Lassiter Sonder-Edition 66 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 66 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Isabell lächelte eisig, als sie die Waffe auf Lassiters Brust richtete. »Bleib ruhig liegen, Mister«, sagte sie kalt. »Den ersten Teil der Vorstellung haben wir nun hinter uns gebracht. Jetzt folgt der zweite Teil. Du hast deinen Spaß gehabt - und ich auch. Du wolltest mit mir spielen, Lassiter. Beinahe ist es dir sogar gelungen. Du hast mich nur gewaltig unterschätzt. Das genau war dein tödlicher Fehler ...«


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Seitenzahl: 172

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

WENN LASSITER MIT KATZEN SPIELT

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

Vorschau

Impressum

WENN LASSITER MIT KATZEN SPIELT

Zuerst glaubte Lassiter an einen bösen Traum. Langsam öffnete er die Augen. Ein runder, metallischer und ziemlich kalter Gegenstand wurde gegen seine Stirn gedrückt. »Ganz ruhig liegenbleiben, Hombre!«, zischte eine Stimme. »Vorläufig passiert dir noch gar nichts, wenn du vernünftig bist.«

Etwas Mondlicht fiel durch das schmale Fenster in das Gästezimmer der Pferdewechselstation. Düster und drohend hob sich über Lassiter die Silhouette des Mannes in der Lichtbahn ab. Lassiter blieb reglos liegen. Er entspannte sich. Musste erst einmal wieder seine Gedanken ordnen.

Am Abend war er auf der kleinen Pferdewechselstation angekommen. Er hatte zu Abend gegessen, anschließend ziemlich viel Whisky getrunken – und später war er zu Bett gegangen.

Eine Bewegung an seiner Seite erinnerte ihn an das andere. Dass er nicht allein in dem schmalen Bett lag.

Ein warmer, nackter Körper berührte ihn.

»Lassiter«, murmelte eine schlaftrunkene Stimme. »Darling, was ist los? Was ...«

Sie verstummte abrupt.

Im Zimmer wurde Licht gemacht. Fast lautlos traten aus dem Hintergrund zwei weitere Männer ans Bett. Beide hielten einen Revolver in der Hand. Einer trug außerdem noch die kleine Petroleumlampe, die er vom Tisch genommen hatte.

Ein gelber Lichtkreis fiel über das Bett, in dem Lassiter mit dem Mädchen lag.

Sie hieß Henrietta, mehr wusste Lassiter nicht über sie. Kurz vor Anbruch der Dunkelheit und gut zehn Minuten nach Lassiter war sie auf der Postkutschenstation angekommen. Ihr Pferd lahmte, und sie hatte genau wie Lassiter um ein Zimmer gefragt.

Der Stationshalter hatte ihr sein zweites Gästezimmer zugewiesen.

Später war dann alles andere beinahe von selbst gekommen. Lassiter hatte sich nicht einmal Mühe gegeben.

Das war nicht nötig gewesen.

Henrietta war ein Mädchen von Rasse und Klasse. Noch jung, kaum älter als achtzehn. Rothaarig und mit gelblichgrünen Augen, aus denen das Temperament einer Raubkatze blitzte.

Ohne Umschweife war sie mit Lassiter ins Bett gestiegen.

Und jetzt dieses unsanfte Erwachen.

Was hatte das alles zu bedeuten?

Die Revolvermündung berührte noch immer Lassiters Stirn. Im Lichtschein der Petroleumlampe konnte Lassiter das Gesicht des Mannes sehen. Es war ein hageres Gesicht, scharfkantig und verwegen. Ein sandfarbener Walrossschnurrbart hing lang über die Mundwinkel.

Dieser Mann war gefährlich.

Außerdem erfüllte ihn heiße Wut, die er nur schwer unter Kontrolle halten konnte. Lassiter erkannte es deutlich. Und er ahnte bereits gewisse Zusammenhänge.

Dieser Mann war eifersüchtig. Und Eifersucht hatte schon manchen wilden Burschen zur reißenden Bestie werden lassen.

