Lassiter Sammelband 1861 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1861 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2464, 2465 und 2466.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

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Jack Slade
Lassiter Sammelband 1861

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2019 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Boada/Norma

ISBN: 978-3-7517-6434-6

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Lassiter Sammelband 1861

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Lassiter 2464

Lassiter und die Moonshine-Ranch

Lassiter 2465

Moonshines Rückkehr

Lassiter 2466

Lassiter und das Trio des Todes

Guide

Start Reading

Contents

Lassiter und die Moonshine-Ranch

Der Zug der Canadian Pacific rollte grollend über den Cheyenne River und fuhr in eine langgezogene Kurve. Er hatte fünftausend Bisonschädel geladen, die in Chicago zu Ackerdünger zermahlen werden sollten.

»Wird ’ne ruhige Nacht!«, meinte Joe Ruskin und regulierte den Dampfdruck nach. »Hätten uns keinen Wachhund mitschicken müssen.«

Der Heizer hinter Ruskin setzte die Schaufel ab und sah zu dem Bewaffneten hinauf, der auf dem Dach des vordersten Güterwaggons patrouillierte. Er wippte unschlüssig mit dem Kopf. »Weiß nicht, Joe, weiß nicht! Bin froh über den Kerl!«

Unter der Lokomotive quollen weiße Dampfschwaden hervor, die den Männern eine Weile die Sicht nahm. Sie zerstoben zu geisterhaften Schleiern und flohen in die Nacht hinaus …

Der Schimmel von Martha Vance blies vor Erschöpfung die Nüstern auf, als sich die Banditin vom Sattel schwang und dem schweißnassen Tier den Hals tätschelte. Sie hatten gemeinsam fast zwanzig Meilen hinter sich und waren wie die übrigen Amazonen zumeist galoppiert. Der Mond stand inzwischen weit über dem Horizont.

»Moonshine«, sagte Martha und streichelte den Schimmel hinter den Ohren. »Wie die gottverdammte Ranch will ich dich nennen.«

Die anderen Frauen hatten ebenfalls abgesattelt und zogen die Gewehre aus den Futteralen. Sie hatten diesem Tag wie keinem zweiten entgegengefiebert, und Martha hatte ihre Begeisterung nicht gedämpft. Sie sollten die Genugtuung bekommen, nach der sich jede Einzelne von ihnen sehnte.

»Hört zu!«, rief Martha und holte die Frauen mit einem Wink zusammen. Sie blickte in die ernsten Mienen ihrer Gefährtinnen. »Sie haben zwei Patrouillen auf den Zug geschickt. Einer bewacht die Lokomotive vom ersten Wagen aus, ein zweiter die Frachtwagen im hinteren Drittel.«

»Knallen wir sie runter!«, preschte Lucy vor, die einen Silberring in der Nase trug. Sie ballte die Faust und heischte bei den übrigen Banditinnen Beifall. »Einer kriegt die Kugel in die Stirn, der andere in die Brust. Mit zwei Portiönchen Blei schaffen wir uns Ruhe!«

Zweifelnd schüttelte eine Hälfte der Frauen den Kopf, während die übrigen Banditinnen Lucy auf die Schulter klopften. Sie richteten die Blicke auf Martha, die sich ratlos gegen den Sattel ihres Schimmels lehnte.

»Sollen wir alle am Galgen enden?«, fragte Martha und sah ihre Amazonen der Reihe nach an. Sie kannte jedes einzelne Gesicht so gut, dass sie es hätte aus dem Gedächtnis malen können. »Ihr seid zu blutrünstig, Mädchen. Sie begreifen unsere Botschaft, ohne dass wir einen von ihnen töten.«

»Sie sind Bastarde!«, widersprach eine gertenschlanke Ostküstenbewohnerin mit dem Namen Tammy. Sie hatte den Mädchen auf der Ranch Whitman-Verse vorgetragen. »Sie lernen nur, wenn man ihnen die verdammten Eier abschneidet.«

Unter der Hälfte der Frauen brach wildes Gejohle aus, dem das Getuschel derjenigen folgte, die auf Marthas Seite waren. Sie redeten auf Lucy und ihre Anhängerinnen ein. »Lasst euch doch etwas sagen! Martha kennt Dakota! Sie will euch den Hals retten!«

Ein Pfiff aus der Ferne beendete den Streit der Frauen.

Die Banditinnen sprangen in die Sättel zurück und ritten über die Hügel zum Cheyenne River hinunter. Sie blieben dicht beieinander und starrten zu dem Canadian-Pacific -Zug, der langsam die Eisenbahnbrücke von Fort Point überquerte. Die Waggons waren – so hatte Martha aus Chicago erfahren – bis unters Dach mit Bisonschädeln beladen.

»Stinny! Nettie!«, flüsterte Martha und stieß die beiden Schwestern an. Sie hatten ihre blonden Zöpfe beide mit einem Stück Korkholz zusammengebunden. »Ihr haltet uns im Millshell-Becken den Rücken frei, klar? Keine wilden Schüsse! Die Wachen übernehmen Lucy und Tammy!«

Der Zug fuhr in die weite Kurve ein, von dem das Millshell-Becken im Nordwesten begrenzt wurde, und verschwand in einer Senke. Er verlangsamte vor der hölzernen Flutbrücke im Becken und nahm dahinter wieder Fahrt auf.

Die Bewaffneten auf den Eisenbahnwaggons lümmelten müde auf ihren Gewehren.

Sie waren von der Canadian Pacific Railway angeheuert worden, nachdem der letzte Überfall der Martha-Vance-Bande vier Tote gefordert hatte. Die Männer waren im Kugelhagel von Lucys Frauen gestorben, die routiniert ihre Magazine geleert hatten, als der Lokführer angesichts der »Banditen in Röcken« höhnisch gefeixt hatte. Vor Martha hatte sich Lucy später mit ihrem feurigen Temperament gerechtfertigt, doch das war nur die halbe Wahrheit gewesen.

Solch ein Blutbad durfte sich nicht wiederholen.

»Aye, Captain!«, rief Lucy und setzte sich mit ihren Reiterinnen ein Stück ab. Sie galoppierten durch das brusthohe Präriegras und hielten auf das Eisenbahngleis diesseits des Flusses zu.

Die restlichen Frauen schlossen sich Martha an.

Keine von ihnen war eine resolute Wortführerin wie Lucy, die es verstand, einen Aufruhr nach dem anderen anzuzetteln. Die meisten Frauen in Marthas Gefolge waren Schiffbrüchige. Sie waren Witwerinnen oder von Männern verlassen worden, die sich an den Börsen verspekuliert oder im Frachtgeschäft heillos verschuldet hatten.

»Martha!«, rief Clara plötzlich halblaut. Sie lispelte und hatte große hellbraune Augen. »Dort vorn! S-s-sie sehen uns!«

Die Männer auf den Dächern der Eisenbahnwagen waren in die Hocke gegangen und luden ihre Gewehre durch. Sie hatten Lucy und ihren Trupp erspäht, der sich bis hundert Yards an den Schienenstrang herangepirscht hatte. Die Frauen bemerkten nichts von der drohenden Gefahr.

»Vorwärts!«, schrie Martha und gab dem Schimmel die Sporen. Sie würde diese Bande der Witwen und Verlassenen nicht von zwei dahergelaufenen Revolverschwingern zusammenschießen lassen. »Nettie! Vergesst das Millshell-Becken! Wir knöpfen uns die Schweinepriester jetzt vor!«

Das laute Schlachtgeheul der Frauen, die wie angreifende Indianerkrieger aus voller Kehle schrien, schallte weithin über die vom Wind zerzauste Prärie. Es erreichte den Lokführer auf dem Canadian-Pacific-Zug , der sich aus Furcht im Führerstand verkroch, und den Heizer, der Hals über Kopf die Schaufel vom Kohletender warf und in die Dunkelheit sprang.

