße platt!«

»Sorry, Ma’am.« Entschuldigend blickte er auf sie hinab, während er versuchte, in der Enge seinen Platz zu finden. »Bin ich hier überhaupt richtig auf dem Weg nach Japantown?«

Ihre Miene wurde nicht freundlicher. »Im Großen und Ganzen«, knurrte sie mürrisch und zog ihren Jackenkragen über dem ausladenden Busen zurecht. »Ist aber noch eine Meile, und an der Endstation müssen Sie sich rechts halten. Immer dem Gestank nach.«

Er beugte sich zu ihr herunter. »Welcher Gestank?«

Die Alte verdrehte die Augen. »Sie sind nicht von hier, oder? Der Gestank, der aus den Kesseln kommt, in dem die Schlitzaugen Gott weiß was köcheln.« Sie lachte meckernd und entblößte dabei Kiefer, die mehr Lücken als Zähne aufwiesen. »Schätze mal, die Gelbgesichter sorgen wenigstens dafür, dass die Ratten nicht irgendwann die ganze Stadt übernehmen.«

Kurz hinter dem Lafayette Square stieg er aus dem Cable Car und marschierte die Straße hinab, deren Gefälle nun deutlich moderater ausfiel, obwohl er immer noch einen beeindruckenden Blick auf die Bucht hatte.

Zwischen dem vierten und sechsten Distrikt war die Bebauung bereits dichter. Kleine Geschäfte, Cafés und Büros wechselten sich ab mit dreigeschossigen Mietshäusern, und die Architektur war vorwiegend viktorianisch geprägt. Die Straßenzüge waren wie in den meisten rasch gewachsenen, aber dennoch weitsichtig geplanten Großstädten der Vereinigten Staaten schachbrettartig angelegt, was die Orientierung auch für auswärtige Besucher erleichterte.

Er beherzigte den Rat der alten Frau und wandte sich südwärts, bis sich Bewohner und Fassaden wandelten.

Je näher er dem Hafen kam, desto ärmlicher wurden die Häuser, die die Straße säumten. Auch die Straßen dazwischen nahmen sich nun schmaler aus; das Pflaster war löchrig, von Unrat übersät und wurde bevölkert von Menschen unterschiedlichster Hautfarben, wobei Asiaten die Mehrheit bildeten.

Lassiter wusste, dass sich hier Chinesen, Japaner und Koreaner tummelten, kannte sich aber nicht gut genug damit aus, die fremden Völker aus dem Osten voneinander zu unterscheiden. Er wusste nicht, ob er sich in Japantown oder in Chinatown befand; die Viertel gingen in San Francisco fließend ineinander über. Deshalb zog er den Stadtplan von Denison zu Rate.

Es dauerte eine Weile, bis er ein Straßenschild mit dem Plan in Verbindung bringen konnte und feststellte, dass er nur noch einen Block von dem Etablissement entfernt war, das Denison genannt und mit einem roten Kreuz eingezeichnet hatte.

Er rümpfte die Nase, während er einem Lastkarren auswich und sich dabei dicht an die Bretterwand drücken musste, damit der mannshoch mit Säcken beladene Wagen ihm nicht über die Stiefelspitzen fuhr.

Nach Blumen duftete es hier jedenfalls nicht.

Als neben ihm ein Schwall dunkelbrauner Brühe durch ein Rohr auf das Pflaster lief, wusste er auch, warum.

Er stieg über das Rinnsal hinweg und marschierte die Straße hinunter, bis er auf einen kleinen Platz gelangte, an dem mehrere Gassen aufeinandertrafen.

Lassiters Mundwinkel hoben sich zufrieden.

Das zweistöckige Gebäude, das sich vor ihm erhob, war farbenfroh gestrichen und wirkte gepflegt und einladend. Über dem Eingang war ein Schild angebracht, auf dem sowohl in westlichen Lettern als auch in fernöstlichen Schriftzeichen dessen Name zu lesen war:

Sieben Jadeblüten

»Ein Bad könnte nicht schaden«, murmelte er leise zu sich selbst und ging die Stufen hinauf.

