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Dieses Lehrbuch einer biblischen Seelsorge ist auf der Grundlage von Seelsorgekursen entstanden, die im Zeitraum von ca. 30 Jahren im ganzen deutschsprachigen Raum und in mehreren osteuropäischen Ländern durchgeführt wurden, mit insgesamt über 30.000 Teilnehmern. Das Kursmaterial wurde in didaktischer Hinsicht permanent verbessert. In den Büchern spiegelt sich das durch eine klare Strukturierung, durch viele Beispiele und Gleichnisse, aber auch durch insgesamt 130 Abbildungen wider. Das Lehrbuch Biblische Seelsorge besteht insgesamt aus vier Bänden und 48 Lektionen. Dieser dritte Band des "Lehrbuchs Biblische Seelsorge" behandelt die psychologischen Grundlagen der Seelsorge. In 12 Lektionen werden folgende Themen behandelt: "Die psychischen Grundfunktionen: Der Verstand, Der Wille, Das Gefühl"; "Biblische Motivationslehre"; "Defizitäre Persönlichkeitsentwicklung"; "Psychische Probleme - wie sie entstehen, Ansatzpunkte und Fallbeispiele"; "Diagnostik in der Seelsorge"; "Kommunikation und ihre Störungen".
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Seitenzahl: 311
Veröffentlichungsjahr: 2022
Roland Antholzer
Lehrbuch Biblische Seelsorge
Roland Antholzer
LEHRBUCH BIBLISCHE SEELSORGE
Band 3: Psychologische Grundlagen für die Seelsorge
Impressum
© 2021 Roland Antholzer, Duracher Str. 12, 87477 Sulzberg
Autor: Roland Antholzer
Illustration: Roland Antholzer
Lektorat, Korrektorat: Roland Antholzer
Umschlaggestaltung: Nadine Huber, huber-design Neuötting
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN: 978-3-347-40158-7 (Paperback)
ISBN: 978-3-347-40159-4 (Hardcover)
ISBN: 978-3-347-40160-0 (e-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Vorwort
Dieses Lehrbuch einer biblischen Seelsorge ist auf der Grundlage von Seelsorgekursen entstanden, die im Zeitraum von ca. 30 Jahren im ganzen deutschsprachigen Raum und in mehreren osteuropäischen Ländern durchgeführt wurden, mit insgesamt über 30.000 Teilnehmern. Das Kursmaterial wurde in didaktischer Hinsicht permanent verbessert. In den Büchern spiegelt sich das durch eine klare Strukturierung, durch viele Beispiele und Gleichnisse, aber auch durch insgesamt 130 Abbildungen wider. So ist im Laufe von über drei Jahrzehnten etwas herangewachsen, was es meiner Meinung nach wert ist, es auch in schriftlicher Form weiterzugeben.
Eines wäre vorauszuschicken, um Missverständnisse zu vermeiden: Wenn im Folgenden von Ratsuchenden, Seelsorgern, Beratern, Mentoren und Helfern in der männlichen Form gesprochen wird, ist das lediglich der Einfachheit geschuldet. Wollte man immer beiden Geschlechtern gerecht werden, würde das den Lesefluss erheblich einschränken. Aber selbstverständlich sind hier Frauen gleichermaßen angesprochen, zumal Frauen oft ein stärkeres Anliegen für die Seelsorge haben als Männer. Das habe ich immer wieder im Gemeindealltag beobachtet, anderseits aber auch bei meinen Seelsorgeschulungen, die in der Regel zu zwei Drittel von Frauen belegt waren.
Das „Lehrbuch Biblische Seelsorge“ umfasst vier Bände. Während es im ersten Band vornehmlich um die praktische Gemeindeseelsorge ging und der zweiteBand die biblisch-theologischen Grundlagen der Seelsorge im Fokus hatte, soll der vorliegende dritte Band ansatzweise eine biblische Psychologie aufzeigen. Er wird aber auch wissenschaftlich-psychologische Erkenntnisse einbeziehen, deren Kenntnis in der Seelsorge nützlich sein können. Der vierte Band wiederum soll Grundlagen über die Psychiatrie und Psychopathologie vermitteln, allerdings nur insoweit, wie wir damit auch in unserer gemeindlichen Seelsorge konfrontiert werden. Insgesamt sind die Inhalte der Bücher nicht nur hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit als Schulungsmaterial erprobt, sondern auch praxiserprobt, indem sie seit Jahrzehnten angewandt werden. Mein Wunsch ist es, dass die Bücher zum persönlichen Studium dienen, aber vor allem auch als Grundlage für Seelsorge-Unterricht im Rahmen von örtlichen Gemeinden und Bibelschulen benützt werden.
Der vorliegende Band 3 (und gleichermaßen die anderen drei Bände) besteht aus 12 Lehreinheiten (Lektionen). Jede Lektion besteht aus zwei Teilen, dem eigentlichen Lehrstoff und einem Anhang. Letzterer wiederum besteht aus einem Fragenteil und einem Vertiefungsteil.
Lektion 1:
DIE PSYCHISCHEN GRUNDFUNKTIONEN /1
Ein biblisch-psychologisches Funktionsmodell
Ein Funktionsmodell tut das, was sein Name sagt: Es stellt in grafischer Form funktionelle Zusammenhänge dar und soll damit zum besseren Verständnis biblischer Aussagen beitragen. In unserem Fall geht es um Zusammenhänge zwischen den Funktionen Verstand, Wille und Gefühl einerseits und mit den Funktionen Herz und Gewissen anderseits.
Abb. 1-1
1. Erläuterung des Modells
Herz: Der Begriff „Herz“ – die Kommandozentrale des Menschen und innerste Wesensart – im Modell dargestellt durch die gestrichelte Linie. Alles, was sich innerhalb dieser Linie befindet, gehört zu dem Begriff „Herz“, so wie er in der Bibel verwendet wird.
Bewusst-unbewusst: Bei jeder der drei Grundfunktionen (Verstand, Wille, Gefühl) kann ein bewusster und ein unbewusster Anteil unterschieden werden. Die unbewussten Anteile sind jeweils grau hinterlegt. Hinweis: Der Übergang von „bewusst“ zu „unbewusst“ ist nicht – wie das Modell nahelegt – klar abgegrenzt, sondern viel eher fließend.
