Lassiter Sonder-Edition 72 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 72 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Lassiter stand an der Palisadenwand. Gefesselt. Heiß brannte die Sonne. Dumpfer Trommelwirbel durchbrach die Stille. Dann das Kommando: "Legt an!" Sechs Gewehrmündungen zielten auf Lassiter. Warum war er nur in dieses verdammte Fort gekommen? Jetzt war alles aus. Die Gewehre donnerten, die Mündungsflammen verschmolzen zu einem einzigen grellen Feuerblitz, und im selben Moment verspürte Lassiter den unbarmherzigen Schlag der Kugeln gegen seine Brust ...


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Seitenzahl: 182

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

SECHS KUGELN FÜR LASSITER

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

Vorschau

Impressum

SECHS KUGELNFÜR LASSITER

von Jack Slade

Als Lassiter den Fluss zur Hälfte durchquert hatte, erkannte er jäh die Gefahr. Er sah die Bewegung auf der anderen Seite zwischen den Uferbüschen, sah funkelnden Stahl im Sonnenlicht. Lee Hanack und Joe McBride hatten also geahnt, dass er noch immer auf ihrer Fährte war, und sie hatten sich die beste Stelle für einen Hinterhalt ausgesucht. Hier war Lassiter völlig ungeschützt, konnte er nicht die geringste Deckung finden.

Diese Gedanken durchzuckten Lassiter in einem Sekundenbruchteil. Gleichzeitig stieß er einen wilden Schrei aus und warf sich seitwärts aus dem Sattel ins Wasser, das seinem Pferd bis zum Bauch reichte. Schüsse peitschten auf, während das Wasser über ihm zusammenschlug. Eine Kugel riss eine Schramme über seinen Rücken, aber er bemerkte den brennenden Schmerz kaum.

Jetzt hatte er andere Probleme. Das war ein Kampf ums nackte Leben. Er musste versuchen, so lange wie möglich unten zu bleiben und so weit wie möglich wegzukommen von dieser Stelle.

Er schwamm mit langen Zügen, und die schnelle Strömung unterstützte ihn. Nur die Kleidung war ein großes Hindernis, besonders die Stiefel, die immer schwerer wurden.

Jetzt hörte er keine Schüsse mehr. Konnten sie ihn bereits nicht mehr sehen, oder hielten sie ihn für tot?

Er befand sich noch immer unter Wasser, als er die scharfe Flusskrümmung erreichte, die sich etwa dreißig Schritt unterhalb der Furt befand. Hier war das linke Ufer felsig, und im Wasser lagen große, vom Wasser umgischtete Steine.

Die Stelle war gut für Lassiter. Endlich konnte er auftauchen und wieder Luft in seine Lungen pumpen.

Die wirr aufgetürmten Felsen boten ihm ausreichend Deckung. Die tiefhängenden Zweige einer Trauerweide gaben ihm zusätzlichen Schutz vor den Blicken seiner Jäger.

Vorläufig wenigstens. Denn sie hatten bestimmt noch nicht aufgegeben.

Er kannte Hanack und McBride verdammt gut. Das waren zwei ausgekochte, hinterhältige Schufte, die jedem offenen Kampf aus dem Wege gingen. Feiglinge, die sich nicht auf das geringste Risiko einließen.

Deshalb würden sie erst dann die Jagd einstellen, wenn sie wussten, dass er wirklich tot war.

Diese Gewissheit aber konnten sie noch nicht haben. Erst wollten sie seine Leiche sehen.

Unwillkürlich griff Lassiter nach seinem Holster, dann grinste er erbittert über sich selbst. Das Holster war leer, aber selbst dann, wenn er die Waffe nicht verloren hätte, würde sie ihm jetzt nichts nützen.

Er besaß als einzige Waffe noch sein Messer, ein langes, zweischneidiges Bowiemesser. Aber damit war er genauso wehrlos wie ein Puma mit seinen starken Pranken und spitzen Zähnen, wenn er einem gut bewaffneten Jäger gegenüberstand.

Bisher war Lassiter der Jäger gewesen, jetzt war er zum Wild geworden, das sie erbarmungslos hetzen würden. Sie hatten es teuflisch geschickt angefangen.