Hinter der Tür trat er in ein im Halbdunkel liegendes Foyer, in dem es überraschend kühl war. Vor ihm befand sich ein niedriger, weißgestrichener Tresen, der von Pflanzenkübeln flankiert wurde. Hochgewachsene grüne Gewächse ragten heraus, die aussahen wie Schilfrohr. An der Decke hingen orangefarbene, mit Schriftzeichen verzierte Papierlaternen, in denen Kerzen brannten und den Raum in ein weiches Licht tauchten.

In der Ecke links von ihm stand ein Tisch, dessen Beine jemand zu Stummeln gekürzt hatte, denn die Platte war kaum höher als seine Stiefel. Darum waren quadratische Sitzkissen auf einem hellen Bast-Teppich drapiert.

Keine Stühle. Die hatte der verrückte Handwerker wohl gleich mitgenommen, als er die Tischbeine abgesägt hatte.

Lassiter zuckte die Achseln. Sicher, wozu hätten die Stühle jetzt auch noch dienen sollen.

»Moshimoshi«, ließ sich eine leise Stimme hinter ihm vernehmen, und er wandte den Blick.

Die zierliche Frau hinter dem winzigen Empfangstresen war völlig lautlos hinter dem Paravent hervorgetreten und neigte schüchtern den Kopf, als Lassiter sie ansah. Ihre zu einem schwarzen Helm aufgetürmte Frisur war mit mehreren Holzstäbchen zusammengesteckt, was ein wenig so aussah, als würden zu klein geratene Indianerpfeile ihren Kopf durchbohren.

Lassiter grinste schief und hob die Hand zum Gruß, während er auf sie zutrat.

»Howdy«, brummte er und betrachtete das Mädchen eingehender.

Sie trug einen langen, in schwarz und gelb gemusterten Seidenmantel, der ihr bis über die Füße reichte. Ihre Haut war makellos und fast weiß, wie Elfenbein. Obwohl er nicht viel davon zu sehen bekam, denn der Seidenmantel war mit einer goldfarbenen Spange unter ihrem Hals geschlossen und die Ärmel fielen ihr bis zu den Fingern herunter.

Ihr Gesicht war immer noch gesenkt und verschwand zur Hälfte unter dem Turm aus schwarzem Haar, doch ihre Schönheit entging ihm dennoch nicht.

»Wie darf ich Ihnen dienen, Mister?«, fragte sie mit einer Stimme, die so zart war wie ein Wispern im Wind.

Fasziniert von ihrem Anblick, brauchte Lassiter ein paar Sekunden, bevor er sich räusperte und eine Antwort gab. »Nun, ich würde gern ein Bad nehmen, Miss.«

»Ein Dampfbad, Sir, oder ein kühlendes Kräuterbad? Möchten Sie allein sein dabei, oder wünschen Sie Gesellschaft? Möchten Sie vorher etwas zu essen oder zu trinken, oder danach? Die Mahlzeit darf mit Fisch oder Fleisch sein oder nur eine Suppe? Eine Massage, während Sie baden, oder lieber hinterher? Darf Massage nett sein oder nur Ihren Nacken berühren?«

Lassiter starrte die Frau an und kratzte sich verwirrt die Stirn. »Also, ein heißes Bad wäre schön«, brummte er nach einer Weile zögernd. »Aber ich weiß nicht genau, was Sie mit »Gesellschaft« meinen …«

»Wir haben großes Becken, in dem sich Männer unterhalten können«, antwortete sie bereitwillig, schaute dabei aber immer noch zu Boden. »Dort werden Getränke serviert, aber auch andere Dinge.«

»Andere Dinge?«

Sie zögerte einen Moment. »Was immer Sie wünschen, Mister.«

»Ich denke, ein privates Separee ist mir lieber«, sagte Lassiter schließlich, während ihm angesichts des umfangreichen Angebots immer noch der Kopf schwirrte. »Wenn das möglich ist.«

»Selbstverständlich.« Sie verneigte sich noch etwas tiefer und wandte sich um. »Bitte Sie mir folgen.«

Das Mädchen bewegte sich vor ihm an der Papierwand vorbei, und da er ihre Füße nicht sehen konnte, wirkten ihre Bewegungen seltsam geisterhaft. Die Schultern hoben und senkten sich nicht, und sie wog sich auch nicht in den Hüften. Es hatte den Anschein, als würde sie auf einem Wägelchen hocken und von einer unsichtbaren Schnur gezogen werden.

