Lassiter Sonder-Edition 41 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 41 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Die Ketten an Lassiters Händen und Füßen klirrten, als er auf die Tür seiner Zelle zuging. Im matt erleuchteten Gang standen der Sheriff und eine Frau. Lassiter hatte sie nie zuvor gesehen, aber sie weinte und rief immer wieder: "Mein armer Bruder!" Sie schien völlig verzweifelt und sank plötzlich zur Seite, als wäre sie ohnmächtig geworden.
Der Sheriff wollte sie auffangen, aber er bekam nichts anderes zu fassen als ihren weiten Umhang. Verblüfft starrte er auf die völlig nackte Frau, und erst nach einigen Sekunden bemerkte er den Derringer in ihrer Hand.


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Inhalt

Cover

LASSITER UND DIE GALGEN-JENNY

Vorschau

Impressum

LASSITER UNDDIE GALGEN-JENNY

Im Grunde war es eine aussichtslose Situation für Lassiter, und niemand unter den vielen Zuschauern auf der Plaza von San Luis glaubte noch an eine Wende. Sie alle hatten ein solches Schauspiel schon mehrmals erlebt. Sie alle waren schon dabei gewesen, wenn wieder einmal ein Mann von Jorge Jacinto zerbrochen wurde.

Diesmal war Lassiter das Opfer. Er lag auf dem Gesicht. Unter ihm war der heiße Staub. Über ihm die glühend heiße Sonne. Bewusstlos. Die Kleider zerfetzt. Ohne Waffen. Blut klebte in seinen Haaren. Blut rann über sein Gesicht und tropfte in den Staub.

Jorge Jacinto stand breitbeinig über ihm. »Steh auf, Gringohund!«

Lassiter hörte es nicht. Er konnte es nicht hören, da der Hieb mit dem Gewehrkolben mit erbarmungsloser Wucht geführt worden war.

Jorge Jacinto wiederholte seinen Befehl, aber Lassiter reagierte noch immer nicht. Der Mexikaner ließ seinen Fuß vorschießen, und die Spitze des schwarzen Stiefels traf Lassiter schmerzhaft.

Ein heißer Schmerz zuckte durch seinen Körper und riss ihn für Sekunden in die Wirklichkeit zurück. Und wie aus weiter Ferne hörte er Jorge Jacintos grausame Stimme: »Hoch mit dir, Bastardo!«

Lassiter versuchte, sich zu bewegen, aber er war wie gelähmt, und im nächsten Augenblick war es wieder Nacht in seinem Gehirn.

Jorge Jacinto grinste gemein. Wieder hob er den rechten Fuß, aber diesmal tat er es nicht, um zu treten. Er hatte sich etwas ausgedacht, das seiner Meinung nach wirkungsvoller war als ein einfacher Fußtritt.

Seine Fußspitze war nach oben gerichtet, und der Absatz senkte sich auf Lassiters Rücken hinab. Der Absatz, an dem sich der grellfunkelnde Sporn befand. Chihuahua-Sporn. Das große Sternrad drehte eine grausame Spur durch Lassiters zerfetztes Hemd.

Er stöhnte auf, wälzte sich herum, vom heißen Schmerz angetrieben. Das höhnische Gelächter von Jorge Jacinto und seinen Begleitern dröhnte in seinen Ohren. Vor dem grellen Sonnenlicht zeichneten sich dunkel und drohend ihre Konturen mit den großen breitrandigen Hüten ab. Und wieder hörte er Jorge Jacintos Stimme: »Steh auf, Bastardo Lassiter!«

Er wusste, dass er um jeden Preis auf die Beine kommen musste. Leute hatten ihm viel über Jorge Jacinto erzählt. Wenn er es nicht schaffte, die Stadt aus eigener Kraft zu verlassen, würde man ein wenig nachhelfen. Man würde ihm eine Lederschlinge um die Fußgelenke legen und ihn so aus der Stadt schleifen. Hinaus in die Wüste. Dorthin, wo als einzige Lebewesen Klapperschlangen, Skorpione und Wüstenratten existierten.

Und wer ein paar Meilen wie ein Sack über spitze Steine und durch Dornbüsche geschleift wurde, blieb am Schluss als Fressen für die Geier liegen.

