Lassiter Sonder-Edition 44 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 44 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Lassiter wartete vier Tage lang auf eine Nachricht von Kimbrough. Als das Telegramm kam, enthielt es nur drei Wörter: Zehnter November Coralis.
"Irgendeine Antwort?", fragte der alte Telegrafist, der ihm die Nachricht übermittelt hatte. Lassiter schüttelte den Kopf.
Das Telegrafenbüro von Silver Gulch war eine gemütliche Kammer in der Bahnstation. Auf dem Gleis draußen schnaufte eine Mogul-Lok, an die mehrere Frachtwaggons angekoppelt waren. Niemand war im Führerstand der Lok zu sehen.
Der Bahnhofsvorsteher trat auf den Bahnsteig hinaus und blickte die staubige Straße entlang, die zu den Saloons und Bordellen führte. Er fluchte rau und schlurfte wieder in die Station zurück.

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Inhalt

Cover

WAS LASSITER HEISS MACHT

Vorschau

Impressum

WAS LASSITERHEISS MACHT

von Jack Slade

Lassiter wartete vier Tage lang auf eine Nachricht von Kimbrough. Als das Telegramm kam, enthielt es nur drei Wörter: Zehnter November Coralis.

»Irgendeine Antwort?«, fragte der alte Telegrafist, der ihm die Nachricht übermittelt hatte. Lassiter schüttelte den Kopf.

Das Telegrafenbüro von Silver Gulch war eine gemütliche Kammer in der Bahnstation. Auf dem Gleis draußen schnaufte eine Mogul-Lok, an die mehrere Frachtwaggons angekoppelt waren. Niemand war im Führerstand der Lok zu sehen.

Der Bahnhofsvorsteher trat auf den Bahnsteig hinaus und blickte die staubige Straße entlang, die zu den Saloons und Bordellen führte. Er fluchte rau und schlurfte wieder in die Station zurück.

Dieser Roman erschien erstmals im Jahr 1973 als Lassiter-Taschenbuch Nr. 44 als Übersetzung aus dem Amerikanischen. Originaltitel: Gutshooter

»Benny scheint wieder zu feiern«, sagte der Telegrafenmensch.

Lassiter hatte keine Ahnung, wer Benny war, und es interessierte ihn auch nicht. Der Fernschreiber begann zu rattern, und der alte Mann ging an seinen verschrammten Schreibtisch, um die Nachricht aufzunehmen.

Lassiter stand am Fenster und blickte hinaus. Silver Gulch dehnte sich vor dem Bergrücken des »Devil's Peak« aus. Die Gipfel des fernen Massivs waren von blauschwarzen, dicken Wolken verhüllt. Der Wind, der von den Bergen herab durch die Stadt pfiff, war bitterkalt.

Der Telegrafist kam zu Lassiter zurück. »Wird bald ein Unwetter geben«, sagte er. Er rieb seine gichtigen Hände aneinander. »Ich spür's in allen Knochen.«

Lassiter ging zum Hotel zurück. Er öffnete die Tür seines Zimmers und ging direkt zum Bett. Das Mädchen unter den Decken bewegte sich und streckte eine Hand nach ihm aus, als er sich neben das Bett kniete und seine Gepäckrolle hervorzog.

Lassiter ignorierte sie.

Sie setzte sich auf. Die Decken rutschten von ihrem nackten Körper. Sie war schlank, doch ihre Brüste waren prall, und sie wackelten, als sie sich ihm zuwandte.

Ihre Stimme klang ungeduldig. »Mir ist kalt. Wärm mich, Lassiter!«

Er nahm einige Dinge von der schäbigen Garderobe und verstaute sie in seiner Gepäckrolle.

Ihre Augen weiteten sich. »Willst du fort?«

Er hob ihre Kleider auf und warf sie auf das Bett.

»Geh nach Hause«, sagte er. »Dein Mann wird dich schon vermissen.«

Sie stand auf. Ihr kornfarbenes, seidiges Haar flatterte. Sie war ein oder zwei Jahre über zwanzig... Sie hatte ihm erzählt, dass sie mit dreizehn von zu Hause ausgerissen war. Da war sie schon voll entwickelt gewesen. Sie sah immer noch wie eine unschuldige Schönheit aus, und die großen babyblauen Augen hatten schon viele Männer getäuscht.

