Lassiter Sonder-Edition 43 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 43 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Lassiter sah, dass die Frau unter dem Mantel nackt war. Er sah aber auch die Pistole, die sie auf ihn gerichtet hielt.
"Was soll das?", fragte er überrascht.
"Nur eine kleine Vorsichtsmaßnahme", erwiderte die Lady spöttisch. "Ich habe nämlich herausgefunden, dass Sie der wichtigste Mann in diesem Zug sind. Sie sollen zwei Millionen Dollar beschützen, aber das können Sie ab sofort nicht mehr. Jetzt beginnt für Sie die große Höllenfahrt..."


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Seitenzahl: 168

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Inhalt

Cover

LASSITER UND DIE SCHIENENWÖLFIN

Vorschau

Impressum

LASSITER UNDDIE SCHIENENWÖLFIN

von Jack Slade

Es war ein lautloser, erbitterter Kampf. Drei Mann gegen einen. Und alle waren daran interessiert, dass außerhalb des Hotelzimmers niemand etwas von dem Kampf bemerkte.

Messerklingen blitzten im Mondlicht, das durch das Fenster fiel. Mit dem Rücken zur Wand stand Lassiter. Er hielt ein mexikanisches Buschmesser in der Hand. Die Klinge war so breit wie eine Männerhand und leicht gekrümmt. Vor einigen Wochen hatte er sich mit diesem Messer noch einen Weg durch den undurchdringlichen Dschungel Yucatáns gebahnt. Die rasiermesserscharfe Schneide durchtrennte mühelos armdicke Äste und harte Dornenranken, die den Pfad versperrten, und einmal gelang es Lassiter, einer Riesenschlange mit einem einzigen Hieb den Kopf abzutrennen.

Jetzt musste er sich mit dem Messer gegen drei Männer zur Wehr setzen.

Er kannte sie und wusste um ihre Gefährlichkeit.

Genau ihm gegenüber war Manol Martinez, der Mexikaner. Er hatte den Mund zu einem Grinsen verzogen, und die weißen Zähne blitzten unter dem pechschwarzen Schnurrbart.

»Du hast zu viel riskiert, Lassiter«, zischte er. »Es war dumm von dir, diesen Auftrag anzunehmen.«

Lassiter sagte gar nichts.

Er beobachtete mit gespannter Aufmerksamkeit, durfte sich durch nichts ablenken lassen.

Manol Martinez hatte kaum ausgesprochen, als von links und rechts im spitzen Winkel die beiden anderen auf Lassiter zusprangen. Rock Storm und Jim Kennan. Vor ein paar Minuten, als sie ins Zimmer eingedrungen waren, hatten sie einen Fehler gemacht und Lassiter unterschätzt. Diesen Fehler wollten sie jetzt wiedergutmachen.

Sie hatten ihn nicht mit äußerster tödlicher Konsequenz angegriffen, und dadurch war es ihm gelungen, sie vorerst abzuwehren und selbst in den Besitz einer Waffe zu gelangen. Wie er Storm und Kennan abgewehrt hatte, war deutlich an ihren Gesichtern abzulesen. Beide hatten mit seinen Fäusten Bekanntschaft machen müssen.

Jim Kennans Nasenbein war gebrochen, und Blut lief aus seiner Nase. Seinem Kumpan Rock Storm fehlten vier Zähne. Lassiter hatte höllisch hart zugeschlagen. Und das sollte ihm jetzt heimgezahlt werden.

Sie hatten sowieso vorgehabt, ihn zu töten. Aber was vorhin noch aus eiskalter Berechnung geschehen sollte, war jetzt in glühenden Hass umgeschlagen.

Fast völlig lautlos und gedankenschnell wirbelten sie heran, die Arme bereits zum schnellen Stoß erhoben.

Lassiter richtete seine volle Aufmerksamkeit auf Manol Martinez. Duckte sich, als der Mexikaner sein Messer ihm entgegenschleuderte. Schnellte sich im nächsten Sekundenbruchteil wie ein angreifender Tiger vom Fußboden ab.

Ein Ausdruck fassungslosen Staunens erschien auf dem dunklen Gesicht des Mexikaners, als sich die scharfe Klinge des Buschmessers zwischen seine Rippen bohrte.

Lassiter riss das Messer sofort wieder aus der Wunde, ohne sich weiter um den Mexikaner zu kümmern.

Er wirbelte zu den beiden anderen herum, die gerade mit einem zornigen Fauchen ihrer Überraschung, ihrem Schreck und ihrer Enttäuschung Luft machten.

