Lektüreschlüssel. Louis Malle: Au revoir, les enfants - Reiner Poppe - E-Book

Lektüreschlüssel. Louis Malle: Au revoir, les enfants E-Book

Reiner Poppe

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Beschreibung

Reclams "Fremdsprachen-Lektüreschlüssel. Louis Malle: Au revoir, les enfants" bezieht sich auf den fremdsprachigen Originaltext (in Reclams Roter Reihe), ist aber auf Deutsch verfasst und unterstützt ebenso die Lektüre der deutschen Übersetzung. Eine "Checkliste" enthält Aufgaben zur Verständniskontrolle in der Fremdsprache. Unter dem Darstellungstext stehen Übersetzungshilfen und Schlüsselbegriffe in der Fremdsprache, um die Bearbeitung dieser Aufgaben und ein fremdsprachiges Referieren über das Werk zu erleichtern. Der Band enthält: Erstinformationen zum Werk - Inhaltsangabe - Personen (Konstellationen) - Werk-Aufbau (Strukturskizze) - Wortkommentar - Interpretation - Autor und Zeit - Rezeption - Checkliste zur Verständniskontrolle - Lektüretipps mit Filmempfehlungen.

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Seitenzahl: 76

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LEKTÜRESCHLÜSSELFÜR SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER

Louis Malle

Au revoir, les enfants

Von Reiner Poppe

Reclam

Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe in der Originalsprache: Louis Malle: Au revoir, les enfants. Scénario. Hrsg. von Wolfgang Ader. Stuttgart: Reclam, 1993 [u. ö.]. (Universal-Bibliothek. 9290.)

2007, 2013 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 DitzingenRevidierte Ausgabe 2008Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. GmbH, Siemensstraße 32, 71254 DitzingenMade in Germany 2018RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, StuttgartISBN 978-3-15-960233-2ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015382-6

www.reclam.de

Inhalt

1. Erstinformation zum Werk

2. Inhalt

3. Personen

4. Struktur und Sprache

5. Interpretation

6. Autor und Zeit

7. Rezeption

8. Dossier pédagogique

9. Lektüretipps / Medienempfehlungen

Anmerkungen

1. Erstinformation zum Werk

Au revoir, les enfants (1987) zählt zu den bedeutendsten französischen Filmen des späten 20. Jahrhunderts. Er behandelt aus der ganz persönlichen Erinnerung des Autors, Produzenten und Regisseurs Louis Malle (1932–95) eine Episode aus der Zeit der deutschen Besetzung Frankreichs während des Zweiten Weltkrieges (1940–44):

In einem katholischen Internat einer französischen Kleinstadt werden im Jahr 1944 drei jüdische Schüler unter falschem Namen aufgenommen und versteckt. Zwischen einem nichtjüdischen Schüler (Julien Quentin) und einem der jüdischen Schüler (Jean Kippelstein) entwickelt sich eine Freundschaft, die zu Ende ist, noch ehe sie sich unter den gegebenen Umständen richtig entfalten kann. Der Küchengehilfe Joseph, mit dem die Schüler ihren Spott treiben und der gern zum allgemeinen Sündenbock gemacht wird, verrät die Namen der versteckten Schüler an die Gestapo. Der Internatsleiter und die jüdischen Schüler werden verhaftet. Das Internat wird geschlossen. Die Verhafteten kommen in den berüchtigten Konzentrationslagern Auschwitz und Mauthausen um.

Louis Malle war bereits ein arrivierter und vielfach ausgezeichneter Filmemacher, als er nach seiner Rückkehr aus den USA, wo er zwischen 1977 und 1986 gelebt und gearbeitet hatte, Au revoir, les enfants drehte. Den Anstoß dazu hatte schon die Arbeit an Lacombe Lucien im Jahre 1973 gegeben, ein Film über den französischen Widerstand und die Kollaboration, zu dem Malle intensive Vorstudien betrieben hatte. Vieles aber, was er über die schwere Zeit Frankreichs unter deutscher Besatzung sagen wollte und von dem, woran er sich während seiner Recherchen mehr und mehr erinnerte, blieb in jenem Film ungesagt. Das circa 40 Jahre zuvor Geschehene arbeitete jedoch in ihm und drängte nach weiteren Formen der Bewältigung und Gestaltung. Verstärkt wurden Malles Erinnerungen an die »années noires«, die aufgewühlten Jahre 1942–44 in Frankreich, durch den Barbie-Prozess, der 1987 in Paris stattfand. Mit dem Namen des ehemaligen Nazi-Hauptsturmführers Klaus Barbie1 verband sich für die französische Öffentlichkeit die Erinnerung an die Zeiten von Terror und Gegenterror in Frankreich unter der Nazi-Okkupation. Als das Nazi-Reich unterging, rettete sich Barbie nach Südamerika. Die bolivianische Regierung lieferte ihn 1983 an Frankreich aus. Wegen seiner grausamen Folterungen und Morde an französischen Widerstandskämpfern und an der Zivilbevölkerung war er als »Schlächter von Lyon« vor Gericht gestellt worden. Das internationale Interesse an diesem Prozess war groß. Barbie wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Bereits vier Jahre später starb er am 25. September 1991 im Krankenhaus des Gefängnisses von Lyon.