Jorge Jacinto!

Ein Teufel in Menschengestalt. Ein tollwütiger Hund. Rücksichtslos gegen jeden, der ihm auf irgendeine Art gefährlich erschien.

Er war der Boss in diesem kleinen Grenznest am Rande der Yuma-Wüste. Boss einer verlorenen Stadt, in der das Gesetz der Gewalt herrschte. Wo es kaum einen Menschen gab, der nicht irgendwelche krummen Geschäfte betrieb.

Lassiter stützte sich auf.

Er musste es schaffen.

Jetzt kniete er, verlagerte sein Gewicht auf die linke Hand und wischte sich mit der rechten über das blutige, verdreckte Gesicht.

Er atmete tief durch.

Zum Teufel! Warum war er auch in diese Stadt geritten! Warum hatte er diesen wahnsinnigen, aussichtslosen Kampf aufgenommen! Und warum war er so unvorsichtig gewesen, Jorge Jacinto zu unterschätzen!

Sein Stolz hatte ihn vorangetrieben. Sein unbändiger Stolz war stärker gewesen als alle Bedenken. Er hatte sich sein Eigentum zurückholen wollen. Sein Geld, sein Pferd und seine Waffen, die ihm einige von Jacintos Männern geraubt hatten. Das war fünfzehn Meilen weiter südlich gewesen, und Lassiter war der Fährte der Banditen bis San Luis gefolgt.

Er hatte nicht damit gerechnet, in eine solche Stadt hineinzugeraten. Und bevor er sich überhaupt von seinem anstrengenden Marsch durch die Gluthitze der kargen Berge erholen konnte, fielen sie über ihn her. Sie gaben ihm keine Chance. Zuerst baute sich Jorge Jacinto vor ihm auf und erklärte ihm mit herausforderndem Grinsen, dass er der Boss jener Männer sei, die Lassiter überfallen hatten, und dass er die Verantwortung für sämtliche Taten seiner Männer trüge.

Darauf antwortete Lassiter, dass Jacinto ein verdammter Hundesohn sei und dass er sich sein Eigentum bis auf den letzten Cent zurückholen würde.

Diese Worte betrachtete Jacinto als freche Herausforderung, und er gab den Männern, die sich hinter Lassiter aufgebaut hatten, das Zeichen zum Angriff.

Nach ein paar Minuten lag Lassiter dann auf dem Bauch, niedergestreckt durch einen brutalen Kolbenhieb.

Jetzt kam Lassiter langsam in die Höhe.

Sekundenlang blieb er breitbeinig stehen, schwankend wie ein großer Baum in einem heftigen Sturm, und er hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben. Das höhnische Gelächter der Umstehenden gellte in seinen Ohren und war für ihn schlimmer als die körperliche Demütigung.

»Vorwärts, Bastardo!«, rief Jorge Jacinto lachend und versetzte dem großen Mann einen Tritt in die Kehrseite. Es war eine schlimme Demütigung für Lassiter, aber er schluckte sie, presste die Zähne zusammen und setzte sich in Bewegung.

Bei jedem Schritt schossen Schmerzen durch seinen Körper, dröhnten Hammerschläge in seinem Schädel.

Um ihn herum tanzten die Bäume der Plaza. Die weißen Adobehäuser hüpften auf und ab wie kleine Schiffe bei hohem Seegang.

Nach einem kurzen Stück brach er in die Knie. Die Banditen schrien. Eine Peitsche knallte, und der Schmerz riss Lassiter wieder hoch.

Er wollte die Richtung nach Westen einschlagen, als er die letzten Häuser hinter sich gelassen hatte. Aber die Banditen hatten sich auf ihre Pferde geschwungen und drängten ihn ab.

Nach Osten. In die Wüste hinein.

Das weite, endlos scheinende Gebiet von Sand, Steinen, Dornensträuchern, vereinzelt stehenden ausgedörrten Grasbüscheln und Kakteen begann. Land des Todes unter stahlblauem Himmel und glühender Sonne.

Lassiter setzte einen Fuß vor den anderen. Mühsam. Jeder Schritt war eine Qual.

