Lassiter Sonder-Edition 80 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 80 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Sartonas grinste wie ein Teufel. Dann deutete er auf die halbnackte Apache-Squaw. "Sie wird meine Sklavin sein, Lassiter", sagte er. "Und wenn ich sie satt habe, überlasse ich sie meinen Männern." Das waren verdammt harte Worte, und Lassiter war klar, dass Sartonas nicht bluffte. Aber auch die Indianerin wusste das. "Lassiter", flüsterte sie, "egal, was er mit mir macht, denk nicht an mich. Kämpfe und töte ihn!"

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Seitenzahl: 177

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Inhalt

LASSITER UND DIE SANFTE SQUAW

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

Vorschau

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Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

LASSITER UND DIE SANFTE SQUAW

von Jack Slade

Es gab für Lassiter keine Möglichkeit zur Umkehr. Der Canyon war schmal, und der große Mann sah sofort, dass ihn die vier Reiter nicht passieren lassen würden, die da so plötzlich aufgetaucht waren. Natürlich könnte er sein Pferd herumreißen und in die Richtung zurückreiten, aus der er gekommen war, aber das würde ihn nur vom Regen in die Traufe bringen.

Denn hinter ihm war ein Rudel von Verfolgern, an die zwanzig Mann, und gegen diese Übermacht würde er erst recht keine Chance haben.

Er zügelte sein Pferd und ließ die vier Männer näher kommen. Ihre Gewehre steckten in den Scabbards, und ihre Revolver hingen in den tiefgeschnallten Holstern. Sie schienen also keineswegs in feindlicher Absicht zu kommen und es nicht auf Lassiter abgesehen zu haben.

Der große Mann wusste, dass es anders war.

Er kannte den Anführer der vier Männer. Das war ein hagerer, falkengesichtiger Mann. Der Kolben seines Revolvers hatte mehr als ein Dutzend Kerben, und das sagte schon genug.

Sein Name war Abe MacDonald, und er gehörte zu der Sorte, die weder Tod noch Teufel fürchtete.

Er grinste breit, als er sein Pferd zügelte. In schleppendem Texaner-Slang sagte er: »Hi, Lassiter! Das wär's dann also. Und wie möchtest du es haben?«

Lassiter grinste ebenfalls. Es war nicht seine Art, sich durch herausfordernde Sprüche einschüchtern zu lassen, und das zeigte er auch jetzt klar und deutlich.

»Wie viel zahlt denn Wells Fargo für meinen Skalp, MacDonald?«, fragte er gelassen. »Lohnt es sich, dafür zu sterben?«

MacDonald nahm eine gespannte Haltung an. Die Worte schienen ihm nicht zu gefallen.

»Sterben wird nur einer, Lassiter«, sagte er verächtlich. »Und auf dem Grabkreuz wird dein Name stehen.«

Nachdem er das gesagt hatte, schnappte seine Hand nach dem Revolver. Es war die linke Hand, obwohl der Revolver auf der rechten Seite hing. MacDonald gehörte zu den wenigen Männern, die es verstanden, auf diese Art unheimlich schnell und überraschend zu ziehen. Das war schon manchem Gegner zum Verhängnis geworden, denn normalerweise konzentrierte man ja seine Aufmerksamkeit auf die rechte Hand eines Gegners, wenn dieser seine Waffe auf der entsprechenden Seite trug.

Lassiter ließ sich nicht überraschen.

Er kannte Abe MacDonald schon lange, und er hatte verdammt viel von diesem Revolverwolf gehört.

Die Schüsse fielen schnell hintereinander. Lassiter hatte sich bereits seitwärts aus dem Sattel geworfen und war geschmeidig wie eine Katze auf der harten Canyonsohle gelandet.

Von unten her feuerte er. Er hatte die Winchester in den Fäusten. Beim Sturz aus dem Sattel hatte er das Gewehr aus dem Scabbard gerissen, und das erwies sich als großer Vorteil.

