Lassiter Sonder-Edition 39 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 39 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Nun hatte sie Lassiter in die Falle gelockt - Yvonne Torquero. Eiskalt, grausam, erbarmungslos. "Du kannst wählen, Lassiter", sagte sie. "Du wirst bei mir den Himmel auf Erden haben, wenn du Carlos tötest oder ihn uns auslieferst. Tust du es nicht, bist du in spätestens einer Minute ein toter Mann."
Lassiter spürte heiße Wut in sich aufsteigen. Was war diese Frau doch für eine Bestie! Sie wollte den Tod eines sechzehnjährigen Jungen, um selbst in den Besitz eines Vermögens zu gelangen. Und wenn Lassiter nicht mitmachte, war er verloren.


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Seitenzahl: 176

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Inhalt

Cover

LASSITER UND DIE SCHÖNE BESTIE

Vorschau

Impressum

LASSITER UND DIESCHÖNE BESTIE

von Jack Slade

Der Schrei drang aus dem Saloon, gellte über die staubige, menschenleere Straße und verlor sich zitternd in der vor Hitze flimmernden Luft über den Häusern der kleinen Stadt.

Danach herrschte wieder diese abgrundtiefe Stille. Nirgendwo eine Spur von Leben. Scheinbar eine tote, unbewohnte Stadt. Es war Mittag.

Der Reiter, der von Westen kam, hatte sein großes graues Pferd gezügelt. Er hielt auf dem Hügel am Westrand der Stadt und blickte mit gerunzelter Stirn auf die Ansammlung der zum größten Teil verkommen aussehenden Häuser und Hütten hinab.

Der Mann war Lassiter.

Hinter ihm lag ein langer Weg. Seine Kleidung, sein Gesicht und die Hände waren von einer Schicht feinen hellgrauen Staubes bedeckt. Genau wie das Sattelzeug und das Fell seines Pferdes.

Der Hauch von Gefahr wehte ihm entgegen. Er erinnerte sich an die Worte seines Bekannten in Phoenix, der ihn gewarnt hatte, die Abkürzung durch dieses dünnbesiedelte Gebiet zu nehmen. In diesem Teil des Landes gab es noch kein Gesetz. Hier in den unwegsamen Bergen lagen die verborgenen Camps und Zufluchtsstätten von Outlaws und Desperados.

Diese Stadt dort unten hatte anfangs einen harmlosen, friedfertigen Eindruck gemacht. Bis dann vor einer knappen Minute dieser verzweifelte Schrei aufgegellt war.

Lassiter verspürte keine Angst. Aber es gab für ihn verschiedene Gründe, irgendwelchem Kummer aus dem Wege zu gehen.

In Vicksburg hatte er einen Mann erschießen müssen, der unbedingt wissen wollte, wie gut er mit dem Revolver war. Lassiter hatte in Notwehr gehandelt, aber das interessierte den Vater dieses Burschen einen Dreck. Barton F. Carmody war ein sehr reicher Mann. Er setzte es durch, dass die entsprechenden Steckbriefe gedruckt wurden, und er selbst setzte die Belohnung aus.

Fünftausend Dollar auf Lassiters Kopf, und das waren für eine spezielle Art von Männern fünftausend gute Gründe, eine heiße Jagd auf ihn zu beginnen.

Nun, Lassiter hatte sie vorerst abschütteln können, weil er in dieses unwegsame, menschenleere Gebiet eingedrungen war. Er wollte hinüber nach New Mexico. Dort konnte ihm das Gesetz nichts mehr anhaben, und dort konnten auch die Kopfgeldjäger nicht einfach über ihn herfallen wie über ein wildes Tier.

In New Mexico würde er einigermaßen in Sicherheit sein, aber bis dorthin waren es noch mehr als hundert Meilen, auf denen noch eine ganze Menge passieren konnte.

