Lernen mit Big Data - Viktor Mayer-Schönberger - E-Book

Lernen mit Big Data E-Book

Viktor Mayer-Schönberger

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Beschreibung

Was heute noch undenkbar scheint, ist morgen schon Alltag – sprechende Übungsbücher, Schulaufgaben, die von den Schülern lernen. Schneller als gedacht, wird Big Data Einzug in Schulen und Klassenzimmer halten, so die These der beiden Experten und Erfolgsautoren Viktor Mayer-Schönberger und Kenneth Cukier. Und damit das Schulsystem und das Lernen von Grund auf verändern. Die beiden Autoren von Big Data erklären, welche Neuheiten uns erwarten. Und zeigen, dass es nicht nur positiv ist, den Fortschritt der Schüler und Studenten immer besser messen zu können. Vor lauter PISA und Rankings bleibt oft das Wesentliche auf der Strecke – eine gute Bildung. Die Gefahr ist, dass das Lernen von der Quantität der Daten dominiert wird, und nicht von der Qualität, von Kreativität oder von Ideen. Sie plädieren daher eindringlich dafür, unsere Bildungssysteme schnellstens zukunftsfähig zu machen.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ­http://d-nb.deabrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2014

© 2014 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© der Originalausgabe 2014 by Viktor Mayer-Schönberger and Kenneth Cukier. All rights reserved.

Die englische Originalausgabe erschien 2014 bei Houghton Mifflin Harcout unter dem Titel Learning with Big Data.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Andrea Kamphuis

Redaktion: Bärbel Knill, Landsberg am Lech

Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt, München

Satz: Georg Stadler, München

Druck: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt

Printed in Germany

ISBN Print 978-3-86881-225-1

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-302-1

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-421-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter

www.muenchner-verlagsgruppe.de

Inhalt
1. Kapitel Dämmerung
2. KapitelWandel
Feedback
Individualisierung
Auf Wahrscheinlichkeiten basierende Vorhersagen
3. KapitelPlattformen
4. KapitelFolgen
Die Permanenz der Vergangenheit
Vorbestimmte Zukunft
Befürchtungen ausräumen
5. KapitelMorgengrauen
Anmerkungen

1. KapitelDämmerung

Dawa konzentriert sich. Er bringt etwas Farbpigment auf die Spitze seines Pinsels auf. Dann zieht er mit einer bedächtigen Bewegung eine dünne schwarze Linie. Er wiederholt den Ablauf. Und noch einmal. Ganz langsam, über Stunden hinweg, nimmt das Thangka Gestalt an: eine Darstellung des Buddha auf einer Seidenrolle, voller bezaubernder geometrischer Details.

Draußen glitzern die schneebedeckten Himalaja-Gipfel rings um Thimphu, die Hauptstadt des Königreichs Bhutan, im Licht der späten Nachmittagssonne. Aber drinnen haben Dawa und seine Mitschüler, alle Anfang 20, alle in den gleichen blauen Roben, unter den wachsamen Blicken ihres mittelalten Ausbilders nur Augen für ihre Arbeit.1

Die Ausbildung zum Thangka-Künstler folgt alter Tradition. Dawa und seine Mitschüler sind nicht hier, um durch Bildung ihren Horizont zu erweitern, sondern um durch ihre Lehre Diziplin zu erfahren. Lernen heißt hier nicht hinterfragen, sondern nachahmen. Zahllose Regeln, die vor Jahrhunderten festgehalten wurden, legen exakt fest, was wo und wie gemalt zu werden hat. Dawas Lehrer sorgt dafür, dass die angehenden Künstler seinen Anweisungen genau Folge leisten und wiederholen, was Generationen von Thangka-Malern vor ihnen getan haben. Jede Abweichung, jeder Verstoß gegen die Regeln ist nicht nur verpönt, sondern verboten. Der beste Künstler ist der, der seinen Meister vollkommen kopiert. Der Lehrer weist ständig auf Unvollkommenheiten hin. Doch trotz dieses unmittelbaren Feedbacks ist es eine Form von Lernen nahezu ohne Daten.

Und es unterscheidet sich fundamental davon, wie der Informatiker Andrew Ng von der Stanford University seine Studenten über das Internet zum Thema »maschinelles Lernen« (ein Teilgebiet der Informatik) unterrichtet. Professor Ng (ausgesprochen ungefähr wie »Nnn«) hat Coursera mitgegründet, ein Start-up, das Online-Kurse anbietet. Sein Ansatz lässt erahnen, wie Big Data das Lernen revolutionieren wird.

