Lassiter Sammelband 1860 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1860 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2461, 2462 und 2463.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

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Jack Slade
Lassiter Sammelband 1860

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2019 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Boada/Norma

ISBN: 978-3-7517-6433-9

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Lassiter Sammelband 1860

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Lassiter 2461

Die Unerbittliche

Lassiter - Folge 2462

Die Witwe von San Marcos

Lassiter 2463

Blind vor Rache

Guide

Start Reading

Contents

Die Unerbittliche

Der beißende Geruch von Pulverrauch stach in Abigail Connors Nase. Sie schulterte ihre Winchester und schaute sich im Saloon um. Diese Bastarde, die nun tot um sie herum verstreut lagen, waren die einzige heiße Spur gewesen, die sie zu Chase Williams hätte führen können. Jetzt aber war die Fährte erkaltet.

Mit grimmiger Miene wandte sie sich dem Barkeeper zu, der sie hinter der Theke aus angstvoll geweiteten Augen ansah. »Wenn du etwas über den Mann weißt, den ich suche«, raunte die Rothaarige ihm zu, »dann ist jetzt ein günstiger Moment, es auszuspucken.«

Eine Antwort erhielt sie nicht. Das hatte sie auch nicht erwartet. Sie drehte sich um und verließ den Schankraum. Wollte sie die Jagd zu einem erfolgreichen Ende führen, durfte sie nur auf ihre eigenen Fähigkeiten bauen.

Zwei Tage vorher

Lassiter saß im Saloon von Peoria, hing seinen Gedanken nach und trank einen Whiskey nach dem anderen. Die drei Schussverletzungen, die er sich in O’Shannons Place zugezogen hatte, heilten zwar, doch wollte der große Mann vorerst nichts überstürzen. Die Brigade Sieben musste warten. Es gab noch andere Agenten, die dringliche Aufgaben übernehmen konnten.

Ab und zu kam es nun einmal vor, dass Lassiter persönlich von den ihn umgebenden Ereignissen betroffen war und sich für jene einsetzte, die unter den kriminellen Machenschaften skrupelloser Geschäftemacher zu leiden hatten. Federführend in Peoria schien der Rancher Camden Stark zu sein. Er führte nicht nur illegale Waffendeals durch, sondern beseitigte auch jeden, der ihm seiner Meinung nach gefährlich werden konnte. Einen zehnjährigen Jungen und dessen Großmutter hatte Stark bereits hinrichten lassen – einfach auf Verdacht! Abigail Connor wäre die Nächste gewesen, hätten Lassiter und Sheriff Austin Ward ihren Tod nicht in letzter Sekunde verhindert.

Doch es war nicht Stark gewesen, der die junge Mutter hatte töten wollen. Eine Bande skrupelloser Mexikaner war über ihre Farm hergefallen, vermutlich Geschäftspartner von Stark. Bei dem Gefecht war der Sheriff nicht unerheblich verletzt worden und kurierte sich gegenwärtig aus. Camden Stark war noch auf freiem Fuß, doch Ward würde ihn sich vorknöpfen.

Blieb nur noch Chase Williams, ein ergrauter Mittfünfziger und knochenharter Widersacher, den Lassiter sich zum Feind gemacht hatte. Und wie jeder, der in Peoria in einen Kampf verstrickt worden war, hatte auch er erhebliche Blessuren davongetragen.

Wo der Mann sich aufhielt, stand in den Sternen. Dass es zu einer letzten Konfrontation mit Lassiter kommen würde, war hingegen so sicher wie das Amen in der Kirche.

Sorgen bereitete dem Mann der Brigade Sieben noch mehr als alles andere Abigail Connor. Nach dem Verlust ihres Ehemannes hatte man ihr auch noch den einzigen Sohn und die Mutter genommen. Lassiter wusste nicht, wie es in der Frau aussah. Sie mochte sich in ihr Schicksal ergeben und versuchen, ihren Kummer zu überwinden. Daran aber glaubte Lassiter nicht. Sein letzter Eindruck war ein völlig anderer gewesen. In Gedanken schon stellte er sich vor, wie sie von Rache getrieben eine blutige Spur hinter sich herzog.

»Karten!«, rief plötzlich einer von der Tür her dem Barkeeper zu. »Und Weiber!«

Lassiter drehte sich am Tresen herum und sah vier abgehalfterte Gestalten, die in den Saloon polterten. Ihrer groben Kleidung nach handelte es sich um Cowboys, die gerade von der Range kamen, um ihren Monatslohn auf den Kopf zu hauen. Für gewöhnlich waren die Kuhhirten umgängliche und vor allem schweigsame Burschen, aber diese Jungs brachen mit ihrer Tradition. Sie führten sich auf, als würde der Saloon ihnen gehören, verscheuchten einige Gäste von ihren Plätzen und schoben zwei rechteckige Tische zusammen.

Der Barkeeper wirkte überfordert, hielt sich ängstlich zurück und suchte in einer Schublade unter der Theke nach den gewünschten Karten. Lassiter stellte sein Glas beiseite und wanderte den Unruhestiftern entgegen. Zwei Armlängen vor dem Doppeltisch blieb er stehen und raunte: »Es gibt Regeln, wie man sich in der Öffentlichkeit verhält. Es wäre schön, wenn sich alle daran halten würden.«

»Was willst du denn?«, blaffte derselbe hagere Kerl, der nach Karten und Frauen verlangt hatte. »Falls du nicht zählen kannst, Meister: Wir sind zu viert.« In seinem schmalen Gesicht stachen die Wangenknochen wie bei einem Totenschädel hervor. Der Mann hatte kleine listige Augen und gab eine Miene zum Besten, die darauf hindeutete, dass er zwar kein gewandter Redner, dafür aber ein hartgesottener Schläger war.

Lassiter kannte Kerle seines Kalibers zur Genüge. Sie waren überheblich und auf Streit aus. Mit ihren Fäusten glaubten sie, alles regeln zu können. Aber da waren sie bei dem Brigade-Agenten genau an der richtigen Adresse. »Kein Grund, unhöflich zu werden«, sagte Lassiter, darauf bedacht, keine Kampfhandlungen zu provozieren. Trotz seines angeschlagenen Zustands waren die vier keine Gegner für ihn. »Wenn ihr euch ruhig verhaltet, kommen wir gut miteinander aus.«

Lähmendes Schweigen machte sich im Schankraum breit. Nun begaben sich auch diejenigen zum Ausgang, die nicht rüde von ihren Tischen verjagt worden waren. Lediglich der Barkeeper – trotz seiner furchtsamen Zurückhaltung – versuchte zu schlichten. »Die Karten kommen gleich!«, rief er durch den Raum. »Und für die nötige Unterhaltung sorge ich auch.«

»Halt’s Maul, Fettwanst!«, keifte der Hagere und stand gemächlich, aber angespannt, von seinem Stuhl auf. An Lassiter gewandt, zischte er: »Falls du uns den Spaß verderben willst, hast du dir die Falschen ausgesucht. Typen wie dich fresse ich zum Frühstück.«

Der große Mann zeigte sich nicht im Mindesten beeindruckt. Trotz seines gelassenen Auftretens ließ er keinen der vier Cowboys aus den Augen. Daher fiel ihm auf, dass sie ihre Hände unterhalb der Tischkante hielten und damit in der Nähe ihrer Holster. Noch einmal jedoch versuchte er es im Guten. »Niemand will euch den Spaß verderben«, sagte er ruhig. »Das gilt aber auch für alle anderen Besucher. Ihr seid nicht die Einzigen, die sich am Ende eines langen Tages Entspannung verschaffen wollen.«

Mit Argumenten war dem asketisch wirkenden Anführer nicht beizukommen. Seine Augenlider zuckten, als er erwiderte: »Wir nehmen uns, was wir wollen. Dafür haben wir hart gearbeitet. Verzieh dich also, sonst wirst du den Tag deiner Geburt bedauern!« Drohend schwebte seine Rechte über dem Griff seines Revolvers. Und auch seine Kumpane schienen sich bereitzumachen, ihm bei einem Feuergefecht hilfreich zur Seite zu stehen.

