Lassiter Sonder-Edition 75 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 75 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Lassiter hatte schon vor mehr als einer halben Stunde die Schüsse gehört, und er ahnte, was geschehen war. Seine Ahnung wurde zur Gewissheit, als zwischen den staubigen, karg bewachsenen Hügeln eine Rauchwolke in den Himmel stieg und wenig später die ersten kreisenden Punkte im weiten Blau zu sehen waren. Ein paar Meilen weiter voraus mussten wieder einmal Apachen zugeschlagen haben. Die Roten waren zwar "befriedet", wie man das in der allgemeinen Amtssprache nannte, aber es kam immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen. Die Zeit hatte noch längst nicht alle Wunden geheilt. Der große Mann beeilte sich nicht. Er würde ja doch zu spät kommen, das stand fest. Apachen pflegten immer ganze Arbeit zu machen. Und wenn Lassiter nicht aufpasste, konnte auch sein Skalp schon bald am Gürtel eines roten Kriegers hängen.

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Seitenzahl: 182

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

DIE GOLDKATZE

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

Vorschau

Impressum

DIE GOLDKATZE

von Jack Slade

Lassiter hatte schon vor mehr als einer halben Stunde die Schüsse gehört, und er ahnte, was geschehen war. Seine Ahnung wurde zur Gewissheit, als zwischen den staubigen, karg bewachsenen Hügeln eine Rauchwolke in den Himmel stieg und wenig später die ersten kreisenden Punkte im weiten Blau zu sehen waren. Ein paar Meilen weiter voraus mussten wieder einmal Apachen zugeschlagen haben. Die Roten waren zwar »befriedet«, wie man das in der allgemeinen Amtssprache nannte, aber es kam immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen. Die Zeit hatte noch längst nicht alle Wunden geheilt.

Der große Mann beeilte sich nicht. Er würde ja doch zu spät kommen, das stand fest. Apachen pflegten immer ganze Arbeit zu machen. Und wenn Lassiter nicht aufpasste, konnte auch sein Skalp schon bald am Gürtel eines roten Kriegers hängen.

Trotzdem ritt er in ziemlich gerader Linie auf die Stelle zu, wo die Rauchwolke zu sehen war. Er hätte einen Bogen schlagen können, um sich in Sicherheit zu bringen, aber das entsprach nicht seiner Art. Lassiter war eben anders. Er liebte es, immer das Gegenteil von dem zu tun, was man allgemein von einem Mann erwartete.

Er stutzte kurz, als er dann den Schrei hörte. Es war ein wilder, zorniger Schrei, der ebenso jäh abbrach, wie er aufgebrandet war. Und es war die Stimme einer Frau gewesen.

Fast gelassen ritt der große Mann weiter durch die Senke und dann den gegenüberliegenden Hang hinauf. Vorerst brauchte er nicht zu befürchten, dass man auf ihn aufmerksam wurde, denn der Staub schluckte den Hufschlag seines großen grauen Wüstenpferdes.

Auf halber Höhe des Hanges saß er ab. Es war eine von dürren Greasewoodsträuchern bewachsene Stelle, wo er den Grauen zurückließ. Mit dem Gewehr in der Hand glitt er weiter den Hang hinauf.

Wenig später befand er sich auf der Kuppe und blickte in die nächste Senke hinab. Er sah die qualmenden Trümmer eines niedergebrannten Blockhauses im Schatten von drei knorrigen Sykomoren. Durch das sonnenverbrannte Gras inmitten der Senke schlängelte sich ein ausgetrockneter Bachlauf. Die Flügel eines niedrigen Windrades reckten sich wie Totenfinger in die heiße Luft des Nachmittags.

Aber das alles nahm Lassiter nur am Rande wahr. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Indianer, die sich in der Nähe der qualmenden Trümmer aufhielten.

Es waren Apachen. Sechs Krieger mit nackten, fettglänzenden Oberkörpern und fransenbesetzten ledernen Leggins. Schwarzes Haar fiel auf muskulöse Schultern herab. Adlerfedern wippten, wenn sich die Apachen bewegten und gestikulierend aufeinander einsprachen.