Er ging ihr nach durch einen langen Gang und blähte die Nasenflügel. Okay, hier duftete es jetzt tatsächlich angenehm nach Blumen. Ein Kontrast zu dem Gestank vor der Tür des Etablissements, der einherging mit dem Gefühl, eine andere Welt betreten zu haben.

Über der niedrigen Decke ertönte ein Zischen, und er hob den Kopf. Durch ein paar Schlitze in den Paneelen senkte sich Wasserdampf in den Gang, und leise Stimmen aus der Etage über ihnen waren zu vernehmen.

Das Mädchen öffnete eine Tür, wandte sich zu ihm um und breitete die Hände aus. »Bitte eintreten, Mister«, forderte sie ihn auf.

Die Kabine war klein, kaum größer als drei mal drei Yards. In der Ecke befand sich eine hölzerne Bank, daneben ein Garderobenständer. Das Mädchen trat vor ihn und deutete ein weiteres Mal eine Verbeugung an, bevor sie ihm zum ersten Mal offen ins Gesicht sah.

»Jetzt bitte ausziehen, Mister«, bat sie.

Lassiter hob die Augenbrauen.

»Alles?«, fragte er überflüssigerweise.

Sie kicherte verhalten und hielt sich dabei eine Hand vor den Mund. »Bitte ja. Wir hier achten sehr auf Reinlichkeit, verstehen?«

Lassiter nickte und zuckte die Achseln. »Okay, natürlich.«

Ohne weitere Umschweife entledigte er sich seiner Kleidung, bis er splitternackt vor ihr stand. Das Mädchen sah diskret zu Boden, doch als er seinen Remington aus dem Gurt zog, den er an den Ständer gehängt hatte, hob sie die Hand.

»Sie … sie dürfen Waffe nicht …«

»Seien Sie mir nicht böse, Miss. Aber ich werde ohne meinen Remington nirgendwo hingehen«, brummte er. »Keine Angst, ich benutze ihn nur, wenn mir jemand zu Leibe rücken will.« Er versuchte, seiner Stimme einen beruhigenden Tonfall zu verleihen, und nach kurzem Zögern nickte sie, obwohl man ihr ansah, dass ihr Lassiters Beharren nicht gefiel.

»Ist okay.«

»Jetzt, wo wir uns schon so nahe kommen und ich nackt vor dir stehe … würdest du mir dann auch deinen Namen verraten?«

Er bemerkte ein kleines Lächeln auf ihren schmalen, aber schön geschwungenen Lippen.

»Riuji«, antwortete sie leise.

»Schöner Name. Riuji …«

Sie schüttelte den Kopf, weil er den Namen offenbar falsch ausgesprochen hatte. »Nein … Ri. U. Chi.«

»Okay, Ri-U-Chi.« Er deutete eine Verbeugung an. »Ich heiße Lassiter.«

»Lass …itt …arr«, wiederholte sie konzentriert, und in seinen Ohren klang ihre Aussprache seines Namens bezaubernd.

»Und wie geht’s jetzt weiter?«

Sie sah zu ihm auf und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor sie nickte. Dann drehte sie sich um und schob die Tür, die Lassiter für eine Rückwand gehalten hatte, mit einer nonchalanten Bewegung beiseite.

Über ihren Kopf hinweg schaute er in einen Raum, aus dem ihm wohlriechender Wasserdampf entgegen strömte. Er sah einen hölzernen Waschzuber und ein paar Grünpflanzen, die dahinter standen. Ein hüfthoher silberner Kerzenleuchter erhellte die Szenerie.

