Lassiter Sammelband 1862 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1862 E-Book

Jack Slade

0,0
4,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2467, 2468 und 2469.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 390

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Jack Slade
Lassiter Sammelband 1862

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2019 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Boada/Norma

ISBN: 978-3-7517-6520-6

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Lassiter Sammelband 1862

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Lassiter 2467

Lassiter in Ketten

Lassiter 2468

Ein Girl wie ein Royal Flush

Lassiter 2469

Um Kopf und Kragen

Guide

Start Reading

Contents

Lassiter in Ketten

Schnaufend schob sich die Lokomotive über den maroden Gleisstrang. Unter ihren Stahlrädern knirschten die Schwellen und gaben ein durchdringendes metallisches Ächzen von sich.

Unbekümmert saß Lassiter in dem einzigen Passagierwagen des Militärtransports. Doch die äußerliche Ruhe des großen Mannes täuschte. Er wusste, dass Gefahr in der Luft lag. Und er wusste ebenfalls, dass die Soldaten, die die Waffenladung auf den vorderen Waggons bewachten, im Ernstfall auf verlorenem Posten standen.

Zufällig kreuzte sich Lassiters Blick mit dem einer jungen Frau, die ihm als einzige Mitreisende zwei Sitzreihen weiter gegenübersaß, verschüchtert ihren Kopf senkte, gleich darauf aber wieder aufsah und mit ihren Augen den Brigade-Agenten fixierte.

Lassiters Anspannung steigerte sich. Und schon wenige Momente später erkannte er, dass sie nicht unbegründet gewesen war.

»Ich hatte nicht erwartet, auf einen weiteren Passagier zu treffen«, sagte die attraktive Brünette, nahm ihren zierlichen Hut vom Kopf und löste eine Spange aus ihrem Haar. Geschmeidig fiel es hinab bis zu ihren Schultern.

»Unverhofft kommt oft«, erwiderte Lassiter spontan, fügte jedoch leicht zweifelnd hinzu: »In einem Zugabteil muss man schon mal mit Fahrgästen rechnen …«

»Nicht, wenn der Wagen allein für mich bestimmt ist«, erhielt er zur Antwort. »Mein Vater hat meine Mitfahrt veranlasst, damit ich rasch zu meinem Verlobten nach Denver gelange. Daher frage ich mich, wie Sie es geschafft haben, ein Ticket zu bekommen.«

Lassiter schmunzelte. »Ihr Vater muss recht einflussreich sein.«

»Von einem Senator darf man das erwarten.« Die Lady wickelte eine Strähne ihres dunklen Haares mit dem Zeigefinger auf. »Sie haben übrigens meine Frage noch nicht beantwortet.«

Wieder konnte sich Lassiter ein leises Grinsen nicht verkneifen. »Ich kenne auch ein paar einflussreiche Leute«, meinte er.

»Aus Missouri?«

»Washington.«

»So, so …« Nach einigem Überlegen stellte sich die Frau als Olivia vor. Und mit einem Mal zeigte sie sich äußerst redselig. »Es scheint eine Fügung des Schicksals zu sein, dass wir uns getroffen haben. Und ich bin niemand, der eine gebotene Chance ausschlägt. Deshalb bin ich offen zu Ihnen, Mister …«

»Lassiter«, sagte der Brigade-Agent.

Olivia nickte. »Meine bevorstehende Hochzeit macht mir mehr Kummer als Freude. Woody ist kein schlechter Kerl und will ebenfalls in die Politik, was wohl ein Grund dafür ist, dass mein Vater mich gedrängt hat, ihn zum Mann zu nehmen. – Na ja, da spielen noch einige familiäre Verstrickungen eine Rolle, aber das würde jetzt zu weit führen …«

»Worauf wollen Sie hinaus?«, erkundigte sich Lassiter.

»Ganz einfach!« Olivia verdrehte ihre Augen, als könnte sie Lassiters Begriffsstutzigkeit nicht fassen. »Woody, mein Zukünftiger, ist ein langweiliger Spießer. Trotz seiner Großzügigkeit stimmen seine und meine Auffassung von Ehe nicht überein. Über kurz oder lang werde ich eine Möglichkeit finden, ihn abzuservieren.« Sie warf Lassiter einen vieldeutigen Blick zu. »Ich vermute mal, es wird eher schnell vonstattengehen …«

Mit gemischten Gefühlen beobachtete Lassiter, dass Olivia ihre Bluse aufknöpfte. Doch dabei blieb es nicht. Kaum eine Minute später stand sie splitterfasernackt im Abteil des Waggons, stemmte ihre schmalen Fäuste in die Hüften und schnarrte: »Wie sieht es aus? Brauchst du eine Extraeinladung?«

Lassiter konnte nicht verheimlichen, dass ihn die Erregung erfasst hatte. Dennoch blieb er skeptisch. »Was soll das werden?«, fragte er. »Inwiefern könnte dein Verhalten eine Trennung bewirken, noch bevor die Hochzeit vollzogen ist?«

Olivia hob eine Braue an. »Woody ist streng gläubig. Er denkt, ich wäre noch … intakt .«

»Intakt?«, murmelte Lassiter und sog scharf die Luft ein. »Dann bist du noch Jungfrau?«

»Theoretisch«, versetzte die Brünette, »aber eigentlich könnte sich Woody bei einem alten Schulfreund beschweren.«

»Wozu dann diese Show? Wenn dein Verlobter nicht auf den Kopf gefallen ist, wird er spätestens in der Hochzeitsnacht bemerken, dass vor ihm bereits ein anderer die Büchse der Pandora geöffnet hat.«

Gereizt versetzte Olivia: »Ich bin eine Frau und finde dich attraktiv – machen wir es jetzt oder nicht?«

Einwände hatte Lassiter keine mehr vorzubringen. Im Vertrauen darauf, in dem Abteil nicht gestört zu werden, entkleidete er sich. Sein unverhüllter Anblick ließ Olivia anerkennend schnalzen.

»Donnerwetter!«, stieß sie aus. »Da habe ich mir ja wohl genau den richtigen Hengst ausgesucht.« Sie tappte heran, legte ihren linken Arm um Lassiters Schulter und langte mit der Rechten zwischen seine Beine. Mit geschickten Bewegungen förderte sie das Wachstum dessen, wovon sie offenbar bislang deutlich zu wenig bekommen hatte.

Lassiter packte die Frau bei den Hüften und hob sie spielerisch leicht ein Stück weit in die Höhe, sodass ihre nackten Füße in der Luft baumelten. Er wollte ihren Schoß über seinen Schaft stülpen, doch der Ruck, der unerwartet den Zug erschütterte, ließ ihn schwanken. Um sein Gleichgewicht bemüht, machte er einen Schritt zurück, spürte die Sitzbank in seinen Kniekehlen und ließ sich prompt zurückfallen. Dabei riss er Olivia mit sich, die auf seinen Oberschenkeln zu sitzen kam. Lassiters Speer ragte unmittelbar vor dem Bauch der Frau empor.

»Du gehst ja ganz schön zur Sache«, witzelte Olivia. »Aber genau das gefällt mir an einem Mann.« Sie rieb sich an seiner Rute, kniete sich auf die Sitzbank und hob ihr Gesäß an. Gleich darauf senkte sie ihren Unterleib wieder und stöhnte lustvoll, als Lassiter in sie eindrang.

Erst vorsichtig, dann mit immer größerer Hingabe begann sie, ihn zu reiten. Lassiter umspannte mit beiden Händen ihre Pobacken, spreizte sie und verstärkte zunehmend seine Stöße. Je tiefer er eindrang, desto ekstatischer wurden Olivias Ausrufe.