Etwas abseits lagen fünf reglose Gestalten. Drei Apachen und zwei weiße Männer. Ein verdammt hoher Blutzoll für eine erbärmliche Hütte, dachte Lassiter. Das konnte nur bedeuten, dass hier mehr auf dem Spiel stand. Auch Apachen gingen in ihrem Hass nicht so weit, dass sie nur für solch einen relativ billigen Triumph das Leben riskierten. Sie hätten die beiden Männer in der Hütte auch auf andere Art erledigen können. Es gehörte zu ihren Eigenschaften, sich viel Zeit zu lassen, wenn es sein musste.

Diesmal hatten sie schnell und offen angegriffen, und das war eigentlich nicht ihre Art.

Aus welchem Grunde hatten sie es so eilig gehabt?

Jetzt hörte Lassiter wieder den Schrei der Frau. Er konnte sie noch immer nicht sehen. Die Apachen verdeckten sie. Wahrscheinlich lag sie zwischen ihnen und war gefesselt.

Einer der Apachen beugte sich hinab, und der Schrei der Frau verstummte abrupt.

Lassiter hielt sich noch zurück. Er war sich noch nicht ganz klar darüber, wie er sich verhalten sollte. Natürlich hätte er jetzt sofort und aus dem Hinterhalt angreifen können. Er war ein unheimlich schneller und sicherer Schütze, und er hätte alle sechs Indianer von den Beinen fegen können, bevor der erste von ihnen überhaupt in der Lage war, sein veraltetes Gewehr in Anschlag zu bringen.

Aber es w r nicht Lassiters Art, so zu kämpfen. Er verabscheute den Hinterhalt. Wenn es eben möglich war, hatte er seinen Gegner noch immer offen gestellt. Auge in Auge, das war Lassiters Kampfstil.

Er wunderte sich, warum die Apachen noch nicht angefangen hatten, ihre Gefangene zu vergewaltigen.

Was hatten sie mit ihr vor?

Für Lassiter gab es nur eine bestimmte Antwort auf diese Frage: Die Roten wollten etwas von der Frau wissen.

Der Apache, der sich über sie gebeugt hatte, riss sie jetzt hoch. Die anderen Rothäute traten etwas zur Seite, und Lassiter sah sie zum ersten Mal. Auf rund hundertfünfzig Schritt Entfernung konnte er natürlich keine Einzelheiten erkennen, aber es gab für ihn keinen Zweifel, dass es sich um eine schöne Frau handelte.

Sie trug eine helle Bluse und hatte schwarzes Haar, das lang auf ihre Schultern fiel. Eine knappsitzende Reithose spannte sich um ihre Hüften.

Der Apache hatte ihr die Arme auf den Rücken gedreht und trieb sie vor sich her auf einen der Bäume zu.

»Lasst mich!«, schrie die Frau. »Ihr verdammten Schufte, ihr sollt ...«

Der Rest ging in einem Wimmern unter. Ihr Körper machte eine sonderbare Verrenkung, dann sank sie in die Knie, und der Indianer versetzte ihr einen Fußtritt.

Die anderen lachten belustigt, als sie zu kriechen begann. Auf den Baum zu. Wenn sie eine Pause einlegen wollte, versetzte ihr der Apache einen erneuten Fußtritt.

Sie gehorchte und wagte nicht, sich wieder aufzurichten. Kurz vor dem Baum bellte der Apache ihr einen kurzen Befehl zu, und sie sank in sich zusammen und blieb zusammengekauert liegen.

Der Apache beugte sich über sie und packte mit der linken Hand in ihr volles Haar. Mit einem brutalen Ruck zerrte er sie hoch. Sie schrie. In der Rechten des Indianers blitzte ein Messer.

Zum Teufel! Wollte er sie etwa bei lebendigem Leibe skalpieren? Es sah jedenfalls ganz danach aus.

Lassiter setzte sich in Bewegung. Niemand bemerkte ihn, als er mit großen Schritten den staubigen Hang herunterkam.