Nur der Wunsch zu überleben hielt ihn aufrecht. Und der Zorn auf die Männer, die ihn so sehr demütigten und quälten.

Die Banditen saßen lässig auf ihren gemächlich trottenden Pferden. Einige hatten Zigaretten in den Mundwinkeln, andere trieben ihr Pferd hin und wieder neben Lassiter, tranken schmatzend aus ihren Wasserflaschen und gossen Wasser dicht vor seinem Gesicht in den Sand.

Nach einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, brach er zusammen. Er blieb wie tot auf dem Bauch liegen und wartete darauf, erneut hochgetrieben zu werden.

Aber Jorge Jacinto schien keine Lust mehr zu haben an dem grausamen Spiel.

»Wir überlassen ihn den Geiern!«, rief er. »Kommt, Amigos! Wir reiten zurück!«

»Soll ich ihm nicht lieber eine Kugel geben?«, fragte einer.

Jorge Jacinto lachte.

»Bist du verrückt, Cuchillo? Eine Kugel kostet Geld. Der Bastardo ist auch so am Ende. Sollte er es jedoch tatsächlich schaffen, in die Stadt zurückzukehren, so werden wir ihn wieder hinaus in die Wüste jagen. So oft, bis er endgültig genug hat. Pronto, Amigos! Zurück in unsere Stadt!«

Lassiter hörte, wie sie anritten, der Hufschlag verlor sich nach und nach in der Ferne.

Der große Mann atmete auf.

Obwohl seine Lage hoffnungslos war, fühlte er sich innerlich wieder frei. Er lebte noch, und das allein zählte.

Langsam richtete er sich auf. In der Ferne sah er die Staubwolke, die von der tiefstehenden Sonne vergoldet wurde.

Es war jetzt etwa fünf Uhr am Nachmittag. Nach Lassiters Schätzung dauerte es noch gut zwei Stunden, bis die Sonne endgültig hinter dem Horizont versank.

Und dann würde die Nacht kommen. Der unerträglichen Hitze des Tages folgte ebenso unerträgliche Kühle. Dies war die Zeit, die zum Weitergehen am besten geeignet war.

Aber über die nahe Zukunft machte sich Lassiter die wenigsten Gedanken. Was ihn am meisten quälte, war der Durst. Er war schlimmer als die Schmerzen an seinem Körper. Viel schlimmer.

Er sah sich nach allen Seiten um. Überall wuchsen Kakteen, Dornbüsche, und vereinzelt standen ausgetrocknete Grasbüschel. Trotz des trostlosen Anblicks waren sie ein Hinweis auf Leben. Ohne Wasser konnte kein Lebewesen existieren.

Es gab eine Anzahl Möglichkeiten, an Wasser heranzukommen. Lassiter hatte es den Apachen abgeschaut. Er war einige Male mit kleinen Stämmen zusammen gewesen und hatte von ihnen über das Leben in der Wüste gelernt.

Man konnte Wasser aus Kakteen und anderen Wüstengewächsen holen, aber dazu brauchte man ein Messer. Viele Wurzeln waren wie Schläuche mit Wasser gefüllt, aber um an sie heranzukommen, brauchte der Mensch auch wieder Hilfsmittel wie Spaten, Beil und Messer. Er hatte auch schon erlebt, dass Apachen an ganz bestimmten, meist tiefgelegenen Stellen in der Nähe von besonders starkem Pflanzenwuchs, Löcher gegraben hatten und so auf Grundwasser gestoßen waren.

Lassiter spähte nach Osten, wo sich eine Bergkette vor dem blauen Himmel abhob. Er schätzte die Entfernung auf vier oder fünf Meilen, aber es konnte auch doppelt so viel oder noch mehr sein. In der klaren Luft schrumpften die Entfernungen stark zusammen für das Auge.

Eine Weile blieb er noch sitzen und überlegte, was er tun sollte.

Schließlich erhob er sich und machte sich auf den Weg den Bergen entgegen. Er wollte sehen, wie weit er kommen würde. Zurück in das Banditennest zu gehen, wäre Selbstmord gewesen, und Lassiter wollte Jorge Jacinto nur zu gerne noch einmal unter gleichwertigen Voraussetzungen begegnen.