Peripher-zentral: Bei jeder der drei Grundfunktionen (Verstand, Wille, Gefühl) kann ein Bereich außerhalb und ein Bereich innerhalb der gestrichelten Linie unterschieden werden. Hier geht es um die Nähe der Verstandes-, Willens- oder Gefühlsimpulse zum Zentrum der Persönlichkeit. Es geht also darum, wie bedeutsam bzw. wichtig der jeweilige Impuls für die Persönlichkeit ist.
Heiliger Geist: In der Mitte des Modells ist der Heilige Geist platziert. Er hat seinen Platz in der Mitte der Persönlichkeit, im Herzen. Galater 4,6: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, der da ruft: Abba, Vater!“ 2. Korinther 1,22: „... der uns auch versiegelt und das Unterpfand des Geistes in unsere Herzen gegeben hat.“
2. Die Funktion des Gewissens
Von Natur aus ist jeder Mensch mit einem Gewissen ausgerüstet. Gott hat es uns mitgegeben. Es beginnt mit derselben Zuverlässigkeit zu arbeiten, wie das Herz zu schlagen anfängt. Während das Herz des Menschen allerdings schon kurz nach der Zeugung, also schon im Mutterleib, seine unermüdliche Tätigkeit aufnimmt, fängt das Gewissen erst zu schlagen an, wenn der kleine
Mensch die erste bewusste Sünde begangen hat. Von dieser Zeit an lernt der Mensch mit seinem Gewissen zu leben wie mit seinen inneren Organen und mit seinen Gliedern. Da das Gewissen mit einem Präzisions-Lenksystem vergleichbar ist, muss auf dessen Funktionstüchtigkeit sorgfältig geachtet werden. Wird das Gewissen verletzt oder „verstellt“, geraten wir mit Sicherheit außer Kurs. Wir verfehlen das Ziel, was ja mit dem Wort „Sünde“ ursprünglich gemeint ist.
Im Jahr 1989 wurde eine Jupitersonde in Richtung Jupiter losgeschickt. Sie hatte den Auftrag, den Jupitermond Europa zu erforschen. Die Distanz, die es zu überwinden galt, war 778 Millionen Kilometer! Wie ist es möglich, dass eine Sonde über eine solch riesige Distanz fliegt und genau dort ankommt, wo sie hinsoll? Es wäre völlig unmöglich, den Kurs so genau festzulegen. Schon die geringste Abweichung (etwa einen Millimeter pro Kilometer) würde ausreichen, dass die Sonde mit einem Abstand von 778 km am Jupiter vorbeifliegt. Die Lösung liegt darin, dass mehrere Kurskorrekturen vorgenommen werden. Immer wenn eine vorher festgelegte Abweichung erreicht ist, setzt die Korrektur ein.
Genauso ist es mit dem Gewissen. Es muss die geringsten Abweichungen melden, so dass es zu einer ständigen Kurskorrektur kommen kann. Ein intaktes Gewissen ist für den Menschen noch wichtiger als das intakte Steuersystem eines Raumschiffs. Aber: Durch die Sünde ist gewissermaßen Schmutz in dieses „Präzisionswerk“ geraten; es ist in seiner Funktion gestört. Der Mensch, der mit diesem Steuersystem versehen, in Richtung Himmel auf Kurs gesetzt wurde, verfehlt das Ziel und landet im Abgrund.
Nur durch das Blut Jesu kann das Gewissen wieder gereinigt werden (Hebr 9,14). Wenn der Heilige Geist Wohnung nimmt in einem Menschen, dann wird auch das Gewissen erneuert, neu sensibilisiert für Gottes Willen. Die Stimme des Gewissens, die oft als Schlagen des Herzens bezeichnet wird, ist meist leise, kann sich aber bis zur Unerträglichkeit steigern. Das intakte Gewissen meldet sich vor der bösen Tat, aber auch danach.
2.1 Die Empfindsamkeit des Gewissens
Das Gewissen muss ernst genommen werden. Wenn das nicht geschieht, dann hat das unweigerlich Folgen. Wer die Stimme des Gewissens einfach so beiseiteschiebt, sie sogar bewusst unterdrückt, sie mit Alkohol, Drogen, lauter Musik, ständiger Zerstreuung zu betäuben versucht, der wird die Erfahrung machen, dass sie mit der Zeit tatsächlich leiser wird. Das ist aber ein Pyrrhussieg, denn es bedeutet gleichzeitig einen Verlust an Menschlichkeit. Die Schwelle, Sünde zu tun, wird immer niedriger. Je häufiger das Gewissen übergangen wird, desto stumpfer und unsensibler wird es.
Ein nordamerikanischer Indianer beschrieb das Gewissen folgendermaßen: „In mir gibt es ein kleines dreieckiges Ding, drei spitze Ecken hat es und scharfe Kanten dazwischen und immer, wenn ich etwas Böses tue, dann dreht sich dieses dreieckige Ding in mir und das ist sehr schmerzhaft. Aber wenn ich fortfahre, Böses zu tun, dann werden auf die Dauer die Ecken und die Kanten stumpf und dann spüre ich nichts mehr.“ So kann das mit dem Gewissen sein.
Es gibt Waagen, mit denen man Gold wiegt. Diese Waagen müssen äußerst fein reagieren, auf geringste Gewichtsunterschiede. Eine Briefwaage wäre dafür viel zu ungenau. Bei Briefen genügt es, wenn man grammgenau wiegen kann. Bei dem Sack Kartoffeln reicht eine Waage, die in 50-Gramm-Schritten wiegt. Wenn wir uns auf die Waage stellen, dann genügt eine noch gröbere Angabe. Und wenn ich zur Müllverbrennungsanlage fahre, dann fahre ich mit dem ganzen Auto auf eine Waage.
Wenn es um Sünde geht, dann sollten wir die Goldwaage verwenden. Anders gesagt: Unser Gewissen sollte auf kleinste Abweichungen reagieren. Was meinen wir wohl, wie es möglich ist, dass jemand zum Berufskiller wird. Die Mafiakiller erhalten einen Auftrag, bestimmte Menschen umzubringen. Sie erledigen das mit ungefähr derselben Gemütsbewegung, mit der ein anderer ein Zimmer tapeziert. Ihr Gewissen wird dabei überhaupt nicht mehr berührt. Am ehesten wird er dann ein schlechtes Gewissen haben, wenn er seinen Job nicht erfolgreich ausgeführt hat. Das macht deutlich, dass das Gewissen sehr verformt, ja sogar weitgehend unwirksam gemacht werden kann. Deswegen kann man von Unmenschen sprechen, weil es Menschen gibt, bei denen das zerstört wurde, was in dem Menschen noch von dem Ebenbild Gottes zu erkennen ist.