Es war der Ruf der Moonshine-Amazonen.

Der gedeckte Proviantwagen der Brickey Trade Co. fuhr mit knarrenden Rädern auf Fort Hamilton zu und hatte seit Stunden keinen Halt eingelegt. Das Fuhrwerk steuerte ein verschlafener Kutscher namens Todd Douglas, der sich nicht um die beiden Passagiere auf der Ladefläche scherte. Er hatte vier Dollar für diese Gefälligkeit erhalten.

»Rutsch herüber!«, flüsterte Cady Miller und raffte den Rock. Sie saß auf einem Fass eingelegter Gurken und grinste den Mann der Brigade Sieben an. »Du sitzt nicht in der Sonntagsschule mit mir. Du kannst mich anfassen, mein Lieber.«

Mit einem schiefen Lächeln wandte sich Lassiter zu der Dirne um, die ihm Douglas in Hudsonville vermittelt hatte. Das Mädchen war aufgeweckt und klug und hatte offenkundig nicht die Absicht, das Geschäftliche länger als nötig warten zu lassen. »Aus welchem Grund hast du es so eilig? Es sind noch zwei Stunden bis zum Fort.«

»Höchstens noch eine!«, widersprach Cady und streifte sich das Kleid über den Kopf. Sie trug ein besticktes Mieder aus schwarzem Jerseystoff darunter. »Du willst etwas bekommen für deine Dollars, oder nicht?«

Sie hatten sich auf zehn Dollar für die ganze Fahrt nach Fort Hamilton geeinigt, wodurch Cady erheblich mehr verdiente als im Saloon von Hudsonville. Den Lohn hatten sie bei einem Glas Kentucky-Bourbon besprochen; im Hintergrund hatten ein Piano Yellow Rose of Texas gespielt und ein Cowboy aus Kansas dazu gesungen.

Eine Stunde zuvor war das Telegramm aus Washington eingetroffen.

Das Hauptquartier hatte Lassiter einen Auftrag angekündigt und seinem Agenten einen Mittelsmann in Fort Hamilton genannt, der ihn über sämtliche Einzelheiten in Kenntnis setzen würde. Die Reise zum Fort sollte unter strikter Geheimhaltung geschehen.

Letztlich war Cady nur Lassiters Tarnung.

Er hatte sich vor den Kutschern der Brickey Trady Co. als versoffener Hurenbock ausgegeben, der es keine halbe Meile ohne Whiskey und Weiberschoß aushielt. Die Männer hatten gefeixt und ihn zu Cady in Spalding’s Saloon geschickt. Der Gierigste unter den Männern war Todd Douglas gewesen, der nun auf dem Kutschbock saß.

»Was ist nun?«, fragte Cady und schwang eines ihrer schlanken Beine über Lassiter. Sie rieb sich an seinem Unterleib und fuhr ihm mit der Hand durchs Haar. »Ein Schwerenöter wie du zaudert doch nicht?«

Stumm schnürte Lassiter die schwarze Korsage auf, die Cadys Brüste gefangen hielt, und legte das Kleidungsstück beiseite. Er umschlang die schlanke Taille der Dirne mit einem Arm und drückte seine Geliebte auf die Proviantvorräte hinunter.

»So gefällt’s mir schon besser!«, stöhnte Cady und spreizte bereitwillig die Beine für ihn. Sie war von Lassiters plötzlich erwachter Leidenschaft so überrascht wie angetan. »Aber gib acht, dass der Kutscher nichts mitbekommt!«

Die nächste Stunde trieben sie es auf den Säcken voll Weizen und Mais, die ein bequemeres Bett abgaben, als Cady zuvor befürchtet hatte. Der Planwagen schaukelte über die Ebene, die sich zwischen dem Fort und den angrenzenden Hügeln erstreckte, und gab den Takt für Lassiters harte Stöße vor.

»O Lassiter!«, hauchte Cady leise nach einer Weile. Sie lag nackt und bäuchlings auf der Proviantladung. »Du nimmst mich härter ran als mancher Kerl in Hudsonville!«

Die letzte Frau, mit der Lassiter im Bett gewesen war, hatte ihm nur ein Hotelzimmer in Rapid City überlassen wollen. Sie hatte eines Abends an der Bar gestanden und von ihrem Bruder erzählt, der in die Black Hills gezogen und all seines Geldes beraubt worden sei. Noch in derselben Nacht hatten Lassiter und sie miteinander geschlafen.

»Dreh dich um!«, befahl Lassiter und streifte sein Hemd ab. Er sah zu seinem Holster mit dem .38er Remington darin, das er vor dem Rendezvous abgelegt hatte. »Ich will dich von hinten.«

Geschwind kam Cady seinem Wunsch nach, nicht jedoch, ohne vorher einen langen Kuss von ihm zu fordern. Sie schmiegte sich an seinen Oberkörper, griff mit einer Hand nach seinem steifen Pint und massierte ihn lustvoll. »Du hättest auch in Hudsonville deinen Spaß mit mir gehabt.«

»Hudsonville ist zu neugierig«, erwiderte Lassiter und beugte sich über Cady. Er drang zärtlich in sie ein und schloss vor Genuss die Augen. »Der Kutscher wird niemandem etwas erzählen.«

»Solange du ihn gut bezahlst!«, seufzte Cady und ließ sich auf die Jutesäcke sinken. Sie krallte die Nägel in Lassiters Rücken und kratzte zwei blutige Schlieren in die Haut. »Jetzt mach weiter! Lass mich nicht warten!«

Ganz ohne einen Laut liebten sie sich dennoch nicht.

Je näher Cady ihrem Höhepunkt kam, desto lauter stöhnte sie ihre Begierde heraus. Sie warf den Kopf von einer Seite auf die andere, stemmte sich mit beiden Armen gegen Lassiters Brust, als wollte sie ihren Liebhaber von sich stoßen, und zog ihn sogleich wieder zu sich heran. Sie rekelte sich nackt und mit katzenhafter Geschmeidigkeit.

»Jetzt!«, presste Cady durch die Zähne und keuchte vor Ekstase. »Mir kommt’s, Lassiter! Mir kommt’s!«

Länger wollte sich auch Lassiter nicht zügeln.

Er stieß einige Male grob und mit Kraft zu und ließ sich erschöpft neben Cady auf die Weizensäcke fallen. Er blickte an die schwankende Planendecke, die von rostigen Stahlbögen gehalten wurde.

»Noch zwei Meilen!«, rief Douglas vom Kutschbock aus und grunzte verächtlich. »Beim nächsten Mal will ich zwei Dollar mehr! Krieg’ ja den Riemen nicht mehr schlaff bei solch ’nem Gestöhn!«

Die Dirne sah zu Lassiter und unterdrückte ein Lachen. Sie strich sich das dunkelblonde Haar aus dem Gesicht und angelte mit einer Hand nach ihrer Korsage. »Du wirst in Fort Hamilton deine Freude mit ihm haben. Er ist ein ziemlicher Griesgram.«

Lassiter hielt den Blick hinauf zur Plane gerichtet. »Ich habe nicht die Absicht, mit ihm zurück nach Hudsonville zu fahren. – Wie kommst du zurück?«

»Für eine Frau ist Fort Hamilton ein Paradies«, meinte Cady und bedeckte mit der Korsage ihren blanken Busen. »Fast fünf Dutzend Soldaten, die keinen Rock gesehen haben, seit sie der Einsatzbefehl ins Dakota-Territorium geschickt hat.«

»Du wirst keine Stunde Ruhe haben«, wandte Lassiter ein und drehte den Kopf. »Sie fallen wie ein Heuschreckenschwarm über dich her.«

»Du irrst dich gewaltig!«, antwortete Cady mit einem wissenden Lachen. »Sie sind Gentlemen, solange ein Offizier sie im Blick hat. Sie werden sich darum prügeln, mich zurück nach Hudsonville zu schaffen.« Sie stieß Lassiter in die Seite. »Nicht jeder Kerl sieht aus wie du.«

Das Abendrot am anderen Flussufer hatte sich wie ein glühender Schleier über die Hügelkuppen und schroff abfallenden Felswände gebreitet. Es hatte sich bereits gegen fünf Uhr am Nachmittag gezeigt, als die Kavallerieeinheiten noch auf dem Exerzierplatz gewesen waren.