Gerade setzte der Apache die Spitze seines großen Messers an die Kehle der Frau. Ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen. Sie öffnete den Mund, aber kein Laut drang über die zitternden Lippen.

Der Apache war ein großer, muskulöser Bursche, für einen Indianer dieses Stammes ausgesprochen hochgewachsen. In seiner ganzen Art erinnerte er mehr an einen Sioux oder Cheyenne der nördlichen Prärien.

Er sagte etwas zu der Gefangenen, aber Lassiter konnte die Worte noch immer nicht verstehen, da er zu weit entfernt war.

»Nein!«, schrie die Frau gellend. »Ich weiß von nichts. Ich kann es dir nicht verraten. Lasst mich doch endlich in Frieden!«

»In Frieden?«, rief der große Apache kehlig, und die anderen lachten höhnisch. »Natürlich lassen wir dich in Frieden. Aber erst dann, wenn wir mit dir fertig sind.«

Die Blicke der Frau irrten an ihm und den anderen vorbei und entdeckten plötzlich Lassiter. Ihre Augen weiteten sich noch mehr. Ungläubiges Staunen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, gemischt mit einer Spur verzweifelter Hoffnung.

Lassiter war noch gut zwanzig Schritt von der Gruppe entfernt.

Die Apachen witterten die Gefahr und wirbelten herum. Sie rissen ihre alten, meist einschüssigen Gewehre hoch und wollten feuern. Sie kamen nicht dazu.

Der große Mann stand lässig da, die Winchester im Hüftanschlag. Zwei Schüsse peitschten so blitzschnell hintereinander auf, dass sie fast wie einer klangen.

Dann war es still.

Der große Apache, der die Frau – oder war es ein Mädchen? – in seiner Gewalt hatte, hielt weiterhin die Klinge an der Kehle der Gefangenen. Über die Schulter hinweg blickte er auf Lassiter.

Zwei der Apachenkrieger hielten ihre Gewehre nicht mehr in den Händen. Die Männer waren verwundet und standen schwankend da. Lassiters Angriff war so blitzartig über sie hereingebrochen, dass die anderen es vorzogen, sich ebenfalls ruhig zu verhalten.

Für Lassiter war es ein erneuter Beweis dafür, dass es sich hier um keine kriegs- und mordlüsterne Horde handelte, sondern um Männer, die ein bestimmtes Ziel vor Augen hatten.

Er sah dem hochgewachsenen Anführer in die Augen.

»Lass sie frei!«

Der große Apache zögerte. Sein Blick strahlte tiefe Ruhe und Klugheit aus. Es war einer der ungewöhnlichsten Indianer, denen Lassiter je begegnet war.

»Ich kann sie töten«, sagte er schließlich in seinem kehligen Englisch.

Lassiter zeigte ihm ein verächtliches Grinsen.

»Das wäre dein Pech, Häuptling. Dann müsste ich dich töten. Dich und deine Krieger.«

Einer der Apachen wandte sich dem Häuptling zu und rief in ihrer Stammessprache: »Ich kenne ihn. Es ist Großer Donnervogel.«

Er hatte recht. Bei einem Stamm der Jicarillas war Lassiter vor Jahren so genannt worden. Aber das war schon so lange her, dass er es fast vergessen hatte.

Der Häuptling wurde nachdenklich. Man sah es nur seinen dunklen Augen an, nicht der nach wie vor unbewegten Miene.

»Du hast es gehört«, sagte Lassiter auf Apache. »Ich könnte euch alle töten.«

»Und die Frau?«, fragte der große Apache.

»Wenn es um mein eigenes Leben geht, kann ich auf niemanden Rücksicht nehmen«, gab Lassiter zurück. »Wer ist diese Frau? Was wollt ihr von ihr? Seit wann kämpfen tapfere Krieger gegen eine Wehrlose?«

Der Häuptling lächelte plötzlich. Es gab keinen Zweifel, dass er Lassiter durchschaut hatte.