Seine Beine waren schwer wie Blei. Vor seinen Augen tanzten bunte Ringe und Sterne. Er fand einen kleinen Stein, steckte ihn in den Mund und begann daran zu lutschen, um etwas Speichel zu erzeugen. Aber auch das war umsonst.

Hin und wieder hockte er sich im Schatten eines Saguaros oder Chollas in den Sand. Es waren Handlungen, die ihm sein Instinkt befahl. Er selbst war kaum noch in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Aus rot entzündeten Augen starrte er dumpf vor sich hin, und er merkte nicht, dass er sein Ziel, die Berge zu erreichen, inzwischen vergessen hatte.

Trotzdem erhob er sich immer wieder und marschierte weiter. Marschieren? Es war ein torkelnder Gang kleiner Schritte. Der Gang eines dem Wahnsinn und der völligen Erschöpfung nahen Menschen.

Wieder einmal legte er eine Rast ein. Er saß erst wenige Minuten, als er eine Bewegung vor sich im Sand wahrnahm.

Eine Eidechse.

Sein Verstand war so träge geworden, dass er lange brauchte, bis er sich überhaupt wieder an das Wort Eidechse erinnerte. Und dann stiegen andere Bilder vor ihm auf. Bilder aus der Vergangenheit. Er hatte einmal in einem ähnlichen Zustand das Blut seines Pferdes getrunken, das er hatte erschießen müssen. Und ein Apache hatte ihm einmal erzählt, dass man auch zur Not das Blut von Eidechsen und anderen Wüstentieren trinken konnte.

Er nahm eine gespannte Haltung an. Beugte sich leicht vor, die Hände griffbereit vorgestreckt. Sah, dass seine Hände zitterten. Warf sich Sekunden später heftig nach vorne, als er das Tier erblickte.

Es war eine unendlich träge, schwerfällige Bewegung. Er grinste verbissen, als er auf dem Bauch landete und sein Gesicht auf dem Sand aufschlug. Er kam sich blöde und völlig hilflos vor. Und er hörte, wie aus seiner Kehle ein böser, grunzender Laut drang.

Wie ein Tier!, dachte er. Jetzt verrecke ich wie ein Tier!

Seine Hände gruben sich in den heißen Sand. Unter der Oberfläche begann es kühler zu werden. Schon jetzt glaubte er, Feuchtigkeit zu spüren, und er wühlte weiter und weiter. Wie ein Maulwurf. Ohne Pause. Der feste Glaube, an dieser Stelle Wasser zu finden, verlieh ihm neue Kraft.

Während er arbeitete, stieß er immer wieder heisere Knurrlaute aus. Sie spornten seine Verbissenheit an.

Weitermachen! Nicht aufgeben! Es ist deine letzte Chance!

Die Zeit verrann. Er dachte an das Bibelwort, dass der Glaube Berge versetzen kann, während der Sand allmählich feucht wurde.

Und wieder eine halbe Stunde später spürte er, dass der Sand so nass war, dass er an seinen Händen herablief.

Er wollte aufschreien vor Freude, aber nur ein krächzender Laut kam über seine trockenen Lippen.

Das Bewusstsein, auf Wasser gestoßen zu sein, ließ ihn wieder zuversichtlicher werden. Und sein Verstand begann wieder ruhig und logisch zu arbeiten.

Er kauerte in der Grube, die mehr als einen halben Meter tief war. Er wartete darauf, dass nun das Wasser steigen würde, aber das trat nicht ein. Stattdessen sanken seine Füße allmählich in den feuchten Grund ein, und das Leder seiner Stiefel begann sich mit Wasser vollzusaugen.

Als er das bemerkte, kam ihm eine Idee. Er zog sein zerfetztes Baumwollhemd aus, nahm es und breitete es auf dem feuchten Grund aus und drückte es darauf fest.

Ruhig wartete er, bis sich der Stoff mit Wasser vollgesaugt hatte, schob ihn dann stückweise in den Mund und saugte daran.

Wasser!

Es war tatsächlich richtiges, gutes Wasser!