Vor zwei Stunden hatte Lassiter ihre Fährte südlich des Flusses entdeckt. Sie führte in gerader Linie auf die Furt zu und vom Nordufer aus weiter nach Norden in die Hügel hinein.

Lassiter kannte tausend Tricks, und ganz besonders kannte er sich aus in der Mentalität von Halunken wie Lee Hanack und Joe McBride. Deshalb hatte er gewartet. Zwei Stunden lang hatte er das andere Ufer beobachtet und war dann erst auf die Furt zugeritten. Genau in die Falle hinein.

Er konnte von Glück reden, dass er die Bewegung zwischen den Büschen buchstäblich im allerletzten Augenblick entdeckt hatte. Um Haaresbreite war er dem Tod entgangen.

Aber auch jetzt hatte er kaum eine Chance. Und hier durfte er auf keinen Fall festwachsen.

Im hüfthohen Wasser bewegte er sich langsam auf das Ufer zu. Das monotone Rauschen und Plätschern waren die einzigen Geräusche, die ihn umgaben. Wenn sich die Jäger näherten, würde er ihre Schritte nicht hören können. Die Geräusche des Wassers waren stärker.

Jetzt hatte er das Ufer erreicht. Abgeflachte Steine, hin und wieder von Wasser überspült und von glitschigem Moos bewachsen, bedeckten das letzte Stück vor dem zerklüfteten Felsufer. Lassiter nahm das Messer zwischen die Zähne und bewegte sich auf allen vieren weiter. Aufrechtes Gehen war unmöglich. Auf diesen tückischen Steinen würde man unweigerlich ausrutschen.

Plötzlich hielt er inne, kauerte völlig reglos da, schien eine Einheit zu bilden mit dem graugrünen, moosbedeckten Gestein.

Er hatte Stimmen gehört. Jetzt konnte er schon die ersten Wortfetzen verstehen.

»Ich bin fast sicher, dass wir ihn erwischt haben«, meinte Lee Hanack. »Lass uns abhauen, Joe. Die verdammte Sucherei ist völlig sinnlos.«

»Ich will die Leiche sehen.« McBride beharrte auf seinem Standpunkt. »Warum jetzt noch ein Risiko eingehen, Lee? Wenn wir erst wissen, dass er wirklich erledigt ist, haben wir nichts mehr zu befürchten. Er ist der einzige Bursche, der uns je gefährlich werden kann. – Pass auf, du wartest hier und hältst die Augen offen! Ich gehe inzwischen bis zum Ende der Krümmung, wo die Felsen aufhören. Von dort aus gehe ich dicht am Steilufer entlang wieder zurück. Ich werde zwar nasse Stiefel bekommen, aber das macht mir nichts aus. Entweder ich finde da unten irgendwo seine Leiche, oder aber er lebt noch und hat sich versteckt.«

»Und wenn er noch lebt?«

»Dann erledige ich ihn endgültig«, knurrte McBride. Dann lachte er bösartig. »Das ist wie eine Hasenjagd, Lee. Hoffentlich wird mir dieser Spaß noch vergönnt sein.«

»Hasenjagd!«, sagte Hanack skeptisch. »Ich würde das eher als Pumajagd bezeichnen.«

Wieder lachte McBride. »Umso besser. Ich habe mir schon immer gewünscht, mal 'nen Puma erledigen zu können. – Warte also hier und drück mir die Daumen ...«

Mit den letzten Worten entfernte er sich bereits, und seine Stimme wurde immer leiser.

Lassiter blickte nach oben. Die Felswand war hier etwa vier Meter hoch und war vom Wasser so ausgespült worden, dass sie ziemlich stark überhing. Aus diesem Grunde konnten die beiden Halunken von oben nicht richtig den Fluss überblicken.

Die Art, wie sie jetzt vorgingen, bewies wieder einmal die Gerissenheit der beiden. Wenn sich McBride gleich hier unten am Fuße des Steilufers entlangbewegte, konnte er Lassiter in die Enge treiben wie ein Wild auf der Treibjagd.

