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Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2524, 2525 und 2526.
Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 389
Veröffentlichungsjahr: 2025
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2020 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
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Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Covermotiv: © Boada/Norma
ISBN: 978-3-7517-8207-4
https://www.bastei.de
https://www.luebbe.de
https://www.lesejury.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Lassiter 2524
Hexensabbat in Pal Athens
Lassiter 2525
Requiem für Liberty Rose
Lassiter 2526
Feuer und Schwefel
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Contents
Hexensabbat in Pal Athens
Wie aus dem Nichts brach jemand durch das Unterholz, taumelte den Abhang hinab und zwang Lassiter zu einem brutalen Zerren an den Zügeln. Der Wallach wieherte, ging fast auf die Hinterbeine, kam aber knapp vor einem Mann zum Stehen, der mitten auf der Straße zusammenbrach. Mit einem Fluch auf den Lippen glitt Lassiter aus dem Sattel und ging vor dem am Boden Liegenden in die Hocke. Er griff nach dessen Schulter und drehte ihn herum, was von einem Stöhnen beantwortet wurde. Scharf stieß der Brigadeagent die Luft aus, als er in blutrote Augen schaute.
»Pal Athens«, keuchte der Mann und packte ihn am Ärmel. »Sie müssen ...« Unvermittelt ging seine Stimme in ein Husten über, bevor er die Augen verdrehte und das Bewusstsein verlor.
Ungläubig starrte der Agent der Brigade Sieben für einige Augenblicke auf das kalkweiße, vor Schweiß glänzende Gesicht hinab, bevor er die Schulter des Mannes am Boden behutsam schüttelte.
»Hey, Mister ...«, versuchte er den Unbekannten wieder zur Besinnung zu bringen, spürte aber sofort, dass er damit keinen Erfolg haben würde. Der Körper des Mannes fühlte sich so schlaff an, als hätten ihn seine Lebensgeister bereits endgültig verlassen.
»Goddam ...«
Lassiter legte zwei Finger an den speckigen Hals des Mannes und versuchte, die Halsschlagader zu ertasten. Er glaubte, ein schwaches Pulsieren zu spüren, war sich aber nicht sicher. Also legte er sein Ohr auf die Brust des am Boden Liegenden und horchte auf einen Herzschlag. Mit ähnlichem Ergebnis.
Der Brigadeagent richtete sich auf und warf einen Blick über die im Dämmerlicht liegende Poststraße, die links und rechts von dichtem Wald gesäumt wurde. In beiden Richtungen war weit und breit kein Lebenszeichen zu entdecken, was ihn nicht weiter verwunderte.
Seit er zur Mittagszeit den parallel zur Bahnstrecke verlaufenden Overlandtrail zwischen Omaha und Sidney verlassen hatte, war ihm keine Menschenseele mehr begegnet. Die Great Sand Hills im Norden von Nebraska zählten immer noch zu den einsamsten Regionen eines ohnehin nur dünn besiedelten Bundesstaates, der erst nach dem Bürgerkrieg Mitglied der USA geworden war.
Er warf seinem Pferd einen kurzen Blick zu, und als der Wallach mit einem Schnauben antwortete, zuckte Lassiter die Achseln und griff dem leblosen Mann unter die Achseln, um ihn von der Straße zu ziehen.
Kaum hatte der Brigadeagent den massigen Körper bis zum Straßenrand geschleift, als der plötzlich und unerwartet wieder zum Leben erwachte.
»Haaaarrrrrhhh ...!«
Lassiter war so überrascht, dass er nicht nur die Hände wegriss und zwei Schritte rückwärts machte, bis er fast im Graben landete, sondern seinerseits erschrocken ausrief: »Bloody hell!«
Der Mann sackte unsanft zu Boden, was ihn aber nicht davon abhielt, sich auf den Bauch zu drehen und den Kopf zu schütteln wie ein nasser Hund. Dabei fiel ihm das lange, dunkelbraune Haar ins Gesicht, und als er schnaubte, tropfte ihm Rotz aus der dicken, rot geäderten Nase.
Er glotzte Lassiter an, als würde er ihn für eine Sinnestäuschung halten. Das früher einmal Weiße, Iris und Pupille in seinen Augen schwammen in dunklem Rot und waren kaum mehr voneinander zu unterscheiden.
Der Mann stützte sich auf seinen Ellenbogen ab und öffnete den Mund, doch statt Worten kam nur rosafarbener Speichel über seine Lippen und bildete Blasen in den Mundwinkeln und auf dem vorspringenden Kinn.
Himmel! Das könnte Tollwut sein! , schoss es Lassiter schlagartig durch den Kopf. Er hob abwehrend beide Hände und wich einen weiteren Schritt zurück.
»Hören Sie, Mister«, sagte er leise, »können Sie mich verstehen? Dann sagen Sie mir Ihren Namen und woher Sie kommen.«
Der Mann schien tatsächlich zu lächeln, doch zwischen dem schaumigen Speichel rund um seinen Mund war das nicht eindeutig zu erkennen.
»Hrchhhhiii Garrrwinn ...«, röchelte er.
Lassiter hob beide Hände und hielt dem blutigen Blick stand. »Schon okay, Sir«, brummte er und bemühte sich um einen gelassenen Tonfall. »Nur die Ruhe.«
Das wenige, was er über Tollwut wusste, reichte, um dem am Boden Liegenden nicht näher kommen zu wollen. Gleichzeitig erinnerte er sich auch daran, dass Menschen und Tiere, die diesen teuflischen Virus in sich trugen, extrem empfindlich auf Helligkeit, laute Geräusche und unruhige Bewegungen reagierten.
Also war die hereinbrechende Dunkelheit wohl ein Segen für den bemitleidenswerten Mann, und er wollte dessen Qualen keinesfalls verschlimmern, indem er seine Stimme erhob oder seine Nervosität erkennen ließ.
»Ich werde Hilfe holen, okay?«, sagte Lassiter leise und ging dabei in die Hocke, um vier Schritte von dem Mann entfernt dessen Blick einzufangen. Denn der ließ mittlerweile den Kopf hängen und spuckte Blut in den Dreck am Straßenrand.
Lassiter schob sich den Stetson in den Nacken und legte die Stirn in Falten.
Pal Athens. Das hatte der Mann vor ein paar Minuten noch hervorgebracht. Und jetzt erinnerte sich der Brigadeagent auch daran, vor knapp einer Stunde ein Schild am Wegesrand wahrgenommen zu haben, auf dem dasselbe gestanden hatte.
»Ssssssiiiieee düüffnnnn nitt...«
Lassiter fuhr hoch, und als der Mann ihn aus diesen trüben roten Augen anstarrte, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken.
»Iiiiieeecchhh...« Die Stimme erstarb in einem feuchten Gurgeln, und Lassiter musste entsetzt zusehen, wie ein blutiger Schwall aus der Kehle des Mannes kam, dessen Kinn rot färbte und er ein letztes Mal hustete und ächzte, bevor sein Gesicht in die rote Lache am Straßenrand sackte und er sich nicht mehr rührte.
Lassiter erhob sich, presste die Lippen zusammen und ging zum Wallach zurück. Er zog eine Decke hinter dem Sattel hervor und breitete sie über dem reglosen Körper aus, bevor er auf den Rücken seines Pferdes stieg.
»Pal Athens – 20 Meilen« hatte auf dem Schild gestanden.