»Ich glaube dir nicht ganz, was du eben gesagt hast«, murmelte er. »Du würdest diese Frau nicht einfach opfern, Großer Donnervogel. Sie ist viel zu schön, um getötet zu werden.«

Lassiter spürte Ärger in sich aufsteigen. Dieser Apache war noch klüger, als er anfangs angenommen hatte.

»Du kannst glauben, was du willst, Apache«, sagte er hart. »Versuch es nur! Meine Kugel wird in deinem Kopf stecken, bevor du der Frau die Kehle durchschneiden kannst.«

»Was redet ihr da?«, rief die Frau heiser. »Mein Gott, Fremder, was haben Sie vor?«

»Es geht um dein Leben«, sagte Lassiter trocken. »Entweder gibt er dich frei, oder es kommt zum Kampf. Und dann wird es Tote geben.«

»Und ich? Was geschieht mit mir?«

Lassiter zuckte die Schultern. Es war eine scheinbar gleichmütige Geste. Niemand konnte ihm ansehen, wie ihm in Wirklichkeit zumute war. Er wollte diese Frau nicht opfern, wollte ihr Leben nicht einmal gefährden.

Aber wie würde dieser große Apache reagieren? Besaß er genug Kaltblütigkeit, um seine Lage richtig einzuschätzen? Oder gehörte er zu den heißblütigen Kriegern, die lieber ihr Leben hergaben als eine Niederlage einzugestehen? Eine Niederlage, die ihn sehr wahrscheinlich dem Gespött des ganzen Stammes aussetzen würde.

»Mister!«, rief die Frau. »So antworten Sie doch!«

Lassiter grinste.

»Frag ihn, Lady!«, sagte er lässig. »Dein Leben hängt einzig und allein von ihm ab. Ich habe alles getan, was ich tun konnte.«

Der große Apache reagierte plötzlich so, wie Lassiter es nicht mehr erwartet hatte. Er nahm die Klinge vom Hals der Frau und trat einen Schritt zurück.

»En-ju, Donnervogel. Du hast gewonnen. Nimm sie mit. Sie gehört dir.«

Die Frau setzte sich in Bewegung und kam taumelnd auf Lassiter zu.

»Bleib, wo du bist!«, fuhr Lassiter sie an. »Erst muss hier noch einiges klargestellt werden.«

Sie blieb stehen, sah ihn erstaunt an.

Der große Apachenführer grinste.

»Du bist klug, Donnervogel. Du denkst an alles. Aber du hast heute nichts mehr zu befürchten. Nicht durch mich und meine Krieger. Wir haben ein Abkommen geschlossen, denke ich. – Warum seid ihr Weißen nur immer so misstrauisch! Ich kann es dir sagen, Donnervogel. Ihr traut keinem anderen Menschen, weil ihr eurem eigenen Wort nicht traut. Das ist es. – Aber mir kannst du glauben, weißer Mann. Black Hawk hat sein Wort bis heute noch nie gebrochen.«

Er sagte es voller Stolz, und Lassiter senkte die Winchester. Er war gewillt, Black Hawk Glauben zu schenken, trotzdem war er noch immer von einem unbestimmten Misstrauen erfüllt.

Der große Apache sah Lassiter starr in die Augen und hob fast majestätisch die Hand.

»Ich reite jetzt mit meinen Kriegern, Donnervogel«, sagte er. »Aber wir werden uns wiedersehen. Ich weiß es genau.«

Nach diesen Worten wandte er sich ab. Fünf Minuten später verließ er mit seinen Kriegern das Tal. Die drei Toten lagen schlaff über den Rücken der ungesattelten Ponys.

Die Frau kam auf Lassiter zu und blieb vor ihm stehen. In ihren großen Augen lag der Ausdruck ungläubigen Staunens.

»Ich verstehe das alles nicht!«, stieß sie aufgeregt hervor. »Sechs blutrünstige Teufel kneifen vor einem einzigen Mann. So etwas habe ich noch nie erlebt. Diese Hundesöhne schienen großen Respekt vor Ihnen zu haben. – Wie kommt das, Mister? Sie haben mit den Rothäuten in ihrer eigenen Sprache gesprochen. War es etwas, was ich nicht hören sollte? – Wer sind Sie überhaupt? – Wie kommen Sie hierher?«

Ihre Nähe war verführerisch. Sie hatte eine faszinierende Ausstrahlung, aber die vielen aufgeregten Fragen gingen Lassiter reichlich auf die Nerven.