»Niemand kämpft gern gegen ein Weibsbild«, stellte Lieutenant John McNally fest und verschränkte die Arme auf dem Rücken. Er hielt den Blick auf die Felsen in der Dämmerung gerichtet. »Manchmal zwingt uns die Pflicht jedoch dazu.«

»Ich gehe nicht gegen Frauen vor«, erwiderte Lassiter und sah zu seinem Mittelsmann. Er war umgehend zu McNally gebracht worden, nachdem er das Fort betreten hatte. »Ein Sheriff oder ein Marshal könnte diese Angelegenheit ebenso gut regeln.«

McNally wandte sich um und strich sich das pomadisierte Haar glatt. Er hatte ein knabenhaftes Äußeres, zu dem ergraute Strähnen nicht passen wollten. »Vor einigen Wochen war bereits ein Marshal in den Grandfields. Er hat sogar die Ranch der Damen ausfindig gemacht.« Er schürzte die Lippen. »Sie haben ihn zum Teufel gejagt und seine Frau bedroht.«

Auf McNallys Schreibtisch türmten sich Akten und zusammengefaltete Landkarten, die das Indianerterritorium und die Siedlerranches zeigten. Der Offizier hatte zwei davon herausgesucht und die Grandfields, eine Ebene fünfzig Meilen nördlich von Fort Hamilton, mit zwei Stecknadeln markiert.

»Die Brigade Sieben wird unter Beschuss geraten«, sagte Lassiter und schüttelte den Kopf. »Diese Frauen berufen sich auf die Temperenzlerinnen. Sie kämpfen für ein eigenes Wahlrecht und sehen sich deshalb zu diesen Überfällen und anderen Verbrechen berechtigt.«

»Fünfzigtausend Büffelschädel!«, rief McNally aus und schob eine Karte des Cheyenne River zu Lassiter. Er wies auf eine Flussquerung mit dem Namen Fort Point. »Die Canadian Pacific hat sich in einem Brief an den Kongress darüber beklagt, dass nichts gegen die Räuberinnen unternommen werde. Die Company hätte an dieser Brücke zwei Wagenladungen Schädel verloren.«

»Was sollten Temperenzlerinnen mit Büffelschädeln?«, knurrte Lassiter und studierte die Karte. »Sie können damit kaum auf den nächsten Markt spazieren und sie verkaufen.«

Der Oberkommandierende von Fort Hamilton setzte sich an den Schreibtisch und zog eine Schublade auf. Er nahm eine Reihe Zeichnungen daraus hervor und legte sie vor Lassiter aus. Auf den Blättern waren eine Knochenmühle und haushoch angehäufte Tierschädel zu sehen. »Diese Skizzen stammen aus der Hand des Marshals, der in den Grandfields gewesen ist. Er glaubt, dass die Frauen die Schädel zu Dünger zermahlen.«

Die Männer brüteten eine Weile über den Papierbögen, die der Marshal nummeriert und mit Beschreibungen versehen hatte. Das kleinste Blatt war eine Strichzeichnung, unter der die Worte Moonshine-Ranch standen.

McNally seufzte und fiel federnd in seinen Stuhl zurück. »Die Moonshine-Ranch hieß früher B-Ranch. Sie gehörte einem widerlichen Kerl aus Iowa, der aufs Schweinezüchten aus war. Er muss den Frauen das Land verpachtet haben.«

Mit aufmerksamem Blick begutachtete Lassiter den Lageplan. »Verpachtet? Er könnte es ihnen ebenso verkauft haben.«

»Nicht Bobby Hocknell!«, stöhnte McNally gequält auf. »Diese Missgeburt von einem Menschen rückt nichts heraus, was sie einmal besessen hat. Der Bastard schneidet sich eher den rechten Daumen ab, als einem anderen etwas zu gönnen.«

Die Moonshine-Ranch bestand aus einem größeren Ranchhaus, einem angeschlossenen Stall, mehreren Scheunen und einem winklig errichteten Bunkhouse. Von Koppelzaun zu Koppelzaun maß der Hof fast dreihundert Yards. Die Knochenmühle stand auf der östlich gelegenen Weide.

»Soll ich die Frauen aufspüren?«, fragte Lassiter und warf die Zeichnung auf den Tisch. Er sah McNally eine Weile an. »Oder erst Hocknell auf den Pelz rücken?«

»Vor allen Dingen müssen Sie unauffällig vorgehen«, erklärte der Kommandant. »Die Frauenrechtlerinnen halten überall im Land Versammlungen ab. Die Stimmung ist vor dem Siedepunkt.« Er stand auf und zog ein bauchiges Kuvert aus der Schublade. »Der Präsident will jede Aufregung um diese Geschehnisse vermeiden.«

Ohne ein Wort nahm Lassiter den Briefumschlag entgegen, in dem Lageberichte von Informanten und eine Reihe offizieller Dokumente steckten. Er zog eines der Letzteren hervor und las es.

»Sie können sich im ganzen Dakota-Territorium als Landagent ausgeben.« McNally deutete auf die Urkunde in den Händen des Mannes der Brigade Sieben. »Die Canadian Pacific hat Ihnen alle nötigen Genehmigungen beschafft. Sie sind befugt, im Namen der Eisenbahngesellschaft über Landkäufe zu verhandeln.«

»Ich arbeite für die Canadian Pacific ?«, knurrte Lassiter. »Hocknell wird keine Eisenbahn-Company auf sein Land lassen.«

McNally hatte mit diesem Einwand gerechnet. »Die Canadian Pacific besitzt ein Vorkaufsrecht für alle Parzellen fünfzig Meilen südlich und nördlich ihrer Routen. Sie könnte Hocknell damit Ärger einbrocken.« Er richtete den Blick auf das Kuvert. »Die Genehmigungen sorgen dafür, dass er Ihnen wenigstens zuhört.«

»Reite ich zuerst zu Hocknell?«, fragte Lassiter und ließ den Umschlag in der Jacke verschwinden. »Oder knöpfe ich mir vorher die Moonshine-Ranch vor?«

»Wie Sie vorgehen, ist allein Ihre Entscheidung«, gab ihm McNally freie Hand. »Die Canadian Pacific erwartet, dass auf der Strecke Ruhe einkehrt. Ich würde zuerst zu Hocknell gehen.«

Vom Appellplatz des Forts tönten die Rufe der Kanoniere herüber, die sich Säcke voller Schwarzpulver zuwarfen. Sie hatten diese Arbeit bereits aufgenommen, als man Lassiter zur Baracke von McNally gebracht hatte. Als einer der Männer das Schießpulver fallen ließ, erntete er hämische Rufe von seinen Kameraden.