Mit der Winchester konnte er immerhin fünfzehnmal schießen, mit dem Colt nur sechsmal.

Lassiter war alles andere als ein Revolvermann. Er konnte sich auch sicherlich nicht mit Tigern vom Schlage eines Wild Bill Hickock oder Wyatt Earp messen, aber dafür besaß er andere Qualitäten. Seine hervorragende Eigenschaft war Entschlossenheit. Das bewies er auch in diesem Falle wieder.

Die vier Burschen wurden überrascht wie durch einen Blitz aus heiterem Himmel. Sie zogen zwar alle höllisch schnell, und ein paar Kugeln kamen Lassiter gefährlich nahe.

Dann aber war es vorbei.

Lassiter hatte alle vier aus den Sätteln geholt. Einer war von seinem scheuenden Pferd noch ein Stück mitgeschleift worden, und diesen Mann schien es besonders schlimm erwischt zu haben.

Er schrie wie am Spieß, und sein rechtes Bein hing immer noch verdreht im Steigbügel. Das Bein war in Kniehöhe gebrochen, und der arme Teufel musste furchtbare Schmerzen haben.

Lassiter war bereits aufgesprungen, und er sammelte schnell die Gewehre und Revolver der drei Verwundeten ein, die glimpflicher davongekommen waren als ihr Partner.

Danach kümmerte er sich um den Mann mit dem gebrochenen Bein.

Vorsichtig half ihm Lassiter aus seiner verzweifelten Lage und legte ihn flach auf den Boden.

Das wilde Geschrei ließ nach. Jetzt keuchte der Mann nur noch und sah Lassiter sogar mit einem Zug von Dankbarkeit an.

»Pech für dich«, sagte Lassiter grimmig. »Aber ihr wolltet es ja unbedingt wissen.«

»Zur Hölle mit dir, Lassiter!«, knurrte der Bursche. »Eines Tages bekommen wir dich, und dann kannst du dich auf was gefasst machen.«

Lassiter gab keine Antwort. Er nahm die Waffen des Mannes und schleuderte sie ein Stück weit weg. Dann ging er zu Abe MacDonald. Der Anführer des Rudels hatte eine Kugel in der Schulter stecken. Er sah Lassiter an, als könnte er es noch längst nicht fassen, was da mit ihm geschehen war.

»Woher kommt ihr?«, fragte der große Mann. »Wie seid ihr auf die Idee gekommen, mich ausgerechnet hier abzufangen?«

»Das haben wir uns ausgerechnet«, stöhnte MacDonald. »Du bist doch unterwegs zu Adlervater, habe ich recht? Der alte Apache ist doch ein guter Freund von dir.«

Das stimmte genau. Und Lassiter erschrak. Ein furchtbarer Verdacht keimte in ihm auf.

»Wie habt ihr das erfahren?«, fragte er, und seine Stimme war heiser.

Der verwundete Revolvermann grinste. »Auch ich habe meine Freunde, Lassiter. Und manchmal gibt es Mittel, einen verstockten Burschen zum Sprechen zu bringen.«

»Ihr habt Adlervater gefunden?«

Abe MacDonald nickte mühsam. Die Verletzung machte ihm schwer zu schaffen, und unaufhörlich floss Blut aus der Wunde.

Es stand nicht gut um ihn. Nur mit viel Glück würde er es überstehen. Wenn er rechtzeitig Hilfe bekam.

Lassiter empfand kein Mitleid mit ihm. Er kannte MacDonald zwar nicht besonders gut, aber er hatte schon viel von diesem Mann gehört.

MacDonald war ein schlimmer Bursche. Ein richtiger Teufel. Gnade war ein Wort, das er nicht kannte. Er war gemein und skrupellos. Ein Mensch ohne Gewissensbisse. Er schonte sein eigenes Leben ebenso wenig wie das von anderen.