»Gib’s mir!«, forderte sie energisch. »Mein Gott, du bist so stark und groß in mir! Ich möchte es jeden Tag mit dir treiben!«

Der große Mann nahm es gelassen, obwohl die Leidenschaft in ihm hochkochte. Es war der pure Genuss, diesen jungen Körper zu spüren, die festen Brüste und das knackige Hinterteil. Tausend und mehr Frauen hatte er gehabt, doch der Akt war jedes Mal einzigartig. Er war vergleichbar mit der Befriedigung des Hungergefühls, das keine extravaganten Speisen benötigte, um auf seine Kosten zu kommen und befriedigt zu werden. Die Gier nach Erfüllung war maßgebend. Und weder Lassiter noch Olivia hielten mit ihren Absichten hinter dem Berg.

»Mach mich glücklich!«, keuchte die Dunkelhaarige. »Bitte hör nicht auf! Ich brauche es!«

Der Ansporn stieß nicht auf taube Ohren. Zwar war Lassiter beim Verkehr eher wortkarg, was aber nicht bedeutete, dass seine Partnerin ihn nicht immens anstachelte. Unbefangen sprach sie ihre Begierden aus und steigerte damit unweigerlich Lassiters Bemühungen. Sein Höhepunkt war nicht mehr weit entfernt, und auch Olivias Orgasmus lag in greifbarer Nähe. Ihr ekstatisches Auf und Nieder war geradezu zwanghaft. Schweißfeucht war ihr Körper und zeugte von der Anstrengung, die sie sich in ihrer Triebhaftigkeit auferlegte. Sie wollte tiefste Befriedigung und tat alles dafür, sie auch zu erhalten.

Machtvoll ergoss sich Lassiter. Gleichzeitig schrie auch die junge Frau ihren Orgasmus heraus und zuckte wie unter Peitschenhieben. Das Gefühl riss alle Schranken nieder und schenkte ihr spürbar ein Wohlbehagen, das sie über den Gipfel ihrer Lust hinaustrug.

Sie verkrallte sich in den Schultern ihres Liebhabers, strich mit dem Gesäß über seine pochende Rute und kam erst nach langen Sekunden wieder zur Besinnung. Sehnsucht und Dankbarkeit lagen in ihrem Blick. Dennoch war sie rasch wieder bei sich, löste sich von Lassiter und schlüpfte in ihre Kleidung.

Der Mann der Brigade Sieben tat es ihr gleich. Und kurz darauf hatte es den Anschein, als wäre niemals etwas zwischen diesen beiden Menschen geschehen. Lassiter war mit seinen Gedanken bereits wieder bei seinem Auftrag. Olivia hingegen spürte dem Gefühl der Befriedigung nach und strich mit geschlossenen Augen sanft über ihre Brüste.

Verzückung und Frieden jedoch hielten nicht an. Schlagartig wurden die beiden Reisenden von einer Wirklichkeit eingeholt, die allem entgegenstand, was sie in den letzten Minuten erfahren hatten.

Erneut wurden die Wagen von Erschütterungen heimgesucht. Dieses Mal aber entstammten sie nicht der holprigen Fahrt, sondern den Kugeleinschlägen donnernder Gewehre.

In Lassiters Rücken splitterte Glas; sengendes Blei hackte in den Holzboden und die Sitzreihen.

Wie von selbst flog der Remington in Lassiters Faust, während er sich fallen ließ und gegen die Lehne einer Sitzbank presste. Als er sah, dass Olivia starr vor Schrecken dasaß und wie durch ein Wunder unverletzt geblieben war, sprang er vor und riss die Frau mit sich zu Boden. Schützend war er über sie gebeugt und hielt gleichzeitig Ausschau nach den Angreifern.

»Um Gottes willen!«, stieß die Brünette aus und fand wieder zu sich. »Was hat das zu bedeuten?«

Lassiter duckte sich, als ein Mündungsblitz auf ihn zu zuckte, und drehte Olivia sein Gesicht zu. »Das ist Jordan Young. Er hat es auf die Waffen in diesem Zug abgesehen.« Lassiter kniff seine Lippen zusammen und zischte: »Kriech unter eine der Sitzbänke und bleib dort, bis es vorbei ist.« Sofort stemmte er sich in die Höhe, denn ihm war aufgefallen, dass sich die Schießerei vom Passagierwagen zu den vorderen Waggons verlagerte.

Mit ausgreifenden Schritten durcheilte er das Abteil und stieß die Tür auf. Graue Wolken aus Schießpulver lagen in der Luft und hüllten die Soldaten ein, die auf dem offenen Waggon voraus in alle Richtungen schossen, dabei aber wie ein aufgescheuchter Haufen Federvieh wirkten.

Die Banditen waren mit knapp zwanzig Männern in der Überzahl und flankierten den Zug auf beiden Seiten. Ihre Schüsse kamen trotz des schnellen Ritts gezielt. Sie besaßen deutlich mehr Erfahrung als die meisten Uniformierten und konnten mit ihren Waffen umgehen. Noch in den ersten Sekunden, in denen Lassiter sich einen Überblick verschaffte, stürzten drei Verteidiger tödlich getroffen neben die Gleise.

In der Mitte des offenen Frachtwaggons war etwas unter einer Plane verborgen. Lassiter vermutete, dass es sich von der Größe des verborgenen Gegenstands um eine Gatling Gun handelte, doch keiner der Soldaten machte Anstalten, sie zu benutzen. Ganz offensichtlich waren sie schon mit der Verteidigung ihrer Transportgüter überlastet.

Der Mann der Brigade Sieben feuerte und holte gleich zwei Banditen aus dem Sattel. Gleichzeitig wurde auch er unter Beschuss genommen, ging in die Hocke und stieß sich vom Passagierwagen ab. Mit einer Schulterrolle milderte er seinen Aufprall und hastete zur vermeintlichen Gatling. Es war allerdings fraglich, ob er sie einsetzen konnte, denn die Young-Bande konzentrierte nun ihr Feuer auf ihn.

»Aus dem Weg!«, schrie Lassiter den verunsicherten Soldaten zu. »Sucht Deckung und nehmt die rechte Flanke unter Beschuss!«

Es hatte keinen Zweck. Das Chaos unter den Soldaten nahm nicht ab. Ein junger Bursche, auf dessen Zügen die nackte Panik stand, drehte sich Lassiter zu und legte seinen Karabiner auf ihn an. Nahezu zeitgleich erkannte der Brigade-Agent den Banditen, der den Uniformierten anvisierte.

Der Remington zuckte in die Höhe, doch Lassiters Reaktion kam zu spät. Eine Kugel jagte dem jungen Mann in den Rücken und trat aus der Brust wieder aus.

»Einer von den Bastarden ist auf dem Transportwagen!«, hallte eine wütende Stimme heran. Für den Rufer musste es ausgesehen haben, als hätte Lassiter den Soldaten getötet.

Der große Mann bekam keine Chance, das Missverständnis aufzuklären. Unaufhörlich deckten ihn Youngs Schießer mit Blei ein. Holzsplitter wurden aus dem Frachtwaggon gerissen; Soldaten krümmten sich unter zahllosen Einschlägen.

Ein Schlag gegen seinen Kopf, der mit der Wucht eines Rammbocks kam, ließ Lassiter taumeln und zu Boden gehen. Noch ehe er sein Bewusstsein verlor, schaute er in die hassverzerrten Züge eines Infanterie-Sergeants, der vom vorausfahrenden Waggon auf ihn geschossen hatte.

Verdammt! Das war das letzte Wort, das Lassiter durch den Sinn ging, ehe es dunkel um ihn wurde.