»Hocknell«, sagte Lassiter und nickte langsam. »Wo finde ich den Kerl?«

Der Lieutenant schritt vom Schreibtisch zum Fenster zurück und legte abermals die Hände auf den Rücken. Er nahm sich einige Sekunden Zeit für seine Erwiderung. »Vor einigen Tagen schrieb mir jemand, dass Hocknell eine Hütte am Frozen Horse Creek hätte. Er ist nicht erpicht auf Besuch.«

Unbeeindruckt wandte sich Lassiter zur Tür und fasste nach seinem Hut. »Er hat etwas mit den Frauen von der Moonshine-Ranch zu tun. Ich muss mit ihm reden. Es wird ihm keinen Kummer bereiten.«

»Seien Sie vorsichtig«, sagte McNally zum Abschied. »Er ist kauziger als irgendwer sonst.«

Der Frozen Horse Creek verdankte seinen Namen einem Nokotapferd, das im März des letzten Bürgerkriegsjahres in den Fluss gestürzt und über Nacht zu Eis erstarrt war. Der Schädel hatte so erbarmungswürdig aus dem gefrorenen Wasserlauf geragt, dass die Siedler sich den ganzen Winter nicht hinüber ins Tal gewagt hatten. Ein gutes Jahr darauf hatte den Pferdekopf jemand zu Bobby Hocknell geschleppt und ihm für einen Vierteldollar verkauft.

»Schönen guten Morgen, Jones!«, rief Hocknell und stolperte aus seiner Hütte. Er starrte zu dem vermoderten Antlitz des Nokotahengstes hinauf und griente. »Verspricht ’n heißer Tag zu werden! Dass du mir dort oben nicht endgültig verfaulst!«

Der Pferdeschädel wachte über die beiden Morgen Land, die Hocknell am Frozen Horse Creek besaß und die er mit einem klapprigen Bretterzaun eingefriedet hatte. Hocknell hatte ferner Vogelscheuchen aufgestellt, die mittels ihrer flatternden Lumpengewänder die Krähen fernhielten, und einen Wachturm aus dem Holz der abgebrannten Scheune.

Vor der Hütte wehte Hocknells schmutziges Sternenbanner.

Er hatte die Flagge von der B-Ranch mitgenommen, als er an den Frozen Horse Creek gezogen war, und manchmal sprach er das Morgengebet davor. Die Fahne stank fast so erbärmlich wie der Pferdekopf auf der Stange. Sie gemahnte jedoch an die glücklichen Jahre, die Hocknell auf der vierzig Meilen entfernten Ranch verbracht hatte.

»Runter, Bobby!«, redete Hocknell mit sich selbst und wusch sich im Fluss. Er schöpfte das Wasser mit beiden Händen und klatschte es sich ins Gesicht, bis ihm die Augen brannten. »Jeder Kerl muss sauber sein, jeder Kerl muss sauber sein.«

Danach griff Hocknell nach der Spiegelscherbe, die in dem fauligen Baumstumpf hinter ihm steckte, und betrachtete sich darin.

Er war verflucht alt und widerwärtig geworden.

Seine rosigen Wangen, in die ihn Mary oder Constantia oder irgendein anderes Freudenweib gern gekniffen hatte, waren aschfahl. Sie gingen in zwei tiefe Falten über, die von seinen Nasenflügeln bis zum Kinn reichten. Die grauen Bartstoppeln ringsherum machten die Sache nicht besser.

»Hurenbock!«, beschimpfte sich Hocknell und steckte die Scherbe an ihren Platz zurück. Er sah zum Pferdeschädel hinauf, dessen ausgedörrte Augen ihn von Tag zu Tag merkwürdiger anstarrten. »Was soll ein Mann machen? Was soll ein Greis wie ich bloß anstellen?«

Humpelnd kehrte Hocknell zur Hütte zurück und schnitt sich in der Küche ein Stück Brot auf. Er bestrich es mit Schmalz und zermahlenen Pecannüssen und verschlang es hastig. Das restliche Schmalz wischte er mit dem Finger zusammen.

Nichts war ihm geblieben.

Auf der B-Ranch hatte es einmal mehr Schweine gegeben, als in fünfzig Waggons passten. Sie waren grunzend von einem Corral zum nächsten gezogen, ehe Hocknell sie mit einem Hammerhieb erledigt hatte. Die Biester hatten nicht einmal gequiekt dabei.

Die Schweinezucht war Hocknells Leidenschaft gewesen.

Er hatte sie von einem Rancher aus Iowa erlernt, der ihm jeglichen Kniff beigebracht hatte, den man in diesem Geschäft brauchte. Hocknell hatte die jungen Sauen mit Bucheckern und Eicheln fettgefüttert, als es keine Rüben von der Ostküste gab. Manchmal hatte er die Tröge mit Fischresten gefüllt, die er für einen Vierteldollar in Crocks Handelsposten gekauft hatte. Die Sauen hatten sich blutig gebissen, so begierig waren sie auf das Zeug gewesen.

Das Schmalz schmeckte fade und schal.

Vor allem aus dem Osten kamen die Schmalztöpfe jetzt, aus den Großschlachtereien mit ihren Ziegelmauern, in denen die Schweine im Akkord geschossen und aufgehängt wurden. Die Kadaver endeten an rostigen Haken, unter denen junge Iren mit Fleischbeilen standen und vierzig Hälften in der Stunde schaffen mussten.

Hocknell knurrte und goss sich einen Krug Whiskey ein.

Mit einem langen Schluck spülte er den ranzigen Geschmack von der Zunge und trottete wieder ins Freie. Er schaute nach den Gänsen, die ihm mit gereckten Hälsen auswichen, und nach der Reuse, die in der Mitte des Frozen Horse Creek festgemacht war. Er schüttelte das Netz einige Male und ächzte genervt, als er keinen Fischschwanz darin erspähte.

Mary …

Sie hatte Barsch oder Kabeljau stets dem halb garen Stück Schweinelende vorgezogen, das ihr Hocknell des Öfteren vorgesetzt hatte. Mit ihren blassblauen Augen hatte sie spöttisch das Fleisch beäugt und geschimpft, dass es vor Fett triefte oder an den Ecken verschmort war.

Mary …

Sie war das erste und einzige Cowgirl gewesen, dem Hocknell je begegnet war, und sie hatte ihm das Herz im Leib zerrissen. Sie hatte es mit seinem Vormann getrieben, mit einigen Viehtreibern in der Stadt und selbst mit dem alten Crock draußen im Handelsposten. Sie hatte die Schenkel buchstäblich für jeden breitgemacht.

Für jeden außer Hocknell.

An einem Tag hatte sie seine Nase nicht gemocht, an einem anderen seinen krummen Gang, am dritten seine schwieligen Hände nicht, die immer nach Schweineblut gerochen hätten. Sie hatte ihn ausgelacht und war mit ihrem wehenden roten Haar hoch zu den nördlichen Hügeln geritten.

Du brauchst mich nicht.

An diesem Abend hatten sie draußen auf der Veranda gesessen, und Hocknell hatte Mary gefragt, ob sie – verdammt noch mal – endlich seine Frau werden wolle. Er hatte sich von Crock, der wissend gegrinst hatte, einen Ring liefern lassen, in den ein kleines M und vier Blätter graviert waren.

Ein Blatt für jedes Jahr, das Mary und Hocknell einander kannten.

Sie hatte bloß gelächelt und ihm den Ring an die Brust gedrückt. Sie hatte den Kopf geschüttelt, die staubigen Sporen an der Verandabrüstung abgeschlagen und war gegangen. Unten an den Stufen war sie stehengeblieben und hatte jenen einen Satz gesagt.

Du brauchst mich nicht, Bobby.