Lassiter dachte auch an das Geld, das er besaß. Es waren gut sechstausend Dollar. Das meiste davon hatte er zwar gut versteckt, aber routinierte Wegelagerer würden es garantiert finden, wenn sie erst auf die Idee kamen, ihn richtig zu durchsuchen.

Das graue Pferd schnaubte unwillig und drängte nach vorne. Es hatte seit dem Morgen keinen Tropfen Wasser mehr bekommen, und dort unten auf der Plaza zwischen den Häusern gab es einen Brunnen und drum herum schattenspendende Bäume.

Gut zwei Minuten waren seit dem Schrei vergangen, und nun schrie dieser Mensch wieder auf. Schmerzgepeinigt und in höchster Not. Die Stimme eines jungen Mannes, vielleicht sogar die eines halbwüchsigen Jungen.

Lassiter gab dem Grauen die Zügel frei.

Er musste hinunter in die Stadt.

Er brauchte genau wie sein Pferd eine Pause und auch etwas zwischen die Zähne.

Und er war entschlossen, jedem Ärger aus dem Wege zu gehen, was auch immer geschah.

Während er anritt, verklang dieser zweite Schrei.

Es blieb still, bis Lassiter auf dem kleinen Platz ankam, der den Mittelpunkt der Stadt bildete.

Dann hörte er wieder einen Schrei, diesmal noch entsetzter klingend als vorher.

Lassiter nahm dem Tier den Sattel ab und holte dann einige Eimer Wasser hoch, die er in die hölzerne Tränke neben dem Brunnen goss. Erst als das Tier trank, sorgte er für sich selbst, trank etwas Wasser, steckte dann den ganzen Kopf in den Eimer, wiederholte diese Prozedur mehrmals und fühlte sich schließlich wieder einigermaßen frisch.

Von verschiedenen Seiten fühlte er sich beobachtet. Aber kein Mensch ließ sich auf der Plaza oder der Straße sehen.

Im Saloon war es still geworden.

Lassiter nahm sein Gewehr aus dem Scabbard und machte sich auf den Weg zum Saloon. Es war der einzige Saloon der kleinen Stadt, und Lassiter blieb keine andere Wahl, als ihn zu betreten, wenn er etwas für sein leibliches Wohl tun wollte.

Er stieß die Flügel der Schwingtür auseinander und blieb dann kurz stehen, um nach dem grellen Sonnenlicht seine Augen an das dämmerige Halbdunkel hier im Saloon zu gewöhnen.

Sofort spürte er das Misstrauen, das ihm entgegenschlug. Nur Männer befanden sich hier im Saloon, und die meisten von ihnen waren bärtige, verwegene und gefährlich aussehende Burschen.

Zwei von ihnen standen links und rechts der Tür. Sie hielten Gewehre im Hüftanschlag, und die Mündungen waren auf Lassiter gerichtet.

Sechs Burschen standen am Tresen, hinter dem mit verkniffenem Gesicht und schweißbedeckter Stirn ein dicker Keeper stand und gerade mit unsicherer Hand die Gläser der sechs mit Whisky füllte.

Aus dem hinteren Teil des niedrigen Raumes hörte Lassiter ein unterdrücktes Stöhnen.

Er blickte hinüber. Es fiel nur wenig Licht dorthin, aber trotzdem erkannte Lassiter, was dort los war.

An einem der hölzernen Stützpfeiler stand ein Mensch. Ein sechzehn- oder siebzehnjähriger Junge. Angebunden wie an einem Marterpfahl der Indianer. Den Oberkörper nackt, von Schlägen gekennzeichnet.

Die sechs am Tresen wandten sich Lassiter zu.

Er stand ruhig da. Die Mündung seiner Winchester wies gegen den Fußboden. Die sechs studierten sein Gesicht, versuchten darin zu lesen, aber er blieb trotz seines Zorns eiskalt und beherrscht.

Einer von ihnen trat einen Schritt vor und stemmte die Fäuste in die Hüften. Er hatte einen prächtigen schwarzen Vollbart und trug einen schwarzen, mit Silberknöpfen beschlagenen Revolvergurt mit zwei Holstern.