Normalerweise ist das Gewissen des Menschen mehr oder weniger unsensibel. Wenn sich nun ein Mensch bekehrt, dann wird durch den Einzug des Hl. Geistes in sein Herz auch sein Gewissen sensibilisiert. Ist dann alles in Ordnung? Durchaus nicht! Das Gewissen reagiert zwar wieder sensibel, aber nicht unbedingt genau.
2.2 Die Prägung des Gewissens
Das Gewissen kann auch fehlgeprägt sein. Ein durch ungöttliche Einflüsse verstelltes Gewissen muss daher durch das Wort Gottes wieder „justiert“ werden. Das Gewissen muss nach dem Willen Gottes „geeicht“ sein. Das ist bei Messgeräten ja auch so. Es gibt in Paris ein Urmeter aus Platin-Iridium. Daran konnte jedes Metermaß der Welt gemessen werden. Wie anders hätte man sonst sicher sein können, dass der Meter in China genauso lang ist wie der in Bayern.1 Auch Musikinstrumente müssen immer wieder neu gestimmt werden. Und so ist das eben auch mit dem Gewissen. Woran soll sich denn das Gewissen orientieren? Was ist das Urmeter des Gewissens? Ich denke, diese Frage können wir schon beantworten: Das Urmeter des Gewissens ist die Hl. Schrift. Wie anders könnten wir sonst objektiv erfahren, was richtig und was falsch ist. Auch deshalb hat Gott das Gesetz gegeben, dass der Mensch ein objektives Maß hat, an dem er sein Gewissen ausrichten kann.
Das Gewissen eines kleinen Kindes kann man beeinflussen. Das ist ja auch die Aufgabe der Erziehung, dass ein Kind lernt, was gut ist und was böse ist. Je nachdem, was einem Kind beigebracht wird, kann sein Gewissen ganz verschiedene Inhalte haben. Ich denke, dass in den meisten Familien den Kindern beigebracht wird, nicht zu stehlen. Es gibt aber auch Familien, da werden Kinder dazu abgerichtet, wie man in einem Kaufhaus am elegantesten etwas mitnehmen und durch die Kasse bringen kann. Wenn ein Kind in einer solchen Familie aufgezogen wird und einmal nichts hat mitgehen lassen, dann hat es ein ganz schlechtes Gewissen. Es hat ein schlechtes Gewissen, weil es nicht gestohlen hat. So kann man also ein Gewissen dressieren und manipulieren, doch eben nur darum, weil es vorhanden ist. Wir kennen das aus der Arbeit mit Ton. Aus Ton können ganz verschiedene Gestalten geformt werden. Aber man kann nur Ton formen, wenn der Ton vorhanden ist.
So ist es auch bei dem Gewissen. Das Gewissen kann zwar ganz unterschiedlich geprägt werden, aber es ist vorher da. Wir können auch sagen, das gehört zu dem, was Gott der Schöpfer dem Geschöpf mitgegeben hat. Es gibt keinen Menschen ohne Gewissen. Wie das Gewissen dann geformt wird, welche Einflüsse es mitbekommt, das ist eine zweite Frage. Das Gewissen des Kleinkindes gleicht dem Dressurgewissen, das man im Grunde auch einem Hund beibringen kann. Dieses Gewissen orientiert sich an der Strafe: Eine bestimmte Handlung ist schlecht, weil sie Strafe zur Folge hat. Der erwachsene Mensch braucht ein anderes Gewissen. Man nennt es das verantwortliche Gewissen.
Das Gewissen wird auch durch die jeweilige Kultur beeinflusst, in der man aufwächst. Die Erzväter und Könige Israels hatten bei ihrer Vielweiberei ein gutes Gewissen. Und das, obschon es durchaus nicht im Willen Gottes war.
Ihr Gewissen war durch ihre Kultur fehlgeprägt. Paulus hat vor seiner Bekehrung die Christen mit gutem Gewissen verfolgt. Er glaubte, damit Gott zu dienen. Die römischen Inquisiteure haben mit gutem Gewissen gläubige Christen gefoltert und ermordet. Auch sie glaubten, Gott damit einen Gefallen zu tun.
Zum „Biblisch-psychologischen Funktionsmodell“ (siehe Abb. 1-1, S. 1). Sicher sind Ihnen schon die diversen Pfeile aufgefallen: Die großen Pfeile in der Mitte und die kleinen Pfeile, die von den Funktionen ausgehen.
a. Die großen Pfeile in der Mitte. Sie machen deutlich, dass das Gewissen auf alle drei seelischen Hauptfunktionen (Verstand, Gefühl, Wille) Einfluss ausübt. Der Verstand wird mit der bösen Tat konfrontiert. Er ist gefordert, Stellung zu beziehen. Das Gefühl vermittelt, dass es unangenehm ist, mit dieser Sache zu leben: Es raubt die Freude und den inneren Frieden. Der Wille ist gefordert, etwas zu unternehmen, um die Sache in Ordnung zu bringen.
b. Die dünnen Pfeile, die zum Gewissen zurückführen. Von allen drei Hauptfunktionen kommt eine Antwort zum Gewissen.
Der Verstand bringt Argumente vor, die die Tat gerechtfertigt erscheinen lassen sollen. Hier zeigt sich, wie falsches und ungöttliches Denken unser Gewissen beeinträchtigen kann.
Das Gefühl spielt eine ebenso bedeutsame Rolle. Zum Beispiel kann starker Zorn den Menschen so stark aufreizen, dass er die Mahnung des Gewissens nicht registriert und deshalb schwere Sünden begeht. Starke erotische Aufreizungen im Umgang mit dem anderen Geschlecht erschweren dem Gewissen die rechtzeitige Warnung. Die voreheliche und außereheliche Sünde hat dann leichtes Spiel. Auch durch starke Reize wie z.B. Lärm kann das Gewissen beeinträchtigt werden. Die „Meldeleitung“ kann dann so stark belegt sein, dass die Warnung des Gewissens nicht rechtzeitig ankommt oder blockiert wird. Deswegen ist z.B. die Discoatmosphäre für den Teufel das optimale Arbeitsfeld: Laute Musik, erotische Aufreizung, Alkohol und/oder Drogen, wilder Tanz bei starkem Rhythmus!