Er ging davon aus, dass die Stadt in unmittelbarer Nähe lag.
✰
»Juli, du bist doch wirklich alt genug, fast schon erwachsen.«
Die Miene der Frau mit der dunklen Mähne, die bis zum Gürtel über ihren Rücken fiel und von silbrig glänzenden Strähnen durchzogen war, veränderte sich nur um eine Nuance von der gewohnten Gleichmut zu einem Anflug von Strenge.
Sie thronte auf einem Stuhl mit überlanger, von kunstvollen Schnitzereien verzierter Rückenlehne. An ihrer Seite saßen zwei Frauen auf schlichteren Möbelstücken, und alle drei blickten von dem Podest an der Stirnseite des kleinen Gemeindesaals auf eine junge Delinquentin herunter, die man gezwungen hatte, auf dem Boden zu knien.
Die Angesprochene schob trotzig die Unterlippe vor und starrte auf die dunklen Dielenbretter. Die beiden Frauen links und rechts der Bürgermeisterin furchten ihre Stirnen angesichts der Renitenz des jungen Mädchens.
»Jetzt mach endlich den Mund auf, Juli!«, zischte Sarah zwischen zusammengepressten Lippen hindurch. Sie rieb sich die Hände, als würde sie ein unsichtbares kleines Tier erwürgen. »Wo ist dein Vater hin? Wir wissen alle, dass er niemals abhauen würde, ohne dir zu sagen, wohin er will.«
»Und du weißt, er kommt ohnehin nicht davon«, ergänzte Fedora mit einem kalten Lächeln. »Wenn du uns verrätst, was dein Vater vorhat, rettest du ihm vielleicht das Leben. Niemand weiß, ob und wie lange er ohne das Gegengift überlebt.«
Erschreckt schaute Juliette auf und bereute es sofort. Denn als sie in die selbstgefällig lächelnden Gesichter blickte, ahnte sie, dass Fedoras Worte sie nur aus der Reserve hatten locken wollen.
»Ich weiß nicht, wo er ist«, stieß sie hervor und ballte unbewusst die Hände zu Fäusten. »Selbst wenn ihr mich grün und blau prügelt, werdet ihr nicht mehr erfahren.«
Die Frauen tauschten kurze Blicke, bevor die Langhaarige, die ganz in helles Leder gekleidet war wie eine Indianerin, schließlich seufzte. »Sie weiß wirklich nichts«, verkündete sie, als könne sie Juliettes Gedanken lesen, und zuckte gleichmütig mit den Achseln. »Dennoch musst du deine Tochter bestrafen, Sarah. Als sie die Flucht ihres Vaters nicht gemeldet hat, hat sie sich gegen die Gemeinschaft gestellt, und das können wir nicht einfach auf sich beruhen lassen.«
Juliette presste grimmig die Lippen zusammen, und ihr lag eine wütende Antwort auf der Zunge. Doch sie wusste, dass jedes Aufbegehren zwecklos war – ihre Strafe würde dadurch nur noch strenger ausfallen.
»Zehn Stunden im Schacht sollten reichen, um ihr Vernunft beizubringen.«
»So sei es«, hörte Juliette ihre Mutter murmeln, bevor Sarah sie mit hartem Griff auf die Beine zog.
Als die Tür des Gemeindehauses kurz darauf hinter ihnen hart ins Schloss fiel, hielt Juliette den Kopf immer noch gesenkt, denn sie wollte ihrer Mutter nicht in das gefühlskalte Antlitz schauen.
Ihre Haltung – das Haupt gesenkt und die Schultern gebeugt wie eine zum Tode Verurteilte auf dem Weg zum Schafott – bewahrte sie davor, den Blicken der Leute begegnen zu müssen, als sie von Sarah und Fedora hinaus auf den Platz geführt wurde.
Das Raunen und höhnische Gemurmel war schlimm genug.
»Ich weiß, dass du lügst!«, zischte Sarah neben ihr, und die Finger, die ihren Unterarm umklammerten, schlossen sich so fest um Fleisch und Knochen, dass Juliette sich schmerzerfüllt auf die Unterlippe biss.
Nie hatte sie Mutter mehr gehasst als in diesem Moment.
Ein rostiges Knirschen bewog sie, vorsichtig ein wenig den Kopf zu heben. Sie blickte auf ein Paar lederne Stiefel und ein eisernes Gitter, das sich vor ihr hob und den Weg freigab auf steil abfallende Stufen, die in einen dunklen Schacht führten.
Das Raunen wurde lauter, während sie auf die erste Stufe trat. Ein verstohlener Seitenblick ließ sie blinzeln, weil hinter den Dächern der Stadt die Sonne unterging und ihr einen letzten wärmenden Strahl schenkte.
»Jetzt geh schon«, hörte sie Sarah hinter sich, und im nächsten Moment ließ sie ein grober Stoß in den Rücken ein paar Stufen auf einmal hinab taumeln.
Der Geruch war ekelerregend, und Juliette hielt unwillkürlich den Atem an. Obwohl ihr natürlich klar war, dass sie das nicht lange würde durchhalten können.
Die Stufen unter ihren nackten Füßen fühlten sich feucht und glitschig an, und sie bewegte sich vorsichtig, während über ihr das schwere Gitter zugeworfen wurde.
Zehn Stunden , dachte sie und versuchte, durch den Mund zu atmen, während sie sich auf den Stufen niederließ.
Zehn Stunden. Ich bleibe einfach hier auf der Treppe sitzen, bis sie mich wieder rausholen.
Sie faltete die Hände und begann zu beten. Sie flehte Gott um Hilfe an für ihren Vater und hoffte, dass er Hilfe finden möge, bevor ihn das Gift übermannte.
✰
»Findest du das eigentlich in Ordnung?«, wagte Geoffrey Winter zu fragen, während er das Abendessen auf den Tisch stellte. Heute gab es Hackbraten mit Frühkartoffeln, dazu Buttermais, Karotten und gebratene Zwiebeln.
Er schwitzte und nahm die geblümte Schürze ab, bevor er die Schüsseln und die Platte mit dem Fleisch auf dem Tisch zurechtrückte und sich dabei bemühte, alles auf vortrefflichste Art zu arrangieren. Hastig zog er ein Taschentuch hervor und wischte sich die Stirn trocken, denn er wusste, dass Alma es hasste, wenn sie ihn so sah.
Ein Blick in Richtung der offenen Tür zum Nebenzimmer verriet ihm, dass seine Frau noch nicht bereit war, ihm zu antworten. Vermutlich saß sie vor dem Spiegel über ihrem Toilettentisch und machte sich zurecht, wobei er wusste, dass das nicht für ihn geschah. Meist betrachtete Alma sich einfach nur gern selbst dabei, wie sie sich schminkte und ihr Haar zu Zöpfen flocht.
Lautes Geschrei bewog Winter dazu, den Kopf zu heben und für einen Moment aus dem Fenster zu schauen. Ein junger Bursche in ausgewaschenen Latzhosen floh über die Mainstreet, gefolgt von einer Frau mit der Statur eines Ringers, die einen Karabiner im Hüftanschlag hielt und keine Eile zu haben schien, während sie den Repetierbügel betätigte. Es war Meredith Hancock, die Hufschmiedin, und ihre groben, missmutigen Züge ließen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass sie zu allem entschlossen war.