Professor Ng sammelt Informationen über alles, was seine Studenten tun. So lernt er, was am besten funktioniert, und kann damit Systeme entwickeln, die das automatisch in seinen Kurs zurückspiegeln, um seinen Unterricht zu verbessern, die Stoffbeherrschung und die Leistungsfähigkeit seiner Studenten zu steigern und auf individuelle Bedürfnisse jedes Einzelnen einzugehen.2

Er verfolgt zum Beispiel, wie die Studenten mit seinen Videolektionen umgehen: wann sie diese ansehen, ob sie Pausen machen oder »vorspulen« oder das Video vorzeitig abbrechen – so, wie man sich im analogen Leben noch während einer Vorlesung aus dem Hörsaal schleicht. Professor Ng bekommt mit, ob sie dieselbe Lektion mehrmals anschauen oder zum Auffrischen auf eine frühere Folge zurückgreifen. Zwischen die Lektionen flicht er Abfragen ein. Damit will er nicht herausfinden, wer bei der Sache war; solche altertümlichen Übungen schulischer Disziplinierung interessieren ihn nicht. Vielmehr möchte er erfahren, ob seine Studenten das Gelernte wirklich verstehen – und wenn nicht, wo genau jede und jeder Einzelne hängen bleibt.

Indem er Hausaufgaben und Tests aufzeichnet, die an Computern oder Tablets durchgeführt werden, kann er genau feststellen, bei welchem Thema ein Student Unterstützung braucht. Er kann die Daten aller Teilnehmer zusammen auswerten, um zu ermitteln, wie der Kurs als Ganzes vorankommt, und seine Lektionen daran anpassen. Er kann diese Informationen sogar mit den Daten der Kurse aus den Vorjahren vergleichen, um zu ermitteln, was am besten funktioniert.

Dabei profitiert Professor Ng von dem Umstand, dass sich in seinen Kursen Zehntausende von Studenten tummeln – so viele, dass die Ergebnisse seiner Auswertungen statistisch signifikant sind, anders als in den meisten erziehungswissenschaftlichen Studien, die auf relativ wenigen Beobachtungen beruhen. Aber die Kursgröße selbst ist nicht entscheidend: Auf die Daten kommt es an.

Er hat diesen Daten schon jetzt außergewöhnliche Erkenntnisse abgewonnen. Zum Beispiel trat beim Tracking einer Reihe von Videolektionen eine zunächst verwirrende Anomalie zutage: Viele Studentinnen und Studenten sahen sich die Videos in der üblichen Reihenfolge an, aber nach einigen Kurswochen, etwa bei Lektion 7, kehrten sie zu Lektion 3 zurück. Weshalb?

Ng sah genauer hin und stellte fest, dass die Studenten in Lektion 7 aufgefordert wurden, eine Formel aus der linearen Algebra zu verwenden. Lektion 3 war eine Mathematik-Auffrischung. Offenbar trauten sich etliche Studenten mathematisch nicht viel zu und gingen zurück zur Auffrischungslektion. Und so baute Professor Ng seinen Kurs um: Er wiederholte genau an den Stellen mathematisches Handwerkszeug, an denen seine Studenten dazu neigten, die Flinte ins Korn zu werden – Stellen, die er mithilfe der Daten ermittelt hatte.

Ein andermal »sah« er, dass viele Studenten Lektionen zu einem bestimmten Thema wiederholten. Er sah es geradezu wörtlich vor sich, denn in seiner Datenvisualisierung wechselte der Farbton von Dunkelblau zu Rot, wenn die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein Nutzer in der normalen Kursabfolge weitermachen würde, unter einen bestimmten Schwellenwert sank. Rund um die Lektionen 75 und 80 war der normale Verlauf gestört: Die Teilnehmer sahen sich verschiedene Videos in allen möglichen Reihenfolgen noch einmal an. Dem entnahm er, dass sie Mühe hatten, dem dort vorgestellten Gedankengang zu folgen. Er erkannte, dass Vortragende mit diesem Wissen im Hinterkopf solche Lektionen noch einmal neu (und anders) aufnehmen und dann anhand neuer Daten überprüfen konnten, ob sie damit die augenscheinliche Lernkrise entschärft hatten.

In die Auswertungen fließt aber noch eine Fülle weiterer Daten ein. In Onlineforen wird gewöhnlich bloß mitgezählt, wie oft Beiträge gelesen werden, und die Teilnehmer werden gebeten, ihre Nützlichkeit zu bewerten. Professor Ng hat die Beiträge im Forum zu seinem Kurs dagegen einer komplexen statistischen Analyse unterzogen, um herauszufinden, wie hilfreich siewirklichsind. Er ermittelte, wie viele seiner Studenten, die eine bestimmte Aufgabe in einer Hausaufgabe oder einem Test zunächst falsch gelöst hatten, dieselbe Frage später richtig beantworteten, wenn sie einen bestimmten Forenbeitrag gelesen hatten.

Zum Beispiel hatten im 2011er-Kurs über maschinelles Lernen Tausende von Teilnehmern eine Aufgabe nicht korrekt gelöst, die eine Kostenfunktion bei einer linearen Regression vorsah. Aber diejenigen, die danach Forenbeitrag Nr. 830 lasen, konnten die Frage beim nächsten Mal mit einer Wahrscheinlichkeit von 64 Prozent richtig beantworten.