»Heißes Bad? Sie wollten doch heißes Bad?«

Er schaute sie an, und sie erwiderte seinen Blick, nur ein wenig verunsichert. »Und vielleicht Massage? Nett oder nur Nacken?«

Lassiter hob die Achseln und unterdrückte ein Lächeln. »Wir werden sehen.«

Das Fiddlers war eine der übelsten Spelunken im Hafenviertel von San Francisco, aber der Laden hatte den Vorteil, dass sich weder die Uniformierten der Harbor-Patrol noch die Deputies des Town-Marshals allzu oft in diese Gegend verirrten.

Daniel Kerouac saß mit seinem Maat Brandon DeVries vor einem frühen Bier und schaute Jacky Blinder abschätzend entgegen, als der sich einen Weg durch die eng zusammenstehenden Tische bahnte.

Blinder setzte ein gewinnendes Lächeln auf und war zuversichtlich, dass die Seemänner es ihm abkaufen würden. In jüngeren Jahren war er eine Zeit lang recht erfolgreich als Theaterschauspieler tätig gewesen, bevor er sich einträglicheren Jobs zugewandt hatte.

Er winkte dem Bartender zu zum Zeichen, dass er auch ein Bier wünschte, bevor er Kerouac gegenüber Platz nahm.

»Und? Hast du unser Geld?«, fragte der Käpt’n statt einer Begrüßung.

Blinder lächelte jovial. »Was glaubst du wohl? Selbstverständlich!«

»Dann lass sehen!«

Ein dicker Umschlag wechselte den Besitzer, und Kerouac warf einen Blick hinein, bevor sich seine Miene entspannte und er DeVries zunickte.

»Na also«, brummte er. »Geht doch.«

»Hast du etwas anderes erwartet?« Mit treuherzigem Blick breitete Blinder die Hände aus und schaute sich verstohlen zu den Nachbartischen um.

Kerouac leckte sich die Lippen. »War mir nicht so sicher seit unserem Gespräch heute früh«, maulte er.

»Hör mal … es tut mir leid, Danny«, sagte Blinder zerknirscht. »Einer der Männer, die du verloren hast, war dein Neffe Donald, richtig? Hab ihn heute Morgen nirgendwo an Deck gesehen. Das ist mir erst später bewusst geworden.«

Der Käpt’n nickte traurig. »Ich weiß noch gar nicht, wie ich das Becky beibringen soll, wenn wir zurück sind in Vancouver.«

»Ich möchte dich und die ganze Mannschaft heute Abend zum Essen einladen, was hältst du davon? Oben im Roxy , da gibt’s den besten Hummer der Stadt. Alles geht auf meine Rechnung.«

»Woher der Sinneswandel? Ich dachte, wir sollten so schnell wie möglich verschwinden.« Kerouac blinzelte argwöhnisch.

Blinder winkte ab. »Auf ein paar Stunden wollen wir es nicht ankommen lassen. Wenn ihr bis Mitternacht den Anker lichtet, ist das okay.« Er beugte sich etwas vor und senkte seine Stimme. »Außerdem hätte ich ein lukratives Angebot für dich.«

Kerouac verzog die Lippen. »Ich denke, von deinen lukrativen Angeboten haben wir erstmal genug, Jack«, knurrte er, und Blinder lachte.

»Das kann ich dir kaum übel nehmen, Kumpel. Dennoch solltest du darüber nachdenken. Diesmal ist es wirklich leicht verdientes Geld.«

Der Bartender kam an den Tisch und stellte den Bierkrug vor ihm ab. Blinder drückte dem Mann mit großer Geste einen Dollar in die Hand und zeigte auf die Getränke, die auf dem Tisch standen. »Alles zusammen, der Rest ist für dich.«

Der Mann bedankte sich und zog ab. Blinder nahm einen tiefen Schluck, während die Seeleute einen kurzen Blick tauschten und DeVries unmerklich nickte.

»Worum geht’s denn überhaupt?«, fragte Kerouac schließlich, und Blinder grinste schief.

»Nur ein paar Fässer Schießpulver und drei Kisten Dynamit, die ihr runterbringen sollt nach San Diego. Zu Sergio, ihr wisst schon.«

Der Käpt’n strich sich über die grauen Bartlocken. »Explosive Scheiße«, knurrte er. »Fahr ich nicht gern, das weißt du genau.«

Blinder wusste auch, dass Kerouac es nichtsdestotrotz schon einige Male getan hatte. »Du bekommst sechshundert Dollar. Im Voraus«, entgegnete er gelassen und trank noch einen Schluck.