Der laute Knall, der kurz darauf die Scheibe zum Zittern brachte, ließ Winter zusammenzucken.
»Was meinst du?«
Er fuhr herum. Seine Frau stand in dem Türsturz zum Nebenzimmer und starrte ihn auf eine Weise an, die Winter postwendend den Blick senken ließ.
»Ich ...« Er fühlte sich wie ein kleiner Junge und schämte sich dafür. »Ich finde nur, Juliette Goodwin hat das nicht verdient. Sie hat doch gar nichts getan.«
Genau so wenig wie Archie , dachte er und sah seine Frau mit großen Schritten auf sich zukommen.
»Wann habe ich dir erlaubt, eine Meinung zu haben?«
Sie holte aus und schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht.
Er prallte rückwärts gegen die Wand, schmeckte Blut auf den Lippen und rutschte neben dem Geschirrschrank zu Boden. Rasch wandte er sich ab und hob schützend die Arme vors Gesicht, weil er befürchtete, dass sie weiter machen würde. In der Erwartung von Tritten, Schlägen und hämischen Sprüchen duckte er sich und biss die Zähne zusammen.
Doch auch Alma war der Schuss nicht entgangen, und sie war eine sehr neugierige Person. Also fiel neben ihm vernehmlich die Tür ins Schloss, und er traute sich, den Blick zu heben.
Allmählich gelang es ihm, seinen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen und zu atmen, als wäre die Welt um ihn herum eine ganz normale. Vorsichtig lugte er über das Fensterbrett nach draußen.
»Vater im Himmel«, flüsterte er. »Lass all dies an uns vorübergehen ...«
Neben dem Brunnen hatte sich eine Gruppe von Frauen versammelt, zu der Alma sich gesellte. Meredith Hancock hatte sich den Lauf ihres Karabiners über die Schulter gelegt, die Hand immer noch um Bügel und Abzug, und blickte mit kalter Miene hinunter auf den reglosen Körper, der in der Mitte der Frauen im Staub lag.
War das Oscar Moorcock, dessen Mutter im letzten Frühjahr gestorben war? Winter war sich nicht ganz sicher, da er das Gesicht des jungen Burschen in der Abenddämmerung nicht richtig hatte sehen können. Aber er hielt es für wahrscheinlich. Bei mutterlosen jungen Burschen reichte manchmal schon ein kleines Vergehen, um ihr Lebensrecht zu verwirken.
Moorcocks Vater war bereits vor Jahren der Großen Neuordnung zum Opfer gefallen. Er war Herausgeber des Herald , dem bescheidenen Wochenblatt von Pal Athens gewesen, und hatte den Fehler begangen, sich Rachel Wakootas Vorstellungen einer neuen Gesellschaft entgegenzustellen. Wie eine Reihe weiterer Männer in der Stadt hatte er diesen Mangel an Aufgeschlossenheit mit dem Leben bezahlt.
Bis zum heutigen Tag blieb es für Winter schleierhaft, wie es so weit hatte kommen können. Wie es einer Frau, der Squaw einer verdammten Rothaut , gelungen war, eine ganze Stadt in ihre Gewalt zu bringen.
Vermutlich waren die Tinkturen und Tränke, die der Indsman zusammenbraute, zu einem guten Teil verantwortlich dafür gewesen. Aber vielleicht hatten er und seine Hexenfrau auch irgendeinen teuflischen Zauber angewandt, um die Köpfe der Frauen von Pal Athens zu verwirren und ihre Herzen zu vergiften.
Eigentlich war Winter ein bodenständiger Mann, der nicht an Ammenmärchen von Hexerei, Dämonen und Verwünschungen glaubte. Doch es gab wohl niemanden, der die unheimlichen Vorgänge in dieser Stadt miterlebt hatte, ohne dass sein festgefügtes Weltbild gehörig erschüttert worden war.
Allerdings hatten auch ein paar ganz reale Umstände Rachel Wakootas Vorhaben, in Pal Athens die Macht zu übernehmen und einige althergebrachte Grundsätze ins Gegenteil zu verkehren, begünstigt.
Zum einen war das der Sezessionskrieg gewesen, der erst vor acht Jahren beendet worden war. Ein Krieg, für den diese Stadt einen exorbitanten Blutzoll geleistet hatte.
Fast die Hälfte der männlichen Bürger von Pal Athens war im Bürgerkrieg gefallen, und hinzu kam noch, dass in der ersten Hälfte der sechziger Jahre ungewöhnlich viele Töchter das Licht der Welt erblickt hatten.
Woraus umgekehrt folgte, dass im Spätsommer des Jahres 1868, als Rachel mit ihrem Gefährten in der Stadt ankam, etwa drei Viertel der Einwohner von Pal Athens weiblichen Geschlechts war. Eine komfortable Mehrheit der Bevölkerung also, bei der Rachels Vision eines archaischen Matriarchats auf offene Ohren stieß.
Zum zweiten war die Stadt mitten im Nirgendwo, weit ab von großen Straßen und Bahnlinien, ein derart isolierter Ort, dass deren Einwohner leicht zu beeinflussen und zu kontrollieren waren. Nur eine Hand voll Pal Athener hatte in ihrem Leben die Grenzen der Stadt weiter hinter sich gelassen als bis zu den Weiden und Feldern im Osten und Süden. Und selbst als es den Herald noch gegeben hatte, war darin kaum einmal über etwas berichtet worden, was sich außerhalb von Pal Athens zutrug.
Sogar vom Ende des Krieges hatten die Bürger erst zwei Monate nach der Kapitulation der Südstaaten erfahren, als sich ein Siedlertreck auf dem Weg nach Westen in die Stadt verirrte. Weder Postkutschen noch Handlungsreisende hatten Pal Athens auf ihrer Route, und das störte ihre Bürger auch nicht weiter. Sie waren sich immer selbst genug gewesen.
Und damit zu perfekten Opfern geworden. Eine Herde tumber Schafe, die sich bereitwillig von Rachel und ihrem indianischen Gefährten zu Untertanen machen ließ.
Natürlich war das nicht im Handstreich geschehen. Rachel war sehr geduldig und geschickt vorgegangen, hatte sich anfangs bescheiden und hilfsbereit gegeben, und ihr Mann, dem die Weißen instinktiv mit Argwohn begegnet waren, hatte sich im Hintergrund gehalten.
Was eigentlich bis zum heutigen Tag der Fall war. Wenn Winter darüber nachdachte, konnte er sich nicht erinnern, wann er den alten Indianer, dessen Gattin durchaus auch seine Tochter hätte sein können, zum letzten Mal gesehen hatte.
Die Tür wurde aufgerissen, und er schreckte aus seinen Gedanken. Alma schnaubte und stemmte die Fäuste in ihre ausladenden Hüften, als sie ihn neben dem Schrank kauern sah.
»Was bist du nur für ein armseliges Würstchen, Geoffrey«, brummte sie verächtlich, setzte sich an den Tisch und langte nach der Gabel, um sich gleich drei Scheiben auf einmal vom Hackbraten auf den Teller zu legen. Ihr Appetit war eine verlässliche Größe, ebenso wie ihre stetig wachsende Körperfülle.
»Jetzt setz dich zu mir, ehe es kalt wird.«
Sie schnupperte und leckte sich die Lippen. »Immerhin, kochen kannst du«, stellte sie nicht zum ersten Mal fest und zwinkerte ihm zu, als er aufstand und zögerlich an den Tisch trat.