Der Wille kann sich natürlich auch ganz bewusst gegen die Stimme des Gewissens wenden, nach dem Motto: „Ich weiß ja, dass es nicht richtig ist, aber ich will es jetzt tun!“
3. Die Funktion des Verstandes
3.1 Bewusstheit und Nähe des Denkens
Das Funktionsmodell (Abb. 1-1, Seite 1) zeigt, dass man Verstandesleistungen im Blick auf den Grad ihrer Bewusstheit unterscheiden kann, aber auch hinsichtlich der Nähe in Bezug auf das Zentrum unserer Persönlichkeit. Große Nähe bedeutet, dass ein Denkinhalt für eine Person eine starke Bedeutung und zentrale Wichtigkeit hat, geringe Nähe heißt, es handelt sich um etwas Peripheres, was ihn nur am Rande betrifft. Bewusstes und peripheres Denken, Fühlen und Wollen wird in dem Modell durch die Bereiche außerhalb der gestrichelten Linie (Herz) dargestellt.
3.1.1 Bewusstes, mehr peripheres Denken
Es handelt sich hier um ein Denken, das den Kern unserer Persönlichkeit nicht berührt. Ein Großteil unserer Alltagsverrichtungen wird von solchem Denken begleitet. Auch weitgehend automatisiertes Handeln – wie z.B. Auto fahren – läuft nicht ohne Denkprozesse ab. Die Denkinhalte sind für die Person nicht bedeutsam.
3.1.2 Bewusstes, dem Herzen zugehöriges Denken
„Das Herz des Gerechten überlegt, was es antworten soll, aber der Mund des Gottlosen sprudelt Bosheiten hervor.“ (Spr 15,28) „Die Pläne des Herzens sind Sache des Menschen, aber die rechte Antwort der Zunge kommt von dem HERRN.“ (Spr 16,1)
3.1.3 Unbewusstes Denken
Den Begriff „unbewusst“ gebrauche ich hier nicht so, wie er etwa von Sigmund Freud definiert wurde. In der tiefenpsychologischen Vorstellung ist der Mensch für das, was ihm nicht bewusst ist, auch nicht verantwortlich. Nicht so in der biblischen Sicht. Der Psalmist betet: „Verfehlungen – wer erkennt sie? Sprich mich los von denen, die verborgen sind!“ (Ps 19,13). Paulus sagt einmal: „Denn ich bin mir nichts bewusst; aber damit bin ich nicht gerechtfertigt, sondern der Herr ist es, der mich beurteilt.“ (1Kor 4,4).
Dass es ein unbewusstes Denken gibt, scheint mir in Hebräer 4,12 angedeutet: „Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und es dringt durch, bis es scheidet sowohl Seele als auch Geist, sowohl Mark als auch Bein, und es ist ein Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens.“ Offenbar sind die Gedanken und Gesinnungen unseres Herzens für uns nicht immer zugänglich. Nur der Geist Gottes kennt und beurteilt sie und kann sie uns aufzeigen. Er bedient sich dabei des Wortes Gottes.
3.2 Die Bedeutung des Verstandes in der Bibel
Die Bibel spricht von Verstand, Verständnis, Urteilskraft, von der natürlich-menschlichen Klugheit. Im hebräischen und griechischen Text gibt es eine Reihe von Wörtern, die auch Herz, Einsicht, Verständnis, Erkenntnis, Vernunft, Weisheit, Gedanke, Meinung, Ratschluss bedeuten können, alles Begriffe, die die Funktion des Verstandes umreißen. In der Psychologie spricht man von „Kognition“. Wesentliche Bedeutung hat in der Schrift der Begriff „Vernunft“. Er ist fast mit „Verstand“ gleichzusetzen, scheint aber mehr das Natürlich-Menschliche anzusprechen.
Vernunft ist die Fähigkeit des Menschen, zu verstehen, zu begreifen und auf Grund dieser seelisch-geistigen Vorgänge Begriffe zu bilden. Außerdem ist sie das Organ, durch das wir sittliche Einsicht gewinnen können. Gerade durch die Vernunft unterscheidet sich der Mensch vom Tier. Die Vernunft befähigt den Menschen, auf die letzten Fragen des Daseins Antwort zu suchen. Sie ist Sitz der menschlichen Gedanken und Pläne. In irdischen Dingen ist die Vernunft unentbehrlich und wird in den Grenzen dieses Bereiches auch von der Schrift anerkannt. Vielfach wird vernünftiges Verhalten gelobt.
Zum Erfassen göttlicher und ewiger Dinge reicht die Vernunft allerdings nicht aus: „Der natürliche Mensch nimmt nicht an, was vom Geist Gottes ist.“ (1Kor 2,14). Die Vernunft bedarf der Erleuchtung durch den Hl. Geist und kommt dadurch unter den Gehorsam des Glaubens (2Kor 10,5). „... so dass wir Vernunftschlüsse zerstören und jede Höhe, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt, und jeden Gedanken gefangen nehmen zum Gehorsam gegen Christus.“ Wer seine Vernunft und sein Denkvermögen dem Geist Gottes ausliefert, vollbringt „vernünftigen Gottesdienst“ (Röm 12,1). Die Bibel zeigt uns ganz klar, dass der Verstand des Menschen ein Kampffeld unsichtbarer Mächte darstellt. Auf diesem streiten Satan und die bösen Geister gegen die Wahrheit und somit auch gegen die Gläubigen.
Paulus sagt: „Denn obwohl wir im Fleisch wandeln, kämpfen wir nicht nach dem Fleisch; denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig für Gott zur Zerstörung von Festungen, so zerstören wir Vernünfteleien und jede Höhe, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt, und nehmen jeden Gedanken gefangen unter den Gehorsam Christi.“ (2Kor 10,5)
Kluge Vernunftschlüsse sind Bollwerke des Feindes. Der Feind will unseren Verstand beherrschen, weshalb hier das eigentliche Kampffeld ist. Rebellische Gedanken, aus dem eigenen Herzen oder vom Feind eingegeben, müssen gefangengenommen werden unter den Gehorsam Christi. In Bezug auf den Nicht-Wiedergeborenen sagt die Schrift, dass Unglaube nicht einfach auf Dummheit oder Unkenntnis beruht, sondern ein aktives Werk Satans ist. „Wenn aber unser Evangelium verhüllt ist, so ist es bei denen verhüllt, die verloren gehen; den Ungläubigen, denen der Gott dieser Weltzeit die Sinne verblendet hat, so dass ihnen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus nicht aufleuchtet, welcher Gottes Ebenbild ist.“ (2Kor 4,4)
Die Menschen könnten schon wissen, was sie wissen müssen zum Heil, aber unter dem Einfluss des Gottes dieser Welt sträuben sie sich gegen dieses Wissen. Sie sind daher nicht unschuldig an ihrer Unwissenheit. Dass solche verfinsterten Menschen sich selbst für außerordentlich klug und weise halten können und viele kluge Argumente gegen das Evangelium ins Feld führen können, das wissen wir alle.