Lassiters Gedanken waren zu Adlervater gewandert, dem alten Apachen. Adlervater war ein besonderer Mann, kein Häuptling, aber ein Medizinmann. Er lebte in der Einsamkeit der Berge und hatte sich von seinem Stamm zurückgezogen.

Aber er war nicht ganz allein.

Mondschein war bei ihm. Seine Enkelin.

Eine schlimme Ahnung stieg in Lassiter auf, als er in das Gesicht des skrupellosen Banditen starrte.

»Was habt ihr mit ihnen angestellt?«

Abe MacDonald runzelte die Stirn.

»Mit ihnen? Wen meinst du damit?«

Lassiter atmete auf.

Die Schufte schienen also nur einen Menschen in dem Bergversteck des alten Adlers angetroffen zu haben.

Abe MacDonald presste beide Hände auf sein Kugelloch. »Ich sterbe, Lassiter! Hilf mir!«

Lassiter schüttelte den Kopf.

»Du weißt genau, dass mir dazu die Zeit fehlt, MacDonald. Die anderen Hundesöhne von Wells Fargo sind nicht mehr weit. Ich darf keine Zeit mehr verlieren.«

Er wandte sich abrupt ab und ging zu seinem Pferd. Er musste weiter. Für ihn gab es keine andere Wahl.

Er ritt, so schnell er konnte. Die Sorge um Adlervater trieb ihn voran. Zwischendurch dachte er immer wieder an Mondschein, die junge Apachin, die Adlervaters Enkelin war.

Vor einem Jahr hatte er die beiden zum letzten Mal gesehen. Adlervater war schon um die Achtzig gewesen, ein alter Falke, der das Leben in all seinen Höhen und Tiefen kennengelernt hatte. Adlervater war ein weiser Mann, der bei allen Stämmen der Apachen die höchste Achtung genoss.

Vor zwei Jahren hatte Lassiter mit ihm Freundschaft geschlossen. Es war ein Zufall gewesen, dass sie sich kennengelernt hatten. In Lassiters Augen war es eine Fügung des Schicksals. Er glaubte fest daran, dass das Schicksal – oder wie immer man es auch nennen wollte – gewisse Menschen zusammenführte. Irgendwann ergab sich immer wieder ein Sinn daraus. Lassiter hatte es schon oft erlebt.

Lassiter durchquerte einen schmalen Canyon, von dem wieder andere, noch schmalere Canyons abzweigten. Es war ein einziges Labyrinth, in dem man sich nur mit ausgeprägtem Instinkt zurechtfinden konnte. Und natürlich mit Verstand.

Es waren die Chiricahua-Mountains. Immer wieder hielt Lassiter von erhöhten Punkten Ausschau nach den einzelnen Landmarken. Er sah in der Ferne den Boulder Peak und weiter südlich die gezackten Erhebungen der Sierra de San Antonio.

Es waren Punkte, an denen er sich orientieren konnte. Sein Gedächtnis ließ alte Bilder wieder auferstehen. Er sah wieder den Tag, an dem er Adlervater kennengelernt hatte.

Es war für Lassiter, als wäre es gestern gewesen. Der alte Apache lag in seinem Blut. Er war schwer verwundet worden. Drei Comanchenpfeile steckten in seinem Körper, und er wäre elendiglich verblutet, wenn Lassiter nicht gekommen wäre.

Natürlich half Lassiter dem alten Mann, und sehr bald erfuhr er, dass Adlervater in den Augen der Apachen so etwas wie ein Heiliger war. Ein ganz besonderer Mann, der in der Einsamkeit lebte und mit den Göttern Zwiesprache hielt.

Lassiter brachte ihn zu der Hütte, die Adlervater bewohnte. Und er lernte bei dieser Gelegenheit auch Mondschein kennen, ein knapp sechzehnjähriges Mädchen von atemberaubender Schönheit.