Das Erwachen glich einem Spießrutenlauf, der Lassiters Körper mit peinigenden Impulsen heimsuchte. Der bohrende Schmerz an seiner Schläfe stammte von der Kugel, die seinen Kopf gestreift hatte. Das stellte er bereits nach wenigen Sekunden fest. Er wollte aufstehen, doch da war etwas, das ihn unbarmherzig in seinen Klauen hielt.

Ketten!, schoss es ihm durch den Kopf. Das Klirren der Glieder hallte hämisch in seinen Ohren nach. Er saß auf faulem Stroh und konnte sich gerade einmal in die Hocke begeben. Sich zu erheben, daran war nicht zu denken.

Vor seinem flackernden Blick erschien hinter den Gitterstäben seiner Zelle eine uniformierte Gestalt, die sich schlagartig im Laufschritt entfernte. Zwei Minuten darauf näherten sich erneut Schritte, diesmal von mindestens zwei Personen. In Lassiters Gesichtskreis traten der Wachposten und ein Lieutenant.

»Sie können gehen, Corporal«, sagte der junge Offizier, »aber bleiben Sie in der Nähe.« Mit ausdrucksloser Miene wandte er sich Lassiter zu und begutachtete ihn eine Weile. Dann murmelte er: »Sie und Ihre Spießgesellen haben erheblichen Schaden verursacht. Auch sind gute Männer gestorben. Die Ladung aber, auf die Sie es abgesehen haben, hat ihr Ziel sicher erreicht.«

Lassiter presste eine Hand an seinen Schädel und ächzte: »Tun Sie doch nicht so, als ob Sie nicht gewusst hätten, dass Young Ihre Fracht stehlen wollte. Falls Sie für die Einsatzplanung verantwortlich waren, hätten Sie erfahrene Soldaten und keine Grünschnäbel einsetzen sollen!«

Der Offizier verzog die Lippen zu einem vieldeutigen Lächeln und strich eine Strähne seines kinnlangen blonden Haars aus seiner Stirn. »Sie kennen mich nicht«, knurrte er, »aber Sie werden mich noch kennenlernen. Und jeder in Fort Wallace, der den Namen Gavin Thompson bereits gehört hat, würde sich jede zynische Bemerkung geflissentlich verkneifen.«

»Verzeihen Sie den Affront«, versetzte Lassiter spöttisch, »Sie hatten bestimmt gute Gründe, Ihre Männer über die Klinge springen zu lassen.«

Thompsons Züge verhärteten sich. In seinen Augen glitzerte kalte Wut. »Versuchen Sie bloß nicht, von Ihrer eigenen Schuld abzulenken. Ich habe im Moment noch keine Ahnung, wie Sie es geschafft haben, einen Platz im Passagierwagen zu ergattern, aber ich habe einen Zeugen, der bestätigen kann, dass Sie einen Soldaten kaltblütig niedergestreckt haben.«

»Sie meinen den Sergeant, der auf mich geschossen hat?«

»Ich meine den Sergeant, der Sie leider nicht tödlich getroffen hat …«

Lassiter nickte. »Der Mann hat die Situation verkannt«, sagte er. »In Anbetracht der um sich greifenden Verwirrung kann ich ihm keinen Vorwurf machen.«

Lieutenant Gavin Thompson lachte höhnisch auf. »Das wird ja immer besser! Wollen Sie etwa Ihre Beteiligung an dem Überfall leugnen? Ich kaufe Ihnen zu keiner Sekunde ab, dass Sie nicht zur Young-Bande gehören! Was mich aber am meisten stört, ist die Tatsache, Sie bis zur Militärgerichtsverhandlung durchfüttern zu müssen.«

Ein Schmunzeln verbreiterte Lassiters Mundwinkel. »Gegen eine warme Mahlzeit hätte ich nichts einzuwenden. Ich weiß allerdings nicht, wie ich sie verzehren könnte.« Demonstrativ ruckte er an seinen Ketten. »Die Länge ist recht knappgehalten.«

»Aus gutem Grund!«, versetzte Thompson. »Außerdem ist es nicht mein Problem, wenn Sie die gereichten Speisen unangetastet lassen.« Er grinste abstoßend. »Es gab schon andere, die meinten, auf diese Weise ihrem Protest gegen eine unberechtigte Inhaftierung Ausdruck verleihen zu müssen.«

»Und wenn ich ein dringendes Bedürfnis hätte?«, erkundigte sich Lassiter.

Gavin Thompson tat, als würde er ernsthaft über die Frage nachdenken. Seine Antwort hingegen war der Beweis, dass es ihm eine geradezu sadistische Freude bereitete, seinen Gefangenen zu demütigen. »Schauen Sie sich die Strohunterlage, auf der Sie hocken, einmal genau an. Bestimmt geht Ihnen dann ein Licht auf.« Der Offizier drehte sich zur Seite und rief nach dem Wachposten. »Corporal Mannings! Sie können wieder übernehmen! Melden Sie mir jedes verdächtige Verhalten des Gefangenen!«

Lassiter lehnte sich gegen die Wand und verharrte regungslos. Er hätte Thompson erklären können, wie er sich Zutritt zum Privatwaggon der brünetten Lady verschafft hatte. Er hätte von der Brigade Sieben und seinem Regierungsauftrag erzählen können. Indes, es hätte keinen Unterschied gemacht. Offiziell existierte der Geheimdienst nicht, und es gab auch keinerlei Legitimationen, die Lassiter hätte vorlegen können. Das war sicher nicht die eleganteste Art, Männer im Kampf für Recht und Gerechtigkeit auf ihre Missionen zu schicken, aber am derzeitigen Zustand ließ sich nichts ändern.

Lassiter war auf sich allein gestellt – wie schon unzählige Male zuvor. Sollte er sich nicht aus eigener Kraft befreien können, drohte ihm die standrechtliche Erschießung.

Lieutenant Gavin Thompson, stellvertretender Kommandant von Fort Wallace, stand am Fenster seiner Amtsstube und beobachtete den Einmarsch des Kompanietrupps, der für die Überführung der Waffenlieferung aus Fort Leavenworth verantwortlich gewesen war. Nach ihrer Rückkehr hatten die Infanteristen das umliegende Gelände gesichert und kamen nun zur Ablösung ins Fort zurück.

Mit strammem Schritt ging Thompson zur Tür, riss sie auf und rief: »Sergeant Cloud! Kommen Sie her! Ich erwarte Ihren Bericht!« Er wanderte zurück und setzte sich an seinen Schreibtisch. Seine Pose war die einer Majestät, die ihren Thron erklommen hatte.

Als Sergeant Tyler Cloud das Büro betrat, salutierte er kurz und wollte sich auf den Stuhl gegenüber von Thompson setzen. Doch der Lieutenant ließ einer scharfen Geste ebensolche Worte folgen.

»Bleiben Sie gefälligst stehen!«, schnauzte er. »Oder hat Sie die Patrouille dermaßen erschöpft, dass Sie sich nicht mehr auf den Beinen halten können?«

»Verzeihen Sie, Sir«, erwiderte Cloud, ging aber nicht weiter auf die Zurechtweisung ein. »Es gab keine verdächtigen Bewegungen im Zielgebiet. Allerdings haben wir auch nur einen Umkreis von wenigen Meilen überwacht. Eine Kavallerie-Einheit wäre sicherlich zweckmäßiger.«

Thompson versteifte sich. »Höre ich da eine gewisse Kritik heraus? Ihnen sollte doch wohl bewusst sein, dass mir lediglich begrenzte Mittel zur Verfügung stehen. Fort Hays und Fort Riley können keine Männer entbehren. Ich muss mit dem zurechtkommen, was wir haben. Sollten Sie damit ein Problem haben, habe ich ein Problem mit Ihnen!«

Tief atmete Tyler Cloud ein. »Mit Verlaub, Sir«, sagte er und schien an sich zu halten, um seinem aufgestauten Ärger keine Luft zu machen, »Jordan Young und seine Bande sind unberechenbar. Er kann überall und nirgends sein. Wir haben lediglich die Chance, einen kleinen Bruchteil des Gebietes, in dem er sich aufhalten könnte, zu kontrollieren. Viele meiner Leute haben noch nicht einmal das zwanzigste Lebensjahr vollendet. Sie würden alle draufgehen, sollten wir von Young eingekesselt werden. Der Mann ist nicht zimperlich und schreckt auch nicht davor zurück, Kinder in Uniform abzuknallen.«

Lieutenant Gavin Thompson sprang auf. Er beugte sich auf seinem Schreibtisch vor und stützte sich mit den Fäusten auf der Tischplatte ab. »Hüten Sie Ihre Zunge! Sie reden mit einem Vorgesetzten! Ich kann Ihre Laufbahn mit einem Fingerschnippen beenden!«

»Das ist mir bewusst«, sagte Sergeant Cloud.