Die Deutschen hatten am 14. Juni 1940 Paris eingenommen und besetzt. Drei Tage später wurde der ehemalige »Held von Verdun« aus dem Ersten Weltkrieg, Henri Philippe Pétain (1856–1951), beauftragt, eine neue Regierung zu bilden und mit den Deutschen über einen Waffenstillstand zu verhandeln.2 Der Waffenstillstandsvertrag wurde am 22. Juni 1940 unterschrieben. Teil des Vertrages war die Zweiteilung Frankreichs. Der südliche Teil (ca. 40%) wurde der französischen Regierung zugewiesen. Sie etablierte sich in dem kleinen Badeort Vichy. Dieser Teil Frankreichs sollte gemäß dem Vertrag unbesetzt bleiben. Die übrigen Landesteile kontrollierte die deutsche Besatzungsmacht von Paris aus. Von der Vichy-Regierung erwarteten die Deutschen Loyalität und uneingeschränkte Zusammenarbeit. Pétain sicherte sie ihnen zu und versuchte den Franzosen im ganzen Lande klarzumachen, dass dies der einzige Weg sei, Frankreich vor Schlimmerem zu bewahren. Pétains Regierung, die sich ab 11. Juli 1940 »État français« nannte, wurde von der Mehrzahl der Franzosen akzeptiert und von den USA und der Sowjetunion diplomatisch anerkannt. Als Regierungschef fungierte Pierre Laval (1833–1945), während Pétain – zu diesem Zeitpunkt bereits ein alter Mann von 84 Jahren – das Amt des Staatspräsidenten mit nahezu unbeschränkten Machtbefugnissen innehatte.3 Nur wenige Tage nach der Besetzung Frankreichs bildete Charles de Gaulle in London eine Gegenregierung. Von dort aus wurde der Widerstand gegen die Okkupanten und das willfährige Vichy-Regime organisiert. Pétain musste sich vorwerfen lassen, immer faschistischer zu werden und sich dem deutschen Druck nicht nur zu beugen, sondern diesen durch eine ungeheure Repressionspolitik noch zu verstärken. Neben Kriegsgefangenen wurden französische Arbeiter (zwangsweise) nach Deutschland geschickt. Nach deutschem Vorbild wurden »Judengesetze« eingeführt (Judenstatuten vom 3. Oktober 1940, 2. Juni 1941) und durch Razzien und Massenverhaftungen (16./17. Juli 1942) brutal umgesetzt. Ab 1942 wurden circa 200 000 französische und ausländische Juden in die deutschen Konzentrationslager weit im Osten des ehemaligen »Reiches« verschleppt. »Die Männer, die das Judenstatut unterzeichnet haben, haben nicht an Auschwitz gedacht und es auch nicht gewollt, und die rachsüchtige Reden führender Mitglieder der »Légion« [einem militärischen Verband französischer Kollaborateure] vom Herbst 1940 sind nicht die zukünftigen Foltermilizionäre vom Frühling 1944«, lesen wir bei Olivier Baruch.4 Dennoch, so führt er weiter aus, haben sie es »möglich gemacht«5, indem sie sich für den Weg der Kollaboration entschieden. Dieses Vichy erschreckte und empörte große Teile der Bevölkerung. Die Widerstandsbewegung weitete sich auf ganz Frankreich aus.