Sie trug nicht nur diesen einen Namen.

Man nannte sie auch anders: die sanfte Apachin.

Der Name passte genau.

Sie war ein sanftes, anschmiegsames Mädchen, natürlich in ihrer Anmut. Wer sie sah, musste sie ins Herz schließen.

Lassiter war es so ergangen. Er war sicher, dass er längst mit ihr hätte das Lager teilen können, so sehr hing sie an ihm.

Vielleicht liebte sie ihn sogar, und gerade deshalb hatte Lassiter für den nötigen Abstand zwischen ihm und ihr gesorgt.

Der große Mann wusste, dass er sich beeilen musste. Die Verfolger waren ihm schon dicht auf den Fersen gewesen, als er auf MacDonald und die anderen Revolverschwinger gestoßen war.

Es hatte bestimmt nicht lange gedauert, bis die wilde Meute den Ort des Kampfes erreicht hatte. Und jetzt verdoppelten sie sicherlich ihre Anstrengungen, um ihn einzuholen.

Das graue Pferd war müde. Es schritt nur noch langsam voran, und lange würde es nicht mehr durchhalten.

Es war verdammt viel Pech, was Lassiter wieder einmal in den letzten Tagen gehabt hatte. Es war, als ob das Unglück ihn mit unerbittlicher Hartnäckigkeit verfolge. Das Schicksal wollte ihm offensichtlich keine Ruhe gönnen.

Wieder einmal war er mit Wells Fargo zusammengestoßen. Gegen seinen Willen, und in diesem Falle war er so unschuldig wie ein neugeborenes Baby.

Es war nicht mehr als ein verteufelter Zufall.

Ein Depot von Wells Fargo war überfallen worden. Die Beute betrug fünfzigtausend Dollar, und Lassiter war wieder einmal in der Nähe gewesen.

Für Wells Fargo war das natürlich ein gefundenes Fressen.

Endlich hatte die übermächtige Company wieder einmal Gelegenheit, die alte Fehde neu aufleben zu lassen.

Lassiter und Wells Fargo ...

Es war das blutigste Kapitel in Lassiters Leben.

Damals besaß Lassiter eine eigene Wagenlinie in Colorado. Zusammen mit einem Partner hatte er sich alles aufgebaut. Aber dann war die mächtige Company gekommen. Sie wollte kaufen, aber Lassiter hatte kein Interesse, sein Lebenswerk aufzugeben.

Er sträubte sich gegen den Verkauf.

Er kämpfte weiter bis zuletzt.

Und das Ende kam mit unvermeidlicher Gewalt.

Wells Fargo war einfach zu mächtig. Die Privatarmee der Company arbeitete wieder einmal mit ihren eigenen Methoden. Mit Intrigen, Erpressung, Mord. Zum Schluss fand Lassiter seinen Partner. Er hatte sich das Leben genommen, und es war ein Anblick, den Lassiter niemals vergessen würde.

Außer dem Partner waren noch andere brave Männer ums Leben gekommen. Wells Fargo kannte keine Gnade, wenn es um die eigenen Interessen ging.

Die Tapferen mussten sterben und ließen Witwen und Waisen zurück.

Lassiter aber kämpfte weiter. Er holte sich zurück, was sie ihm genommen hatten. Er überfiel Kutschen und Geldtransporte. Er brach in die Depots von Wells Fargo ein und sprengte ihre Panzerschränke.

Innerhalb weniger Monate holte er das zurück, was ihm seiner Meinung nach zustand. Es war Selbstjustiz, das erkannte er ehrlich, aber er stand zu dem, was er tat. Er gab sich klar zu erkennen, und er versteckte sich kein einziges Mal.

Er war der erbittertste Feind von Wells Fargo, und die besten Agenten wurden auf ihn angesetzt.