Das waren hundertfünfzig Dollar mehr, als Kerouac beim letzten Mal für einen ähnlichen Auftrag erhalten hatte.

»Dafür lässt du dich ein paar Monate nicht mehr hier sehen. Das ist die Bedingung vom Boss.«

Hinter Kerouacs Stirn arbeitete es, und Blinder ließ ihm Zeit, indem er einen weiteren Schluck aus seinem Bierkrug nahm.

»Darüber muss ich nachdenken und es mit meinen Leuten besprechen«, sagte der Käpt’n schließlich, doch Blinder schüttelte den Kopf.

»Sorry, Kumpel, aber das geht nicht. Es ist dringend, und wenn du die Fracht nicht willst, werde ich mir heute noch jemand anderen suchen müssen. Außerdem gilt nach wie vor, dass ihr so bald wie möglich aus Frisco verschwinden solltet. Auch in eurem Interesse. Deshalb setzt ihr heute Nacht die Segel, spätestens zur Geisterstunde.«

Kerouac und DeVries steckten die Köpfe zusammen und tuschelten eine Weile miteinander, bis der Käpt’n schließlich nickte. »Also gut. Aber das Essen steht, und danach werden wir im Golden Eagle noch ein bisschen Spaß haben, wenn du weißt, was ich meine – alles auf deine Rechnung, versteht sich. Wir waren jetzt sechs Wochen auf See, fast ohne Landgänge. Ich werd’s der Mannschaft ein wenig schmackhaft machen müssen, wenn wir gleich wieder in See stechen sollen.«

Blinder stieß scharf die Luft aus, setzte eine bedrückte Miene auf und tat, als müsse er darüber nachdenken. Nichts davon war übertrieben.

Gelernt ist gelernt , dachte er bei sich und ließ knapp eine halbe Minute verstreichen, bevor er scheinbar schweren Herzens nickte.

»Ich hoffe, dafür wird mir der Boss nicht den kleinen Finger abschneiden«, sagte er seufzend.

»Sollte das passieren, darfst du ihn von meiner Schwester Becky grüßen«, brummte Kerouac grimmig, doch er konnte seine Freude über das vermeintlich gute Geschäft kaum verbergen.

»Habt ihr eure Fracht bereits gelöscht?«, fragte Blinder beiläufig.

DeVries bewies, dass er noch über eine funktionierende Zunge verfügte. »Die Männer sind dabei, wollen aber in einer Stunde fertig sein und hier zu uns stoßen.«

»Okay. Ihr werdet eine Bordwache zurücklassen, nehme ich an.«

Die Seeleute schauten sich an und lachten. »Ist der Papst katholisch? Glaubst du, wir lassen die Escorial unbewacht an den Chinadocks liegen?«

Blinder grinste schief. »Wohl kaum. Dann können meine Leute das Zeug für San Diego an Bord bringen, während ihr euch den Bauch vollschlagt im Roxy . Ich werde mich derweil darum kümmern, dass ihr dort und im Golden Eagle mit offenen Armen empfangen werdet.«

Er erhob sich und streckte Kerouac die Hand hin, um den beiden Männern keine Gelegenheit zu geben, weitere Fragen zu stellen.

Der Käpt’n ergriff sie überrascht, und Blinder nickte auch dem Maat freundlich zu. »Da wir uns wohl für eine Weile nicht mehr sehen werden – Mast- und Schotbruch, Gentlemen!«

Er schob sich an den Stühlen und Tischen vorbei und war weitaus schneller aus dem Fiddlers verschwunden, als er gekommen war.

Lassiter schloss die Augen und ließ sich in das warme Wasser herabsinken, auf dem tatsächlich ein paar Seerosen schwammen. Der Duft der Blüten und der Essenzen, die dem Badewasser beigefügt waren, roch nicht nur betörend, sondern schien auch seiner Atmung gut zu tun, die vom Staub der Straße und zu vielen Zigarillos angegriffen war.