»Nimm mich mit.«

Er schob sie auf das Bett zurück. Immer das gleiche mit den Frauen. Sie schliefen mit einem Mann und glaubten, ihn zu besitzen.

»Nein«, sagte er.

Sie wäre Ballast für ihn. Er hatte allein schon genug am Hals. Er nahm nie eine Frau mit auf einen langen Ritt.

Sie legte sich zurück und zog einen Schmollmund. »Lassiter...?«

Er hatte immer schon eine Schwäche für schöne Frauen gehabt. Er beugte sich über sie... Es war kalt in dem Zimmer, doch die Hitze ihres Körpers sprang auf ihn über.

»Was wird aus mir werden?«

Er grinste. Er machte sich keine Sorgen um ihre Zukunft. Ein Girl wie sie konnte selbst auf sich aufpassen.

Sie hob einen Finger an die sinnlichen Lippen. »Noch ein letztes Mal...?«

Er betrachtete sie.

Warum eigentlich nicht? Zur Hölle, es konnte lange dauern, bis er wieder mit einer Frau zusammen sein würde.

Er zog sich aus...

Ihr Name war Coralee, und sie stammte aus Kentucky. Sie hatte eine milchig-weiße Haut, die rosig zu glühen begann, wenn sie in den Armen eines Mannes den Höhepunkt fand.

Sie legte sich zurück, für den Augenblick gesättigt und entspannt, die blauen Augen halb geschlossen. Sie wirkte wie eine große, zufriedene Katze.

»Lassiter... werde ich dich wiedersehen?«

»Nein.«

Er zog seine Hosen und die schwere Schaffelljacke an, nahm sein Gepäck und das Gewehr und ging.

Sie blieb eine Weile auf dem Bett liegen. Ihr Blick war seltsam verträumt...

Der Stallmann schaute Lassiter beim Satteln der Grulla-Stute zu.

»Sie werden es niemals schaffen«, meinte er. »Der Weg wird vom Schnee verweht sein, bevor Sie in den Bergen sind.«

Der Wind fegte eisig in die Stadt hinab. Hagelkörner hämmerten gegen die Stallwand.

Lassiter sagte: »Ich werd' schon durchkommen.«

Er musste es schaffen. Er hatte sieben Jahre lang auf diesen Tag gewartet.

Er ritt zur Bahnstation. Männer begegneten ihm auf dem Weg zu den Minenstollen. Die zweite Schicht begann. Lassiter beneidete sie nicht. Sie waren armes Pack, das nichts anderes kannte als schuften und saufen... Männer, die wie die Tiere tief in der Erde arbeiteten und Silber zutage förderten... für scharfäugige, fette Geschäftemacher, die in ihren Büros rund tausend Meilen entfernt die Fäden zogen...

Lassiter mochte die Minenstädte im Norden nicht. Er wäre nicht nach Silver Gulch geritten, wenn nicht ein alter Bekannter, Fletcher, bei ihm angefragt hätte, ob er nicht bei einem kleinen, leichten Job mitmachen wollte... irgendein Lohngeldraub oder so was. An Geld war Lassiter immer interessiert.

Lassiter war an dem Tag in Silver Gulch eingetroffen, an dem man Fletcher beerdigt hatte. Betrug beim Poker, sagten sie.

Der Mann, der ihn getötet hatte, war großzügig – er bezahlte das Begräbnis.

Der Schnee biss in Lassiters Gesicht. Er ging in die Station. Die Maschine auf dem Gleis davor hatte immer noch Dampf im Kessel.

Er fragte den Bahnhofsvorsteher, ob der Zug zur Fahrt durch den Devil's Canyon nach Salterville auslaufen würde.

Der Eisenbahner fluchte.

Nicht, wenn er es verhindern könnte. Nicht, mit Benny und seinem Heizer, die den Sankt-Patricks-Tag feierten.

Lassiter wunderte sich. »Sankt-Patricks-Tag – im November?«

»Verdammt«, fluchte der Eisenbahner. »Für Benny gibt es jeden Monat einen Sankt-Patricks-Tag.«

Die große Mogul-Maschine schnaufte leicht. Die Zeit drängte.

Der Postweg war rund zwanzig Meilen länger als der Schienenweg.