Vor der Wiedergeburt hindert der Intellekt den Menschen daran, Gott zu erkennen. Es ist notwendig, dass Gott die menschlichen Argumente zerschlägt. Dieses Werk muss sich bei der Wiedergeburt vollziehen – es geschieht in Form von Buße. Die eigentliche Definition von „Buße“ ist ganz schlicht eine „Änderung des Sinnes“. Der Fürst dieser Welt, der den Sinn der Ungläubigen verblendet, wird auch versuchen, den Gläubigen zu verführen. Trotz Umdenkens ist die Denkweise eines Menschen ja noch nicht völlig erneuert. Das ist ein Prozess, der sich nach und nach vollzieht. Darum bleibt der Verstand der strategisch wichtigste Kampfplatz. Das Denkvermögen des Menschen leidet mehr als alle anderen Funktionen unter den Angriffen des Feindes. Die bösen Geister unter dem Himmel haben es besonders auf unsere Gedanken abgesehen.
Paulus schreibt an die Korinther: „Ich fürchte aber, es könnte womöglich, so wie die Schlange Eva verführte mit ihrer List, auch eure Gesinnung verdorben und abgewandt werden von der Einfalt gegenüber Christus.“ (2Kor 11,3) Welche Art von Gedanken wird uns die Schlange wohl eingeben: Gedanken des Stolzes und der Selbstgefälligkeit etwa, Sorgengedanken, Gedanken des Zweifels an den Glaubenstatsachen, Gedanken des Selbstmitleids, der Gekränktheit, der Rache, negative Gedanken über andere Menschen – insbesondere die Glaubensgeschwister –, über die eigenen Lebensumstände, über sich selbst und über Gott. Wo solche Gedanken in unserem Verstand Platz greifen können, da hat Satan leichtes Spiel mit uns.
3.3 Die Dimensionen des Verstandes
Man kann fünf verschiedene Dimensionen des Verstandes unterscheiden: die Kritikfähigkeit, die Wendigkeit, die Weite, die Zielgerichtetheit und die Schnelligkeit des Denkens.
3.3.1 Die Kritikfähigkeit des Denkens
Kritikfähigkeit heißt, dass man fähig ist, über die Ergebnisse eigenen und fremden Denkens zu urteilen. Wenn wir Vermutungen haben, kommt es darauf an, dass wir Argumente für und gegen diese Vermutungen abwägen können, und sie nicht gleich schon als feststehende Wahrheiten ansehen.
Es geht darum, dass man die eigenen Mutmaßungen als vorläufig ansieht, sie einer Prüfung unterzieht und diejenigen verwirft, die dieser Prüfung nicht standhalten. Man spricht hier auch von „wertendem Denken“. Wenn das Denken stark unter dem Einfluss des Gefühls steht, kann sich das ungünstig auf die Kritikfähigkeit auswirken, da diese eine gewisse Objektivität voraussetzt. Ein Teenager, der sich eben gerade Hals über Kopf verliebt hat, wird eine kritische Beurteilung des Objekts seiner Gefühle durch seine Eltern gar nicht erst prüfen.
Störung: Eine Störung der Kritikfähigkeit zeigt sich etwa in Vorurteilen. Wir müssen uns manchmal aufgrund weniger Informationen ein Urteil über einen Menschen bilden. Man nennt das ein „vorläufiges Urteil“. Wenn man den Menschen besser kennenlernt und mehr Informationen über ihn hat, muss man sein vorläufiges Urteil evtl. korrigieren. Wenn wir trotz gegenteiliger Erfahrung und Information unser ursprüngliches Urteil beibehalten, haben wir ein Vorurteil. Gegen Vorurteile wird man mit noch so guten Argumenten kaum ankommen. Wer Vorurteile hat, will sie gar nicht aufgeben, weil er irgendwelche meist unbewusste Vorteile davon hat.
Extrem: Eine Meinung, die eindeutig im Widerspruch zur Realität steht, aber dennoch nicht verworfen, sondern beibehalten wird, nennt man eine Wahnidee. Eine Wahnidee ist der Realitätskontrolle nicht mehr zugänglich, ist nicht korrigierbar.
3.3.2 Die Wendigkeit des Verstandes
Mit Wendigkeit ist gemeint, dass das Denken frei ist von vorgefassten Annahmen und schablonenhaften Lösungsmustern. Man ist in seinem Denken beweglich. Man ist fähig, bei Veränderung der Lage und der Vorbedingungen für eine Aufgabe neue Lösungen zu finden. Ein wendiger Verstand kann sich von einer Lösung, die sich einmal als fehlerhaft erwiesen hat, abwenden und wiederholt den gleichen Fehler nicht immer wieder.
Hier tritt eine eigenartige Trägheit des Denkens in Erscheinung. Der Mensch schafft es nicht, sein Denken von dem Weg wieder abzubringen, den es einmal eingeschlagen hat. Ist diese Trägheit deutlich ausgeprägt, spricht man von „Perseveration“. Wir finden dieses Symptom u.a. sehr ausgeprägt bei Depressiven. Sie bewegen sich immer in den gleichen Denkbahnen. Selbst wenn sie heute Einsicht gewonnen haben, dass ihr Denken falsch ist, werden sie morgen schon wieder darin gefangen sein.
Störung: Viele Menschen werden mit der Lösung von Aufgaben deshalb schlecht fertig, weil sie auf der Suche nach einer Lösung immer wieder zu der Methode zurückkehren, die ihnen als erste in den Sinn kam. Und das, obwohl sie sich schon oft davon überzeugen konnten, dass diese Methode zu nichts führt. Beispiel: Nörgeln als Methode, um den Partner zu verändern, ist zwar durchaus verbreitet, aber dennoch unwirksam!