Gemeinsam sprangen sie Lassiter an. Die Messerklingen blitzten. Lassiter spürte scharfen Stahl in seinen rechten Oberarm eindringen. Er konnte den Arm kaum noch bewegen und wechselte das schwere Messer in die linke Hand.

Er bewegte sich dabei unheimlich schnell hin und her, um den erneuten Messerstößen der Gegner auszuweichen. Wieder wurde er erwischt, aber diesmal riss die feindliche Klinge nur einen tiefen Schnitt über sein Schulterblatt.

Im nächsten Augenblick sah er Rock Storms Gesicht dicht vor sich. Er stach sofort zu und wusste, dass er richtig getroffen hatte.

Während Storm noch in die Knie ging, sprang Jim Kennan den großen Mann von hinten an. Er wollte ihm das Messer zwischen die Schulterblätter rammen, und Lassiter bemerkte die Gefahr in letzter Sekunde.

Er wirbelte herum und streckte den linken Arm waagrecht aus, wobei er das scharfe Messer wie ein Schwert hielt.

Die Klinge fraß sich förmlich in Kennans Halspartie. Von vorne.

Kennans Augen wurden schrecklich groß, und ein Strom von Blut quoll aus seiner Kehle. Er riss die Arme hoch, ließ das Messer fallen, und es sah aus, als wollte er sich an die Kehle greifen, um den Blutstrom zu stoppen.

Aber mitten in der Bewegung verließ ihn die Kraft.

Jim Kennan konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Er brach in die Knie, stieß ein Röcheln aus, und dann war es vorbei.

Lassiter ging zum Bett, nahm ein Laken und riss es in Streifen. Es war eine mühselige Arbeit, bis er sich mit der linken Hand einen notdürftigen Verband um den rechten Oberarm gewunden hatte.

Er horchte nach draußen auf den Gang, aber es blieb still. Niemand hatte etwas von dem nächtlichen Kampf bemerkt. Aus dem Saloon, der etwa hundert Schritt weiter entfernt lag, drangen Stimmen nächtlicher Zecher.

Es war Mitternacht.

Düster starrte Lassiter auf die drei toten Männer.

Er hatte geglaubt, kurz vor der Erledigung eines Problems zu stehen, aber das hatte sich leider als bitterer Trugschluss herausgestellt.

Lassiter ahnte dumpf, dass er hier in Mortimers Hotel von Tule Wells erst am Anfang einer rauen Fährte angelangt war.

Verrat im Spiel.

Wie, zum Teufel, konnte das geschehen, dass man dahintergekommen war, weshalb er hier in Tule Wells war? Dabei wusste doch außer Lassiter nur noch ein Mann Bescheid: Jonathan Dark, sein Auftraggeber.

Darks Tochter Karen war entführt worden. Seit drei Wochen wurde Dark von Unbekannten erpresst. Er sollte drei Millionen Dollar Lösegeld zahlen. Aber er war dazu nicht in der Lage. Er konnte nicht zahlen, obwohl er ein wohlhabender Mann war.

Er hatte sein ganzes Vermögen im Eisenbahnbau stecken. Und das Geld von Aktionären aus dem Osten, die auf Darks Energie und unternehmerisches Geschick vertrauten.

Weitere Aktionärsgelder wurden erwartet. Sobald jedoch publik wurde, dass er selbst mit seinen Mitteln am Ende war, würde man die Geldhähne abdrehen. Dann waren Darks ehrgeizige Pläne von Macht und Einfluss zum Scheitern verurteilt.

Deshalb hatte er Wert darauf gelegt, dass von der Entführung seiner einzigen Tochter nichts an die Öffentlichkeit drang. Und mit diesem Verhalten kam er gleichzeitig der Forderung der unbekannten Entführer entgegen, ohne dass diese ahnen konnten, welchen Gefallen sie ihm damit erwiesen hatten.

In dieser verzwickten Situation hatte Dark Lassiter kennengelernt. Es war bei einer Schießerei in Santa Fé gewesen. Jonathan Dark war zufällig Zeuge geworden, wie Lassiter mit zwei gefährlichen Burschen auf einmal fertig wurde, sie verwundete und schließlich dem Sheriff übergab. Die beiden Burschen waren Tab Murphy und Bill Chester, zwei Texaner, die in fast allen Staaten des Westens wegen Mordes und anderer schwerer Verbrechen gesucht wurden.