»Mister? Mister Hocknell?«

Wie aus einem tiefen Schlaf fuhr Hocknell auf und griff instinktiv nach der dreischüssigen Derringer in seinem Holster. Er schwenkte die Waffe auf den Fremden, der durch den Fluss zu ihm herübergeritten kam.

Der Mann im Sattel saß auf einem schwer bepackten Rappen.

»Bleib stehen!«, brüllte Hocknell und sprang auf. Er wich fast bis zur Hütte zurück und berührte mit dem Finger den Abzug. »Sie stehen auf meinem Land!«

»Sie irren sich«, entgegnete der Mann auf dem Pferd ruhig. Er war breitschultrig und hatte sandblondes Haar. »Dieses Land gehört der Canadian Pacific .«

»Zum Teufel!«, fauchte Hocknell und wich einen weiteren Schritt zurück. »Was redest du da? Wer bist du?«

Der Berittene nahm eine aufrechte Haltung im Sattel ein. »Mein Name ist Lassiter. Ich bin Landagent der Canadian Pacific Railway .«

Durch das Schlafzimmer tönten die Schmerzensschreie von Leslie Timber.

Das blasshäutige Mädchen mit den lehmbraunen Haaren lag verschwitzt zwischen den Kissen und presste ein Kind aus dem Leib. Es brauchte dafür schon seit neun Uhr morgens und stellte dadurch die Geduld des Schwesternpaares Stinny und Nettie auf die Probe.

»Nun mach schon, Leslie!«, schrie Nettie mit hoher Stimme und quetschte ein Kissen unter den Nacken der Gebärenden. »Du musst es rauskriegen! Musst es endlich rauskriegen!«

Inzwischen war Stinny auf das Bett gesprungen und hatte Leslie die Stirn trockengetupft. Sie lamentierte gleichfalls und schüttelte den Kopf. »Der feine Senatorensohn lässt sich Zeit! Müssen ihn wohl mit der Kälberzange holen!«

»Ruhig, Stinny!«, rief Martha und schritt vor dem Bett hin und her. Die ganze Ranch auf diesen Tag seit Wochen gewartet. »Du machst das arme Ding ganz verrückt.«

Unglücklicherweise hatte sich Leslie Timber vom mächtigen Senator William S. Sheafe schwängern lassen, in dessen Diensten sie bis vor einem Jahr gestanden hatte. Sheafe war einer jener Männer, der Temperenzlerinnen und Befürworterinnen eines Frauenwahlrechts gern das Maul gestopft hätte. Zuletzt hatte er in Wilmington eine aufsehenerregende Rede gehalten.

»Das arme Ding ist schon ganz verrückt!«, schrie Leslie und biss die Zähne zusammen. Sie presste mit solcher Kraft, dass an ihrem Hals und auf ihrer Stirn ein Adergeflecht hervortrat. »Mädels, mir wird so übel! Der Knilch will ja raus! Aber er klammert sich fest!«

Die geblümte Stoffbespannung der Wände dämpfte Leslies Schreie, wie sie es vermutlich schon zu Lebzeiten der Rancherin getan hatte, die im selben Zimmer fünf Kinder zur Welt gebracht hatte. Die Ranch hatte vor Bobby Hocknell eine Familie aus Chicago gehört, die sich an Rinderzucht und am Getreidemahlen versucht hatte.

»Reiß dich zusammen!«, fuhr Stinny die schwitzende Leslie an. »Du bist nicht das erste Weib, das ein Kind kriegt! Schon gar nicht auf der Moonshine-Ranch!«

Zwanzig Frauen waren schwanger auf der Ranch erschienen, und jede von ihnen hatte einen Eid auf den Moonshine-Kodex abgelegt, wonach sie ihren Kindern die wahre Vaterschaft verschweigen würden. Sie würden die Namen all jener skrupellosen Kerle für sich behalten, von denen sie in Dienststuben und Abstellkammern geschwängert worden waren.

»Der Kopf!«, schrie Nettie und griff Leslie fest zwischen die Beine. Sie bekam den vor Nässe glänzenden Kindskopf zu fassen und zog sanft daran. »Er ist fast draußen! Nur ein bisschen noch, Leslie! Nur ein bisschen musst du noch!«

Zäh widerstand Martha dem Bedürfnis, den beiden Schwestern zu helfen, die sich als tauglichste Hebammen auf der Moonshine-Ranch erwiesen hatten. Sie mochten nicht die höflichsten Worte für die Mütter finden, aber sie verrichteten ihren Dienst ruhig und mit Gewissenhaftigkeit. Die fünf Kinder, die sie inzwischen auf die Welt geholt hatten, waren allesamt wohlauf.

Nirgendwo sonst hätte Leslie friedlich gebären können.

Sie hätte zu den Engelmacherinnen in ihren Kellern und heruntergekommenen Hütten gemusst und sich ein Stück Eisen in den Unterleib rammen lassen müssen. Sie hätte unter Tränen herausdrücken müssen, was von jenem verhängnisvollen Nachmittag mit Senator Sheafe übrig geblieben war.

Der Schmerz, den Leslie in diesen Stunden litt, war bedeutungslos dagegen.

Er war das Unterpfand der Moonshine-Ranch, auf der Frauen Unterschlupf fanden, die an keinem anderen Ort in diesem Land bleiben konnten. Er war der Triumph von Frauen, denen Unrecht angetan worden war. Er war das Leid, das Amazonen gern erduldeten, solange sie dafür die Freiheit behielten.

»Da ist es!«, platzte Stinny heraus und sprang vom Bett. Sie strich Leslie über das schweißnasse Haar und ballte vor Aufregung danach beide Hände zur Faust. »Was ist es, Nettie? Was ist es?«

Die ältere Schwester legte das blutverschmierte Bündel in ihren Händen auf ein zusammengefaltetes Leinentuch und schnitt mit dem Kneifer die Nabelschnur durch. Sie wischte das Gesicht des Kindes sauber und strahlte Leslie an. »Ein Junge! Du hast einen Jungen geboren!«

Die Erleichterung in Leslies schmalem Gesicht stellte sich erst nach einigen Sekunden bangen Abwartens ein. »Ein Junge? Es ist ein Junge?«

»Ein gesunder und munterer Knabe!«, bekräftigte Nettie und trug das Kind zu seiner Mutter. Sie legte es Leslie in den Arm und ließ sich von Stinny das Schweißtuch reichen. »Du hast wirklich Glück, Kleines! Der Bursche wär’ fast nicht von allein rausgekommen!«

Die Frauen achteten nicht länger auf Martha, die mit erstarrtem Lächeln in der Ecke des Schlafzimmers stand und darüber nachdachte, wie sie die Kinder und die Frauen sattbekommen würde. Ein hungriges Mäulchen nach dem anderen war geboren worden. Allmählich gingen der Ranch die Vorräte aus.

»Was trödelst du dort herum?«, beschwerte sich Nettie und winkte Martha heran. »Du musst den Spross auf der Ranch begrüßen. So verlangt es der Kodex.«

Durch Marthas Kopf tobten die Gedanken, als sie auf das Bett zusteuerte und sich vorstellte, dass die Speisekammern der Ranch bald leer sein würden. Die meisten Frauen ahnten nichts vom Hunger, der ihnen auf den Fersen war wie ein apokalyptischer Reiter. Sie würden die leeren Kammern erst bemerken, wenn es schon zu spät war.