Sie lächelte und übersah geflissentlich seine angeschwollene Lippe. In aufgeräumter Stimmung, als hätte sie ihn nicht vor einigen Minuten geschlagen und kurz darauf schwatzend in trauter Runde vor einem toten Jungen gestanden, strich sie ihm über das Bein, als er neben ihr Platz nahm.
»Wenn es so schmeckt, wie es duftet, könnte ich mir vorstellen, dass wir beide nach dem Essen noch ein wenig Spaß haben. Was hältst du davon, Schätzchen?«
Er lächelte vorsichtig, und seine geschwollene Lippe puckerte.
»Alles, was du möchtest, mein Herz.«
✰
Je weiter er sich nordwärts über die Piste bewegte, desto schmaler und unwegsamer wurde sie. Irgendwann war die Straße fast vollständig von Unkraut überwuchert, und an den Rändern begann die Natur, sich in Form knotiger Wurzeln die Schneise zurückzuerobern.
Fast schon glaubte der Brigadeagent, das Schild nach Pal Athens wäre von jemandem in eine falsche Richtung gedreht worden, und sein schlechtes Gewissen meldete sich, weil er den kranken Mann einfach so am Wegesrand zurückgelassen hatte in gutem Glauben, bald auf die Ortschaft zu stoßen.
Doch dann, als er eine Hügelkuppe erreichte, sah er endlich eine Ansammlung von Häusern vor sich in einer langgezogenen Senke. Hundert Yards weiter verkündete ein Schild die merkwürdig anmutende Botschaft:
Pal Athens
107 Women
24 Others
Die zweite Zahl schien mehrfach mit weißer Farbe übermalt und anschließend korrigiert worden zu sein. Lassiter runzelte die Stirn und warf den Stummel seines Zigarillos fort, bevor er den Wallach hinab lenkte in das kleine Städtchen.
Inzwischen war die Nacht hereingebrochen, doch der aufsteigende Vollmond spendete genügend Licht, um zu erkennen, dass die Häuser einen gepflegten Eindruck machten. Die meisten lagen im Dunkeln, doch im Saloon, der sich etwa in der Mitte der einzigen Straße befand, brannte noch Licht.
Lassiter stieg aus dem Sattel und schlang die Zügel seines Pferdes nachlässig um den Holm des Hitchracks, bevor er den Schankraum betrat.
Ein wenig überrascht registrierte er, dass sich ausschließlich Frauen im Saloon aufhielten und ihn neugierig taxierten. Er ging zwischen den Tischen hindurch zur Theke und nahm die Barkeeperin, eine rassige Blondine in einem knappen goldfarbenen Kleid, mit ernster Miene in den Blick.
»N'Abend, Ma'am«, brummte er. »Hören Sie, jemand benötigt dringend Hilfe. Gibt es einen Arzt in der Stadt?«
Die Blonde hob die Augenbrauen. »Nur eine Tierärztin, Mister. Warum? Sie sehen mir ganz gesund aus.«
Lassiter hörte, wie zwei der Frauen an den Tischen hinter ihm spöttisch kicherten. Er stützte die Arme auf die Tresenplatte und beugte sich vor. »Es geht nicht um mich. Sondern um einen Burschen, der mir buchstäblich vor das Pferd gefallen ist. Es steht nicht gut um ihn, fürchte ich.« Er hob die Hand und zeigte mit Zeige- und Mittelfinger auf seine Augen. »Die Augen waren blutrot. So rot wie das, was er ausgespuckt hat.«
Die Barkeeperin wurde ein wenig blass um die Nase, und eine Stimme in Lassiters Rücken bewog ihn dazu, sich umzudrehen.
»Wo war das?«
Eine hochgewachsene Frau hatte sich erhoben und trat auf ihn zu. Er hatte sie beim Eintreten nicht bemerkt, doch nun war der Brigadeagent durchaus beeindruckt.
Die lange schwarze Mähne, von silbernen Strähnen durchsetzt, fiel der hochgewachsenen Amazone bis fast zum Gürtel hinab. Sie trug Lederhosen und eine Lederjacke mit Fransen an den Ärmeln. Beide Kleidungsstücke waren mit farbenfrohen Stickereien in der Art der Lakota-Sioux besetzt, obwohl sie keine Indianerin war, wie ihr heller Teint und die weichen, aber markanten Gesichtszüge bewiesen, die eher auf europäische Vorfahren hinwiesen.
Ohne den Kopf heben zu müssen, schaute sie ihm selbstbewusst, fast herrisch in die Augen, denn Lassiter überragte sie höchstens um ein oder zwei Inches.
Der Brigadeagent bemühte sich um ein schmales Lächeln, das nicht erwidert wurde, bevor er antwortete.
»Vielleicht acht oder zehn Meilen die Straße nach Süden hinunter.«
»Ein korpulenter Mann mit langem Haar, so Mitte vierzig?«
Lassiter nickte, und die Frau wandte sich zu den anderen beiden um, die mit ihr am Tisch gesessen hatten. »Das muss Goodwin sein. Kümmert euch darum.«
»Einen Moment noch, Ladys«, sagte Lassiter und hob dabei mahnend die Hand. »Sie sollten vorsichtig sein. Es sah mir ganz danach aus, als wäre Mr. Goodwin mit Tollwut infiziert. Außerdem könnte es sein, dass er ...«, der Brigadeagent verzog die Lippen, »... vielleicht ist er mittlerweile tot.«
Die Schwarzhaarige drehte sich wieder zu ihm um, während die anderen beiden Frauen bereits aufgestanden waren und eilig den Schankraum verließen. Irritiert sah er, wie sie lächelte.
»Tollwut? Wohl kaum, Mister ...«
»Lassiter«, beantwortete er die unausgesprochene Frage und breitete die Hände aus. »Nun, ich bin kein Arzt, aber er hatte blutrote Augen, Schaum vor dem Mund und brachte kaum ein verständliches Wort über die Lippen.«
»Ich denke, ich weiß, was ihm fehlt«, gab die Frau ungerührt zurück und streckte ihre Hand aus. »Machen Sie sich keine Sorgen, Mr. Lassiter. Mein Name ist Rachel, Rachel Wakoota. Ich bin die Bürgermeisterin der Stadt.«
Der Brigadeagent ergriff die Hand und schüttelte sie, doch seine Miene verriet immer noch Besorgnis. »Also, Mrs. Wakoota, an was auch immer der Gent leiden mag, es sah in jedem Fall übel aus. Wenn Sie möchten, kann ich die Damen begleiten.«
Sie winkte ab. »Das wird nicht nötig sein. Glauben Sie mir – Fedora und Patty werden Goodwin auch ohne Ihre Hilfe finden und alles tun, was nötig ist.« Sie trat einen Schritt zurück und musterte Lassiter unverhohlen von Kopf bis Fuß.
»Grundgütiger, was verschlägt einen derart gutaussehenden Kerl wie Sie bloß hierher?«
Ein wenig konsterniert schob sich Lassiter den Stetson in den Nacken und zuckte die Achseln. Rachel Wakootas Benehmen wirkte zumindest ein wenig merkwürdig, doch er wollte nicht unhöflich sein. Also grinste er schief und erwiderte: »Ich bin auf dem Weg nach Dakota, ins Reservat der Sioux. Man erwartet mich in Fort Randall, und da die Bahnlinie immer noch nicht fertiggestellt wurde, habe ich mich entschlossen, zu Pferd gen Norden zu reiten. Der Weg durch die Prärie und die Great Sand Hills spart gut und gern drei Tage Reisezeit, obwohl er ein wenig beschwerlicher ausfallen mag.«
Ihr Lächeln wirkte auf Lassiter irgendwie beunruhigend; obwohl er keinen konkreten Grund dafür hätte nennen können.