Lassiter spürte, wie mit der Flüssigkeit neues Leben in seinen Körper zurückkehrte. Er wiederholte die mühselige Prozedur wieder und wieder, und es dauerte lange, bis er endlich glaubte, genug zu haben.

Er stieg aus der Grube, die er mit den Händen geschaufelt hatte, und jetzt erst spürte er die Kühle der Nacht. Er streifte sich die nassen Hemdfetzen wieder über den Oberkörper und marschierte weiter.

Der Mond ging auf, und in seinem hellen Licht konnte man die Wüste weithin überblicken. Im Osten sah er die dunkle Bergkette, die schon vor Stunden sein Ziel gewesen war. Diese Richtung behielt er bei. Erst jetzt in der Nacht merkte man, dass die Wüste doch längst nicht so ganz ohne Leben war, wie es tagsüber schien. Jetzt kamen die kleinen und größeren Tiere aus ihren Verstecken und gingen auf nächtliche Nahrungssuche. Fledermäuse flatterten auf Insektensuche zwischen Kakteen. Eine Eule huschte fast lautlos über Lassiter hinweg und verschwand. Eine Erdhörnchenfamilie verschwand erschrocken in ihren Höhlen, als sie die Schritte des Menschen wahrnahm.

Die Berge rückten näher. Lassiter schritt schnell aus, um seinen Körper warm zu halten. Es war kurz vor Sonnenaufgang, als er endlich die ersten Ausläufer des Gebirgszuges erreichte.

Bizarre Felsformationen nahmen ihn auf. In den ersten Strahlen der Sonne entdeckte er Tierspuren und folgte ihnen. Sie führten alle in eine und dieselbe Richtung.

Was das bedeutete, war klar. Irgendwo dort vorne musste sich eine Wasserstelle befinden.

Lassiter blieb stehen, als er die Abdrücke von Pferdehufen entdeckte. Von unbeschlagenen Pferden.

Das waren entweder Wildpferde oder Indianermustangs.

Der große Mann wurde vorsichtig.

In diesem Gebiet gab es überall Apachen. Sie waren die erbittertsten Feinde der Weißen, und manch einer hatte die Begegnung mit ihnen teuer bezahlen müssen, nämlich mit seinem Leben.

Lassiter kannte einzelne Angehörige verschiedener Horden. Mit einigen hatte er sogar schon wochenlang zusammengelebt. Aber das bedeutete nicht, dass er diesmal ungeschoren davonkommen würde.

Nach gut einer halben Meile sah er sie.

Sie lagerten zwischen Felsen an einer Tinaja, einem jener flachen Wasserlöcher, in denen sich das Wasser meistens den ganzen Sommer über hielt.

Es waren neun Mann. Einige waren nackt bis auf Lendenschurz und Mokassins, andere trugen lederne Beinkleider, und drei Mann hatten ihren Oberkörper mit bunten Ponchos verhüllt. Sie hockten um ein kleines Feuer und holten sich hin und wieder ein Stück Fleisch von der Stange über den Flammen. Das Tier, das dort hing, war ein Coyote, und es schien den Kriegern ausgezeichnet zu schmecken.

Lassiter bevorzugte normalerweise Rindfleisch, aber jetzt lief ihm doch das Wasser im Mund zusammen, und er hörte seinen Magen deutlich knurren.

Grinsend trat er aus seinem Versteck zwischen den Felsen. Er hatte allen Grund, zu grinsen und beruhigt in die Zukunft zu blicken, denn er kannte den Anführer des kleinen Haufens.

Die Indianer sahen ihn, wollten im ersten Impuls aufspringen und ihre Waffen ergreifen, aber dann sahen sie, in welchem Zustand sich der weiße Mann befand.

Außerdem hatten sie ihn erkannt.

Lassiter streckte ihnen die Innenfläche der rechten Hand zum Gruß entgegen.

»Ich grüße meine Freunde«, sagte er in ihrer Sprache. »Wie geht es meinem Bruder Chiquito?«

Chiquito war der Anführer der Krieger. Er hob die Hand und grüßte würdig zurück.