»Sie können das nicht schaffen«, sagte der Bahnhofsvorsteher. »Unmöglich, mit einem Pferd durchzukommen. Es gibt ein halbes Dutzend nur schienenbreite Holzbrücken, die Sie überqueren müssten.«

Lassiter grinste bitter. Zur Hölle mit dem Kerl. Der wusste nichts von Coralis.

Er verließ die Station, und kurz darauf folgte er auf seiner Grulla-Stute dem Schienenstrang, der in den Devil's Canyon führte. Der Bahnhofsvorsteher schaute ihm eine Weile nach, dann kehrte er kopfschüttelnd in sein warmes, gemütliches Büro zurück.

Der Wind fegte durch den Canyon, und der Schnee wurde dichter, wirbelte auf Pferd und Reiter herab. Das Pferd scheute. Kleine Felsbrocken und lockere Steine polterten von den hohen Canyonwänden herab.

Lassiter ließ die Stute über die Eisenbahnschwellen gehen, die ihn aus der Schlucht bald wieder ins Flachland führen würden. Und aus dem Sturm heraus, wie er hoffte.

Das Heulen des Sturms nahm zu. Der Blizzard tobte durch den Canyon. Lassiter band sich das Halstuch vors Gesicht, um sich gegen den Schnee und die eisige Kälte zu schützen.

Das Pferd tat ihm leid, aber er konnte nichts für das Tier tun. Er vergrub seine Hände tief in den Taschen und döste vor sich hin... Er träumte von der heißen Sonne im Grenzland. Und er träumte von hundertfünfzigtausend Dollar.

Genau diese Summe wartete auf ihn in Coralis.

Das Pferd blieb plötzlich stehen. Lassiter öffnete die Augen. Der Sturm war so heftig wie zuvor. Wasser rauschte am Fuß der Canyonwand zu seiner Rechten.

Er schwang sich aus dem Sattel, steif vor Kälte. Er schlug die gekreuzten Arme gegen Schultern und Brust. Das Pferd schnaubte.

Die Holzbrücke lag keine zwanzig Yard vor ihm. Sie überspannte eine Schlucht. Tief unten floss ein reißender Bach, dessen Wasser aus der Canyonwand hervorgurgelte. Lassiter nahm die Zügel des Pferdes. Das Tier rührte sich nicht von der Stelle. Es rollte mit den Augen. Es wollte nicht über diese Brücke, die gerade so breit wie der Schienenstrang war.

Lassiter zuckte die Achseln. Es hatte keinen Sinn. Er musste das Tier zurücklassen und den Weg zu Fuß fortsetzen.

Die Stute wieherte. Es klang irgendwie gequält. Lassiter gab dem Tier einen leichten Klaps. Für Pferde und Frauen hatte er eine Schwäche. Er zog sein Gewehr aus dem Scabbard, befestigte es an seiner Gepäckrolle und warf sie sich über die Schulter.

Er schlang die Zügel um das Sattelhorn. Dann schlug er dem Pferd hart auf die Hinterhand. Das Tier setzte sich zögernd in Bewegung, kletterte über die Schwellen bis zum Beginn der Brücke und blieb stehen.

Lassiter zuckte die Schultern. Die Stute würde sich einen Weg zur Stadt zurück suchen...

Er machte sich zu Fuß auf den Weg. Die Brücke war nichts anderes als ein schmales Gerüst, auf dem die Gleise befestigt waren. Tief unten gurgelte das Wasser über schroffe Felsblöcke. Der heulende Sturm zerrte an ihm. Die Kälte stach ihm ins Gesicht.

Das Schneetreiben wurde dichter.

Es wird ein langer Marsch bis in die Ebene, dachte Lassiter. Er blickte zurück, doch der Schnee nahm ihm die Sicht. Er hatte das Gefühl, im Zentrum eines weißen Niemandslands zu sein. Wenn es so was wie einen kalten Tag in der Hölle gab, dann war heute dieser Tag.

Er ging langsam und vorsichtig und ließ sich von dem Gleis führen. Der Schnee fror auf den Schienen und Schwellen. Er machte sie glatt. Jeder Schritt war lebensgefährlich.