»Sie müssen erschöpft sein nach dem langen Ritt. Und hungrig.«
Der Brigadeagent nickte, und Rachel sah an ihm vorbei zu der Blonden hinter der Theke. »Medou, bereitest du Mr. Lassiter ein ordentliches Abendessen zu und machst ihm ein Zimmer fertig?«
»Nichts lieber als das, Rachel«, hörte Lassiter die Barkeeperin antworten. Als er sich umdrehte, war die Frau in dem knappen blauen Kleid bereits hinter dem Vorhang in die Küche verschwunden.
»Natürlich müssen Sie nichts bezahlen, Lassiter«, sagte Rachel und ließ sich neben ihm auf einen der Barhocker nieder. »Dass Sie den armen Mr. Goodwin gefunden haben, war ein wahres Glück, daher sind Sie unser Gast – so lange, wie Sie möchten.«
Sie griff über den Tresen, holte zwei Gläser hervor und stellte sie zwischen sich und Lassiter ab. Dann griff sie nach einer Whiskeyflasche und schenkte großzügig ein.
Der Brigadeagent setzte sich auf den Barhocker, und sie schauten sich sekundenlang tief in die Augen, bevor sie die Gläser ergriffen und anstießen.
»Cheers«, hauchte Rachel.
Lassiter lächelte. Wenn das hier gerade ein Traum war, hoffte er, nicht allzu bald daraus zu erwachen.
✰
Alma ritt ihren Mann, als gäbe es kein Morgen.
Wenn es eine Veränderung seit Rachel Wakootas Ankunft gab, die Geoffrey wenigstens ansatzweise als positiv empfinden konnte, dann war es der Sex mit seiner Frau.
Denn Alma, die das körperliche Beisammensein in den früheren Jahren ihrer Ehe immer eher als lästiges Übel betrachtet hatte, entpuppte sich inzwischen – seit sie bestimmte, wie es ablief – als ebenso leidenschaftlich wie zügellos.
Geoffrey, der noch nie besonders fantasievoll im Bett gewesen war, nahm die neue Rollenverteilung bereitwillig hin und genoss es durchaus, als Objekt der Lustbefriedigung zu dienen. Schließlich hatte er selbst auch etwas davon, auch wenn Almas wachsendes Körpergewicht und ihre Hemmungslosigkeit ihm und seinem »Stängel«, wie sie Geoffreys Geschlechtsteil mittlerweile abschätzig bezeichnete, immer öfter schmerzhafte Blessuren bescherten.
Mit Hingabe umfasste und knetete er Almas üppige Brüste, die wie reife Melonen über seinem Gesicht hin und her schwangen, während seine Frau ihr Becken keuchend kreisen ließ und dabei immer wieder reizende Seufzer ausstieß.
Es schmatzte und klatschte, während ihre vom Schweiß der Leidenschaft feuchten Unterleiber gegeneinanderstießen, und die Bettfedern unter ihnen quietschten dazu im Takt.
»Ja, ja, ja, jaaa«, stöhnte Alma, und als er die Augen öffnete, sah er, wie seine Frau die vollen Lippen zu einem verzückten O formte.
Er schloss die Finger um ihre Brüste und drückte ein wenig fester zu, denn er wusste, dass sie das mochte. Gleichzeitig spürte er, wie sein Höhepunkt bedrohlich nahekam, und versuchte mit aller Macht, ihn zurückzuhalten.
Nicht auszudenken, was Alma mit ihm anstellen würde, wenn er schlaff würde, bevor sie ihren Orgasmus erreichte.
Sie schrie auf und schlug ihm ins Gesicht, während sie ihr breites Becken auf seinen Lenden rieb. Der Schmerz half ihm dabei, seinen Höhepunkt noch ein wenig hinauszuzögern.
Ihre Bewegungen wurden schneller, heftiger, dann endlich hielt sie den Atem an und bog den Rücken durch; er ließ erleichtert seinen Körpersäften freien Lauf und stieß die Luft aus, als sie schwer auf ihm niedersank.
Das Gewicht auf seiner Brust fühlte sich tonnenschwer an, und Geoffrey hatte Mühe, Luft zu holen. Nach einer Minute wälzte Alma sich endlich von ihm herab auf den Rücken und grunzte leise.
Eine Weile lagen sie schwer atmend nebeneinander, bis Geoffrey leise fragte: »Der Bursche vorhin auf der Straße ... war das etwa der junge Moorcock?«
»Was hast du denn gedacht?«, knurrte Alma, doch ihre Stimme klang immer noch weich und ein wenig verwaschen von den Nachwehen der Lust.
Geoffrey zögerte trotzdem einen Moment, bevor er nachfragte. »Was hat der Bengel denn angestellt?«
Er spürte die tastende Hand seiner Gattin, die fahrig über seinen Unterleib strich, bevor ihre Finger sich um sein Geschlecht schlossen und es fordernd drückten.
»Meredith hat es zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber ich glaube, es ging eher darum, was er nicht mit ihr angestellt hat«, murmelte Alma und kicherte dabei leise. »Das sollte dir eine Lehre sein, Schätzchen.«
Geoffrey schloss die Augen und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, seine Männlichkeit ein weiteres Mal unter Beweis zu stellen.
✰
Lassiter schob den Teller nach vorn, lehnte sich zurück und rülpste leise, bevor er der Blondine ein breites Lächeln schenkte.
»Das war das beste Steak mit Bratkartoffeln, das mir seit Monaten serviert wurde, Miss«, verkündete er, griff nach dem Bierkrug und nahm einen kräftigen Schluck.
Medou grinste verhalten, nahm den Teller vom Tisch und schwang die Hüften, während sie zur Theke ging, um das Geschirr abzustellen.
Mittlerweile war er der einzige Gast im Saloon ohne Namen, denn die beiden Frauen, die bis vor einer Viertelstunde noch in der Ecke neben dem automatischen Klavier gesessen hatten, waren mit vieldeutigen Blicken auf den Brigadeagenten in die Nacht verschwunden.
»Erlauben Sie mir eine Frage?«
Sie wandte sich um, ging zu ihm und nahm umstandslos gegenüber Platz. Spielerisch fuhr sie sich durch die blonde Mähne und hob fragend die Augenbrauen.
Lassiter breitete die Hände aus. »Warum habe ich hier im Saloon keinen einzigen Mann gesehen?«
Medou beugte sich vor und bot Lassiter damit einen großzügigen Einblick in ihr Dekolleté. Sie schürzte die Lippen zu einem Kussmund, und der Brigadeagent spürte, wie sich sein Puls beschleunigte.
»Möglicherweise sind die Männer alle daheim, um ihre Frauen zu beglücken«, hauchte sie und klimperte dabei lasziv mit den Wimpern.