Er grinste breit und wies mit einer Kopfbewegung kurz zu der Stelle hin, wo der Junge am Stützpfosten hing.

»Hast du ihn nicht schreien gehört, Fremder?«, fragte er mit einem harten mexikanischen Akzent. »Ist dir nicht aufgefallen, dass das hier eine geschlossene Gesellschaft ist? Dieser Saloon ist wieder geöffnet, sobald wir mit dem Muchacho dort fertig sind.«

»Ich bin hungrig und durstig, Amigo«, erwiderte Lassiter trocken. »Ich möchte mich nur ausruhen und etwas zu mir nehmen. Ich habe nicht die Absicht, mich in eure Geschäfte einzumischen.«

Er sprach sehr ruhig, obwohl er wütend war. Und er hatte schon längst nicht mehr die Absicht, sich da herauszuhalten.

Solch eine Gemeinheit konnte er nicht ertragen. Der Teufel sollte diese Halunken holen! Sich an einem Jungen zu vergreifen, der fast noch ein Kind war!

Der bärtige Anführer lachte schallend.

»Habt ihr das gehört, Leute?«, rief er. »Der Hombre hat Humor. Und wie anständig er doch ist! Wie gut er es doch mit uns meint! Er will sich nicht einmischen, hat er gesagt. Heh, Fremder, glaubst du denn eigentlich, dass du dich überhaupt einmischen könntest? Hau jetzt ab, Hombre! Drüben beim Brunnen kannst du dich ausruhen. Und sobald du dich wieder frisch genug fühlst, reitest du weiter, verstanden!«

Die beiden Männer links und rechts der Tür hatten die Hämmer ihrer Gewehre zurückgezogen. Lassiter war sicher, dass sie bei der ersten verdächtigen Bewegung seinerseits schießen würden.

Er warf einen schnellen Blick zu dem gefesselten Jungen hinüber. Auf dessen schmerzgequältem Gesicht war kurze Hoffnung aufgeleuchtet, aber jetzt resignierte er schon wieder.

Lassiter nickte dem Bärtigen zu.

»Es ist gut«, sagte er. »Ich gehe...«

Langsam drehte er sich um und wandte sich wieder der Tür zu.

»Einen Moment noch!«, rief der Bärtige.

Lassiter blieb stehen. »Was ist?«

»Du hast mir deinen Namen noch nicht genannt. Was suchst du in dieser Gegend? Ist das Gesetz hinter dir her? Oder musst du dich aus einem anderen Grund verstecken?«

»Ich bin unterwegs nach New Mexico«, sagte Lassiter. »Das ist alles.«

»Und dein Name?«

»Lassiter.«

»Gut, Lassiter. Du kannst gehen. Aber dein Gewehr lässt du hier. Es ist eine schöne Waffe, die ich sehr gut gebrauchen kann.«

Lassiter blickte erst nach links, dann nach rechts. Die Gesichter der beiden Burschen neben ihm wirkten entschlossen. Er war sicher, dass sie schießen würden, wenn er nicht gehorchte. Sie schienen zu der ganz besonders wilden und skrupellosen Sorte zu gehören. Das bewies allein schon die Tatsache, dass sie diesen Jungen so quälten.

»Ich brauche das Gewehr«, sagte er. »Vor mir liegt noch ein weiter Ritt durch die Wildnis. Überall lauern Gefahren. Ein Mann ohne Gewehr hat nur halb so viele Chancen zu überleben.«

Der Bärtige lachte.

»Das ist nicht meine Sorge, Lassiter«, sagte er. »Lass jetzt die Waffe fallen, oder ich lasse dich voll Blei pumpen.«

Da war wirklich nichts zu machen. Der Bursche meinte es so, wie er es gesagt hatte. Sie schienen die Macht in dieser Stadt zu besitzen. Wer sich gegen sie auflehnte, musste sterben.

Lassiter drehte sich wieder um und schritt langsam auf den Bärtigen zu. Die anderen ließen ihn nicht aus den Augen.