Lassiter hatte seine Hände tief in die Taschen gesteckt, doch selbst dort war es eisig kalt. Er war ein verdammter Narr. Der Eisenbahnknilch hatte ganz recht gehabt. Er konnte es niemals schaffen. Fahr zur Hölle, Kimbrough!, dachte er.

Der Gedanke an Kimbrough gab ihm Auftrieb.

Der Schienenstrang verbreiterte sich. Er spürte mehr, als er sehen konnte, wie sich die Schienen gabelten. Rechts führten sie in den Schlund eines Seitencanyons. Davor machte Lassiter die Umrisse einer Blockhütte aus. Die Hütte eines Weichenstellers. Vor ein paar Jahren, als noch in allen Minen von Silver Gulch auf Hochtouren gearbeitet wurde, waren täglich zwei Züge im Pendelverkehr eingesetzt worden. An dieser Stelle hatte der Zug zur Stadt auf einem Nebengleis warten und den kommenden Zug passieren lassen müssen.

Lassiter hatte das nicht gewusst. Es war ihm auch egal.

Er stampfte durch den Schnee auf die verlassene Blockhütte zu und schloss das Vorhängeschloss auf.

Dann betrat er die Hütte.

An der gegenüberliegenden Wand gab es eine Pritsche. Daneben ein schwerer Eisenofen mit einem langen rostigen Ofenrohr. Einige Holzscheite waren neben der Feuerstelle aufgestapelt.

Lassiter machte eine Feuer. Er wärmte sich die steifgefrorenen Hände über der heißen Ofenplatte, bis er wieder Gefühl darin hatte. Dann ging er mit der Axt, die er in einer Ecke der Hütte entdeckt hatte, nach draußen, um noch mehr Holz zu hacken. Er wusste nicht, wie lange der Sturm noch tobte... vielleicht musste er länger hier ausharren.

Auf einem wackligen Tisch unter dem Fenster stand ein verbeulter alter Kaffeetopf. In dem roh gezimmerten Proviantschrank entdeckte er eine Zinnbüchse mit Kaffee.

Er ging wieder nach draußen und holte mit dem Topf Schnee, den er auf dem Feuer schmolz. Als er genügend Wasser hatte, maß er großzügig Kaffee ab und schüttete ihn in den Topf.

Er zog seine Schaffelljacke aus, legte sich auf die Pritsche und wartete darauf, dass der Kaffee zu kochen begann. Die Hütte ächzte unter dem Anprall des Schneesturms. Lassiters Gedanken kehrten zurück zur mexikanischen Grenze... der heißen Wüstensonne. Hitze machte ihm nichts aus – nur Kälte.

Die Bodenbretter knarrten, als wohlige Wärme sich in der Hütte ausbreitete. Er dachte an Coralis... an Kimbrough... an das Geld, dass irgendwo dort in der Nähe von Coralis in der Wüste vergraben war.

Nach einer Weile machte ihn die Wärme schläfrig.

Er döste ein...

II

Lassiter schlief wie eine Katze, ein Ohr gespitzt, einen Teil seiner Sinne immer in Alarmbereitschaft. Er war sofort hellwach, als er hörte, wie sich jemand an der Tür zu schaffen machte. Er wälzte sich von der Pritsche und griff nach seinem Revolver.

Die Tür wurde aufgestemmt und der Blizzard, der draußen tobte, peitschte Schnee und eine vermummte Gestalt in die Hütte.

Er hielt den Daumen auf dem gespannten Revolverhahn. »Mein Gott!«, sagte er scharf, und dann: »Mach die verdammte Tür zu!«

Coralee schloss die Tür und klopfte sich den Schnee von ihrem Mantel. Ihr Gesicht wirkte klein und verloren unter der pelzbesetzten Kapuze. Aber ihre blauen Augen funkelten.

»Wie gemütlich.«

Sie ging zu dem Ofen, zog den Mantel aus, raffte den Rock hoch und wärmte sich den Po.

Er betrachtete sie ohne Groll.