Lassiter erwiderte ihren tiefen Blick, während sich seine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln hoben. »Pal Athens muss eine glückliche Stadt sein, wenn das Eheleben hier allgemein derart ... liebevoll verläuft.«
»Das hast du gut erkannt, Lassiter.« Medou lehnte sich zurück, legte die Arme in den Nacken und räkelte sich. »Leider sind nicht alle Frauen verheiratet. Ich zum Beispiel bin ganz allein. Ein trauriges Schicksal.«
»Das bricht mir fast das Herz«, brummte er und hob überrascht die Augenbrauen, als er sah, wie sie ganz nonchalant die Träger ihres Kleides von den Schultern streifte und ihren Busen enthüllte.
»Dann tu doch einfach etwas dagegen«, erwiderte sie, erhob sich und ließ ihr Kleid komplett zu Boden gleiten. Als sie nackt bis auf ihr Höschen vor ihm stand, schaute Lassiter unwillkürlich zum Fenster hinaus auf die Mainstreet.
»Hast du etwa Angst«, sagte Medou, »dass uns jemand zusehen könnte?« Ihre Stimme klang ein wenig spöttisch, und als er sie wieder anschaute, passte das schiefe Lächeln dazu.
»Wir könnten nach oben gehen aufs Zimmer«, schlug er vor, doch sie schüttelte den Kopf, trat um den Tisch herum und nahm ihm den Stetson vom Kopf. Dann schob sie sich zwischen Lassiter und die Tischkante, ließ ihren Hintern darauf nieder und schob dabei ein wenig das Becken vor.
»Besorg's mir – hier und jetzt.« Sie griff ihm mit beiden Händen ins Haar und zog sein Gesicht an ihren Bauch. Lassiter roch den Duft ihrer Erregung, und sein Herz schlug postwendend schneller.
Er legte die Arme um ihre Hüften und krallte seine Finger in ihre strammen Pobacken, was sie wohlig aufseufzen ließ.
Obwohl der Brigadeagent es nicht gewohnt war, auf derart forsche Art verführt zu werden, konnte er Medous Reizen dennoch nicht widerstehen.
Er streifte ihr die Unterhose ab und vergrub sein Gesicht im feuchten Dreieck zwischen ihren Schenkeln. Medou warf den Kopf in den Nacken und stöhnte. Sie stützte sich mit den Armen auf dem Tisch ab und spreizte die Beine.
»Hmmm jaa«, gurrte sie. »So ist es gut, hör ja nicht auf damit, du geiler Bock!«
Daran verschwendete er keinen Gedanken, denn er genoss es, ihr derartige Lust zu bereiten, und kam nun selbst in Fahrt. Die Hitze in seinen Lenden nahm zu, und die Hose wurde ihm zu eng. Doch es vergingen ein paar Minuten, bevor sie es zuließ, dass er sich vor ihr aufrichtete, mit hastigen Bewegungen die Knöpfe der Jeans löste und die Hosen mitsamt des Revolvergurts zu Boden gingen.
Sie legte sich mit dem Rücken auf den Tisch, und Lassiter drang ungestüm in sie ein. Beide hörten sie nicht, wie das Bierglas über den Tischrand ging und auf den Dielen zerschellte.
Er umfasste ihre festen runden Brüste, liebkoste sie und spürte, wie sich die Knospen hart und spitz unter seinen Handflächen aufrichteten. Ein wenig ruppig bewegte sich sein Unterleib vor und zurück, doch die raue Gangart schien Medou zu gefallen, denn sie bog den Rücken durch, umfasste seinen linken Arm und kreuzte die Waden über seinen Lenden, um ihn noch enger an sich zu ziehen.
»Ja. Ja. Jaaaa! Tiefer, noch tiefer, mein Hengst!«, keuchte sie, und ihre Lider flatterten über den Augen wie bei einem wilden Traum.
Das ließ sich Lassiter nicht zweimal sagen. Nun fielen die letzten Hemmungen von ihm ab, und seine Bewegungen wurden immer schneller und heftiger. Er grunzte und stöhnte, während die Leidenschaft ihn überflutete wie ein reißender Lavastrom, seinen Körper und sein Bewusstsein in Flammen setzte und die Welt rot färbte.
Es war schon ein paar Wochen her, dass er zum letzten Mal eine Frau in seinen Armen gehalten hatte, und die erzwungene Enthaltsamkeit forderte nun ihren Preis. Wie von Sinnen stieß er in Medous feuchten Schoß, ließ seiner Lust freien Lauf, und ihre spitzen Schreie der Ekstase befeuerten ihn noch.
Dabei entgingen ihm die matt glänzenden Augenpaare, die nur ein paar Schritte vom Eingang zum Saloon entfernt, draußen im Dunkel der Straße, wie hypnotisiert die leidenschaftliche Szene im Schankraum verfolgten.
»Himmel! Der Bursche vögelt Medou ja die Seele aus dem Leib!«, flüsterte Meredith Hancock und fuhr sich erregt mit der Zungenspitze über die fleischigen Lippen.
»Ist auch verdammt gut gebaut«, ließ sich Bridget Pakula vernehmen, die hagere Besitzerin des Drugstores, die nur drei Schritte neben Meredith am Brunnen stand.
»So, wie der sich verausgabt, ist er wahrscheinlich in drei Minuten fertig, und das war's dann.« Die mürrische Stimme gehörte Sarah Goodwin, die derzeit keinen Gedanken an ihre Tochter verschwendete, obwohl Juliette nur fünfzig Yards entfernt im Schacht ihrer Befreiung harrte.
»Abwarten«, brummte Lisbeth Sackley, die Lehrerin. »Ich traue ihm noch mindestens zehn Minuten zu.«
»Die Wette gilt«, erwiderte Bridget, »und wer gewinnt, lässt sich morgen von ihm bespringen.«
»Da glaubst du doch nicht im Ernst dran«, sagte Sarah höhnisch. »Als wenn Rachel sich dieses Vergnügen entgehen lassen würde! Ist schon komisch genug, dass sie Medou den Vortritt gelassen hat.«
»Vielleicht dachte sie, dass der hübsche junge Stecher erst noch eingeritten werden muss.«
Ein vielstimmiges, gedämpftes Kichern bestätigte Meredith' Vermutung. Dann setzte Schweigen ein, unter dem die hitzigen Gefühle der Zuschauerinnen fast mit Händen zu greifen waren. Man hörte, wie die meisten schneller atmeten als normal, und es mochte auch einige unter ihnen geben, die gerade selbst Hand an sich legten. In der Dunkelheit war das kaum zu erkennen.
Lisbeth Sackley gewann ihre Wette, und es stellte sich heraus, dass sie dem Fremden mit ihrer Einschätzung nicht einmal ansatzweise gerecht geworden war.
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Als Fedora Duncan und Patty Smith, die Tierärztin, im Morgengrauen zurückkehrten, wurden sie von Rachel Wakoota bereits ungeduldig erwartet.
Die Bürgermeisterin hatte kaum ein Auge zugetan, und als sie feststellen musste, dass die Schwestern mit leeren Händen wiederkamen, wurde ihre Laune dadurch nicht besser.
Sie erhob sich aus dem Lehnstuhl, der auf einer Art Veranda vor dem Gemeindehaus stand, die vermutlich als Podium für Kundgebungen diente. Sie stemmte die Fäuste in die Hüften, während die beiden Frauen von ihren Pferden stiegen.
»Was ist mit Goodwin? Ist er tot?«
Ihre Stimme ließ Fedora und Patty im Unklaren darüber, ob ihre Anführerin das für eine gute oder schlechte Nachricht halten würde.