Ohne Erfolg. Es gelang ihnen zwar mehrmals, Lassiter einzusperren, und ein paar Mal hatte bereits der Henker die Schlinge für ihn bereitet. Aber immer wieder war er entkommen, denn er war ein Mann, der niemals aufgab.

Monatelang war es ruhig geblieben zwischen ihm und der Company. Sie schienen ihn vergessen zu haben, aber seit diesem Überfall war wieder alles anders geworden. Es war in Apache Junction. Lassiter befand sich zufällig in der kleinen Stadt, als es passierte. Und wie es der Teufel wollte, war Sidney Blood ebenfalls in der Nähe.

Sidney Blood ...

Man nannte ihn den Bluthund. Er war der gefährlichste Agent von Wells Fargo, ein Bursche, der sämtliche Tricks kannte. Und er war Lassiters härtester Gegner.

Für ihn gab es keinen Zweifel, dass Lassiter das Depot überfallen hatte. Deshalb hatte er sofort versucht, Lassiter zu verhaften. Aber der große Mann hatte rechtzeitig Lunte gerochen und sich aus dem Staub gemacht.

Was blieb ihm auch anders übrig! Ein Mann in seiner Lage musste immer wissen, wann die Zeit gekommen war.

Nun war er wieder auf der Flucht. Seit genau fünf Tagen. Er war eine verworrene Zick-Zack-Fährte geritten, aber seine Jäger hatte er nicht abschütteln können.

Noch immer waren sie ihm auf den Fersen. Und einigen von ihnen war es sogar gelungen, ihn zu überholen und ihn von vorne zu stellen.

Wieder einmal hatte Lassiter Glück gehabt. Aber wie lange würde ihm sein Glück noch treu bleiben?

Sein Pferd schritt immer langsamer aus. Der Atem des zähen Tieres ging rasselnd. Vom Fell dampfte der Schweiß, der Kopf hing müde.

Und dann sah Lassiter endlich das Canyonmaul. Es war ein dunkler Einschnitt in einer Felswand, und es sah eher wie ein natürlicher Riss aus. Aber Lassiter wusste Bescheid. Durch diesen Spalt ging es in das Versteck von Adlervater, dem alten Apachen.

Es war eine Art Höllenschlund. Lassiter musste an einem Wasserfall vorbei, und dann saß er ab und führte den Wallach am Zügel. Ein schmaler Pfad führte an einer Felsleiste vorbei. Links davon gähnte der Abgrund, rechts war eine senkrecht aufragende Felswand.

Lassiter musste den Grauen vorwärtszerren. Immer wieder wollte das Tier stehenbleiben. Es war die instinktive Angst der Kreatur vor dem Unbekannten.

Ungefähr eine halbe Meile war der schwindelerregende Pfad lang, dann hatte Lassiter es geschafft.

Er musste noch einmal durch einen schmalen Felseneinschnitt, und ein runder Talkessel lag vor seinen Augen. Am gegenüberliegenden Hang befand sich ein einfaches Blockhaus. Dort lebte Adlervater, der Apache.

Lebte er überhaupt noch? Deutete nicht alles darauf hin, dass ihn die Schufte ermordet hatten?

Er entdeckte eine Bewegung bei der Hütte.

Jemand war aus der Tür gehuscht und spähte zu ihm hinauf. Es war eine schlanke Gestalt. Ein Gewehrlauf blitzte im grellen Sonnenlicht des Nachmittags.

Es war Mondschein, die »sanfte Apachin«. Daran gab es für Lassiter keinen Zweifel, obwohl die Entfernung zu groß war, um das Mädchen richtig erkennen zu können.

Er atmete auf und ritt an. Er wäre am liebsten im Galopp geritten, aber in dem grauen Pferd war keine Kraft mehr. Es konnte nur noch im Schritt gehen, und so dauerte der Ritt hinunter ins Tal länger, als es Lassiter lieb war.

Endlich war er soweit, dass Mondschein ihn erkennen konnte.