Lassiter seufzte unwillkürlich.

Wenn es so war, dann hatte er noch einiges zu erwarten.

Das rothaarige Mädchen atmete tief durch.

Dann sagte sie leise, aber mit unverkennbarer Schärfe: »Lee Redfire! Was bildest du dir ein! Nimm den Revolver vom Kopf meines Freundes weg und verschwinde! Hau ab, oder ich werde dafür sorgen, dass mein Vater dich und deine Freunde aufknüpfen lässt.«

Lee Redfire hieß der Mann also. Das war ein Name, den Lassiter nicht zum ersten Mal hörte.

Er war einer von den Revolvermännern, die längst nicht für jeden ihren Kopf hinhielten. Die nur für ganz besonders mächtige Burschen arbeiteten und die für weniger als tausend Dollar nicht den kleinen Finger krumm machten.

»Ihr Vater hat uns geschickt, Miss«, sagte er kalt. »Beschweren Sie sich nur nicht bei mir! Ich werde mich bei Ihrem Vater schon für alles verantworten. – Er wird sich wohl kaum sehr freuen, wenn er erfährt, was wir hier vorgefunden haben. – So, und jetzt ...«

Er sprach den Satz nicht zu Ende.

Mit einem schnellen Griff der linken Hand packte er den Saum der Leinendecke und riss sie zurück.

Das nackte Mädchen stieß ein zorniges Fauchen aus und sprang aus dem Bett.

Lee Redfire und seine beiden Begleiter grinsten wölfisch.

Nun trat Redfire einen Schritt zurück und machte eine auffordernde Bewegung mit dem Revolver.

»Raus aus der Falle, Hombre! Zieh dich an und mach nicht zu viel unnötigen Radau! Wir wollen die anderen Leute nicht in ihrer verdienten Nachtruhe stören.«

»Du bist verdammt rücksichtsvoll, Redfire«, bemerkte Lassiter grinsend und setzte sich auf. Gelassen griff er dann nach seinen Kleidungsstücken, die neben dem Bett auf einem Stuhl lagen, und ebenso gelassen zog er sich an.

Die drei Revolvermänner betrachteten ihn wachsam.

»Hat sie dir nicht gesagt, wer sie ist, Hombre?«, fragte Lee Redfire. »Oder hast du sie nicht wenigstens danach gefragt?«

»In solchen Fällen bin ich nicht neugierig«, brummte Lassiter. »Das andere ist nur wichtig.«

»Oder brauchtest du vielleicht gar nicht neugierig zu sein?«, murmelte Lee Redfire nachdenklich. »Es könnte ja auch sein, dass das alles ein abgekartetes Spiel war von deiner Seite aus.«

Lassiter hatte keine Ahnung, was Redfire meinte.

Er war zufällig auf diese Station gestoßen. Er kam von Süden, von Mexiko herauf, hatte sich ein paar Nächte lang mit dem Himmel zudecken müssen und war froh gewesen, endlich mal wieder in einem richtigen Bett zu schlafen.

Dass ihm dabei noch dieses Mädchen begegnet war, gehörte zu den Zufällen, die das Leben manchmal mit sich brachte. »Wer, zum Teufel, ist sie denn?«, fragte Lassiter.

»Henrietta Custer.«

Der Name Custer ließ Lassiter aufhorchen. Natürlich war ihm vom ersten Augenblick an klar gewesen, dass dieses Mädchen bestimmt nicht die Tochter eines armen Mannes war. Das sah man schon an der teuren Kleidung, die sie trug.

»Clark W. Custer?«, fragte er überrascht.

Redfire nickte mit schmalem Grinsen.

»Und wer bist du, Hombre?«

Lassiter nannte seinen Namen.

Jetzt zeigte Redfire Überraschung.