Extrem: Eine sog. „fixe Idee“ oder auch „überwertige Idee“, ist eine Meinung, die den Träger so sehr beherrscht, dass er immer und überall darüber reden muss. Ich kannte einen Christen, der die Meinung hatte, dass man als Christ auf keinen Fall Militärdienst machen darf. Diese Meinung (die man ja haben darf) musste dieser Mann immer und bei jeder noch so unpassenden Gelegenheit verbreiten. Eine ernsthaftere Störung sind Zwangsgedanken, die einen Menschen in seinem Leben massiv beeinträchtigen können, so dass er kein normales Leben mehr führen kann.
3.3.3 Die Weite des Denkens
Die Weite äußert sich darin, dass man eine Problemstellung einerseits im Ganzen erfassen und gleichzeitig alle für die Sache wesentlichen Einzelheiten mit einbeziehen kann. Man spricht in der Fachsprache auch vom „divergierenden Denken“, also ein nach außen in die Weite gerichtetes Denken. Die erfolgreiche Lösung von komplizierten Aufgaben hängt sehr davon ab, inwieweit es gelingt, gleichzeitig alle Gegebenheiten dieser Aufgabe denkend zu erfassen. Wie beim Suchen bewegt man sich beim Denken in die verschiedensten Richtungen und variiert den Verlauf des Denkverhaltens.
Störung: Man meint vorschnell, das Wesen einer Sache erfasst zu haben und lässt viele andere, für eine richtige Beurteilung wichtigen Aspekte, außer Acht.
Extrem: Perseveration (eingeengtes Denken); das Denken kreist immer um dieselben Sachverhalte. Auch dieses Symptom ist typisch für die Depression.
3.3.4 Die Zielgerichtetheit des Denkens
So wie es wichtig ist, beim Denken zunächst in die Weite zu gehen, so kommt es auch darauf an, sich auf ein Ziel hin zu orientieren und dieses Ziel anzusteuern. Beispiel: Der „Long sampler“ geht mit seinem Denken in die Weite. Die Gefahr dabei: Er verliert sich darin und kommt nicht zum Ziel. Anders der „Short sampler“: Sein Denken bewegt sich auf die Mitte zu. In der Fachsprache nennt man diese Fähigkeit „konvergierendes Denken“. Es ist also das genaue Gegenteil zum divergierenden Denken. Die Gefahr liegt hier darin, dass man für die Entscheidung wichtige Aspekte übersieht. Hierzu eine kurze – etwas überzeichnete – Veranschaulichung: Zwei Journalisten, ein Long Sampler und ein Short Sampler, sollen einen Artikel schreiben. Beim Long Sampler stapeln sich die Bücher, ohne dass er auch nur ein Wort geschrieben hat. Der Short Sampler dagegen setzt sich hin und fängt schon mal an zu schreiben. Eventuell schlägt er irgendwann mal in einem Buch nach.
Störung: Man verliert sich immer wieder in der Vielfalt der Denkmöglichkeiten und kommt zu keinem Ergebnis. Das Denkziel wird in der Regel erst unter äußerem Druck angesteuert und erreicht. Die Neigung, Aufgaben vor sich hin zu schieben, nennt man „Aufschieberitis“.
Extrem: Die Ideenflucht bei Schizophrenen: Die Betroffenen springen von einem Thema zum nächsten. Ihre Beschäftigung mit einem Thema dauert nur kurz und führt nicht zum Ziel.
3.3.5 Die Schnelligkeit des Denkens
Diese Eigenschaft ist bei verschiedenen Menschen durchaus unterschiedlich ausgeprägt und zwar sicher zum großen Teil anlagebedingt. Hier mag das Temperament im richtig verstandenen Sinne hineinspielen. Beispiel: Die Menschen aus dem Kanton Bern in der Schweiz sind dafür bekannt, dass sie sehr langsam sprechen. Wenn ein Mensch sehr langsam spricht, ist anzunehmen, dass er auch langsam denkt. Das bedeutet aber nicht, dass er weniger intelligent ist. Verschiedene Aufgaben verlangen im Übrigen eine unterschiedliche Schnelligkeit des Denkens. Man braucht ja kein schneller Denker zu sein, um etwa ein Buch zu schreiben. Charles Darwin verwandte für die Vorbereitung seines Buchs „Entstehung der Arten“ 20 Jahre! (Eigentlich Zeit genug, um den Fehler herauszufinden.) Dagegen muss ein Feuerwehrhauptmann bei Katastropheneinsätzen schnell denken und entscheiden können.Störung: Langsamkeit im Denken kann dann zum Problem werden, wenn man einen Beruf hat, in dem es auf rasche Entscheidungen ankommt. Das bedeutet, dass man ständigem Stress ausgesetzt ist, was sich auf die allgemeine Gesundheit negativ auswirkt.
Extrem: Verlangsamung des Denkens bei Depressiven. Umgekehrt aber eine Beschleunigung des Denkens bei Manikern, dem Umkehrbild der Depression. Das hat vermutlich mit physiologischen Vorgängen zu tun, z.B. mit der Nervenleitung und ihrer Schnelligkeit.
1 Heute hat das Urmeter nur noch historische Bedeutung. Seit 1983 benutzt man die Lichtgeschwindigkeit als Referenzgröße.
Fragen zur Lektion 1:
DIE PSYCHISCHEN GRUNDFUNKTIONEN /1
Frage 1: Was hat das Gewissen mit einer Waage gemeinsam? In welcher Weise wurde beim Christen das Gewissen verändert?
Frage 2: Wie kann man es erklären, dass es Menschen gibt, die schwerste Straftaten begehen können und dabei keine Gewissensbisse haben?
Frage 3: Weshalb ist es wichtig, zeitlebens auf die Pflege des Gewissens bedacht zu sein? Kann man sich darin einüben? (Apg 24,16)
Frage 4: Nennen Sie die 5 Dimensionen des Denkens und versuchen Sie deren Bedeutung zu erklären.
Frage 5: Was meinen Sie: Steht der Verstand im Gegensatz zum Glauben? Was spricht dafür, was spricht dagegen?
Frage 6: Wann wird aus einem vorläufigen Urteil ein Vorurteil? Wenn ein Mensch stark zu Vorurteilen neigt, liegt das an mangelnder …………..?
Frage 7: Erklären Sie die Begriffe „Long Sampler“ und „Short Sampler“. Überlegen Sie, ob Sie in eine der beiden Schubladen passen.
Frage 8: Wo setzte die Schlange bei Adam und Eva an, um sie zu verführen? Wo setzt sie bei uns an?
