Leon und die Geisel - Band 2 - Eva Maaser - E-Book

Leon und die Geisel - Band 2 E-Book

Eva Maaser

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Beschreibung

Ihr war heiß, sie schwitzte, aber nicht wegen ihres Wollrocks. Sondern vor Angst. Immer wieder drehte sie sich um und spähte über die Schulter zurück. Stralsund im Jahr 1334: Anna rennt kopflos über den Markt. Ihr kleiner Bruder Heyno ist verschwunden! Wie oft hat sie sich gewünscht, den Quälgeist loszuwerden. Nun aber muss sie Hilfe holen: ihren besten Freund Leon, den Waisenjungen, der im Katharinenkloster aufwächst. Gemeinsam machen sich die beiden auf die Suche nach Heyno. Ihr Weg führt sie auf ein Handelsschiff, das nach Skanör fährt. Unterwegs wird das Schiff von Piraten überfallen. Und Anna gerät in ihre Gewalt! Leon hat nur noch ein Ziel: Anna heil von dem Schiff zu bringen … Ein mitreißender Mittelalter-Krimi – spannend und hautnah erzählt. Jetzt als eBook: „Leon und die Geisel“ von Eva Maaser. dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Stralsund im Jahr 1334: Anna rennt kopflos über den Markt. Ihr kleiner Bruder Heyno ist verschwunden! Wie oft hat sie sich gewünscht, den Quälgeist loszuwerden. Nun aber muss sie Hilfe holen: ihren besten Freund Leon, den Waisenjungen, der im Katharinenkloster aufwächst. Gemeinsam machen sich die beiden auf die Suche nach Heyno. Ihr Weg führt sie auf ein Handelsschiff, das nach Skanör fährt. Unterwegs wird das Schiff von Piraten überfallen. Und Anna gerät in ihre Gewalt! Leon hat nur noch ein Ziel: Anna heil von dem Schiff zu bringen …

Ein mitreißender Mittelalter-Krimi – spannend und hautnah erzählt.

Über die Autorin:

Eva Maaser, geboren 1948 in Reken (Westfalen), studierte Germanistik, Pädagogik, Theologie und Kunstgeschichte in Münster. Sie hat mehrere erfolgreiche Kinderbücher, historische Romane und Krimis veröffentlicht.

Ebenfalls bei dotbooks erschienen Eva Maasers Kinderbücher Leon und der falsche Abt, Leon und die Teufelsschmiede und Leon und der Schatz der Ranen.

***

Neuausgabe April 2013

Copyright © der Originalausgabe 2008 SchneiderBuch verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH, Gertrudenstraße 30–36, 50667 Köln

Copyright © der Neuausgabe 2013 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: akg-images/Hoppe/Teller, Porträtbild: akg-images/J.C. Rößler

ISBN 978-3-95520-215-6

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Eva MaaserLeon und die Geisel

Band 2

dotbooks.

1

So schnell sie konnte, ließ Anna den Markt von Stralsund mit seinen Buden und Ständen hinter sich. Ihr war heiß, sie schwitzte, aber nicht wegen ihres Wollrocks. Sondern vor Angst. Immer wieder drehte sie sich um und spähte über die Schulter zurück.

Wo war Heyno?

Ihr siebenjähriger Bruder war auf einmal verschwunden gewesen. Einen kurzen Moment hatte sie sogar aufgeatmet. Endlich war sie den Quälgeist los, der sie mit seiner feuchten, schmutzigen Jungenhand hierhin und dorthin gezerrt hatte. Zu einem Wurf junger Hunde, die feilgeboten wurden, zum Bäcker mit seiner Zuckerware und zuletzt zu einem Gaukler, der mehr schlecht als recht mit fünf Bällen jonglierte, von denen er einen prompt fallengelassen hatte. Anna hatte über den Tölpel gelacht und den Ball aufgehoben, der ihr vor die Füße gerollt war. Und dann war Heyno nicht mehr an ihrer Seite gewesen.

Versteckte er sich vor ihr? Aber doch nicht so lange! Das war kein Spaß mehr!

Überall zwischen den Marktbuden und Karren hatte sie ihn gesucht, während das schlechte Gewissen immer heftiger an ihr nagte. Hatte sie nicht schon tausendmal gewünscht, den lästigen kleinen Kerl für immer los zu sein? Hatte sie das jemals ernst gemeint? Sie wusste nur, dass sie ihn allein nicht finden würde. Sie brauchte Hilfe. Dringend. Der vertraute Markt war auf einmal kein sicherer Ort mehr für einen kleinen Jungen. Fremde wie dieser Gaukler trieben sich dort herum.