Vor dem Anführer blieb er stehen und hielt ihm die Winchester hin.

»Hier, nimm es!«, sagte er.

Der Bärtige riss es ihm hastig aus der Hand. Er war noch immer voller Misstrauen, und man sah ihm an, dass er mit einem Ausfall Lassiters gerechnet hatte.

Jetzt grinste er irgendwie erleichtert.

»Du bist klug, Hombre«, sagte er. »Hättest du nämlich irgendetwas riskiert, wärst du jetzt schon ein toter Mann.«

»Ich kenne die Spielregeln«, sagte Lassiter gelassen. »Ebenso gut hätte ich mir selbst eine Kugel in den Kopf jagen können.«

»Und dich interessiert überhaupt nicht, was mit diesem Muchacho dort los ist?«, fragte der Bärtige. »Bist du gar nicht neugierig, Hombre?«

Lassiter schüttelte den Kopf.

»Ich habe es mir angewöhnt, mich nicht in die Angelegenheiten anderer Leute einzumischen«, sagte er ruhig. »Ich habe genug eigene Sorgen.«

Der Bärtige kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Sein Gesicht drückte Hinterlist und Verschlagenheit aus. Es war, als witterte er deutlich die Gefahr, die von diesem großen Mann ausging. Er schien noch zu zögern, Lassiter endgültig gehen zu lassen.

»Gut, Lassiter«, sagte er nach einer Weile zögernd, »du kannst jetzt gehen. Aber vergiss nicht, so schnell wie möglich diese Stadt zu verlassen.«

Lassiter nickte.

»Ich werde mich beeilen«, versprach er und dachte dabei an den Jungen dort drüben an dem Stützpfosten. Er war entschlossen, ihm zu helfen. Und zwar so schnell wie möglich.

Er ging hinaus.

Als er bei seinem Pferd ankam, hörte er wieder einmal den Schrei des Jungen.

Was war hier los? Was wurde hier gespielt? Warum quälten diese Hundesöhne den Jungen so sehr?

Der große Mann legte dem Pferd den Sattel wieder auf, schwang sich dann auf den Rücken des Tieres und ritt aus der Stadt.

Hinter der halbhohen Schwingtür sah er die beiden Kerle, deren Aufgabe es war, die Tür zu bewachen. Sie beobachteten ihn, bis er aus ihrem Blickfeld verschwunden war.

Das letzte Gebäude am Ostrand der Stadt war eine niedrige, weißgetünchte Adobehütte.

Auf der Schwelle stand ein alter, weißhaariger Mann mexikanischer Abstammung. Sein Gesicht war von zahllosen Falten durchzogen, und die braune Haut wirkte wie Leder.

Verächtlich sah er zu Lassiter hoch.

»Sie sehen aus wie ein Kämpfer«, sagte er. »Aber Sie haben sich verhalten wie ein Feigling. Warum haben Sie dem Muchacho nicht geholfen?« Lassiter zügelte das Pferd.

»Weißt du denn überhaupt, ob ich ihm helfen konnte?«, fragte er. »Und ob ich nicht die Absicht habe, noch etwas zu unternehmen? Die Hombres im Saloon haben mich bestohlen. Sie haben mir mein gutes Gewehr abgenommen. Ich werde es mir zurückholen.«

Er lenkte sein Pferd nach links hinüber in den Schatten der Hütte, saß ab, nahm seinen Hut vom Kopf und zog seine Jacke aus. Der Alte lächelte hoffnungsvoll.

Er erkannte sofort Lassiters Absicht, zog seinen bunten Poncho aus und gab Lassiter seinen breitrandigen, spitzkronigen Strohsombrero.

Gleich darauf saß er auf Lassiters Pferd und ritt weiter.

Als Lassiter um die Ecke die Straße hinabspähte, sah er, wie gerade zwei der Banditen auf die Straße traten und dem alten Mann nachblickten, der sich jetzt, langsam nach Osten zu, entfernte.