Sie senkte das Gewehr und stieß einen erleichterten Ruf aus.

»Big Man Lassiter! Der Himmel hat dich geschickt!«

Lassiter winkte ihr kurz zu, und die Ungeduld war in ihm, bis er endlich sein Pferd vor ihr zügelte und absaß.

»Was ist mit Adlervater?«, fragte er heiser.

Sie kam ihm entgegen. Ihr Gesicht war beherrscht, aber in ihren Augen las er Trauer. Dicht vor ihm blieb sie stehen. Sie wirkte so schutzbedürftig wie ein kleiner Vogel.

Lassiter nahm sie in die Arme. Er tat es nicht aus einem Verlangen heraus, sondern weil er spürte, dass Mondschein Trost brauchte.

»Er bereitet sich auf die große Reise vor«, flüsterte sie. »Weiße Männer waren hier. Er hat mir befohlen, in die Felsen zu fliehen und mich zu verstecken. Von oben habe ich alles beobachtet. Sie haben ihm Fragen gestellt, und dann hat ihr Anführer auf ihn geschossen. Danach haben sie das Blockhaus durchsucht, und sicherlich hofften sie, Gold zu finden. Später sind sie fluchend weggeritten. Ich lief hinunter und versuchte, Adlervater zu helfen. Ich habe ihn in die Hütte geschleppt und ihn auf sein Lager gelegt. Ich habe versucht, die Kugel aus seiner Brust zu holen, aber es war umsonst. Adlervater wird sterben, Lassiter.«

Lassiter streichelte beruhigend über ihr schwarzes Haar, das lang auf ihren Rücken herabhing. Seine linke Hand lag auf ihrem Rücken, und er spürte durch ihr weichgegerbtes Rehlederkleid die Wärme ihrer Haut.

Aus der Hütte meldete sich eine dunkle Stimme.

»Großer Mann!«, rief Adlervater. »Ich habe gewusst, dass du kommen würdest. Die Kojoten wollten zwar den Tiger stellen, aber das ist ihnen nicht gelungen. – Komm herein, großer Freund, damit ich dich noch einmal sehen kann.«

Lassiter löste sich von Mondschein, und sie folgte ihm in das Blockhaus, dessen Inneres aus einem einzigen Raum bestand.

Auf einem der beiden fellbedeckten Lager lag Adlervater. Er war schwer verwundet, das erkannte Lassiter mit einem Blick. Aber von dem alten Indianer strahlte jene Kraft aus, die Lassiter schon immer so sehr an ihm bewundert hatte.

Sie lächelten sich an.

»Sei gegrüßt, Großer Donnervogel«, sagte Adlervater und nannte Lassiter bei dem Namen, den ihm die Apachen vor einiger Zeit gegeben hatten. »Es ist gut, dass du den Weg geschafft hast. Aber ich habe es gewusst. Denn niemals kann die Krähe den Falken aufhalten, und niemals kann der Kojote den Puma reißen.«

Lassiter schritt auf das Lager zu. Adlervater streckte ihm die Hand entgegen, und sein Händedruck war noch immer kräftig.

»Ich habe mich bereitgemacht, zu sterben«, sagte Adlervater dann. »Und ich habe mir vorgenommen, noch so lange zu leben, bis ich dir alles sagen kann. Ich bitte dich um etwas, mein Freund.«

Lassiter hielt noch immer die Hand des Sterbenden, und sie sahen sich fest in die Augen.

Es war erstaunlich, was für eine unerschütterliche Ruhe von Adlervater ausging, obwohl er genau wusste, dass sein Ende nahe war.

»Ich höre, Adlervater«, sagte der große Mann.

Und Adlervater begann zu sprechen. Es bereitete ihm Mühe, das war klar zu erkennen, aber man konnte jedes Wort deutlich verstehen.