»Nun gut.« Der Offizier winkte ab. »Kommen wir zu einer anderen Sache. Es geht um den Kerl, den Sie beim Angriff auf den Zug angeschossen haben. Ich werde ihn vor ein Militärgericht bringen und erschießen lassen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, brauche ich standhafte Zeugen. Es darf nicht der leiseste Verdacht aufkommen, dass der Gefangene nicht zur Young-Bande gehört.«

»Haben Sie denn Zweifel, Sir?«, fragte Cloud.

»Das geht Sie einen feuchten Kehricht an!«, blaffte Thompson. »Ich verlange, dass Sie auch alle Männer Ihres Trupps instruieren, eindeutige Aussagen abzugeben. Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?«

»Absolut, Sir«, gab Sergeant Cloud zur Antwort. »Ich sehe keine Schwierigkeiten.«

Lieutenant Thompson schürzte die Lippen. »Angesichts eines unbedeutenden Versorgungsengpasses wird die Truppenverpflegung rationiert. Halten Sie Ihre Untergebenen also bei Laune. Ich verwehre mich gegen jegliches Murren und jede Kritik. Sollte ich dennoch davon hören, sind Strafaktionen unvermeidlich.«

Mit einer verhaltenen Geste der Zustimmung zeigte sich Tyler Cloud mit der offen ausgesprochenen Drohung einverstanden. Seine nachfolgenden Worte machten jedoch deutlich, dass er genau erkannt hatte, worum es seinem Vorgesetzten ging. »Diese Maßnahme betrifft sicher auch den Gefangenen, Sir. Ist seine Grundversorgung gewährleistet?«

»Fragen Sie mir keine Löcher in den Bauch! Wenn schon meine Soldaten weniger zu fressen bekommen, kann ich kaum Rücksicht auf das Wohlergehen von Kriminellen nehmen!« Rüde wedelte er mit seiner rechten Hand. »Verschwinden Sie, und sagen Sie Ihren Leuten, was ich Ihnen mitgeteilt habe!«

Einmal noch salutierte Sergeant Cloud, dann verließ er die Amtsstube. Thompsons brennender Blick folgte ihm. Er fragte sich, ob er das Gewissen dieses Mannes nicht überfordert hatte. Schließlich aber sagte er sich, dass er mit Gewalt durchsetzen würde, was mit guten Worten nicht zu praktizieren war.

Der Posten eines Captains stand für Gavin Thompson in Aussicht. Nichts auf der Welt würde ihn davon abhalten, sein Ziel zu erreichen.

Culver City, am Fuße der Smoky Hills, lag im orangeroten Schein der untergehenden Sonne. Die Stadt wirkte friedlich, aber vollkommen verlassen. Fast war es, als wäre der sich dem Ende zuneigende Tag ein Signal für die Einwohner, sich in ihren Häusern zu verschanzen. Und kaum wurde die Glocke der kleinen Ortskirche geschlagen, verlöschten auch die Lichter in den Fenstern.

Minutenlang geschah nichts. Erst allmählich zog ein leises Brausen heran, das sich von Sekunde zu Sekunde verstärkte. Das Brausen wurde zu einem Grollen, das Grollen zu donnerndem Hufschlag. Und schon wenige bange Augenblicke darauf zeichnete sich an der Stadtgrenze die Silhouette einer Reiterschar ab, die wie von Furien gehetzt auf die Mainstreet einbog.

Zwanzig und mehr Berittene polterten johlend heran, feuerten übermütig ihre Revolver ab und zügelten ihre Pferde auf Höhe des Saloons. Die Hälfte der Ankömmlinge sprang aus den Sätteln und wollte das Gebäude erstürmen, doch eine befehlsgewohnte Stimme gebot ihnen Einhalt.

»Verdammtes Lumpenpack!«, schrie Jordan Young, ein Mann mittleren Alters, dessen blonde Strähnen ihm wild in das wettergegerbte Gesicht fielen. »Ihr könnt saufen und rumhuren, so viel ihr wollt, aber erst haben wir noch eine Angelegenheit zu klären!«

Matt Brubaker, der neben Young im Sattel saß, raunte seinem Boss zu: »Hältst du das für richtig? Wir sollten die Sache unter uns klären. Du weißt doch, dass die Leute aus Culver glotzend hinter ihren Fenstern hocken.«

»Na und?«, versetzte Young barsch. »Was interessieren mich diese Insekten? Jeden Einzelnen von ihnen kann ich unter dem Hacken meines Stiefels zerquetschen!«

Brubaker verzog die Lippen zu einem abfälligen Grinsen. »Du willst ihnen eine Show bieten, was? Du willst ihnen zeigen, weshalb es besser ist, sich vor dir unter dem nächsten Stein zu verkriechen.«

Jordan Young überging den Einwurf seines Vertrauten und rief seinen Männern zu: »Na los! Macht die Straße frei! Leint eure Gäule an und bringt mir Bart Fenton!«

Die Rotte tat, wie ihr befohlen worden war. Kurz darauf wurde ein Mann auf die Mainstreet gestoßen. Seine Arme waren auf den Rücken gefesselt, und er stolperte vor, verlor das Gleichgewicht, um einen Atemzug später hart in den Staub der Straße zu krachen.

»Bitte, Jordan …«, kam es über seine aufgesprungenen Lippen. »Es war nicht meine Schuld. Das weißt du doch! Keiner hat mit diesem Kerl gerechnet. Ich …«

»Du hattest die Verantwortung!«, fiel ihm Young ins Wort. »Die Waffenladung des Armeetransportes war wichtig! Ich habe Verpflichtungen – und acht Leute verloren! Anstatt den Rückzug anzutreten, hättest du mit aller Härte zuschlagen müssen!«

Fenton rang nach Luft. »Dabei wären noch viel mehr Männer draufgegangen! Wer weiß, ob wir unsere Beute überhaupt bekommen hätten. Ich habe auch in deinem Sinn gehandelt!«

»Aber sicher doch«, erwiderte Jordan Young kühl und stieg vom Rücken seines Pferdes. Im Gehen zog er ein Messer hervor, beugte sich schließlich zu dem Gestrauchelten herab und zerrte ihn auf die Füße. Mit einem Ruck zerschnitt er die Stricke und umklammerte mit seiner Linken Bart Fentons Kehle. »Du sollst als freier Mann sterben …«

Die Klinge schoss in die Höhe, drang unterhalb von Fentons Kinn ein und stach hoch in seinen Schädel. Bis zum Heft rammte Young das Messer in den Kopf des Mannes, zerrte es wieder heraus und ließ den Leichnam fallen.