»Wie soll er heißen?«, fragte Martha und beugte sich zu Leslie herunter. Sie schob das Leinentuch ein Stück herunter, das die Züge des Neugeborenen verdeckte. »Du hast dir gewiss schon einen Namen überlebt.«

»Victor«, sagte Leslie und lächelte Martha an. »Er soll Victor heißen, der Sieger. Er wird es als erster Mann schaffen, eine Frau zu respektieren und zu würdigen.« Sie schaute zu Nettie. »Dafür werden wir sorgen, nicht wahr?«

»Bei unseren Leben!«, sagte Nettie freundlich und setzte sich auf die Bettkante. »Er wird auf der Moonshine-Ranch heranwachsen und nie einen dieser Kerle zu Gesicht bekommen, vor denen wir geflohen sind. Er wird ein guter Mann werden.«

»Solange wir ihm das Holzfällen beibringen!«, kicherte Stinny und setzte sich ebenfalls. Sie heftete den Blick auf Martha. »Wir bringen ihm bei, wie man auf der Moonshine-Ranch lebt, oder? Wir bringen es ihm bei!«

In Not und Hunger …

Martha zwang sich zu einem Lächeln und machte ihren düsteren Überlegungen ein Ende. Sie nahm neben Stinny Platz und sah Leslie dabei zu, wie sie dem Kleinen einen Kuss auf die Stirn gab. Die Frauen vertrauten der Moonshine-Ranch, und in diesem Vertrauen sollte sie nichts erschüttern.

Der Dünger …

Fast zweitausend Schädel hatten die Frauen bereits zu Dünger vermahlen, und weitere zweitausend Büffelschädel lagen in den Scheunen bereit. Sie würden genügend Säcke ergeben, dass Joseph Southard zufrieden war.

Als Hehler würde er Vorräte für die Ranch beschaffen können.

Die Amazonen mussten ihm dem Dünger nur rasch genug vor dem nächsten Herbstmarkt liefern, der unten in White River stattfand. Martha kannte Southards Beharrlichkeit in solchen Dingen.

»Sei uns gegrüßt, Kleiner!«, sagte Martha und fasste sanft das Händchen des Kindes. »Möge die Moonshine-Ranch deine Heimat werden.«

»Sie sind Landagent?«

Der ärmlich gekleidete Mann mit der Derringer-Pistole schritt auf das Ufer zu und hielt den Dreischüsser unverwandt auf Lassiter gerichtet. Er blinzelte mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne.

»Nach Recht und Gesetz!«, rief Lassiter über den Fluss. Er zog ein zusammengefaltetes Papierblatt unter der Jacke hervor und wedelte damit. »Die Canadian Pacific Railway hat mich eingesetzt. Ich will mit Ihnen über einen Landkauf verhandeln. Die Gesellschaft hat entlang des Cheyenne River ein Vorkaufsrecht.«

»Sie reiten aber nicht durch den Cheyenne River!«, versetzte der Mann am Ufer mit unsicherem Trotz. Er umklammerte den Griff der Derringer so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. »Sie haben ihren Rappen geradewegs in den Frozen Horse Creek getrieben! An diesem Creek hat die Canadian Pacific einen Dreck von einem Vorkaufsrecht!«

Der Mann der Brigade Sieben wies zu dem aufgespießten Pferdeschädel hinauf, der wie ein grauenhaftes Geisterhaupt über dem Verschlag hing. »Dem letzten Pferd ist es jedenfalls schlechter ergangen als meinem.«

»Ihnen wird’s gleich dreckig gehen!«, schnauzte der Mann mit der Derringer und fuchtelte mit der Waffe herum. »Sie stehen mit zwei Hufen schon auf meinem Grund und Boden! Es wäre mein amerikanisches Recht, die Waffe gegen Sie zu richten!«

»Sie müssen keine Waffe auf mich richten«, beschwichtigte Lassiter mit sanfter Stimme. »Sie sind noch immer Eigentümer der B-Ranch. Das Land der B-Ranch wiederum fällt unter das Vorkaufsrecht der Canadian Pacific .« Er trieb den Rappen mit einem Fersentritt vorwärts. »Sie und ich müssen sich an einen Tisch setzen.«

Obgleich die Derringer in Hocknells rechter Hand zitterte, gehorchte Lassiter seinem Instinkt und ritt weiter auf sein Gegenüber zu. Er nahm die Zügel des Rappen an, als das Tier seichteres Wasser erreichte, und stieg vom Sattel.

»Sie sind der unverschämteste Kerl im ganzen Dakota-Territorium«, beschied Hocknell seinem Gast und senkte langsam die Pistole. Er griff mit argwöhnischer Miene nach dem Canadian-Pacific -Schreiben, das ihm Lassiter fast beiläufig aushändigte.

»Man hat mich schon schlimmerer Dinge geziehen«, meinte Lassiter achselzuckend und schaute sich den Bretterverschlag näher an. Aus den nagelgespickten Wänden schlug ihm der erdige Geruch der Lehmklumpen entgegen, die Hocknell in die zugigen Bretterritzen gestopft hatte. »’Unverschämt’ ist eine Auszeichnung dagegen.«

»Sie bekommen von mir keinen Fußbreit Land«, äußerte Hocknell ohne langes Nachdenken. »Die Ranch ist verpachtet an eine Frau, die diese Bezeichnung nicht verdient. Sie ist ein Teufel.« Er knurrte etwas Unverständliches. »Ein Teufel in Röcken.«

»Pacht?«, spielte Lassiter den Unwissenden. Er kannte die Einzelheiten des Pachtvertrags, von dem die Brigade Sieben eine Abschrift besorgt hatte. »Sie wollten das Land nicht verkaufen?«

Hocknell grinste und sah dabei furchterregend aus. »An den Teufel verkauft man kein Land. Vermutlich hätte ich ein paar tausend Dollar damit machen können.« Er steckte die Derringer endgültig ein. »Sehen Sie sich um! Wegen dieser Entscheidung lebe ich im Elend!«

Der einstige Schweinezüchter führte Lassiter zum Hühnergatter, nahm einen rostigen Blecheimer vom Haken und streute das schimmelige Korn darin unter die Hennen. Er las unter den kotverschmierten Sitzstangen zwei Eier auf und ließ sie in der Hand kreisen, als wären sie Billardkugeln.

»Die Canadian Pacific würde Ihnen einen guten Preis zahlen«, köderte Lassiter Hocknell weiter und zückte ein Papier, auf dem die Eisenbahngesellschaft die Landkäufe der letzten Monate aufgelistet hatte. »Sie sollten darüber nachsinnen, ob Sie den Kontrakt mit der Pächterin auflösen.«

Hocknell trat mit einem schweren Seufzer den Rückweg zur Hütte an. »Sie kennen sich mit Frauen nicht sonderlich gut aus, Mr. Lassiter. Sie verjagen dieses Weibsbild und ihre Gefährtinnen nicht einfach von der Ranch.« Er legte die Eier in eine Keramikschale, die er vom Fensterbrett nahm. »Wussten Sie, dass die B-Ranch zur Moonshine-Ranch geworden ist?«

Lassiter verneinte mit einem Kopfschütteln.

»Diese Weiber sind bloß Kindsköpfe«, murmelte Hocknell und stützte sich mit dem Arm gegen den Türrahmen. Er griff nach dem Absatz seines rechten Stiefels und zog daran. »Sie kamen in einer klaren Nacht in die Grandfields. Sie benannten die verdammte Ranch nach dem Mondschein.« Er wandte sich halb zu Lassiter und setzte einen verständnislosen Blick auf. »Ist das zu glauben?«

Erst nach einem Ruck bekam Hocknell den Stiefel vom Fuß und rang keuchend um sein Gleichgewicht. Er knetete seine wunden Zehen, die rot und unansehnlich waren.