»Ich muss dir ein Geheimnis anvertrauen, Lassiter. Du bist der erste Mensch, der es erfährt, und du musst mir versprechen, es niemandem zu verraten.«

Lassiter blickte kurz zu Mondschein hinüber, dann sah er wieder den alten Apachen an. In seinem Blick lag eine stumme Frage.

Adlervater verstand.

Er lächelte.

»Mondschein hat ein Recht, alles zu erfahren. Denn es geht in erster Linie um sie, Lassiter. Hört also beide zu, was ich euch zu sagen habe ...«

Er hob die Hand und winkte dem Mädchen kurz zu. Sie glitt in eine Ecke und füllte aus einer bauchigen Tonflasche einen hölzernen Becher. Ein scharfer, aromatischer Geruch breitete sich aus, als sie mit dem Becher an Lassiter vorüberkam und das Gefäß dem alten Mann reichte.

Adlervater trank schlürfend, und mit dem Trunk schienen die Lebensgeister in seinen Körper zurückzukehren.

Er holte tief Luft und begann mit fester, klarer Stimme zu sprechen.

»Vor vielen, vielen Wintern begann es. Meine Tochter La-Duc-Tona war eine Blume. Eine knospende Rose. Sie war die schönste Tochter, die sich ein Vater jemals wünschen könnte. Sie sollte einen großen Häuptling heiraten. Wir sahen uns um nach dem richtigen Vater für die Kinder, die einmal aus La-Duc-Tonas Schoß kommen sollten. Aber La-Duc-Tona verliebte sich heimlich in einen anderen Mann. Dieser Mann hieß Romano de Cortano, und er war der Nachkomme eines jener Männer, die vor Jahrhunderten kamen und dieses Land eroberten. Er war ein guter Mann, und die Flamme der Liebe brannte heiß. Es gab jedoch Schwierigkeiten. Meine Tochter La-Duc-Tona sollte Weiße Feder heiraten, den Sohn des berühmten Geronimo. Es sollte die Besiegelung eines Bundes zwischen den Völkern der Apachen sein, aber die Liebe der Apachin zum Weißen Mann war stärker. Weiße Feder überraschte die beiden, als sie sich umarmten, und der Apache wollte den weißen Mann töten. Sie erschlugen sich gegenseitig. Meine Tochter aber durfte sich von nun an nicht mehr bei ihrem Volke blicken lassen. Sie floh zu mir in die Berge und stellte sich unter meinen Schutz. Hier in dieser Hütte brachte sie Mondschein zur Welt, und genau ein Jahr später starb sie an ihrem eigenen Gram. Dort drüben unter dem Felsen, der die Gestalt des Mondes hat, habe ich sie beerdigt. Und ich habe Mondschein bei mir behalten. Ich war für sie Vater und Mutter in einer Person. Und ich habe sie immer vor den Dingen verschont, die für sie eine schlimme Wahrheit bedeuteten. Sie sollte aufwachsen können, ohne durch irgendetwas belastet zu sein. Das war Manitus Wille ...«

Er musste eine Pause einlegen. Lassiter und das Mädchen schwiegen. Sie sahen den alten Apachen nur an und warteten, bis er weitersprach.

»Ja, so war es also«, fuhr er fort. »Und nun bist du gekommen, Lassiter, um das in Ordnung zu bringen, was schon seit langem erledigt werden sollte. – Ich hätte dir damals schon die Wahrheit erzählen können, aber damals war die Zeit noch nicht reif. Und Mondschein war noch zu jung, um alles verstehen zu können. Vielleicht musste alles so kommen, wie es jetzt ist. Das Schicksal geht verschlungene Wege. Das war schon immer so.«

Eine Weile sah er Mondschein an. Dann richtete er seinen Blick zwingend auf Lassiter.

»Ich habe dir das alles erzählt, weil ich deine Hilfe brauche«, sagte er. »Nicht Hilfe für mich, sondern für Mondschein.«

»Was soll ich tun?«