»Ist Wasser okay?«, fragte Riuji mit sanfter Stimme hinter ihm, während ihre kleinen Hände erstaunlich kräftig und entschlossen seine Nacken- und Schultermuskeln von ihren Verspannungen befreiten.

»Es ist wunderbar«, brummte er wohlig und spürte, wie die Verhärtungen sich allmählich in anderen Körperregionen eine neue Heimat suchten.

Er griff nach der mit grünem Tee gefüllten Tasse, die neben ihm auf dem Bord stand, nahm einen Schluck und verzog überrascht die Lippen.

»Ist Tee nicht gut?«, fragte das Mädchen beunruhigt, weil sie spürte, wie er sich ein wenig aufrichtete.

»Doch, doch«, entgegnete er und meinte es so. »Er schmeckt nur ein wenig … ungewöhnlich. Scharf, oder nicht?«

Sie zögerte einen Moment mit der Antwort, offenbar, weil sie nach dem richtigen Wort in seiner Sprache suchte.

»Ist Ingwer, sehr gesund«, sagte sie schließlich, und er brummte zustimmend.

Als ihre kundigen Finger spürten, dass seine Schultern sich entspannt hatten, griff sie nach einem rauen Schwamm, goss etwas Öl aus einer Karaffe darüber und rieb ihm damit den Rücken ab. Mit langsamen, kreisförmigen Bewegungen bewegte sich ihre Hand über seine Haut, und Lassiter ging der Gedanke durch den Kopf, dass er diese Wohltat noch stundenlang genießen könnte.

»Möchte Lassiter noch mehr davon?«, hauchte sie ihm ins Ohr, während sie ihre andere Hand ins Wasser tauchte und zärtlich über seine Seite wandern ließ.

Er legte den Kopf in den Nacken und öffnete die Augen. Sie stand über ihm auf dem Hocker und erwiderte seinen Blick auf rätselhafte Weise. Sekundenlang tauchte er darin ein, in diese schwarzen Teiche über ihm, bevor er langsam nickte und die Augen wieder schloss.

Ein leises Rascheln ertönte, als sie ihren Kimono öffnete und sich vorbeugte. Er spürte ihre kleinen festen Brüste an seinem Kopf, während ihre Hände über seine Schultern fassten und erst seine Hüften, dann den Unterleib streichelten.

Die zarten Finger liebkosten ihn auf eine Art und Weise, die er nie zuvor erlebt hatte, und Lassiters Herz begann schneller zu schlagen. Das Blut rauschte durch seinen Körper und schoss in dessen Mitte. Er fühlte, wie sich sein Glied damit füllte und jetzt steil aus dem Wasser ragte wie der Mast eines untergehenden Schiffes.

Sein Rücken bog sich unwillkürlich durch, als sie mit beiden Händen den steifen Schaft umfasste und langsam zu massieren begann. Er stöhnte auf und vergaß, weshalb er die Sieben Jadeblüten eigentlich aufgesucht hatte. Vergaß den Auftrag, Denison, die Triade der Vier Affen und gab sich ganz der Lust hin, die das Mädchen ihm bereitete.

Sie wusste genau, was sie tat. Wusste, wie die Leidenschaft des Mannes entfacht werden konnte, wie auch den nahenden Höhepunkt aufzuhalten. Deshalb trieb sie Lassiter allein mit ihren beiden Händen, der Berührung ihres Körpers und ihrem Duft schier in den Wahnsinn.

Es war Teil des Spiels, dass er ihr nicht wirklich nahekommen, sie nicht in Besitz nehmen konnte.

Sie bereitete ihm Lust, ohne dass er das Heft in die Hand nehmen konnte. Das war Lassiter nicht gewohnt, doch in diesen Momenten störte er sich auch nicht daran, ganz wider seine Art. Zu überwältigend waren die Gefühle, zu köstlich ihre Berührungen.

Er ließ sich fallen in den Rausch der Ekstase, begab sich hilflos in den Griff der fremden jungen Frau, bis sie es endlich zuließ, dass der Höhepunkt ihn durchfuhr wie ein Blitzschlag.