»Setz dich zu uns ans Feuer, Bruder Lassiter«, sagte er dann. »Du siehst aus wie ein Wolf nach einem langen Hungerwinter.«

Lassiter hockte sich zwischen die Männer, nahm Chiquitos Messer und schnitt sich ein großes Stück Fleisch herunter.

Er hatte nicht gewusst, dass das Fleisch eines Coyoten so ausgezeichnet schmecken konnte.

II

Als Lassiter zwei Tage später die Stadt Mohawk erreichte, sah er aus wie ein Apache. Er ritt auf einem der kleinen, unbeschlagenen Mustangs. Er trug einen Poncho, den ihm Chiquito, der Unterhäuptling, geschenkt hatte, und auf seinem Kopf saß einer jener großen schwarzen Topfhüte, wie sie gerne von den Männern des Stammes getragen wurden.

Man beobachtete ihn mit teils abfälligen, teils misstrauischen Blicken, als er über die Straße ritt, und Bemerkungen wurden laut, als er schließlich vor einem Saloon anhielt. Es waren abfällige Bemerkungen. »Sieht aus wie ein Squawman.«

»Man kann's bis hierhin riechen.«

»Was haltet ihr von einem kleinen Spaß, Jungens?«

Lassiter schien ihre Bemerkungen nicht zu hören. Ruhig stieg er von dem struppigen Pony, band das Tier an die Haltestange und stieg dann auf den Vorbau hinauf, um den Saloon zu betreten.

Die drei Burschen, die vorhin über ihn gelästert hatten, standen ihm plötzlich im Weg.

Sie sahen aus wie Cowboys, die ihren freien Tag hatten. Sie trugen bunte Halstücher, saubere Hemden, und der Geruch von Kernseife verriet, dass sie sich extra für diesen Tag gewaschen hatten.

Drei frische, übermütige Burschen also, die wirklich nicht mehr von Lassiter wollten als einen kleinen Spaß.

Er ging ruhig weiter.

Während er sich ihnen näherte, sagte er: »Macht keinen Mist, Boys! Macht lieber Platz!«

Die drei Burschen stutzten. Sie hatten etwas in seiner Stimme herausgehört, das sie warnte. Jetzt sahen sie aufmerksamer hin, betrachteten vor allen Dingen sein Gesicht und seine Augen.

Und sie merkten, dass sie sich geirrt hatten. Sie erkannten, dass sie um ein Haar eine Dummheit begangen hätten, und sie grinsten verlegen. Wie auf Kommando machten sie dann Platz, so dass er freien Weg zur Tür des Saloons hatte.

Die drei aber gingen weiter, als wäre überhaupt nichts Besonderes vorgefallen. Als hätten sie nie die Absicht gehabt, sich einen kleinen Spaß mit dem Fremden zu erlauben.

Lassiter betrat den Saloon.

Es war vier Uhr am Nachmittag, und nur wenige Gäste waren anwesend. Dämmerlicht herrschte in dem niedrigen, quadratischen Raum. Misstrauische Blicke trafen den seltsam gekleideten Fremden, der wie ein zu groß geratener Apache aussah.

Hinter dem Tresen hob eine dicke Frau den Kopf und ließ das zerfledderte Magazin sinken, in dem sie gelesen hatte. Sie saß auf einem Stuhl, und nur ihr stark gelocktes, mittelblondes Haar und die Augen waren zu sehen.

Auch sie blickte erstaunt auf Lassiter, aber dann wurde sie plötzlich sehr lebendig, sprang von ihrem Stuhl hoch, stieß ihn in ihrer übergroßen Hast um und flitzte dann auf ihren dicken Beinen um den Tresen herum.

»Amigo!«, rief sie. »Amigo Lassiter! Welche Hölle hat dich denn wieder einmal ausgespuckt?«

Sie breitete die dicken Arme aus und umarmte Lassiter. Sie lachte, dass die vielen Fettpölsterchen an ihrem schweren Körper tanzten, und konnte sich vor Freude über das Wiedersehen kaum beruhigen.

Die Gäste blickten missbilligend. Sie konnten es nicht begreifen, dass sich Lucy Ladyck, die den Ruf einer anständigen Frau genoss, so ungeniert vor aller Öffentlichkeit einem verwahrlosten Fremden an den Hals warf und ihn an ihr Herz drückte, als wäre sie mit ihm verheiratet.