»Hat das jeder gesehen?«, stieß er donnernd aus. »Niemand fällt mir in den Rücken, ohne den Preis dafür zu bezahlen!«

Betretenes Schweigen breitete sich aus. Keiner der Umstehenden schaute Jordan Young an. Stattdessen zogen sie es vor, ihre Stiefelspitzen zu betrachten.

Der Banditenboss winkte einem Mann zu, der abseits stand und genau auf dieses Zeichen gewartet zu haben schien. In dramatischer Pose kam er heran und stellte sich vor Young. Seine Muskeln waren angespannt, seine Miene grimmig und verkniffen.

»Du willst also bei uns mitmischen, Carter«, stellte Jordan Young kühl lächelnd fest, »und weißt hoffentlich, worauf du dich einlässt. Versagen wird bestraft. Verrat bedeutet den Tod.«

»Ist mir klar«, raunte Carter, ein vierschrötiger Kerl, der seine Kraft kaum bändigen zu können schien.

Nicht ganz ohne Häme nickte Young. »Also gut. Ich gebe dir die Gelegenheit, dein Können unter Beweis zu stellen. Dazu trittst du gegen Brazo an. Bisher hat ihn noch niemand im Zweikampf besiegen können. Stirbst du, war es das für dich. Bleibst du am Leben, flicken wir dich wieder zusammen und du bist dabei.«

Beinahe abfällig verzogen sich Carters Mundwinkel. »Ich werde mit jedem fertig. Dieser Brazo ist auch nur ein Mensch und kann bluten.«

Das war das Signal für einen hageren Typen, der auf den ersten Blick wirkte, als könnte der kleinste Lufthauch ihn aus den Stiefeln wehen. Lässig tänzelte er heran, hob seine Fäuste und führte kurze Stöße in die Luft aus.

Siegessicher stampfte Carter heran und pumpte seine Brust auf. In seinen Augen lag ein triumphierendes Glitzern. »Dann komm mal her, du schmaler Hering!«, grollte er. »Ich stampf’ dich in den Boden, noch bevor du deine Mutti zu Hilfe rufen kannst.«

Brazo zeigte sich nicht im Mindesten beeindruckt. Seine Miene spiegelte höchste Konzentration wider. Auf der Stelle hüpfte er geschmeidig von einem Fuß auf den anderen und ließ die Fäuste im Takt seiner Bewegungen pendeln. Als Carter mit ausgebreiteten Armen auf ihn zulief, um ihn wie ein zerbrechliches Insekt zu zerquetschen, zeigte Brazo, weshalb Jordan Young ausgerechnet ihn ausgewählt hatte.

Der Hagere duckte sich unter dem Scherengriff von Carters Armen hinweg und schoss seine rechte Faust ab. Sie traf seinen Gegner zwischen den Beinen und entlockte ihm einen dumpfen Schmerzenslaut. Gleichzeitig feuerte Brazo seine Linke ab, die gleich einem Dolchstoß in Carters Magengrube landete.

Der wankte zur Seite, während Brazo um ihn herum wieselte und in den Kniegelenken auf und ab federte. Solange sein Gegenspieler ihm den Rücken zuwandte, griff er nicht an. Doch kaum drehte sich der stämmige Carter wieder herum, fing er sich derbe Hiebe gegen Nase und Kehlkopf ein.

»Verdammter Wicht!«, ächzte Carter und wischte sich mit dem Handrücken das Blut aus seinem Gesicht. »Bleib nur eine Sekunde stehen, und ich zerlege dich in deine Einzelteile!«

Brazos Züge blieben versteinert. Die Worte seines Widersachers schienen ihn erst gar nicht zu erreichen. Er blieb auf Distanz und wog seine Chancen ab.

Dann drehte Carter auf. Er täuschte einen Angriff von links an, wich behände zur anderen Seite aus und versetzte dem Dürren einen Schlag, der eine Eiche gefällt hätte. Einmal überschlug sich Brazo in der Luft und krachte unter dem Raunen der Umstehenden auf den sandigen Untergrund. Spielerisch fing er sich jedoch ab und schnellte in die Höhe. Er schüttelte sich, renkte seinen Nacken knackend ein und stellte sich erneut zum Kampf, als hätte Carter ihn lediglich sanft gestreichelt.

»Du bist totes Fleisch!«, presste der Hüne hervor und ballte die Fäuste, sodass sein Bizeps wie ein Ballon hervortrat.

Dieses Mal wartete der schmale Brazo nicht ab, bis sein Gegner zum Angriff überging. Im Zickzack sprang er vor, täuschte einmal links, einmal rechts an, nur um zwischen Carters Beine zu gleiten und ihm diese mit einer wilden Drehung unter dem Rumpf wegzutreten.

Brüllend schlug der Koloss auf und hieb blindlings um sich. Seine rudernden Arme gaben Brazo immer wieder die Möglichkeit, nach seiner Brust und seinem Gesicht zu treten, bis Carter dessen linken Unterschenkel zu packen bekam und seinen Gegenspieler zu Fall brachte.

Nicht nur Überraschung, sondern auch Panik zeigte sich auf Brazos Gesicht. Sein Hals geriet in einen unbarmherzigen Klammergriff. So sehr er sich auch wehrte, hatte er Carters Kräften nichts entgegenzusetzen.

Und als sein Nacken bereits laut hörbar knackte, stachen Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand vor und bohrten sich in Carters Augen.

Gequält brüllte der Hüne auf, war aber noch geistesgegenwärtig genug, Brazos Handgelenk mit rechts zu umklammern und ihm mit der anderen Hand sämtliche Finger zu brechen.

»Aufhören!«, donnerte Jordan Young. »Falls du noch sehen kannst, Carter, bist du aufgenommen!«

Der Angesprochene stieß Brazo von sich und kam schwankend auf die Füße. Eine milchige Flüssigkeit rann aus seiner linken Augenhöhle.

»Ich kann sehen«, bestätigte der Mann und rieb über sein rechtes Auge, das unversehrt war.

Young klatschte in die Hände. »Das Tagesprogramm ist abgearbeitet«, sagte er zu seinen Leuten. »Lasst uns saufen, ihr Säufer!«

Johlend stürmten die Männer den Saloon. Nur Matt Brubaker gab sich verhalten und flüsterte seinem Boss zu: »Wenn die Jungs vollgelaufen sind, kann man sie zu nichts mehr gebrauchen. Wir müssen uns die Waffen holen, das weißt du.«

Young machte eine abwehrende Handbewegung. »Die werden schon wieder nüchtern. Auf einen Tag mehr oder weniger kommt es nicht an. Die sollen die Huren stoßen und sich richtig abfüllen.« Der blonde Anführer grinste. »Brot und Spiele. Das wussten schon die alten Römer. Wie sonst könnte ich das Gesindel in einen Kampf führen, bei dem sie alle draufgehen …?«

Der Hunger wütete in Lassiters Eingeweiden wie ein Steppenbrand. Wie viele Stunden seit seiner Inhaftierung vergangen waren, konnte er nicht sagen, doch ihm war klar, dass der Entzug von Nahrungsmitteln ihn derart schwächen würde, dass an eine mögliche Flucht nicht mehr zu denken war. Doch auch bei vollen Kräften hatte er keine Chance, sich seiner Ketten zu entledigen. Ohne eine wirkungsvolle Finte sah er einem entwürdigenden Siechtum entgegen. Nicht gerade das, was er sich nach all den bestandenen Abenteuern und Kämpfen vorgestellt hatte. Ein Agent der Brigade Sieben jedoch gab sich erst auf, wenn seine Knochen in der Sonne bleichten.

Mit einem Mal klangen Stimmen auf. Die eine war die seines Wächters, der sich schon vor geraumer Zeit entfernt hatte, aber immer in der Nähe geblieben war. Die andere war die einer Frau, dunkel und rauchig, laut und fordernd.