»Was willst du hier?«

»Dies ist ein freies Land«, sagte sie. Sie wandte sich um und wärmte sich die Hände über dem Ofen. »Ich hatte keine Lust, den Winter über in diesem Kaff zu versauern.«

»Und was ist mit deinem Mann?«

Sie zuckte die Schultern. »Der fette Sack war nicht halb so viel Kerl wie du.« Sie begann sich langsam auszuziehen. »Der Schlappschwanz fing ja an zu heulen, wenn ich ihn mal nicht dran ließ.«

Er beobachtete sie fasziniert. Lassiter hatte eine Menge Frauen gekannt, aber diese großäugige, unschuldig dreinblickende Puppe war das verkommenste und unmoralischste Luder, das ihm je über den Weg gelaufen war.

»Wie hast du mich gefunden?«

»Am Bahnhof sagte man mir, dass ein verdammter Narr auf der Bahnlinie durch die Berge reiten wolle.« Sie lächelte ihn an. »Ich dachte mir, du könntest Gesellschaft gebrauchen.«

Sie entdeckte zwei Becher, wischte sie mit dem Petticoat, den sie ausgezogen hatte, ab und schenkte aus der verbeulten Kanne Kaffee ein. »Hab 'ne Flasche mitgebracht – für alle Fälle...« Sie war jetzt nackt bis auf ihr spitzenbesetztes Höschen. Sie beugte sich über ihre Reisetasche und holte eine Whiskyflasche hervor. Sie gab einen großzügigen Schuss in jede Tasse.

»Cheers.«

Sie tranken.

Sie lächelte zu ihm auf. »Sieht so aus, als ob wir hier festsitzen. Wir sollten das Beste daraus machen.«

Sie ging zu der Pritsche und zog ihren Slip aus.

Er blickte sie an.

Draußen heulte der Wind. Die Hütte knarrte. Schnee drang durch die Ritzen in der Tür und um das Fenster herum.

Es hätte schlimmer kommen können, dachte Lassiter.

Er lag mit Coralee auf der Pritsche, als die Tür von neuem aufgerissen wurde. Der kalte Wind traf Lassiters nackten Rücken, und er rollte sich von Coralee herab zur Seite, gegen die Wand. Zu spät fiel ihm ein, dass seine Hose und sein Revolvergurt auf der anderen Seite lagen.

Der Neuankömmling schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Er war ein großer, muskulöser Mann, fast so breit wie groß, mit einem wuchernden schwarzen Bart, der das meiste von seinem Gesicht bedeckte. Seine Augen waren blutunterlaufen.

Das Girl setzte sich auf und presste eine Hand vor die nackten Brüste. »Jake!« Sie schien ehrlich überrascht.

Der Minenarbeiter rieb sich die kalten Hände.

»Wo ist das Geld?«

Coralee starrte ihn an. »Welches Geld?« Sie blickte zu Lassiter, der sich langsam an der Wand entlang zum Ofen hinschob. Lassiter kam sich ohne Hose lächerlich vor.

Jakes Pranke schloss sich um den Stiel der Axt, die Lassiter neben der Tür abgestellt hatte.

»Um dich kümmere ich mich gleich«, sagte Jake zu Coralee. »Zuerst mach ich diesen dreckigen Hurensohn fertig...«

Lassiter verharrte bei dem Ofen. »Lass uns vernünftig miteinander reden, Mann...«

Der Minenarbeiter sprang auf ihn zu, die Axt mit beiden Händen zum Schlag erhoben. Lassiter warf sich zur Seite, und die Axt verfehlte seinen Kopf um eine Handbreit und bohrte sich in den Bretterboden. Jake zerrte daran, um sie freizubekommen.

Lassiter packte eines der Holzscheite, die neben dem Ofen lagen, und stieß es in Jakes Magengrube. Der bullige Mann klappte zusammen.

Lassiter schlug ihm das solide Scheit über den Schädel, und Jake fiel vornüber aufs Gesicht. Er blieb sehr still liegen.

Coralee sagte: »Ich hätte nicht gedacht, dass er mir folgt.«

Lassiter zog sich an. »Du hast ihm sein Geld geklaut?«

Sie wandte sich verdrossen ab.

Er nahm ihre Reisetasche und schüttete den Inhalt auf dem Boden aus. Ein Lederbeutel fiel auf die Bretter. Lassiter nahm ihn an sich.

»Das Geld gehört mir!«, schrie Coralee. Sie sprang von der Pritsche auf, griff nach dem Geldbeutel. »Ich hab's mir verdient.« Sie blickte auf den bewusstlosen Koloss nieder. »Dafür hab' ich den Kerl zwei Jahre lang ertragen müssen!«

Lassiter stieß sie fort.