Die Kerle waren misstrauisch geworden, als sie keinen Hufschlag mehr hörten, und sie hatten sicherlich mit einer List Lassiters gerechnet.

Jetzt aber, als sie sahen, wie der Reiter langsam nach Osten zu ritt, gingen sie beruhigt in den Saloon zurück.

Lassiter grinste zufrieden vor sich hin. Und grimmig.

Er hatte es mit acht Gegnern zu tun, und es waren durch die Bank Männer, die nicht so aussahen, als ob sie ihre Schießeisen nur zum Spaß mit sich herumschleppten. Das waren schnelle und erfahrene Revolvermänner, gegen die ein einzelner Mann im offenen Kampf keine Chance hatte, und wenn er noch so schnell war.

Trotzdem machte sich Lassiter auf den Weg. Er ging auf der rechten Straßenseite und hielt sich im Schatten der Häuser, so dass man ihn vom Saloon aus nicht sehen konnte.

Er hielt den Kopf gesenkt, und der große Strohsombrero verdeckte fast sein ganzes Gesicht. Der Poncho tat ein Übriges dazu, dass man ihn mit dem ersten flüchtigen Blick für einen Mexikaner halten musste.

Ein paar Häuser weiter lag ein kleiner Store. Lassiter versuchte einzutreten, aber die Tür war verschlossen. Er klopfte, aber niemand öffnete.

Diese Stadt wurde von der Angst beherrscht. Niemand riskierte es, sich auf irgendeine Weise mit den Banditen anzulegen. Und das hätte beispielsweise der Besitzer dieses Stores getan, wenn er Lassiter jetzt die Tür geöffnet hätte. Denn er wusste bestimmt, was Lassiter von ihm wollte, nämlich eine zweite Waffe, um den acht Banditen wirkungsvoller entgegentreten zu können. Nach Möglichkeit eine solide Parker Schrotflinte. Lassiter fluchte in sich hinein.

Dann handelte er kurzentschlossen.

Ihm blieb keine andere Wahl, denn nur mit dem Revolver bewaffnet stand er gegen die acht Halunken auf aussichtslosem Posten.

Gerade hörte er wieder den schmerzvollen Schrei jenes Jungen. Im selben Augenblick schlug Lassiter mit dem Revolver die kleine bunte Glasscheibe ein, die in die Ladentür eingelassen war.

Dann griff er hindurch und schob innen den Riegel zurück.

Als er in den Laden trat, sah er den Storehalter. Der Mann hatte Angst, wirkte aber trotzdem finster entschlossen. Er hielt eine Schrotflinte mit abgesägten Läufen in den Händen und stand hinter dem Ladentisch, auf dem allerlei Waren ausgebreitet lagen.

»Gehen Sie, Fremder!«, sagte er. »Ich verkaufe Ihnen nichts. Gehen Sie, und verschwinden Sie aus der Stadt! Dem Jungen kann ja doch niemand helfen. Diese Banditen sind zu mächtig.«

Lassiter sah dem Mann hart in die Augen.

Ruhig ging er auf ihn zu.

»Bleiben Sie stehen!«, keuchte der Mann. »Oder, bei Gott, ich drücke ab. Seien Sie doch vernünftig, Mister! Diese Banditen werden Sie töten, und mich werden sie dann bestrafen, weil ich Ihnen eine Waffe verkauft habe. Ich...«

Lassiter war bei dem Mann. Mit einem Ruck stieß er den Doppellauf der Parker zur Seite und riss dem Storehalter die Flinte aus den Händen. Kein Schuss löste sich. In seiner Aufregung hatte der Mann sogar vergessen, die Hähne zu spannen. Aber er hatte auch nicht abgedrückt, als Lassiter so plötzlich zupackte.

»Ich leihe mir die Waffe nur aus, Mister«, sagte Lassiter. »Und denken Sie immer daran, dass ich wiederkommen werde. Versuchen Sie also nicht, die Schufte zu warnen.«

Der Mann war schreckensbleich. Er nickte verkrampft und hatte beide Hände auf die Ladentheke gestützt, als fürchte er, sonst umfallen zu müssen.