Anna fiel das Atmen schwer, während sie in die Mönchstraße einbog, in der das Katharinenkloster lag. Das Tor in der hohen Mauer stand offen, um einen kleinen Karren mit Kornsäcken und einem Bierfass hineinzulassen. Wahrscheinlich die Spende eines frommen Stralsunder Bürgers.

Anna fegte am Bruder Pförtner vorbei, der sie verblüfft anstarrte und ihr verspätet etwas nachrief, was sie nicht verstand. Sie musste Leon finden, ihren besten Freund. Wo mochte er um diese Stunde sein? Sie hoffte nur, ihn nicht auf der Schweinewiese draußen vor der Stadtmauer suchen zu müssen. Bitte Gott, flehte sie inbrünstig, mach, dass er in einem der Gärten arbeitet.

Leon zog die Harke über den Weg und achtete darauf, dass die kleinen Furchen so gerade wie möglich ausfielen. Er hasste diese langweilige Arbeit von ganzem Herzen. Für gewöhnlich führte er sie schlampig aus, da sie letztlich für die Katz war. Im Kräutergarten trieb sich immer jemand herum, der seine Arbeit gleich wieder zunichte machte.

Für die Katz, für die Katz, zischte er unablässig aber so gut wie unhörbar zwischen den Zähnen hervor. Aus einer gewissen Entfernung mochte es sich wie Beten anhören. Hoffte er wenigstens.

Nicht weit von ihm entfernt standen einige Mönche auf dem kleinen Rasenstück in der Mitte des Kräutergartens. Sie waren in eine ernste, auf Latein geführte Unterhaltung vertieft. Nur hin und wieder schnappte er ein Wort davon auf. Es schien um eine Reise zu gehen, um eine wichtige und notwendige Mission.

Neben Abt Liudger gehörte Arnulf, der Cellerar oder Klosterverwalter, zu der Gruppe und außerdem Gernod, wie der Abt einer der älteren Brüder. Er war sowohl Apotheker als auch Arzt, einer der angesehensten Mönche des Katharinenklosters und weit über die Grenzen Stralsunds hinaus für seine Heilkunst berühmt. Der vierte war ein Fremder. Ein rundlicher, kurzbeiniger Mann um die vierzig mit weichen Gesichtszügen und grämlicher Miene. Edgar van Berghe. Ein Kollektor, der am Vortag mit zwei Knechten eingetroffen war und Unterkunft im Kloster gefordert hatte. So wie er auftrat, war sein Erscheinen eins der wichtigeren Ereignisse des Jahres 1334. Neugierig hatte sich Leon sofort nach dem Besucher erkundigt und erfahren, dass er ein hoher Würdenträger der Kirche war, - wie alle Kollektoren. Was allerdings ein Kollektor war, hatte er noch nicht ausreichend in Erfahrung bringen können. Sicher war nur, dass Edgar van Berghe mit Geld zu tun hatte, mit außerordentlich viel Geld. Leider verstand Leon von Geld nicht besonders viel.herauch? Er selbst besaß nicht einmal einen Kupferpfennig.

Cellerar Arnulf wirkte nervös, fast schon ein bisschen gereizt. Immer wieder trat er von einem Fuß auf den anderen und spähte mit einer ruckhaften Bewegung zu Leon, was diesem jedesmal einen kleinen Stich versetzte. Arnulf gehörte nicht gerade zu seinen Wohltätern im Kloster.

Auf einmal hörte Leon jemanden rufen. Jemand mit ungewöhnlich hoher Stimme. Eine Mädchenstimme!

Annas Stimme!

Nicht jetzt, dachte Leon entsetzt. Nicht hier. Von größtem Unbehagen erfüllt, ließ er die Harke sinken.

Anna preschte auf ihn zu und schien die anderen gar nicht wahrzunehmen. Was fiel ihr bloß ein, hier einzudringen? Der Kräutergarten war praktisch geheiligter Bezirk, nur den Mönchen vorbehalten. Hier schnappten die Genesenden aus dem Krankenrevier Luft, oder Klosterbrüder gingen ihren Meditationsübungen nach. Denn der Garten war wegen seines Dufts nach frischen, aromatischen Kräutern und ein paar Blumen sehr beliebt.