Trotzdem sagte er mit grimmiger Ruhe: »Ich bin Lassiter. – Und du?«

»Rhonda Muggins«, antwortete sie verlegen. »Tut mir leid, Lassiter. Aber die verdammte Aufregung ... Sie werden das verstehen.«

»Und die beiden da?« Er blickte zu den Toten hinüber. »War einer von ihnen dein Mann?«

»Nein, wir waren auf dem Durchritt. Von Lordsburg her. Unser Ziel war Paradise. Soll ein kleines Nest in den Chiricahua-Bergen sein. – Wirst du mich dorthin bringen, Lassiter?«

Sie war von einer Minute zur anderen nicht mehr aufgeregt. Ihre Stimme klang kühl, geschäftsmäßig und irgendwie berechnend. In Lassiter stieg ein warnendes Gefühl auf, aber als er die Frau wieder ansah, waren seine Bedenken mit einem Schlage wie weggefegt.

Es war immer so bei ihm. Frauen waren seine große Schwäche. Der einzige Punkt, an dem man ihn treffen konnte. Doch zum Glück wussten das nur sehr wenige Menschen.

»Warte hier, Rhonda«, murmelte er. »Ich will mein Pferd holen. Es steht drüben hinter dem Kamm.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte er los. Rhonda Muggins lief hinter ihm her.

»Warte, Lassiter! Hier bleibe ich keine einzige Minute mehr allein!«, rief sie und war im nächsten Augenblick an seiner Seite.

»Wie du willst«, brummte er. »Aber von Black Hawk hast du heute wirklich nichts mehr zu befürchten. Oder traust du ihm nicht?«

»Ich weiß nicht. Ich ...«

»Was wollten die Apachen eigentlich von euch?«, fragte er beiläufig. »Warum haben sie euch angegriffen?«

»Ich hab nicht die geringste Ahnung«, sagte sie hastig. »Wir sahen die Hütte und wollten ohnehin eine Rast einlegen. Es war ja Mittag und ganz verteufelt heiß. Wir brauchten Wasser und einen schattigen Platz. Plötzlich waren dann diese roten Teufel da. Wir konnten uns noch mit knapper Not in die Hütte zurückziehen. Aber das hat uns auch nichts genützt, wie du gesehen hast.«

»War der Bau unbewohnt?«

»Ja, natürlich. Alles war in Unordnung und voller Staub. Keine Spur von einer Menschenseele.«

Jetzt wusste Lassiter endgültig, dass sie das Blaue vom Himmel log. Hätte sie ihm erzählt, dass noch andere Männer in der Hütte gewesen wären, so hätte er ihr noch einigermaßen Glauben schenken können.

»Und sie haben euch einfach angegriffen?«, fragte er sachlich. »Ohne Vorwarnung. Ohne irgendwelche Forderungen an euch zu stellen?«

Sie nickte eilfertig. »Ja, so war es. Einfach so angegriffen haben sie uns, diese verdammten rotäugigen Halunken.«

»Ja«, murmelte Lassiter versonnen. »Das kommt immer wieder vor. Sie können ihren Hass einfach nicht vergessen.«

In Wirklichkeit interessierte ihn noch eine ganze Reihe von Fragen. Aber er wusste, dass es zwecklos sein würde, auch nur eine zu stellen. Diese Frau würde nur das sagen, was sie sagen wollte.

In Lassiter war das Interesse geweckt. Er dachte zurück an die letzten Worte des Häuptlings Black Hawk und ahnte, dass er wieder einmal seinen Fuß auf eine Pulverladung gestellt hatte, die irgendwann in die Luft gehen würde.

Trotzdem würde er den Fuß nicht zurückziehen. In dieser Beziehung war er wie ein Tiger oder ein anderes Raubtier. Wenn er einmal eine bestimmte Witterung in die Nase bekommen hatte, musste er ihr auch folgen.