Sofort nach dem Kampf hatte Jonathan Dark begonnen, Erkundigungen über Lassiter einzuziehen, und was er hörte, veranlasste ihn, sich gleich darauf mit dem großen Mann in Verbindung zu setzen.

Lassiter brauchte Geld, und sie wurden schnell einig. Für Lassiter sollten zwanzigtausend Dollar herausspringen, falls er es schaffte, Karen Dark wohlbehalten zu ihrem Vater zurückzubringen.

Das Gespräch zwischen Lassiter und Dark fand unter vier Augen statt. Auf Lassiters ausdrücklichen Wunsch. Er wusste, dass er am ehesten Erfolg haben würde, wenn niemand seine Absichten kannte. Es war gewissermaßen wie eine Verfolgungsjagd in schwärzester Nacht.

Wer in einer solchen Situation etwa unbedacht ein Streichholz anzündete, war verloren.

Aber Lassiter hatte sich selbst nicht durch eine unüberlegte Handlungsweise verraten.

Die Banditen mussten auf andere Art dahintergekommen sein, dass er Karen Dark suchte.

Die drei toten Männer hier im Zimmer konnten ihm keine Antwort mehr auf diese Frage geben. Aber das spielte auch vorerst keine Rolle. Jetzt musste Lassiter handeln. Er war sicher, dass er sich nicht mehr weit von dem Ort entfernt befand, an dem Karen Dark gefangen gehalten wurde. Vielleicht war das Mädchen sogar irgendwo hier in der Stadt. Auch diese Möglichkeit musste Lassiter mit einkalkulieren.

Er zog sich an, denn er trug immer noch nur das Unterzeug. Er hatte gerade zu Bett gehen wollen, als ihn die drei Banditen überraschten. Ein Glück für ihn, dass er sich noch nicht hingelegt hatte. In diesem Falle wäre er verloren gewesen.

Er kniete neben Manol Martinez nieder und untersuchte die Taschen des Mannes. Er fand ein Bündel Geldscheine, ein paar vergilbte Fotografien und einen zerknitterten Brief.

Im hellen Mondlicht studierte Lassiter die Zeilen, die offensichtlich von einem gebildeten Mann niedergeschrieben worden waren. Es war eine Nachricht für Manol Martinez. Sie lautete:

Lassiter ist unterwegs nach Tule Wells. Der Mann ist äußerst gefährlich. Tötet ihn, sobald er in die Stadt kommt! Er muss völlig spurlos verschwinden. Lassiter arbeitet für J. D. und scheint zu wissen, wo K. D. versteckt ist. Ich erwarte von euch ganze Arbeit.

Keine Unterschrift war unter dem Brief. Lassiter faltete ihn sorgfältig zusammen und steckte ihn ein. Der Zettel konnte eines Tages von größter Wichtigkeit sein.

Und von nun an war Lassiter auch völlig sicher, dass Karen Dark hier in der Stadt, zumindest aber in der Nähe der Stadt war.

Lassiter nahm auch das Geld des Banditen an sich, untersuchte auch noch die Taschen der beiden anderen Toten, ohne jedoch etwas von Bedeutung zu finden.

Anschließend wollte er das Zimmer verlassen, aber ein Geräusch ließ ihn innehalten.

Draußen auf dem Flur näherten sich leise, schleichende Schritte. Vor der Tür hielten die Schritte an. Der Mann hatte sich große Mühe gegeben, kein Geräusch zu verursachen, aber er hatte Lassiters scharfes Gehör unterschätzt.

Lassiter handelte sofort.

Mit einem gewaltigen Satz war er bei der Tür und riss sie auf.

Ein Mann taumelte ihm entgegen, das Gesicht von Schreck und Überraschung gezeichnet. Er wollte schreien, aber Lassiter ließ ihn nicht dazu kommen.

Er packte den Mann mit beiden Händen am Hals und zog ihn zu sich heran. Der Bursche bekam kaum noch Luft. Seine Augen wurden unnatürlich groß, und er starrte Lassiter an wie ein Schreckgespenst.

»Kein Ton!«, zischte Lassiter. »Oder ich sorge dafür, dass du in ein paar Sekunden den letzten Schnaufer getan hast.«

Der Mann war lang und dürr. Sein faltenreiches Gesicht drückte deutlich aus, dass er vor Angst schon fast tot war. Er versuchte auch, den Kopf zu schütteln, aber das gelang ihm nicht.

Lassiter lockerte seinen Griff.