Jetzt lag nur noch ein etwas breiteres Beet zwischen Anna und ihm und zwang sie, anzuhalten. Ja, sie wollte etwas von ihm. Nur von ihm. Leon fühlte sich überrumpelt. Vor allem im Beisein der vier Mönche, die sich verblüfft so gedreht hatten, dass sie volle Sicht auf Anna hatten. Und auf ihn.

Leon spürte, wie er klatschmohnrot wurde.

Anna schrie. Irgendetwas über ihren kleinen Bruder, einen unausstehlichen Schlingel, der Leon gern bei jeder Gelegenheit gegen das Schienbein trat oder ihn unvermutet mit voller Kraft in die Rippen boxte.

Anscheinend war Heyno verschwunden. Sollte Anna doch froh sein. Hatte sie nicht mal behauptet, sie würde den lästigen Knirps gern im Brunnen ertränken? Vielleicht hatte das jemand anders für sie besorgt.

Leon zwang sich, die Harke wieder über den Weg zu ziehen. Dabei sah er verstohlen Anna ins Gesicht und wunderte sich über ihre Verzweiflung. Sie kannte doch ihren Bruder! Sicher war er einem Pferd oder Hund nachgelaufen. Na und? Er würde wieder auftauchen. Nur weil ihn Anna so oft zum Teufel gewünscht hatte, regte sie sich jetzt auf. Wenn Wünsche wahr werden, weiß man erst, was sie wert sind, würde Gernod sagen, der ihn immer wieder vor unklugen, unbedachten Äußerungen gewarnt hatte.

Zufällig streifte Leons Blick das Gesicht des Kollektors und schauderte unwillkürlich. Annas Auftritt würde dem Ruf des Kloster schaden, und Arnulf würde prompt ihm, Leon, die Schuld daran geben. Schließlich war Anna nur seinetwegen hier.

„Was ist jetzt? Kommst du und hilfst mir, ihn zu suchen?“, schrie Anna. Sie beherrschte kaum noch ihre Stimme.

Auf Arnulfs Gesicht braute sich eine wahre Gewitterwolke unverhüllten Zorns zusammen. Die Miene des Kollektors spiegelte dagegen tiefen Abscheu, ja schon Verachtung wider. In diesem Moment war sich Leon allzu bewusst, dass er im Kloster nur geduldet wurde, er gehörte gar nicht her. Sein Leben hier hing ganz von der Gnade der Mönche ab. Sie hatten ihn, den Sohn ihres Schweinehirten Swinefoot, eines berüchtigten Trunkenbolds, nach dessen Tod vor vier Jahren aufgenommen und zogen ihn seitdem groß. Gewährten ihm sogar Unterricht, obwohl nichts sie dazu verpflichtete. Jetzt war Leon dreizehn. Wohin sollte er gehen, wenn sie ihn hinauswarfen?

Nicht ein Meister in der Stadt würde ihn als Lehrling nehmen, denn in ihren Augen und nach den Gesetzen der Stadt war er ein Bastard, er war von unehelicher, das hieß unehrlicher Geburt. Niemand würde sich um ihn scheren. Flüchtig dachte Leon an die einzige Person, die ein Anrecht auf ihn geltend machen könnte, es aber ums Verrecken nicht tat. Ihm war das recht so, er dachte nur höchst ungern an diesen Mann.

Bruder Gernods Augenbraue zuckte fragend nach oben. Sonst blieb sein Miene so ausdruckslos wie die Abt Liudgers. 

Leon lief der Schweiß in einem unangenehmen kleinen Bach den Rücken hinunter. Seine Haut prickelte und juckte.

Was erwartete Anna von ihm? Dass er sich vor den Mönchen mit ihr über das Verschwinden ihres Bruders unterhielt? Wahrscheinlich war der unleidliche Bengel längst allein nach Hause gelaufen. Der Amtssitz des Vogts von Stralsund lag nicht weit vom Katharinenkloster entfernt am Neuen Markt. Vogt Witzlaf war Annas und Heynos Vater.

„Du hörst mir ja gar nicht zu, schrie Anna außer sich. „Ist es dir zuviel, um was ich dich bitte?“

Leon wollte jetzt etwas sagen, aber die Zunge klebte ihm am Gaumen. Es war alles schrecklich peinlich, und Anna merkte es nicht einmal. Sie war voll und ganz mit ihrem Problem beschäftigt und scherte sich nicht um das, was sie ihm gerade aufhalste. Wahrscheinlich würde er kein Abendbrot bekommen und zur Buße in der Kirche zehn paternoster auf den Knien beten müssen.