»Ist das dein letztes Wort?«, hakte Lassiter nach.

Vier Augenpaare waren unbarmherzig und lauernd auf ihn gerichtet. Jeder der vier wartete offenbar auf den Funken, der die Lunte zum Brennen brachte.

Der Hagere grinste heimtückisch. Sein Handballen legte sich auf den Revolvergriff, während drei Finger und der Daumen ihn umschlossen. Sein Zeigefinger aber schob sich ins Holster hinab zum Abzug.

Lassiter handelte. Den Kerl zu seiner Rechten packte er im Nacken, zerrte ihn gnadenlos in die Höhe und schleuderte ihn über den Tisch. Aufschreiend knallte der Mann gegen den Rädelsführer, zog reflexhaft den Stecher seiner Waffe durch, die sich noch im Holster befand, und schoss sich ins Bein. Zusammen mit dem Hageren, der ebenfalls im Affekt feuerte, aber nur die Dachsparren traf, ging er zu Boden.

Ehe die zwei verbliebenen Cowboys reagieren konnten, stürzte Lassiter vor. Seine im Flug ausgebreiteten Arme krachten wie Bahnschwellen auf die Männer nieder und brachten sie zu Fall. Rücklings schmetterten sie mit ihren Stühlen auf die Dielen. Lassiter nutzte seinen Schwung, rollte sich über die Gestrauchelten hinweg und federte auf die Füße.

Der Erste schoss pfeilschnell in die Höhe und bekam einen eisenharten Haken in die Magengrube ab. Röchelnd klappte er zusammen, wurde von einem Schmetterschlag unters Kinn zurückgeschleudert und prallte gegen seinen Anführer, der in diesen Sekunden taumelnd auf die Beine kam.

»Verdammtes Dreckschwein!«, kreischte der zweite Kerl, der mitsamt seinem Stuhl umgekippt war. Unbeholfen rappelte er sich auf und hielt bereits seinen Revolver in der Faust.

Lassiter trat mit der Wucht eines Wildpferdes zu. Seine Stiefelspitze bohrte sich in den Unterleib seines Gegners, der in höchsten Tönen aufheulte und einen Lidschlag darauf von einem Fausthieb gegen seinen Schädel niedergestreckt wurde. Auf der Stelle verlor er sein Bewusstsein.

Während sich der Angeschossene heulend am Boden wand, machten sich der Gruppenführer und der letzte seiner Genossen erneut bereit zum Kampf. In ihrer schäumenden Wut war es ihnen gleich, auf welche Weise sie ihren Feind zur Strecke brachten. Ihre Fairness – sofern sie sie jemals besessen hatten – war dahin. Der kalte Stahl in ihren Fäusten wartete nur darauf, seine tödliche Ladung zu verschießen.

Doch auch Lassiter hatte seinen Remington hervorgerissen, schoss dem Hageren in den rechten Unterarm, machte gleichzeitig einen Ausfallschritt und trat seinem Nebenmann die Beine unter dem Bauch weg.

Der Anführer kreischte und ließ seine Waffe fallen; sein Kumpan fing seinen Sturz auf der Schulter ab, rollte seitwärts fort und sprang wieder auf die Füße.

Lassiter wollte ihn nicht mehr als nötig verletzen, packte den Remington beim Lauf und schlug zu. Der Hartholzgriff grub sich in das Gesicht seines Widersachers, ließ Knochen splittern und die Nase des Mannes aufplatzen. Blut schoss aus beiden Löchern und spritzte auf die Holzdielen. Und bevor er seinen Kopf wieder gewendet hatte, drosch ihm Lassiter seine Faust gegen die Schläfe, sodass dem randalierenden Cowboy erst einmal die Lichter ausgingen.

Blitzschnell war Lassiter wieder bei dem Hageren und packte ihn bei der Gurgel. »Es hätte nicht soweit kommen müssen!«, presste er hervor. »Was geschehen ist, habt ihr euch ganz allein zuzuschreiben.«

Außer mit einigen gestammelten Silben war der Kerl nicht in der Lage, sich zu artikulieren. Seine Züge waren schmerzverzerrt. Die Schusswunde in seinem Arm trieb ihm den kalten Schweiß auf die Stirn.

Einige Augenblicke lang hielt Lassiter den aufmüpfigen Burschen noch umklammert, bis in seinem Rücken eine Stimme aufklang. »Sie ziehen den Ärger an wie ein Scheißhaufen die Fliegen, Lassiter.«

Es war Sheriff Austin Ward. Der Sternträger schien wieder gut dabei zu sein. Äußerlich waren ihm seine Verletzungen nicht anzumerken.

»Wenn ich Sie nicht besser kennen würde, könnte ich es für eine Beleidigung halten«, entgegnete Lassiter schmunzelnd und ließ den Cowboy los. »Da sehen Sie mal, wie es einem ergeht, wenn man mal in Ruhe ein paar Whiskeys kippen möchte.«

»Ich kümmere mich um die Strolche«, gab Ward ihm zu verstehen. »Zwei von ihnen kenne ich. Die kommen von der Cross-Bow-Ranch.«

»Die ist von Stark, oder?«, fragte Lassiter.

Der Sheriff nickte und schien genau zu wissen, worauf Lassiter anspielte. »Ich habe die Angelegenheit nicht vergessen, brauche aber noch ein wenig Zeit. Der Mann lacht mich aus, wenn ich ihn auf Verdacht festnehmen will.«

»Sie haben eine Zeugin«, sagte Lassiter.

»Abigail Connor?« Ward sah zu Boden und schüttelte seinen Kopf. »Keine Ahnung, wo sie steckt. Ich war bereits zweimal auf ihrer Farm und habe auch Abe im Bordell befragt, aber die Lady scheint spurlos verschwunden zu sein.«

Wie ich es mir gedacht habe, ging es Lassiter durch den Kopf. Der Rachefeldzug der jungen Mutter hatte begonnen.

Das Farmgebäude glich einem Schlachtfeld. Die Fassade war von Kugeleinschlägen durchlöchert, Fensterscheiben zerschlagen und Türen eingetreten. Es würde eine Weile dauern, die Schäden zu beseitigen, doch das war es nicht, was Abigail Connor beschäftigte.

Während sie am Grab ihres Sohnes Noah kniete, ließ sie die Ereignisse der letzten Tage noch einmal Revue passieren. Angefangen hatte es in jener verhängnisvollen Nacht, als sie Zeugin eines Waffengeschäftes geworden war, das der angesehene Rancher Camden Stark ausgerechnet auf ihrem Grund und Boden durchgeführt hatte. Der kurze Zeit später erfolgte Angriff der mexikanischen Horde ging zweifellos auf sein Konto. Ebenso die Ermordung ihres Sohnes und ihrer Mutter.

Und als wäre das noch nicht genug gewesen, war auch noch der Skalpjäger Chase Williams hinter ihr her, einer ihrer Freier, den sie vor den Kopf gestoßen hatte und der sich für die Demütigung rächen wollte. Zwar hatte er notgedrungen beim Angriff der Mexikaner an ihrer Seite gekämpft, doch die Scharte auf seinem angekratzten Ego war damit nicht ausgewetzt gewesen. Verletzt war er entkommen, und auch Lassiter sowie Sheriff Ward hatten ihn nicht aufhalten können.