WEITERE ARTIKEL ZUR VERTIEFUNG
Alles Psycho – oder?
(Roland Antholzer)
Bevor ich näher darauf eingehe, was denn unter „Psychologie“ wirklich zu verstehen ist, muss ich den Begriff gegenüber ähnlichen Begriffen abgrenzen. Wenn ich mit Christen über das Thema „Psychologie“ ins Gespräch komme, stelle ich immer wieder fest, dass die diversen „Psycho”-Begriffe gründlich durcheinander gemixt werden. Vielen Christen ist die genaue Zuordnung von Begriffen wie „Psychologie”, „Psychotherapie”, „Psychoanalyse” oder „Psychiatrie” durchaus nicht klar. Sie klingen ja auch sehr ähnlich. Eine genaue Abgrenzung ist aber wichtig, weil es sonst zu manchen Missverständnissen kommen kann.
PSYCHOTHERAPIE. Die Bezeichnung Psychotherapie ist der Oberbegriff für verschiedene Formen psychologischer Verfahren, die ohne Einsatz von Medikamenten auf die Behandlung psychischer oder auch psychosomatischer Krankheiten, Leiden und Verhaltensstörungen abzielen. Aus der Sicht der wissenschaftlichen Psychologie insbesondere der Psychotherapieforschung ist Psychotherapie eine auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhende spezielle Form einer menschlichen Beziehung, die kontrolliert wird. Nicht jedes Gespräch, das zu dem Zweck geführt wird, einem Menschen in seelischen Problemen zu helfen, kann man Psychotherapie nennen. Erst folgende drei Bestimmungsstücke machen nach Bastine eine Behandlung mittels Gespräch zu einer Psychotherapie: 1) Die Veränderungsmittel sind psychologischer Natur, d.h. sie müssen in einem Bezug stehen zum psychologischen Grundlagenwissen; 2) Der Einsatz der Mittel erfolgt durch wissenschaftlich ausgebildetes Personal, das seine Tätigkeit wissenschaftlich begründet; 3) Es werden psychisch beeinträchtigte Personen behandelt. Tatsächlich treffen diese Bestimmungsstücke nur auf wenige der auf dem Psychomarkt konkurrierenden Psychotherapien zu. Die Forderung, dass sie sich auf empirisch-wissenschaftliche Erkenntnisse gründen soll, wird bestenfalls von der Verhaltenstherapie erfüllt. Sofern sich Psychotherapien überhaupt schon wissenschaftlichen Erfolgskontrollen unterworfen haben, was nur für etwa ein bis zwei Prozent aller Methoden zutrifft, werden teils sowohl ihre unwissenschaftlichen Grundlagen als auch ihr fehlender bzw. schwacher Wirksamkeitsnachweis von weltlichen Forschern heftig kritisiert. Unter diesen Voraussetzungen hätte kaum ein Medikament die Chance, die Zulassung zu erhalten.
PSYCHOANALYSE. Die Psychoanalyse ist eine spezifische Psychotherapieform, die auf die Theorie der Tiefenpsychologie von Sigmund Freud zurückgeht. Freud gewann seine Überlegungen aus der Beobachtung und Behandlung von psychisch gestörten Menschen. Die Freud’sche Tiefenpsychologie stellt mehr ein Glaubenssystem dar als eine wissenschaftliche Theorie. Sie ist in ihrem Menschenbild biologistisch und in ihren wesentlichen Bestimmungsstücken (Ödipuslehre, Lehre vom psychischen Apparat und von der menschlichen Entwicklung, Traumatheorie) empirisch widerlegt worden. Entsprechend sollte man von der Psychoanalyse als Anwendung dieser fragwürdigen Theorie keine Wunder erwarten. Auch von weltlichen Kritikern wird die Psychoanalyse eher einer Heilslehre zugeordnet als einer wissenschaftlichen Methode. Das Gesagte gilt prinzipiell auch für die anderen tiefenpsychologischen Schulrichtungen (Komplexe Psychologie von C.G. Jung, Individualpsychologie nach Alfred Adler, Neopsychoanalyse nach Schultz-Hencke).
PSYCHIATRIE. Die Psychiatrie ist ein Fachgebiet der Medizin, das sich insbesondere mit Geistes- und Gemütskrankheiten befasst: schwere Depressionen, Psychosen, Schizophrenien, Zwangs- und Angstneurosen, Suchtkrankheiten, psychosomatische Störungen usw. Sie geht diese Erkrankungen in erster Linie mit medizinischen Mitteln an, z.B. mit Medikamenten (Sedativa, Thymoleptika, Neuroleptika, etc.), Konvulsionstherapie (Elektrokrampftherapie), Schlafentzug, Ergotherapie, rehabilitative Maßnahmen und natürlich auch Psychotherapie. Ein Psychiater kann gleichzeitig Neurologe und Psychotherapeut sein. In den meisten Fällen sind psychotherapeutisch arbeitende Ärzte psychoanalytisch ausgerichtet. Bei aller Begrenztheit gerade dieser Disziplin können wir für so manche Fortschritte in der medikamentösen Behandlung von Depressionen und Geisteskrankheiten dankbar sein. Auch die Psychiatrie ist aus christlicher Sicht in manchen ihrer therapeutischen Ansätze kritisch zu beurteilen, kommt doch bei ihr das unbiblische Menschenbild weitaus stärker zum Tragen als bei den anderen medizinischen Fachgebieten.
PSYCHOLOGIE. Über die Psychologie als die Wissenschaft vom Verhalten und Erleben des Menschen finden Sie einen ausführlichen Artikel ab Seite 87.
Lektion 2:
DIE PSYCHISCHEN GRUNDFUNKTIONEN /2
1. Die Funktion des Willens
Obwohl dem Willen eine hohe Bedeutung zukommt, wird er in der modernen Psychologie überhaupt nicht thematisiert. Zwar hat einer der Begründer der erfahrungswissenschaftlich orientierten Psychologie, Wilhelm Wundt, Untersuchungen zum Willen des Menschen gemacht, doch in der heutigen Psychologie spielt der Wille keine Rolle mehr. Es gibt viel Forschung zum Denken, Fühlen und Verhalten des Menschen, aber keine über den Willen, jedenfalls nicht als eine dem Denken und Fühlen ebenbürtige Funktion der Psyche. Der Wille kommt nur indirekt in dem Begriff „Verhalten“ vor. Das Wort Gottes zeigt uns aber, dass der Wille die eigentliche bewegende Kraft des Herzens ist.