Er kannte den Mann. Hatte ihn kurz gesehen, als er am Abend im Speiserestaurant des Hotels gesessen hatte. Kurz nachdem Lassiter an einem Tisch Platz genommen hatte, war der Bursche aufgestanden und verschwunden. Wahrscheinlich hatte er den drei Kerlen Bescheid gesagt, die Lassiter ermorden sollten.

Jetzt trat Lassiter einen halben Schritt zur Seite, ohne den Dürren jedoch loszulassen. Dadurch versperrte er ihm nicht mehr die Sicht auf die drei Toten.

»Tot?«, stieß der Bursche fassungslos hervor.

Lassiter nickte.

»Wo habt ihr das Mädchen versteckt?«

»Ich – ich weiß nicht, wovon du...«

Lassiter schlug zu. Kurz und trocken. Sein Handrücken landete auf dem Mund des Burschen.

»Wo ist Karen Dark?«

Der Dürre zitterte vor Angst. Blut lief aus seiner aufgeplatzten Unterlippe. Er hatte Angst vor Lassiter, aber offenbar noch mehr Angst, etwas zu verraten.

Er schwieg.

»Du kannst es noch härter haben«, knurrte Lassiter. »Also?«

Er hielt den Mann mit der Linken fest und holte mit der Rechten das große Buschmesser aus dem Gürtel. Langsam hob er die gefährliche Waffe an. Drückte die scharfe Schneide leicht gegen die Kehle des Kerls.

Damit war der Widerstand gebrochen.

Der angsterfüllte Mann begann zu sprechen. Die Worte sprudelten aus seinem zitternden Mund.

»Ich – ich habe mit der Sache nichts zu tun, Mr. Lassiter. Ich bin unschuldig. Glauben Sie mir. Die Männer haben mich gezwungen, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Ich...«

»Wo ist sie?«, unterbrach ihn Lassiter grob. Er hatte keine Lust, sich länger das Gejammer des angstschlotternden Kerls anzuhören. Die Zeit drängte. Er musste so schnell wie möglich handeln. Noch in dieser Nacht.

Die drei toten Männer und dieser hagere Bursche waren bestimmt nicht die einzigen Gegner, mit denen er zu rechnen hatte.

Am nächsten Morgen musste Lassiter aus dieser Gegend und aus der Nähe der Stadt verschwunden sein. Zusammen mit Karen Dark.

»Auf meiner Farm«, keuchte der Hagere. »Zwei Meilen nördlich von der Stadt. Die Banditen haben mich gezwungen, die Kleine bei mir zu verstecken. Mir blieb keine andere Wahl. Glauben Sie mir, Mr. Lassiter! Ich schwöre es Ihnen bei...«

»Dein Name?«

»Merritt. Pete Merritt.«

»Okay, Merritt. Du wirst mich jetzt zu deiner Farm führen.«

»Das ist unmöglich. Die anderen werden mich häuten.«

»Dein Pech, wenn es passiert. Wie viele sind es?«, fragte Lassiter ungerührt.

»Vier Mann.«

»Und wo ist dein Pferd?«

»Im Mietstall. Wo auch Ihr Tier steht, Mr. Lassiter.«

Lassiter deutete auf seinen Packen.

»Lad ihn dir auf die Schulter, Merritt! Dann gehst du vor mir her. Und denk immer daran, dass ich das Buschmesser in der Hand habe. Sieh dir noch einmal die drei da gut an. Besonders Jim Kennan. Du wirst nicht anders aussehen als er. Vielleicht müssen sie dich nachher sogar ohne Kopf in den Sarg legen.«

Pete Merritt warf einen scheuen Blick auf die Toten und schüttelte sich vor Entsetzen.

Schnell ging er dann an ihnen vorbei und lud sich Lassiters schweren Packen auf die Schulter.

Er verließ vor Lassiter das Zimmer, und der große Mann schloss die Tür sorgfältig hinter sich ab.

Als sie unten in der matt erleuchteten Halle ankamen, hängte Lassiter den Schlüssel ans Brett. Am nächsten Morgen würde man vermuten, er wäre in aller Frühe abgereist, und da er im Voraus für das Zimmer bezahlt hatte, war für den Hotelbesitzer soweit alles in Ordnung.

Wie Lassiter die Arbeitsmethoden in solchen Häusern kannte, würde man die Toten so schnell nicht entdecken. Man ließ sich Zeit, ein Zimmer wieder in Ordnung zu bringen. In den meisten Fällen wartete man damit sogar so lange, bis ein neuer Gast eintraf.