Einen Augenblick lang dachte Abigail an Lassiter. Er hatte ihr Hilfe angeboten, doch sie hatte sie ausgeschlagen. Dennoch war er in der Stunde der höchsten Not an ihrer Seite gewesen. Ebenso Austin Ward, der sich anfangs einen Dreck um ihre Probleme geschert hatte. Seine Wandlung war verwunderlich, und trotzdem pfiff Abigail auf seine Unterstützung. Sie hatte alle Anschläge auf ihr Leben überstanden und eine Härte an den Tag gelegt, die sie selbst überrascht hatte. Sie fühlte sich stark und jeder Herausforderung gewachsen. Und obwohl Lassiter sie gewarnt hatte, nicht im Alleingang gegen Stark vorzugehen, fühlte sie, dass ihr keine Wahl blieb, als ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Nachdenklich erhob sie sich von der Grabstelle und ging zu ihrem Pferd. Sie saß auf und schlug ein letztes Mal den Weg zu ihrer Farm ein. Das Zuhause, das sie sich mit ihrem verstorbenen Mann Eric aufgebaut hatte, war zerstört. Nichts konnte die Frau veranlassen, weiterhin dort zu wohnen, bis nicht alle ihre Gegner ihre gerechte Strafe erhalten hatten.

Stumm schritt Abigail vorüber an der aufgebrochenen Haustür und lauschte in sich hinein. Ihren Hass auf die Menschen, die ihr unsägliches Leid zugefügt hatten, hatte sie abgelegt. Da war nur noch eisige Kälte in ihr und berechnendes Kalkül. Sie würde ihre Feinde jagen, bis der letzte von ihnen ein kaltes Grab gefunden hatte.

Mit diesem Versprechen legte sie ihre gewohnte Kleidung ab, legte eine grobe Hose und eine Langjacke an, ein Vermächtnis von Eric, das sie wie einen Schatz gehütet hatte. Auch seinen schwarzen Stetson setzte sie auf und kehrte ihrer Farm den Rücken. Irgendwann, so hoffte sie, wollte sie zurückkehren. Doch falls sie ihre Mission nicht überlebte, war auch das kein Grund zu trauern, solange Stark und Williams für ihre Untaten bezahlten.

Die Tür des Sheriff’s Office flog auf. Herein trat Camden Stark, der nur mit Mühe an sich halten konnte. »Bist du vollkommen übergeschnappt?«, schrie er Ward an. »Was fällt dir ein, meine Männer einzubuchten?«

Sheriff Austin Ward sah seinen Besucher gelassen an, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte die Beine auf seinen Schreibtisch. »Du hast davon gehört?«, fragte er grinsend. »Na ja, ich hätte es mir denken können. Dir entgeht nichts, was in Peoria vor sich geht.«

»Komm mir bloß nicht blöd!«, versetzte Stark scharf. »Ich hoffe für dich, du erinnerst dich an unser Arrangement. Also lass meine Leute frei, damit ich nicht bedauern muss, aufs falsche Pferd gesetzt zu haben!«

Ward ließ sich nicht beeindrucken. »Ich kündige unseren Vertrag mit sofortiger Wirkung«, teilte er seinem Gegenüber mit. »Die Zeit ist reif für ein paar grundlegende Veränderungen in dieser Stadt.«

Ein Schatten huschte über Camden Starks Gesicht. »Du solltest in Ausübung deiner Pflicht nicht trinken«, raunte er leise. »Ich will deinen unbedachten Ausrutscher noch einmal übergehen, denn ich glaube, du weißt nicht, welche Konsequenzen dich erwarten …«

Wieder ließ sich Sheriff Ward nicht einschüchtern. Er wusste zwar, dass Stark ihn aufgrund seines geringen Alters nicht für voll nahm, andererseits konnte er dem Rancher durchaus gefährlich werden. Und diesen Trumpf spielte er aus. »Deine mexikanischen Freunde haben ordentlich Unheil angerichtet. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, sie haben auf eigene Kappe gehandelt. Leider spricht alles gegen dich. Mit der Aussage von Abigail Connor müsste ein Richter nicht lange überlegen, um dich an den Galgen zu bringen.«

Camden Starks Rechte glitt von der Gürtelschnalle zum Holster. Es sah aus, als würde er ernsthaft überlegen, den Sternträger ins Jenseits zu befördern. Sein vermeintliches Vorhaben führte er jedoch nicht durch und entspannte sich. »Wir sollten nicht auf diese Weise miteinander reden«, lenkte er ein. »Immerhin verbinden uns doch gemeinsame Interessen. In der Vergangenheit sind wir mit unserer Vereinbarung gut gefahren. Warum sollte sich daran etwas ändern?«

Abrupt nahm Ward seine Füße vom Tisch und sprang auf. Er stemmte seine Fäuste auf die Schreibtischplatte und beugte sich vor. »Ich habe mich lange genug von dir vorführen lassen, Camden! Und obwohl ich ein sorgenfreies Leben geführt habe, ist mir etwas klar geworden: Ich bin nicht mehr ich gewesen. Ich habe mich hinter dem Stern versteckt und ihn missbraucht. Jetzt weiß ich, dass es Dinge gibt, für die man einstehen muss. Du hast lange genug das Regiment geführt! Deine Zeit ist abgelaufen!«

Stark lachte freudlos auf. »Seit wann wedelt der Schwanz mit dem Hund?« Heimtückisch war sein Blick auf den Sheriff gerichtet. »Hat diese Connor-Schlampe dir den Kopf gewaschen? Ist dir im Traum ein Engel mit erhobenem Zeigefinger erschienen? Komm wieder runter, Freundchen! Einer wie du hat nicht das Zeug, mir die Stirn zu bieten. Du würdest dich selbst reinreißen, wenn du dich gegen mich stellst. Ich weiß zu viel über dich. Und ich habe keine Scheu, es jeden wissen zu lassen.«

»Tu, was du nicht lassen kannst! Ich stehe gerade für das Unrecht, das ich begangen habe.«

»Wie rührend.« Stark verzog den Mund zu einem hämischen Lächeln. »Weißt du, Austin, du kannst eine Ratte weiß anmalen – aber Ratte bleibt Ratte. Und für Ungeziefer habe ich nichts übrig. Ich zertrete es unter meinem Stiefel.«

»Was hindert dich?«, stieß Ward aus. »Knall mich ruhig über den Haufen und erfinde eine verrückte Geschichte, die deinen Kopf aus der Schlinge zieht. Mich kannst du nicht mehr einseifen. Und du kannst mir auch nicht mehr drohen.«

Für einen Moment sah es so aus, als wollte Stark den Vorschlag in die Tat umsetzen. Erneut wanderte seine Hand hinüber zum Revolver. Indes, er hielt inne, klopfte auf sein Holster und setzte ein väterliches Lächeln auf. »Es kommen bessere Gelegenheiten. Außerdem möchte ich mir meine Hände nicht schmutzig machen. Du solltest auf jeden Fall von jetzt an äußerst wachsam sein.« Ohne ein weiteres Wort drehte er sich herum und verließ das Büro.

Grübelnd schaute Sheriff Ward ihm hinterher. Hatte er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt? Camden Stark würde sicher keinerlei Schwierigkeiten haben, für ein paar Dollar einen Killer anzuheuern.