1.1 Der Wille – die bewegende Kraft des Herzens
Der Wille ist die oberste Funktion des Menschseins überhaupt. Durch die enge Verbindung zwischen Geist und Wille wird die Beziehung des menschlichen Willens zum göttlichen oder auch dämonischen „ruwach“ angedeutet (Ri 9,23: „da sandte Gott einen bösen Willen“ [oder Geist]). Der Wille ist das Zentrum, der Sitz der beeinflussbaren Regungen des Menschen, die Seelenfunktion, durch die der Mensch befähigt ist, sich zu entscheiden, z.B. zwischen Gott und Satan, zwischen dem Guten und dem Bösen.
Begriffe:
Hebräisch:
„nephesh“
Seele, Selbst, Geschöpf, Wunsch, Gemüt
„ruach“
Geist, Wind, Atem
Griechisch:
„thelêma“
Wille Gottes und Wille des Menschen
Fast alles Verhalten ist willkürlich, also vom Willen bestimmt. Ausgenommen sind lediglich die Reflexe. Sie stellen aber nur einen winzigen Ausschnitt aus dem Gesamtverhalten des Menschen dar. Sie werden nicht vom Gehirn gesteuert, sondern vom Rückenmark, weshalb sie auch sehr rasch funktionieren. Verhalten ohne Beteiligung des Willens sind also nur die Reflexe, alles andere Verhalten ist Handlung. Jede Handlung, sei sie auch noch so unbedeutend, ist willentlich (auch wenn ich mich nur am Kopf kratze). Die Beteiligung des Willens an den verschiedenen Handlungen ist aber sehr unterschiedlich. Um z.B. ein Brot zum Mund zu führen bedarf es keiner starken Willensbeteiligung. Weit mehr ist schon gefordert, um einen Vortrag vorzubereiten, noch mehr, wenn es darum geht, ein Haus zu bauen! Jede Handlung ist zielgerichtet, auch wenn uns das nicht immer bewusst ist! Es können uns in unserem Handeln Ziele bestimmen, die tief in unserem Herzen verborgen sind und über die wir uns keine Rechenschaft geben.
Da geht ein Student abends vor einer Prüfung noch mit Freunden aus und betrinkt sich, kommt sehr spät nach Hause, hat wenig Schlaf und geht so in die Prüfung. Man fragt sich: Warum macht der so etwas? Er selbst würde diese Frage vermutlich nicht recht beantworten können. Und dennoch steht dahinter ein Ziel, möglicherweise das Ziel, sich schon vor der Prüfung eine mögliche Rechtfertigung für den Fall des Versagens zu schaffen: „Ich habe die Prüfung nicht bestanden, weil ich einfach schlecht drauf war. Nach so einer Nacht ist das ja auch kein Wunder!“ Aber Vorsicht: Solche Deutungen sind nicht immer unproblematisch, weil man sich da auch leicht täuschen kann.
1.2 Bewusstheit und Nähe des Wollens
Wieder können wir, wie beim Denken nach dem Grad der Bewusstheit und der Nähe unterscheiden (siehe Abb. 1-1, Seite 1).
1.2.1 Bewusste, aber periphere Willensäußerungen
Es handelt sich hier um Willensäußerungen, die nicht unserem Persönlichkeitskern zugehören. Eine Frau sagt zu ihrem Mann: „Ich geh‘ eben mal einkaufen.“ Das ist eine Willensäußerung, die aber normalerweise keine besondere Bedeutung hat. Solche Willensimpulse haben wir ständig und sie sind enorm wichtig, weil sonst nichts funktionieren würde.
1.2.2 Bewusste Willensäußerungen, die dem Herzen zugehören
Wenn wir zu einem Bruder oder einer Schwester sagen, dass wir für ihn oder sie beten wollen, dann handelt es sich (hoffentlich) um eine dem Herzen zugehörige Willensäußerung. Paulus gibt im 1. Korintherbrief ein Beispiel: „Wer aber im Herzen feststeht und keine Not, sondern Macht hat über seinen eigenen Willen und dies in seinem Herzen beschlossen hat, seine Jungfrau zu bewahren, der handelt gut.“ (1Kor 7,37) Wenn es darum geht, die eigene Tochter zu verheiraten, dann ist das sicher eine Sache, die dem Herzen nähersteht, als ein Einkauf im Supermarkt. Unser Gottesdienst sollte diesem Bereich des Herzens zugehören. In Matthäus 15,8 zitiert Jesus ein Wort aus dem Buch Jesaja, wo Gott sich wegen seines Volkes beklagt: „Dieses Volk naht sich zu mir mit seinem Mund und ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist fern von mir.“ Es wäre schlimm, wenn unsere Gottesbeziehung nur in der Peripherie unserer Persönlichkeit angesiedelt wäre.
1.2.3 Unbewusste Willensäußerungen
Es gibt Entscheidungen, die in unserem Herzen getroffen wurden und über die wir uns selbst keine Rechenschaft geben. Wir machen uns selbst und anderen vor, das Richtige zu wollen, doch im Herzen haben wir uns für das Falsche entschieden. So sagt es auch Salomo in Sprüche 21,2: „Jeder Weg eines Menschen ist recht in seinen Augen, aber der HERR prüft die Herzen.“ Das heißt doch, dass der HERR zu einer ganz anderen Einschätzung kommen kann, als wir sie selbst haben. Und das wiederum schließt ein, dass wir uns u.U. selbst belügen. Für diese Tatsache gibt es übrigens in der psychologischen Forschung eine ganze Menge Belege. Es kann uns also jemand sehr glaubhaft versichern, dass seine Motive rein und lauter waren, weil er selbst daran glaubt. Wir müssen das in der Seelsorge als eine Möglichkeit im Blick haben. Aber: Lasst uns dabei immer bedenken, dass nur der HERR die wahren Motive und Entschlüsse des Herzens sieht. Wir sollten also immer vorsichtig und zurückhaltend sein, wenn es darum geht, hier in Bezug auf andere ein Urteil zu fällen. Ansonsten werden wir leicht zum Richter des anderen. Lasst uns lieber ehrlich uns selbst gegenüber werden. Kenner der Herzen ist der Herr! Keiner sonst kann ins Herz des anderen sehen.
Doch nun zu der Frage: Wie ist ein funktionsfähiger Wille beschaffen? Es lassen sich beim Willen vier verschiedene Dimensionen