»Du bist der Lassiter?«, stieß er heiser hervor. »Oder bist du vielleicht nur sein Namensvetter?«

Lassiter zuckte die Schultern. »Spielt das eine Rolle?«

Er war gerade in seine Stiefel geschlüpft und stand nun vollständig angezogen da. Auch das Mädchen trug seine knappsitzende Reitkleidung aus weichgegerbtem Wildleder.

»Los dann!«, befahl Redfire, ohne auf Lassiters letzte Frage einzugehen. »Alles andere wirst du erfahren, wenn wir auf der Ranch sind.«

Henrietta nickte Lassiter aufmunternd zu.

»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Lassiter«, sagte sie zuversichtlich. »Mein alter Herr wird dir kein Haar krümmen. Das verspreche ich dir.«

Lee Redfire stieß Lassiter mit dem Revolverlauf an.

»Geh voraus, Hombre!«, sagte er. »Und ich rate dir, nicht auf krumme Gedanken zu kommen. Wir werden verdammt wachsam sein.«

Lassiter öffnete die Zimmertür. Sie befanden sich im Erdgeschoss des Stationsgebäudes. Der Stationshalter schlief mit seiner Frau und den drei Kindern im Obergeschoss.

Das Quartier seiner beiden mexikanischen Gehilfen befand sich in einem kleinen Anbau des Hauses.

»Und verhalte dich ruhig!«, zischte Redfire warnend, als sie hinaus in den halbdunklen Flur traten. »Ich möchte hier kein unnötiges Aufsehen haben!«

Lassiter ging schweigend voraus. Am Ende des schmalen Flurs befand sich die Tür, die hinaus auf den Hof führte.

Im Haus herrschte tiefe Stille. Entweder hatten die Bewohner wirklich nichts von dem nächtlichen Eindringen der drei Revolvermänner bemerkt, oder aber sie hielten sich zurück, weil sie aus irgendeinem Grunde Angst hatten.

Die zweite Möglichkeit erschien Lassiter näherliegend.

Clark W. Custer war einer der ganz Großen in diesem Land. Ihm gehörte eine riesige Ranch, auf deren Gebiet zwei oder drei einträgliche Silberminen lagen. Nähere Einzelheiten wusste Lassiter nicht, aber die würde er wohl bald erfahren.

Ungehindert traten sie hinaus in die mond- und sternenhelle Nacht. Das Haus lag weiterhin still und wie verlassen in der Nacht.

Hinter dem weiträumigen Corral wartete auf sie ein weiterer Mann mit sechs gesattelten Pferden. Lassiters grauer Wallach war auch dabei. Für das Mädchen hatten sie ein Tier des Stationshalters gesattelt. Genaugenommen war das Pferdediebstahl, aber die Männer schien das nicht im Geringsten zu kümmern.

Sie saßen auf und ritten langsam in die Nacht hinein. Drei der Männer ritten ständig so, dass sie Lassiter im Auge behalten konnten.

Nach einer Weile trieb Lee Redfire seinen Rapphengst an Lassiters Seite.

»An deiner Stelle würde ich nicht so ruhig sein, Lassiter«, meinte er. »Der Boss ist im Moment verdammt schlecht gelaunt.«

»So?«, murmelte Lassiter gleichmütig. »Und was habe ich damit zu tun, Redfire?«

Redfire antwortete nicht.

Das Mädchen, das an Lassiters linker Seite ritt, sagte zornig: »Was soll diese ganze Geheimniskrämerei, Lee Redfire? Wenn ich nach Hause komme, werde ich meinem alten Herrn einiges in die Ohren stopfen, dass er auf der Stelle wieder zur Vernunft kommt!«

Redfire grinste spöttisch, hüllte sich aber auch jetzt weiterhin in Schweigen.

Lassiter machte sich seine eigenen Gedanken. Er wusste zwar das Mädchen auf seiner Seite, trotzdem beschlich ihn ein ungutes Gefühl, wenn er an seine bevorstehende Begegnung mit Clark W. Custer dachte.