Lassiter schenkte ihr drei Küsse. Einen auf die linke Wange, einen auf die rechte und einen mitten auf den Mund.

»Und jetzt, altes Mädchen«, sagte er, »möchte ich fürs erste ein großes Glas Bier. Danach noch eins und anschließend einen Whisky.«

»Und sonst hast du keine Wünsche?«, fragte sie augenzwinkernd.

»Später, Lucy«, erwiderte er, »zuerst will ich mal das Bier trinken.«

Sie gingen zusammen zur Theke. Lucy war einen Kopf kleiner als Lassiter, aber ein Berg von Fleisch. Während sie aus dem großen Fass Bier in einen Krug laufen ließ, sah sie Lassiter immer wieder mit frohen Augen an.

Die beiden kannten sich seit Jahren. Früher hatte Lucy ein gutgehendes Bordell in Phoenix besessen, aber eines Tages musste sie von dort verschwinden, und mit Lassiters Hilfe schlüpfte sie hier im Grenzland unter und kaufte mit dem Rest ihrer Ersparnisse diesen Saloon.

Sie war insgesamt dreimal verheiratet gewesen. Der erste Mann war ein berufsmäßiger Spieler, und er starb bei einer Meinungsverschiedenheit beim Pokern durch zwei Kugeln aus einem Derringer.

Ihr zweiter Mann lebte von diversen dunklen Geschäften, wurde ein halbes Jahr nach der Eheschließung bei einem Banküberfall geschnappt und endete am Galgen.

Auch mit ihrem dritten Mann hatte Lucy Pech. Dieser dritte war ein hinterlistiger Nichtstuer, der die meiste Zeit seines Lebens damit verbrachte, auf anderer Leute Kosten zu leben. Und weil Lucy nicht gerade arm war, hatte er in ihr die richtige Partnerin gefunden. Aber eines Tages war das Fass von Lucys Gutmütigkeit zum Überlaufen voll. Der Mann forderte wieder einmal Geld von ihr, es kam zum Streit, und schließlich blieb Lucy nichts anderes übrig, als zum Derringer zu greifen.

Lassiter kam kurze Zeit nach dem Schuss. Es war reiner Zufall, dass er ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt auftauchte, aber kein Zufall war, dass dann auch der Sheriff mit einem seiner Deputies kam. Ihn hatten zwei von Lucys Bordellkunden herbeigerufen, der Sheriff wollte Lucy hinter Schloss und Riegel bringen.

Es war ein puritanischer Sheriff, und man musste damit rechnen, dass auch die Mehrzahl der Geschworenen gegen die Frau ebenso voreingenommen sein würde wie der Sheriff. Lassiter erkannte das sofort und handelte. Er sorgte dafür, dass der Sheriff und sein Deputy für eine Weile nichts mehr gegen Lucy unternehmen konnten, und dann verschwand er mit ihr.

Das war nun zehn Jahre her, und Lucy hatte sich gut eingelebt in der Stadt. Der Saloon und die Zimmer im Obergeschoss brachten ihr genug, um ein anständiges Leben führen zu können. Allerdings hatte sie keine leichten Mädchen mehr bei sich beschäftigt, und jede Bürgersfrau wusste, dass sie ihren Mann beruhigt zum abendlichen Bier gehen lassen konnte, ohne um sein Seelenheil fürchten zu müssen.

Nachdem Lassiter an einem Tisch vor seinem Bierkrug saß, verschwand Lucy kurz in der Küche und bestellte dort bei Li Chang, ihrem kleinen Chinesenkoch, das Essen für Lassiter. Dann brachte sie dem großen Mann einen zweiten mit Bier gefüllten Krug, eine Flasche Whisky, zwei Gläser und setzte sich zu ihm.

»Kummer gehabt, Amigo?«, fragte sie.

Er nickte.

»In San Luis. Schon mal von Jorge Jacinto gehört?« Er sprach so leise, dass niemand sonst im Saloon seine Worte hören konnte.

Lucys Miene verfinsterte sich.