»Auf der Ranch gibt es nur Frauen?«, erkundigte sich Lassiter und bot Hocknell seinen Arm als Stütze an. »Wie viele leben dort? Fünf? Ein Dutzend?«

»Ein halbes Regiment!«, polterte Hocknell und zerrte am anderen Stiefel. Er griff nach Lassiters Arm und ließ ihn gleich wieder los. »Dieses Weib bringt immer mehr von ihnen auf die Ranch! Sie muss irgendwo ein Nest ausgehoben haben! Es werden von Tag zu Tag mehr!« Er schimpfte wie ein Rohrspatz. »Diese Damen haben nicht die besten Absichten!«

Wie der rechte Stiefel verlangte auch der linke Hocknell beträchtliche Anstrengungen ab, ehe er vom Fuß glitt und hinunter auf die Dielen schlug. Der verkrustete Schlamm platzte von der Sohle ab und hinterließ ein Muster von braunen Sprenkeln auf dem Holz.

»Können Sie mich hinauf zur Ranch bringen?«, fragte Lassiter und sah Hocknell an. »Vor einem Angebot muss ich mir das Land ansehen. Ich könnte mich mit der Pächterin einigen.«

Vor Aufregung biss der alte Rancher sich die Unterlippe blutig. »Den Moonshine-Frauen darf niemand zu nahe kommen. Nicht einmal ich selbst. Sie schießen auf jeden, der sich zu nah heranwagt.« Er lächelte verkniffen. »Der Sheriff von Hudsonville wollte die Frauen schon ausräuchern.«

»Können Sie mich zur B-Ranch bringen?«, wich Lassiter Hocknells Bemerkungen aus. »Ich brauche Ihre Hilfe für dieses Geschäft.«

Zweifelnd zog Hocknell die Brauen zusammen und stapfte durch seine Kammer. Er zog eine Flasche Whiskey hinter dem Bett hervor und entkorkte sie. Er roch an der Öffnung und trank einen Schluck. »Sie auch? – Der Ritt zur B-Ranch wird uns wenigstens zwei Tage kosten.«

»Zwei Tage kümmern mich nicht«, antwortete Lassiter rasch. »Man erwartet mich erst in drei Wochen zurück. Die Canadian Pacific ist eine geduldige Gesellschaft.«

»Noch ist sie’s vielleicht!«, höhnte Hocknell und zog die Flasche beleidigt zurück, als Lassiter nichts davon wollte. »Aber ich schwör’s Ihnen, die Canadian Pacific wird ihre Haltung überdenken! Sie kennt die Moonshine-Weiber nicht.«

»Bringen Sie mich hin?«, beharrte Lassiter. »Ich stelle Ihnen diese Frage kein drittes Mal.«

Hocknell blies die Wangen auf. »Meinetwegen, Sie gottverdammter Störenfried!«

Die Delegation des Weißens Hauses setzte sich aus vier Sonderdiplomaten, einigen ausgewählten Kongressabgeordneten und Sprechern von Demokraten und Republikanern zusammen. Sie betrat das Büro von Senator William S. Sheafe geschlossen und hielt sich nicht mit Höflichkeiten auf.

»Auf Gottes Erde gibt es kaum ein schändlicheres Verhalten«, eröffnete der demokratische Sprecher die Runde, »als die Intrigenspiele, die wir in den letzten Monaten zu stützen verdammt waren. Es ist eine Blamage für unser stolzes Land, meine Herren.«

Die übrigen Anwesenden nickten düster und richteten die Blicke auf den anderen Sprecher. Der Republikaner lehnte sich nach vorn und sah zu Sheafe. »Sie haben uns in eine fürchterliche Lage gebracht, Senator. Es gibt niemandem in dieser Runde, den die Errungenschaften Ihres Planes mit Stolz erfüllen.«

Mit einem gefrorenen Lächeln trat Sheafe vor die Delegation und breitete die Arme aus. Er legte eine längere Pause ein, ehe er über die Operation sprach, die in seinem Büro den Codenamen Kassandra trug. »Ich darf Ihnen versichern, dass meine Mitstreiter und ich danach streben, dieses Vorhaben zum Wohle aller Amerikaner durchzuführen.«

»Zum Wohl Ihres Senatssitzes wohl!«, warf ein Abgeordneter ein und knurrte verächtlich. »Sie müssen uns nicht sagen, dass Sie Furcht vor den Weibern haben! Es steht Ihnen auf die Stirn geschrieben!«

»Herrschaften!«, sorgte der demokratische Sprecher für Ruhe. »Ich muss doch darum bitten, dass wir die Würde unserer Zusammenkunft wahren. Es soll nicht darum gehen, ob Sie oder ich etwas gegen Senator Sheafe vorzubringen haben.«

Die Nachmittagssonne aus dem Liliengarten tauchte Sheafes Büro in goldenes Licht und milderte die Anspannung unter den Anwesenden. Die beiden Sprecher wechselten einen Blick miteinander und forderten die übrigen Delegationsteilnehmer zum Platznehmen auf.

»Fahren Sie fort, Senator!«, sagte der Sprecher der Demokraten und setzte sich ebenfalls. »Die Operation Kassandra ist erfolgreich angelaufen, wie mir zugetragen wurde. Oder täuscht sich mein Informant?«

»In der Tat nicht«, erwiderte Sheafe und schritt vor seinen Zuhörern auf und ab. »Um unseren ehrwürdigen zweiten Präsidenten John Adams zu zitieren, steht uns mit der Frauenbewegung ein Stamm gegenüber, der zahlreicher und mächtiger als alle Unzufriedenen dieser Welt ist.«

»Hört, hört!«, sagte der republikanische Sprecher und schaute sich nach den Abgeordneten um. Als die Männer stoisch schwiegen, wandte er sich wieder Sheafe zu. »Die Zeit wird kommen, an dem wir den wahren Wert dieser Worte erkennen.«

Sheafe nickte ernst und sprach eine Zeitlang über Elizabeth Cady Stanton, die mit ihrer Frauenrechtskonferenz in Seneca Falls die – wie Sheafe formulierte – Pandorabüchse geöffnet hätte, und über Susan B. Anthony, die sich bekanntlich erdreistet hätte, gesetzeswidrig in Wahllokalen zu erscheinen und ihre Stimme abzugeben.

Die Abgeordneten, die Sprecher und die Diplomaten stimmten Sheafe eins ums andere Mal zu.

Innerhalb des Parlamentsapparates gehörten sie zu jenem restaurativem Kern, der den Niggern so gern die Freiheit wieder entzogen und die Indianer in noch engere Reservate gepfercht hätte. Sie verständigten sich über subtile Wendungen und Andeutungen, hinter denen der Zorn von Männern stand, die um ihre Stellung und ihre Macht fürchteten.

»Wie weit ist Kassandra jetzt?«, verlor einer der Kongressabgeordneten die Geduld. »Wir sind nicht zu Ihnen gekommen, um uns Weisheiten von Präsident Adams oder diesen Brüllweibern anzuhören!«

Die Brüllweiber , wie der Abgeordnete Ferguson sie nannte, hatten vor einigen Jahren die National Woman Suffrage Association und die American Woman Suffrage Association gegründet und stritten seither für allgemeine Frauenrechte. Sie hatten sich sogar darüber mokiert, dass dunkelhäutige Männer mehr Rechte besaßen als sie selbst.