Lassiter trat wieder hinaus auf die Straße, nachdem er sich überzeugt hatte, dass die Parker auch richtig geladen war. Eine Handvoll weiterer Patronen mit gehacktem Blei hatte er in die Hosentasche gesteckt.

Wieder schrie im Saloon der Junge. Diesmal noch lauter und gequälter als vorher. Es war ein Laut, der Lassiter ins Herz schnitt und seinen Zorn wachsen ließ.

Er war ein harter Mann und hatte selbst schon oft grausam zuschlagen müssen, aber das hier war zu viel für ihn. Das konnte er einfach nicht mehr mit ansehen.

»Nein!«, schrie der Junge gerade, und seine Stimme überschlug sich. »Hört doch endlich auf! Ich...«

Seine weiteren Worte erstarben in einem neuen furchtbaren Schrei.

»Wir hören erst auf, wenn du sprichst, du Bastard!«, brüllte jemand, und Lassiter erkannte die Stimme des bärtigen Anführers. »Es wird noch viel schlimmer für dich werden.«

»Ihr wollt mich umbringen«, schrie der Junge. »Wenn ich erst alles gesagt habe, wollt ihr mich töten. Ich weiß es genau.«

Die Banditen lachten höhnisch.

»Ja«, sagte der Anführer, »vielleicht hast du recht. Vielleicht werden wir dich sogar umlegen, wenn die Zeit gekommen ist.«

Lassiter hatte jetzt die Schwingtür erreicht. Nur einer der beiden Wächter hier vorne blickte nach draußen. Er sah Lassiter auftauchen, hielt ihn im ersten Moment für einen echten Mexikaner und erkannte erst Sekunden später seinen Irrtum.

Er wollte schreien, aber Lassiter war schneller.

Über die halbhohen Flügel der Schwingtür hinweg holte er mit der Schrotflinte aus und ließ den Lauf auf den Kopf des Banditen herabsausen.

Wie vom Blitz getroffen sackte der Mann zusammen.

Der zweite Mann hörte das Geräusch und wirbelte blitzschnell herum. Gleichzeitig hob er sein Gewehr und wollte schießen. Lassiter ließ ihn nicht dazu kommen.

Sekundenbruchteile später lag auch dieser Mann bewusstlos auf dem Fußboden des Saloons. Neben seinem Kumpan.

Noch sechs Mann gegen Lassiter.

Sie hatten ihn noch nicht bemerkt.

Erst als der Junge überrascht den Kopf hob und aus weit aufgerissenen Augen zu ihm hinstarrte, merkten die Kerle, dass etwas nicht in Ordnung war.

Lassiter sprang über die beiden Bewusstlosen hinweg in den Saloon. Mit der Parker an der Hüfte blieb er mitten im Raum stehen.

Die sechs Banditen sahen ihn, brüllten überrascht und wütend auf und begannen sofort zu schießen.

Lassiter feuerte beide Läufe der Parker ab, brachte sich mit riesigen Schritten zur Seite hin aus der Schusslinie der Banditen, stieß einen Tisch um und ging dahinter in Deckung.

Aber die Kerle dachten nicht mehr ans Schießen.

Jeder von ihnen hatte etwas abbekommen, und der Schreck des plötzlichen, unerwarteten Angriffs lähmte ihre Entschlusskraft.

Lassiter hatte bereits nachgeladen.

Er schob die Parker über die Tischkante und rief laut: »Lasst eure Waffen fallen und verschwindet! Haut ab, ihr verdammten Drecksäcke! Am liebsten würde ich euch alle zur Hölle schicken.«

Die sechs Verwundeten gehorchten. Panik hatte sie erfasst. So etwas hatten sie noch nicht erlebt. Mit solch ungestümer Wildheit war noch nie ein Gegner über sie gekommen. Und dazu kam noch, dass es nur ein einziger Mann war.