„Eine Schande“, ließ sich der Kollektor dumpf vernehmen.

Arnulf trat einen Schritt auf Anna zu. Da fuhr sie herum und sah endlich die anderen. Sie stieß einen wehen Laut aus und drehte sich wieder zu Leon um.

„Ich verstehe“, sagte sie leise, aber deutlich genug, sodass auch die Mönche sie hören mussten. „Es ist dir unangenehm, dass ich hier bin. Ich bringe dich in Verlegenheit. Du bist, du bist ...“, sie schnappte nach Luft, „... ein elender Feigling, Leon Swinefootsohn! Das hätte ich nie und nimmer von dir gedacht!“ Anna wirbelte herum und lief mit gerafften Röcken davon. Als deutlich und für alle sichtbar ihre milchweißen Waden aufblitzten, keuchte der Kollektor zutiefst angewidert auf.

„Sündhaft!“, bellte er zornig.

Sie trägt nicht einmal Strümpfe, dachte Leon, sie zeigt ihre nackten Beine, auch das noch, das gibt fünf pater noster extra. Ängstlich schaute er zu den Mönchen und bemerkte verblüfft, dass Gernod einen winzigen Moment grinste.

Hatte er wirklich gegrinst?

Seine Miene war so ausdruckslos wie zuvor.

„Das wird Konsequenzen haben“, polterte Arnulf. „Verzeiht, Bruder Edgar, ich hab schon immer gesagt, der Bengel kennt keine Zucht, er gehört gar nicht ...“

Leon schaute Anna nach. Und wie eine große Welle überkam ihn auf einmal tiefe Scham. Arnulf fuhr fort, sich ausführlich über sein schlechtes Benehmen und seinen Ungehorsam zu verbreiten, aber er hörte nicht mehr hin. Nur Anna zählte jetzt noch. Anna, die ihn um Hilfe angefleht und die er gerade im Stich gelassen hatte.

Und während Arnulf drohend näher herantrat, nahm Leon die Harke in beide Hände. Er stemmte sie auf den Boden, holte tief Luft und schwang sich mit Hilfe des Stiels in hohem Bogen über das Beet auf den nächsten Weg zur Gartenpforte. Dann ließ er die Harke fallen und rannte Anna nach.

2

„Sie ist da lang“, sagte der Bruder Pförtner gemütlich, sobald er Leon heranpreschen sah, und wies nach links.

Ohne zu zögern jagte Leon durchs Tor und folgte der angezeigten Richtung. Ein Stück vor ihm leuchtete Annas roter Rock, sie bog gerade in eine Nebenstraße ein.

„Anna!“

Er musste sich schon etwas mehr beeilen, wenn er sie einholen wollte. Leon wich einem Pferdegespann aus, sprang über ein Hündchen, schob ein Schaf beiseite, das ihm entgegentrottete und im Begriff war, ihm samt dem Hirten den Weg zu versperren.

Wo war Anna jetzt? 

Bestimmt hatte sie ihn abgeschrieben, aber das würde er nicht zulassen. Jetzt schon gar nicht, wo er so offensichtlich die Klosterregeln gebrochen hatte. Mädchenbesuch! Im Beisein des Abts davongelaufen! Das roch nach ewiger Verdammnis.

Vor der nächsten Quergasse erwischte er Anna am Rock und hielt sie fest. Wie eine Katze mit wütend ausgefahrenen Krallen ging sie auf ihn los.

„Hau ab! Verkriech dich hinter dem Rücken deiner Mönche! Ich hab verstanden, was ich dir wert bin. Nämlich gar nichts! Du bist bloß ein kleiner, kümmerlicher Wicht.“

Leon nickte kühl.

„Und ein Feigling. Das hast du schon gesagt. Du brauchst es nicht zu wiederholen, alle haben es gehört.“

„Richtig! Und jetzt lass mich in Frieden, ich hab nämlich zu tun. Ich kann mich nicht länger mit dir abgeben.“

„Bist du endlich still?“, brauste Leon auf. „Wahrscheinlich schmeißen sie mich jetzt raus. Weißt du überhaupt, was du angerichtet hast? Wieso glaubst du, nur weil du die Tochter des Vogts bist, kannst du dir alles erlauben?“

Der letzte Satz verschlug ihr die Sprache, aber nur für einen kurzen Moment. „Ach was! Du willst mich nur davon abbringen, dass du dich meinetwegen geschämt hast. Ich hab’s dir genau angesehen. Ich sag’s noch mal: Hau ab, geh beten, tu Buße oder was ihr im Kloster so tut, wenn ihr eine Regel übertreten habt“, sagte sie voller Hohn.