Ohne einen schwerwiegenden Grund hatten ihn diese Männer ganz bestimmt nicht aus dem Bett geholt. In diesem Land musste einiges los sein, von dem Lassiter noch nicht die geringste Ahnung hatte.

Von Lee Redfire ging ein Strom unversöhnlicher Feindschaft aus. Lag das nur an seiner Eifersucht, die er zweifellos gegenüber Lassiter empfand?

Oder steckte mehr dahinter?

Lassiter beschloss, keine weiteren Fragen mehr zu stellen. Irgendwann würde er auch so alles erfahren.

Er konzentrierte sich auf den Weg und prägte sich hier und da besondere Merkmale der Landschaft ein, durch die sie ritten.

Es gab viele Hügel, sanft geschwungene Täler, in denen Rinderherden standen. Zwischendurch passierten sie schroffe Felsen, durchquerten Wasserläufe, und einmal kamen sie an einer alten, verlassen scheinenden Missionsstation vorbei, die sicherlich noch aus der Zeit der Spanier stammte.

Als der Morgen graute, ritten sie in das Tal hinab, in dem der Wohnsitz von Clark W. Custer lag.

Vor einigen Stunden hatte Lee Redfire von einer Ranch gesprochen. Aber dieses Anwesen war alles andere als eine Ranch. Das war eine prächtige Hazienda, wie sie Lassiter in Mexiko hin und wieder gesehen hatte. Das große, im spanischen Kolonialstil erbaute Haupthaus, die zahlreichen Wirtschaftsgebäude, Stallungen und eine Anzahl kleiner Adobehütten oder Blockhäuser – das alles war schon fast eine richtige kleine Stadt.

Lassiter war sicher, dass es hier alles gab, was man auch in einer Stadt vorfand: Einen Store für alle möglichen Waren, einen Saloon, in dem man sich amüsieren konnte, Schmied, Schreiner und Barbier – und vielleicht sogar gab es hier auch einen eigenen Leichenbestatter. – Das war Lassiters erster Eindruck.

Nach einer Weile ritten sie durch ein großes, symbolisch errichtetes Balkentor. An dem Querbalken hing ein Holzschild mit der Aufschrift HACIENDA DE LOS BRAVOS.

Henrietta zügelte ihr Pferd.

»Das ist unser Reich, Lassiter«, sagte sie mit unverhohlenem Stolz. »Oder besser gesagt, es ist der Mittelpunkt unseres großen Besitzes. Wie gefällt dir das?«

»Nicht schlecht«, sagte Lassiter trocken. »Ich wundere mich nur, warum die Tochter eines solchen reichen Mannes allein durch das Land reitet und sich allen möglichen Gefahren aussetzt. – Noch nie von Entführung und Erpressung gehört, Mädchen?«

Sie lachte amüsiert.

»Machst du dir Sorgen um mich, Darling?«

Lassiter hörte es nicht besonders gerne, wenn sie ihn so ansprach, aber er äußerte sich nicht dazu. Wenn er das Wort Darling hörte, hatte er jedes Mal das sonderbare Gefühl, soeben wie ein wilder Stier mit dem Lasso eingefangen worden zu sein.

In seine Gedanken hinein sagte sie leichthin: »Hast du dir noch keine Sorgen um deine eigene Gesundheit gemacht, Lassiter? Mein alter Herr wäre nicht der erste Vater, der einen fremden Burschen wegen solch einer Geschichte umgebracht hat.«

Lassiter zuckte die Schultern. Was sollte er dazu sagen? Natürlich hatte sie recht. Trotz seiner Kaltblütigkeit verspürte er doch ein ungutes Gefühl in der Magengrube.

Er war gespannt darauf, was Clark W. Custer für ein Mann war.

Und er überlegte bei sich, ob es vielleicht nicht doch besser gewesen wäre, Lee Redfire und den anderen beiden Burschen gleich zu Anfang die Zähne zu zeigen, nachdem sie ihn im Schlaf überrascht hatten.

Aber das war jetzt leider nicht mehr zu ändern.

Seine Neugier war nun einmal stärker gewesen.