» Kassandra hat begonnen«, verkündete Sheafe feierlich. »Sie wissen durch meine chiffrierten Schreiben, dass die Brigade Sieben in die Ereignisse um die Moonshine-Ranch eingeschaltet worden ist. Wir haben einen Mann mit dem Namen Bobby Hocknell angeworben, der sich wiederum als Verbindungsmann für den Brigade-Agenten ausgegeben hat.«

»Sie meinen den Schweinezüchter?«, brummte einer der Diplomaten. »Den Schweinezüchter in diesem Loch von einer Hütte am Frozen Horse Creek ? Sie beschrieben ihn uns in einem Ihrer ersten Schreiben.«

Der Senator bejahte und fuhr in nüchternem Ton fort. »Mr. Hocknell ist ein ehrenwerter Mann, solange man von seiner selbstverschuldeten Armut absieht. Er wird für uns in Erfahrung bringen, wie die Brigade Sieben bei der Moonshine-Ranch vorgeht.«

Die Diplomaten berieten sich leise und kamen zu dem Schluss, dass der Präsident von einer Geheimoperation dieses Ausmaßes unterrichtet sein müsste. »Sie mögen amerikanische Werte verteidigen, indem Sie diese Frauen in die Schranken weisen, aber der Präsident darf darüber nicht ahnungslos sein.«

»Der Präsident ist zu seinem Schutz ahnungslos«, verwarf Sheafe den Einwand. »Er und sein Amt kämen in eine bedauernswerte Malaise, wüsste er bereits jetzt davon. Sobald Kassandra ein Erfolg ist, decken wir ihm die ganze Operation auf.«

»Sobald es Erfolg gibt?«, schaltete sich einer der Abgeordneten ein, die bisher still geblieben waren. »Fürchten Sie einen Misserfolg? Mr. Ferguson und ich betrachten Kassandra als Bannstrahl gegen die Brigade Sieben.« Er hob die Brauen. »Diese Organisation muss endgültig den Weg alles Irdischen gehen.«

»Die Brigade wird an Kassandra zerbrechen«, versprach Sheafe und sann einen Augenblick darüber nach, ob er die Delegation täuschte. Noch gab es von Hocknells Seite keine Erfolge zu berichten. »Sie wird eine solche Schuld auf sich nehmen, dass kein Präsident je wieder ihre Hilfe in Anspruch nehmen kann.«

Die beiden Sprecher setzten fast gleichzeitig zu einer Entgegnung an, bevor der Demokrat seinem republikanischen Pendant den Vortritt ließ. »Sie meinen den Brand der Moonshine-Ranch, Senator?«

Ein knappes Kopfnicken war Sheafes Antwort.

Der Demokratensprecher senkte betroffen den Kopf. »Sie bleiben bei diesem Plan? Eine brennende Ranch mit Dutzenden toten Frauen wird Amerika beängstigen.«

»An erster Stelle wird das Feuer die Frauenorganisationen beängstigen.« Sheafe schritt wieder auf und ab. »Die Schuld daran wird allerdings die Brigade Sieben tragen. Es wird ihr Mann sein, der die Fackel in den Hort der Frauenrechte trägt.«

»Sie sprechen von brennenden Scheunen, Senator?«

»Ich spreche von vollkommener Zerstörung, geehrte Herren.«

Seit Martha Vance vom Urteil gegen Susan B. Anthony erfahren hatte, die in Rochester an die Wahlurne getreten und am nächsten Tag von Federal Marshals verhaftet worden war, wütete dumpfer Zorn in ihr. Als junges Mädchen war Martha Susan bei einer Konferenz in Wyoming begegnet, auf der es um Bürgerrechte und den 14. Verfassungszusatz gegangen war.

Gegen Marthas Zorn vermochten nicht einmal vier Fuhrwerke voll gemahlener Büffelschädel etwas auszurichten.

Die Schädel waren ohne Ausnahme von Frauen verarbeitet worden, die sie der Größe entsprechend in Bottiche sortiert und unter erheblicher Anstrengung in die Knochenmühle gekippt hatten. Die Ranchbewohnerinnen hatten den gemahlenen Dünger in Jutesäcke gefüllt, die Säcke zusammengebunden und auf die Fuhrwerke gehoben.

Sie hatten die gleiche verdammte Arbeit wie die Männer erledigt.

Trotzdem gehörte die Ausbeute schon jetzt allein Joseph Southard.

Der Hehler mit dem zum Zopf gebundenen Haarschopf stand am gegenüberliegenden Flussufer und rieb sich in freudiger Erwartung die Hände. Er nahm den Moonshine-Amazonen seit Monaten alle jene Güter ab, die sie auf der Ranch herstellten oder die ihnen bei ihren Raubzügen in die Hände fielen.

»Mary!«, rief Southard und eilte mit seinem wippenden grauen Zopf das Ufer hinunter. Er lotste die Frauen zu einer Furt, in der die Gespanne den Cheyenne River ohne Gefahr überqueren konnten. »Beeilt euch, beeilt euch, Mädchen! Sie sind hinter dem armen Joey her!«

Der arme Joey – so hatte es Mary zwei Wochen zuvor von ihm selbst gehört – verfügte über ein Barvermögen von sechstausend Dollar. Er verhökerte nicht nur gestohlene Waren, sondern verdingte sich bisweilen als Scout für die Canadian Pacific , die ihn mit ihren Gleisarbeitern hinauf in die Scaffold Mountains schickte. Er verdiente so viel daran, dass er sich eine goldene Thompson -Taschenuhr zugelegt hatte.

»Sei geduldig!«, zischte Mary über den Fluss und trieb die Frauen auf den Fuhrwerken an. Sie hatte die vier fähigsten Kutscherinnen mitgenommen, die es auf der Moonshine-Ranch gab. »Du erhältst vier Wagen Dünger! Du hast keinen Grund zur Klage!«

Der Hehler zückte seine Uhr und spähte im Schein des Mondlichts nach dem Ziffernblatt. Er legte die Stirn in Falten und seufzte vernehmlich auf. »Du hast gut reden! Sie jagen nur den Kerl, der euch die Dollars bringt! Sie sind nicht hinter euch her!«

Die Einheiten der US-Army, die sich bis zur Moonshine-Ranch gewagt hatten, waren mit Gewissheit hinter Marthas Amazonen her gewesen. Sie waren bis zum südlichen Creek vorgedrungen und hatten kehrtgemacht, ehe es für die Ranchbewohnerinnen gefährlich geworden war. Der Ruf der Ruchlosigkeit, wie ihn sich die Frauen bei den Canadian-Pacific -Überfällen erworben hatten, eilte der Bande voraus.

» Red’ keinen Unfug!«, bellte Martha und stieg bis zum Bauchnabel in die Fluten des Cheyenne River. Sie gab dem Fuhrwerk hinter ihr ein Zeichen und nahm eines der Pferde beim Zaumzeug. »Wie viel zahlst du uns heute? Wir brauchen ein paar Scheffel Maismehl und getrocknete Bohnen! Leslie hat ihren Kleinen bekommen!«

»War längst an der Zeit!«, quittierte Southard die Neuigkeit trocken. »Wär’ ich Leslie gewesen, hätte ich das Balg längst weggemacht! Gibt ein paar gute Kräuterkrämerinnen drüben in Redfield! Hättest sie bloß zu mir schicken müssen!«

Unten im Flusswasser stießen die Pferdehufe gegen Marthas Fersen, und die Banditenführerin hielt die Zugtiere mit einem entschlossenen Schulterstoß auf Abstand. Sie steuerte auf eine flachere Stelle der Furt zu. »Du bist aber nicht Leslie. Keiner von euch schlauen Herren ist’s! Sie musste das Kind mutterseelenallein zur Welt bringen.«

Southard war wie vor den Kopf gestoßen. »Knurr doch nicht jeden Kerl an, als wär’ er allein an allem Übel schuld! Das Mädchen wird auch sein Scherflein beigetragen haben.« Er schnäuzte sich. »Bis jetzt sind keiner die Verehrer einfach zwischen die Beine gefallen!«