Draußen pfiff eine Lok schrill... Es klang wie der Schrei eines sterbenden Tieres.

Benny, dachte Lassiter. Der verdammte Narr versucht's doch noch, mit dem Zug durchzukommen!

Er zog seine Pelzjacke an, warf sich die Satteltaschen über die Schulter und nahm die zusammengerollte Decke.

Das Mädchen klammerte sich an ihn... ein Zittern ging durch ihren nackten Körper. In ihren Augen spiegelte sich jetzt Angst.

»Was wird aus mir?« Ihr Blick glitt zu Jake, der sich zu rühren begann. Er musste jeden Augenblick aufwachen.

»Das ist dein Problem«, sagte Lassiter.

Er stieß Coralee auf die Pritsche zurück und verließ die Hütte.

Der eisige Wind peitschte in Lassiters Gesicht. Die gelbe Lampe der Lok war in dem dichten Schneetreiben kaum zu erkennen. Schwarzer Rauch quoll aus dem Schornstein.

Der Wind trieb das Schnauben und Rattern des nahenden Zuges heran.

Lassiter hetzte zu dem Schienenstrang.

Der Zug kam stampfend und fauchend näher. Er wartete, bis der erste Waggon auf seiner Höhe war, dann packte er den eisernen Haltegriff, rannte einige Yards neben dem Zug her und zog sich schließlich schwungvoll hoch.

Rauch biss ihm ins Gesicht. Rußstaub drang in seine Augen, die zu tränen begannen.

Wieder pfiff die Lok schrill und langgezogen. Das Geräusch hallte von den Felswänden wider. Der Devil's River toste ein paar hundert Fuß tiefer durch die Schlucht. Der Schnee war zu dicht, um ihn zu sehen.

Lassiter klammerte sich an dem eisgefrorenen Griff fest. Der Zug schlingerte und rumpelte, die Waggons ratterten über die Gleise.

Lassiter zog sich weiter hoch und landete auf dem Erzbrocken, mit denen der Waggon voll beladen war. Einen Moment lang blieb er liegen, um zu Atem zu kommen, dann arbeitete er sich langsam auf den letzten Waggon zu. Er erreichte die Plattform, fand die Eisenleiter und machte sich an den Abstieg.

Der Bremser starrte ihm verwundert entgegen, als Lassiter die Eisentür aufschob.

Der Mann setzte die Whiskyflasche, aus der er gerade trinken wollte, abrupt ab und sagte: »Woher, zur Hölle, kommen denn Sie?«

Lassiter wärmte sich die Hände. »Ist Benny auf der Lok?«

Der Bremser nickte. »Verdammter Ire... wieder voll besoffen! Der Heizer auch!« Er nahm noch einen tiefen Schluck aus der Flasche. »Noch acht Meilen, bis wir die Schlucht hinter uns haben. Beten Sie für uns alle!«

»Ich glaube, das nützt auch nicht viel«, sagte Lassiter. Er nahm dem Bremser die Flasche ab. »Ich verlasse mich auf Sankt Trinkaus.«

»Sankt Trink–was?«

Lassiter grinste. »Schutzengel aller Säufer. Jeder gute Ire hat einen.«

Die Räder kreischten wie eine gepeinigte Frau, als der Zug in einer Kurve ratterte. Der Waggon schlingerte, als wollte er aus den Schienen springen.

Der Bremser erschauerte. »Mein Gott!« Er nahm die Flasche von Lassiter zurück und trank in hastigen Zügen.

Sie überstanden die Höllenfahrt durch das Bergland. Der Zug erreichte die Ebene und donnerte gen Salterville. Benny nahm das wahnwitzige Tempo nur zurück, wenn der Heizer nicht mehr nachkam und der Druck im Kessel nachließ.

Später hörte der Schneesturm auf. Kurz vor Salterville erinnerte nichts mehr an die weiße Hölle, die sie durchquert hatten.

Als sie in den kleinen Bahnhof von Salterville einrollten, ging gerade die Sonne unter. Benny lehnte sich weit aus dem Führerhaus und grölte schmutzige irische Lieder.