Es fühlte sich an wie eine Explosion, die sich bis in die letzten Nervenenden seines Körpers ausdehnte, als er zu einem Orgasmus kam, der ihn übermannte wie ein Schlag in das Zentrum seines Körpers.

Ein gutturaler Laut entrang sich seiner Kehle, während er vage spürte, wie Riujis Hände von ihm abließen.

»Bei allen Heiligen …«, brachte er keuchend hervor und stützte sich mit beiden Armen am Rand des Zubers ab. Als er die Augen öffnete, tanzten Sterne vor ihm hin und her, und er blinzelte, bis sich die Sicht normalisierte.

Ein Schwall Wasser schwappte über den Rand, als er sich ein Stück aufrichtete und den Kopf wandte.

»Riuji?«

Er war allein im Raum.

Stirnrunzelnd stieg er aus der Wanne und griff nach einem weißen Handtuch, das neben dem Zuber auf einem Hocker lag.

»Riuji?«, rief er noch einmal, doch er erhielt immer noch keine Antwort.

Eine etwas seltsame Art und Weise, sich nach einem derart intimen Zusammensein zu verabschieden.

Lassiter trocknete sich ab, griff nach dem Remington auf der Ablage und befürchtete schon, dass zumindest ein Teil seiner Sachen aus dem Nebenraum verschwunden war, als er die Tür beiseiteschob.

Er wurde eines Besseren belehrt. Alle Kleidungsstücke erwarteten ihn so, wie er sie zurückgelassen hatte.

Darüber hinaus hatte Riuji eine Rosenblüte hinterlassen, die auf seiner Hose lag.

Lassiter nahm sie auf und roch daran. Ein schmales Lächeln legte sich auf seine Lippen.

Die beiden alten Männer, die ihre Angelruten in den schwieligen Händen hielten, waren nicht die einzigen, denen die schnittige Fregatte auffiel, die sich am späten Nachmittag der Küste näherte.

Doch im Gegensatz zu anderen Beobachtern erkannte Edward Grimes auf den ersten Blick, dass es mit diesem Schiff eine besondere Bewandtnis haben musste.

Deshalb ließ er seine Rute sinken, nahm die Meerschaumpfeife aus dem Mund und murmelte: »Da soll mich doch der Teufel holen!«

Sam Jenkins, sein bester Kumpel, hob überrascht den Kopf, weil sie seit Stunden kein Wort gewechselt hatten.

Er folgte seinem Blick, bevor er anerkennend durch die Zähne pfiff. »Donnerwetter, ein elegantes Exemplar. Das sieht man selten. Britisch, möchte ich meinen.«

Er schob sich die Schiffermütze in den Nacken, während Grimes ihm einen kurzen Blick zuwarf. »Sieht so aus, aber hast du die Flagge nicht bemerkt?«

Jenkins zog einen silbern glänzenden Flachmann aus der ausgebeulten Seitentasche, während er interessiert beobachtete, wie das Schiff an den gemauerten Wellenbrechern vorbeizog.

»Japaner?«, fragte er, als er die weiße Flagge mit dem roten Kreis in der Mitte bemerkte.

Grimes nickte. »Und es sieht so aus, als hätten sie es eilig.«

Die Bugwellen, die der schlanke Dreimaster bei seiner Fahrt auslöste, trieben bis zur Mole, an der sie hockten.

»Ich hasse Leute in Eile«, brummte Jenkins missmutig, nahm einen kräftigen Schluck aus dem Flachmann und reichte ihn seinem Freund, bevor er seine Angelrute hochzog. »Vertreiben uns die Fische. Und das verdirbt mir die Laune.«

Mit spöttischer Miene zeigte Grimes auf den leeren Eimer, der neben dem Schemel seines Kumpels stand. »Du willst dich doch nur rausreden, Sam! Schieb’s nicht auf die Schiffe, dass du ein schlechter Angler bist.«

»Als wärst du einen Deut talentierter als ich«, gab Jenkins brummig zurück, schmunzelte dabei aber gleichmütig. »Wir wissen doch beide, dass wir nur hier sitzen, weil unsere zerknitterten Visagen sonst niemand mehr sehen mag und das Bier oben bei Martha zu teuer ist, um den ganzen Tag über an ihrer Theke zu hocken.«

Als er den Kopf wandte, bemerkte er, dass Grimes immer noch zu dem Schiff hinüber starrte.