Griesgrämig wie immer empfing Frank Logan Lassiter. »Ihre Verletzungen scheinen sich auch auf Ihr Gedächtnis ausgewirkt zu haben«, brummte der alte Arzt. »Wir haben feste Essenszeiten! Das habe ich Ihnen mehr als einmal gesagt. Wer zu spät kommt, geht leer aus.«

Lassiter war dem Mann dankbar, dass er ihn nach der Schießerei in O’Shannons Place gepflegt und bei sich aufgenommen hatte. Er sah es jedoch nicht ein, von ihm wie ein unmündiges Kind behandelt zu werden. »Ich ziehe aus!«, entgegnete Lassiter und holte einige Dollarnoten aus der Innentasche seiner Jacke hervor. »Ich denke, das dürfte für Unterkunft und Verpflegung reichen.«

Doc Logan war wie vor den Kopf gestoßen. »Was soll denn das werden? Spielen Sie jetzt die beleidigte Leberwurst? Ich werde Sie doch wohl noch auf die Regeln in meinem Haus aufmerksam machen dürfen.«

»Und ich habe Sie lediglich über meine Pläne informiert«, hielt Lassiter dagegen. »Aber ich möchte eine gute Mahlzeit nicht verkommen lassen. Sie dürfen mir gerne ein wenig Reiseproviant mitgeben.«

»Den können Sie sich aus Ihrer Nase pflücken!«, schnauzte der Arzt. »Ich lasse mich von Ihnen doch nicht veralbern! Irgendwann reißt auch mir die Hutschnur!«

Lassiter grinste. »Wer spielt jetzt den Beleidigten?« Er wandte sich ab und suchte sein Zimmer auf. Rasch packte er Tabak und einige Kleidungsstücke zusammen, schulterte seinen Sattel und machte sich daran, die Praxis zu verlassen. Kurz vor der Tür aber hielt ihn Logan noch einmal auf.

»Nehmen Sie mir meine Grantigkeit nicht übel«, meinte er versöhnlich. »Ich bin ein alter Mann und lebe zurückgezogen. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass ich wenig zu tun habe in meiner Praxis. Und außer bei meinen Einkäufen pflege ich kaum Kontakte zu meinen Mitmenschen.«

Lassiter lächelte milde. »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie haben für mich bereits mehr getan, als nötig gewesen wäre.«

»Ich wünsche Ihnen alles Gute. Passen Sie auf sich auf.«

Mit einem knappen Nicken setzte Lassiter seinen Weg fort, suchte den Mietstall auf und sattelte seinen Grauschimmel. Nach diesen viel zu langen Tagen der Tatenlosigkeit benötigte er unbedingt Abwechslung. Die Wunden am Oberkörper bemerkte er kaum noch; die Schussverletzung zwischen seinen Schulterblättern heilte ebenfalls merklich.

Und in Peoria gab es genügend zu tun. In einem ersten Impuls wollte Lassiter den Sheriff aufsuchen, um ihn nach seinem Vorgehen gegen Stark zu befragen. Wichtiger jedoch erschien es ihm, sich auf die Suche nach Abigail Connor zu machen. Wut und Trauer waren keine guten Ratgeber. Die Frau mochte sich in erhebliche Schwierigkeiten bringen. Für Lassiters Dafürhalten hatte sie schon genug erlitten, als dass sie jetzt auch noch ihr Leben verlieren sollte.

Eine knappe halbe Stunde später erreichte er die Farm. Er rief nach Abigail, umrundete das Gebäude und stieß neben einem Gatter mit verwesendem Vieh auf frische Hufspuren. Sie waren deutlich von den Abdrücken der mexikanischen Reiterschar zu unterscheiden und leicht zu verfolgen. Dazwischen gab es weitere Spuren sowie die Räderfurchen eines Karrens. Lassiter schätzte, dass sie vom Undertaker stammten, der mit seinen Gehilfen die Leichen abtransportiert hatte. Über mangelnde Kundschaft brauchte er sich in den letzten Tagen nicht zu beklagen.

Abigail Connors Fährte führte Lassiter einige Meilen fort von Peoria nach Sun City. Dort, so erinnerte er sich, hatte er sich an die Fersen jener Halsabschneider geheftet, mit denen er sich ein blutiges Gefecht draußen in der Grassteppe geliefert hatte. Selten nur war Lassiter derart schwer verletzt worden und hatte es einzig Doc Logan zu verdanken, mit dem Leben davongekommen zu sein.

Die Hufabdrücke von Abigails Pferd vermischten sich mit Dutzenden anderer Spuren. Vor einem Saloon waren sechs Tiere angeleint, schräg gegenüber weitere drei vor einem Hotel. Zweispänner und Transportfuhrwerke kreuzten die Straße, einzelne Reiter bewegten sich hinter und zwischen ihnen.

Lassiter überlegte, weshalb Abigail ausgerechnet dieses Kaff aufgesucht hatte. Möglich, dass sie der Fährte von Chase Williams gefolgt war, mit dem auch Lassiter noch ein Hühnchen zu rupfen hatte. Der Mut der jungen Witwe nötigte ihm einigen Respekt ab, auch wenn sie sich Hals über Kopf in ein Abenteuer stürzte, dessen glücklicher Ausgang mehr erforderte als einfach nur Courage.

Am Hitchrack vor dem Saloon band Lassiter sein Pferd an und betrat den Schankraum. Falls er erwartet hatte, unvermittelt auf Abigail Connor zu stoßen, sah er sich getäuscht. Nicht gänzlich ungelegen allerdings kamen ihm die beiden Ladys, die am frühen Nachmittag nicht viel zu tun hatten und bei seinem Anblick wohl auf schnellen Lohn hofften.

»Bist du auch so einsam wie wir?«, gurrte eine verführerische Blondine mit hochgestecktem Haar. Ihre üppigen Brüste wollten das Dekolletee ihres Mieders sprengen. Geschickt hatte sie es soweit heruntergezogen, dass der Ausschnitt knapp über ihren Brustwarzen saß.

»Eine von euch wird es nicht mehr sein«, erwiderte Lassiter und nahm die blonde Frau in den Arm.

»Zu dritt macht es noch mehr Spaß«, raunte ihre brünette Freundin. »Der Preis ist verhandelbar.«

Verhalten schüttelte Lassiter seinen Kopf. »Meine Entscheidung nicht.« Er schob die Blondine vor sich her zum Treppenaufgang. »Nach dir«, sagte er und wies voraus.

Mit keckem Hüftschwung und wackelndem Hintern erklomm Lassiters Auserkorene die Stufen. Eine Minute später fiel die Tür eines Liebeszimmers hinter ihnen ins Schloss.

»Sie können eine Unterkunft haben, Miss«, sagte der stark untersetzte Clerk des Pinewood Hotels, »aber ich brauche die Bezahlung im Voraus.« Er streckte seine Hand vor und öffnete sie. »Wie lange wollen Sie bleiben?«

»Einen Tag«, sagte Abigail Connor. Sie hatte an Geld zusammengekratzt, was sie finden konnte, wollte aber sparsam damit umgehen. Es standen noch ein paar Dinge auf ihrer Einkaufsliste, die wichtiger waren als ein Dach über dem Kopf.

Mürrisch brummte der Angestellte: »Macht vier Dollar.« Offenbar hatte er sich einen längeren Aufenthalt gewünscht. Und wer konnte schon sagen, ob nicht ein Teil der Vorauszahlung in seinen eigenen Taschen landete.

Abigail nahm den Schlüssel entgegen und wanderte einen schmalen Flur entlang. Am hinteren Ende fand sie das Zimmer, das mit ihrer Schlüsselnummer übereinstimmte, und betrat den Raum. Nach dem ersten Rundblick wünschte sie sich ihre eigenen vier Wände zurück. Das Zimmer war spartanisch eingerichtet. Außer einem Bett, das dringend einen neuen Bezug benötigt hätte, gab es nur eine Waschkommode, einen Stuhl und einen wackligen Tisch. Sie bemerkte es, als sie ihre Winchester darauf ablegte und eines der Beine nachgab.