Niemand bemerkte die beiden Männer, als sie das Hotel verließen. Die Straße war menschenleer. Die Häuser lagen in tiefer Dunkelheit, und nur im Saloon brannte noch Licht.

Sie gingen hinüber zum Mietstall. Pete Merritt verhielt sich so, wie Lassiter es ihm geraten hatte.

Lassiter hatte das Messer längst wieder in der Scheide am Gürtel. Er wusste, dass er vor Pete Merritt keine Angst zu haben brauchte. Der spielte keine besondere Rolle in der Bande. Er war ein kleiner schäbiger Mitläufer, ein Spitzel und Zuträger.

Die Angst saß ihm tief in den Knochen. Wortlos sattelte er Lassiters großes graues Pferd und wagte während dieser Arbeit nicht, seinen Bezwinger auch nur ein einziges Mal anzusehen.

Nachdem er auch sein eigenes Tier gesattelt hatte, ritten sie los.

Unterwegs stellte Lassiter einige Fragen an Merritt. Er wollte den Namen des geheimnisvollen Anführers der Bande erfahren, aber Merritt konnte ihm keine Antwort darauf geben. Immer wieder beteuerte er mit weinerlicher Stimme, dass er keine Ahnung hätte, und Lassiter glaubte ihm.

Er erfuhr lediglich die Namen der vier Männer, die sich angeblich auf der abgelegenen Farm befanden.

Drei der Namen sagten ihm nichts.

Als er den vierten Namen hörte, horchte er auf.

»Lon Carrigan?«, fragte er überrascht. »Der Texaner aus San Antonio? Ist er es?«

Merritt nickte.

»Carrigan, der Buscadero«, sagte er mit einem höhnischen Beiklang in der Stimme. »An ihm werden Sie sich die Zähne ausbeißen, Lassiter.«

Lassiter schüttelte leicht den Kopf.

Lon Carrigan!

Das konnte er nicht begreifen.

Denn Lassiter kannte ihn seit einigen Jahren, und sie waren sich vor zwei Monaten noch begegnet.

Lon war ein Revolvermann, aber einer von der anständigen Sorte.

Immer fair im Kampf. Niemals hinterhältig.

Und jetzt hatte er die Finger in einem der teuflischsten und gemeinsten Verbrechen, die es gab.

Menschenraub!

Lassiter konnte noch immer nicht daran glauben, dass es wirklich der Lon Carrigan war, den er kannte.

Er hielt es einfach für unmöglich.

Nein! So tief konnte ein Mensch einfach nicht sinken!

Pete Merritt betrachtete Lassiter von der Seite und hielt sein düsteres Gesicht und sein plötzliches Schweigen für ein Zeichen von Angst.

Der dürre Mann bekam wieder Oberwasser.

»Na, dann staunen Sie, Lassiter, wie?«, fragte er höhnisch. »Jetzt klappern Ihnen wohl schon die Zähne?«

»Halt's Maul!«, fuhr Lassiter ihn grob an.

Merritt zuckte zusammen und schwieg. Wenige Minuten später sahen sie die kleine Farm von einem Hügel aus unter sich liegen. Trotz des diffusen Mondlichts erkannte Lassiter, dass das Anwesen völlig verkommen war und dass hier lange schon nicht mehr für Ordnung gesorgt worden war.

Er zügelte sein Pferd, und in diesem Augenblick glaubte Pete Merritt eine Chance für sich zu sehen.

Er hieb seinem Pferd die Absätze gegen die Flanken und trieb es mit einem Schrei an.

Aber ebenso schnell reagierte Lassiter. Er riss seinen Revolver aus dem Holster, packte die schwere Waffe am Lauf und schleuderte sie hinter dem fliehenden Mann her.

Der Kolben landete in Merritts Genick. Er fiel schlaff vornüber auf den Pferdehals und rutschte dann langsam zur Seite. Das Pferd blieb einfach stehen, als es den Reiter nicht mehr auf seinem Rücken spürte.

Lassiter stieg aus dem Sattel, nahm zuerst seinen Revolver wieder an sich und holte dann Merritt zurück in die Deckung der Bäume, zwischen denen sie vorhin angehalten hatten.

Er fesselte den Mann sorgfältig und band auch die beiden Pferde an.

Anschließend beobachtete er eine Weile die Farm. Es war gut möglich, dass jemand den Schrei gehört hatte, den Merritt ausgestoßen hatte.