»Nun lassen Sie mich schon zu dem Gefangenen durch!«, hallte es an Lassiters Ohren. »Meine Schwestern haben die halbe Kompanie versorgt. Sie müssen nicht befürchten, zu kurz zu kommen.«

Sekunden vergingen, in denen sich tappende Schritte näherten. Dann trat eine Lady in der groben Kleidung eines Cowboys vor Lassiter, in ihren Händen ein silbernes Tablett mit dampfenden Porzellanschalen. »Ich bin Autumn«, stellte sie sich vor, »und habe Ihnen Speisen mitgebracht.« Nachdem sie Lassiter kritisch beäugt hatte, fügte sie hinzu: »Ich frage mich allerdings, wie Sie sie zu sich nehmen wollen …«

»Nicht ganz unberechtigt«, scherzte Lassiter, blieb auf seinem Hosenboden sitzen und zerrte demonstrativ an seinen Ketten. »Sie werden mich füttern müssen.«

»Wache!«, gellte Autumns Stimme. »Machen Sie die Zelle auf! Sie wissen doch, dass dieser Mann nicht alleine essen kann!«

Schlurfend näherte sich der Wachposten, führte den Zellenschlüssel missmutig ins Schloss, drehte ihn und zog die Tür auf. »Fünf Minuten«, knurrte er mit einem schiefen Blick auf Lassiter. »Nutzen Sie die Zeit, Ma’am.« Gleich darauf entfernte er sich wieder und nahm eine Unterhaltung mit anderen Soldaten auf.

»Ich bin Zeuge Ihres Gesprächs mit dem Wärter geworden«, meinte Lassiter. »Gibt es im Fort Probleme, von denen ich nichts weiß?«

Autumn wiegte ihren Kopf. »Ein Versorgungsengpass, soweit ich weiß«, erklärte sie. »Die Lebensmittel wurden rationiert.«

»Hauptsache«, erwiderte Lassiter, »es sind genügend Waffen vorhanden.« Nach einer kurzen Pause ergänzte er: »Sie und Ihre Schwestern – was steckt dahinter? Weshalb versorgen Sie das Fort?«

»Wir sind Presbyterianerinnen«, gab ihm Autumn im Brustton der Überzeugung zu verstehen. »Das Wohl aller Menschen liegt uns am Herzen.« Sie ließ sich unmittelbar vor Lassiter nieder und stellte ihr Tablett ab. Mit einem Löffel rührte sie in einem weißen Brei, schöpfte ihn voll und führte ihn zu Lassiters Mund. »Aufmachen und runterschlucken!«, forderte die junge Frau ihn auf.

Lassiter nahm mehrere Happen und spürte, wie sie seinen Magen füllten. Zwei Minuten später war die erste Schale geleert.

»Für einen Mann Ihrer Statur ist das sicher nur eine Füllung für den hohlen Zahn«, meinte Autumn lächelnd. »Nehmen Sie auch von dem Gemüse. Sie müssen bei Kräften bleiben.«

»Richtig«, bestätigte Lassiter. »Vor einem Militärgericht darf ich nicht wie ein schlaffer Mehlsack auftreten.«

Erneut schmunzelte Autumn. »Was haben Sie ausgefressen?«

»Nennen Sie mich Lassiter«, sagte der Brigade-Agent.

»Einfach Lassiter ?«

»Mehr habe ich nicht zu bieten. – Wie ist Ihr vollständiger Name?«

»Harper. Autumn Harper.« Sie langte mit dem Löffel in die Gemüseschale und gab Lassiter zu essen. »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Weshalb hat man Sie eingesperrt?«

Kauend entgegnete Lassiter: »Ein Missverständnis. Man hält mich für einen Ganoven.«

»Sagen das nicht alle Ganoven?«

»Mag sein, aber wer sagt Ihnen, dass es nicht hin und wieder mal der Wahrheit entspricht?«

Autumn Harper hob den Blick und schien darüber nachzudenken. Schließlich lachte sie auf. »Ein Punkt für Sie, Lassiter! Das Offensichtliche muss nicht zwingend den Tatsachen entsprechen.«

»Vergessen Sie das Gemüse nicht«, erinnerte er Autumn. »Ich bin noch nicht satt, und die Zeit läuft.«

In Autumn Harpers Augen lag etwas, das die Grenzen von Hilfsbereitschaft und Neugierde zu überschreiten schien. Dankbar nahm Lassiter jeden Bissen entgegen und konnte für wenige Minuten über die Unannehmlichkeiten seiner Inhaftierung hinwegsehen.

»Ich glaube Ihnen«, sagte die Presbyterianerin, nachdem die letzte Schale geleert war. »Ich denke, ich habe eine ganz gute Menschenkenntnis. Vielleicht nützt es, wenn ich mit dem Fortkommandanten rede.

Lassiter schüttelte seinen Kopf. »Da werden Sie auf Granit beißen«, sagte er. »Thompson ist jung und will in der Hierarchie sicher noch aufsteigen. Genau das macht ihn zu einem nützlichen Soldaten. Sie verschwenden Ihre Zeit, Miss Harper. Nichtsdestotrotz weiß ich Ihren Einsatz zu schätzen.«

»Ende der Besuchszeit!«, schnarrte der Wachposten. »Kommen Sie aus der Zelle, oder Sie können die Nacht dort verbringen!«

Schmunzelnd zwinkerte Autumn Harper dem Mann der Brigade Sieben zu. »Es ist noch nicht aller Tage Ende, Lassiter«, erklärte sie. »Wir sehen uns morgen früh zur Fütterungszeit.«

Sie verließ die Zelle, schenkte Lassiter noch einen letzten aufmunternden Blick und wurde vom Wärter zum Ausgang begleitet.

Im Saloon von Culver City ging es hoch her. Es war das einzige Gebäude der Stadt, in dem es noch Leben zu geben schien. Verwunderlich war es nicht, wussten die Bewohner des Örtchens doch sehr genau, wer dort sein Unwesen trieb. Das Gros verschanzte sich hinter den eigenen vier Wänden. Viel Auswahl blieb ihnen nicht, wollten sie nicht ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen. In Culver gab es weder einen Sheriff noch einen Town-Marshal.

»Verdammte Huren, ihr sollt tanzen!«, grölte Matt Brubaker. Er hatte bereits tief ins Glas geschaut, schwankte von links nach rechts und fand Halt an den Brüsten einer Lebedame, die ihm eine saftige Ohrfeige verpasste.

»Nimm die Pfoten weg, du Lustmolch!«, krakeelte sie. »Du stehst schon mit zwei Dollar bei mir in der Kreide!«

»Stell dich nicht so an!«, versetzte Brubaker barsch. »Du bist doch froh, wenn dich überhaupt noch einer angrapscht!«

Der zweite Schwinger gegen Brubakers Wange flog heran. Er wollte ausweichen, hatte aber kaum mehr Kontrolle über sich, rutschte aus und legte sich flach auf den Bauch. Unter dem schallenden Gelächter der umstehenden Freudenmädchen sprang er wieder auf die Füße und riss seinen Revolver aus dem Holster. »Mal sehen, ob ihr immer noch lacht, wenn ich euch mit Blei spicke!«

Ein Schlag in den Nacken brachte ihn erneut zu Fall. Die Waffe polterte über die Dielen und blieb vor dem Tresen liegen.