Er spürte, wie Rhonda ihn ein paar Mal nachdenklich von der Seite betrachtete. Sie schritten den jenseitigen Hang hinab auf das Pferd zu.

»Lassiter«, murmelte sie nachdenklich, als sie bei dem grauen Wallach angelangt waren. »Allmählich dämmert mir was. Irgendwo muss ich deinen Namen schon gehört haben.«

»Das ist nicht ausgeschlossen«, sagte er lässig.

»Nicht nur beiläufig«, sagte sie drängend. »In einem ganz bestimmten Zusammenhang, meine ich. – Ah, jetzt erinnere ich mich. – Wells Fargo! Stimmt's, Lassiter? Du bist der Mann, der so viel Ärger mit Wells Fargo hatte. Sag mir ruhig die Wahrheit!«

Er nahm die Zügel des Grauen auf und führte ihn den Hang hoch. Sie setzte sich wieder an seine Seite.

»Lassiter! Traust du mir nicht?«

»Ich erinnere mich nicht gern an unangenehme Geschichten.«

Er sah sie nicht an, aber er spürte, wie sie lächelte.

»Also gut, sprechen wir nicht mehr darüber.«

Schweigend überquerten sie den Höhenkamm und stiegen wieder in die Senke hinab. Die Aasgeier kreisten schon niedriger. An der hölzernen Wasserrinne vor dem Windrad standen die Pferde, mit denen Rhonda und ihre beiden Begleiter gekommen waren.

Lassiter dachte über die schöne Frau nach, aber er kam zu keinem Ergebnis. Sie verfolgte eine bestimmte Absicht. Aber was für eine? Aus welchem Grunde war sie wirklich mit den beiden Männern, die jetzt tot waren, in die Berge geritten?

Und aus welchem Grunde waren sie von den Apachen angegriffen worden?

Das alles sah nicht nach einem der üblichen Überfälle aus. Es schien Lassiter eher, als wären die drei von den Indianern verfolgt worden. Sie hatten dann in dieser verlassenen Hütte eine kurze Zuflucht gefunden und waren schließlich überwältigt worden.

Black Hawk, der große Apache, war alles andere als ein Dummkopf. Er war ein ausgesprochen kaltblütiger und berechnender Bursche, und wieder musste Lassiter an die letzten Worte des Häuptlings denken: »Wir werden uns wiedersehen. Ich weiß es genau.«

Sie erreichten die niedergebrannte Hütte. Die Balkentrümmer schwelten und glühten. Hier und da prasselten Flammen auf. Lassiter ging zu den beiden Toten und schleppte sie nacheinander in eine Mulde inmitten von Steinen und Dornengestrüpp. Ihre Taschen brauchte er nicht erst zu durchsuchen, dafür hatten schon die Apachen gesorgt.

Rhonda Muggins war ihm gefolgt.

»Dass du das tust«, murmelte sie.

»Du kannst mir helfen!«, knurrte er unfreundlich. »Los, wir decken sie mit Steinen zu. Das ist alles, was wir für sie tun können.«

Sie arbeiteten schweigend und deckten die Toten mit Steinen zu. Dann gingen sie zum Windrad, wo die Pferde mit hängenden Köpfen vor der ausgetrockneten Holzrinne standen.

»Wirst du mich nach Paradise bringen?«, fragte Rhonda leise.

Er grinste.

»Ich habe noch nie eine schöne Frau im Stich gelassen, Rhonda.«

Sie stand einen halben Schritt von ihm entfernt, und er spürte, wie das Verlangen plötzlich in ihm aufstieg.

Rhonda bemerkte es und lächelte spöttisch.

»Ich bin dafür, dass wir reiten, Lassiter. An diesem Ort möchte ich nicht länger bleiben.«

Lassiter beherrschte sich und ließ sich seinen Ärger nicht anmerken.

Ein paar Minuten später ritten sie los. Die beiden Sattelpferde von Rhondas toten Begleitern trotteten hinter ihnen her.