Dann würde er sich sogar noch an seinem Triumph weiden können, bevor er Lassiter den tödlichen Schuss versetzte.

Es war eine Art sadistischer Hinrichtung, die Lassiter bevorstand, wenn er nichts unternahm.

Er musste weg von hier.

Wieder blickte er nach oben. Die Felsen waren teilweise steil und stark zerklüftet, aber sie bildeten kein unüberwindbares Hindernis.

Lassiter überlegte nicht länger. Er musste handeln. Jede Sekunde war von jetzt an äußerst kostbar.

Er kroch noch weiter bis unmittelbar an die Felswand. Als er sich aus seiner Kriechlage aufrichtete und den ersten Schritt machte, hörte er fast überlaut das schwabbernde Geräusch des Wassers in seinen Stiefeln. Dieses Geräusch würde ihn verraten, bevor er überhaupt am Ziel war, das er erreichen wollte, sogar erreichen musste.

Er zog sich die Stiefel aus, die Socken. Mit nackten Füßen fand er auf dem glatten Gestein besseren Halt. Das Messer hielt er zwischen den Zähnen.

Er dachte an McBride und überlegte, wo der Jäger jetzt sein konnte. Wenn er sich beeilte, konnte er unten sein, bevor Lassiter den schwierigen Aufstieg geschafft hatte.

Nur noch wenige Fuß bis zum Rand der Klippen. Schon berührten seine Finger den oberen Rand der Felskante, und mit einem letzten Schwung wollte er sich nach oben ziehen und Lee Hanack mit einem überraschenden Angriff niederkämpfen.

In diesem Augenblick hörte er den scharfen Ruf. Es war die Stimme von Joe McBride.

Lassiter blickte sich nicht um. Alles stand für ihn auf des Messers Schneide. Er kämpfte sich weiter nach oben.

Zwei Schüsse fielen schnell hintereinander. Die Kugeln schlugen eine Handbreit neben ihm gegen das Gestein, heulten als Querschläger davon, und Lassiter warf sich keuchend über den Rand des Steilhangs.

Unten am Fluss brüllte McBride wütend auf, als er sah, dass er nicht getroffen hatte. Er hatte sich im Winkel verschätzt und Lassiters rasche Seitwärtsbewegung nicht mit einkalkuliert. Außerdem hatte er viel zu überhastet geschossen. Die Überraschung war daran schuld.

Die Schüsse und das Gebrüll hatten Hanack bereits gewarnt. Trotzdem war dieser Bandit genauso überrascht wie sein Kumpan, als Lassiter sich plötzlich über die Felskante schwang und vor ihm auftauchte.

Hanack riss das Winchestergewehr an die Hüfte. Lassiter packte das Bowiemesser und schleuderte es auf den Gegner.

Der Bandit schrie gellend. Die schwere Klinge blieb in seiner Brust stecken. Seine Gewehrmündung zeigte nach oben, und die Kugel, die Lassiter zugedacht war, jagte in den blauen Himmel hinauf.

Zu einem zweiten Schuss kam er nicht. In seinen Händen war nicht mehr die Kraft, den Repetierbügel zu betätigen. Er stand schwankend da. In seinen weit aufgerissenen Augen war ein irrer, ungläubiger Ausdruck. Er stieß unartikulierte Laute aus und brach in die Knie, und das Gewehr hielt er immer noch mit beiden Fäusten krampfhaft fest, als wollte er es nie wieder loslassen.

Lassiter sprang auf ihn zu. Er stieß den zusammenbrechenden Banditen zur Seite und riss ihm die Winchester aus den Händen. Unten am Fluss brüllte McBride.

»Was ist los, Lee? Hast du ihn erledigt?«

Lassiter antwortete nicht, und Lee Hanack konnte nicht mehr antworten. Niemals wieder.

Geduckt hastete Lassiter bis an den Rand des Steilhangs.

»Sieh hierhin, McBride!«, rief er kalt.

McBride stand bis zu den Hüften im Wasser. Mit wutverzerrtem Gesicht starrte er hoch und riss das Gewehr an die Schulter.