Leon hätte sie schütteln können. Er streckte schon die Hände nach ihr aus, sah ihr aber plötzlich in die Augen und erkannte im selben Moment, wie sehr ihr Gefauche dazu diente, ihre innere Not zu überdecken.

„Die Buße kommt noch, darauf kannst du wetten“, sagte er einigermaßen ruhig. „Aber das lass meine Sorge sein. Erzähl lieber, was passiert ist.“

Misstrauisch zögerte sie, wischte sich mit dem Ärmel über die Nase und warf ihren dicken blonden Zopf über die Schulter zurück auf den Rücken.

„Mein Bruder ist einfach weg.“ Ein Schluchzer stahl sich in ihre Stimme.

„Ich kann mich erinnern, dass du dir das mindestens tausendmal gewünschst hast“, bemerkte Leon trocken. „Hätte ich an deiner Stelle auch.“ Der kleine Heyno war das verzogenste Kind, das er kannte.

„Du, du Armleuchter ...“, schimpfte Anna, und sofort ging der Streit in die nächste Runde. Erst als ihnen die Luft zum Weiterstreiten ausging, konnte Leon fragen, wo Anna den Jungen zuletzt gesehen hatte. Und während sie ihm haarklein auseinandersetzte, wo sie überall mit Heyno gewesen war, liefen sie Seite an Seite zum Alten Markt.

„Wen hast du nach ihm gefragt?“

Anna seufzte. „Ich glaube, jeden, der mir zuhören wollte. Aber es hat ihn einfach kaum jemand bemerkt, er ist ja bloß ein Kind. Hast du gewusst, wie viele kleine Jungen sich an Markttagen zwischen den Ständen herumtreiben?“

„Trotzdem, wir fragen noch einmal. Sag mir, was er anhat, und wir beschreiben ihn so genau, wie wir können.“

„Einen grünen Wollkittel, er hat einen ganz gewöhnlichen grünen Wollkittel an und braune Hosen.“

„Das ist doch schon mal was. Wir finden bestimmt bald eine Spur von ihm“, sagte Leon zuversichtlich.

„Und wenn nicht?“

„Dann suchen wir weiter.“ Angestrengt dachte Leon nach. Was würde einen Jungen anlocken, der abenteuerlustig die Stadt durchstreifte? Noch machte er sich nicht allzu viele Sorgen um ihn. Heyno war zwar noch klein, aber nicht dumm. Alles im allem hielt er Annas Furcht für übertrieben. So schnell verschwand ein Junge nicht aus Stralsund.

Den Markt hatten sie durchkämmt und keinerlei brauchbare Auskünfte erhalten. Inzwischen liefen sie ein Stück die Gassen ab, die vom Markt wegführten und riefen immer wieder nach Heyno. Vielleicht hatte ihn etwas in einen der Hinterhöfe gelockt, die von schmalen Durchgängen aus zu erreichen waren.

Vor der Jacobikirche saß ein Bettler und schaute ihnen mit leeren Blick entgegen. Erst als sie näher heran waren, sah Leon, dass es sich um einen Aussätzigen handelte. Die Hände des Mannes waren verbunden, aber er konnte erkennen, dass sich unter den grauen Lappen nur Stummelfinger verbargen. Und das halbe Gesicht war schon von der furchtbaren Krankheit weggefressen. Die Augen lagen in tiefen Höhlen. Wahrscheinlich lebte der Mann im Hospital zu St. Jürgen vor der Stadtmauer am Knieperteich. Es gab zum Glück nicht viele dieser Kranken in Stralsund, aber die wenigen flößten Leon jedesmal ein Schaudern ein.

Anna rannte zügig an dem Mann vorbei. Leon drehte sich zu ihm um, sah aber, dass dieser sich nicht rührte und nicht einmal die Bettelschale vorschob.

3

Zwei Stunden später hielten sie erschöpft inne. Sie hatten die halbe Innenstadt rund um den Markt abgesucht, hatten sich beinahe heiser nach Heyno gerufen und nichts erreicht. Noch einmal hatten sie den Aussätzigen gesehen, der reglos an ihnen vorbeistarrte und Leon das Gefühl gab, eine ganz und gar sinnlose Sache zu verfechten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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