Als Frankreich von den Deutschen besetzt wurde, war Louis Malle acht Jahre alt. Er erlebte die Jahre überwiegend außerhalb seines Elternhauses im Internat unweit Paris (Fontainebleau). Zu jung, um zu verstehen, was sich politisch im Lande und in der Welt ereignete, war Louis Malle jedoch sensibel, aufmerksam und intelligent genug, um das, was um ihn herum geschah, zu hinterfragen und zu reflektieren. Au revoir, les enfants ist seine Geschichte, in der sich die »années noires« facettenreich im Thema von Widerstand und Kollaboration (Patres, Moreau, Juden; Miliz), Verfolgung und Unterdrückung (Gestapo) widerspiegeln. Auch die bedrückende Alltagssituation mit Bombenalarm und Schwarzmarkt unter den Kriegsverhältnissen im Lande werden in dem Film lebendig. Sie geben in ihm jedoch nicht mehr als die historisch-politische Kulisse ab. Somit handelt es sich nicht um einen autobiografischen Film im eigentlichen Sinne.

Im Vordergrund stehen das Thema einer Freundschaft und das eines Verrats (Julien Quentin / Jean Bonnet; Joseph). Aber auch Julien begeht einen »Verrat«, vollkommen naiv und unbeabsichtigt, als die Gestapo alle Internatsangehörigen auf dem Schulhof antreten lässt, um die jüdischen Schüler zu identifizieren. Ausgerechnet in diesem Augenblick sucht Julien (d. h. Louis Malle) den Blickkontakt zu Jean Kippelstein, den es wirklich gegeben hat (er hieß Hans-Helmut Michel). Dieser Blick entgeht dem scharfäugigen und scharfsinnigen Gestapo-Chef Dr. Müller nicht. Die eigene »Schuld« hat Louis Malle nie vergessen können, ebenso wenig die Abschiedsworte des Père Jacques (Père Jean). Sie gaben dem Film den Titel.6 Obwohl in diesem Sinne sehr persönlich motiviert, enthält der Film eine Fülle fiktionaler Elemente, in denen die seinerzeit erfahrene Wirklichkeit ergänzt bzw. verändert worden ist (die Person Joseph etwa oder die Geländespielszene). Au revoir, les enfants beschließt vorerst die Reihe jener Filme, die sich mit Problemen dieser auch heute noch für viele Franzosen »unbewältigten Vergangenheit« befassen und deren bekanntester François Truffauts Le Dernier Métro aus dem Jahre 1980 sein dürfte. Über die Ebene der persönlichen Auseinandersetzung mit den Erinnerungen an die eigene Kindheit hinaus griff Louis Malle in Au revoir, les enfants Themen auf, die sich in vielen seiner anderen Filme spiegeln: die Doppelmoral der Bourgeoisie, die unmoralische Welt der Erwachsenen durch die Augen von Kindern gesehen, die Nöte des Erwachsenwerdens mit Ängsten und Unsicherheiten, das Böse an sich und das Problem von Ethik und Moral menschlichen Handelns, besonders in Extremsituationen. Im Kapitel 5: »Interpretation« werden wir schwerpunktmäßig die Themen »Angst« und die »Omnipräsenz des Bösen« in den Mittelpunkt unserer Betrachtung rücken. Beide sind spezifisch für diesen Film und signifikant für Louis Malles Weltverständnis.

zu den bedeutendsten Filmen des 20. Jahrhunderts zählen: être l’un des films majeurs du 20ème siècle

ausgezeichnet: décoré(e)

die schwere Zeit unter deutscher Besatzung: les temps difficiles sous l’Occupation

eingenommen und besetzt: envahi(e) et occupé(e)

Loyalität; uneingeschränkte Zusammenarbeit: la loyauté; la coopération sans réserve

Gegenregierung: le contre-gouvernement

Juden … verschleppt: Juifs … déportés

unbeabsichtigt: sans intention, involontairement

Angst: la peur

Omnipräsenz des Bösen: l’omni-présence (f.) du mal

2. Inhalt

(Die mit fett gedruckten Ziffern versehenen Abschnitte sind für den Ablauf der Handlung besonders wichtig.)

1. Gare de Lyon, 3. Januar 1944: Mme Quentin verabschiedet ihre beiden Jungen Julien und François. Die Weihnachtsferien sind zu Ende, und sie müssen in ein von katholischen Priestern geführtes Kleinstadt-Internat zurückkehren. Mme Quentin versucht ihrem Jüngsten, dem der Abschied sehr schwerfällt, Mut zu machen. – François tritt hinzu. Er raucht eine Zigarette; die Ermahnungen seiner Mutter können ihn nicht beeindrucken. Spöttisch kommentiert er den zärtlichen Abschied seines Bruders von ihr. Er selbst umarmt sie nur flüchtig.

2. Julien sitzt allein in einem Zugabteil. Er weint. Unter den anderen Schülern, die sich auf die übrigen Sitze verteilt haben, sind lautstarke Balgereien im Gange.