Lassiter zog den Kopf zurück. Er hätte den Banditen leicht erledigen können, aber das war nicht seine Absicht. Lebend war McBride wichtiger für ihn. Er wollte, dass der Bandit vor ein Gericht gestellt wurde. Vor allem aber sollte er ihm verraten, wo das Geld versteckt war, das er zusammen mit Hanack geraubt hatte. Und am wichtigsten war Angela. McBride hörte auf zu schießen.

»Lassiter!«, schrie er, und seine Stimme überschlug sich. »Zeig dich, du Bastard!«

Er war vor Wut wie von Sinnen. Eine in die Enge getriebene Ratte, die in höchster Not die Zähne zeigte und alle Feigheit vergessen hatte.

Lassiter kroch ein paar Schritte nach rechts und schob sich dort wieder langsam nach vorne. Ein kleiner Felsvorsprung gab ihm etwas Deckung.

»Hier bin ich, McBride. – Halt! Schieß nicht, oder du bist erledigt! Ich will dich lebend nach Camp Sherman bringen. Dort bekommst du eine faire Chance. Vor Gericht ...«

»Kriegsgericht!«, brüllte McBride, von Panik geschüttelt. »Denkst du, ich weiß nicht, was das bedeutet, du Bastard? Sie werden mich aufknüpfen. – Nein, ich verhandle nicht, Lassiter! Ich ...«

Mit dem letzten Wort riss er die Winchester wieder an die Schulter und feuerte.

Lassiter zog sich diesmal nicht zurück. Mehr aus einer instinktiven Abwehrreaktion heraus krümmte er den Zeigefinger und blickte gleichzeitig in die Mündungsflamme von McBrides Waffe.

Ihre Schüsse kreuzten sich und klangen fast wie einer.

Danach war es still.

Lassiter kletterte den Felshang hinunter. Als er unten ankam, war von McBride nichts mehr zu sehen. Die Strömung war doch ziemlich stark hier in der Flusskrümmung, wo sich das Wasser an Felsen brach.

Nachdem Lassiter seine Stiefel wieder angezogen hatte, machte er sich an den Aufstieg. Hier unten gab es für ihn nichts mehr zu tun.

Auch um Lee Hanack konnte er sich nicht weiter kümmern. Er nahm lediglich den schweren 45er Walker Revolver des Banditen an sich und schob die Waffe in sein eigenes Holster.

Dann machte er sich auf den Weg zur Furt. Zwischen den Uferbüschen stand sein brauner Cayuse Wallach und knabberte an den grünen Zweigen. Es war ein zähes, sehniges und genügsames Tier. Indianische Spezialdressur, wie sie von den Dakotas und Cheyenne in Vollendung beherrscht wurde. Diese Tiere blieben stehen, wo sie von ihrem Reiter zurückgelassen wurden.

Der Wallach war lediglich in seiner ersten Panik bis ans Ufer gerast und wartete jetzt mit geradezu indianischer Geduld.

Lassiter schwang sich in den Sattel. Seine Winchester steckte noch im Scabbard. Er wunderte sich, dass keiner der beiden Halunken sich diese Waffe genommen hatte. Es war ein Modell 73 und um einiges besser als die veralteten 66er Winchester, die sie besessen hatten.

Der große Mann ritt schnell und folgte der deutlich sichtbaren Spur, die nach Norden zu in die Hügel hineinführte.

Es war in der Tat eine sehr gut erkennbare Fährte, und voller Grimm dachte Lassiter daran, dass ihm das hätte auffallen müssen. Auf diese Art hatten ihm die Halunken einen Köder hingelegt, der ihn in Sicherheit wiegen sollte. Und beinahe hätten sie es sogar geschafft.

Er musste ungefähr eine halbe Meile reiten, bis er auf die Pferde stieß, die sie zurückgelassen hatten. Drei waren es.

Sie standen in einer kleinen Senke inmitten einer Baumgruppe. Ihre Vorderbeine waren zusammengehobbelt, so dass sie nur kleine Schritte machen und sich nicht allzu weit entfernen konnten.

Lassiter hielt nach dem dritten Reiter Ausschau und entdeckte ihn schnell.

Es war kein Mann, sondern eine Frau. Ein schwarzhaariges, neunzehnjähriges Mädchen.