Auch die Wände hätten einer Überholung bedurft. An mehreren Stellen war die Tapete abgeblättert; in den Ecken über dem Fenster nistete der Schimmel. Und unter der Kommode gab es einen dunklen Fleck, von dem Abigail hoffte, dass es sich um Wasserrückstände handelte.

Sie zog ihre Jacke aus und warf sie achtlos auf die Matratze. Dann schlüpfte sie aus ihren Stiefeln und massierte ihre Füße. Sie waren heiß und verschwitzt. Am liebsten hätte die Rothaarige ein Bad genommen, doch sie wollte ihre geplanten Aktivitäten nicht auf die lange Bank schieben. Die Fährte, der sie gefolgt war, war noch relativ frisch. Und an ihrem Ende hoffte sie auf Chase Williams zu stoßen.

Nachdem sie ihre Füße in der Schüssel abgespült und dem Brennen Einhalt geboten hatte, war sie bereit für die nächste Phase ihres Plans. Erics Revolver war ein alter Hund und weniger zum Schießen als vielmehr zum Einschlagen von Nägeln geeignet. Abigail brauchte einen geschmeidigen Sechsschüsser, der sie nicht im Stich ließ, wenn es drauf ankam.

Sie schlüpfte wieder in ihre Langjacke und wollte sie zuknöpfen, doch irgendetwas störte sie. Es war ihre Bluse, die an ihrem Körper lag wie eine zweite Haut. Sie war nicht nur hinderlich bei ihren Bewegungen, sondern schnürte sie durch das Anlegen der Jacke noch mehr ein.

Rasch entkleidete sich Abigail und streifte die Langjacke über ihren nackten Oberkörper. Gewissenhaft knöpfte sie sie zu, um nicht unwissentlich ein Signal zu setzen, dass sie leicht zu haben wäre.

Kurz darauf fand sie sich in einem Waffengeschäft wieder und schlenderte an den Vitrinen vorüber. Aufmerksam musterte sie die ausgestellten Revolver, hatte aber letztlich keine Ahnung, welcher für sie am geeignetsten war.

»Haben Sie schon das Richtige gefunden«, fragte ein älterer Herr hinter einem Tresen, »oder benötigen Sie fachmännische Beratung?«

»Ein wenig Hilfe wäre nicht schlecht«, gab ihm Abigail zu verstehen. »Ich brauche einen Revolver, der treffsicher, aber nicht zu schwer ist.«

Der Ladeninhaber schlurfte heran, schob seine Brille von der Nasenspitze ein Stück weit hoch und musterte die Auslage. »Ich nehme an«, murmelte er versonnen, »ein Derringer ist nicht exakt das, was Sie suchen, Ma’am.«

»Ein größeres Kaliber wäre vorteilhaft. Dazu eine Trommel mit fünf oder sechs Schuss.«

»Mal sehen …« Der Mann kratzte sich am Kinn, schlenderte zwischen den Vitrinen umher und blieb plötzlich stehen. »Ich denke, diese Waffe ist für Sie geeignet.« Er kippte den Glaskasten ab und holte einen Revolver hervor, den er Abigail wie einen kostbaren Schatz auf beiden Handflächen präsentierte. »Das ist ein Starr Double-Action, Kaliber 44. Leicht und schnell zu bedienen und dabei angenehm in der Handhabung. Das Modell ist schon seit geraumer Zeit auf dem Markt und erfreut sich größter Beliebtheit.«

Abigail nahm ihn an sich und wog ihn in der Hand. Der Verkäufer hatte nicht gelogen. Die Waffe schmiegte sich in die Handfläche und hatte kein allzu großes Gewicht. »Und wie sieht es mit der Treffgenauigkeit aus?«

Der Alte wiegte seinen Kopf. »Nun, ich persönlich ziehe den guten alten Peacemaker vor. Reine Nostalgie. Aber über eine Entfernung von zehn Yards sollte selbst ein ungeübter Schütze mit dem Starr ins Schwarze treffen.

Abigail Connor war zufrieden, nahm noch einige Päckchen Munition dazu und bezahlte. Der Verkäufer erwies sich als Gentleman und führte sie noch bis zur Tür. Kaum hatte er sie geschlossen, drehte er das Hinweisschild von »Open« auf »Closed«.

Ob man sie über den Tisch gezogen hatte, konnte Abigail nicht sagen. Letztlich war es ihr auch gleich. Sie hatte, was sie wollte. Jetzt musste sie nur noch Chase Williams finden. Und irgendeine Stimme in ihrem Innern sagte der jungen Frau, dass die Begegnung nicht allzu lange auf sich warten lassen würde.

Die Frau war ein Traum, ihr Mieder mit wenigen Handgriffen geöffnet. Lydias volle Brüste sprangen Lassiter entgegen, als hätten sie schon eine Ewigkeit darauf gewartet, aus ihrer Beengung befreit zu werden.

»Da ist noch mehr, was du ausziehen kannst«, hauchte die Blondine und führte Lassiters Hände an ihre Hüften. Nur zu gerne war der große Mann der Lady behilflich und streifte ihr Höschen hinunter. Wie von selbst glitt es an ihren Beinen entlang bis zu den Fußspitzen.

Lassiter umspannte ihre Brüste und knetete sie. Aus Lydias Mund drang verhaltenes Seufzen. »Das machst du gut«, flüsterte sie mit geschlossenen Augen und ließ ihre Rechte in Lassiters Schritt hinabgleiten. Knopf für Knopf sprang auf, bis die Dirne seine Männlichkeit in sanftem Griff hielt und zärtlich massierte. Sie zog ihren Liebhaber mit sich aufs Bett und spreizte die Beine.

Ein Lustschub erfasste Lassiter beim Anblick der leicht behaarten Scham. Sein Pint zuckte und zauberte ein Lächeln auf Lydias Züge. »Ich will, dass du mich nimmst!«, keuchte sie mit einem Mal. »Ich will dich tief in mir spüren.«

Lassiter streifte seine Hose ab und beugte sich über die Frau. Genussvoll hielt sie seine Rute gepackt und dirigierte sie zwischen ihre geöffneten Schenkel. Mit einem sanften Stoß drang Lassiter in sie ein.

»Du bist so groß und stark!«, stöhnte Lydia, die Lassiters anfänglich zaghafte Stöße lustvoll erwiderte. Sie rekelte sich ekstatisch, legte die Hände auf ihre Brüste und presste sie fest dagegen. Diese Frau spielte ihm nichts vor. Sie steigerte sich allmählich in einen Rausch, um höchste Befriedigung zu erfahren.

Ihr Gehabe stachelte Lassiter an. Er nahm sie in Besitz und gab ihr, wonach sie verlangte. Sein Gesicht drückte er zwischen ihre nackten Brüste, packte ihre Schultern, danach ihr Gesicht. Seine Finger glitten durch das lockige Haar und zerwühlten es. Und mit jeder Berührung gebärdete sich Lydia ungestümer.

Energisch ergriff Lassiter die Hüften der Hure und drehte die Frau auf den Bauch. Lüstern reckte sie ihm ihr Hinterteil entgegen und schrie inbrünstig auf, als der große Mann in sie eindrang.

»Gib’s mir!«, forderte Lydia. »Gib mir, was du hast!«

Das war eine Menge, aber noch vertraute Lassiter allein auf seinen Liebesspender. Noch wollte er nicht kommen, wollte die Lust seiner Mätresse in ungeahnte Höhen peitschen.