»Bleib cool, du dämliches Arschloch!«, fauchte Jordan Young und drehte sich der Menge zu. »Ihr alle bleibt cool!«

»Was soll das?«, krähte Matt Brubaker. »Wir sind doch hier, um Spaß zu haben!«

Young trat seinem Stellvertreter vor den Oberschenkel. »Anscheinend haben wir unterschiedliche Vorstellungen von Spaß . Lass die Weiber in Frieden, wenn sie nichts von dir wissen wollen! Du findest bestimmt noch irgendein Gör, dem du es besorgen kannst.«

»Wie sieht’s mit dir aus?«, gurrte eine Blondine und schnürte ihr Mieder auf. Geschickt verstand sie es, ihre Brustwarzen bedeckt zu lassen, doch was trotz der zaghaften Verhüllung noch zu sehen war, hätte jedes Mannsbild um den Verstand gebracht.

Young langte nach vorn und zog das hautenge Kleidungsstück in aller Öffentlichkeit auseinander. Mit seiner Rechten strich er über die nackten vollen Brüste.

»Gehen wir nach oben«, sagte er kühl. »Um die Bezahlung brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«

»Sugar«, raunte die blonde Lady, »das ist genau das, was ich hören wollte …« Sie streckte ihre Hand aus und zog Jordan Young mit sich. Auf dem Zimmer im ersten Stock entblätterte sie sich, als hätte sie nie etwas anderes getan.

Young spürte die Spannung in seiner Hose. Die Waffe zwischen seinen Beinen hatte sich aufgerichtet und wollte den Stoff sprengen.

»Nenn mich Lucy«, sagte die Blondine und knöpfte Youngs Hose auf. Forsch griff sie in den Schlitz und holte seine Rute hervor. Im Nu war sie zwischen ihren Lippen verschwunden.

»Du geiles Biest!«, keuchte Young. »Du weißt genau, was gut ist …«

Lucy hörte gar nicht hin und widmete sich ihrer Arbeit. Dabei ging sie mit einer Leidenschaft vor, die weit über die Professionalität einer Hure hinausging. Es schien ihr eindeutig Spaß zu machen.

Irgendwann entließ sie ihn aus ihrem Mund, massierte ihn noch kurz mit der Hand, um ihn nach wenigen Augenblicken loszulassen. Nackt, wie sie war, legte sie sich rücklings aufs Bett und spreizte ihre Beine. »Gib’s mir, du Hengst«, stöhnte sie. »Für fünfzehn Dollar bekommst du von mir das Himmelreich.«

Jordan Young hatte sich immer noch unter Kontrolle, auch wenn der Anblick von Lucys nacktem Schoß dazu geeignet war, ihn willenlos zu machen. »Quatsch nicht von der Kohle!«, versetzte er ungehalten. »Ich habe dir gesagt, dass ich bezahlen kann. So ein Mist macht mich echt wütend.«

»Bleib locker, Baby«, versuchte Lucy, ihn zu beruhigen. »Schieb ihn mir einfach tief rein und mach mich glücklich.«

Eine weitere Aufforderung benötigte Young nicht. Er beugte sich über die blonde Frau, stützte sich mit beiden Armen auf der Matratze ab und tat, was sie so sehnlich verlangte.

»O ja!«, entfuhr es Lucy. »Ich spüre dich in mir! – Stoß zu, Baby! Ich will den ganzen Laden zusammenschreien.«

Hart drang Jordan Young ein. Die anfänglich zaghaften Stöße steigerten sich. Ihm kam es nicht darauf an, Lucy in -zig Stellungen zu genießen; er wollte seine Befriedigung, denn schließlich bezahlte er dafür.

»Fester!«, keuchte Lucy und warf ihren Kopf hin und her. »Mir kommt’s gleich!«

Auch Young hatte nach einigen entbehrungsreichen Tagen ordentlich Druck aufgebaut. Die Lustschreie von Lucy stachelten ihn an. Lange würde er sich nicht mehr zurückhalten können.

»Stoß zu!«, flehte die Blondine. »Hör nicht auf! Ich will, dass du in mir kommst!«

Um Jordan Young war es geschehen. Die Lust kochte in ihm hoch und schwappte über. Machtvoll ergoss er sich in die blonde Hure, stieß noch einige Male zu und sackte über Lucy zusammen.

»Das war gut«, meinte die Dirne und rieb ihren Unterleib noch einige Male lustvoll an dem allmählich erschlaffenden Glied.

Brüsk wandte Young sich ab, fingerte einige Dollarnoten und Münzen aus seiner Kleidung und warf sie auf das Laken. »Für dich!«, sagte er abschätzig. »Das war es doch, was du wolltest.«

»Baby!«, stieß Lucy aus. »Das war der Fick meines Lebens! Aber ich muss auch gucken, wo ich bleibe. Das verstehst du doch, oder?«

»Schieb dir die Kohle dort rein, wohin keine Sonne scheint«, gab Young ihr zu verstehen. »Du bist nichts Besonderes! Eine Spalte wie deine finde ich überall.« Er ging zur Waschschüssel, reinigte sich oberflächlich und knöpfte seine Hose zu.

»Dreckiger Bastard!«, presste Lucy hervor. »Einer wie du hat noch gar nicht genug bezahlt! Der Blitz soll dich beim Scheißen treffen!«

»Fordere mich nicht heraus«, erwiderte Jordan Young. »Du würdest mich noch viel weniger mögen, wenn ich den Bastard aus mir herauslasse …« Ungerührt verließ er das Liebeszimmer und wanderte durch den Flur bis zur Treppe. Während er die Stufen hinabstieg, formte sich sein Plan aus, die Waffenlieferung nach Fort Wallace unter allen Umständen an sich zu bringen.

Lassiter war in einen leichten Dämmerschlaf gefallen und wurde durch das laute Klirren des Zellenschlosses aufgeschreckt. Gleich vier Soldaten eilten ihm entgegen. Während zwei von ihnen sich links und rechts von ihm aufstellten, ließen die anderen beiden ihre Fäuste sprechen.

»Schöne Grüße von Lieutenant Thompson!«, zischte ein bulliger Kerl und feuerte einen Hieb gegen Lassiters Kinn ab. Sein Kumpan trat den Brigade-Agenten gegen die Brust und in den Bauch. Als sie ihr Opfer wehrlos glaubten, lösten sie die Eisenmanschetten von seinen Handgelenken und seinen Fesseln und schleiften ihn mit sich.

Quer über den Exerzierhof zerrten sie Lassiter und entließen ihn erst aus ihrer Umklammerung, als sie ein Stück Brachland erreichten, auf dem sich Felsgestein türmte. »Hier kannst du dich den ganzen Tag lang austoben«, krächzte ein Sergeant. »An dieser Stelle sollen neue Stallungen errichtet werden, also schaff die Steine aus dem Weg!«

Die Schläge und Tritte hatten Lassiter zugesetzt, und beim Anblick der unzähligen Gesteinsbrocken wollte ihm schon flau im Magen werden. Dennoch riss er sich zusammen, kam ächzend auf die Füße und packte einen der Steine. Er hatte die Größe eines Kürbisses, ließ sich jedoch recht gut tragen. Genau das aber schien dem Sergeant nicht zu gefallen.

»Nicht die Kleinen!«, schnauzte er und deutete voraus. »Nimm den!«

Der Mann der Brigade Sieben stöhnte innerlich auf. Der Brocken reichte ihm bis zur Hüfte und war unmöglich zu tragen. Er räumte einige Steine, die auf ihm lagen, beiseite und stemmte sich mit seinem gesamten Körpergewicht dagegen. Mehrmals musste er neu ansetzen, um den Felsen auch nur einen Fingerbreit bewegen zu können. Unter meckerndem Gelächter stemmte Lassiter den Felsbrocken Zentimeter für Zentimeter voran.