Was die Wahrheit anging, wussten sie, wie Rachels Urteil ausfallen würde.
»Er ist verschwunden«, musste Patty eingestehen und blickte entsprechend betreten drein.
»Er ist was? «
Rachel warf die Hände in die Luft. »Was soll das heißen? Ihr wart über sechs Stunden weg und habt ihn nicht gefunden? Hat dieser Lassiter uns etwa einen Bären aufgebunden?«
Fedora schüttelte den Kopf. »Nein, hat er nicht. Wir haben eine Decke gefunden. Etwa dort, wo er Goodwin zurückgelassen haben will. Und Erbrochenes. Tomatensuppe, denke ich. Sah aus wie Blut. Aber von Goodwin keine Spur.«
»Verdammt!« Rachel schlug mit dem Handballen gegen den Stützpfeiler des Vordachs. »Und ihr habt wirklich alles abgesucht?«
In einer Geste der Resignation breitete Fedora die Arme aus. »Wir sind die Straße runter geritten bis zum Pawnee Creek, Rachel. Aber wenn er sich in den Wäldern verkrochen hat ... Nachts haben wir da keine Chance, ihn aufzuspüren.«
Rachel registrierte die bekümmerten Mienen der Frauen und nickte. »Sicher, euch trifft keine Schuld. Legt euch ins Bett und schlaft ein paar Stunden.«
»Was machen wir jetzt?«, fragte Patty.
»Ich weiß es noch nicht. Ich muss darüber nachdenken.«
Die Bürgermeisterin sah den beiden nach, wie sie ihre Pferde zu den Stallungen führten, und legte sorgenvoll die Stirn in Falten.
Sie hatte Doc Goodwin unterschätzt, und das nicht zum ersten Mal. Jetzt aber konnte das fatale Auswirkungen haben.
Als einziger ausgebildeter Mediziner hatte Archie Goodwin immer eine gewisse Narrenfreiheit in Pal Athens genossen – und diese auch weidlich ausgenutzt. Nicht nur, dass er sich Sonderrechte herausnahm für sich und seine Tochter. Er hatte auch immer wieder spitzzüngig gegen Rachels Autorität gewettert und in enervierender Regelmäßigkeit ihre Dekrete in Frage gestellt, bis es ihr vor ein paar Tagen zu bunt geworden war.
Das Kräuterelixier, das Archie Goodwin ganz offiziell in der Gemeindehalle verabreicht worden war, in Anwesenheit sämtlicher Ratsschwestern – darunter auch Sarah, die Frau des Arztes –, war eine gängige Disziplinarmaßnahme. Unangenehm für den Delinquenten, im Allgemeinen aber nicht tödlich.
Es führte zu Fieberschüben, Erbrechen, Durchfall und ein paar anderen Symptomen, darunter heftige Einblutungen in den Augen, ein dramatischer Nebeneffekt, der sich als sehr hilfreich erwiesen hatte, um andere Rebellen zur Vernunft zu bringen.
Wer bei guter Gesundheit war, überstand die Torturen gemeinhin ohne Nachwirkungen innerhalb von sechs bis sieben Tagen und war danach geläutert. In den sechs Jahren ihrer Regentschaft hatte es nur zwei Todesfälle gegeben, beides Männer jenseits der sechzig, und das hielt nicht nur Rachel für eine verschmerzbare Opferzahl.
Dass Archie Goodwin in seinem Zustand allerdings noch die Kraft und Entschlossenheit besessen hatte, von seinem Krankenlager aufzustehen und aus der Stadt zu fliehen, war eine Überraschung gewesen.
Und wenn Rachel Wakoota etwas hasste, dann waren es Überraschungen.
Sie glaubte nicht, dass Goodwin es schaffen würde, die nächste Stadt zu erreichen und dort die Pferde scheu zu machen. Der Mann war fünfundvierzig und schleppte einen Schmerbauch von der Größe einer Wassermelone vor sich her. Bis nach Albion im Südosten waren es über vierzig Meilen durch karge Prärie, und Fort Hartsuff im Westen lag nicht viel näher.
Keine Chance, oder?
Unbewusst nagte sie mit den Zähnen an ihrer Unterlippe, während sie die Hände auf dem Geländer abstützte und über die Mainstreet blickte.
Durfte sie das Risiko eingehen? Und damit alles in Gefahr bringen, was sie hier aufgebaut hatte?
»Rachel?«
Sie runzelte kurz irritiert die Stirn und wandte den Blick nach links.
»Rachel! Bitte ...«
Herrgott! Die kleine Goodwin hatte sie völlig vergessen!
»Schon gut, Juli«, rief sie zu dem Eisengitter hinüber, das einen Steinwurf von der Veranda entfernt im festen Lehmboden verankert war. »Du kommst bald frei ...«
Sie würde Juliettes Mutter erlauben, ihre Tochter aus dem stinkenden Loch zu holen, doch vorerst gab es etwas anderes zu klären.
Mit ausgreifenden Schritten marschierte sie am Schacht vorbei in Richtung Saloon.
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Benommen öffnete Lassiter die Augen, und das erste, was ihm bewusst wurde, waren die Fesseln an Handgelenken und Füßen, die ihn auf der Matratze festhielten.
»Was zur Hölle ist hier los?«, murmelte er und kniff die Augen zusammen, denn das Heben des Kopfes setzte eine Heerschar winziger Wesen in seinem Schädel frei, die mit Äxten auf seine grauen Zellen einschlugen.
»Verdammt ...«
Er blinzelte und schluckte mühsam den bitteren Geschmack im Mund herunter, weil seine Kehle trocken war und man auf seiner Zunge vermutlich ein Schwefelholz hätte anreißen können, so rau war sie.
Zögerlich wurde die schemenhafte Welt um ihn herum schärfer, gewann an Konturen. Er lag auf einem Bett, und ihm gegenüber schien die Morgensonne durch fadenscheinige Gardinen herein. Das Fenster war offen, und eine kühle Brise strich durch den Raum.
Als er an sich herunterblickte, bemerkte er, dass er nackt war. Seine Kleidung lag auf einem Stuhl in der gegenüberliegenden Zimmerecke, von dem Revolver und dem Patronengurt war nichts zu sehen.
Seine Füße waren mit Eisenschellen am Rahmen des Bettes fixiert, und kurze Blicke nach rechts und links verrieten ihm, dass auch die Handgelenke in Schellen steckten.
Ungläubig ließ er sich auf das Kopfkissen zurücksinken und versuchte, die vergangenen Stunden zu rekapitulieren.
Eine Aufgabe, die sich als mühsam erwies.
Er hatte mit Medou Sex gehabt, so weit herrschte in seiner Erinnerung noch Klarheit, denn das Erlebnis stand ihm nach wie vor lebhaft vor Augen. Schon, weil er wohl zum ersten Mal eine Frau in einem Schankraum beglückt hatte, bei unverhüllten Fenstern und heller Beleuchtung.
Danach hatte die Barkeeperin darauf bestanden, ihn auf sein Zimmer zu begleiten und einen gemeinsamen Schlummertrunk zu genießen, was ihm durchaus gelegen kam. Auch wenn ihn Medous scheinbare Unersättlichkeit ein wenig überrascht hatte. Ein schwerer Rotwein, den die feurige Blondine ihm buchstäblich eingeflößt hatte, bevor sie ein weiteres Mal übereinander hergefallen waren.