Er umspannte ihre Gesäßbacken und spreizte sie. Immer heftiger wurden seine Stöße und entlockten Lydia verzückte Ausrufe.

»Ich bin gleich soweit!«, wimmerte sie. »Hör nicht auf! Mach fester!«

Auch in Lassiter kochte die Lust hoch. Er hatte tausend und mehr Frauen in seinem Leben gehabt, aber der Akt war immer wieder aufs Neue überwältigend. Und für einen Mann, der bereits seit einigen Tagen seine Energie aufgestaut hatte, war es eine unbedingte Herausforderung, sich bis zum bestmöglichen Zeitpunkt zurückzuhalten.

Schon spürte er, dass der Druck übermächtig wurde. Dieser wippende pralle Po mitsamt dem Ausblick auf all die Herrlichkeiten, die eine Frau zu bieten hatte, veranlasste ihn, die Zügel schleifen zu lassen und sich seiner eigenen Ekstase hinzugeben.

»Jetzt!«, schrie Lydia und verkrampfte sich. »O Gott! Ja! Ich spür’s!«

Ein langgezogener kehliger Schrei erfüllte das Zimmer. Lydia zitterte am ganzen Körper und vergrub ihr Gesicht im Kissen. Ihre Finger bohrten sich in das Bett. Ihr Innerstes zog sich zusammen und ließ Lassiter keine Chance, den Höhepunkt hinauszuzögern. Machtvoll ergoss er sich, während Lydia ihren Höhepunkt in vollen Zügen genoss.

Wenig später lagen sie erschlafft nebeneinander. Lassiters Rechte streichelte über Lydias Bauch bis hinab zu ihren Schenkeln. Die Dirne rang noch nach Luft und wischte sich über ihr erhitztes Gesicht.

»Du bist der beste Liebhaber, den ich seit langem hatte«, sagte sie, nachdem ihr Atem sich beruhigt hatte. »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so heftig gekommen bin.«

»Ich hatte auch meinen Spaß«, sagte Lassiter, war mit seinen Gedanken aber bereits woanders. Eine beklemmende Ahnung ließ ihn schlagartig zusammenzucken.

»Was ist los?«, wollte die blonde Lydia wissen. »Du wirkst angespannt.«

Lassiter hörte nicht hin. Er sprang aus dem Bett, richtete seine Kleidung und griff zum Remington. Lautlos schlich er zur Zimmertür und legte sein Ohr daran.

Beim Ertönen eines metallischen Klackens wirbelte er zur Seite.

Gerade noch rechtzeitig, denn die Tür wurde krachend aufgestoßen, und eine schattenhafte Gestalt flog ins Zimmer. Sie rollte sich auf der Schulter ab, federte in die Hocke und schoss auf alles, was sich bewegte.

Sun City mochte genau der richtige Name für diesen Ort sein, der sich im Glanz der Sonne vielfältig und farbenfroh zeigte. Weiße und dunkle Holzfassaden wechselten einander ab, unterbrochen von ziegelroten Steingebäuden. Menschen der unterschiedlichsten Nationalitäten waren auf den Straßen zu sehen, flanierten an den Schaufenstern der Stores vorüber oder gingen ihrer Arbeit nach.

Friedlich und bunt, so hätte man dieses Städtchen auf den ersten Blick bezeichnen können.

Doch Sun City besaß auch seine Schattenseiten, Bereiche, die ein rechtschaffener Bürger mied und die Anziehungspunkt waren für solche, denen das Gesetz nichts bedeutete und die nur das Recht des Stärkeren kannten und respektierten.

»Hey, Mister!«, wurde Chase Williams von einer krächzenden Stimme aus seinen Gedanken gerissen. »Du hast verdammte Ähnlichkeit mit einem, auf dessen Kopf zehntausend Dollar ausgesetzt sind.«

Williams strich sich die weißen Haarsträhnen aus der Stirn und drehte sich zur Seite. Im Halbdunkel der Spelunke erkannte er eine dürre Gestalt, die beide Hände verdächtig nahe bei ihren Holstern hatte. »Ist ’ne verdammte Menge Geld«, gab Williams zur Antwort und fügte kalt hinzu: »Glaubst du denn, du bist der Richtige, um einen solchen Batzen abzukassieren?«

Stühle ruckten. Sporen klirrten. Gespräche verstummten. Das Atmen des Mannes, der Williams provoziert hatte, war ein rasselnder Gleichklang in der eingetretenen Stille.

Der Weißhaarige erhob sich langsam und ließ den Fremden seine Hände sehen. Der zog gemächlich seine zwei Revolver und spannte die Hähne. »Vernünftige Entscheidung«, krähte er. »Dusty Dickson hat die schnellsten Colts im Westen.«

»Ist das dein Name?«, erkundigte sich Chase Williams.

»Und ob! Warum fragst du?«

»Nun ja …« Vermeintlich unabsichtlich stieß Williams gegen seinen Stuhl und schien das Gleichgewicht zu verlieren. Unter Dicksons Lachen stolperte er vor, riss in einer Bewegung, der das Auge kaum zu folgen vermochte, ein Messer unter seiner schwarzen Jacke hervor und schleuderte es seinem Gegner entgegen. » … ich weiß nun mal gern, wen ich umlege.«

Dusty Dicksons Augen waren weit aufgerissen. Starr stand er da, blickte schließlich an sich hinab und sah das Heft einer Klinge aus seiner Brust ragen.

Gemächlich schlenderte Chase Williams auf ihn zu, zerrte sein Messer aus dem Fleisch und wischte es an Dicksons Kleidung ab. Dann stieß er den Mann leicht an, sodass dieser wie eine gefällte Eiche auf den Rücken knallte. Beim Aufschlag lösten sich zwei Schüsse, die in die Deckenbalken der Spelunke hackten.

»Erkennt noch jemand bei mir eine Ähnlichkeit mit einem Gesuchten?«, fragte Williams laut in die Runde.

Eine Antwort erhielt er nicht. Die Anwesenden wandten sich ab und nahmen ihre Unterhaltungen wieder auf. Williams setzte sich zurück an seinen Tisch und widmete sich seiner Whiskeyflasche. Der Alkohol tat ihm gut, um die Schmerzen zu lindern, die seine Brandverletzungen auch nach Tagen noch hervorriefen. Der Mann, der dafür verantwortlich war, hieß Lassiter. Um ihn würde er sich kümmern, sobald das Kapitel um Abigail Connor abgeschlossen war.

Eine halbe Stunde noch hielt er sich in der Spelunke auf, bis er es für an der Zeit fand, etwas zu unternehmen. Sun City war für ihn nur ein Übergangsquartier gewesen, um Abstand von den vergangenen Ereignissen zu gewinnen und neue Kraft zu schöpfen. Nun hielt er den Zeitpunkt für gekommen, die Hure namens Connor zu erledigen. Für ihn war es ein Akt von Ehre und Stolz, um die Schmach, die sie ihm durch ihre Zurückweisung zugefügt hatte, zu tilgen. Es war eine Angelegenheit, die erst mit dem Tod dieser Frau beendet werden konnte.

Williams bestieg sein Pferd und lenkte es durch Rotten Town hinüber zum Zentrum. Yard um Yard ließ er die heruntergekommenen Bretterhütten und verfallenen Ziegelbauten hinter sich und bog wenig später auf die Mainstreet ein. Schon wollte er sich in Richtung Peoria bewegen, da erkannte er die Silhouette eines Mannes, die ihn schlagartig innehalten ließ.

Unsicher verengte Williams seine Augen, konnte aber nur noch sehen, wie der Kerl den Saloon betrat und seinem Blickfeld entschwand.