»Lassiter!«, rief sie mit vor Aufregung zitternder Stimme. »Du hast es also doch geschafft. Ich habe solche Angst um dich gehabt.«

Er lächelte beruhigend, schwang sich vom Pferd und schüttelte sich wie ein nasser Hund.

»Ich hab nur ein unfreiwilliges Bad genommen«, sagte er, während er auf sie zu ging, um sie von ihren Fesseln zu befreien.

Sie saß mit dem Rücken gegen den Stamm einer jungen Erle gelehnt. Die Hände hatten ihr die Banditen hinter dem Stamm zusammengebunden. Die Füße waren ebenfalls gefesselt worden. Und zimperlich waren die Schufte nicht gerade dabei vorgegangen.

In ihren Augen schimmerten Tränen, als sie sich die schmerzenden Gelenke rieb. Dabei konnte sie ein schmerzhaftes Stöhnen nicht unterdrücken. Lassiter wusste aus Erfahrung, wie weh so etwas tun konnte. Deshalb empfand er stille Bewunderung für die tapfere Haltung des Mädchens.

Sie hieß Angela Dundee, von ihren Freunden wurde sie meistens Angie genannt, und das hörte sie auch bedeutend lieber.

Angie war die Tochter von Robert Dundee, Colonel Robert Dundee, dem Kommandanten von Camp Sherman, einem kleinen Fort an der Grenze zum Indianergebiet. Es gab mehrere solcher vorgeschobener Posten an der Indianergrenze. Ihre Besatzungen hatten dafür zu sorgen, dass die Sioux und Cheyenne friedlich blieben und dass andererseits die weißen Abenteurer nicht in das vertraglich zugesicherte Territorium der roten Stämme eindrangen und für neue Zusammenstöße sorgten.

Trotzdem war es in den letzten Wochen wieder zu verschiedenen Unruhen gekommen.

Man munkelte davon, dass in den Black Hills Gold gefunden worden wäre. Das Zauberwort »Gold« hatte bereits die ersten zwielichtigen Gestalten angelockt, die sich einen Teufel um das Gesetz kümmerten und keine Grausamkeiten und Intrigen scheuten, um die Indianer zu provozieren.

Hier und da hatte man schon an den beiden Grenzflüssen tote Männer gefunden. Weiße Männer. Mit Pfeilen gespickt und skalpiert.

Die ersten Rufe nach Vergeltung wurden laut. Eine Strafexpedition war bereits ausgeschickt worden, und ein ehrgeiziger, übereifriger Captain namens Blake hatte ein ganzes Dorf im Morgengrauen überfallen und niederbrennen lassen.

In Lassiters Augen war dieser Blake ein verdammter Mörder, der vor ein Kriegsgericht gehörte, aber leider wussten sich solche Hundesöhne immer wieder geschickt aus der Affäre zu lügen.

Der Angriff auf jenes Indianerdorf würde auf jeden Fall über kurz oder lang seine Folgen haben. Lassiter kannte die Mentalität dieser roten Stämme. Jetzt gärte es noch unter ihnen. Erst mussten ihre Kriegshäuptlinge und Medizinmänner sich zum großen Rat versammeln. Wenn sie dann aber erst einen Beschluss gefasst hatten, konnte es mit einem Schlag zur großen Explosion kommen, und das ganze Grenzland würde wieder in lodernden Flammen stehen.

Wie viele Unschuldige auf beiden Seiten dann wieder sterben mussten, war gar nicht auszudenken.

Angie lächelte etwas verzerrt, während sie sich noch immer die Gelenke rieb.

»Ich dachte, du wärst verloren, Lassiter«, sagte sie. »Die zwei hatten ihre Falle so teuflisch aufgebaut, dass du eigentlich keine Chance mehr haben konntest.«

Er zuckte die Schultern. »Ich hatte Glück, Angie.«

»Und die zwei?«

»Ich hätte sie lieber lebend gehabt.«

Mehr sagte er nicht zu diesem Thema, aber Angie wusste, was gemeint war. Sie war hier im Grenzland aufgewachsen und kannte die unerbittliche Härte, mit der überall gekämpft wurde.