»Was ist denn?«, fragte er neugierig im Wissen, dass sein Freund zehn Jahre bei der Marine seinen Dienst getan hatte.

Wenn Edward so fasziniert war von diesem Schiff, hatte das vermutlich Gründe, die über den Umstand hinausgingen, dass eine Fregatte britischer Bauart unter japanischer Flagge segelte.

»Der Wimpel unter der Nationalflagge«, vernahm er im nächsten Moment die Antwort. »Wenn mich meine alten Augen nicht täuschen, ist dies das Hoheitszeichen des Kaisers.«

Jenkins schaute zurück zum Dreimaster und kniff die Augen zusammen. »Tausend Teufel«, murmelte er. »Ein Diplomatenboot?«

»Ein Schiff«, korrigierte ihn Grimes schulmeisterlich, ohne den Blick von dem Zweimaster zu nehmen, an dem bereits die ersten Segel gerefft wurden, während es an ihnen vorüberfuhr und sich in einem scharfen Manöver dem bewehrten Kai im Norden näherte. »Sieht aber ganz so aus. Sie scheinen im Presidio anlegen zu wollen, siehst du?«

Jenkins nickte. Das Presidio war der Militärstützpunkt am Golden Gate, der Einfahrt in die Bucht von San Francisco.

Damit stand wohl außer Zweifel, dass die Besucher aus Fernost nicht gekommen waren, um exotische Waren abzuliefern.

Jacky Blinder atmete tief durch, während er das Bordell hinter sich ließ und in das dichte Menschengewühl eintauchte, das sich durch die Bryant Street schob wie ein träger, tausendköpfiger Wurm. Um diese Tageszeit hatten viele Büroangestellte und die Hafenarbeiter der Frühschicht Feierabend und drängten in die Wohnviertel im Osten der Stadt, was das Fortkommen nicht erleichterte, denn sein Ziel lag in entgegengesetzter Richtung.

Deshalb nahm er die nächstmögliche Nebenstraße gen Süden zurück ins Hafenviertel und beschleunigte seine Schritte, sobald das Gedränge abnahm. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass Kerouac und seine Männer vermutlich inzwischen auf dem Weg waren, um sich im Roxy auf seine Kosten den Bauch vollzuschlagen.

Er hatte dafür gesorgt, dass der Käpt’n und die Besatzung der Escorial auch im Golden Eagle auf freundlichste Art und Weise empfangen werden würden. Das opulente Mahl und die exquisiten Liebesdienste von Sally Holbrooke und ihren Mädchen würden hoffentlich nicht nur dafür sorgen, dass die Seemänner auf Stunden beschäftigt waren, sondern auch Kerouacs Argwohn zerstreuen.

Als er die China Basin erreichte, sah er schon aus der Entfernung, das Kenneth Oldman, seine rechte Hand, bereits mit vier Männern und einem voll beladenen Fuhrwerk am Kai vor der Escorial stand und auf ihn wartete.

Beim Näherkommen bemerkte er die beiden Männer an Deck, die Kerouac als Bordwachen zurückgelassen hatte. Er winkte ihnen zu, was halbherzig und mit mürrischen Mienen beantwortet wurde.

»War Jackson schon da?«, fragte er Oldman nach dem Hafenmeister, der an diesem Tag für den Abschnitt zuständig war, in dem sie sich befanden.

Oldman nickte gelassen, nahm einen Zug von seiner Zigarette und wedelte mit dem Frachtpapier.

»Hat seinen Obolus bekommen, und wir unseren Stempel«, brummte er mit einem schiefen Grinsen.

»Bestens. Noch was von Kerouac oder DeVries gesehen?«

Oldman schüttelte den Kopf.

»Okay, dann mal los.«

Er stiefelte über den Landesteg an Bord, während sich Oldman und die anderen anschickten, die Halteseile von den Fässern und Kisten zu lösen, mit denen die Fracht auf dem Fuhrwerk gesichert war.