Von nun an kann das System jenen Studenten, die diese Aufgabe nicht richtig lösen, genau diesen Forenbeitrag anzeigen. Anstatt nur danach zu gehen, welche Beiträge die Teilnehmer am besten bewerten, werden diejenigen Beiträge datengesteuert herausgesucht, die das Lernen am besten unterstützen.

Dieser Big-Data-Ansatz wird nicht auf Professor Ngs Kurs in Stanford beschränkt bleiben: Der Kurs gibt uns einen Vorgeschmack auf das, was kommt. Big Data dringt in das gesamte Bildungswesen ein – mit weitreichenden Folgen dafür, wie wir lernen.

Dieses Buch handelt davon, wie Big Data Bildung und Lernen verändert. Durch Big Data erkennen wir so klar wie nie zuvor, was funktioniert und was nicht. Wir können die Leistungen von Schülern und Studenten verbessern, da nun Aspekte des Lernens sichtbar werden, die zuvor einfach nicht beobachtet werden konnten. Lektionen können auf die Bedürfnisse der einzelnen Lernenden zugeschnitten werden, sodass sie mehr verstehen und bessere Noten bekommen.

Big Data hilft Lehrern zu ermitteln, was am effektivsten ist. Ihre Tätigkeit wird dadurch nicht überflüssig, sondern produktiver und vermutlich auch befriedigender. Schulverwaltungen und Bildungspolitiker können zu geringeren Kosten den Menschen höhere Bildungschancen bieten – wichtige Faktoren, um die Einkommensunterschiede und das soziale Gefälle in der Gesellschaft zu verringern. Zum ersten Mal in der Geschichte verfügen wir über ein starkes empirisches Werkzeug, mit dem wir verstehen können, wie man lehrt und wie man lernt.

Dieser kurze Band dreht sich nicht um MOOCs, also »massive open online courses« wie jenen von Professor Ng in Stanford, die in den letzten Jahren Furore gemacht haben. Alle Welt war fasziniert von den Möglichkeiten, die diese Kurse bieten, und sprach von der Demokratisierung des Bildungszugangs. Das ist fraglos eine großartige Entwicklung. Aber in mancher Hinsicht sind diese Kurse ganz traditioneller Frontalunterricht – nur dass man leichter in diesen digitalen »Hörsaal« hineinkommt.

Eines ist freilich neu und aufregend an den MOOCs: die Daten, die sie erzeugen. Diese Daten können uns lehren, was am effektivsten ist; sie offenbaren uns Dinge, die wir bisher nicht wissen konnten, da uns das richtige Werkzeug dazu fehlte. Mit Big Data können wir diese Geheimnisse lüften.

Dass die Verbindung von Bildung und Technologie die Fantasie von Unternehmensgründern beflügelt und die Geldbörsen von Investoren öffnet, ist dabei von Nutzen. Allein 2012 ergoss sich über eine Milliarde US-Dollar Risikokapital in den Bildungssektor, doppelt so viel wie fünf Jahre zuvor.3 Wie weit die Bildungstechnologie bereits herangereift ist, zeigt auch die Fülle an neuen, geheimnisvoll klingenden branchenspezifischen Abkürzungen, zum Beispiel LMS (Lernmanagementsysteme) oder ITS (intelligente Tutorensysteme). Überall sind Unternehmen mit witzigen Namen wie Noodle, Knewton und Knowillage Systems entstanden.

Auch Traditionsunternehmen wie McGrawHill, News Corp., Pearson und Kaplan haben auf diesem neuen Gebiet Außenposten errichtet und Milliarden in Forschung und Entwicklung sowie Zukäufe gesteckt. Der E-Learning-Markt wird auf über 100 Milliarden US-Dollar geschätzt und wächst jährlich um etwa 25 Prozent – so GSV Advisors, eine angesehene Marktforschungsgruppe, die sich auf Bildungstechnologie spezialisiert hat.4 In den Vereinigten Staaten betragen die Gesamtausgaben für Bildung happige 1,3 Billionen Dollar im Jahr: mit neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts die zweitgrößten Ausgaben nach dem Gesundheitswesen.5

Am Ende geht es in diesem Buch aber um mehr als Bildung. Die Frage, wie sich ein wichtiger Gesellschafts- und Wirtschaftssektor Big Data zu eigen macht, dient uns als Fallstudie für die Veränderungen, die Big Data in allen Facetten des Lebens und der Wirtschaft mit sich bringen wird. Zwar konzentrieren wir uns hier auf die Entwicklungen im Bildungswesen, aber was wir dabei lernen, ist für alle Industrie- und Wirtschaftszweige und Organisationen relevant – seien es Krankenhäuser, Ölkonzerne, Technologie-Start-ups, gemeinnützige Einrichtungen oder das Militär.