Sie wusste auch, dass es nicht anders möglich war, wenn man sich durchsetzen wollte.

Sie deutete kurz zu den beiden Pferden hin.

»Das Geld haben sie in ihren Satteltaschen verstaut«, erklärte sie. »So sicher haben sie sich gefühlt.«

Lassiter grinste leicht. »Wie sind sie eigentlich dahintergekommen, dass ich sie verfolgte?«

»Ganz einfach«, antwortete sie. »Zweimal ist McBride fortgeritten und hat sich bei abgelegenen Postkutschenstationen mit Vorräten eingedeckt. Dabei hat er dann den jeweiligen Stationshalter in ein kurzes Gespräch verwickelt. Auf diese Weise hat er eine Menge erfahren. Zum Beispiel auch, dass eine Horde Cheyenne zusammen mit einem gewissen Lassiter eine Kutsche von Wells Fargo überfallen haben soll. Die beiden Fahrer und vier Passagiere der Kutsche wurden ermordet. Den fünften Passagier haben die Cheyenne entführt. Dieser Lassiter aber wurde von einer Kavallerie-Patrouille geschnappt und nach Camp Sherman gebracht. Dort sollte er vor ein Kriegsgericht gestellt werden, konnte aber auf mysteriöse Weise entkommen. – Eine interessante Story, nicht wahr?«

Nach ihren letzten Worten lachte sie belustigt.

»Und wie konnten sie erfahren, dass ich von diesem Tag an hinter ihnen her war, Angie?«, wollte er wissen.

Wieder lachte sie.

»Ganz einfach«, sagte sie dann gelassen. »Das habe ich ihnen erzählt. Ich habe ihnen die volle Wahrheit gesagt. Dass du ein alter Freund meines Vaters bist und dass sie sich jetzt auf einiges gefasst machen könnten. – Sie schienen dich zu kennen und wurden verteufelt unsicher. – Kannten sie dich von früher, Lassiter?«

Er nickte grimmig. »Wir sind vor ein paar Jahren mal aneinandergeraten. Damals ritten sie zusammen mit drei anderen Burschen. In Wyoming hatten sie mich überfallen und mich einfach liegen gelassen, weil sie mich für tot hielten. Ich hatte keine Waffen, kein Geld, kein Pferd. Sogar meine Stiefel hatten sie mir genommen. Ich bin ihnen gefolgt, als ich wieder zu mir kam. Barfuß, Angie. Noch am selben Abend habe ich sie eingeholt. Den Rest kannst du dir wohl selbst ausdenken.«

»Ja«, murmelte sie langsam, »das kann ich mir wirklich nur zu gut vorstellen. Jetzt kann ich auch die Unsicherheit der beiden verstehen. Die benahmen sich die letzten zwei Tage, als hätten sie den Teufel persönlich im Genick sitzen. – Wie bist du eigentlich aus Camp Sherman herausgekommen? Ganz offiziell?«

Er schüttelte den Kopf.

»Dein Vater hat es so arrangiert. Aber es sah verdammt echt aus. Ein paar von den Jungs hatten am nächsten Tag Beulen am Kopf.«

»Wer war sonst noch eingeweiht?«

»Nur Sergeant Stanley Custer. Aber auf den kann man sich ja hundertprozentig verlassen. Der würde nicht einmal am Marterpfahl was verraten. Na, du kennst ihn ja selbst.«

Sie nickte kurz. Dann sah sie ihn fragend an.

»Was jetzt, Lassiter? Wir sollten zusehen, dass wir wegkommen von hier«, meinte sie. »Soviel ich weiß, befinden wir uns im Indianergebiet. Die Schüsse vorhin waren sehr weit zu hören. Vielleicht ist schon ein Rudel Cheyenne oder Sioux unterwegs, um nachzusehen.«

»Sie sind schon da«, sagte Lassiter trocken. »Bleib ganz ruhig, Angie. Kampf oder Flucht wäre völlig sinnlos. Sie haben uns umzingelt. Es sind mindestens fünfzehn Mann. Ihr Anführer ist Hawk Man. Ich kenne ihn von früher. Er trägt den Namen ›Falkenmann‹, weil er ein unheimlich schneller Bursche ist.«