War das Lassiter gewesen? Chase Williams konnte sein Glück kaum fassen. Falls dieser Hundesohn ihn verfolgte, hatte er sich gehörig Zeit gelassen. Aber es enthob den Skalpjäger der Aufgabe, selbst auf die Suche zu gehen.

Einige Minuten wartete Williams, bis er den Saloon ansteuerte. Sein Pferd stellte er in einer Nebengasse ab und pirschte zum Eingang. Vorsichtig schaute er über die Schwingtüren hinweg in den Innenraum und entdeckte tatsächlich Lassiter, der mit einer Blondine die Stufen zum Obergeschoss erklomm.

Heimtückisch grinste Chase Williams in sich hinein und ging zur Bar. Er würde seinem Gegner noch ein wenig Zeit gönnen. Schließlich würde es das letzte Mal sein, dass Lassiter die Freuden der Zweisamkeit genoss.

Der Weißhaarige gönnte sich ein großes Bier, trank sein Glas in aller Gemütsruhe leer und schnippte einen Quarter auf die Theke. Zum Barkeeper sagte er: »Mein Partner ist eben mit einem blonden Engel hochgegangen. Aber wir haben’s eilig. Wo finde ich ihn?«

»Das war Lydia«, folgte prompt die Antwort. »Zweites Zimmer rechts.«

Gemächlich schlenderte Williams zur Treppe und ging sie schweren Schrittes hoch. Vor der genannten Tür blieb er stehen, holte seinen Revolver hervor und spannte den Abzug.

Ich hoffe, du hast dir nicht zu viel Zeit gelassen, Lassiter, dachte Williams kalt lächelnd.

Entschlossen trat er die Tür auf, stürzte nach vorn und feuerte.

Lydia hatte nicht einmal mehr die Gelegenheit zu schreien. Zwei von drei Kugeln, die durch den Raum wischten, durchlöcherten sie. Wie eine Gliederpuppe flog sie zurück, knallte gegen die Wand und rutschte tot daran herab. Ihr Blut besprenkelte die weiße Bettwäsche.

Lassiter hatte den Schlag des Türblatts gegen seinen Körper abgefangen, konnte den Tod der Liebesdame aber nicht verhindern. Er wollte auf den Kerl anlegen, der wie ein Berserker hereingestürmt war, doch der Mann war schnell wie ein Gepard, wechselte seine Position und entging Lassiters Kugel. Und da erst erkannte der große Mann, mit wem er es zu tun hatte.

Er stieß sich vom Boden ab und schoss wie vom Katapult geschnellt auf Williams zu. Der zog noch einmal durch, verfehlte Lassiter jedoch. Den Bruchteil einer Sekunde darauf krachten die Körper aufeinander, schmetterten zu Boden und überschlugen sich. Mit dem Rücken schlug Lassiter gegen den Wandschrank und fing sich einen Kniestoß zwischen die Beine ein. Sein Kopf zuckte vor und verpasste Williams einen Stirnhieb mitten ins Gesicht.

Wie auf Kommando stießen sich die Männer voneinander ab und kamen auf die Füße, zwischen ihnen eine Distanz von gerade einmal anderthalb Armlängen. Williams langte nach einem Schemel und schleuderte ihn Lassiter entgegen. Der Hocker streifte ihn am Arm, die volle Wucht des Aufpralls aber bekam der Schrank ab.

Sofort sprang Lassiter nach vorn, täuschte einen Faustschlag an, trat aber mit dem linken Bein zu. Er traf Williams’ Unterschenkel und hätte den Mann zu Fall gebracht, hätte dieser nicht eine wirbelnde Drehung ausgeführt, um aus dem Schwung heraus seinen ausgestreckten rechten Arm gegen Lassiter krachen zu lassen. Der Schlag vor die Brust ließ den großen Mann zurücktaumeln, während der Weißhaarige bereits nachsetzte.

Lassiter blockte den nächsten Hieb mit seinem Unterarm ab und ließ seine Rechte vorschnellen. Klatschend schlug die Faust gegen Williams’ Kinn und riss seinen Kopf zur Seite. Lassiter wollte seine Linke nachfolgen lassen, doch dieses Mal war es sein Gegner, der den Schlag abfing und seine Stiefelspitze in Lassiters Hüfte rammte.

Die Kontrahenten schenkten sich nichts, doch keinem von ihnen gelang es, die Oberhand zu gewinnen. Gegenstände flogen durch den Raum; Tritte und Hiebe kamen in ununterbrochener Folge. Schließlich verkeilten sich die Kämpfer ineinander, sprengten die Umklammerung auf und standen sich wenige Momente Auge in Auge gegenüber.

»Du bist ein zäher Bursche«, keuchte Chase Williams, der mit zerrauftem Haar und feuchten Strähnen, die ihm im Gesicht klebten, dastand.

»Abigail Connor wäre für dich sicher eine leichtere Gegnerin gewesen«, versetzte Lassiter schwer atmend.

»Sie kommt gleich nach dir an die Reihe!« Williams fletschte seine Zähne und hielt mit einem Mal ein Messer in der Hand. »Aber jetzt schneide ich mir erst mal ein saftiges Steak raus!«

Mit einem Kampfschrei stürmte er los, täuschte einen frontalen Stich an und wischte plötzlich senkrecht mit der Klinge durch die Luft. Nur Lassiters Erfahrung war es zu verdanken, dass die Schneide ihm nicht das Gesicht aufschlitzte. Er zog seinen Oberkörper zurück und führte einen Tritt in Williams’ Achselhöhle aus, die den Mann aufschreien und einknicken ließ. Lassiter trat mit dem anderen Bein nach und fegte seinen Widersacher von den Füßen.

Doch Chase Williams schien auf jede bedrohliche Situation unverzüglich reagieren zu können. Mit beiden Beinen setzte er einen Scherengriff an, umschlang Lassiters Hüften und schleuderte ihn von sich.

Lassiter schmetterte gegen einen Bet tpfosten und stieß einen gequälten Schrei aus. Williams sprang in die Höhe und warf sich ihm entgegen, das Messer zum tödlichen Stoß erhoben. Doch statt Lassiter zu erwischen, der trotz seiner Schmerzen auswich, rammte der Weißhaarige seine beidseitig geschliffene Klinge lediglich in die Matratze, riss sie aber im selben Moment wieder heraus, um einen halbkreisförmig geführten Hieb gegen Lassiter auszuführen.

Einem Mann mit gewöhnlichen Reflexen hätte der Angriff die Kehle aufgeschnitten, doch Lassiter war schon mit ganz anderen Attacken fertiggeworden. Er bekam Williams’ Handgelenk zu packen, kreiselte mit ihm um seine Achse und hebelte ihn über sich hinweg.

Mit lautem Scheppern durchschlug Chase Williams das Fenster und kippte über die Brüstung. Er krachte durch das Vordach des Saloons und schlug dumpf auf.

Lassiter zögerte keine Sekunde, ihm zu folgen. Ein Satz brachte ihn zum Fenstervorsprung und darüber hinweg. Er ließ sich auf das Vordach hinabgleiten, balancierte an dem Loch vorüber und setzte zum Sprung in die Tiefe an. Gerade als er sich abstoßen wollte, schnitt ein scharfer Schmerz durch seinen Unterschenkel und vereitelte seine Aktion. Haltlos fiel er vom Dach und sah aus dem Augenwinkel noch das Messer in seiner Wade stecken.