Vielleicht wäre er auch jetzt schon eine Zeitlang tot, wenn er wirklich etwas riskiert hätte.

Mit Lee Redfire und seinen Begleitern war nicht zu spaßen.

Etwas später hielten sie vor dem großen, steinernen Haupthaus.

Lee Redfire und die anderen hatten plötzlich wieder ihre Revolver in den Händen.

»Steckt die Waffen weg!«, forderte das Mädchen. »Lassiter ist doch kein reißender Wolf, der an nichts anderes denkt, als einem von euch an die Kehle zu springen.«

Sie hatte kaum ausgesprochen, als die schwere, eisenbeschlagene Doppeltür des vornehmen Hauses geöffnet wurde.

Die beiden Flügel schwangen nach innen, und heraus trat ein breitschultriger, schwarzbärtiger Mann.

Es gab keinen Zweifel für Lassiter, dass es sich um Clark W. Custer handelte, den mächtigen Silberminenbesitzer und Rinderzüchter. Er trug ein weißes Hemd mit schwarzer Schleife und eine knappsitzende Tuchhose, die die Schlankheit seiner Figur unterstrich.

Mit einem sekundenschnellen Blick musterte er Lassiter, dann wandte er sich an Lee Redfire.

»Wer ist der Mann?«

»Er nennt sich Lassiter, Sir.«

»Der Name kommt mir bekannt vor.« Er sah Lassiter wieder an und fuhr fort: »Sind Sie der Mann, der schon so viel Kummer mit Wells Fargo hatte? Oder handelt es sich nur um eine Namensgleichheit?«

Lassiter lächelte schmal.

»Ich bin dieser Mann, Mr. Custer.«

»Warum tragen Sie keine Waffen?«

»Ich wurde von Ihren Männern gefangen genommen.«

»Wo und wie?«

»Black Rim Station«, antwortete Lassiter. »Mir blieb keine andere Wahl, als mitzukommen.«

»Ich muss dir etwas erklären, Dad«, meldete sich Henrietta, bevor ihr Vater eine weitere Frage stellen konnte. »Lee Redfire und die anderen sind in unser Zimmer eingedrungen. Sie halten Lassiter für einen unserer Feinde. Aber das stimmt nicht. Ich schwöre es dir.«

Clark W. Custer runzelte die Stirn. Aber sein Gesicht hellte sich sofort wieder auf. Er war ein Mann, der sich erstklassig in der Gewalt hatte. Er stellte auch keine weiteren Fragen an seine Tochter. Es war seine Art, sich sehr schnell ein Bild aus knappen Antworten zu machen und ebenso schnell Entscheidungen zu treffen.

Lassiter ahnte nichts Gutes.

»Geh ins Haus, Henrietta!«, sagte Custer knapp.

Widerspruchslos stieg sie vom Pferd und verschwand gleich darauf im Innern des Hauses.

Hinter Lassiter verharrten die vier Revolvermänner.

Auf dem weiträumigen Hof war es still geworden.

Seltsamerweise war niemand sonst zu sehen. Es war, als legte der Big Boss Wert darauf, dass diese Sache allein zwischen ihm, seinen vier Vertrauten und Lassiter erledigt wurde.

Wahrscheinlich wollte er auf diese Weise vermeiden, dass seine Tochter ins Gerede kam.

Auf Lee Redfire und die anderen konnte er sich wohl verlassen. Das Gefühl jedenfalls hatte Lassiter.

»Ihr habt ihn also in der Station geschnappt«, begann Custer nach einer kurzen Pause. »Zusammen mit meiner Tochter. Das dürfte genügen.«

»Wozu?«, fragte Lassiter kalt.

Langsam spürte er Wut in sich aufsteigen. Zum Teufel mit diesem verdammten großspurigen Rancher! War er selbst kein Mann? Hatte er noch nicht längst erkannt, dass seine Tochter nicht nur ein sehenswertes, sondern auch inzwischen ein erwachsenes Weib geworden war? Mit solchen Sachen musste man einfach rechnen. Immer wieder.