Das musste der Satan persönlich sein!

Revolver und Gewehre polterten auf die Dielen. Schwankend verließen die sechs den Saloon. Zwei von ihnen hatte es so schlimm erwischt, dass sie von den anderen gestützt werden mussten.

Die beiden Bewusstlosen blieben zurück.

Lassiter entwaffnete sie und schleifte sie hinaus auf die Straße. Von den übrigen sechs Banditen war nichts mehr zu sehen, aber er war sicher, dass sie wiederkommen würden, sobald sie sich neue Waffen besorgt hatten. Zumindest diejenigen unter ihnen, die noch in der Lage waren, zu kämpfen.

Er ging in den Saloon zurück.

Der dicke Keeper stand schreckensbleich hinter seinem Tresen. Kopfschüttelnd. Er konnte das alles nicht richtig begreifen.

Lassiter zog sein Messer und schnitt die Stricke durch, mit denen der Junge an den Stützpfosten gefesselt war.

»Danke«, keuchte der Junge und versuchte zu grinsen. Er gab sich Mühe, tapfer zu sein, wollte sich in Bewegung setzen und knickte schon nach dem ersten Schritt in den Knien ein.

Lassiter fing ihn auf, bevor er endgültig nach vorne fiel. Er setzte ihn auf einen Stuhl und sagte: »Halt dich am Tisch fest, Junge! Jetzt bekommst du erst mal eine Kleinigkeit, die dir helfen wird.«

Er ging zum Tresen. »Whisky.«

Der Keeper schob mit zitternder Hand eine Flasche hin. Lassiter zog den Korken heraus, schnupperte am Inhalt und kostete einen kleinen Schluck.

»Pumaspucke!«, knurrte er. »Willst du den Jungen vergiften?«

Wortlos holte der Keeper eine andere Flasche unter dem Tresen hervor. Sie hatte im Gegensatz zu der ersten ein richtiges Etikett, das den Whisky als echten Kentucky Bourbon auswies. Vorsichtshalber probierte Lassiter jedoch und füllte dann zwei Gläser. Das eine leerte er mit einem Zug. Das andere brachte er dem Jungen. »Hier, trink das!«

Der Junge nickte dankbar. Sein Atem ging noch immer keuchend. Mit beiden Händen griff er nach dem Glas, aber er zitterte so stark, dass er den Kopf tief hinunterbeugen musste, um mit den Lippen an das Glas heranzukommen.

Er trank schlürfend. Dann hustete er und schüttelte sich. Sein nackter Oberkörper war von Schlägen gezeichnet. Und von Brandwunden. Es sah aus, als hätten die Banditen ihre Zigaretten auf der Haut des Jungen ausgedrückt. Jetzt wusste Lassiter auch, warum der arme Teufel so furchtbar geschrien hatte.

Jetzt hob er den Kopf und sah Lassiter an.

»Das werde ich Ihnen nie vergessen«, krächzte er, »das sollen Sie nicht umsonst getan haben, Mr. Lassiter.«

»Schon gut«, brummte der große Mann. »Pass in Zukunft auf, dass sie dich nicht noch mal schnappen. So viel Glück wie heute wirst du nicht alle Tage haben.«

Er fragte nicht, warum die Schufte den Jungen so gequält hatten. Er fragte nicht einmal nach dem Namen des Jungen. Er wollte so schnell wie möglich weiter.

Der Junge lächelte plötzlich seltsam.

»Ich weiß, was Sie jetzt denken, Mr. Lassiter«, sagte er. »Sie wollen von hier verschwinden, weil Sie genug eigenen Ärger haben. Sie können es sich nicht leisten, sich hier noch in eine Sache einzukaufen, die Sie nichts angeht. Aber ich fürchte, Sie werden bleiben müssen. Man wird Sie nicht so einfach gehen lassen.«

»Hm«, brummte Lassiter, »vielleicht hast du recht. Wer waren diese Männer?«