»Eins wundert mich an dir ganz besonders«, sagte sie. »So?«

»Du stellst keine Fragen, Lassiter. Bist du eigentlich überhaupt nicht neugierig? Möchtest du nicht wissen, was ich in Paradise will?«

Er zuckte gleichmütig die Schultern.

»Wozu? In diesem Land gewöhnt man sich neugierige Fragen verdammt schnell ab. Jeder soll seine eigenen Wege gehen. Ich bin unterwegs nach Norden. In Paradise werde ich mich nicht länger aufhalten als nötig.«

»Und wenn ich dich darum bitten würde?«, fragte sie lockend.

Wieder verspürte er den Hauch einer gefährlichen Kälte, die von dieser geheimnisvollen, undurchschaubaren Frau ausging. Aber vielleicht war gerade das es, was ihn reizte.

»Es gibt genug andere Männer, die sich für eine Frau von deiner Art in Stücke reißen lassen«, sagte er. »Du kannst an jedem Finger zehn haben, wenn du willst.«

»Ja, wenn ich will«, sagte sie versonnen. »Aber ich glaube, dass du der einzig Richtige für mich bist. Nach allem, was ich bisher erlebt habe. Ich könnte dir ein gutes Angebot machen, Lassiter. Oder hast du kein Geld nötig?«

»Ich kann mir helfen«, gab er zurück, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach. In Wirklichkeit war er ziemlich abgerissen, was seine Barschaft anbetraf. Aber er wollte sie reizen, herausfordern. Sie sollte endlich ihre Karten auf den Tisch legen.

Aber sie spielte ihre eigene Rolle. Es war, als hätte sie seine Gedanken längst durchschaut.

»Also gut«, meinte sie. »Dann muss ich mir eben einen anderen Mann suchen. Ich kann niemanden zu seinem Glück zwingen.«

»Glück?«, murmelte Lassiter grinsend.

Sie lachte spöttisch auf.

»Du bist ein kluger Bursche, Lassiter. Und immer wieder versuchst du es, was von mir zu erfahren. Aber aus mir kriegst du nichts raus. Verlass dich drauf.«

Er verzog keine Miene.

»Ich habe von Anfang an gewusst, dass du ein eiskaltes Biest bist«, murmelte er. »Wahrscheinlich ist es ein Glück für mich, dass ich nicht auf dein Angebot eingegangen bin.«

»Kalt?«, rief sie lachend. »Eiskalt, Lassiter? Du wirst dich noch wundern, mein Lieber, mächtig wundern.«

»Abwarten«, sagte er lässig. »Mich fängst du auf jeden Fall nicht in deinem Netz.«

»Die Absicht habe ich auch nicht.«

Lassiter schwieg. Sein Ärger wuchs. Am liebsten hätte er die verdammte Katze gepackt und sie übers Knie gelegt. Aber das würde ihn auch nicht weiterbringen.

Es blieb ihm nichts anderes übrig, als einfach abzuwarten. Er war zwar neugierig geworden. Andererseits sagte er sich, dass ihn die ganze Geschichte einen Dreck anging.

Vielleicht würde er tatsächlich nicht länger als eben nötig in Paradise bleiben. Falls sie überhaupt dort ankamen.

II

Am nächsten Vormittag sahen sie die kleine Stadt von einem Höhenzug aus unter sich liegen. Paradise war eine Art Zentralpunkt in einem weiten Tal, das weit im Norden von einem mächtigen Gebirgswall abgegrenzt wurde. Das gelbe Band des Überlandweges führte von Westen auf die Stadt zu und verlor sich ostwärts in der scheinbar unendlichen Weite der kargen, sanft gewellten Ebene. Andere Reit- und Fahrwege stießen von den übrigen Seiten sternförmig auf Paradise zu, man konnte es von hier oben deutlich überblicken.

Die beiden hatten ihre Pferde gezügelt. Eine Weile blickten sie schweigend hinunter, bis Rhonda schließlich erleichtert den Atem ausstieß und leise sagte: »Paradise. Endlich sind wir am Ziel.«

Lassiter grinste unwillkürlich. Paradise!