»Sie sind ein erwachsener Mann, Lassiter«, entgegnete Custer ebenso kalt und mit Messerschärfe. »Und meine Tochter ist fast noch ein Kind. Sie ist etwas leichtsinnig. Sie gibt sich viel zu schnell einem Mann hin. Sie hätten diese Tatsache nicht ausnutzen dürfen. – Das war ein großer Fehler von Ihnen.«

Er sagte es mit einer Ruhe, die eine einzige tödliche Drohung war.

Lassiter erkannte es. Wenn kein Wunder geschah, war er erledigt.

»Was hätten Sie an meiner Stelle getan, Custer?«, fragte er ruhig. »Halten Sie mich etwa für einen Stein?«

»Es reicht«, sagte Custer nur und hob kurz die Hand.

Lassiter hörte ein feines Sausen in der Luft. Er duckte sich blitzartig und warf sich seitwärts aus dem Sattel.

Das Lasso, das nach ihm geworfen worden war, verfehlte ihn. Ein Mann brüllte einen Fluch.

Lassiter setzte alles auf eine Karte. Mit einem Satz war er wieder auf den Beinen, hetzte die Stufen der Veranda hoch und war im nächsten Augenblick bei Custer.

Zwei Schüsse donnerten auf, aber die Kugeln verfehlten ihn und schlugen dicht hinter seinen Absätzen in die steinernen Stufen, von wo sie als Querschläger davonsurrten.

Die Revolvermänner waren gezwungen gewesen, tief zu zielen, um nicht Gefahr zu laufen, ihren Boss zu gefährden. Lassiter prallte gegen Custer.

Er wollte den großen Boss packen, ihm nach Möglichkeit die Waffe entreißen und ihn dann gewissermaßen als Faustpfand benutzen. Er hatte nicht die Absicht, ihn zu töten, hatte aber auch kein Verlangen danach, wegen dieses Abenteuers mit dem Mädchen ausgepeitscht oder gar gehängt zu werden.

Das ging doch entschieden zu weit.

Er glaubte schon, gewonnen zu haben, doch er hatte die Rechnung ohne den Wirt – in diesem Falle ohne Clark W. Custer – gemacht.

Der bärtige Mann war erstaunlich schnell, gewandt und stark. Er hatte die veränderte Situation blitzschnell erfasst und war sofort zum Gegenangriff übergegangen.

Er riss seinen silberbeschlagenen Revolver hinter dem Hosenbund hervor, als Lassiter gegen ihn prallte, und schlug mit dem stählernen Lauf zu. Er wollte Lassiters Kopf treffen, erwischte den großen Mann aber nur an der Schulter.

Lassiter riss beide Fäuste gleichzeitig hoch und ließ sie gegen Custers Kinnspitze krachen.

Der Rancher taumelte zurück.

Sofort setzte Lassiter nach. Sicherlich wäre es ihm gelungen, jetzt seinem Gegner den Rest zu geben. Aber Custer hatte den Vorteil, dass er Lassiter für wenige Sekunden hatte aufhalten können.

Das reichte für Lee Redfire und seine Männer. Und für ein paar andere Burschen, die gerade aus dem Ranchhaus stürmten.

Es brach über Lassiter herein wie eine Lawine. Dagegen war er völlig machtlos.

Und es ging so schnell, dass er seine Niederlage kaum noch richtig wahrnahm.

Umsonst!, dachte er nur noch. Dann wurde es schwarz vor seinen Augen.

II

Ein eiskalter Wasserguss traf klatschend sein Gesicht und seinen Oberkörper. Im ersten Augenblick hatte er das Gefühl, in einem Fluss oder See zu schwimmen, doch dann folgten zwei weitere schwappende Wassergüsse und holten ihn endgültig aus seiner Bewusstlosigkeit zurück.

Er wollte sich bewegen, aber das war nicht möglich.