Angie gab sich Mühe, ihre Furcht zu unterdrücken. Aber ihre Stimme klang heiser, als sie fragte: »Was mag er vorhaben?«

Lassiter zuckte die Schultern. »Er ist verdammt unberechenbar. Er gehört zu den Typen, bei denen man nie weiß, was im nächsten Augenblick geschehen könnte. Vielleicht will er sich meinen Skalp an den Gürtel hängen. Wir müssen es abwarten.«

Die Indianer kamen langsam näher. Sie hatten die ganze Senke eingekreist, und die meisten von ihnen waren mit Gewehren bewaffnet. Nackte Oberkörper glänzten im Sonnenlicht, Adlerfedern wippten in schwarzem, strähnigen Haar. Die Bewegungen der Krieger waren geschmeidig wie das Gleiten schleichender Pumas. Kaum ein Geräusch war zu hören, als sie ihren Kreis um Lassiter und das Mädchen immer enger schlossen.

Zwei Schritte vor Lassiter blieb Hawk Man stehen. Sie sahen sich eine Weile schweigend an. Schließlich grinste »Falkenmann« ein wenig und deutete kurz auf Angie.

»Sie gefällt mir, Iron Head. Vielleicht werde ich sie mitnehmen und zu meiner Squaw machen.«

Lassiter grinste ebenfalls.

»Ja, Hawk Man«, sagte er lässig. »Warum eigentlich nicht. Sie ist ja wirklich eine sehr hübsche Squaw. Ich kann verstehen, dass du sie haben möchtest. Und ich habe nicht die Absicht, einem großen Krieger wie dir einen Wunsch abzuschlagen.«

Er sagte es völlig ruhig, und in seiner Stimme war nicht der geringste Spott.

Trotzdem wurde das Gesicht des Häuptlings finster. Ihm schienen die Worte Lassiters nicht im Geringsten zu gefallen. Er fühlte sich von dem großen Mann herausgefordert.

»Du sprichst nicht die Wahrheit, Iron Head«, sagte er knurrend. »Das Mädchen bedeutet dir sehr viel. Wir haben einen toten Mann gefunden. Und an den Spuren haben wir erkannt, dass ein zweiter Mann im Fluss erschossen worden ist. Ich weiß alles, Iron Head. Du hast für die Tochter des großen Häuptlings aus Camp Sherman dein Leben riskiert. Du warst bereit, für sie zu sterben. Deshalb glaube ich dir nicht, dass du sie jetzt ohne Gegenwehr hergeben willst. – Habe ich recht, Lassiter?«

Hawk Man sprach ein einwandfreies Englisch. Lassiter wusste, dass der Cheyenne-Häuptling als Junge eine Missionsschule besucht hatte und lesen und schreiben konnte. Er gehörte zu den sogenannten »gebildeten Indianern«. Diese Tatsache hob ihn deutlich von den anderen ab.

Und mit seinen Worten hatte er bewiesen, dass er Lassiter durchschaute.

Gleichzeitig aber ließ er durchblicken, dass er in Wirklichkeit etwas Bestimmtes von Lassiter wollte. Es passte nicht in seine Pläne, wenn Lassiter so bereitwillig das Mädchen opfern wollte. Lassiter nickte langsam.

»Und was willst du von mir, Falkenmann?«, fragte er. »Unter welchen Bedingungen willst du mir die Tochter des Colonels wiedergeben?«

Der Häuptling lächelte zufrieden.

»Ich habe gewusst, dass du ein kluger Mann bist, Iron Head Lassiter«, sagte er. »Du begreifst sehr schnell, ohne dass man viele Worte verlieren muss wie bei den meisten anderen Bleichgesichtern. – Kennst du die Stadt Buffalo Gap?«

»Ich habe davon gehört«, antwortete Lassiter. »Es ist eine kleine Ansiedlung, die von Büffeljägern gegründet worden ist. Ich selbst bin noch nie dort gewesen.«

Falkenmann wies mit dem ausgestreckten Arm nach Westen.