Und kaum hatte er ihn zwanzig Yards weit gerollt, gellte erneut die Stimme des Sergeants: »Habe ich dir etwa gesagt, du sollst den Kiesel dort rüber rollen? Da liegt er uns nur im Weg! Bring ihn gefälligst auf die andere Seite des Geländes!«

Eine Weile noch amüsierten sich die Uniformierten, bis zum Appell geblasen wurde. Tapfer hielt sich Lassiter auf den Beinen und demonstrierte über die Stunden hinweg eine Zähigkeit, die ihn selbst überraschte. Er wollte Thompson zeigen, dass er nicht leicht zu brechen war. Zudem wollte er ihm keinen Grund liefern, ihn aus dem Hinterhalt zu erschießen. Es war Lassiter nämlich aufgefallen, dass mindestens zwei Soldaten von einem Aussichtsturm ihre Gewehre auf ihn angelegt hatten. Keinen Augenblick zweifelte er daran, dass sie beim geringsten Anzeichen eines Fluchtversuchs unbarmherzig schießen würden.

Irgendwann war es aber auch um Lassiter geschehen. Seine Kleidung war schweißdurchtränkt; jeder Muskel in seinem Körper rebellierte. Kraftlos sank er in sich zusammen und blieb schwer atmend auf dem Boden liegen.

Wie durch Watte hörte er das Geräusch heraneilender Schritte. Die Schläge und Tritte, die ihm kurz darauf verpasst wurden, spürte er kaum noch. Erst in seiner Zelle kam er wieder zu sich und gab sich den Schmerzen hin, die ihn erfüllten.

»Um Gottes willen!«, hallte es plötzlich in seinen Ohren. »Was ist denn mit Ihnen geschehen?«

Lassiter schlug die Augen auf und erkannte verschwommen die Gestalt von Autumn Harper. »Nur eine kleine Unterhaltung«, meinte er schief lächelnd. »Ich konnte meinen Standpunkt allerdings nicht durchsetzen.«

»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«, entfuhr es der jungen Frau. »Sie sehen aus, als hätte man Sie massakrieren wollen!«

»Nun ja«, gab Lassiter zu, »Streicheleinheiten fühlen sich anders an …«

Autumn, die wieder einige Speisen brachte, stieß aus: »Ihnen wurde körperliche Gewalt angetan! Das sind unzumutbare Zustände in diesem Gefängnis! Ich werde auf der Stelle den Fortkommandanten informieren.« Schon wollte sie das Tablett abstellen und davoneilen, da hielt Lassiter sie zurück.

»Nein!«, rief er aus. »Bringen Sie sich nicht unnötig in Schwierigkeiten. Ich glaube kaum, dass Thompson für Ihr Anliegen ein offenes Ohr hat.«

Die Frau mit der rauchigen Stimme verhielt mitten im Schritt. »Sie haben recht«, murmelte sie. »Der Lieutenant könnte meine Beschwerde an Ihnen auslassen. Das könnte ich mir noch weniger verzeihen, als tatenlos Ihrem Leid zuzuschauen.« Autumn drehte sich zur Seite. »Wache!«, rief sie. »Machen Sie die Zelle auf! Der Gefangene muss essen!«

Ein junger Bursche kam heran. Es war nicht derselbe Mann, der Lassiter bisher bewacht hatte. Auf seinen Zügen spiegelten sich Niedertracht und Sadismus. Wortlos schloss er die Zelle auf, doch als Autumn hineingehen wollte, verstellte er ihr den Weg.

»Ich mache das schon«, knurrte er unfreundlich, riss der Brünetten das Tablett aus den Händen und schleuderte es Lassiter entgegen. »Du kannst vom Boden fressen und dich schon mal dran gewöhnen, die Radieschen demnächst von unten wachsen zu sehen.«

»Haben Sie den Verstand verloren?«, schrie Autumn Harper und warf einen entsetzten Blick auf Lassiter, der von oben bis unten bekleckert war. Dampfende Fleischbröckchen, Gemüse und Soße lagen auf dem Boden verteilt.

Der Wachposten lachte gehässig und funkelte Autumn lüstern an. »Geh beten, du Schnepfe, oder bück dich! Zu etwas anderem bist du wahrscheinlich eh nicht zu gebrauchen.«

Wutentbrannt stapfte Autumn davon, nicht ohne Lassiter noch einen mitleidigen Blick zuzuwerfen.

Mach bitte keinen Unsinn, Mädchen, ging es dem Brigade-Agenten durch den Kopf. Er lehnte sich zurück an die Wand, schabte die Lebensmittelreste von seiner Kleidung und verzehrte sie.

Polternd flog die Tür der Kommandantur auf. Mit giftigem Blick stürmte Autumn Harper in Thompsons Büro. Ungerührt sah der Lieutenant von seinem Schreibtisch auf und stellte sein Weinglas zur Seite. »Gibt es irgendetwas, das ich für Sie tun kann, Miss?«, fragte er herausfordernd. »Ich bin es nicht gewohnt, Zivilisten in dieser Amtsstube zu empfangen. Schon gar nicht, wenn sie lange Haare und Brüste haben.«

Autumn Harper stemmte ihre Fäuste in die Hüften und erwiderte spöttisch: »Verzeihen Sie die Unannehmlichkeiten, Lieutenant, aber ich möchte eine Beschwerde loswerden. Und zwar über einen Ihrer Gefängniswärter.«

»Was haben Sie im Inhaftierungsblock zu suchen, wenn ich mal ganz bescheiden nachfragen darf.«

Verdutzt hob die Dunkelhaarige ihre Brauen. »Meine Schwestern und ich stopfen Ihren Leuten die Mägen, falls Sie es vergessen haben sollten.« Sie warf einen kritischen Blick auf das Weinglas. »Anscheinend aber benötigt nicht jeder unsere Unterstützung …«

Auf den Einwand ging der Offizier nicht ein, sondern runzelte seine Stirn. Es sah aus, als müsste er über den Wahrheitsgehalt von Autumns Worten nachdenken. Dann erhellte sich seine Miene. »Richtig, Sergeant Cloud informierte mich, dass Ihre Kirchengemeinde uns unterstützt. Es war mir kurzzeitig entfallen.«

»Hm«, machte Autumn. »Ihre Rationen sind offensichtlich nicht gekürzt worden.«

Unwillig winkte Gavin Thompson ab. »Was ist nun der Grund Ihrer Beschwerde, Miss?«

»Ich habe einem Ihrer Gefangenen Essen gebracht«, begann die Frau. »Ihr Wachposten hat es mir abgenommen und ins Innere der Zelle geschleudert.«

Thompson zuckte die Achseln, nahm einen Schluck Wein und wischte sich mit einer Serviette über die Lippen. »Der Wachmann hat sicherlich angenommen, sie schmuggeln im Essen irgendeine Waffe, vielleicht ein Messer oder eine Eisenfeile.«

»Lieutenant!«, stieß Autumn aus. »Der Inhaftierte ist an Händen und Füßen gefesselt. Und es ist außerdem nicht zu übersehen, dass er misshandelt wurde.«

Der Offizier musste grinsen. »Sie sehen das Resultat, aber nicht den Tathergang. Wer sagt Ihnen, dass Mister Lassiter die Prügel nicht provoziert hat? Der Angriff auf einen Soldaten wird für gewöhnlich härter bestraft.«

Für einen Moment wurde Autumn Harper blass, dann aber fand sie ihre Sicherheit zurück. »Ich glaube Ihnen kein Wort! Mister Lassiter wirkte vollkommen ausgezehrt, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe. Ein Mann in seiner Verfassung kann unmöglich einen Wachposten angegriffen haben.«

Mit der flachen Hand schlug Gavin Thompson auf den Tisch. »Es ist mir völlig gleichgültig, was Sie denken!«, platzte es aus ihm heraus. »In der Armee werden Befehle befolgt und keine Diskussionen geführt. Ich kann’s Ihnen auch gern schriftlich geben, falls Ihnen diese Information wieder aus der Rübe sickern sollte.«