Und dann erst merkte er, dass sie ihn an einen Pfosten gebunden hatten, der mitten auf dem weiträumigen Hof stand, etwa zwanzig Meter von der Veranda des Haupthauses entfernt.

Die Sonne war inzwischen ein beträchtliches Stück gestiegen. Seiner Schätzung nach musste es jetzt schon gegen neun Uhr am Vormittag sein. Ein Zeichen dafür, dass er mehr als eine Stunde bewusstlos gewesen war.

In seinem Schädel begann jetzt erst das dumpfe Dröhnen, das man meistens nach einem solchen Niederschlag ertragen musste.

Er atmete tief durch und versuchte, sich zu entspannen. Es war wichtig, jetzt nicht verkrampft zu sein. Nur so konnte er seine unangenehme Stellung einigermaßen erträglich gestalten.

Schritte näherten sich schräg von der Seite. Gleich darauf tauchte Clark W. Custer in seinem Blickfeld auf.

Der Rancher und Minenbesitzer wurde wieder nur von seinen vier Revolverschwingern begleitet. Sie blieben hinter ihm stehen und grinsten herablassend, als sich Custer an Lassiter wandte.

»So, Lassiter, oder wer sonst du auch immer sein magst«, begann der Big Boss. »Du wolltest es besonders hart machen. Jetzt ist es bitter für dich geworden.«

Lassiter starrte ihm in die Augen.

»Was willst du, Custer? Veranstaltest du dieses ganze Theater nur wegen deiner Tochter?«

Custer schüttelte grinsend den Kopf.

»Es geht um mehr«, knurrte er. »Aber das weißt du wahrscheinlich ganz genau. Stell dich doch nicht so dämlich an. Mich kannst du nicht bluffen.«

»Ich verstehe kein Wort mehr.«

»Was hattest du ausgerechnet auf Black Rim Station zu suchen?«

»Ich suchte ein Bett für die Nacht«, knurrte Lassiter. »Zum Teufel, Custer, und wenn Sie mich erschlagen, ich kann nichts anderes dazu sagen. Für wen halten Sie mich?«

»Für einen Wells-Fargo-Verbindungsmann«, antwortete Custer in seiner knappen Art.

Für Sekunden verschlug es Lassiter die Sprache.

Ausgerechnet er sollte ein Wells-Fargo-Mann sein!

Das war der größte Witz, der ihm seit langem untergekommen war.

Custer grinste teuflisch.

»Was sagst du jetzt, Lassiter?«

»Das ist Wahnsinn. Wissen Sie nicht, dass ich Wells Fargos größter Feind bin? Kennen Sie nicht meine Geschichte?«

Custer nickte gelassen.

»Doch. Deine Geschichte kenne ich. Ich bin nur nicht sicher, ob es wirklich deine Geschichte ist. Du könntest ja auch ein ganz anderer Hombre sein. Einer, der nur den Namen dieses Lassiter angenommen hat.«

»Sie sind ja verrückt.«

Ein Schatten flog über das kantige Gesicht Custers. In seiner Hand zuckte es. Sekundenlang sah es so aus, als ob er seine Faust in Lassiters Gesicht setzen wollte.

Aber er beherrschte sich noch einmal.

»Hüte dich!«, sagte er leise. »Ich lasse mich nicht gerne beschimpfen. Noch einmal ein solches Wort, und du wirst es bereuen, Mann.«

Lassiter zuckte resignierend die Schultern und schwieg.

Es war zum Verzweifeln.

Was bildete dieser großspurige Bursche sich eigentlich ein! Er hatte sich in eine bestimmte Idee verrannt und war nicht bereit, sich von der Wahrheit überzeugen zu lassen.

Hinzu kam natürlich noch seine Wut auf Lassiter, weil der mit Henrietta geschlafen hatte, seiner geliebten, verwöhnten Tochter.

Mit Worten würde sich Lassiter nie und nimmer aus dieser Affäre ziehen können. Custer hatte ein Opfer gesucht und gefunden.