Aber dort unten blieb es still.

Entweder hatten die Banditen wirklich nichts gehört, oder aber sie waren so gerissen, dass sie gar nicht erst Licht gemacht hatten, sondern jetzt schon in der Dunkelheit auf einen möglichen Gegner lauerten.

Trotzdem musste Lassiter es riskieren.

Wenn er es in dieser Nacht nicht schaffte, Karen Dark zu befreien, war seine größte Chance vertan und würde er eine solche Möglichkeit niemals wieder geboten bekommen.

Langsam löste er sich aus dem Schatten der Bäume und glitt geduckt den Talhang hinab.

In den Händen hielt er die Winchester. Im Holster steckte der schwere Vierundvierziger, und am Gürtel hing das mexikanische Buschmesser.

Noch einmal dachte Lassiter flüchtig an Lon Carrigan. Vielleicht stand er schon bald dem Mann gegenüber, mit dem er sich früher so gut verstanden hatte.

Vielleicht würde er gezwungen sein, ihn zu töten.

II

Das halbverfallene Farmhaus bestand aus zwei Stockwerken, und das mit Holzscheiten gedeckte Schieferdach war von Moosen und hohem Gras bedeckt und besaß zahlreiche Löcher, durch die Wind und Regen Einlass fanden.

Es gab zwei kleine, erbärmlich eingerichtete Zimmer im Obergeschoss. In einem dieser Zimmer wurde Karen Dark gefangen gehalten. Sie lag auf einem harten schmalen Bett und hatte die Augen geöffnet.

Der Schrei hatte sie geweckt. Der Schrei, den Pete Merritt ausgestoßen hatte.

Sie richtete sich auf, lauschte in die Stille der Nacht. Reglos saß sie eine ganze Weile auf ihrem Lager. Es blieb still.

Hatte sie vielleicht geträumt?

Möglich war es. In dieser Nacht hatte sie einen besonders unruhigen Schlaf gehabt. War immer wieder aufgewacht und zwischendurch immer wieder in unruhige Träume gefallen.

Seit dem Nachmittag war ihre Furcht immer größer geworden. Seit dem Augenblick nämlich, als Lon Carrigan weggeritten war. Der Texaner war anders als die Männer, die auf sein Kommando hörten. Jedenfalls anders als die Mehrzahl von ihnen. Die ganze Zeit während ihrer Gefangenschaft hatte er sich ihr gegenüber höflich und ritterlich verhalten. Ein echter Gentleman.

Aber seit dem vergangenen Nachmittag war sie mit Custer und Benton allein. Mit dem dritten Mann, dessen Namen Karen nicht kannte, war Lon Carrigan weggeritten. Er hatte angekündigt, dass er gegen Mittag des nächsten Tages wieder zurück sein würde. Und gleichzeitig hatte er den beiden zurückbleibenden Bewachern versprochen, dass ihnen ein Platz in der Hölle sicher wäre, wenn sie sich während seiner Abwesenheit nicht so verhielten, wie sich das einer Dame gegenüber gehörte.

Zeb Custer und Slim Benton hatten ihn mit Unschuldsmiene angeschaut und beteuert, dass ihnen so etwas niemals in den Sinn kommen würde. Aber Karen hatte mit dem feinen Instinkt der Frau sofort gespürt, dass die beiden Banditen Carrigans Drohungen im geeigneten Augenblick vergessen würden.

Deshalb hatte sie sich sofort auf ihr Zimmer zurückgezogen und die Tür hinter sich sorgfältig verriegelt. Sie hielt es für besser, wenn die beiden sie so wenig wie möglich zu Gesicht bekamen. Schon allein ihr Anblick konnte bei den zweien sämtliche niederen Instinkte wecken.

Sie wusste selbst, wie schön sie war.

Sie liebte es, sich in dem großen Wandspiegel zu betrachten, der sich zu Hause in ihrem Zimmer befand. Im großen, prachtvollen Haus ihres Vaters in Santa Fé. Sie besaß lange schlanke Beine mit gazellenhaften Oberschenkeln und sanft geschwungenen Hüften.

Ihre Taille war schmal, und ihre festen Brüste benötigten keine stützende Korsage.

Von sämtlichen Männern wurde sie begehrt und bewundert. Sie hatte auch schon einige intime Bekanntschaften gemacht, aber noch nicht den Mann gefunden, mit dem sie gerne ein ganzes Leben zusammen gelebt hätte.