Doch was war dann passiert? Lassiter konnte sich nicht mehr daran erinnern – und er ahnte inzwischen auch, warum.
»Dieses Miststück«, knurrte er und ballte die Fäuste.
Die Tür öffnete sich, und der Brigadeagent drehte den Kopf. Als er Medou erkannte, presste er grimmig die Lippen zusammen.
»Was soll diese Scheiße!«, zischte er wütend, und es klapperte vernehmlich, während er versuchte, die Arme zu heben.
Medou lächelte, setzte sich neben ihn auf das Bett und warf einen kurzen Blick auf sein erigiertes Glied. »Nur eine Vorsichtsmaßnahme, Lassiter«, sagte sie, umfasste sein steifes Geschlecht und drückte es beherzt. Sie grinste und blickte ihn verführerisch an, während sie den aufragenden Schaft beiläufig massierte.
»Stets bereit, der stramme Soldat. Das lobe ich mir.«
Lassiter knirschte mit den Zähnen. Medou wusste vermutlich, dass die morgendliche Erektion nichts damit zu tun haben musste, dass er sich Sex wünschte, doch das schien ihr egal zu sein.
»Keine Sorge, Lassiter.« Sie ließ von ihm ab. »Dir wird kein Leid geschehen, ganz im Gegenteil. Wenn du keinen Ärger machst, bekommst du gleich ein kräftiges Frühstück serviert. Aber vorher wird unsere Bürgermeisterin noch mit dir reden wollen.«
Medou erhob sich, zwinkerte ihm zu und verschwand. Die Tür zum Zimmer knarrte leise im Wind, weil sie nicht geschlossen wurde.
Ungläubig schüttelte Lassiter den Kopf. Was für eine Stadt war das? Was spielte sich hier ab? Welcher Teufel hatte die Hirne dieser Frauen in Besitz genommen? Jetzt fiel ihm auch Rachel Wakootas eigentümliches Benehmen am gestrigen Abend wieder ein. Sie hatte ihn taxiert wie einen Zuchthengst. Und Medou war noch etwas weiter gegangen.
War er unter einen Haufen besonders rabiater Suffragetten geraten? Seit seiner Ankunft war ihm buchstäblich kein einziger Mann begegnet.
Er hörte Schritte auf der Treppe, und kurz darauf betrat Rachel Wakoota den Raum. Als er sah, wie sie seinen nackten Körper unverhohlen von Kopf bis Fuß inspizierte und besonderes Augenmerk auf sein Geschlecht legte, schloss er für einen Moment die Augen.
»Wie wäre es, wenn Sie mir wenigstens eine Decke gönnen und meine Würde respektieren?«, stieß er hervor.
Wenn Rachels schmales Lächeln Humor in sich trug, dann den der giftigen Sorte, der auf seine Kosten ging. Sie setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett und zuckte die Achseln.
»So ein weit gereister Mann wie Sie, Lassiter – wie viele Bordelle haben Sie besucht? Und wie viele nackte Mädchen auf dieselbe Weise betrachtet, die sich Ihnen darbieten mussten?«
Der Brigadeagent schnaubte. »Keines, in dem die Mädchen ans Bett gefesselt werden, falls Sie darauf hinauswollen.«
»Das freut mich zu hören und ist aller Ehren wert.« Der sarkastische Tonfall von Rachels Stimme strafte ihre Worte Lügen. »Aber ob es der Wahrheit entspricht, werden wir wohl kaum überprüfen können, habe ich recht?«
»Was für ein Theater findet hier eigentlich statt?«, stellte Lassiter eine Gegenfrage. »Gehen Sie mit jedem Besucher so um wie gerade mit mir?«
Rachel strich sich die dunklen Strähnen aus der Stirn, bevor sie antwortete: »Um der Wahrheit die Ehre zu geben, sind Sie seit fast zwei Jahren der erste, der sich nach Pal Athens verirrt hat.«
»Das nennt man dann wohl ausgesprochenes Pech.«
Sie lachte leise, und Lassiter ärgerte sich darüber, dass er den rauen und dennoch melodischen Klang ihrer Stimme auch noch als erotisch empfand.
»Hey ...«, ließ sich Rachel vernehmen. »Ihr kleiner Freund scheint ja schon wieder in Habachtstellung zu gehen! Was für ein nimmersatter Lüstling!«
»Sobald Sie mir die Handschellen abnehmen, werde ich liebend gern klarstellen, was ich wirklich von Ihnen halte«, knurrte Lassiter.
Für ein paar Sekunden starrten sie sich an, bevor Rachel sich auf dem Stuhl zurücklehnte und immer noch grinsend die Arme vor dem Busen verschränkte.
»Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass Sie aufgebracht sind – obwohl Sie sich über Medous gastfreundliche Zuwendungen kaum beschweren können. Oder hat sie Sie etwa gezwungen, mit ihr Sex zu haben?«
Darauf fiel ihm keine schlagfertige Antwort ein, also schwieg er.
»Es mag ein bisschen dauern, aber Sie werden bald einsehen, dass es besser für Sie ist, sich zu fügen«, erklärte die Bürgermeisterin. »Wie jeder Mann hier in Pal Athens – auf die leichte Art oder anders.«
»Es leben also doch Männer hier«, erwiderte Lassiter säuerlich. »Ich dachte, ihr Schwestern hättet längst alle aus der Stadt vertrieben, und der arme Kerl gestern Abend wäre so etwas wie der letzte Mohikaner. Oder liegen die anderen auch irgendwo in Ketten? Freiwillig wird doch wohl niemand hier unter euch Giftschlangen leben wollen, würde ich meinen.«
Rachels Grinsen wurde breiter. »Sie würden sich wundern. Den meisten Gentlemen gefällt es hier ganz gut, nachdem sie sich erst einmal mit den neuen Regeln arrangiert haben. So viel hat sich eigentlich auch gar nicht verändert. Außer, dass das geeignetere Geschlecht jetzt bestimmt, wo es lang geht – und dadurch die meisten Dinge reibungsloser ablaufen als zuvor. Das werden Sie auch noch merken, Lassiter, da bin ich mir sicher.«
Sie erhob sich und fuhr ihm mit der Hand durch das Haar wie einem treuen Reittier. »Fedora wird Ihnen nach dem Frühstück sagen, womit Sie sich nützlich machen können. Keine Sorge, vorerst geben wir Ihnen nur Kleinigkeiten zu tun. Und selbstverständlich stehen Sie unter strenger Bewachung.«
Mit diesen Worten griff sie nach der Türklinke, verschwand aus dem Zimmer und ließ Lassiter allein.
Der Brigadeagent rüttelte so erzürnt wie ergebnislos an seinen Fesseln, bevor er es aufgab und mit gefurchter Stirn an die Decke starrte. Er war in einem Alptraum gefangen, ohne eine realistische Aussicht auf Rettung von außen.
Wie hatte er nur auf die hirnverbrannte Idee kommen können, die Abkürzung durch die Einöde von Nebraska anzutreten?
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»Jetzt stell dich nicht so an, Juliette!«
Sarah hielt ihrer Tochter die Hand hin, doch Juli schlug sie brüsk beiseite. Kopfschüttelnd verschränkte ihre Mutter die Arme vor den ausladenden Brüsten und bedachte sie mit einem Blick, in dem sich Enttäuschung und Besorgnis die Waage hielten.