Nur einem glücklichen Zufall hatte Lassiter es zu verdanken, dass er nicht auf den Hitchrack knallte und sich die Rippen brach. Knapp daneben krachte er aus einer Höhe von drei Yards in den Straßenstaub und glaubte, mit voller Wucht gegen eine Backsteinwand gerannt zu sein. Die Sinne wollten ihm schwinden, und es wäre eine unglaubliche Erleichterung gewesen, dem Sog der Bewusstlosigkeit nachzugeben. Doch geradezu zwanghaft widerstand Lassiter der Versuchung. Er durfte Chase Williams nicht entkommen lassen. Der Mann war zu gefährlich, um ihn auf die Öffentlichkeit und vor allen Dingen auf Abigail Connor loszulassen.

Als Lassiter sich jedoch ächzend erhob und die blutige Klinge aus seinem Unterschenkel zog, da war sein Feind verschwunden. Er stürzte auf den nächsten Passanten zu und packte ihn am Kragen. »Wo ist der Kerl hin?«, schrie er den verdutzten Mann an, der vor Angst und Überraschung kein verständliches Wort herausbrachte.

Lassiter bemerkte, dass er dabei war, die Kontrolle zu verlieren. Als hätte er sich verbrannt, nahm er die Hände von seinem Gegenüber und entschuldigte sich. Dann zog er seinen linken Stiefel aus und betrachtete die Wunde. Ihm war klar, dass sie genäht werden musste. »Wo finde ich einen Arzt?«, rief er aus und schaute sich um. Jeder Knochen in seinem Körper spielte seine eigene Melodie.

Mehrere Arme deuteten die Mainstreet hinauf. Eine Stimme sagte: »Hundertfünfzig Yards von hier auf der rechten Seite. Gleich neben Ike’s Grocery Store.«

Lassiter zog auch den anderen Stiefel aus und humpelte in die angegebene Richtung.

Abigail Connor hatte sich genau gemerkt, welche Richtung Chase Williams bei seiner Flucht eingeschlagen hatte. Es mochte zwar nichts bedeuten, dass er von ihrer Farm aus nach Süden geritten war, denn genauso gut hätte er nach einigen Meilen umkehren können. Daran aber glaubte die junge Frau nicht. Im Norden Arizonas gab es nur wenige Städte. Viel wahrscheinlicher war es, dass Williams sich in Sun City, dem nahe gelegenen Glendale oder gar in Phoenix aufhielt. Sie war also auf der richtigen Fährte.

Dem Clerk ihres Hotels gab sie eine Beschreibung des Gesuchten, doch der zuckte nur die Schultern. Mit einem Erfolg hatte Abigail auch nicht auf Anhieb gerechnet, doch es gab noch jede Menge andere Leute, die sie fragen konnte. Der Saloon war immer die beste Anlaufstelle, wenn man sich Informationen holen wollte, doch als die Rothaarige den Menschenauflauf vor dem Gebäude sah, stutzte sie. Geradezu verstört zeigte sie sich beim Abtransport einer Frauenleiche.

Abigails Gedanken überschlugen sich. Sofort musste sie an Chase Williams denken. Hatte er dieser armen Hure angetan, was er auch mit ihr vorgehabt hatte?

Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Betroffen wandte sie sich ab. Der Anblick der Toten setzte ihr mehr zu, als sie für möglich gehalten hatte und weckte böse Erinnerungen. Hätte Abigail nicht unverzüglich gehandelt, kaum dass Williams zudringlich geworden war, wäre es ihr vermutlich ebenso ergangen wie dem Freudenmädchen auf der Bahre.

Es war eine schaurige Prozession, die von allerlei Stimmengemurmel begleitet wurde. Abigail ging auf Distanz und schlich hinüber zum nächsten Store. Unter dem hellen Klingen eines Glöckchens trat sie ein, stellte sich ans Fenster und konnte ihren Blick nicht abwenden vom Bestatter und seiner Gehilfen.

»Eine schlimme Sache«, raunte eine Stimme hinter dem Counter. »Es hat wohl eine Schießerei gegeben, nicht ganz vor einer halben Stunde.« Ein Mann mit streng gescheiteltem dunklen Haar und weißer Kittelschürze kam hinter dem Tresen hervor.

»Haben Sie irgendjemanden erkannt?«, fragte Abigail Connor wie im Selbstgespräch. »Eventuell einen Kerl mit Bowler und schulterlangen weißen Haaren?«

»Ich habe niemanden gesehen«, sagte der Clerk, »nur die Schüsse gehört. Sie könnten sich beim Marshal erkundigen, wenn wir einen hätten. Das Amt ist nicht sonderlich beliebt, seit der letzte Mann auf dem Posten erschossen in seiner Wohnung aufgefunden worden ist.«

Wo sucht man einen flüchtigen Mörder?, ging es Abigail durch den Kopf. Und hatte es überhaupt einen Sinn, nach ihm zu forschen? Es war lediglich eine vage Vermutung, dass Chase Williams mit der Schießerei und dem Tod der Dirne in Verbindung stand.

»Allerdings …«, fügte der Verkäufer hinzu, » … würden Sie einen Mann, der nicht gefunden werden möchte, am ehesten in Rotten Town finden.«

»Was soll das sein?«

»Ein abgelegener Bezirk«, erklärte der Angestellte. »Ein Viertel in Sun City, das Sie selbst bei Tageslicht meiden sollten.«

Wie unter einem Peitschenschlag zuckte Abigail Connor zusammen. Ihr war, als hätte sie einen untrüglichen Hinweis auf den Verbleib von Chase Williams erhalten. Sie konnte selbst nicht sagen, woher ihre Sicherheit kam, aber es schien ihr wie ein Wink des Schicksals. Sie ließ sich den Weg beschreiben, verließ hastig den Laden und überquerte die Mainstreet.

Je weiter sie sich vom Zentrum entfernte, desto düsterer wurde das Stadtbild. Sie blickte in Gassen, die mit Unrat angefüllt waren, und sah erschreckend große Ratten, die sich am Abfall mästeten. Baufällige Häuser reihten sich aneinander, und hin und wieder entdeckte sie Augenpaare, die sie aus dem Dunkel hinter zerschlagenen Scheiben anstarrten. Wahrscheinlich handelte es sich um Obdachlose und Landstreicher, die lediglich ein Dach über dem Kopf haben wollten und sich den Müll mit den Ratten teilten. In diesem Stadtteil schien alles versammelt, mit dem die Gesellschaft nichts zu tun haben wollte.

Doch es gab auch andere Gebäude. Über einem prangte ein verwittertes Holzschild mit der simplen Aufschrift »Beer & Drinks«. In dieser Spelunke würde sie genau jene Leute finden, mit denen sich sonst niemand freiwillig abgab – Beutelschneider, Galgenvögel und gedungene Mörder.

Fest packte Abigail ihre Winchester beim Schaft. Die Waffe hatte sich im Kampf gegen die Mexikaner bewährt und würde auch hier für die nötige Einschüchterung sorgen. Und für alle Fälle hatte sie ja immer noch ihren Starr mit Selbstspannabzug im Holster.

Mit der Fußspitze drückte sie die angelehnte Tür auf und schob sie ins Innere. Ihr offenbarte sich der Blick in einen abgedunkelten Raum, der ihr beim ersten Hinsehen wie ein Krämerladen vorkam. Zwischen armdicken Stützpfeilern waren Querlatten angenagelt und Seile gespannt. Allerlei handwerklicher Schnickschnack baumelte daran herab, angefangen bei skurrilen Schmuckketten bis hin zu aufgewickelten Lederbändern und Peitschen, verzierten Messertaschen und …

Abigail Connor hielt den Atem an. Sie täuschte sich nicht. Von mehreren dünnen Schnüren hingen die Haare von Skalpierten herab.

»Hey, Sweety!«, tönte eine raue Stimme. »Komm rüber und lass dich mal aus der Nähe betrachten!«